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German Pages 328 [336] Year 1842
Neues
für
die Jugend.
Eine Auswahl anziehender Darstellungen aus
den Werken alter und neuer Geschichtschreiber von
A Hillert und K Riedel.
Erster Theil:
Alte Geschichte.
Aerlin. Verlag der Sander'schen Buchhandlung. (G. rg
nahmen,
in
dem Lande der
Budinen, lag die große hölzerne Stadt, mit einer hölzernen Einfas sung versehen,
von der jede Seite 30 Stadien (dreiviertel Meilen)
59
Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.
lang
war.
war eine griechische Niederlassung
Sie
mit griechischen
Wohnungen nicht nur, sondern auch Heiligthümern, von den Griechen aus den pontischen Handelsstädten gestiftet
Kann man über die Be
stimmung dieser Slobode wohl zweiselhast sein?
Welche andere konnte
sie haben, als zur Hauptniederlage des Pelzhandels zu dienen? so ist es wohl hinreichend erklärt,
Und
weshalb die Handelsgesellschaften
der pontischen Griechen und Scythen nicht den geraden Weg nahmen, sondern so weit nördlich zogen.
Sie tauschten hier die Waaren ein,
die sie weiter verführten, und sanden hier natürlich zugleich den Markt
für die Erzeugnisse ihrer eignen Industrie. Erst seit Kurzem ist durch einen leider zu früh verstorbenen Gelehr
ten ein helleres Licht über diese Länder verbreitet worden.
Es ist von
ihm aus Urkunden bewiesen, daß das Land, welches unter dem Na
men Jugrien sonst im nordwestlichen Rußlande gesucht wurde,
kein
anderes ist, als dasjenige, in welches uns Herodot gefiihrt hat, in dem es die Gegenden zu beiden Seiten des Urals, die Statthalter
schaft Perm und den westlichen Theil von Tobolsk bis zum Oby um faßte.
Die Bewohner desselben aber, die Jugrier, sind dieselben, die
jetzt unter dem Namen der Wogulen und der Ostiaken am Ob be Ein Land, um ein Vicrtheil größer, als Deutschland,
griffen werden.
von 16,000 Q. Meilen, vom 56. bis 67. Gr. d. Br. gerechnet. war von
je
her,
Es
der östliche Theil desselben, jenseit des
besonders
Ural, über den es drei Wege giebt, vorzugsweise das Land der Pelz
thiere.
Der Boden ist hier meist sumpfig und wird es immer mehr,
je nördlicher man
So
geht.
vielmehr Sumps mit Rohr,
erklärt sich also der große See oder
wovon Herodot spricht.
Daher finden
sich hier die besten Biber, die nur am Wasser bauen; aber auch die
edelsten Pelzthiere: überhaupt die schönsten Zobel, Eichhörnchen und
Im ganzen Mittelalter war Jugrien das Land des
Füchse jeder Art. Handels und
des
Verkehrs.
Schon seit denr
cilsten
Jahrhundert
trieben ihn die Nowogroder und machten es bald selbst zu ihrer Pro vinz, und daß er auch nach Nowogrod's Fall fortdauernd blühte, ist
von dem Verfasser erwiesen.
Selbst die bucharischen Caravanen kamen
noch im sechszehnten Jahrhundert dahin und brachten ihre und in
dische Waaren.
Kann
es
nach
dem,
was
wir schon wissen und
hören werden, im Alterthum anders gewesen sein? Ich baue nicht viel auf den Namen der Jyrken, wie niemals auf
bloße Namenähnlichkeit.
Aber wenn es erwiesen ist, daß die Jyrken
60
Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.
in demselben Lande wohnten, wo wir nachmals die Jugrier finden, ja! daß ihre Sitze bis in den Ural hineingingen, kann man sich der
Vermuthung enthalten, daß die Jyrken und Jugrier dasselbe Volk be
zeichnen; und derselbe Handel, der noch fünfzehnhundert Jahre nach Christo hier bestand, auch schon ein paar tausend Jahre früher geblüht
habe?
Auch eine ähnliche Stadt, wie in dem Lande der Budinen
finden wir hier, die scheckige Orde, von den scheckigen Pferden, den
so genannt,
Prachtrossen für die Inder,
mit denen ihre Bewohner
Ja, selbst der Laut der fabelhaften
die Waaren Jndien's eintauschten.
Sagen Herodot's tönt uns hier entgegen.
Die Sage von den sechs
Monate schlafenden Menschen ist eine ächt sibirische Sage, die ganz natürlich da sich bildete, wo, den Menschen allein ausgenommen, die
ganze übrige leblose und belebte Natur ihren Winterschlaf hält. Wenn die Caravane diese Pelzländer und
Jagdvölker durchzogen
hatte, wandte sie sich von den Thpssageten östlich, und ging über den
Ural, dessen südlichster Zweig, unter dem Namen des Auro-Uruk, sich
Die Gegend, wo sie das Gebirge
fast bis zum Aralsee herunterzieht.
passirte, läßt sich freilich nicht genau angeben, da sie
aber so weit
nach Norden gegangen war, so konnte es gewiß nicht südlicher ge
schehen,
das jetzige Orenburg liegt (52 Gr. N. Br.), und die
als
weitere Straße mußte also eine von denen fein, die oben von Oren burg aus beschrieben sind.
Der Weg ging also durch die Steppen
der Kirgisen, und nach Herodot's Angabe war es noch ein langer Weg,
bis
zu den Argippäern kamen,
sie
die also in den östlichen
Theilen dieser Steppen gesucht werden mußten, aber so gut wie jetzt
die Kirgisen sich auch nach Süden, bis zum Jarartes oder dem Sir
Darja, der Herodot nicht unbekannt ist, ausbreiten mochten.
Aber konnten sic hier die Peltereien, erwarten?
vor Allem an die schon
einen guten Markt für ihre Hauptwaaren,
Um diese Frage zu beantworten, muß ich
in der Einleitung
innern,
daß Pelzwerke nicht blos
sondern
auch
in hohem Grade
Arten derselben
zur Besetzung
gemachte Bemerkung er
ein Gegenstand
des
Lurus
sind,
südlichen Ländern Asien'S ihre Abnahme finden.
Seeotterfelle
und
welchen Markt
ans Nutka-Sund
die
feinen
oder Verbrämung der Kleider dienen,
und daher keineswegs blos in den nördlichen, ganz Persien,
des Bedürfnisses, indem
sondern auch in den So ist es noch in
fand nicht einst Cook
für
seine
in Canton im südlichen China? —
Im Alterthum war es nicht anders.
Mehrere der Völker des caspi-
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Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.
bei Herodot pelzetragende Völker.
heißen
schen Meeres
Unter den
dargebrachten Geschenken der Statthalter auf dem großen Relief von findet
Persepolis
selbst
in Indien
auch
sich
Pelzwerk.
Babylon kommen Pelze
In
vor, und daß auch
unter Prachtkleidern
in den ältesten Zeiten sie
dazu gezählt wurden, wird
die Untersuchung
über
So konnte es also den Scythen und Griechen
dieses Land lehren.
wohl so wenig fehlen, bei den Argippäern Abnahme ihrer Peltereien zu finden,
als
gegenwärtig
chinesische Artikel umsetzen.
den Russen,
die sie
in Kiachta gegen
Dies wird aber noch um Vieles deut
licher werden, wenn wir folgende Umstände hinzunehmen.
Herodot sagt zwar bestimmt, daß die Züge der Scythen und pontischen Griechen nicht weiter als bis zu den Argippäern gingen, aber
aus seiner Erzählung geht auch klar hervor, daß die Sitze der Argippäer deshalb keineswegs die Grenzen dieses Handels waren.
Es ist
nämlich mehr als wahrscheinlich, daß die Wohnsitze jener Völker blos die Plätze waren, wo die Caravanen des Osten und des Westen zu sammenstießen, und wo der Austausch ihrer Waaren geschah.
Denn
wenn gleich die Züge der Scythen hier ein Ende hatten, so war man
doch mit den entferntem Völkern, den Jssedonen und Maffageten, sehr wohl bekannt.
Und das, was uns der Schriftsteller von diesen Völ
kern sagt, setzt es für den, der den Gang des alten Handels kennt, wohl
außer Zweifel,
welcher Magnet hauptsächlich
diese ferne Länder zog.
die Griechen in
Denn wie wichtig auch der Pelzhandel sein
mochte,
so war er es doch gewiß nicht allein, um desscntwillen sic
kamen.
Daß bei diesen Hirtenvölkern auch der natürliche Markt zum
Einkauf der Lastthiere, der Pferde und Kameele war, bedarf keines Aber auch nicht weniger der Metalle, der edlen, wie der
Beweises. unedlen.
Das Erz
fand
Menge.
Aber die
einen,
äußerst goldreiche Völker.
sich
bei
ihnen,
nach Herodot,
in großer
wie die andern jener Völker waren auch
Sie wohnten gerade an den Grenzen der
reichen Gebirgsländer Afien's, und standen mit ihnen in Verbindung.
Von hier ferner bis nach Baktra und Marakanda, den ersten Stapel
plätzen der indischen Waaren, lief eine Völkerkette, wo Glied an Glied sich reihte.
Und woher hätte Herodot die zum Verwundem genaue
Bekanntschaft mit den Völkern an der Ostseite des caspischen Meeres, die wir oben haben kennen lernen, wenn keine Handelsstraßen durch
ihre Sitze gelaufen wären?
Mochte nun das Gold der Hauptgegen
stand dieses Handels sein, oder mochten die Erzeugnisse Indiens, wie
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Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.
in spätern Zeiten geschah, zugleich hier eingetauscht werden, so öffnet in dem einen, wie in dem andern Fall, dem Forscher der Geschichte der Menschheit sich hier eine Aussicht, die seiner ganzen Aufmerksam^
keit werth ist.
Und diese Verwunderung wird noch mehr erhöht, wenn
man aus Herodot sieht, daß zu eben dieser Zeit bereits eine Schiff
fahrt auf dem
Herodot ist sehr
caspischen Meere eingerichtet war.
weit von dem Irrthum der spätern Zeit entfernt, dies Meer für einen
Busen des nördlichen OccanS zu halten; er weiß nicht nur, daß eö
ein eingeschlossener Landsee ist,
sondern er bestimmt sogar die Länge
und Breite nach Tagschiffsahrten.
Woher kämen diese Angaben, wenn
dies Meer nicht wirklich bcschifft worden wäre?
In der macedoni-
schen Periode gingen die indischen und baktrischen Waaren den Orus
hinunter, jmb quer über dasselbe zu der Mündung des Arareö und Cyrus, von deren Ufern sie zu Lande nach dem PhasiS, und dann
auf diesem Strom zu den griechischen Seestädten am schwarzen Meere
gebracht wurden, und wenn uns die Geschichte auch kein ausdrückliches Zeugniß
darüber
ausstellt, muß dennoch nicht die Vermuthung ent
stehen, daß dieser Handclsweg nicht schon um ein Beträchtliches älter
gewesen sei?
Die Nachrichten endlich, die uns Herodot über den Charakter jener Hauptvölkcr von Mittelasien giebt, bestärken diese Vermuthung.
Er
schildert uns das eine derselben, die Massagcten, als ein Kriegervolk, die beiden andern aber, die Argippäer und Jssedoncn, als Völker, die
friedlichen Beschäftigungen obliegen, wodurch man fast auf die Ver muthung gerathen muß, daß eine Art von Kasteneintheilung hier statt
fand.
„Die Argippäer," sagt er uns, „werden von Niemand beein
trächtigt, denn man hält sie für ein heiliges Volk.
kriegerische
Nachbaren.
Waffeir,
und
schlichten
die
Sie haben keine
Streitigkeiten zwischen
Wenn aber Jemand, der aus der Flucht ist,
ihren
zu ihnen
Ihr Land war also ein
flieht, so wird er von Niemand beleidigt."
Asyl, die natürliche Freistadt für den Handel.
Sie heißen aber ein
heiliges Volk; es ist also offenbar, daß religiöse Ideen an sie geknüpft
sind, und sie scheinen also bei den Mongolen das gewesen zu sein,
was bei andern Völker» die Priesterkaste ist.
Auch die oben mitge
theilte Nachricht des Herodot, daß sie völlig kahl seien, erhält als dann eine neue Bestätigung, denn auch noch jetzt sind die Lamas oder
Priester bei den Kalmücken gänzlich kahl. heißt,
daß
sie
die Streitigkeiten
Wenn cs aber von ihnen
zwischen den
benachbarten Völkern
schlichten, was ist eS anders, als daß sie die Vermittler sind bei Zwisten, die in einem Lande, wo der Umsatz der Waaren verschiedener Volker geschah, nicht fehlen konnten. So entdecken wir also auch hier wieder jenes Band zwischen Handel und Religion, das so oft sich uns schon gezeigt hat, und noch öfter zeigen wird; aber so wie man es in einem Lande erwarten kann, wo keine Tempel und stehende Heiligthümer sich erhoben, sondern nur etwa ein heiliges Gezeit, wie noch jetzt in den Lagern der Kalmücken. Die Massageten, ihre Stamm verwandten und südlichen Nachbaren, werden dagegen von Herodot als ein kriegerisches und an die Waffen gewöhntes Volk geschildert, und wir werden sie nicht mit Unrecht als die Kriegerkaste betrachten können. Ganz anders aber die östlichen Nachbaren und Stammver wandten der Argippäer, die Jssedonen. Krieg war nicht ihre Beschäf tigung; dagegen heißen sie ein gerechtes, d. i. civilisirtes und gegen Fremde nicht feindliches Volk. Noch mehr! Von ihnen famen alle die Nachrichten, welche man von dem östlichen und nördlichen Asien rinziehen konnte, denn die Scythen hörten sie von den Jssedonen, die Griechen wieder von den Scythen. Sie erscheinen also als das Handels volk, das seine Verbindungen bis dahin erstreckte. Wenn außerdem, wie oben bemerkt ist, die Serer selbst ein Zweig von ihnen sind, so wird eö noch so viel deutlicher, wie die Verbreitung der Gewebe von diesen ihre Hauptbeschäftigung war, und die älteste Straße auch des Seidenhandels fängt an sich zu zeigen. So erklärt eö sich also auch, wie die Grenzen ihrer Wohnsitze die Hauptplätze des Handels und die Ziele der Caravancn werden konn ten, die von dem Ufer des schwarzen Meeres dahin zogen, um die jenigen Produkte hier einzutauschen, welche ihnen die Jssedonen ans dem östlichen Asien zuführten. Allein der Tag der Geschichte verliert sich hier in bloße Dämmerung. (Heeren.)
Von der Perser Sitten und Gebräuchen zu reden: so weiß ich da
von so viel, Bildsäulen, Tempel und Altäre zu errichten ist bei ihnen nicht Brauch, ja sie legen es denen als Thorheit ans, die das thun,
und das meines Bedenkens darum, weil sie nicht, gleich wie die Hel lenen, glaube», daß ihre Götter von Menschenart sind.
Dem Zeus
schlachten sie das Opfer auf dm höchsten Berggipfeln.
Zeus
nämlich bei ihnen der ganze Himmelskreiö.
heißt
Sie opferir aber auch der
Sonne und dem Monde, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden.
Densclbigen allein opferten sie ursprünglich, sie haben aber
dazu gelernt den Dienst der Urania von den Assyriern und Arabern.
Bei den Assyriern heißt Aphrodite Mylitta, bei den Arabern Alitta,
bei den Persern Mitra.
Das Opfer aber für die genannten Götter
verrichten die Priester also:
Wenn sie opfern wollen, so errichten sie
keinen Altar, zünden kein Feuer an, sie spenden auch nicht des Weines,
Flöten und Kränze und geröstete Gerste haben sie nicht, sondern wenn
einer sein Opfer will darbringen, so führet er das Thier an eine ge reinigte Stätte und betet zu dem Gott, die Tiare bekränzet mehren-
theils mit Myrthenzweigen.
Für sich allein darf aber der Opfernde
kein Heil erflehen, sondern er betet für alle Perser und für den König; denn unter allen Persern ist er ja auch mit einbegriffen.
Wenn er
nun das Opfcrthier in Stücke zerschnitten und das Fleisch gekocht hat, streuet er das zarteste Gras unter, gemeiniglich Klee, darauf leget er
alles Fleisch.
Ist dieses
geschehen, so
tritt ein Mager hinzu und
stimmt an den Gesang der Götterzeugung, wie sie den Zauberspruch nennen, denn ohne einen Mager dürfen sie nicht opfern.
Nach einiger
Die Pcrftr.
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Zeit trägt dann der Opferer sein Fleisch von dannen, und braucht es, wozu er Lust hat. Von allen Tagen feiern sie am höchsten ein Jeg licher seinen Geburtstag. Da inuß ein reichlicheres Mahl denn ge wöhnlich anfgetragen werden. Die Reichen lassen austragen ganze Ochsen, Pferde, Kameele und Esel im Ösen gebraten. Die Armen aber tragen kleineres Vieh auf. Gerichte haben sie wenig, aber desto mehr Nachtisch, immer eines nach dem andern. Deshalb sagen auch die Perser, die Hellenen ständen hungrig von« Tische auf, weil den selben nichts Ordentliches mehr vorgesetzt würde, Wcinu sie abgegcssen; setzte man ihnen nur Etwas vor, so würden sie nicht aufhören zu essen. Dem Weine sind sic sehr ergeben, und cs ist nicht fein, zu harnen oder auszuspcien in anderer Leute Gegenwart. Auch Pflegen sie, wenn sie trunken sind, über die wichtigsten Dinge sich zu be sprechen, und was sic beschlossen, das trägt am andern Tage der Herr des Hauses, darin sie sich besprochen, noch einmal vor. Sind sie auch nüchtern damit zufrieden, so thun sie darnach, wo nicht, so lassen sic eS. So auch, was sic nüchtern vorher besprochen, gehen sie trunken wieder durch. Wenn ihrer zwei sich auf der Straße begegnen, so kann man sehen, ob sic gleichen Standes sind daraus: statt dcS GrußeS küssen sie einander auf den Mund. Ist der Eine ein wenig geringer, so küssen sic sich auf dic Wangen, ist der Eine aber viel niedrigeren Standes, so fällt er zur Erde und betet den Andern an. Am meisten achten sie dic, die ihnen am nächsten wohnen — nach ihnen selber, versteht sich — dann die, die dann kommen, und dann nach Maß immer so weiter. Am wenigsten aber halten sie von denen, dic ihnen am entferntesten wohnen, denn sie selber sind ihrer Meinung nach in allen Stücken bei weitem dic vorzüglichsten von allen Men schen, die andern kommen der Vorzüglichkeit nahe, nach besagtem Maß, und die am entferntesten von ihnen wohnen, sind die schlechte sten. Nämlich als die Meder noch Herren waren, herrschte ein Volk über das andere, aber die Meder über alle und über die, so ihnen zunächst wohnten, diese über ihre Nachbarcn, und diese wieder über die, so ihnen angrenzten. Und nach demselben Maß achteten die Perser andere Leute, denn des Volkes Herrschaft und Verwaltung erstrecket sich sehr weit. Nach fremden Sitten ist keiir Volk so arg, als die Perser. So tragen sic das medische Kleid, weil sie glauben, es stehet ihnen besser, als das ihrige, so legen sie im Krieg ägvptische Panzer an, und wo sie nur hören von einer Vergnügung, der trachten Histor. Lesebnlv. I. 5
66
Die Perser.
sie nach.
So haben sie auch von den Hellenen die Knabenliebe ge
Es heirathet ein Jeglicher von ihnen viele ordentliche Frauen,
lernt.
dann haben sie aber auch noch viel mehr Kebsweiber.
Nächst dem
Muth im Streite gilt es für ungemein wacker, wenn Einer recht viel
Kinder erzielet, und wer die meisten erzielet, alljährlich sein Geschenk.
dem sendet der König
Sie setzen die Stärke in die Menge.
Ihre
Knaben erziehen sie vom fünften bis zum zwanzigsten Jahre nur in drei Dingen: im Reiten, im Bogenschießen und in der Wahrhaftig
keit.
Vor seinem fünften Jahr aber kommt ein Knabe seinem Vater
nicht vor die Augen, sondern hält sich bei den Weibern aus.
Und
das geschieht darum, daß, wenn er tu diesen Jahren stirbt, der Vater sich nicht um ihn zu grämen hat.
Diese Sitte gefällt mir, so wie
auch die, daß Keiiter, selbst der König nicht,
einen Menschen um
bringen darf um ein einig Vergehen, sondern erst, wenn er nach reifer
Ueberlegung findet, daß seiner Sünden mehr sind, denn seiner Dienste, darf et seinen Zorn an ihm
auölassen.'
Sie
behaupten auch, daß
niemals Einer seinen Vater oder seine Mutter umgcbracht habe, son dern, wenn ja etwas dergleichen vorgesallen, so hätte eS sich jedesmal
bei genauer Untersuchung ausgewiesen, daß dies untergeschobene Kin der, oder Bastarde, gewesen; beim, behaupten sie, cs sei ganz unna türlich, daß ein Kind seinen wirklichen Vater umbringe.
Ferner, was
sie nicht thun dürfen, davon dürfen sie auch nicht sprechen.
Für die
größte Schande aber gilt das Lügen, und dann das Schuldenmachen,
und das aus mancherlei andern Gründen, vornämlich aber, weil sie
behaupten: wer Schulden hat, muß auch nothwendig lügen.
Wenn
ferner ein Bürger den Aussatz oder den weißen Ausschlag hat, der
darf nicht in die Stadt, noch in anderer Perser Gesellschaft kommen. Denn sie sind der Meinung: wer diese Krankheit hat, der muß wider
die Sonne gesündigt haben.
Jeden Fremden aber, der davon befallen
wird, vertreiben sic aus dem Lande.
Viele leiden auch aus demsel-
bigen Grunde die weißen Tauben nicht.
In einen Fluß harnen, noch
speien sie nicht, auch waschen sie sich nicht die Hände darin; so leiden sie es auch von keinem andern Menschen, sondern gegen die Flüsse
hegen sie die größte Ehrfurcht. ihnen,
Auch ist der sonderbare Umstand bei
was sie selber zwar nicht wissen,
wohl aber wir, daß ihre
Namen, die da hergenommen sind von dem Leibe oder der Pracht, sich alle auf den nämlichen Buchstaben endigen, denselbigcn, den die
Dorier San,
die Joner aber Sigma nennen.
Wer Acht hat,
der
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Die Perser. wird finden,
daß der Perser Namen darauf sich endigen
allzumal;
nicht etwa einige, und dann wieder einige nicht, sondern alle mit ein
ander gleicher Gestalt.
So viel kann ich mit Gewißheit sagen, weil ich es genau weiß. Don ihren Todten aber wird wie ein Geheimniß und ohne Sicherheit erzählet, wie eines Perser's Leichnam nicht eher begraben wird, bevor
er nicht von einem Hunde oder Vogel umhcrgeschleppt worden.
Von
den Magern weiß ich es zwar ganz gewiß, daß sie es also machen, denn
sie
Perser
machen
kein Geheimniß
den Leichnam
Wachs überzogen.
daraus.
Wenigstens
erst dann unter die Erde,
Die Mager
unterscheiden sich
bringen die
wenn sie ihn mit
zwar von
andern Leuten, vornämlich aber von den ägyptischen Priestern.
allen Denn
diese halten sich rein von dem Morde alles Lebendigen, ohne was sie opfern;
die Mager hingegen
todten Alles
keinen Hund und keinen Menschen.
mit eigener Hand, nur
Und darin setzen sie eine große
Ehre, daß sie todten Beides, Ameisen und Schlangen, und was sonst
kreucht und fleucht.
ist Sitte gewesen.
Doch das mag bleiben, wie es von Anbeginn (Herodot.)
VII. Griechenland. 1. Athen. Ursprünglich standen die einzelnen Vereine der Griechen unter Stamm
fürsten. Allein zwischen 1080—700 vor Christus wurden in allen griechischen Staaten, Epirus ausgenommen, republicanische Verfassun gen eingeführt, welche, obwohl unter vielem Wechsel und mannigfal tigem Kampfe mit Tyrannen (das Wort im Sinne der Griechen genommen) sich bis zu dem völligen Untergange der griechischen Frei heit erhielten.
Woher dies Entstehen republicanischer Verfassungen in Griechenland? Bei aller Vielheit und Mannigfaltigkeit der griechischen Staaten
aber, und so groß auch der Kreis der griechischen Pflanzorte war, betrachteten sich die Griechen doch stets als ein Volk. Die Verwandt schaft in Hinsicht auf Geistes- und Sinnes-Art, auf Sprache, Reli gion und Bildung überhaupt, war unstreitig die vornehmste Ursache, weshalb der Grieche jeden Nicht-Griechen sich als einen Barbaren gegenüberstellte. Mächtig wirkte überdies zur Erhaltung dieser NationalEinheit unter den Griechen die Ehrfurcht vor den gemeinschaftlichen Orakeln besonders zu Dodana und Delphi. Ferner, wie die vier großen, heiligen Spiele der Griechen (die olympischen, bei Olympia in Elis gefeiert und durch Jphitus um 880 v. Chr. wieder hergestellt, die nemeischen, bei Nemea in Arpolis, die isthmischen, in der Nähe von Korinth, die pythischen, in der Nähe von Delphi gefeiert) den Sinn für das Edle und Schöne bei dem griechischen Volke entflammten
Griechenland.
69
Athen.
und stärkten, so mußten sie auch ein Band der Vereinigung um alle Griechen schlingen. mehrere
nigstens
diesem
Endlich das Amphiktyonen-Gericht verband we
griechische
phiktyon,
Den
Völker mit einander.
merkwürdigen Gericht hat,
wie die Sage lehrt,
einer der Sohne Deukalion's, gelegt.
Schutz
Grund
zu
schon Am-
der Tempel
und Heiligthümer war wohl der erste Zweck des Bundes, an welchen sich aber milderer Verkehr der Verbündeten unter einander von selbst
nothwmdig anschloß.
Der Tempel zu Delphi ward zum Mittelpunkte
des Bundes gewählt.
Die Anzahl der verbündeten Völker wuchs im
Verfolge der Zeit zu zwölf (Oetäer, Malienser, Phthioten, Thessalier, Magneter, Perrhaeber, Doloper, Lokrer, Dorier, Phocier, Böotier, Ionier) an.
Durch den BundeS-Eid verpflichteten sich die Verbün
deten: „Keine Stadt des Bundes zu zerstören, keiner das Quellwasser abzuschneiden, wohl aber den Staat, welcher den Eid verletzte, mit Hätte einer der Staaten einen Tempel verletzt
Strenge zu bestrafen.
oder Tempelraub begangen, so wollten sie mit Fuß, Hand und Stimme und mit aller Kraft seine Strafe betreiben."
Ost fehlte es freilich den
Verbündeten an Macht, ihre Beschlüsse geltend zu machen, aber es kann auch nicht geläugnet werden, daß der Bund sehr Vieles dazu beigetragen habe, das rechtliche Verhältniß unter den griechischen Staa ten austecht zu erhalten.
Nie bildete indessen Griechenland einen Ge-
sammtstaat.
Unter den vielen Staaten Griechenland's ragten Sparta und Athen vornehmlich hervor; auch sind von der Geschichte der meisten übrigen griechischen Staaten nur dürftige Bruchstücke zu uns gekommen.
Länger
werden wir bei Athen verweilen, in dessen Geschichte ohnehin die Schick
sale des übrigen Griechenland's vielfach verflochten sind.
Zwei Dinge hoben die Bildung
der Bewohner
von Attika sehr
frühe: die ägyptische Colonie unter Cecrops, und dann, daß Attika
wegen der ursprünglichen Wildheit und Armuth seines Bodens in den
ersten unruhigen Zeiten und in den Zeiten der Wanderungen feindlichen Angriffen weniger ausgesetzt
war,
als
andere
griechische
Staaten.
Frühe blühte insbesondere der Ackerbau in diesem Lande, und dankbar
erkannten c.
ganzen Heeres mit Einem Geiste zu durchdringen, dessen Glieder er
selbst organisiren konnte.
Je mehr die Scheidewand zwischen Patri-
zienr und Plebejern sank, je mehr ward das republikanische Prinzip der Armen
gefährdet.
Seitdem bahnten Kriegsglück und Tapferkeit
den Weg zu Ehrenstellen,
Reichthümern und Macht im Staate, so
daß in den spätern Zeiten die ersten Allgewaltigen Rom's, Marius
und Sylla, aus dem Volke waren, und zuletzt gar die schlechtesten Menschen zu den höchsten Würden emporstiegen. Der Römer gepriesene Tugend ist ohne die enge und harte Ver Die Consuln waren fast gedrun-
fassung ihres Staates unerklärlich.
gen, eine königliche Seele zu haben. eigene und fremde Sittlichkeit.
Das Amt der Censoren erhielt
Der Adel ihrer Geschlechter, die immer
erneute Gefahr von außen, das unaufhörliche Reiben und Gegenge wicht im Innern, das Band zwischen den Patronen und
Clienten,
das gemeinschaftliche Drängen an einander auf den Marktplätzen und in den Häusern, die engen, scharfen Gränzen zwischen Eigenthum deS Senates und des Volkes, ihr enges, häusliches Leben, die Erziehung
der Jugend
im Anblicken
aller dieser Dinge von Kindheit auf —
Alles mußte sie zum stolzesten,
ersten Volke der Erde machen,
das
zum verworfensten herabsank, nachdem es die heilige Scheu vor seiner Einzig werden die Beispiele jener
altbewahrten Verfassung verloren.
ersten großen Römer bleiben, die daheim mit strenger Unparteilichkeit,
uneigennütziger Großmuth lebten und handelten, die den arbeitsvollen Tag noch vor Sonnenaufgang begannen, und nur mit späterer Däm merung
beschlossen.
bleiben,
die Gut und Blut
Staates
Einzig
werde»
die Beispiele einzelner Heroen
in den gefahrvollsten Augenblicken deS
mit einer Besonnenheit zum Opfer brachten,
die von der
Begeisterung, welche die Verzweiflung giebt, unendlich verschieden war.
Einzig werden bleiben die Muster edler, großherziger Frauen, die zu
erst
unter den Römern glänzten,
denn weder in
den Harems deS
Orients, noch in den Gynäceen Griechen land's, hatte sich wahrhafte weibliche Tugend entwickeln können.
Dort gab es nur Sklavinnen
oder despotische Herrscherinnen, hier, in HellaS, nur Haushälterinnen
oder Buhlerinnen.
Erst in Rom konnten sich bewunderte Heroinnen,
wie Clölia, konnten sich an Gesinnung große und an Charakter un-
tadliche Frauen, wie die Mutter und Gemahlin Coriolan's, wie die Mutter der Gracchen, zeigen, und mit einer Würde in das öffentliche
Leben eingreifen, wie seitdem nie wieder geschehen ist.
Dagegen sah
Nom.
152 aber
man
unter den Kaisern,
anch
man sich
nachdem
gegen alle
Grundgesetze des Staates und der Moral versündigt hatte, Ungeheuer
von Weibern von einer Erfindsamkeit in Bosheit und im Genusse des Lasters, wie sie ebenfalls seitdem nicht wieder gesehen worden.
Die
römischen Tugenden und Laster hielten Schritt mit der Verfassung, jene verschwanden, als diese nur durch das äußere Gesetz aufrecht ge
halten
werden
da jede Verfassung nur auf solchen Gesetzen
sollte,
sicher ruht, welche die Natur jedem Edlen ins Herz gegraben hat. —
Selbst eine Sitte, welche von der christlichen Religion verdammt wird, der Selbstmord, ist aus ihrer Staatsverfassuug und der Gesinnung,
Das Gefühl der Ehre, welches
welche ihnen diese einflößte, erklärlich.
erlittenen Schimpf an sich selber rächte, war bei ihnen lebendiger, als die Liebe zum Leben und ein freier, sclbstgewählter Tod ward schimpf
lichem Leben vorgezogen.
sie
sich dadurch
Selbst Angeklagte mordeten sich selbst, wenn
ehrenvollen
eines
archischer Principien
und
und
Andenkens
ihres letzten Willens versichern konnten.
der stoischen
der Vollziehung
Mit der Verbreitung mon
Philosophie,
die
ein weises
Mittelmaß der Leidenschaft lehrte, ward der Selbstmord noch gewöhn
licher, und Cato, Brutus und Cassius heiligten eine Handlung, die für heroisch
weil
galt,
der römische,
besonnene
Selbstmörder aus
eigener Wahl die gespielte Rolle beschloß, wenn sie ihm nicht mehr gefiel. —
Eine der sichersten Grundfesten ihres Staates
war ihre Religion.
Es war eine Staats- nnd Kriegsreligion, auf das Engste mit dem öffentlichen,
wie
mit dem häuslichen
Leben
verwebt.
In solchem
Grade war dies bei Asiaten nnd Griechen nicht der Fall, weil im
Kultus
die Phantasie
dieser Völker das Gemüth,
herrschten.
Die
römische Religion hingegen war nüchterner Verstand, daher sie Poly-
bius wohl Aberglauben nennen mag.
besondern Stand:
also
Ihre Priester bildeten keinen
war keine Hierarchie
möglich.
Sie waren
Diener des Staats, wie die Civilbehörden, deren einer so wenig, wie
der andere, die Oberhand gewinnen konnte,
nnd der sehr nüchterne
Kultus nur ein Werkzeug in den Händen der Regierung.
Wie wenig
hier an Mythen oder höhere Lehren, zu denken war, bezeichnet schon
der Ausdruck religiones, welcher im Grunde nur Unsträflichkeit des
Gewissens
bedeutet.
von der Person also überall hin.
der
Ihre heiligen
Gebräuche
waren
unzertrennlich
höchsten Obrigkeit und des Feldherrn,
folgten
Was die ersten Machthaber thaten, geschah unter
133
Die römische Geschichtschreibung, Volkspoesie rc. selbsteigenen Anspielen.
Alle Staats- und Kriegshandlungen wurden
nur hierdurch geweiht, und ihr Staat fing alsdann erst zu wanken an, als sie, den ältesten Grundsätzen untreu, fremde Götter in ihre Heiligthünier
ausnahmen,
obschon
auch
dieses
nur
ein
politischer
Kunstgriff war, um die Völker, die diesen Göttern dienten, unter
heiligem Scheine an sich zu locken. Das Princip ihrer Kriegskunst und die Einrichtung ihres ganzen Kriegswesens war der stählerne Arm, vermittelst welchem sie die bis her genannten Einrichtungen nicht allein im Innern und gegen Außen
behaupteten,
sondern
wodurch sie auch
zu welterobernden Siegern
wurden. Der Krieg diente ihnen zum Nachsinnen, der Friede znr Uebung, und jeder Feldherr betrachtete den Krieg als eine ihm unent
behrliche und rühmliche Kunst. Die Kriegsschule war nicht blos im Lager gegen den Feind, sondern mehr daheim, ans dem Marsfelde. Wenn sich hier Alt und Jung im Laufen, Springen, Ringen, Fech
ten geübt, wenn sie sich mit Schwertern, Spießen und Pfeilen ver sucht, die doppelt so schwer, als die waren, welche sie im Felde trugen, so stürzten sie sich in die Tiber, um Staub und Schweiß ab
zuwaschen und fertige Schwimmer zu werden. Wenn in unsern Heeren die Soldaten durch den Wechsel übermäßiger Anstrengung mit erhielten sich die Römer ihre robusten Krieger durch ununterbrochene Uebung. Publius Nasica ließ ohne Noth eine Flotte bauen, weil er den Müßiggang mehr fürchtete, als den Feind, und Sulla gab seinen Kriegern, als sie im Kriege gegen Mithridat den Muth verloren, so viel Arbeit, daß sie um eine Schlacht baten, weil sie von dieser daS Ende aller ihrer Leiden hofften. Aber ihr Hauptaugenmerk richteten die Feldherren mit kühler Besonnenheit auf alle die Stücke, in welche ihnen der Feind
übermäßigem Müßiggänge hinschmelzcn, so
überlegen war. Diesen kamen sie alsbald zuvor, indem sie unbedingt nachahmten, was sie für besser erkannten. Statt ihrer alten lateini schen Rüstung nahmen sie von Etruskern und Sanmitern an Waffen an,
was
Märsche,
ihnen diente; sie lernten von Hannibal Ordnung der dessen langer Aufenthalt in Italien ihnen die schwerste
Kriegsübung war, die sie je gehabt hatten. Den Kampf gegen Kar thago führten sie auf erborgten Schiffen; die schneidenden Schwerter der Gallier, und die Elephanten des Pynchiis machten sie nur einmal,
nachher nicht wieder, bestürzt; sie vergaßen nicht, sich, sobald es möglich war, numidische Pferde, kretische Schützen, balearische Schien-
154
Rom.
derer und rhodische Schiffe zu verschaffen.
Kurz, kein anderes Volk
hat je sich mit so vieler Klugheit zum Kriege gerüstet, noch ihn mit solcher Kunst und solchem Muthe geführt.
In diesen Hauptpunkten ihres Staats-
und KriegSgebäudes lag
ihr Glück, lagen die Ursachen ihrer Größe.
Wir wollen sehen, wie
sie diese auf ihre Eroberungen anwendeten. Jener alte, berühmte Zweikampf der Horatier und Curiaticr ist ein wahres Vorbild ihrer ganzen Kriegsgeschichte; als die Weise, wie sie sich eines Feindes nach dem andern entledigten.
Zwei Horatier waren
geblieben, von den Curatiern der Eine schwer, der Andere leicht, der
Dritte noch nicht verwundet.
Also konnten sie dem fliehenden Hora
tier nicht mit gleicher Schnelligkeit nachsetzen; das hatte der Schlaue
nur gewollt: denn nachdem er sie getrennt hatte, erschlug er Einen nach dem Andern.
So auch Rom, der Flecken, der zur Welthaupt
stadt ward, durch die ehernen Grundsätze der Republik, welchen alle
Welt wich, nämlich: „nie nachzulassen, bis der Feind im Staube lag,
und daher immer nur mit einem Feinde zu schlagen; nie Frieden an-
zunehmcn im Unglück, sondern
brächte,
wenn auch der Friede mehr,
festzustehen,
und
desto
trotziger zu
als der Sieg,
sein gegen den
glücklichen Sieger; großmüthig und mit der Larve der Uneigennützig
keit anzufangen, als ob man nur Leidende zu schützen, nur Bundes verwandte zu gewinnen suchte, bis man zeitig genug den Bundesge
nossen
befehlen, die Beschützten
unterdrücken und
über Freund
und
Feind als Sieger triumphircn konnte."
Wer nicht für mich und mit mir ist, ist wider mich.
Das war
die Sophistik, die seit dem zweiten macedonischen Kriege überall galt, wohin Rom mit seinen Waffen reichen konnte.
Während die Heere
eroberten, berieth sich der Senat, der sich zum Richter über alle Völker aufwarf, wie man denen daö Wiederaufkommen
wollte, die einmal zu Boden geworfen waren. Volke
wurden
vertheilt.
seine Länder
genommen und
unmöglich
machen
Dem überwundenen
an die Bundesgenossen
Diese brauchte man zum Kriege gegen den Feind; man ver
tilgte sie selbst, wie ein Werkzeug, wenn sie andere Staaten über den
Hausen geworfen hatten.
Hatten sie verschiedene Feinde
gegen sich,
so gestatteten sie dem Schwächsten einen Waffenstillstand, der es nun
für etwas Großes hielt, wenn er seinen Untergang verschoben hatte. Immer waren sie die Angreifenden, aber immer entschuldigten sie ihren
Angriff mit einer Verletzung des Rechts, die sic dem Feinde vorwarfen.
Die römische Geschichtschreibung, Volkspoesie ic.
155
Sie behielten immer Recht, weil sie frech genug waren, eS immer zu
behaupten. Diese und ähnliche, vom Gemüth verabscheute, vom Verstände be wunderte Grundsätze, welche Montesquieu in seiner geistreichen Schrift
zur Genüge auseinandergesetzt hat, waren eS, welchen Rom seine un geheure Größe verdankte, wodurch es gleich in den ersten Jahrhun
seiner Erbauung das Grab von ganz Italien ward. Einmal an das Joch Nom's geknüpft, kamen alle Italiener, ungeachtet
derten nach
aller Freiheit, die man diesem und jenem Volke gewährte, zuletzt doch dahin,
daß
nur in Rom
Jedermann
Glück,
Ansehen, Recht und
Von diesen Grundsätzen ausgehend, war nicht etwa blos von einem Eroberungskriege gegen Karthago die Rede, sonder» der Senat deliberirte förmlich und feierlich, ob überhaupt ein
Reichthum suchte.
Karthago auf der Erde zu dulden sei? — Darauf kündeten sie sich der
kindisch
gewordenen Nation
Spielen als Befreier
an.
der Griechen
auf den isthmischen
Als solche plünderte Paulus
Aemilius
siebenzig epirotische Städte und verkaufte hundertfünfzigtausend Men
schen als Sklaven, um sein Heer zu belohne».
Als Befreier Griecben-
land's verwüstete und plünderte Mctell Maeedonicn, Mummius Ko rinth, Sulla Athen und Delphcn, wie kaum Städte in der Welt geplündert worden.
Die griechischen Inseln hatten kein besseres Schick
sal, sie füllten die Stcuerkasse und wurden Plünderungsorte für die Triumphatoren. Der letzte König Macedonien's verschmachtete im
Kerker,
sein
dein Tode
Drechsler und Schreiber.
entronnener Sohn fristete sein Leben als Tic letzten Glimmer der griechischen Freiheit,
der ätolische und achäische Bund, verloschen, und alles Land ward
römische Provinz oder Schlachtfeld, auf welchem sich nun die Heere
Mit denselben Grundsätzen drängten sich die Römer bald als Erben, bald als Vormünder, bald als Schiedsrichter und Friedensstifter in Kleinasien, Syrien, Pontus,
der Triumviren selbst erschlagen.
Armenien und Aegypten, aus welchen sie aber auch zum Lohne ihrer Dienste das letzte Gift ihrer eignen Staatsverfassung geholt haben.
Pompejus allein triumphirte in einem Siegeözuge über fi'infzehn er oberte Königreiche, achthundert eingenommene Städte und eintausend
bezwungene Festen.
Das Gold und Silber, daS er im Gepränge
zeigte, betrug zweiundzwanzig Millionen Thaler, die Einkünfte des Staates vermehrte er auf den dritten Theil, und der geringste Soldat seines ganzen Heeres erhielt über zweihundert Thaler Triumphgeschenk.
156
Nom.
Cäsar, wiewohl edelmüthiger, als irgend ein Römer, konnte doch daS
Schicksal seiner röinischen Bestimmung nicht ändern und sammelte das
traurige Lob, „daß er,
außer den Bürgerkriegen, in fünfzig offenen
Feldschlachten gestritten und eilfhundertzweiundneunzigtausend Menschen im Treffen erschlagen habe." der Schatten,
Abendsonne
in
welchem
ein Reich
als
—
es
Spanien fiel unbekannt ins Reich
schon Homer unter dem Glanze der
aber
malt:
der Unterirdischen
es
hatte
glorreich gestritten, und Cervantes hat seinen Namen durch das un
vergeßliche Numantia nur unsterblicher gemacht. Dies die Weise, dies die Künste, wie sich Roma ohne Christen
thum zur Herrin der Welt gemacht,
so
daß man in der Kaiserzeit
Erdkugel und römische Monarchie für gleichbedeutend nahm, und die Herren der Welt sich
selbst
einer Erdkugel
mit dem Kreuze
(dem
nachherigen Reichsapfel) als Symbols ihrer Weltmacht bedienten, ob schon die Macht selbst damals schon vorüber war.
Von dem schotti
schen Waldgebirge an, an der Elbe und dem nördlichen Dazien hin, bis hinab in die arabische und gegen die äthiopische Wüste, und von
den bestrittenen Partieen bis zu den Gestaden des abendlichen Welt
meers,
herrschte
Gipfel stand.
das römische
Scepter,
als
es
auf dem
höchsten
Das mittelländische Meer lag in seinem Schooße, die
reichsten, bevölkertsten Länder, der fruchtbarste Himmelsstrich der Erde,
in seiner Mitte.
Alles Land gehorchte ihm,
wie hätte es Barbaren,
nomadische Horden fürchten sollen, die aus der Wüste herschwärmend
dem altersschwachen, lebenssattcn, erschöpften Rcichskoloß den Todes
stoß gaben!
Wie vermochten nun rohe Völker, die den Krieg nie als Kunst ge trieben und geübt, wie vermochten diese, durch wenige Schlachten ein
Reich zu stürzen, das sonst vor keiner Macht gezittert hatte. — Sie
konnten cs, weil Rom schon im Innern verfallen war.
Der Ursachen
aber, warum es zerfiel, waren viele, die vorzüglichsten folgende:
1. Unbillig und unsicher waren die Gränzen zwischen Rath, Ritter
schaft und Bürgern.
Wie sehr dies der Fall gewesen, leuchtet auö
dem langen Kampfe der Plebejer um die Theilnahme an patrizischen
Würden,
auS
den immer wieder auflebcnden Ackcrstreitigkeiten,
den eben so endlosen Kämpfen der Optimalen und
klassen genugsam ein.
aus
ärmeren Volks
Würden, die ertheilt worden waren, um diesem
ewigen Uebergewicht zu steuern, wie die der Volkstribunen, wurden
1 57
Die römische Geschichtschreibung, VolkSpcesie >c.
alsdann gefährlich, als man sich nicht mehr auf die freiwillige Ab dankung des Dictators verlassen konnte. 2. Es lag ein Widerspruch in dem Grundsätze: Rom — die Königin der Nationen, Rom — die Beherrscherin der Welt, denn Rom war
nur eine Stadt, ihre Verfassung nur eine Municipal - Verfassung, und
je gewaltiger der Umfang ihrer eroberten Länder ward, je weniger ließ sich diese Verfassung aufrecht erhalten.
Nach Sylla's Tode gab
es vierhundertfünfzigtausend sogenannte römische Bürger, und unter Cäsar waren nicht weniger, als dreihundertzwanzigtausend, welche Korn bei öffentlichen Austheilungen verlangten. Nun denke man sich
diese Masse von Bürgern bei öffentlichen Versammlungen sammt ihren Patronen, wie sie durch Geschenke, Spiele, Prachtaufzüge, Schmeiche leien verführt oder durch Drohungen gezwungen, den Berathschlagungen jede beliebige Richtung geben konnten: was vermochten gegen diese
ein Senat von etlichen Hundert, ja, wie konnten die republicanischen Grundgesetze für ein Gebäude von solchem Umfange ausreichen! 3. Die Menge der Sklaven wuchs, je mehr die Römer Herren der Welt wurden.
Die alten Römer waren fast brüderlich
mit ihren
Sklaven umgegangen, ja ein Vater konnte seinen Sohn als Knecht
verkaufen. Je mehr sie nun eroberten, je mehr Sklaven sie aus allen Ländern zusammenschleppten. Durch diese bebauten sie nicht allein ihre weitläufigen Ländereien in Italien, Sicilien, Griechenland und anderwärts, sondern sie trieben auch sogar Handel damit. Unbarm herzige Herren behandelten sie wie Thiere. Also konnte es nicht fehlen, daß sich nun zu allen Zeiten eine Schaar Unzufriedener in ganz Italien zerstreut befand, die begierig jede Gelegenheit ergriff, das verhaßte Joch abzuwerfen.
Der furchtbare Sklavenkrieg in Sicilien
unter Eunus, den zweier Consuln Waffen in drei Jahren nicht dämpfen konnten, der Gladiatoren- und Sklavenkrieg unter Spartacus, und andere Tumulte mehr, beweisen es genugsam.
Uutcr den Kai
sern wuchsen diese Gräuel zu beispielloser Größe. Rom ward durch Rom gestraft, und die Herren der Welt wurden der verruchtesten Sklaven demüthige Knechte. 4. Eine vierte Ursache des römischen Verfalls war der Lurus, der sich bis zu einer gräuelvollen Größe erhob.
Lage hatte ihn herbeigesührt.
Schon die geographische
Italien lag fast im Mittelpunkte der
alten Welt, und da ihm durch Natur und Waffengewalt die Wege nach allen Welttheilen offen standen, häufte es die Sitten, Erzeugnisse
158
Nom.
und Genüsse aller Länder in dem stolzen Rom auf.
Nach dem syri
schen Kriege begann dieser Unfug, dem zu den Zeiten der Gracchen,
wo das Verderbniß schon sehr groß war, nicht mehr gesteuert werden
konnte, und die Kaiser verdarben es vollends. WaS eine ungemeine Erfindungsgabe in üppigen, schwelgerischen Genüssen und Wollüsten nur aussinnen konnte, war in Rom zu finden, und wenn man die Schilderungen eines Plinius lie'st, so wird man gestehen, daß die
üppigsten Zeiten der französischen Könige — die doch schwerlich vom übrigen Europa übertroffen worden — nur ein schwacher Schatten der römischen Zeiten seien.
In den Satyrcn eines Petronius und
Juvenal weiß man kaum, worüber man mehr staunen solle, ob über die Frechheit, mit welcher man genoß, oder über die Unverschämtheit, mit welcher diese Gräuel gemalt werden. Doch ohne alle diese Dinge, kann man endlich sagen, ohne Lurus, Pöbel, Senat und Sklaven, mußte Rom fallen, mußte sein Kriegs geist das Schwert in die eignen Eingeweide kehre», das er so oft
gegen unschuldige Städte und Nationen gezückt hatte. Das ewige Naturgesetz der Wiedcrvergcltung stürzte auch diese stolze Stadt. Die Geschichte der Römer, sagt Montesquieu, ist mit Einem Worte diese: durch ihre Grundsätze wurden sie Herren der Welt; da konnten die republikanischen Marimen nicht länger beibehalten werden: die Ver fassung ward monarchisch: die Grundsätze der Monarchie aber waren den frühere» ganz entgegen. Das stürzte sie. Doch wir können nicht eher von dem so großen, so merkwürdigen Volke scheiden, als bis wir den Schöpfungen ihres Geistes, welche theils unversehrt, theils nur in Bruchstücken auf unS gekommen sind,
ihren Wissenschaften und Künsten, noch
einige Augenblicke geschenkt
haben. Zuvörderst verdient bemerkt zu werden, daß das Volk, das, als eS lebte, gegen die ganze Welt ungerecht war, uns in seinen Gesetzen
den Grundstein einer universellen Gerechtigkeit hinterlassen hat.
Es
war und bleibt das erste Volk in der Welthistorie, durch dessen ganze Geschichte ein immerwährendes Streben nach Recht und Gerechtigkeit läuft. Ihre ganze innere Geschichte ist ein ununterbrochener Rechts streit, was durch die vollendete Darstellung des Liviuö ungemein klar
wird.
Selbst die Ungerechtigkeiten der Römer, so parador dies klin
gen mag, beweisen, daß das Rechtsgefühl in ihnen klarer, als bei allen übrigen Nationen der alten Welt war.
Denn indem sie ihre
159
Dle römische Geschichtschreibung, Volkspoesie rc. herrschsüchtigen
Angriffe durch
ein
Recht
beschönigten,
welches
der
Feind wirklich oder angeblich verletzt hatte, bewiesen sie ja eben, daß ihnen das Recht höher, als Alles, sei. berühren, welchen
Wir werden es weiter unten
Einfluß die römische Rechtsgelehrsamkcit auf alle
europäischen Staaten gehabt, und wo ist wohl jetzt eine Gesetzgebung, die nicht mehr oder weniger auf der römischen begründet wäre? — Wohl mußte eine Nation die vollkommenste Gesetzgebung zu Stande
bringen, die von dem Zwölftafelgesetz bis Justinian, also bei tausend
Jahre über
alle mögliche Rechtsverhältnisse und Rechtsfälle gedacht
und gestritten, alle civilistischen Formen durchprobirt hatte. Sodann verdient der Einfluß bemerkt zu werden, den die römische Sprache auf ganz Europa
volltönend
und herrisch
So majestätisch,
gehabt hat.
bestimmt,
ihre Sprache auch im Römermunde klingen
mochte, so hielt sie doch an Biegsamkeit, Wohllaut und Fülle keinen Vergleich mit der griechischen aus. Griechen nachgebildet.
Zudem war das Beste doch den
Aber wenn die griechische einem Volke ange
messener, dessen ganzes Leben und Weben in harmonischer Verschlin gung aller Kräfte bestand,
so
mußte die
werden, wo" der Verstand vorherrschte.
lateinische da
vorgezogen
Dies und der Umstand, daß
die Römer ihre Sprache überall einführtcn, wo sie hinkamen — und
wo kamen sie nicht hin? — machte
sic zur allgemein herrschenden.
Ihrer bediente sich die geistliche und weltliche Macht, und von den Thronen und päpstlichen Stühlen verbreitete sie sich unter die Mönche
und Gebictiger aller Lande, und, wie natürlich, in alle Anstalten der Bildung herab.
Daö ganze frühere Mittelalter'sprach und schrieb, ja
dachte lateinisch, weil die Sprachen der barbarischen Völker anfangs zu arm für poetische und hierarchische Regierungsbegriffe waren, später hin unbillig verachtet wurden.
Wenn daher Cicero von Herdern der
Vater des Vaterlandes aller lateinischeil Schulen in ganz Europa mit
Recht genannt wird, so scheint es ebenfalls an die Zeit zu erinnern, wie sehr unsere deutsche Jugend an Bildung gewinnen müsse, wenn statt der bis auf gegenwärtige Zeiten herrschenden Weise die lateinische
Sprache zum Grunde zu legen, fortan der Unterricht mit der griechi schen begonnen wird.
Denn um nur Eins zu erinnern, so ist es ja
unhistorisch, die frühern auf die spätern folgen zu lassen, anderer über schwenglicher Vortheile zu geschweige», welche aus dieser Verfahrungsart entsprießen.
Das eigentliche Blüthenalter der geistigen Bildung der Römer wird
160
Rom.
in die Zeiten von Sylla's Abdankung bis zu August's Tode gesetzt. Es umfaßt also noch nicht hundert Jahre, und man pflegt das Augustische Zeitalter gewöhnlich das goldene zu nennen. Ein zweites glückliches Zeitalter begann mit Vespasian und endete mit Mark Aurel. — Von den Griechen ging ihre gesammte Bildung aus; wie viel sie
von den Hetruriem angenommen, läßt sich nicht bestimmen.
Denn sie wurden nur durch das Schwert groß, und so sträubte sich ihr re-
publicanisch-soldatischer Charakter gegen jede Theilnahme an solcher Bildung, welche nicht unmittelbar zu Staatszweckcn führte. Die sy rischen Kriege gaben ihnen genauere Bekanntschaft mit dem Osten und Griechenland. — Namentlich streute das letztere den Samen höherer Kultur unter die Bürger, die bisher nur ausschließend für den Kriegs
ruhm und bürgerliche Freiheit gearbeitet hatten. Plautus, AndronicuS und Terenz, welcher Letzterer, nach Cäsar'ö Urtheil, die Halste des griechischen Menander war, suchten die dramatische Poesie der Griechen
auf römischen Boden zu verpflanzen, so wie die großen Scipionen immer mehr Liebe für griechische Literatur und Sitten zu verbreiten suchten.
Nachdem sie Herren der Welt und
mit der macedonisch-
gricchischcn Welt bekannter worden waren, verlor sich auch der Haß
gegen das Fremde. Die Eile, womit man das Versäumte »achholen wollte, schadete der Originalität, namentlich glich ihre Poesie einer schnell aufgeschlossenen Blume: sie verblühte schnell. Und weil sie zumeist nur Nachahmung der griechischen, und mehr noch der alerandrinischen war, ward auch das Erotische und Gelehrte überwiegend in ihr.
Aber desto größer wurden sie in einer ihnen ganz eigenthüm
lichen Gattung der satyrischm, in welcher selbst ihre spätesten Nach
Als Meister in dieser Gattung nennen wir Horaz, dem ein Persius, Petronius, Martial und Juve-
kommen noch als Muster glänzen.
nal folgten.
In der erotischen Gattung zeichneten sich
ein Ovid,
Catull, Tibull und Properz aus, welcher Letzterer römische Kraft mit
Als höchsten Gipfel deö gelehrten künst lichen Zeitalters der Poesie aber mag man Virgil betrachten.
hellenischer Kunst verband.
In der Philosophie gebrach es ihnen durchaus an Originalität, wenn man einen Lukrez ausnimmt, der in würdigen Tönen von den Wundern und Geheimnissen der Natur sang. Man erfand keine Sy
steme, aber man übte sie aus, führte sie ein in das Recht, in die Staatsversasstlng, in daS thätige Leben.
Der ganze Bildungsgang
161
Die römische Geschicbtschreibmi, Volk^poefke re.
der Romer war praktisch gewesen, sie waren gewissermaßen schon fertig,
als
sie
fremde Bildung
Richtung
daher sie Allem
annahmen,
suchten.
zu geben
eine praktische
Welche gewaltige Dinge hat nicht die
stoische Philosophie in der Rechtsgclehrsamkeit, in der Staatskunst, in
den Leben und Schriften eines Seneca, Mark Aurel und Epiktet ge wirkt!
Wie ft’-'n hat nicht der Retter der griechischen Philosophie, der
in der Toga große Cicero, die Philosopheme ins öffentliche Leben ein geführt und für die öffentliche Beredsamkeit gearbeitet! — Die Menge
seiner rednerischen Schriften tröstet uns über den Verlust nicht minder Er ersetzt sie uns.
großer Redner.
Denn auch diese Kunst, die der
Eloquenz, mußte nebst ihrer Schwester der Historie, auf dem Boden der römischen Freiheit gedeihen.
Wieviel haben wir an der überschweng
lichen Fülle von Jahrbüchern, Denkschriften und Lebensbeschreibungen einzelner Staatsmänner und Feldherren aus den Zeiten der Republik
verloren,
mit
ein
welchen
Schatz
politischen Erfahrungen und
von
Lcbenöklughcit untergcgaugcn!
Wie unübertroffen sic in der Rechtswissenschaft dastehcn, Theil schon berührt worden.
ist
zum
Ihr Glück und ihr Eifer in Bearbeitung
dieser Wisscnschast offenbarte sich in der Geschicklichkeit und Weisheit,
womit sie die vielen Staaten beherrschten, die ihre siegreichen Waffen Wenn auch nicht allzulange, so herrschte doch im An
erobert hatten.
fänge der Monarchie eine bewundernswürdige Einheit und Ordnung
der Rechtspflege
in
ihren
In
Provinzen.
den
meisten
blühte
der
Landbau, hob sich der Kunstflciß und höhere Kultur, und zahlreiche
Städte und Bevölkerung kündigten den Wohlstand der Besiegten an. Noch
nie
hatte
eine
so
feste,
unter entfernten Nationen und
erstreckte
sich
leichte und
stattgefundcn.
bis Indien.
auSgebrcitete Verbindung
Der römische Handel
hob
Alle Städte an der östlichen Küste
des mittelländischen Meereö sahe man mit Waaren auö dem Orient gestillt, und die Erd- und Völkerkunde erhielten einen reichen Zuwachs.
In dem glücklichen Zeitalter von Vespasian bis Mark Aurel ward das
sogenannte
gelehrte
Publikum
fester
begründet.
Schon
Cäsar
hatte den Grammatikern, Aerzten und Lehrern der freien Künste, die
bisher nur Sklaven
ausgcwirkt.
oder Fremde
gewesen
waren, das Bürgerrecht
Hierauf wurden in den Provinzstädten einzelne Rhetoren
angestellt und besoldet.
In Rom ließ Vespasian zuerst den Lehrern
der
Gehalt
Beredsamkeit einen
aus
der
öffentlichen
Kasse
zahlen.
Antonin der Biedere dehnte diese Verordnung auch auf Philosophen,
Histcr. 8q‘cbu. I
11
162
Rom.
selbst in den Provinzen, aus.
Somit wurden die Gelehrten durch
Rang, Gehalt und Privilegien ein bedeutender Stand im Staate. Mehrere Städte dcö röinischen Reichs, zum Theil schon weit früher alö Wohnsitze der Gelehrsamkeit berühmt, zeichneten sich durch öffent liche Anstalten für gelehrten Unterricht aus, und zu Mailand, Kar
thago,
Marseille,
Toulouse,
Narbonne,
Athen, Alerandrien und
Konstantinopel, ja selbst an der Küste von Syrien und Phönicien
wurden Philosophie, Rhetorik, Gramniatik, Medicin und Jurisprudenz
gelehrt.
So gewann die wissenschaftliche Ausbildung an äußerer Aus
breitung durch Stände und Länder, wenn auch schon die Wissenschaf ten selbst, außer der Jurisprudenz, nicht viel. Ein freier, schöpferischer Genius regte sich nur in wenigen: aber dagegen ward gesammelt,
geprüft, geurtheilt in weiterem Umfange, mit größerer Anwendbarkeit und feinerem Scharfsinne, als cs die Alcrandrincr gethan. Auf diese Weise ward der gejammte Nachlaß von römischer Kultur der Nach welt ausbewahrt und überliefert. Zuletzt habe ich noch von der Kunst zu reden, in welcher sie sich für Mit- und Nachwelt alö jene Herren der Erde erwiesen, denen die Materialien aller überwundenen Völker zu Gebote standen. Vom An fänge an war ein Geist in ihnen, die Herrlichkeit ihrer Siege durch Ruhmcszcichcn, die Herrlichkeit ihrer Stadt dinch Denkmäler einer
prächtigen Dauer zu bezeichnen, so daß sic schon sehr frühe an nichts Geringeres, als an eine Ewigkeit ihres stolzen Daseins, dachten. Die Tempel, die RomuluS und Numa bauten, die Plätze, die sie ihren öffentlichen Versammlungen
anwiesen,
gingen
alle schon auf
Siege und auf eine mächtige Volköregierung hinaus, bis bald darauf
Ancus und Tarquinius die Grundfesten jener Bauart legten, die zu
letzt beinahe zum Unermeßlichen emporsticg.
Der etruskische König
baute die Mauer Rom's von gehauenen Steinen: er führte, um die Stadt zu reinigen, jene ungeheuren unterirdischen Schlettsen auf, die
jetzt ein Wunder der Welt sind. Im gleichen Geiste waren seine Gallerieen, seine Tempel, seine Gerichtssäle und jener ungeheure Circus, der blos für Ergötzungen des Volkes errichtet, noch jetzt in
noch
seinen Trümmern Ehrftircht gebietet.
Auf diesem Wege gingen die
Könige, insonderheit der stolze Tarquin, nachher die Konsuln und Aedilen, nach ihnen die Welteroberer und Dictatoren, am meisten Julius Cäsar, fort, und die Kaiser folgten.
So kamen nach und nach jene
Thore und Thürme, jene Theater und Amphitheater, Circi und Stadien,
163
Die römische Geschichtschreibung, Volkspoesie rc.
Triumphbogen und Ehrensäulen, jene prächtigen Grabmäler und Grab
gewölbe,
Heerstraßen und Wasserleitungen, Palläste und Bäder zu
Stande, die nicht nur in Rom und Italien, sondern auch in Frank
reich,
Spanien,
Sicilien
und Griechenland
ewige
Fußtapsen dieser
Fast erliegt das Auge, manche dieser Denk
Herren der Welt sind.
mäler nur noch in ihren Trümmern zu sehen, und die Seele ermattet, das ungeheure Bild zu fassen, das sich der anordnende Künstler in großen Formen der Pracht und Festigkeit dachte.
Noch kleiner aber
werden wir uns die Zwecke dieser Gebäude, das Leben und Weben
in und zwischen denselben, endlich daö Volk gedenken, welchem sie ge weiht waren, und die oft einzelnen Privatpersonen, die sie ihm weihten, wie z. B. ein Herodus Atticus that.
Da fühlt die Seele, nur Ein
Rom sei in der Welt gewesen, und vom hölzernen Amphitheater des Curio an bis zum Colisäum Vespasian'S, vom Tempel Jupiter Sta-
tor's bis zum Pantheon des Agrippa, vom ersten Triumphthore eines
einziehenden Siegers biö zu den Siegessäulen Augnst's, Titus, Trajan'ö, sammt jeder Trümmer von Denkmälern ihres öffentlichen und häuslichen Lebens habe Ein Genius gewaltet.
fteiheit und
Menschenfreundlichkeit war dieser
Der Geist der Völkernicht;
Genius
denn
wenn man die ungeheure Mühe der Arbeiter bedenkt, die diese Mar mor- und Steinfelsen
oft aus fernen Landen herbeischaffen und als
überwundene Sklaven errichten mußten, wenn man die Kosten über
schlägt, die
geplünderter,
solche Ungeheuer
der Kunst
auögesogener Provinzen
wir den wilden,
stolzen
und
vom Schweiße
erforderten, ja
und Blute
endlich,
genügsamen Geschmack überlegen,
wenn den
durch jene blutigen Fechterspiele, durch jene unmenschlichen Thierkämpfe,
jene barbarischen Triumphauszüge, die meisten dieser Denkmäler nähr ten, die Wollüste der Bäder und Palläste noch ungerechnet, so wird
inan glauben müssen, ein gegen das
Menschengeschlecht feindseliger
Dämon habe Rom gegründet, um alleil Irdischen die Spuren seiner dämonischen Herrlichkeit zu zeigen.
DaS Alles, was die Herren der Welt aus Korinth, Athen, aus Kleinasien und Griechenland an Kunstwerken zusa>nmengeraubt, konnte den zertrümmernden Streichen der Barbaren weniger entgehen, als der
Natur, der eS wohl noch länger getrotzt hätte, wie man aus den un
geheuren Ruinen sieht, die aller Zerstörung zu spotten scheinen.
Als
der Vandalenkönig Genserich mit einer Flotte vor der Mündung der
Tiber erschienen, ward Rom vierzehn ganzer Tage geplündert, Nichts 11 *
164
Rom.
verschont, was nur einigen Werth hatte, ans dem Tempel des Frie
dens die Bente geholt, welche Titus aus dem Allerheiligsten zn Jeru Die Statuen der Götter, welche den bilder
salem sortgeschleppt hatte.
stürmenden Christen entgangen waren,
öden Capitol.
aus
wurden fortgeführt
dem
Aber sie erreichten Karthago nicht, denn das Schiff
mit den besten Beutestücken ging unter.
morsch
längst
weltgebictende Reich
das
anders
Nicht
selbst.
stürzte der ungeheure Koloß,
Völkerwanderung
krachend
gewesen,
zusammen, und
begrub,
wie
um sich her in seinem Sturze.
Alles
fürchterliche Lavine,
Im Sturme
der
dessen Inneres schon eine
Als sich
der Barbarcnsturm gelegt, bot der Süden von Europa ein Bild des
Schreckens,
ein
Bild
vollendeter
Land
Verwüstung.
und
Städte
waren verheert, Künste und Wissenschaften verbannt, alle Bande der bürgerlichen
Gesellschaft,
Sicherheit
und
Ordnung
aufgelöset,
menschliche Geschlecht bis in sein Innerstes erschüttert.
daS
(Dippold.)
9. Allgemeiner Ueverdlick der römischen Geschichte. Die Stadt Rom haben, wie ich berichtet bin, zuerst Trojaner er
baut und besessen, die unter Acneas Führung landflüchtig und unstät
umherschwärmten,
und
mit ihnen die Aboriginer, ein bäurisch-roher
Menschenschlag, ohne Gesetze,
bunden. schloß,
ohne Rcgiernngssorm, frei und unge
Wie leicht aber Beide, sobald nur einerlei Mauer sie um
bei
unähnlicher
ungleicher
Abstammung, in
Lebensart,
Ein
bei
verschiedener
Volk verschmolzen,
Geschichte kaum glaubliche Erscheinung.
Sprache
ist
eine
und
in der
Aber nachdem ihr Geinein
wesen durch Bürgerzahl, Sitten und Ländergebiet gemehrt, sattsameö
Gedeihen und sattsame Macht versprach, ward nach meinem Lauf durch
den Wohlstand Eifersucht
suchen benachbarte Könige und Völker die Fehde.
Freunden stehen zur Hülfe,
entäußerten sich der Gefahr.
denn die übrigen,
der Tinge ge
erweckt.
Daher ver
Wenige von den
von Furcht ergriffen,
Die Römer indessen, im Innern gleich
rührig, wie im Kriegswesen, eilen, rüsten, ermuntern Einer den An
dern, gehen vorwärts gegen den Feind, schirmen, mit dem Schwert
in der Hand,
Freiheit,
Vaterland und Familie.
Denn
als
durch
Tapferkeit sie die Gefahr abgeschlagen hatten, brachten sie Hülse den
Bundesgenossen und
Verbindungen,
Freunden,
und
mehr durch geleistete,
erwarben als durch
sich
freundschaftliche
empfangene Dienste.
Allgemeiner Ueberblick der römischen Geschichte.
165
Die RcgierungSform war gesetzmäßig, der Name der Staatsgewalt Erwählte Männer, deren Körper durch Jahre schwach,
Königthum.
der Geist durch Weisheit gewaltig war, beriethen das StaatSwohl. wurden
Sie
Väter
ob
genannt,
ihres
Alters
oder vaterähnlichen
Nachmals, als die königliche Macht, welche anfänglich zum
Sorge.
Schutze der Freiheit und zum Frommen des Gemeinwesens bestanden,
in Hoffart und Willkürherrschaft sich verkehrte, erhielt die Verfassung
eine neue Gestalt; sie schufen sich jährlich wechselnde Gewalten und jedesmal zwei Machthaber. Bei dieser Einrichtung, glaubten sie, könne das menschliche Herz am
wenigsten durch
Ungebundenheit zrun
Mißbrauche
der
Gewalt ver
leitet werden.
Zu
selbiger Zeit begann
nun Jeder ein höheres Streben zu ent
falten, und sein Talent mehr geltend zu machen.
Denn Könige sind
weit mißtrauischer gegen gute Bürger, als gegen schlechte, und immer ist fremdes Verdienst ihnen furchtbar.
Indessen klingt es kaum glaub
lich, zu welcher Höhe der Staat nach errungener Freiheit in Kurzem
emporwuchs; so sehr waren alle Herzen von Liebe zum Ruhme be Jetzt lernte die Jugend, sobald sie nur zum Kampfe efftarkt
seelt.
war, in den Feldlagern, unter Strapazen, praktisch das Kriegshand werk, und hatte ihre Lust mehr an blankem Waffenschmuck und Streit
rossen, als an Buhldirnen und Gastgelagen. Männern
aus
dieser Schule
war
keine Arbeit ungewohnt, kein
Ort unwegsam und unübersteiglich, kein bewaffneter Feind furchtbar, Heldensinn
hätte Alles
zu
überwinden gewußt.
Unter
aber war der größte Wettstreit nm des Ruhmes willen.
der
erste den Feind treffen,
ziehen bei solcher Großthat.
Mauern erklimmen,
sie
die Blicke auf sich
Dies galt in der öffentlichen Meinung
für Reichthum, für guten Ruf und hohen Adel. waren
ihnen selbst Jeder wollte
mit dem Gelde freigebig;
Geizend nach Lob
ungemessenen Ruhm wünschten
sie, Reichthümer in Ehren erworben. Erzählen könnte ich, an welchen Orten das Römervolk mit geringer Streitkraft die größten feindlichen Heerhausen schlug, welche von der
Natur befestigte Städte es im Sturme gewann; allein dieses würde uns allzuweit von dem Gegenstände ablenkcn.
Doch
fürwahr über Allem
waltet des Glückes Macht und stellt
nach Laune mehr, als der Wahrheit gemäß, Licht oder in Schatte».
die Begebenheiten ins
166
Nom.
Die Geschichte der Athener nach
ist meines Erachtens
herrlichen Thaten, doch
großartigen und
ziemlich unter ihrem Rufe.
großem Geist aufgetreten sind,
hindurch
ganzen Erdkreis
als
stehen sie
zwar reich
an
der Wirklichkeit
Weil aber dort Schriftsteller von
werden
die Thaten der Athener den
Also würdigt
die größten gepriesen.
man das Verdienst der Handelnden
gerade
so hoch,
als
treffliche
Köpfe es mit Worten zu verherrlichen vermochten.
Dem Römervolke aber ward solche Gunst nie zu Theil, denn der Einsichtsvollste
immer zugleich
war
der
Geschäftsthätigste.
Keiner
suchte den Geist ohne den Körper zu bilden, der beste Bürger wollte lieber handeln, als reden, lieber eigenes Verdienst loben lassen,
als
ftemdes erzählen.
Also
hielt man daheim und
Eintracht
Die größte
im Felde
auf Reinheit der Sitten.
herrschte, die mindeste Habsucht.
Recht
und
Gerechtigkeit wurden nicht sowohl durch Gesetze gehandhabt, als durch
Hader, Streit, Zwist unterhielten sie mit dem
natürlichen Rechtssinn.
Feinde, Bürger mit Bürgern wetteiferten in der Bürgertugend.
liebend im Dienste
der Götter,
waren
sie
sparsam
Pracht
im Hauswesen.
Durch zwei Mittel wahrten sie das eigene und öffentliche Interesse:
durch
Entschlossenheit
Friede erfolgt war.
im
Kriege und
durch
Mäßigung,
Der sprechendste Beweis dafür ist
wenn der meines Er
achtens der, daß weit öfter Strafen gegen Solche verhängt wurden, die, dem Dienstbefehle zuwider, sich mit dem Feinde eingelassen oder
auf das Zeichen zum Rückzug zu lange auf dem Kampfplatz verweilt hatten,
als
gegen
Solche, die
es wagten,
ihrer Fahne untreu zu
werden oder sich von ihrem Posten vertreiben zu lassen; im Frieden aber, daß sie durch Milde mehr, als durch Schrecken regierten, und
erlittenes Unrecht lieber verzeihen, als ahnden mochten.
Als aber durch Anstrengung und Gerechtigkeit der Staat empor gekommen,
mächtige Könige
im Kriege bezwungen,
wilde Nationen
und zahlreiche Völkerschaften mit Gewalt unterjocht waren, Karthago,
die Nebenbuhlerin der römischen Herrschaft, zernichtet im Staube lag, alle Meere und Länder offen standen, da begann das Glück zu wüthen
und Alles zu verwirren.
Denselben Männern, denen es ein Leichtes
gewesen, Mühseligkeiten, Gefahren, Verlegenheiten und Mißgeschick zu ertragen, waren nun Ruhe und Reichthum — Anderen so wünschens
weiche Güter — zur Quelle der Unzufriedenheit und des Verderbens geworden.
Zuerst nun wuchs die Begierde nach Geld, sofort die nach
167
Allgemeiner Ueberblick der römischen Geschichte. Darin lag gleichsam der Urstoff aller Uebel.
Herrschaft. sucht
verdrängte
Treue und
Streben; an deren Statt lehrte sie Uebermuth,
die
vernachlässigen,
Götter
Alles
Denn Hab
Biederkeit und jedes
Glauben,
seil
edlere
Grausamkeit, lehrte
haben.
Ehrsucht
hat
viele
Sterbliche schon falsch zu werden verleitet, ein Anderes verschlossen im Busen, ein Anderes bereit auf der Zunge zu haben; Freundschaft und
Feindschaft nicht nach innern Werthe, sondern nach dem Vortheile zu schätzen, und mehr die Miene des ehrlichen Mannes sich anzueignen,
Zwar wuchs Solches anfangs
als die Gesinnung.
nur allmählig,
und fand mitunter noch Ahndung, hernach aber, als die Seuche, der Pestilenz gleich, um sich gegriffen hatte, da wandelte sich der Staat
ganz und gar, und die Regierung, die gerechteste zuvor und die beste, ward grausam und unerträglich.
Doch
anfangs
berückte
mehr noch als Habsucht der Ehrgeiz die
Gemüther der Menschen, ein Fehler, der mit der Tugend doch noch in einiger Verwandtschaft stand.
Denn Ruhm, Ehre, Macht wünscht
sich der Brave gleich eifrig, wie der Nichtswürdige, nur daß Jener
auf
gerader Bahn
sein Ziel
verfolgt,
Dieser,
weil
er
aller guten
Eigenschaften ermangelt, durch Trug und Schleichwege vorwärts strebt.
Der Habsucht Trachten geht nach Geld, das kein Weiser je sich er sehnt hat.
Sie entnervt, als wäre sie schleichenden Giftes voll, Kör
per und Mannessinn; ohne Gränzen stets und unersättlich bleibt sie
Als aber Lucius
im Ueberflusse so unbefriedigt, wie beim Mangel.
Sulla durch
Waffengewalt wieder Meister des
Staates
geworden,
und nach gutem Beginnen schlecht geendigt hatte, wurde Raub und
Plünderung allgemein.
Da gelüstete eö den Einen nach einem Pal-
laste, den Anderen nach einem Landgnte.
Die Sieger kannten weder
Maß, noch Ziel, und erlaubten sich gegen ihre Mitbürger schmäliche
und grausame Bedrückungen. Hierzu kam, daß Lucius Sulla daö Heer, das er in Asien ange
führt, um sich dessen Treue zu versichern, der Zucht der Väter zu
wider, schwelgerisch und allzufreigebig gehalten hatte. Gegenden, reich an Wollustgenüssen,
hatten
rauhen Kriegerseelen leicht verweichlicht.
bei
Die anmuthigen
müßigem Leben die
Da zuerst gewöhnte sich der
römische Staat ans Buhlen und Zechen, lernte Geschmack gewinnen an Bildsäulen,
Schildereien und Schnitzwerk,
und öffentlichen Orten rauben,
solcherlei
an Privat-
Göttertempel plündern, alles Heilige
168
Nom
und Unheilige schänden.
So geschah es, daß diese Soldatenhaufen
nach erkämpftem Siege dem Besiegten Nichts übrig ließen. Führt doch das Glück oft weise Männer in starke Versuchung; wie
war von so verdorbenen Menschen Mäßigung im Siege zu erwarten? Nachdem es dahin gekommen, daß Reichthum eine Ehre war, und
Ruhm, Macht, Einfluß in seinem Gefolge hatte, da begann der Sinn
für Tugend stumpf zu werden; Armuth galt für Schmach, Unbescholten
heit
für bösen
ward
Willen
Durch
geachtet.
den
Reichthum
nun
brachen unter die Jugend Schwelgereien und Habsucht zusanunt dem
Hochmuth herein; man raubte, praßte, verschleuderte das Seine, gierte nach fremdem Gute; Scham, Zucht, göttliches und menschliches Recht durcheinander;
über Alles setzte man
sich hinweg, rücksichtslos und
ohne Glimpf. Hast Du die Palläste und Landhäuser gesehen, die wie Städte er
baut sind,
welche
so
lohnt
sich
unsere Altvordenr,
auch der Mühe, die
die Tempel
zu schauen,
eifrigsten Verehrer der Religion,
die Wohnungen mit ihrem Ruhme, und
frommer Andacht,
den Besiegten Nichts,
den
Wohl schmückten diese die Götterhallcn mit
Göttern errichtet haben.
als das Vermögen,
entrissen
Unrecht zu thu».
Jene
dagegen, die feigsten Menschen, raubten auf die ruchloseste Weise den
Bundesgenossen Alles, was ihnen die tapfersten Männer als Sieger
gelassen
hatten,
als
ob
im Unrechtthun
erst der Herrschaft Genuß
bestände. Denn
wozu
soll
ich Dinge erzählen,
die doch Niemand glauben
wird, wer sie nicht selbst gesehen hat, daß von mehreren Privatper sonen Berge umgcstürzt, Meere geschaffen wurden.
Diese haben, dünkt
mich, mit ihrem Gelde ein freches Spiel getrieben, indem sie in schänd lichem Mißbrauch durchjagten, was sie in Ehrbarkeit genießen durften. Aber der Hang zur Unzucht, Lurus
war nicht
Schlemmerei und
minder herrschend geworden.
zu allen Arten des
Männer gaben sich
als Weiber preis; Weiber trugen die Scham zu Markte; der Freß
lust wegen durchspähtc man allcrwärts Länder und Seen, man schlief,
ehe die Natur den Schlaf forderte; nicht Hunger oder Durst, weder Kälte, noch Müdigkeit warteten sie ab, sondern alles Dieses erregten
sie vorweg durch Künste der Ueppigkeit.
Das entzündete die Jugend,
wenn das eigene Erbe aufgezehrt war, zu schlechten Streichen. Sinn,
einmal in böse Gewohnheiten versunken,
Der
konnte sich die Ge-
169
Numa PompllluS.
nüsse nicht leicht mehr versagen, um so unmäßiger war er auf jede
Art deS Erwerbes und des Aufwandes gerichtet.
(Sallust.)
3. Numa PompiliuS. Die Gründung und überhaupt alle Verhältnisse des römischen Staats deuten darauf hin, daß der Erblichkeit des königlichen und des priester Throns weder Verfassung, noch italische Volkosittc
lichen
hätte ent
gegenstehen können.
Allein der erste König starb ohne Kinder,
der
zweite ohne Söhne,
der dritte wiederum kinderlos.
ein
Erbrecht
entwickeln,
sich nicht
nicht unberücksichtigt blieb.
obgleich
selbst
So konnte
weibliche Abstammung
Nach Romulus kinderlosem Absterbe» nahm
der Senat die Regierung an sich; es trat eine Zwischcnherrschasl ein, über deren Einrichtung wir nicht ganz haben.
übereinstimmende Nachrichten
Zehn Senatoren erhielten auf fünf Tage die Gewalt.
Ob
der Wechsel nach einer verabredeten Reihenfolge geschah, oder ob, wie späterhin,
dunkel.
ernannten,
die abgehenden Jnterreges ihre Nachfolger
Die Senatoren
schienen
die
königliche Herrschaft
ist
ganz ab
stellen zn wollen; das Volk murrte, als demselben schon länger als
ein Jahrzchn neue Könige an jedem fünften Tage gegeben wurden. Unter den Albanern und Sabinern im Senate zeigte sich zudem eine
große Spannung, die Ersteren nahmen Vorrechte in Anspruch, welche Letztere ihnen, auf den Bund zwischen Romulus und Tatius sich be
rufend,
nickt
zugestehcn wollten.
Und
wie der Senat,
Elienten in entgegenstchende Parteien getheilt. den
Eurien
gehörende
Volk,
die
Selbst
waren die
das
aufgenommcne Plebs,
Rechte und Vortheile, und drohend war die Stellung
nicht zu
verlangte
dieser
„ohne
Laren und Gut" sich umhertreibcnden Bevölkerung.
Beide
Stämme
einen König
aus
des
römischen
Volks
machten Ansprüche darauf,
ihrer Mitte emporgehvben zu sehen.
man sich genöthigt,
dem Zwischenstande
ein Ende
Jnterrer Sp. Vettiuö erklärte, wie dem Volke, den
zu
Endlich sah
macken;
der
gesammten Cu-
rialen, die Wahl eines Königs überlassen werden solle.
Die allge
meine Zufriedenheit über diesen Entschluß äußerte sich alsbald darin, daß dem Senate die Ernennung überlassen ward.
So
ward denn
zur Wahl geschritten; sie fiel auf einen Sabiner, der nicht einmal zu
den Reihen der Senatoren gehört hatte.
170
Rom.
In Cures lebte ein Mann, welcher ungetheilte Verehmng durch die Weisheit seines prunklosen Lebens
Er war an dem
erlangt hatte.
Tage geboren, da Rom gegründet ward, hieß Ruma PompiliuS, war
ein Sohn des PomponiuS Pompo, und hatte vom Könige Tatius dessen Tochter Tatia zur Ehe erhalten.
Dem Könige war er nicht
nach Rom gefolgt, sondern in der Vaterstadt^geblieben, wie Plutarch
erzählt, um durch Pflege kindliche Pflichten gegen seinen alten Vater zu üben.
Numa's Weisheit, der Glaube, daß geheime Kräfte der Natur ihm zu Gebote gestanden, hat Anlaß der allgemein verbreiteten Sage ge
geben, er sei ein Schüler des Pythagoras gewesen, ohne daß man an der Zeitrechnung Anstoß
genommen, der zufolge der Weise von
Croton fast zwei Jahrhunderte später lebte. Solchen Mann lockte nicht der Schimmer einer Krone.
Als Pro-
culus und Valesuö vor ihm erschienen, und sie ihm boten, verschmähte er die Gabe des Volks; nach längeren! Weigern erst ließ er sich be
stimmen,
Zuerst befragte er die Augurien,
sie entgegen zu nehmen.
dann ließ er seine Wahl durch die Curien förmlich bestätigen. Seine Regierung ist nicht durch Schlachten und Eroberungen merk
würdig geworden, sondern seine Sorge ging dahin, friedliche Einrich
tungen zu befördern und das Doppelvolk zu einem Volke zu verschmelzen. Numa traf, als der Thron ihm geboten wurde, ein durch Kriege und Raubleben verwildertes Volk, ein Pflanzvolk,
das,
wie Niebuhr so
treffend bezeichnet, deö edelsten Reichthums, einer glänzenden Vorzeit entbehren mußte.
tarch
sich
Er nahm, um seine Römer umzubilden, wie Pln-
ausdrückt,
die Götter
Theils suchte er durch
zu Hiilfe.
feste Einrichtungen den Gottesdienst zu ordnen, theils umgab er sich
selbst mit einem geheimnißvollen Dunkel, welches seinen Einrichtungen durch Blendung der Menge die Weihe geben sollte.
So war allge
mein der Glaube verbreitet, Numa habe geheimen und vertrauten Um gang
mit der Bergnymphe
empfing
er
Egeria.
In
ihrem
die Fähigkeit, göttliche Dinge zu
Weisheit als Gesetzgeber.
Haine bei Aricia
wissen,
so
wie seine
Und als Numa gestorben war, blieb Ege
ria trostlos im verödeten Hain, bis sie, durch wohlthätige Einwirkung
der Diana, in Thränen zu einem Quell zerfloß, den man uns noch zeigt,
Durch
wie
er vom Felsen
herabsprudelt
Wasserzauber, dessen er kundig
und Faunus,
welche nach
bei
der Mühle
gewesen,
ihrer Vergötterung
vor Nemi.
soll Numa Picus
Italien
heilbringend
171
Numa Pompiltuö.
durchzogen, in einem Brunnen gefangen haben; von ihnen lernte er Opfer
um die Gefahr des Blitzes
bringen,
abzuwenden;
und
als
Jupiter, euch durch Zauber herbeigelockt, unwillig die Götterwaffe sich entwunden zu sehen, Menschenköpfe als Opfer verlangte, wußte der
Hydromant mit Geistesgegenwart das Verlangen durch Darbieten von Zwiebelköpfen, Haaren und Häutungen zu beschwichtigen.
Und den
noch hatte dieser, solchem Zauber nachhängende König, wie Plutarch sagt, richtige Begriffe von der Gottheit; er stellte sie sich vor, als frei
von
Leiden,
unverweslich
mit dem reinsten
und
Verstand begabt.
Daher verbot er sie in Bildungen eines Thieres oder eines Menschen zu verehren; er verschmähte blutige Opfer; an den Gränzfesten sollten
nur Erstlingsftüchte und Reben gebracht werden, und Blut durfte die Steine nicht beflecken.
Diese abweichende Lehre von herrschend blei
benden
auch
Vorstellungen,
Weisheit, die
wohl
astrologische Beobachtungen, eine
römischen Religionsbegriffen fremd
war, mögen der
Grund gewesen sein, daß man Numa's Bücher vernichtete, als ein Zufall sie, fast ein halbes Jahrtausend später, ans Tageslicht gebracht
hatte.
Den Huldigungen
einer
verwandten Wissenschaft
römische Kalender seine Verbesserungen.
Romuluö
hatte
dankt der
das
wohl
allen italischen Völkern übliche cyclische Jahr von zehn Monaten an
genommen; Numa änderte diese Rechnung nach dem Lause des MondeS, er fügte die Monate Januar und Februar als letzte Monate deS
Jahres hinzu, brachte das Jahr auf 355 Tage, und gab jedem zwei
ten Jahre einen Schaltmouat.
Die alte Rechnung der zehn Monate
erhielt sich jedoch noch in manchen Einrichtnngen, sie ward den Friedens
verträgen mit Etruskern und Samniten zu Grunde gelegt; sie galt bei Frist der Trauer, bei Auszahlung vermachter AllSstener, beim Credit
des Verkaufs von Früchten und vielleicht auch bei der Zinsrechnung. Numa schuf bei Einrichtung des Gottesdienstes acht Ordnungen.
Den ersten Rang behielten die Curionen, nach Romulus Anordnung Vorsteher des Gottesdienstes der Curien.
Dann folgten die Flamines,
Priester, welche den Dienst eigener Gottheiten hatten, wie namentlich dem Romulus, unter dem Namen Quirinus, eine besondere Verehrung gewidmet wurde.
Die Ritter
erhielten
eine veränderte Einrichtung;
sie wurden aus einer bloßen Leibwache ein politischer Stand, und er
hielten einen Vorsteher
mit geistlicher
Numa eine collegiale Einrichtung,
Würde.
Den Auguren
gab
und vermehrte die Zahl derselben
172
Rom.
zwei.
um
Sonst
wurden
noch
Vestalinnen,
Fetialen
Salier,
nnd
Pontifices eingesetzt.
Der Dienst der Vesta war alt bei den Latinern;
nicht bei anderen Völkern Jtalien's.
wir finden ihn
Acneas soll ihn aus Troja ge
bracht haben; es war die Gottheit des häuslichen Heerdes; Romulus hatte in jeder Curie ihren Dienst durch Curialen angeordnet, eingedenk
aber des Schicksals seiner Mutter, wie Dionysius schließt, keine Jung
Numa baute der Vesta einen Tempel zur allgemeinen, öffent
frauen.
lichen Vcrebrung; er bestellte zu ihrem Dienste vier Jungfrauen, edel
von Geschlecht und ausgezeichnet durch Körperschönheit. mußten und
sie der Vesta sich
dann
wiederum
in
Dreißig Jahre
zehn Jahre lernen,
weihen;
den letzten Jahren lehren.
zehn dienen
Sie bewahrten
das heilige Feuer und ein geheimnißvolles Pfand deö Reiches im un
Die Vestalinnen genossen große
durchdringlichen Innern des Tempels.
Vorrechte, die nachher immer erweitert wurden. dem
Einem Missethäter,
wenn er zum Tode geführt wurde,
sie begegneten,
ward das
Leben geschenkt; der väterlichen Gewalt nnd der Vormundschaft waren
sie entzogen.
Dagegen war ihr Leben streng; geringere Vergehungen
wurden durch Geißelungen von der Hand deö Pontifer geahndet, die
sie nackend, von einem dünnen Flor bedeckt, hinter einem Vorhänge
empfingen.
Verletzte
Keuschheit
und
Einmauerung
zog
Hungertod
nach sich; ein solcher Fall war ein Tag der Trauer für ganz Rom
und ist, wo er sich ereignete, als üble Vorbedeutung sorgsam in den
Jahrbüchern verzeichnet. Im achten Jahre der Regierung Nnma's wüthete durch ganz Ita
lien eine furchtbare Pest.
Während dieser
Auch Rom ward verödet.
Schrecknisse fiel ein eherner Schild vom Himmel; dem Könige hatte
seine
Bergnymphe
verkündet,
eilf ähnliche
wenn
Schilde verfertigt
würden, so daß der ächte nicht von Dieben herauszufinden sei, würde
der Stadt Rettung werden.
Ein großer Künstler, Vcturius Mamurius,
unternahm und vollendete das Werk;
ihrer Form
Ancilien
genannt:
ihre
diese Schilder wurden wegen Aufbewahrung
ward
Priestern
übertragen, welche Salier genannt wurden und dem Mars Gradivus dienten. Durch Einsetzung
der Fetialen,
Priester der Fides publica,
hat
Ruma den Grund des Völkerrechts gelegt oder vielmehr alt-italischen Gebrauch auch in seinem Staate angenommen.
In der langen Zeit
des Friedens, der während seiner Verwaltung war, kam jedoch diese
173
Dhinia PompllluS.
Einrichtung nicht zur Anwendung und erhielt erst unter König Ancus
Sie stand höchst wahrscheinlich mit dem Dienste
ihre bestimmte Form.
des Janus Quirinus in Verbindung, dessen
damals an der Gasse
Argiletum erbauter Tempel blieb in Numa's Zeit geschlossen; ein Er-
eigniß,
welches sich nur zweimal noch im römischen Staate wieder
holte : das erstemal nach dem zweiten punischen Kriege, das zweite
mal nach der Schlacht bei Actium. Eine Art von Consistorium, wie wir es nennen würden, war die
Priesterschaft der Pontifices.
Diese hatten die Oberaufsicht über allen
Gottesdienst, übten die Verwaltung in geistlichen Sachen, und dies mit großer Unbeschränkthcit.
Auch hatten die Pontifices den Dienst
der Manen, die Opfer zur Beruhigung abgeschiedener Seelen, so wie Deutung
die
der
Wetterzeichcn,
weshalb
Altar auf dem Aveutinus errichtet wurde.
dem
Jupiter Elicius
ein
Ruma setzte vier Ponti
fices ein, die Zahl blieb bis zum Jahre 454, da vier Plebejer hinzu
Bis 650 blieb Cooption; damals kam die Wahl
gewählt wurden.
ans Volk. Numa
auch dreißig heilige Opferplätze in der Stadt,
weihte
Argei hießen.
die
Der Zweck war Sühne des römischen Volks und die
dabei stattfindendcn Gebräuche beziehen sich auf die dem Herkules zu
geschriebene Abschaffung der Menschenopfer.
Dreißig Bilder aus Bin
sen geflochten, und wie Männer angethan, wurden jährlich an den
Iden des Mai's mit großer Feierlichkeit von der Pfahlbrücke in die Tiber hinabgeworfen. Dem Numa wird von Plutarch auch die Einführung der Saturna
lien
zugeschrieben.
Die
daö Feld
dem Herrn des Bodens
bauten,
sollten auch mit zrim jährlichen Genusse der Früchte gezogen werde»,
und
im
December,
nachdem
alle
Feldarbeiten
waren, daS frohe Fest der Erndte feiern.
des
Jahres
beendet
An diesem Tag trug der
Knecht den Hut, wie der Herr; Reiche gaben Feste und Schmäuse; Freunde beschenkten sich; der Herr wartete dem Knechte auf. — Der
Gebrauch scheint uralt italisch zu sein; Ruma mag demselben bestimm
tere Formen gegeben haben.
Nnma traf die Plebs arm und ohne Grundeigenthum, daher den Reichen feind.
Er
gab ihnen Land von dem durch Romulus erbeu
teten Gebiete und vertheilte auch einen Theil des Staatslandes.
Für
die Landgenreinde setzte er in den Dörfern (pagi) Vögte ein; er ermun
terte den Ackerbau durch Belohnungen, Träge und Nachlässige ließ er
174 strafen.
Rom.
Um den Zwiespalt zwischen Römern und Sabinem zu heben,
dann auch um das Vorurtheil gegen ftiedliche Geschäfte zu verscheuchen,
richtete er Zünfte ein und soll das ganze Volk nach solchen Innungen damit durch
getheilt haben,
kleinere Eintheilungen der ursprüngliche
und große Unterschied der zwei Völker aufgehoben werde.
Als solche
Zünfte nennt Plutarch die Spielleute (namentlich zur Feier des Gottes dienstes), die Goldschmiede, Zimmerleute, Färber, Schuster, Gerber, Schmiede und Töpfer.
Die übrigen Künstler nahm er in einer Zunft
zusammen; jede Zunft
erhielt ihre besonderen Festtage,
Satzungen.
Opfer und
Alle Gesetze dieses Königs zielten darauf hin, Sitte und
Art seines Volks zu mildern und zu veredeln,
Mäßigkeit und Ein
Eine besondere Heiligkeit wurde den Gränzen
fachheit zu befördern.
der Felder beigelegt; derjenige, welcher fie verletzte,
Tode bestraft.
ward
mit dem
Das Recht des Vaters, den Sohn zu verkaufen, ward
für den Fall, daß der Haussohn verheirathet war, aufgehoben. gegen
wurde,
wie in Sparta, -gestattet,
Da
die Weiber an Andere zu
geben, um Kinder zu erzielen, dem Manne blieb aber das Recht, sie jederzeit zurückzunehmen. der Juno sich nahen.
Nur unbescholtene Weiber durften dem Altar Der Mord eines Freien wurde als Parrici-
dium mit dem Tode bestraft; Todschlag ohne Vorbedacht wurde durch einen Widder gesühnt. dunkle Bestimmung.
Ueber Hindernisse
bei Rechtsstreiten ist
eine
Ueber Begräbniß eines vom Blitze Getroffenen
und über die Besprengung der Scheiterhaufen gab Numa Gesetze, die in den zwölf Tafeln wiederholt wurden.
Zur Beförderung des Wein
baues wurde angeordnet, daß den Göttern kein Wein von unbeschnit tenen Reben geopfert werden solle.
Auch über den Genuß der See
fische ist eine Bestimmung aufbewahrt. Man erzählt,
einst sei dem Numa gemeldet, der Feind nahe;
habe lächelnd geantwortet: ,.Jch aber opfere."
er
Um ganz Latium ver
breitete sich der Friede; die Waffen der Römer wurden in Haushal-
tungsgeräthe verwandelt; Plutarch wendet des Dichters Bacchylides Worte auf jene Zeit
an:
Schwarze
Spinnen
weben
sich
Schild und Harnisch, und Rost verzehrt Spieß und Schwerdt.
am Tempel der Vesta baute Numa sich ein Schloß.
in den Nahe
Hier pflegte er
gewöhnlich sich aufzuhalten, umgeben von Priestern, deren Unterwei sung seine liebste Beschäftigung war.
einschlummerte,
brachten benachbarte
Patrizier trugen sein Leichenbett,
Als hochbetagt der gute König
Völker
Spenden
und
Kränze,
das Klagegeheul der Weiber und
175
Tarqmmus SnperbuS.
Kinder war wie um
Ruma hatte die Verbrennung
einen Vater.
seines Körpers untersagt; er wurde nebst dem größten Theile seiner Bücher am Fuße des Janiculus begraben.
Rach vierhundert Jahren
geschah es, daß ein heftiger Regen das Grab Särge
herauSriß;
Schriften
des
den
Königs,
Sprache abgefaßt.
einen fand
in griechischer,
theils
aushöhlte und zwei
man leer, in dem theils
in
andern
die
lateinischer
Der Prätor Petilius las diese Schriften durch, er
bezeugte im Senate mit einem Eidschwur,
daß sie Unerlaubtes ent
hielten, worauf sie den Flammen übergeben wurden.
Numa's erste Gattin, Tatia, war gestorben, ehe er zum Throne gelangte; von einer zweiten,
der Lucretia, hinterließ er eine Tochter,
welche die Mutter des nachherigen Königs Ancus wurde.
Es wer
den ihm außer dieser von Einigen der Alten noch vier Söhne zuge schrieben, Pompo,
PinuS, Calpus und Mamercus, von denen die
Pompiner, Pinaricr, Calpurnier und Mamercer ihre Geschlechter ab
leiteten.
Auch yannte man Marcus Aurelius, den Weisen auf dem
Throne, einen Nachkommen deS Numa.
*♦ Tarquiuius Superbus. Der Beiname Superbus, welcher diesem Könige beigelegt wird, läßt sich in unserer Sprache nicht bezeichnend wiedergeben.
Königshaß hat zwar die Geschichte dieses Fürsten wohl nicht ohne
Entstellung der Nachwelt überliefert.
Daß er jedoch Despot in hohem
Grade gewesen, geht aus einstimmenden Nachrichten hervor.
Wie er
gewaltsam den Thron, ohne Stimmen des Volks, nach Genehmhal
tung des Raths zu beachten, bestiegen, so suchte er im Schrecken auch
Stützen der errungenen Macht.
Er umgab sich mit einer Leibwache,
größtentheils aus Fremden bestehend; weder Senat, noch Volk, zog er bei Angelegenheiten des Staats hinzu;
Reichthum und Verdienst
zogen Verfolgungen nach sich; viele Angesehene verloren das Leben,
das Vermögen, oder entflohen aus der Stadt; die erledigten Stellen blieben unbesetzt, damit der Senat auch durch verminderte Zahl an
Macht und Ansehen verlöre.
Allein nicht blos die Vomehmen, auch
das Volk litt unter dem Dmcke des Despoten. wieder
auf,
welche
Servius Tullius der
Er hob die Rechte
Gemeinde gegeben hatte,
namentlich führte er die Verpfändung der Person wieder ein. gleichheit vor dem Gesetze fand fortan nicht mehr statt;
Rechts
die Gesetz-
176
Rom.
büchcr des
wurden
Opfern,
in
Servius
Tarquinius
soll
Alle Versammlungen
haben.
arme zu
reiche Plebejer
Frohndiensten
selbst
die
verbrannt
zu Festen und
Kundschafter erspäheteu die Aeußerungen
verboten.
friedlichen Wänden;
Hand
mit eigener
Volks,
des
bei
spärlicher
wurden
Kost
willkürlich
gezwungen.
besteuert, Um
seine
Maßregeln durchznführcn, bediente der König sich eigener Verbindun gen, wahrscheinlich der Sodalitien.
Dagegen war TarquiiüuS sähig, Großes zum Glanze seines Staats zu unternehmen, und daö Glück war lange ihm treu.
In Latium er
langte der König großen Einfluß dadurch, daß er eine Tochter dem Octavius MamiliuS von Tusculum zur Ehe gegeben, einem Manne,
den man einen Nachkommen des Ulysses und der Circe nannte, und der bei den Latinern im höchsten Ansehen stand.
Als der König die
Latiner zu einer Volksversammlung nach dem Fercntinischen Haine ge
laden hatte, selbst aber länger aus sich warten ließ, und als er end
lich erschien, das Recht, die Heere der Latiner anzusühren, in Anspruch nahm, trat Turnus Herdvuius von Asrika auf und redete mit bitteren
Worten gegen diesen Vorschlag des Königs.
Tarquinius, durch diese
Rede anfangs bestürzt, trug darauf an, die Versammlung am folgen den Tage zu erneuen.
nius
bestechen,
Inzwischen ließ er Hausgenossen des Hcrdo-
eine Menge
Herrn zu verstecken.
Waffen unter
von
das Geräthe
ihres
Als nun die Versammlung erneut ward, klagte
der König den Herdonius an, eine Verräthcrei angcstiftet zu haben, um alle anwesenden Gesandten umzubringen.
Zum Beweise führte er
wie er eine Menge von Waffen unter
seinem Geräthe versteckt
an, habe.
Der Angeklagte, welcher von diesen Waffen nichts wußte, er
klärte, er wolle sich als schuldig betrachten, wenn die Waffen sich bei
einer Nachsuchnng finden
sollten.
Als man
nun die Waffen fand,
wurde Herdonius vernrtheilt und auf neu erfundene grausame Weise hingerichtet.
Latium beugte sich nun der Hoheit Rom's; der König
opferte fortan für alle Verbündete an den latinischen Ferien; er er
richtete unter ihnen einen neuen Tempel auf einem Berge beim Stein haufen von Alba, dem jetzigen Monte Cavo, wo man noch die Trüm mer sieht.
Hier wurde dem Jupiter Latiariö der Stier geopfert, von
dessen Fleische jede der 47 Städte, deren Häupter hier am 27. April einen
Antheil
Oberfcldherrn erwählt;
er sah
zusammenkamen,
römischen Königthums an.
empfing.
Tarquinius
wurde
zum
überhaupt Latium als Stütze seines
Bald
nachher
traten auch die Herniker
177
Tarquinius Superbus.
und zwei volskifche Städte, Ecetra und Antium, dem Bunde bei.
Mit
ihrer Hülfe hoffte der König diejenigen Volsker 51t bekriegen, welche
sich geweigert hatten,
Römer und Latiner
dem Bunde beizutreten.
wurden in Legionen vereinigt; mit ihnen zog Tarquinius gegen Sneffa Pometia, die blühendste Stadt der Volsker, reich durch den Besitz reicher
und
üppiger Felder, die
Stadt
ward
Kornkammer Rom's
Mißjahren.
in
die Einwohner wurden
eingenommen,
mit
Die
aller Habe
verkauft, und der Zehnte des Raubes, angeblich vierhundert Talente,
des
zur Vollendung
wendete darauf seine
capitvlinischen Tempels Waffen gegen
die
bestimmt.
Tarquinius
Er machte ihr
Sabiner.
Volk zinsbar; triumphirte bei seiner Rückkehr nach Rom und unter
nahm nun voll den Manubien,
mit dem Ertrage schwerer Steuern
und mit harten Frohndiensten, die Vollendung des Baues der Cloaken Außer diesen Werken des ältern Tar
und des großen Rennplatzes.
quinius
vollendete
er
den Tempel
auch
des
Jupiter
Capitolinus.
Beim Bauen fanden die aus Etrurien herbeigerufeiren Werkleute tief in der Erde den unversehrten Kopf eines Menschen, ein Wahrzeichen,
daß dieser Ort das Haupt der Welt sein werde, und Veranlassung, daß der tarpejische Berg fortan den Namen des Capitols erhielt.
Im Tempel des Jupiter Capitolinus wurden die Bücher der Si bylle niedergelegt.
Eine unbekannte Alte von fern her war mit neun
Büchern am Hofe deS Königs erschienen und hatte sie ihm fiir drei hundert Goldstücke feilgeboten.
der Bücher verbrannt, nämlichen Preis
und
Verspottet abgewiesen,
war
zurückgekehrt,
Als sie abermals
fordernd.
nunmehr nur drei Bücher brachte,
für
hatte sie drei
die übrigen den
ward, und
verspottet
für welche sie die volle Summe
verlangte, ließ der König die Bücher durch die Auguren untersuchen;
diese
darin die unschätzbaren Weissagungen der Sibylle von
fanden
Cumä; der König erstand sie für den Preis der dreihundert Gold stücke, und die Prophetin verschwand. Mittlerweile hatten viele mißvergnügte Patrizier Rom verlassen und
waren nach Gabii gezogen, einer bedeutenden Stadt LatiumS,
etwa
hundert
Obergewalt mit
Krieg;
Kampf,
Feldweges
von Rom entfernt,
anzuerkennen sich
sieben Jahre
mit
welcher ungemeine Drangsale
beide Städte trennt, brachte. nndten
weigerte.
dauerte
konntm,
Histor. Lesebuch. I.
verlangten
welche
nur
Stadt Rom's
Tarquinius überzog Gabii
abwechselndem über die
Erfolge
der
Landschaft, welche
Die Römer, welche weder säen, noch
wiederholt
vom
Könige
Frieden
12
oder
178
Rom.
Abhülfe der Noth. Mittel der List.
Tarquinius griff in solchem Gedränge zu einem
Sertuö, des Königs Sohn, gab vor, in schlechtem
Vernehmen mit dem Vater zu stehen; er schmähte ihn offen einen
Tyrannen, und ward dann auch vom Vater, gleich dem niedrigsten
Verbrecher, gezüchtigt.
Sertus TarquiniuS floh zu den Gabiern; hier
nahm man ihn erfreut auf; man übertrug ihm den Befehl gegen die Römer; der König sorgte ihm seine Kriegsverrichtungen zu erleichtern und opferte Soldaten und Befehlshaber, die ihm verdächtig waren,
der Ehre seines Sohnes
auf.
und das Ansehen des Sertus
Nachdem so
aller Verdacht entfernt befestigt war,
in Gabii hinlänglich
sandte er einen Sklaven, auf den er vertrauen konnte, heimlich nach Rom, um von seinem Vater nähere Verhaltungsregeln zu erkunden. Der König empfing den Boten im Garten, gab ihm keine Antwort, schlug aber dem hohen Mohn mit einem Stocke die Köpfe ab. Der Bote kehrte zurück, meldete, daß er keiner Antwort gewürdigt sei, und
SertuS verstand den Sinn des Vaters; er berief zeigte ihnen das Dasein einer Verschwörung an. Unter diesem Vorwande geschahen Verhaftungen und Hinrichtungen;
was er gesehen.
die Gabier und
während der dadurch herbeigeführten Verwirrung öffnete der Sohn dem Vater die Thore. Tarquinius zog aber mehr die Staatskunst, als die Gefühle der Rache zu Rathe, er beschränkte sich darauf, ein Unterwerfungsbündniß mit ihnen einzugehen, welches auf das Holz eines mit Stierhaut überzogenen Schildes eingegraben ward, welcher int Tempel des Jupiter Fidius noch zu Dionysius Zeit gezeigt wurde. Der König erklärte, zufolge Dionysius, seinen Sohn Sertus zum König der Gabier; von seinen andern Söhnen schickte er Titus und Aruns aus, zwei neue Pflanzstädte zu stiften, die eine zu Signia, die andere zu Circeji, einem Vorgebirge an der tyrrhenischen See.
Auch
die Stadt Suessa Pometia wurde wieder bevölkert und kommt bald
nachher als latinische Colonie vor. Während der glänzenden Erfolge des Königs schreckten grausende Wunderzeichen und ward Rom durch eine furchtbare Pest heimgesucht.
Tarquinius sandte, um Rath zur Abhülse zu erlangen, mit kostbaren Diese begleitete L. Junius Brutus, so genannt, weil man ihn für blödsinnig
Weihgeschenken seine Söhne Titus und Aruns nach Delphi.
hielt.
Er war der Sohn des M. Junius,
eines sehr angesehenen
Mannes, welcher von einem Gefährten deS Aeneas abstammen sollte. Seine Mutter war des Königs Tarquinius
Priökus
Tochter;
er
179
Tarquinius Superbus.
bekleidete das Amt eines Tribuns der Celeres;
den Vater und den
ältern Bruder hatte Tqrquinius ihres Reichthums wegen todten lassen; der Jüngere, Lucius, rettete sein Leben durch angenommenen Schein der Geistesschwäche; er ward vom Könige geschont, mit dessen eigenen Söhnen auferzogen und zum Tribun der Celeres gemacht, der höchsten
Würde nach dem Könige, welche dieser dem Brutus als einem unschäd lichen, ihn nicht hindernden Thoren gegeben hatte.
Seine angenom
mene Thorheit hatte den Söhnen des Königs stets zur Erheiterung gedient; aus der Reise nach Delphi nahm Brutus als Weihgeschenk
einen Hollunderstecken mit sich, zum großen Gespötte seiner Begleiter,
die nicht ahneten, daß in dem Stecken eine Ruthe von Gold für die Diener des Tempels versteckt war.
Als die fürstlichen Jünglinge dem
Auftrage ihres Vaters Genüge gethan hatten, fragten sie das Orakel für sich, wer nach dem Vater iit Rom herrschen würde.
antwortete:
die
Regierung
würde
dem
zufallen,
Der Gott
welcher zuerst die
Mutter küsse; die Prinzen kamen mit einander überein, es zugleich zu
thun, und dann gemeinschaftlich zu herrschen; dem Sertus sollte der Spruch des Orakels unbekannt bleiben.
Brutus aber hatte den wah
ren Sinn des Götterspniches errathen, er fiel, wie unabsichtlich, zu Boden
und
berührte
mit den
Lippen
die
Erde,
die
Mutter
aller
Sterblichen. Bei ihrer Rückkehr war Tarquinius int Kriege mit den Rutulern begriffen,
unter dem Vorwande, daß diese Verbannte Rom's ausge
nommen hätten, eigentlich aber um durch neue Beute den erschöpften
Schah wieder zu füllen, und das über die Frohndienste unzuftiedene Volk zu beschäftigen.
Die Hauptstadt der Rutuler, Ardea, sechszehn
Meilen südostwärts von Rom, fast uneinnehmbar durch die Lage auf einem vulkanischen Berge, ward umlagert und konnte nur durch Verrath
gewonnen oder durch Hunger bezwungen werden. her gute Weile; Eines Tages,
Im Lager war da
müßig lag das römische Heer in den Feldhütten.
als Sertus Tarquinius
seine Brüder und den ihm
verwandten L. Tarquinius Collatinus bewirthete, kam die Rede auf den Werth und die Tugend ihrer Weiber; vom Weine erhiht, beschloß
man die Pferde zu besteigen und sofort zu überraschen; zu Rom fand
man die
fürstlichen Frauen
schwelgend
bei einem Gastmahl
unter
Blumen und Wein, von dort eilte man nach Collatia, wo man Lucretia, Collatin's Gattin, in später Nachtstunde am Rocken, in Mitte
ihrer Mägde,
traf.
Die Gäste fanden steundliche Aufnahme;
12*
am
180
Rom.
andern Morgen kehrten sie ins Lager zurück; Alle gaben der Lucretia den Vorzug der Häuslichkeit, aber Sertus war von jener Nacht in
Rach Ver
strafbar glühender Liebe zu dem schönen Weibe entbrannt.
lauf einiger Tage kehrte er unter einem Vorwande nach Collatia zu rück; er ward von der Hausftau in Abwesenheit des Collatin's gast lich ausgenommen und bewirthet.
Zur mitternächtlichen Stunde schlich
der unedle Königssohn ins Schlafgemach der Lucretia, mit gezogenem Schwerte drohte er ihr den Tod, wenn sie einen Laut von sich geben
Dann machte er dem auö dem Schlaf geschreckten Weibe das
würde.
Geständniß seiner Leidenschaft, bat, drohte und wendete alle Künste Als sie widerstand, und auch durch Todessiircht
der Ueberredung an.
nicht wankend
gemacht wurde,
drohte
Sertus
mit unauslöschlicher
Schande; er würde sie ermorden und neben ihre Leiche einen erwürg
ten Knecht
habe er sie in gemeinem Ehebrüche getödtet.
als
legen,
Furcht vor solcher Schande besiegte die Standhaftigkeit der Matrone; als Sertus
sie verlassen hatte,
ließ
sie ihren Vater Sp. Lucretius
Tricipitinns von Rom, ihren Mann von Ardea eilig zu sich entbieten. Sie kamen, der Erstere begleitet von P. Valerius, Valestns Sohn,
dem nachmals so berühmten Publicola; zum Collatinus hatte sich zu fällig
Brutus
ihrem Gemache.
gesellt.
Diese
fanden
Lucretia
Bett ist von einem fremden Manne befleckt. entweiht, die Seele ist rein geblieben,
Schwört,
in
tiefer
Trauer
in
Ans Collatinns sorgende Frage, sprach sie: „Dein
mich zu rächen.
Aber nur der Körper ist
das wird der Tod bezeugen.
Der Thäter ist Sertus Tarquinius,
er
drang in letzter Nacht bewaffirct ein und stahl einen Genuß, der mich
dem Verderben geweiht hat, und auch ihn, wenn ihr Männer sein werdet."
Als die Angehörigen dies vernahmen, suchten sie Lucretia
mit Trostgründen zu beruhigen und sprachen sie von jeder Schuld frei.
Sie aber entgegnete:
„Sorgt ihr dafür,
was ihm gebührt;
meine
Strafe werde ich selbst finden," und unter diesen Worten durchbohrte sie sich die Brust mit einem verborgen gehaltenen Dolche. Die Angehörigen standen um sie, bestürzt, in tiefem Schmerze, da
trat Brutus auf, zog den Dolch aus der Wunde, hob ihn empor und rief:
„Bei diesem
einst
so
reinen Blute schwöre ich
und rufe die
Götter zu Zeugen, daß ich Tarquinius Superbus mit seinem schänd lichen Weibe und seiner Kinder Stamm durch Feuer,
Schwert und
jede Gewalt verfolgen will, und fortan sollen weder sie, noch sonst
Jemand, über Rom herrschen." — Mit diesen Worten bot er Colla-
Tarquinius Superbus.
181
tinus Lucretius und Valerius den Dolch, und forderte sie zum Schwure
auf, den sie, erstaunt über die Verwandlung des für blödsinnig Gehal-
Als Brutus Alle entschlossen sah, sich seiner Anfüh rung zu unterwerfen, begab er sich mit ihnen, die Leiche mit sich füh tenm, leisteten.
rend, nach Rom.
Um Alles vor dem Könige geheim zu halten, befahl
er die Thore zu sperren und hielt als Tribun der Celeres vor der ausgestellten noch blutigen Leiche der Lucretia eine Rede an daS zahl reich herbeigeströmte Volk, in welcher er die Gründe seiner bisherigen
Verstellung entwickelte,
von Lucretia's Schmach, von des Königs
fluchwürdiger Herrschaft und von dem Elende des Volkes sprach, der tapfern Römer, die alle umliegenden Völker besiegt hätten, und nun
als Arbeitsleute und Steinhauer zur Frohne dienen mußten.
Die
Versammlung der Gurten ließ alsbald vom Brutus sich bewegen, die Königswürde abzuschaffeu und Tarquinius nebst Frau und Kindern in die Verbannung zu senden. Bei der dadurch entstehenden Erledi gung des Throns ward Tricipitinus durch die Stimmen des Volks zum Zwischenkönig erklärt. Als solcher (oder nach Livius als schon früher vom Könige eingesetzter Stadtpräfeet) berief er das Volk nach Centurien bewaffnet auf dem Marsselde zu erscheinen, um neue Obrig keiten zu erwählen.
Jirzwischcn war Tarquinius auf die Nachricht
vom Aufruhre voit Ardea nach Rom geeilt, während Brutus sich mit
Freiwilligen ins Lager begeben hatte. Der König sand die Thore verschlossen, und als er zum Heere zurückkehrte, hatten die in Centu rien versammelten Soldaten den in Nom gefaßten Entschluß schon an genommen, die Befehlshaber, Titus Herminius und Marcus Horatius, schlossen Stillstand auf fünfzehn Jahre mit den Rutulern und zogen
von Ardea nach Rom. Als König Tarquinius die Thore seiner Stadt verschlossen und sich vom Heere verlassen sah, war er, ein sechsundsiebenzigjähriger Greis, nach Gäre, ins Etmskerland gezogen. Ihn begleiteten zwei Söhne
und die Königin Tullia, welche während deS Aufruhres in Rom ge wesen war, jetzt eilig fliehend und mit Verwünschungen verfolgt, wo man sie erkannte.
Sertus ging nach Gabii, dem Gebiete, welchem es soll ihn hier verdiente Rache ereilt
er als Herrscher vorstand;
habm, und er von Denen getödtet worden sein, welche er durch Gewaltchaten wider sich aufgereizt hatte. Tarquinius Superbus hatte fünfundzwanzig Jahre über Rom ge
herrscht; sein Sturz erfolgte im Jahre der Stadt 244, vor Christi
182
Rom.
Geburt 510.
durch
Die Königsflucht ward
am
alljährlich
ein Fest in Andenken erhalten, die Opfer,
24. Februar
welche sonst dem
Könige oblagen, wurden einem eignen Rex sacrorum oder Sacrifi-
culus übertragen, dessen Frau wurde Königin genannt und war eine
der vornehmsten Priesterinnen.
Die Würde war lebenslänglich, stand
jedoch der des Pontifex MarimuS nach; zuerst ward durch die Stim men des Volks der Patrizier Marius Papirius dazu erhoben. wahrscheinlich von diesem PapiriuS
Es ist
die Sammlung der Gesetze aus
der Königszeit veranstaltet worden, welche Gesetze von vielen Schrift stellern angeführt werden, auf welche man sich spät noch in gericht lichen Verhandlungen berief und welche, in Cicero's Zeit, von Graniuö Flaccus commentirt wurden.
Wir finden, daß der größte Theil
dieser Gesetze in die zwölf Tafeln übergegangen ist.
Die Vertreibung der Tarquinier war zwar von beleidigten Patri-
ziem ausgegangen, wurde jedoch auch dem Volke genehm, welches der beständigen Dienste
und
Lasten überdrüssig
war,
die
von Servius
Tullius bewilligten Freiheiten verloren hatte, und nunmehr von den Patriziern bald freilich bereute Einräumungen, wie bevor noch nicht, Des vertriebenen Königs Andenken ward, wo gerechte Klage
erhielt.
nicht auszureichen schien, mit Uebertreibungen für alle Zeiten gebrandmarkt.
Man nannte ihn als den, der Menschenopfer eingeführt habe,
als den Erfinder der Marterwerkzeuge, und als habe er Knaben zu
Eunuchen gemacht.
ä.
Cajus
Marcius,
Eajus Marcius Toriolanu«. einer der
vornehmsten Jünglinge Rom's, hatte
sich durch Muth und Geistesgegenwart bei Eroberung der volskischen
Stadt Corioli den ehrenden Beinamen Coriolanus Ruhm
verdunkelte des
wuchs auch sein Stolz.
Feldherrn Namen;
aber
erworben.
Sein
mit seinem Ruhm
Bei den damaligen Parteikämpfen zwischen
Patriziern und Plebejern war er einer der eifrigsten Verfechter patrizi-
scher Vorrechte, und Nichts war ihm so verhaßt, als die neulich von den Plebejern errungenen Rechte der Bürgertribunen.
Eine passende
Gelegenheit, diese wiederzugewinnen, schien ihm gekommen zu sein, als
eine drückende Hungersnoth das Volk heimsuchte.
Aus Sicilien wurde
eine Menge Getreide herbeigeführt, und im Senat berieth man, um
welchen Preis dasselbe dem Volk zu überlassen sei.
Da drang MarciuS
183
Cajus MarcmS Coriolanus.
mit Heftigkeit darauf, nur gegen Rückgabe der alten patrizischcn Rechte
und Aufhebung der Tribunengewalt das Getreide verabfolgen zu lassen. Voll Erbitterung griff das Volk zu den Waffen, und kaum vermochten
ihn die Tribunen durch Vorladung vor Gericht gegen die Wuth der
Plebejer zu schützen.
Marcius erschien nicht vor den Schranken, und
in Abwesenheit verurtheilt, ging er in die Verbannung zu Rom's ge-
schwornen Feinden, den Bolstern, mit Drohungen gegen seine Vater stadt und von zornigem Trotze erfüllt. Mit Wohlwollen nahmen ihn die Volsker auf, und dieses Wohl wollen stieg mit jedem Tage, je stärker seine Erbitterung gegen seine
Er wohnte bei Attius Tullus, einem der
Landsleute sich auSsprach.
angesehensten Männer unter den Volskern, der von jeher zu den bit
tersten Feinden der Römer gehörte. einen Plan zum Kriege.
Gemeinschaftlich entwarfen Beide
Allein ihre Mitbürger dahin zu vermögen,
daß sie die so oft zu ihrem Schaden versuchten Waffen abermals er
griffen,
war keine leichte Sache.
Kunstgriff ihr gerade Festspiele
und
Volk gegen
Rom
Sie versuchten daher zu
erbittern.
Zu diesen kam
mit größter Pracht.
in Begleitung
des Attius TulluS
eine große
durch einen
Römer hielten
Die
auf Anstiften
Menge Volsker.
Nun ging vor dem Beginnen der Spiele Tullus zu den Consuln und
wußte seine Landsleute zu verdächtigen.
Sie beriefen den Senat, und
aus Vorsorge, um ein Unglück oder ein Verbrechen zu verhüten, wurde der Beschluß gefaßt, alle Volster sollten vor Einbruch der Nacht die
Stadt verlassen.
Mit größter Erbitterung
zogen sie ab, Tullus ver
sammelte sie unterwegs und wußte durch geeignete Reden ihren Haß noch mehr zu entflammen.
In der Heimath angekommen, theilten sie
ihren Mitbürgern ihre Stimmung mit, und bald erhoben sich sämmt
liche Volsker zu allgemeinem Aufstande. Zu Anführern in diesem Kriege
erwählte man einstimmig AttiuS
Tullus und den verbannten CajuS Marcius, der bereits allgemeines Zutrauen besaß.
Und dieses täuschte er keineswegs.
Er eroberte eine
Stadt nach der andern, drang siegreich bis vor die Mauern Rom's^
und schlug daselbst sein Lager auf.
Bei der Plünderung des Gebietes
der Stadt ließ er die Ländereien der Patrizier unangetastet, entweder
aus Erbitterung auf die Plebejer, oder um Zwietracht unter den Bür gern zu veranlassen.
Und leicht wäre
Bürgertribunen das Volk aufhetzten.
solche entstanden, zumal
die
Doch die Furcht vor dem ge
meinschaftlichen Feinde war ein stärkeres Band der Eintracht.
Nur
184
Rom.
darin waren sie nicht einig, daß Senat und Confuln ihre einzige Hoffnung auf Waffen setzten, das Volk entmuthigt nach Frieden ver langte.
Dem Dringen der Bürger gab der Senat nach, und es wm-
den Gesandte mit Friedensanträgen an MarciuS abgeschickt. Sie brachten die trotzige Antwort zurück: „Erst, wenn den Volskern ihr erobertes Land abgetreten sei, könne von Frieden die Rede sein." Die selben Gesandten zum zweitenmal abgeschickt, wurden gar nicht vor gelassen. Auch die Priester in ihrer Ehrentracht kamen in feierlich sichendem Aufzuge, es gelang ihnen eben so wenig, den harten Sinn
des Feindes zu erweichen. Da versammelten sich die Frauen in großer Zahl bei Cvriolan's Mutter, Veturia und seiner Gattin Volumnia, und beredeten sie, mit ihnen ins feindliche Lager zu gehen, auf daß die Weiber mit Bitten und Thränen die Stadt vertheidigten, welche die Männer mit den
Waffen nicht mehr zu schützen vermochten. Sie zogen dahin, an der Spitze Veturia, eine würdige Mattone von hohem Alter, und Vo
lumnia, auf den Armen ihre beiden Söhnlein. Als sie vor dem Lager ankamen, und dem Marcius gemeldet wurde, ein großer Zug von Weibern nahe heran, so schien er anfangs noch hartnäckiger gegen weibliche Thränen, als gegen die Hoheit der Abgesandten des Staates und die Heiligkeit der Priester. Als er aber hörte, feine Mutter, Gattin und Kinder befänden sich an der Spitze, da sprang er auf, von seinen Gefühlen übermannt, uitb eilte mit ausgebreiteten Armen
Doch diese mit Ernst der Umarmung wehrend, rief mit gerechtem Unwillen ihm entgegen: „Erst laß mich wissen, der Mutter entgegen.
ob ich zum Feind oder zum Sohne kam, ob ich als Mutter oder als
Gefangene in Deinem Lager bin. Mußte mein Alter den Jammer erleben, Dich als Feind des Vaterlandes zu erblicken? Wie konntest Du es über Dich gewinnen, das Land zu verwüsten, welches Dich gezeugt und genährt hat? Und so erzürnt Du auch warst, wollte sich Dein Grimm nicht legen, als Du das Gebiet Deiner Vaterstadt betratst? AIS Du Rom vor Augen sähest, wollte Dir da nicht ein fallen, daß da Deine Götter, Dein Haus und Mutter, Deine Gattin und Kinder sind? Also — hätte ich nicht einen Sohn geboren, so würde Rom jetzt nicht belagert, frei wäre ich im freien Vaterlande gestorben!" — Nun fielen Gattin und Kinder ihm um den Hals, die ganze Schaar der Frauen begann zu weinen und zu jammern.
Da erweichte endlich des Mannes harter Sinn.
Er zog mit dem
Der Anfang -er Republik.
185
Heere von der Stadt ab und führte es weg vom römischen Gebiete. Bei den Volskern aber soll er alö Opfer des Hasses gefallen sein.
6, Der SCnfttng der Republik. Man war ungewiß, welche neue Form dem Staate zu geben sei, und wer das Recht haben solle, diese zu bilden. Da trat Brutus auf und sprach: „Ich bin Tribun der CelereS, der Tyrann hat mir, als einem Blödsinnigen, der ihm nicht hinderlich sei, diese Würde, die höchste im Staate, gegeben; mir steht das Recht zu, die Curie» zu berufen." Und er berief die Versammlung; diese übertrug die Wahl neuer Obrigkeiten den Centurial - Comitien; in diesen wurden auf Vorschlag deö Stadtpräfecten und Zwischenkönigs, nach den Anord nungen des Servius Tullius, wenige Tage nach der Vertreibung deö Tyrannen auS den Patriziern zwei Oberbeamte der Republik erwählt, deren anfänglicher Name Prätor war, bald aber in den von Consuln
überging. Sie behielten, außer der Krone, die königlichen Ehren zeichen, Lictoren- und Purpurkleid, allein die Dauer des Amtes ward auf ein Jahr beschränkt, und die Gewalt durch Einsage deö College» getheilt und gehemmt. Die ersten Consuln warm BruMs und Collatinus. — Der vertriebene König hatte sich nach Etrurien begeben, und «S war von dort aus eine Gesandtschaft an daö römische Volk geschickt
worden. ValertuS erlangte, daß die Gesandten nicht gehört wurden, eine zweite Gesandsschaft nahm nur die väterlichen Güter der Tarquinier in Anspruch; Collatinus sprach für die Billigkeit dieses Begehrms, Brutus dawider, das Volk beschloß in den Curien die Rückgabe der Güter durch Mehrheit einer Stimme. Jnzwischm hatte sich bei dieser Veranlassung eine Verbindung der Tarquinier mit jungen Patriziern angeknüpft, welche dem vertriebenen Königshause zugethan waren, die Freuden des damaligen Hofes vermißten und mit dem jetzigen Zu stande höchst unzufrieden waren.
Zu diesen Berschwornen gehörten die
Vitellier (aus welchem Geschlechte Brutus Ehegattin war), die Aguilier, Neffen deö Collatinus, und selbst Brutus Söhne, Titus und Tiberius, kaum dem Knabenalter entwachsen. Ein Sklave, Vindiciuö, verrieth die bei einem Gastmahle im Hause der Vitellier (nach Diony sius der Aquilier) gepflogenen Verhandlungen dem Valerius; die Ver schworenen wurden verhaftet und am folgenden Tage gebunden vor
186
Rom.
den Richterstuhl geführt.
Der Sklave trat als Ankläger auf;
man
fand seine Aussage schon schlagend, ehe noch die aufgefangenen Briefe Die Angeklagten verstummten;
an den König verlesen waren.
das
Volk rief in verworrenem Gemurmel, man möge sie in die Acht er klären; Collatinus vergoß Thränen, und Valerius, der sonst so harte Mann, beobachtete ein ernstes Schweigen.
und übergab
Lictoren
ihnen
die
Brutus aber winkte den
Verschwomen.
rief das
Umsonst
Volk: „Wir geben sie dem Vaterlande und ihrem Hause zurück," um sonst
flehten die Jünglinge,
seine Söhne
mit Ruthen
dieser That,
die,
Brutus
ließ mit unverwandten Augen
streichen und dann enthaupten. — Nach
wie Plutarch sagt,
nie
genug
gepriesen und
nie
genug getadelt ist, welche entweder göttlich oder viehisch gewesen, ver
ließ Brutus, nun kinderlos, seinen Sitz und übergab die andern Verschwornen seinem Amtsgehülfen.
Als aber Collatinus nunmehr nicht
nur seine Angehörigen zu retten, sondem auch den Ankläger zu strafen
suchte, erhob sich ein neuer Sturm; in den Gurten ward beschlossen, die übrigen Verschwornen solle die nämliche Strafe treffen; die Ge
sandten des Tarquinius entließ man aus Achtung vor dem Völker rechte.
Vindicius, von dessen Namen eine Art der Freilassung später
überhaupt benannt sein soll, erhielt aus dem öffentlichen Schatze eine Belohnung an Geld
und wurde der Freiheit theilhaftig, weil er den
Römern die Freiheit gesichert hatte. Benehmen die Abneigung des Volks
Collatinus, dessen zweideutiges
erregt hatte, ward
veranlaßt,
das Consulat niederzulegen; Bmtus lobte seine Weisheit und bewil ligte ihm Gelder aus dem öffentlichen Schatze und von seinem eigenen
Vermögen; Collatinus begab sich nach Lavintum und hat dort ruhig bis zu hohem Alter gelebt.
An die
Stelle des Collatinus
P. Valerius gewählt.
lesus ab,
welcher den Frieden
mittelt hatte;
wurde in den Centuriat-Comitien
Er stammte von dem Sabiner Valerius Vo-
seine Redegaben
zwischen Romulus
hatte
er stets
und TatiuS
ver
nur zum Schutze der
Unterdrückten angewendet, sein großes Vermögen nur um das Elend
der Armen zu erleichtern.
Von Ehrgeiz
war er nicht frei,
und er
hatte seinen Unwillen nicht verhehlt, als ein Tarquinier zum Consul
gewählt, er aber übergangen worden. — Nach Entdeckung der Verschwömng
nahm
übergeben,
zurück;
man den Beschluß, dem Könige seine Güter zu sein Haus mit den prachtvollen Säulengängen
wmde geschleift, und seine Ländereien an eigenthumlose Bürger ver-
187
Der Anfang der Republik.
theilt;
sieben
Juchert erhielt Jeder, nach PliniuS.
Das gemeine
Wesen behielt nur ein Stück zwischen der Stadt und Tiber, welches schon in den ältesten Zeiten dem Mars
geweiht, vom Tarquinius
aber widerrechtlich zu seinen Gütern geschlagen war.
Dies
Stück
ward mit zum Marsfelde; ein angränzendes Stück, das Tiberfeld, schenkte die Vestalin Tarratia dem Staate, und ward durch die Ler Horatia belobt.
Nachdem das Feld dem Mars geweiht war, hielten
die Römer eS für gewissenlos, die in voller Reife stehenden Früchte zu benutzen; man warf das Korn nebst den Bäumen, die es um faßten, in die Tiber; daraus soll die durch angebaute Widerlagen und sonstige Nachhülfe von Menschenhand gebildete Tiberinsel des Aesculapius, welche nachher Tempel und Hallen trug, entstanden sein.
Bmtus und Valerius begannen ihr Amt damit, daß sie allen An hängern deS Tarquinius Verzeihung zusicherten, im Fall sie binnen
zwanzig Tagen zurückkehren würden. Viele benutzten diese Erlaubniß. Der König, durch solchen Abfall nicht muthlos gemacht, wendete sich an die Tarquinenser, Landsleute seines Geschlechts, und an die Ve-
jenter, die alten Feinde Rom's.
Mit ihnen zog er aus; die Konsuln
rückten ihnen bis zum Walde Arsia entgegen; Aruns, des Königs Sohn, traf mit Brutus zusammen; Beide durchbohrten sich im Zwei
kampfe ; die Römer behaupteten das Schlachtfeld; die Feinde flohen, durch eine Stimme des Waldgottes geschreckt. Valerius kehrte triumphirend nach Rom zurück; er hielt Brutus eine Leichenrede, das erste Beispiel solcher öffentlichen Ehrenbezeugungen in Rom, wie Anarimenes bemerkt. Die Weiber vertrauerten ein ganzes Jahr um ihn, als den Rächer ihres Geschlechts.
Durch Brutus war eine Ergänzung des Senats geschehen, dessen Zahl durch den König sehr herabgeschmolzen war.
Er wurde durch die Aufnahme von Rittern wieder auf die Anzahl von Dreihunderten gebracht. Die Neuaufgenommenen wurden adlecti oder conscripti genannt. Der Tempel des Capitols ist von Brutus gleich nach Ver treibung der Könige an den Iden des Septembers geweiht.
In Be
treff der Quästoren verordnete ein Curiatgesetz unter Bmtus, daß sie
bestätigt werden sollten, wie sie in der Zeit der Könige gewesen. Wahrscheinlich wurden sie damals zur Vertheilung der königlichen
Güter bestellt. Eins der auffallendsten Mißverständnisse in der alten Geschichte hat in diese Zeit einen Handelsvertrag zwischen Rom und Carthago gesetzt.
188
Rom.
Polybius
will
einen solchen noch
Aedilen gekannt haben,
auf dem Capitol im Archiv der
in so veralteter Sprache abgefaßt, daß die
erfahrensten Kenner der damaligen lateinischen Sprache den Inhalt nur mit Mühe entziffern konnten.
Zufolge dieses Vertrages erscheinen
die Römer jener Zeit als ein Volk, welches schon im Besitze bedeu tender Seefahrt ist;
Latium ist fast gänzlich den Römern,
den Karthagem unterworfen. und Ausbreitung Rom's,
Sicilien
Der Vertrag entdeckt unö eine Macht
sowohl zu Lande, wie zur See, von der
wir keine Ahnung zu haben berechtigt waren, noch irgend eine andere
Spur haben.
Man hat dennoch aus dem Vertrage wichtige Schlüffe
über Rom's Vorzeit gezogen; Livius wird arg gerügt, eine solche Ur kunde wissentlich (denn er kannte und benutzte PolybiuS Werk), als
ganz
unvereinbar
mit seiner dichterischen Erzählung,
als die Größe
Rom'S zur Zeit der Tarquinier und den nachherigen Verfall aufdeckend, verhehlt oder unbeachtet gelassen zu haben.
Man muß auch, wie ein
neuerer Geschichtschreiber sagt, entweder die geschichtliche Ueberlieferung
verwerfen, oder aus dieser Urkunde eine ganz neue Geschichte herleiten, die mit allen Urkunden, mit den Fasten und den Geschichtschreibern,
in Widerspruch stände.
Es läßt sich jedoch nicht allein darthun, daß diese Urkunde nicht in jene Zeit gehören kann, sondern auch, daß sie den Jahren 406 an Die Römer waren ein ackerbauendes Volk, Handel schätzten
gehört.
sie gering.
Ancus Versuche, Schifffahrt zu bilden, waren erfolglos;
in den nächsten Jahrhunderten erfahren wir nur etwas von ein paar römischen Schiffen, die in See gingen, und diese wurden von See
räubern genommen.
Wo war ein Hafen, ehe Antium römisch ward?
Erst im Jahre 443 werden Behörden für die Flotte erwähnt.
Zudem
wäre es höchst auffallend, daß der angebliche Vertrag vom Jahre 245 den Worten und dem Inhalte nach so ganz mit dem des Jahres 447
ubereinstimmt; daß demnach die Verhältnisse nach zweihundert Jahren
sich ganz wieder auf gleichen Fuß gestaltet haben sollten. Wenn Polybius — hier nicht größerer Unachtsamkeit oder Unkunde schuldig, als alle die, welche später seinen Irrthum theilten — ver
leitet ward, ins Jahr 245 zu setzen, was ins Jahr 406 gehört, so
läßt sich
vielleicht auch die Entstehung dieses Irrthums
nachweisen.
In der kaum zu entziffernden Urkunde fand er die Consuln des Jahres 466:
Valerius und Popilius.
Publicola,
Er machte daraus
einen Valerius
und da dies nur ein Consul war, die Sache ihm auch
189
Die Gallier in Rom.
nicht ganz richtig zu sein schien, bezeichnete er das Jahr, da Publi-
cola Eonsul war, durch Nennung zweier andern Consuln des näm lichen Jahres Junius Brutus und M. HoratiuS.
Nach dem Tode des Brutus verzögerte Valerius die Versammlung der Centurien; dadurch, so wie durch den Bau eines prachwollen Gebäudes
auf der hohen Velia, am Abhange des Palatinus, erregte er Argwohn
und Unzuftiedenheit des Volks.
Als er davon die Kunde erhielt, ließ
er in der nächsten Nacht jenes Haus der Erde gleich machen, ver
sammelte das Volk und betrieb die Wahl des Tricipitinus, Vater der Sucreti«, zum Eonsul.
Als dieser nach wenigen Tagen starb, ward
M. HoratiuS Pulvillus zum Eonsul erwählt.
Valerius, dem seine
Fügsamkeit in den Willen des Volks den Namen Publicola gab, er ließ,
noch ehe HoratiuS sein Amtsgehülfe wurde,
zwei Gesetze zum
Vortheile deS Volks und zu großer Beschränkung der Consuln.
„Das
erste Gesetz, welches" wie Niebuhr sagt, „Tyrannoktonie sichern sollte,
hat Mord straflos gemacht."
Es verfügte, daß, wer Hoheit auöübe,
ohne vom Volke damit begabt zu sein, mit seiner Habe den Göttern geweiht sein solle.
Ein anderes Gesetz gestattete auch den Plebejern
Berustmg von Straftrrtheilen ans Volk, worunter hier die Versamm lung der Centurien zu verstehen ist, in Fällen, die für die Provocation
zu geringfügig waren, wurden Strafen zum Betrage von fünf Ochsen und zwei Schafen festgesetzt.
vius Art
eingerichtet,
Die Steuern wurden wieder aus Ser
und nach langer Unterbrechung
ward
wieder
ein Census gehalten, bei welchem man hundertdreißigtausend Männer in Rom sand.
V. Die Gallier in Rom. Schon in der Zeit des Tarquinius Priscus war Bellovesus, ein
Anführer der celtischen Gallier, über die Alpen hatten sich in Ober-Italien festgesetzt.
gezogen, und
diese
Noch zwei spätere Einwande
rungen sollen bis aus Brenuus geschehen sein. Aruns, ein Einwohner von Elusium, hatte von einem angesehenen Jünglinge, deffen Vormund
er gewesen,
tödtliche
Schmach
müssen und vergeblich den Schutz der heimischen Gerichte
dulden
angerufen.
Er begab sich zu den sennonischen Galliern, rief sie als Feinde nach Etmrien und soll die Barbarm besonders durch den Wein des Landes
gelockt haben, den er ihnen zugeführt hatte.
Mit ungestümem Andrang
190
Rom.
zogen sie
mit Weib
und Kind
durch Ober-Italien und
erschienen
vor Clusium.
In dem Kriege mit Vejt hatte Clusium dem verwandten Stamme keine Hülfe zugeschickt. Römern
Man hoffte, dies würde gegenwärtig von den
nicht unberücksichtigt bleiben und
nach Rom.
Es
erregen.
schickte deshalb Gesandte
Allein hier war man nicht geneigt, einen neuen Feind zu wurde jedoch
eine
Gesandtschaft,
bestehend
aus
Fabiem, an Brennus, den Heerführer der Gallier, abgeschickt.
drei
Diese
boten ihre Vermittelung an und fragten nach dem Rechte des fremden
Volks an Etrurien's Felder. — Brennus gab, mit höhnender Bezie
hung
auf eigenes Verfahren der Römer, das Recht des Stärkeren
an; die Fabier begaben sich nach Clusium;
bei einem Ausfälle der
Belagerten machten sie sich in den Reihen derselben bemerklich, Bren
nus sah darin eine Verletzung des Völkerrechts; er verlangte durch Gesandte Genugthuung von Rom und die Auslieferung der Fabier.
Die Fetialen ermahnten, Schuld
zu
befreien;
sonder
Schonung
die
Republik
vorsichtige Rathsherren riechen
das
von der Nämliche,
allein man wagte nicht einen Beschluß zu fassen, und übertrug die
Entscheidung den Centurien. Fabier;
Hier siegte Nationalstolz und Gunst der
der Antrag des Galliers ward verworfen;
die drei Fabier
wurden sogar unter die Kriegstribunen des nächsten Jahres gewählt. Nun ließ sogleich Brennus zum Abzüge von Clusium blasen; ohne Weile zog er nach Rom; Fußvolk und Reiter in zahlloser Menge be
deckten die Felder; die Dörfer und Weiler wurden von den fliehenden Landleuten verlassen, von den Feinden aber geschont.
Die Kriegs
tribunen sammelten eiligst ein Heer, meist aus ungeübten Leuten be stehend, am Flusse Allia, der aus den crustuminischen Bergen gegen die
Tiber fließt, sechszig Feldweges von Rom, trafen sie mit den Galliern zusammen.
Die Römer erlitten eine vollständige Niederlage.
Am Tage nach der Schlacht rückte Brennus
vor Rom und lagerte
am Anio.
mit seinen Völkern
Die Thore fand
er offen;
kein
Römer ließ sich blicken; Alles war nach der Burg des Capitols ge flüchtet; dahin brachte man Heiligthümer und Urkunden; die Heiligthümer der Vesta wurden von den Jungfrauen nach Cäre gerettet.
Vierzig Greise, größtentheils Priester, zogen es vor, sich förmlich vom Oberpriester Fabius dem Tode weihen zu lassen; sie blieben in Rom.
Als die Gallier am vierten Tage nach der Schlacht einrückten, fanden sie die alten Männer auf dem Markte, in feierlichem Schmucke, und
191
Die Gallier in Rom.
in tiefem Ernste dasitzend; anfangs hielten die Barbaren sie für Wesen einer
Bald
andem Welt.
erschlugen die Greise alle.
aber
erkannten
sie ihren Irrthum, und
Darauf ging ein Wüthen durch die Stadt;
wer sich nicht auf die Burg retten konnte, wurde schonungslos ohne Rücksicht des Alters und des Geschlechts gemordet; ein Angriff auf das Capitol
ward jedoch abgeschlageu,
Stadt in Asche legen.
und nun ließ Brennus
die
Die Häuser wurden in Brand gesteckt,
die
Tempel und öffentlichen Gebäude niedergerissen, die Mauern dem Erd
Bald war Rom ein Schutthaufen, eine weite
boden gleich gemacht.
Einöde, auf welcher die Gallier lagerten und von hier nach Latium streiften, um Lebensmittel zu finden.
Ein streifender Haufen der Gallier war auch vor Ardea erschienen, wo Camillus seit zwei Jahren in der Verbannung lebte.
Held
stellte
sich
an
die Spitze junger Mannschaft,
Der alte
überfiel die in
Freuden des Weins befangenen Barbaren und vernichtete sie.
That war von ungemeinem Gewichte für Belebung des
Diese
erstorbenen
Muthes der Römer; allgemein sprach die Reue sich aus, diesen Mann
verkannt zu haben.
Namentlich beschlossen die von der Schlacht an
der Mia nach Veji geflüchteten und von M. Cädicius angeführten Römer, dem Camillus den obern Kriegsbefehl zu übertragen.
Man be
nachrichtigte ihn von diesem Wunsche, er aber weigerte sich, den Be
fehl zu übernehmen, bis der Rath auf dem Capitol darüber entschieden haben würde.
Ein Abgeordneter erlangte die Zustimmung des Senats
und der Curien.
Camillus ward zum Dictator ernannt und begab
sich nach Veji.
Brennus lag indessen noch immer vor dem Capitol; sein Aufent halt hat vom Julius 364 sechs bis acht Monate gedauert.
lagerung war in eine Abspermng
verwandelt.
Die Be-
Zweimal gelang
den Römern unversehrt durch das feindliche Lager zu dringen.
eS
C. Fa-
biuS Dorso wollte eS nicht versäumen, am 15. Februar ein geschlecht liches
Opfer
auf dem
qnirinalischen Hügel zu
bringen.
Gabinisch
umhüllt, mit dem Opfergeräth in den Händen, schritt er vom Capitol
zum Berge des Quirinus
und kehrte den nämlichen Weg unverletzt
zurück. — Auch der Abgeordnete von Veji, welcher wegen Camillus Wahl nach Rom geschickt war, hatte glücklich den steilen Felsen er stiegen, allein am Tage darauf bemerkten die Gallier stische Menschen
spuren; auf dem nämlichen Wege, nach dem Tempel der CarmentiS
hin, suchten sie in sternheller Nacht den Berg zu erklimmen.
Unbemerkt
192
Rom.
von den Wachen hatte schon ein Gallier, dem Viele auf dem Fuße folgten, den Berg erstiegen; da weckte Geschnatter der Gänse, die man, als
der
Juno
geweiht,
selbst bei
drohender
Hungersnoth
geschont
hatte, den Consular M. Manlius, dessen Hans aus der Höhe lag.
Er stürzte den Emporgeklommenen zurück; sein Fall warf die Nach
steigenden hinab,
der Anschlag ward
Die achtlose Wache
vereitelt.
ward durch Sturz vom Felsen hingerichtet; Manlins erhielt von Jedem
der Belagerten eine Gabe an Lebensmitteln — kostbare Spende in
solcher Roth. — Diese stieg bald zu einem hohen Grade, während unter den Galliern
ungewohnte Krankheiten wütheten. Kampfes erwünscht.
Von beiden Seiten war Ende des
Es wurde Waffenstillstand geschlossen, und als
man lange vergeblich nach Camilluö ausgesehen hatte, ging der Kriegstribun Q. Sulpicius mit Brennus
einen Vertrag ein,
in welchem,
wie Livius sagt, der Preis des Volkes, welches nachmals die Welt
beherrschen sollte,
auf tausend Pfund Goldes
dieses Gold sollten die Gallier abziehcn.
festgesetzt
ward.
Für
Schon ward es abgewogen;
BrennuS nahm salsches Gewicht, und als Sulpicius sich beschwerte,
warf er noch Schwert und Wehrgehenk
in die Wage,
und da der
Kriegstribun die Deutung verlangte, rief der Gallier: „Das ist daS
Wehe des Besiegten!" Camillus hatte inzwischen zu Veji zwanzigtausend Römer gefunden, zu denen sich viele Freiwillige aus Latium gesellten.
gegen die Stadt.
Diese führte er
In dem entscheidenden Augenblicke, da mit Worten
an der Wage gestritten ward, erschien sein Kriegsvolk vor den Thoren.
Camillus erfährt, was vorgeht; langsam, in guter Ordnung läßt er
die Truppen vorrücken; mit auserlesenen Leuten eilt er zum Forum,
das Gold nimmt er aus der Wage und giebt
es
den beistehenden
Gerichtsdienern; den Galliern, welche sorglos dem Vergleiche trauten,
heißt er
Wage und
Gewicht wegnehmen, der Römer
erhalte
sein
Vaterland mit Eisen, nicht mit Gold. — Als Brennus entrüstet sich über Friedensbruch beklagte, antwortete der Dictator, kein Friede sei ohne seine Zustimmung gültig. — Die Gallier griffen zu den Waffen, alsbald begann das Gefecht in den
engen Gassen;
noch
in der Nacht verließ Brennus die Stadt und
lagerte am gabinischen Wege.
Hier griff Camillus die Gallier am
folgenden Tage an, nahm ihr Lager und versprengte das Heer.
WaS
an diesem Tage seinem Schwerte entrann, ward von den Landleuten
193
Die Gallier in Rom.
Ein Theil der Gallier, welche sich nach Apulien ge
niedergemacht.
flüchtet hatten, wurde später von den Cäriten vernichtet.
PolybiuS Erzählung dieses Vorgangs hat Anlaß gegeben, Zweifel gegen die gewöhnliche Darstellung auszuregen.
Nach ihm sollen die
Gallier abgezogen sein, weil die Veneter einen Einfall in deren Ge
biet gemacht hätten; es sei ein Vertrag mit den Römern abgeschlossen, und die Gallier hätten alle Beute abweichende Angabe
aus
man sie mit Nahrungsmitteln versehen.
Golde,
unter Jupitcr's Thron
welches
Diese
bei Frontinus
um über die Tiber zu ziehen;
vertragswcise Schiffe bewilligt, habe
einer
habe nach der Schlacht den Galliern
man
aufbewahrten Nachricht:
mit nach Hause geführt.
genügend
erklärt sich
Nach
auch
dem
geretteten
auf dem Capitol
vergraben
CrassuS soll
sein sollte, suchte man noch im Jahre 702 der Stadt. eS geraubt haben.
Durch den ganzen bekannten Weltkreis war damals die Kunde von Nom's seinem
Unglückötagen von
Buche
erschollen.
der
griechische Stadt Rom
Lnciuö CamilluS
Seele
HeraklideS
geschrieben,
am großen Meere erobert;
den Erretter;
als
aus
Pontuö
Hyperboräer
die Massilioten
hat
hätten
in
die
Aristoteles nennt hatten
auf die
Botschaft von Rom'ö Unglück Trauer angelegt und Gold und Silber
nach Rom
dafür
geschickt,
erhielten
sic
Vorrechte und Ehrenbezeu
gungen. —
Was der Rath erkaufen wollte, was CamilluS mit dem Schwerte zurücknahm,
war nur
eine öde Brandstätte
geblieben.
War früher
schon der Plan laut besprochen, nach Vcji zu ziehen, deni von Natur
und Kunst
befestigten
Orte,
wohin
schön
gebaute Häuser,
gesunde
Luft und fruchtbare Gegend einluden, so konnte dieses Vorhaben jetzt um
so
mehr neu angeregt werden,
da cö
so sehr an Mitteln zum
Wiederaufbau Rom'S gebrach. — CamilluS hatte nach Besiegung der Gallier einen prachtvollen Triumph gehalten; er brachte, wie Plutarch
sagt, Rom nach Rom zurück.
Denn die Einwohner der Stadt, welche
sie mit Weibern und Kindern verlassen hatten, folgten seinem Sieges wagen nach.
Und ihnen entgegen kamen die vor Hunger fast Um
gekommenen vom Capitol.
Die Priester und Tempelhüter brachten die
Heiligthümer, welche sie entweder vergraben oder weggeführt
hatten,
wieder gerettet hervor, es war, als wenn die Götter selbst nach Rom zurückgekehrt wären.
Des Dictators erstes Werk war, den Göttern
Opfer zu bringen, und die Stadt nach den Vorschriften der in diesen
Histcr. Lcsebuch: I.
13
194
Nom.
Gebräuchen erfahrenen Männer zu reinigen.
So schwierig es auch
war, die Stellen der eingeäscherten Tempel wieder aufzufinden, so geschah die Herstellung doch mit großer Sorgsamkeit; dem Asus Lo-
cutius ward
an dem Orte,
wo eine nächtliche Götterstimme dem
Cädicius die Ankunft der Gallier verkündete, ein eingezäunter Altar geweiht. — Mit kräftiger Rede eiferte CamilluS gegen den Vorschlag, nach Veji zu übersiedeln.
Während er sprach, zog eine Cohorte, von
der Wache zurückkehrend, über den Markt; der Führer befahl zu halten
und die Fahne aufzustellen, „denn hier, rief er dem Fahnenträger zu, ist es am besten zu bleiben." Dies deutete der Senat als eine Götter
stimme, Rom nicht zu verlassen; das Volk sand den Wink begründet;
man begann zu bauen; der Staat gab die Ziegel.
Jeder Bauende
durfte Steine brechen und Holz fällen, wo er wollte; von Veji wur
den die Römer unter Androhung schwerer Strafe zurückgerufen.
In
einem Jahre war der Wiederaufbau vollendet, allein unregelmäßig,
enge, gekrümmte Gassen, wie sie bis auf Nero s Brand blieben. Man hatte es nicht für schicklich erachtet, daß die Kriegstribunen des unglücklichen Jahres den nächsten Wahltag halten sollten, und Q. Fabius, welcher als Gesandter Anlaß zu dem verderblichen Kriege gegeben hatte, ward angcklagt; ein plötzlicher Tod entzog ihn der Untersuchung. Die neuen Kricgstribuncn ließen mit vieler Sorgsamkeit, was sich an Bündnissen
ließ die Wahl durch Jntcrrcgcn geschehe».
und Gesetzen fand, wieder aufsuchen; Einiges davon wurde dem Volke bekannt gemacht; was aber den Gottesdienst betraf, wurde größtentheils von den Priestern unterdrückt, damit die Gemüther in alter Abhängigkeit vom Volksglauben blieben. Auch wurden heilige und unglückliche Tage festgestellt, zu diesen für immer der Tag von der Allia, gerechnet. Während
welcher mit dem von der Cremera zusammenfallen sollte,
so
alle Kräfte zur Herstellung des
Alten
angewendet
wurden, suchten angestammte Feinde Rom's mißliche Lage zur völligen Vertilgung des Staats
zu benutzen. Volsker ergriffen die Waffen, Etrurien's Völkerschaften hatten sich beim Heiligthume der Voltumna
vereint, uttd selbst Latiner und Herniker sagten sich von dem fast hundertjährigen Bündnisse los. In solcher Bedrängniß wendete man wieder den Blick zum Camilluö, welchen das Volk mit abgötterischer
Verehrung, als zweiten Gründer der Stadt, als zweiten Romulus namrte, und den die Krieger in verherrlichenden Gesängen priesen.
m
Die Gallier in Nom. Eamtllus ward wieder (366) Dictator,
er bildete drei Heere, eins
ließ er vor Rom, ein anderes schickte er gegen die Etrusker, und er selbst ging gegen die Volsker.
Diese schlug er und nahm ihr Lager
am Berge Mäcius, unweit Lanuvium; dann wandte er sich gegen die Aequer, deren Stadt Volä er eroberte. welches Sutrium,
dem andern Heere,
Darauf begab er sich zu
eine
bundesverwandte Stadt
entsetzte, vor welchen Ort säst alle etruskischen Staaten Truppen ge
schickt hatten.
8. -cppiu» btt Blinde und Faviu» Maximus. Appius Claudius
war einer der merkwürdigsten Männer Rom's.
Seine Standhaftigkeit in der Ausführung entsprach ganz der Kühn
heit seiner Entwürfe.
Er war ein großer Rechtsgelehrter und wurde
in venvickeltcn Rechtsangelegenheiten als ein Orakel angesehen.
Uebri-
gens machte sein unwiderstehlicher Hang, wirken zu wollen, ihn Neue rungen geneigt.
Straße
nach
Als Censor des Jahres 442 gründete er die appische
Capua,
Noch gegenwärtig
Cicero
nennt
sie
eine
Strecke von
einhundertzwanzig
Millien.
völlig
erhalten,
sind einige Meileir dieser Straße die Königin der Wege.
Dann
dankte Rom dem
Appius die älteste Wasserleitung, welche sieben Millien von Rom be
gann, und so tief unter der Erde fortgeführt war, daß sie im Kriege nicht zerstört werden konnte.
Dies Werk war von ungemeiner Wich
tigkeit, da es bei Rom nur einzelne Quellen und Brunnen gab, die meisten Einwohner, nainentlich der Vorstädte aber, auf daö unreine
Wasser der Tiber beschränkt waren. Daö Verdienst, die Quellen gefunden zu haben, welche die Wasser leitung nährten, soll nach Frontinus eigentlich dem Censor C. Plau-
tius gebühren; und dieser davon den Beinamen Venor erhalten haben; der Ruhm der Anlage ist
aber dem Amtsgehülfen allein
geblieben,
weil Plautius, aus Verdruß über eine andere Maßregel des Appius,
sein Amt niederlegte.
Appius nämlich, gleichsam um auf grelle Weise
Mißbilligung der Fortschritte des plebejischen Standes an den Tag zu legen, hatte als Genfer die Enkel von Freigelassenen in den Senat genommen; Plautius war deshalb von der Censur abgetreten; Appius mußte jedoch
entsagen.
Q.
seiner Absicht
bei dem Widerstände,
Die Consuln des Jahres 443,
welchen er fand,
C. Junius Bubulcus und
Aemilius, führten gleich bei Antritt ihres Amts Klage beim Volke,
13*
196
Siom.
daß durch Appius Censur der Senat entehrt sei; fie verlasen auch die
Liste, wie sie vor jener Censur gültig gewesen war. Die Tribunen L. AtiliuS und C. MarciuS stimmten dieser Ansicht bei; sie erlangten zugleich, daß sechszehn der vierundzwanzig Kriegstribunen künftig aus
den Plebejern genommen werden sollten. Als Appius seine Absicht vereitelt sah, wählte er einen noch nach theiligeren Weg, freies und achtbares Bürgerthum herabzusetzen.
Er
vertheilte den niedrigsten Pöbel unter sämmtliche Tribus und
gab
ihnen dadurch einen höchst verderblichen Einfluß, sowohl auf die Ver
sammlung nach Centurien, wie nach Tribus.
Auch dadurch erschüt
terte Appius die Verfassung, daß er das Geschlecht der Potitier ver
anlaßte, die Heiligthümer des Hercules künftig durch Sclaven des
Staats verwalten zu lassen. — Bald soll Strafe des Himmels sich gezeigt haben; das
zahlreiche Geschlecht der Potitier erlosch binnen
Jahresfrist; Appius selbst erblindete nach einigen Jahren unheilbar.
Unter den Leuten geringen Standes, welche durch Appius hervor gezogen worden, war der Enkel eines Freigelassenen, Q. Flavins. Er war früher Schreiber gewesen, nachher Tribun und zweimal Triumvir, einmal zur Erhaltung der nächtlichen Sicherheit und einmal zur
Abführung einer Pflanzung. Er war, nach Livius, ein verschlagener und sehr gewandter Mann; große Volksgunst hatte er erlangt dadurch,
daß er die Rechtsregeln, welche bisher in den Geheimstuben der Ober
priester verwahrt lagen, bekannt machte und am Markte den Gerichts kalender auf einem weißen Brette ausstellte, damit Jedermann wisse, an welchen Tagen man sich an die Gerichte zu wenden habe. Nach Plinius war dieses auf Appius Anrathen geschehen.
Dieser Flavius
erlangte es (449), zum kurulischen Aedilen erwählt zu werden, ihn erhob die Volköpartei, welche seit Appius Verfügung sich gebildet hatte. Seine Wahl erregte solche Unzufriedenheit, daß die Ritter die goldenen Ringe ablegten; Flavius hatte persönliche Beleidigungen zu erdulden;
er ließ sich jedoch nicht schrecken, noch wankend machen; vielmehr be nutzte er seinen Einfluß, Eintracht unter den Parteien herzustellen.
Und selbst als dies gelungen war, weihte der Oberpriester nur un willig und gezwungen den Tempel der Eintracht ein, welchen der verhaßte Emporkömmling gelobt hatte. Die Herstellung der Eintracht geschah damals durch die Censoren Fabius und Decius.
Durch sie wurde der ganze Haufen der Markt
partei ausgesondert, in vier Tribus vertheilt, und diesen der alte Name
197
Der erste panische Krieg.
der städtischen zurückgegeben (450).
Fabius, der große Feldherr, er
warb durch diese Anordnung den Beinamen Marimus. Aus Appius Zeit stammt eine Sitte, welche für spätere Zeit eine besondere Bedeutung erhielt, da sie ein Vorrecht des neu sich bilden
den Adels wurde.
Er stellte zuerst die Bilder seiner Vorfahren im
Tempel der Bellona auf.
Zwei Jahrhunderte später (676) geschah
erst die Ausstellung in den Häusern-der Optimalen.
9. Der erste punifche «rieg. Es war kurz vor der Verbindung, welche der König Hiero von Syrakus mit den Karthagern einging, daß die Römer (482, 266)
sich Rhegium's bemächtigt hatten.
Auf Sicilien hatten die Karthager,
damals schon Herren von Sardinien und Corsica, Niederlassungen und Stapelplätze ihres Welthandels, und waren im Besitze eines großen Theils der Insel; mehrere Städte aber waren in den Händen der Mamertiner, eines Haufens campauischer Miethssoldaten, welche unter Agathokles gedient und sich auf eine verrätherische Weise Messena'S bemächtigt hatten, indem sie von den Einwohnern freundlich
ausgenommen und bewirthet, die Männer überfielen und ermordeten, und dann deren Güter und Weiber sich zueigneten. Diese Mamertiner, in deren Gewalt auch die Städte Mylä, Ame-
salum, Aläsa und Abacänum waren, beunruhigten durch beständige Streifereien das Gebiet deS Königs Hiero; es gelang dem Könige, sie in einer Schlacht bei Mylä (Milazzo) zu besiegen und ihren Feld herrn Cios gefangen zu nehmen. Auf den Besitz der einzigen Stadt Messana beschränkt, sahen sie kein anderes Rettungsmittel, als sich der milden Herrschaft des ehrwürdigen Hiero zu ergeben; der König war schon im Anzuge, die Stadt einzunehmen, als der Karthager Hannibal, Befehlshaber auf der Insel Lipara, ihm znvorkam. Die Meinungen der Mamertiner schwankten nun, ob sie der Herrschaft Karthago's oder Syrakusens sich unterwerfen sollten;
bald
aber entschied der
größere Haufe dafiir, Hülfe bei stammverwandten Italern in Rom zu suchen. Dieser Antrag empörte im ersten Augenblicke die Bessern der Römer; man hielt cS des römischen Volks unwürdig, Räubern und Mördern Hülfe zu leisten, und bei diesen eine Handlungsweise zu
billigen, welche man noch kurz zuvor an eigenen Bürgern,
kampanischen Legion zu Rhegium, so hart gestraft hatte.
an der Auf der
198
Stern.
andern Seite aber leuchtete der große Vortheil ein, den Rom von Annahme des Antrags haben würde; es war augenscheinlich, daß die
Einnahme Messana'ö die Karthager bald in den Besitz von ganz Si-
rilien, der schönsten Insel deS Mittelmeers,
wie Diodor sie nennt,
setzen würde; und die Häupter des Volks zeigten annoch die großen
Vortheile, welche auch der Einzelne aus dieser Unternehmung ziehen würde.
Als der Senat keine Entscheidung fällen wollte,
kam dem
hortensischen Gesetze gemäß, die Frage an die Volksversammlung, und nach einem Beschlusse derselben wurde der Consul Appius Claudius zum Kriegszuge beauftragt. Solches war die nächste Veranlassung des ersten punischen Krieges,
wenngleich schon acht Jahre früher die Hülfe, welche die Karthager der Belagerung von Tarent geleistet hatten, von den Römern als Bruch des abgeschlossenen Bündnisses betrachtet war. Der Consul sendete zuerst den Lcgiontribun Claudius, einen kühnen und kriegserfahrenen Mann, nach der Insel. Durch List und durch Einschüchterung des Hanno gelang es dem Tribun, sich Messana'S zu
bemächtigen; Hanno, welcher die Stadt den Römern geräumt hatte, wurde bei seiner Rückkunft in Karthago ans Kreuz geschlagen. Ein
anderer Hanno, Hannibal's Sohn, wurde mit einer bedeutenden Macht nach Sicilien geschickt; er veranlaßte den König Hiero mit ihm gemeinschaftlich vor Messana zu ziehen. Claudius wurde aufge fordert, die Stadt zu übergeben; auf Weigerung der Römer beging Hanno die Grausamkeit, alle Italer, welche in seinem Heere dienten, tobten zu lassen. Auf diese Nachricht beschleunigte Appius seine Ab reise von Rom; auf einem schlechten Ruderschiffe und mit einigen Frachtschiffen landete, begünstigt von einer dunklen Nacht, der Consul, welcher von seinem Kahne seitdem den Beinamen Cander erhielt, auf Sicilien, und schlug — der erste Sieg der Römer außerhalb des festen Landes — den König Hiero beim Berge Chalcis.
nachher erlitten Messana.
die Karthager
durch
AppinS
Gleich
eine Niederlage
vor
Als im folgenden Jahre (491, 263) die Consuln Manius OtacilliuS Crassus und Manius ValeriuS Flaccus auf Sicilien landeten, sah der
von den Römern bedrängte König Hiero sich veranlaßt, Frieden und
Bündniß mit ihnen abzuschließen; er gab alle Gefangenen frei, zahlte hundert Talente (nach Orosius das Doppelte), und es wurde ihm außer
Syrakus ein. bedeutendes Gebiet von den Romern zugesichert.
Hiero
199
Der erste punische Krieg.
nahm jedoch keinen weitern thätigen Antheil an dem Kriege, nach
einigen Jahren erließen die Römer ihm, wegen bewiesener standhaften Treue, den Tribut; er beherrschte noch lange sein Volk in glücklicher
Ruhe, welche der Dichter Theocrit uns in seinen Idyllen malt, und starb
erst ein Jahr nach der Schlacht bei Cannä, nach
mehr als
fünfzigjähriger Regierung, ein neunzigjähriger Greis.
Mit den Karthagern, welche nun mit zahlreichen Söldnerschaaren aus Gallien, Ligurien und Hispanien, auf der Insel erschienen, wurde der Krieg fortgesetzt.
Die Eroberung von Agrigent (492, 262) ließ
die Römer zuerst den Plan fassen, die Karthager ganz aus Sicilien zu vertreiben.
Um diesen Zweck zu erreichen, war cs nothwendig, eine Flotte zu schaffen. Die Römer hatten bis dahin nur eine geringe Kenntniß des Seewesens
gehabt;
die Schiffe,
deren sie
sich zu Anfänge dieses
Krieges bedienten, waren alle von den Tarentincrn, Lokrern, Eleaten
und Neapolitanern entlehnt. Der Senat beschloß, hundertundzwanzig Schiffe nach dem Muster eines gestrandeten karthaginiensischen Fahrzeuges zu bauen; man ließ Bäume in den Wäldern hauen; in zwei Monaten war der Bau voll endet; von ganz grünem Holz, demnach von nicht größerer Dauer, als Gewandtheit; die unbehülflichen Gebäude gehorchten dem Steuer
ruder nur unvollkomnicn, und bewegten sich schwerfällig unter Segeln und Rudern, deren Handhaber auf Bänken eingeübt wurden, welche auf dem Lande hingestellt waren. Die Karthager, welche inzwischen mit Mangel an Gelde zur Be
friedigung der unwilligen Soldtruppcn zu kämpfen hatten, plünderten
damals die Küsten Jtalien's. Der Römer Flotte erschien ihnen ein Gegenstand des Spottes; vermehrt wurde ihr Hohn durch die Unfälle deS Consuls En. Cornelius Scipio Asina, dem die Leichtgläubigkeit, mit welcher er sich von falschen Boten entfernter Inseln, die ihn ein
luden,
sie von der Karthager Herrschaft zu befreien, verleiten ließ,
siebcnzehn Schiffe und die Freiheit gekostet hatte. Inzwischen erfand ein Baumeister auf des andern Consuls C. Dui-
lius Hauptflotte ein Rüstzeug zum Entern (corvus), welches den Nachtheil der Unbeweglichkeit ihrer Schiffe hob und — als damals noch unbekannt — einen solchen Erfolg zeigte, daß Duilius bei Mylä über den Admiral Hannibal, der mit seiner Flotte, wie zum Triumphe, ohne Schlachtordnung zu bilden, herangezogen war, einen Sieg erfocht,
200
Nom.
Welcher den Karthagern fünfundvierzig Schiffe und zehntausend Men schen kostete (494, 260).
Dem Consul DuiliuS bewilligten die Römer
für den ersten Seesieg ihrer Flotte den Triumph, und verlängerten den dabei stattfindenden Gebrauchs den Sieger Abends mit Musik und
Fackelschein nach Hause zu geleiten, für die ganze Dauer seines Lebens. Auf dem römischen Markte wurde ihm zu Ehren eine Säule von weißem Marmor errichtet, nach den daran befestigten Schiffsschnäbeln
Columna rostrata genannt.
Sie stand noch in PliniuS Zeit und
ward 1560 durch einen Zufall wieder aufgefunden. Nach diesem Seekriege theilten die Römer ihre Streitkräfte ; der Consul L. Cornelius Scipio ging mit der Flotte nach Corsica und
Sardinien, und bemächtigte sich dieser Inseln größtencheils.
Sein
Nachfolger im Consulate, C. Sulpicius Paterculus, vollendete diese Eroberungen, nachdem er die Flotte des Hannibal in einem sardini schen Hafen zerstört hatte.
Dieser Feldherr, der Sohn Gisgos, welchen
die Geschichtschreiber den alten Hannibal nennen, um ihn von dem großen Hannibal zu unterscheiden, wurde von empörten Seeleuten
seiner Flotte gekreuzigt. Während dieser glücklichen Erfolge war Rom durch die Empörung
von viertausend Samnitern, welche man als Flotte gepreßt hatte, in große Gefahr gerathen.
Ruderknechte für die
Auf Sicilien hatte
Hamilkar Vortheile über die Römer erfochten; der Tribun M. Cal-
purnius Flamma rettete das römische Heer in den Gebirgen auf dem Zuge wider Camarina durch eine That, die der alte Cato mit der
deS Leonidas vergleicht. Camarina wurde eingenommen und gleich dem früher von den Puniern verlassenen Mysistentum zerstört. Im achten Jahre des Krieges war noch fast die Hälfte Sicilien'ö, namentlich die Nord- und Westküste, in den Händen der Karthager, und cs schien den Römern immer mehr nothwendig, den kostspieligen Krieg durch eine entscheidende Unternehmung zu beendigen.
Sie be
schlossen den Feind iir Afrika selbst anzugrcifen, und beauftragten zu
diesem Zuge die Consuln L. Manliuö Vulso und M. Attilius Reguluö. Bei Ecerinus, wo die Karthager vor einem halben Jahr hundert über Agathokles gesiegt hatten, trafen beide Flotten an ein ander, die punische, angefiihrt von jenem Hanno, der bei Agrigent den Cornelius Asina hintergangen hatte und von Hamilkar, der kurz zuvor d^m C. Reguluö ein Sectreffen bei TyndariS geliefert hatte. Es entstand ein Kampf von mehr als dreihundert Schiffen und drei-
201
Der erste purüsche Krieg.
hunderttausend Menschen, in Folge desselben landeten die Römer an der afrikanischen Küste, am Vorgebirge Hermäum, und bemächtigten sich der Stadt Clupea, (497, 257). Sie verheerten von dort die
fruchtbaren Ebenen Afrika's, die lange keinen Feind gesehen hatten,
und machten große Beute,
Regulus, welcher seine Zurückberufung
erbeten hatte, da sein Meierhof von sieben Ackern seine Aufsicht er
fordere, weil ein bestellter Tagelöhner ihm alles Vieh und alle Vorräthe entwendet habe, blieb in Afrika, als der Staat ihm zusicherte, seine Frau und Kinder auf öffentliche Kosten zu ernähren. Während die Karthager ihr Heer dem aus Sicilien herbeigerusenen Hamilkar, dem Bosstor und Hasdrubal übertrugen, war Regulus schon bis zu den Usern des unfern Karthago's ins Meer fließenden
Bagrada gelangt.
Hier wurde er genöthigt, mit Belagerungswerk-
zeugen gegen eine ungeheure Schlange zu kämpfen, welche das Wasser im Flusse vergiftete, die Luft ansteckte, und Thiere mit ihrem bloßen
Hauche tödtete. Das Ungeheuer wurde erschlagen, die Haut nach Rom geschickt, und ward dort noch zur Zeit des numantinischen Krie ges aufbewahrt. Nachdem die Römer über die Bagrada gegangen waren, erfochten sie bei Adis einen Sieg, welcher den Karthagern siebenzehntausend Todte, fünftausend Gefangene und achtzehn Elephan ten kostete. Die Fortschritte des Regulus versiegelten, wie er dem Senate nach Rom schrieb, die Thore Karthago's mit Schrecken; eine Gesandtschaft bat im römischen Lager um Frieden; allein Regulus verlangte Abtre tung Sicilicn'ö, Sardinien's und Corsica's, Schatzpflichtigkeit und An-
erkennung der Hoheit Rom's.
Während der Unterhandlungen hatten
die Karthager nach Griechenland geschickt, um Miethvölker zu werben; diese langten jetzt in Afrika an; ein Lakedämonier, Tanthippus von Therapea, welcher auf die Mißbräuche ihrer Tactik aufmerksam ge
macht hatte, wurde an die Spitze des Heeres gestellt. Dieser lieferte dem Regulus eine Schlacht, in welcher die Römer völlig geschlagen wurden, und ReguluS in Gefangenschaft gerieth.
noch in den Händen der Römer.
Nur Clupea blieb
Lanthippus, mit Undank gelohnt, verließ bald darauf Afrika. Eine neue römische Flotte unter M. Aemilius PauluS erschien bei Hermea, die Karthager wurden zur See und zu Lande geschlagen, die Römer sahen sich aber wegen Mangels an Lebensmitteln genöthigt, Afrika zu verlassen; ein Sturm vernichtete ihre Flotte; die Küste Sicilien'S ward mit den Trümmern von zwei-
202
Rom.
hundert Schiffen bedeckt;
die Schätze aber, welche Regulus erbeutet
hatte, wurden ein Raub des Meeres.
die Karthager straften
Afrika war nunmehr von Römern befreit; mit großer Härte
die von ihnen
abgesallenen Nachbarstämme;
ein
neues Heer unter Hasdmbal landete auf ©teilten; er erlitt auf Panormus durch L. Cäcilius Metellus eine Niederlage, in Folge deren
er bei seiner Rückkehr in Karthago zum Tode vemrtheilt wurde. Römer begannen darauf die" Belagerung von Lilybäum.
thager cittmuthigt durch
Hasdmbal's
Niederlage,
Die
Die Kar
sendeten
den
bei
ihnen in Gefangenschaft lebenden Regulus nach Rom, um einen Frie den zu unterhandeln, und legten ihm die
Verpflichtung auf, in die
Gefangenschaft zurückzukehren, falls die Unterhandlungen nicht den er
warteten Ausgang haben sollten.
Stadt kam,
römischer Bürger sei,
und der Rath
Stadtthore Gehör zu geben pflege.
seinen
Als Regulus vor die Thore der
weigerte er sich, dieselbe zu betreten, da er nicht mehr
beiden kleinen
Kindern
zu
den
Fremden
außerhalb
der
Seine Frau, Marcia, kam mit ihm;
er
warf nur einen wilden
Blick auf sie und sah dann starr zur Erde nieder.
Vor dem Rathe
erschien er zugleich mit den punischen Gesandten; er sprach erst, als
diese ihm, ihrem Sclaven, es geboten hatten. zuvörderst
seines Auftrages,
Nun entledigte er sich
die Unterhandlung
die Auswechselung der Gefangenen betreffend.
eines Friedens Dann
und
aber stellte er
vor, wie Beides bei der Erschöpfung Karthago's nicht rathsam sei;
er halte
es
vielmehr für nothwendig,
den Krieg
fortzusetzm.
Die
Römer gaben seinen Worten Gehör; der Pontifer Marimus glaubte ihn seines Eides entlassen zu können, er aber, wohl wissend, welche Marter ihm die Puttier bereiten würden, kehrte unter dem Wehklagen der ganzen Stadt auf das karthaginiensische Schiff zurück.
Das Volk
der Punier, welches jedes Versehen der eigenen Anführer mit blutigem Tode zu strafen pflegte, ersann in der Erbitterung neue, bisher un gekannte Martern, mit denen man den Verhaßten dem Tode übergab.
Als diese Grausamkeit in Rom kund wurde,
überlieferte der Senat
zur Wiedervergeltung die vornehmsten punischen Gefangenen der Wittwe
deS Regulus; diese ließ sie in große mit Nägeln beschlagene Kasten stecken; Bodostar starb am fünften Tage; Hamilkar wurde nach zehn tägigen Leiden auf Befehl des Raths befreit, und die Asche des Bo
dostar nach Karthago geschickt, um die rohe That zu sühnen.
Die fernere Geschichte des punischen Krieges, welcher seit Hasdrubal'S
Der erste prmische Krieg.
203
Niederlage noch zehn Jahre fortgeführt wurde, ist wenig rühmlich und
wenig glücklich für die Römer. In chieser ganzen Zeit wurde die Be lagerung von Lilybäum fortgesetzt, dem wichtigsten festen Orte der Punier auf Sicilien; eine Auswechselung der Gefangenen kam drei
Jahre später wirklich zu Stande. Bei Drepanum wurde der Consul P. Claudius Pülcher, ein Sohn des blinden Appius, (504 , 249) von der Flotte des Adherbal angegriffen und verlor dreiundneunzig Schiffe mit der Mannschaft. Er hatte den Kampf gegen die Augurien
gewagt, befohlen die Käfiche der weissagenden Hühner über Bord zu werfen, und sich dabei die frevelnden Worte erlaubt: „Wollen sie nicht essen, so laßt sie trinken." Der stolze Consul wurde zur Rechen schaft gezogen,
als
aber ein plötzlich
entstehender Sturmwind das
Volk vom Markte vertrieb, wurde dies Ereigniß als eine stillschwei
gende Lossprechung der Götter betrachtet. Cr starb bald darauf, wie wir aus der Erzählung der kurz nach
her geschehenen Bestrafung seiner Schwester Claudia wissen. Diese fuhr von einem öffentlichen Schauspiel nach Hause und geriet!) unter eine Menge Volks im Gedränge.
Da rief sie im Zorne: „Wie viel ärger würde dies Gedränge sein, wenn mein ®ruber nicht die Flotte verloren hätte! Möchte er doch noch leben, um eine neue nach Sicilien führen zu können, damit dieses Gesindel umkomme, welches mir hier so lästig wird!"
Wegen dieser Worte ward sie durch die Aedile
vor die Versammlung der Tribus gefordert und in eine Geldstrafe
verurtheilt, deren Ertrag zur Erbauung einer der Freiheit geweihten Capelle auf dem aventinischen Berge verwendet wurde.
Als
Claudius
befohlen worden, seine Würde niederzulegen und
einen Dictator zu ernennen, bestellte er dazu, zum Hohne des Volkes,
einen seiner Clienten, Claudius Glycias, einen Menschen ans dem untersten Pöbel, bis dahin Gerichtsdiener (viator). Die Republik er trug die Frechheit nicht; sie gestattete dem Glycias zwar für seine
übrige Lebenszeit den Purpurrock im Circus zu tragen, nöthigte ihn aber, seine Würde niederzulegen. An seine Stelle wurde M. Atilius CalatinuS zum Dictator ernannt; die Boten, welche ihm die Ernen nung ankündigten, fanden ihn beschäftigt, sein Feld mit eigener Hand
zu besäen; er erhielt daher den Beinamen SeranuS. Die Karthager benutzten mit vieler Thätigkeit den Sieg bei Dre panum; eine andere römische Flotte unter dem Consul JuniuS Pullus
204
Rom.
wurde gleichfalls, theils vom Sturm, theils von den Karthagern vernichtet. Allein eine gefährliche Meuterei der Soldaten hemmte, während Carthago die Küsten Jtalien's verheerte, die Schritte der Karthager. Diesen Aufruhr dämpfte der neue Anführer der Karthager, Hamilkar
Barka.
Er war damals noch, wie Nepos sagt, ein Jüngling, ent
sprossen aus einem alten Geschlechte, welches Barka, den Bruder der
Dido, als Ahnherrn nannte. Vom Jahre 506 bis 512 (248 bis 242) zeigte Hamilkar sich thätig im sicilianifchen Kriege, er plünderte die Küsten Jtalien's, be
festigte in der Nähe von Panormuö die Hohe Epiracte und besetzte die Stadt Eryr, deren höherliegende Burg die Romer inne hatten. Der Hauptzweck beständiger, aber unentschiedener Gefechte,
wegen
deren anscheinender Einförmigkeit und zahllosen Menge Polybius eine
Geschichte dieser Jahre für kaum möglich hält, war die Einnahme Um diese zur Entscheidung zu brin
von Lilybäum imb Drepanum.
gen, beschlossen die Römer (512, 242) eine neue Flotte auszurüsten,
zu welchem Zwecke einzelne Bürger die Kosten freiwillig hergaben. Plötzlich, ehe die Karthager cs vermutheten, erschien (512, 242) der Consul L. Lutatius EatuluS mit einer zahlreichen Flotte vor Lilybäum und Drepanum, und schlug den gegen ihn anziehenden Hanno in einer entscheidenden Seeschlacht bei den ägatischcn Inseln. Nach dieser Niederlage fand Hamilkar, überlegend, daß die belagerten Orte Lily bäum, Drepanum und Eryr sich nicht so lange, bis neue Hülfe von Karthago kommen konnte, halten würden, sich genöthigt, Friedens vorschläge zu thun. Catulus machte ihm die schimpfliche Bedingung, mit seinem Heere durchs Joch zu gehen; als Hamilkar jedoch erklärte, lieber mit seinen Truppen untergehen zu wollen, stand Catulus von
seiner Forderung ab. Im Lager vor Eryr kam darauf (514, 240) ein Friede zu Stande, demzufolge die Karthager Sicilicn und (wie die Worte sehr zweideutig, mindestens unbestimmt gestellt wurden) alle umherliegcnden Inseln räumen, den Römern innerhalb zwanzig Jahren 2200 Talente Silbers zahlen, alle Gefangenen ohne Löscgcld zurück
geben und mit König Hier» keinen Krieg führen sollten.
So lauteten
die Bedingungen, wie sie durchs römische Volk geschärft, von Ha milkar angenommen wurden.
reichs
Sicilien, mit Ausnahme des König
Syrakus, wurde zu einer römischen Provinz gemacht.
Es
wurden zugleich ein Prätor als Obrigkeit und Haupt der Kriegsmacht
Der zweite punische Krieg.
205
und ein
Quästor zur Erhebung der Abgaben dahin geschickt. Die Einkünfte bestanden in einer bestimmten Schatzung und in Zehnten
und
Zoll.
Letztere Abgabe wurde an Publicani, gewöhnlich
aus
So, und nur verbündet, also nicht denk Statthalter, sondern dem Senate in Rom untergeben, blieben auch
dem Ritterstande verpachtet.
die Republik der Mamertiner und Tauromenium. Außerdem waren mehrere Orte, als Segesta, Kentoripa, Galäsa, Halicyä und Panormus, wenigstens seit dem zweiten punischcn Kriege, frei und steuer
frei, jedoch der mittelbaren Gewalt des Statthalters untergeben und
zu außerordentlichen Leistungen verpflichtet.
io. Der zweite punische Krieg. Als Saguut untergegangen war, sendeten die Römer den Q. Fa-
binS nach Karthago und verlangten zur Genugthuung die Ausliefe
rung des Hannibal.
Der Rath in Karthago war in zwei Parteien
getheilt, den Barcincn gegenüber stand Hanno, welcher in einer vom Livius uns ausbcwahrten, zur Aufklärung der Verhältnisse jener Zeit so merkwürdigen Rede, anrieth, den Forderungen der Römer Genüge zu leisten.
Die Barcincn gewannen jedoch im Rathe die Oberhand;
der Unterhandlungen müde, warf Fabius sein Gewand in zwei Falten und sprach: „Was soll dies Zaudern, ich trage hier Krieg oder Frie
den!"
Als die Vorsteher der Versammlung antworteten: „Gieb uns,
was Du willst", entschied der Mann, welchem späteres Benehmen den Namen deö Zauderers gegeben hat, durch raschen Entschluß für den
Krieg. — Ein Schauder ging durch die Versammlung, als Fabius seine Toga
öffnete, gleichsam als schütte er den Krieg über Karthago aus; die Barcincn aber stimmten mit Jubelruf ein Kriegsgeschrei an. Von Rom wurden, als der Krieg entschieden war, Tib. Sempronius Longns nach Sicilien, P. Cornelius Scipio und dessen Bruder, CnejuS, nach Gallia Transalpina gesendet; Ersterer mit der Weisung
nach Afrika, Letzterer nach Spanien zu schiffen. Hannibal besaß in hohem Grade die Liebe und daö unbegränzte
Zutrauen seines Heers;
die
alten Krieger sahen in ihm daö Bild
seines Vaters, das nämliche kühne Antlitz, das gleiche Feuer der Augen und die nämlichen Gesichtszüge. Er war in aller Wissenschaft der Panier und Griechen
gleich
bewandert; sein Körper war von
206
Rom.
Natur und durch Abhärtung zu jedem Dienste geschickt; er war eben
so gewandt, als stark; kein Uebermaß der Speise beschwerte ihn, nie
ermattete ihn der Hunger; Anstrengung schien ihm die Stärke, Schlaf losigkeit die Kraft zu vermehren.
Unersättlicher Ehrgeiz, Verachtung
der Menschen, die er nur als Mittel seiner Zwecke betrachtete, Grau
samkeit, mehr als punische Treulosigkeit, wie Livius sagt, verdunkelte aber die großen Eigenschaften deS Feldherrn. Hannibal beschloß, den Feind nicht in Spanien zu erwarten, son
dern ihn in seinem eignen Lande anzugreifen.
Er begab
sich
nach
Gades, stellte sich durch ein feierliches Opfer unter den Schutz des
dort verehrten Herkules, und forderte die Gallier in Italien auf, das Joch der Römer abzuwerfen, welches die Bojer auch zu thun nicht säumten,
als Hannibal
ohne Widerstand
über
die Pyrenäen
ging,
und sein Heer zu Jlleberis im narbonischen Gallien sammelte. Der Consul Scipio, welcher von Pisa abgesegelt war, hatte in zwischen seine Truppen in der Nähe von Massilien ans Land gesetzt. Durch
eine Kriegslist
bewerkstelligte Hannibal den Uebergang
über
die Rhone, ließ nach einem Reitergefechte die Römer unangegriffen,
zog
dm Strom hinauf
Insel,
wo
Rhodanus
und lagerte nach vier Tageözügen auf der und
Hannibal die Zwistigkeiten
Jsara
zusammenfließen.
Hier benutzte
zweier fürstlichen Brüder der Allobroger,
sich einen Anhang zu schaffm; von hier trat er den berühmten Zug
über die Alpen an, die er, wahrscheinlich über den kleinen St. Bern
hard sein Heer führend, in fünfzehn Tagen überstieg. Als Hannibal in Jnsubrien anlangte, fand er sein Heer auf zwölf
tausend Reiter, zwölftausend Karthager und achttausend Spanier herabgcschmolzen.
Seine Krieger glichen
theils Gerippen, welche vom
Tode erstanden waren, theils Wilden, die aus öden Steppen kamen.
Dennoch gewährte Hannibal ihnen nur kurze Ruhe; die blutige Er oberung von Taurinium erregte
solchen Schrecken bei den Galliem,
daß sie sich Alle unterwarfen, das Heer mit Lebensmitteln versorgten und es durch zahlreiche Mannschaft verstärkten.
Als
der
Consul
Scipio Hannibal's
Abzug
von den Ufern der
Rhone erfahren hatte, sendete er seinen Bruder Enejuö Scipio, nach
Spanien wider Hasdrubal; er selbst schiffte sich nach Pisa ein und zog durch Etrurien und über den Po, Hannibal entgegen.
Am Tici-
nuS (Tessino) traf er mit Hannibal's Reiterei zusammen, wurde ge schlagen und dankte sein Leben nur der heldenmüthigen Rettung seines
Der zweite puntsche Krieg.
207
siebenzehnjährigen Sohnes,
des nachmaligen Siegers von Zama. Scipio zog sich über den Po zurück; in seinem Heere entstand Meu terei unter den Galliern. In Rom rief man eilig den Consul Sem-
pronius aus Sicilien zurück;
er erschien binnen vierzehn Tagen an
der Trebia; durch eine entscheidende Schlacht hoffte er den Krieg zu beenden; erlitt aber eine Niederlage, von der er nach Rom schrieb; die Strenge des Winters und die Kälte des Wetters haben ihm den
Sieg auS den Händen genommen. Die Römer sahen sich nach dieser Niederlage und der darauf fol
genden Eroberungen von Victumviä, gezwungen, Oberitalien zu räu men. Hannibal folgte ihnen; mit vielen Beschwerden zog er über die Appenninen, bestand ein blutiges Treffen mit Sempronius und rückte, nachdem er selbst auf diesem Zuge verwundet worden und durch eine Krankheit auf dem rechten Auge fast erblindet war, in Etrurien ein. Zu Rom veranlaßten diese Ereignisse eine ungemeine Auftegung und hatten eine entschlossene Anstrengung aller Kräfte des Staats zur
Folge. Der Consul Scipio noch von seiner Wunde nicht geheilt, ging nach Spanien ab, Truppen wurden nach Sicilien und Sardinien ge schickt; Tarent und die übrigen Seestädte wurden mit starken Besatzungen versehen. Zu Consuln wurden Cn. Servilius GeminuS und C. Fla-
Letzterer war auch ein Günstling deS Volks. Früher hatte er als Tribun durch seinen Vorschlag wegen Vertheilung der picentinischen Felder, Anlaß zum Kriege mit den Galliem gegeßen, nachher hatte er den Auspicien und den bestimmten Befehlen des minius Nepos gewählt.
Senats zuwider, eine Schlacht über die Jnsubrer gewonnen und den Triumph erlangt. Durch das von ihm ausgehende Claudische Gesetz (536, 218) hatte er den Patriziern die Freiheit zu handeln beschränkt,
dadurch den Haß derselben noch gesteigert, das volle Vertrauen des Volks aber gewonnen. Nunmehr wieder zum Consul erwählt, wurden ihm durch Augurien, Auspicien und andere Förmlichkeiten Hindernisse in den Weg gelegt, die ihn veranlaßten, als Privatmann, ohne dem Jupiter Latiaris das feierliche Opfer auf dem albansschen Berge zu bringen, ohne feierliche Gelübde auf dem Capitol, ohne Feldherrn mantel und ohne Lictoren die Stadt zu verlassen und zum Heere ab zugehen. Seine Feinde klagten, Flaminius sei nicht mehr mit dem Senate allein, sondem auch mit den unsterblichen Göttern im Kriege. Hannibal, welcher genaue Kundschaft von der Unerfahrenheit und dem Ungestüm seines Gegners erhalten hatte, lockte ihn in die Gegend,
208
Rom.
welche von den Bergen bei Cortona und dem trasimenischen See um
schlossen wird;
hier erlitt Flaminius
(537,
eine vollständige
217)
Niederlage und wurde selbst von einem Jnsubrer erstochen. Unbeschreiblich war die Bestürzung in Rom,
als der Prätor M.
Pomponius dem versammelten Volke die Niederlage verkündete.
Bald
nachher lief eine neue Unglücköbotschaft ein von der Niederlage, welche der
Proprätor
C.
CenteniuS
in
Umbrien
von
Maharbal
erlitten.
Schon fürchtete man den Feind bald vor den Thoren zu sehen.
Da
der Consul abwesend war, schritt man dazu, daß Q. Fabius Marimus Sie sollten für schleunige Be
RusuS als Oberster beigegeben wurde. festigung der Stadt Sorge tragen.
Große Opfer und Gelübde wur
den den Göttern gebracht.
Hannibal
war nach der Schlacht durch Umbrien
nach Spoletum
gezogen; darauf verheerte er die Länder der Marser, Marucincr und
Peligner und drang bis in die Gegend von Apulien vor.
Plane
Seinem
mit Italern gegen Rom Krieg zu führen, tödtete er
gemäß,
alle Waffenfähigcil, die sich ihm nicht anschlvssen und nahm diejenigen
mit Wohlwollen auf, welche die Waffen gegen Ronr ergriffen. Dictator hatte befohlen, auf dem platten Lande Alles
Der
zu verheeren,
wo der Feind sich zeigen wurde; mit vier Legionen ging er Hannibal entgegen und bezog ein Lager bei Ancä.
Sorgfältig vermied er eine
Schlacht; als Hannibal in daö reiche Land der Samniten zog, folgte Fabius ihm langsam mit vieler Behutsamkeit bis inS Land der Cam-
paner, dann zu den Peligncrn, und endlich nach Apulien.
setzte Hannibal Gcronium, FabiuS Lavinum.
einer heiligen Handlung nach Rom gcreiset war, Abwesenheit MinuciuS einige Vortheile. zufrieden Ritter
über Fabius
gleiche
zum Heere
Rechte
Zaudern.
erlangte in seiner
In Rom war man sehr un beschloß dem Obersten
mit dem Dictator zu verleihen. kamen die
zurückkehrte,
Heer zu theilen.
Man
Hier be
Als der Dictator wegen
beiden
der
Als Fabius
Dictatoren überein, ihr
Minucius ließ sich in ein Gefecht ein; seine Legionen
geriethen in die größte Gefahr; da nahete zu rechter Zeit Fabius in
geordneter Schlachtreihe
und
rettete
seines
Nebcnfeldherrn
Heer. —
Minucius bekannte seine Unbesonnenheit und sein Unrecht, laut nannte
er Fabius seinen Retter und seinen zweiten Vater und unterwarf sich ganz seinem Oberbefehl.
In Rom erhob man den eben erst so tief
herabgewürdigten Dictator mit den höchsten Lobsprüchen. Als
die
sechs
Monate
seiner Dictatur verstrichen
waren,
kehrte
Der zweite punische Krieg Fqbius nach Rom zurück.
209
Für das Jahr 538 (216) wurden die
Konsuln L. AemiliuS Paulus. und C. Terentius Varro erwählt, die Beide ins Lager abgingen.
Aemilius hatte sich schon int illyrischen
Kriege ausgezeichnet; Barro war ein Mann niederer Herknitst, Günst
ling des Pöbels, unbesonnen und heftig.
Die beiden Konsuln, welche
täglich im Oberbefehl abwechseltcn, führten das Heer an den Aufidus,
wo Hannibal die kleine Festung
Cannä belagerte.
Das römische
Heer war dem des Hannibal weit überlegen an Anzahl. An einem Tage, da Varro den Oberbefehl führte, nahm dieser die Schlacht an;
die Römer erlitten eine vollständige Niederlage;
sie sollen siebenzig
tausend Mann verloren haben; unter den Todten waren MinuciuS und der Konsul Aemilius. Der Konsul Varro entkam mit wenigen Reitern nach Venusia, eine kleine Schaar sammelte sich bei Ciunisium, und beabsichtigte von hier sich über das adriatische Meer zu retten;
so berühmte Scipio verhinderte durch seine kräftigen Vorstellungen die Ausführung dieses Entschlusses. Zu diesem unglücklichen Ereigniß gesellte sich noch die Niederlage, welche der Prätor Postumius Albinus im cisalpinischen Gallien erlitt. Es war in diesen Tagen, daß Fabius beruhigend und sorgend auftrat,
der nachmals
und den Muth in der Stadt anfzurichten suchte. Die zweckmäßigsten Maßregeln zur Vertheidigung Rom'S wurden getroffen, allein kein Feind erschien. Hannibal mußte auch damals und später noch den Vorwurf ertragen, er verstehe wohl zu siegen, nicht aber deit Sieg zu benutzen. Der Krieg, welchen er seitdem in Italien führte, tritt gewissermaßen in de» Hintergrund gegen die Er eignisse in Spanien. So wie der erste punische Krieg um Sicilien in Sicilien, so wurde der zweite um Spanien in Spanien geführt. Denn nicht Hannibal'S Krieg in Italien, sondern der Kampf auf der spanischen Halbinsel entschied die Frage über Karthago's und Rom's Herrschaft. Die Römer beabsichtigten bei Ausbruch des Krieges den Kampf
sowohl in Spanien, wie in Afrika zu führen.
Hannibal'S Zug durch Italien störte ihren Plan; der Konsul Publius Scipio sendete jedoch seinen Bruder CnejuS mit den dazu bestimmte» Legionen nach Spa
nien, wo Hannibal seinen Bruder Hasdrubal mit fünfzehntausend Mann bei Neu-Karthago, Hanno mit zehntausend Mann im Norden
deS Jberus zurückgelassen hatte.
Als Cnejus Scipio, von Massilien
abgehend, zu Emporium landete, fiel ihm das ganze Küstenland zu; HiKor. Lesebuch. I.
14
210
Rom.
seine Milde und Freundlichkeit gewann ihm bald di« durch Hannibal'S
grausame Rohheit niedergebeugten Gemüther.
Hanno wurde selbst bei Scissis geschlagen und gerieth in Gefangenschaft; Hasdrubal zog sich
nach vergeblichem Kampfe zurück in die Winterquartiere zu Reu-Kar
thago, Cn. Scipio blieb zu Tarraco (536, 218) nachdem er die Jlergeten, Ausetaner und Lacetaner unterworfen hatte (536, 218). Im nächsten Frühjahre machte Hasdrubal einen Angriff durch eine
von Reu-Karthago längs der Küste ausgesendete Flotte, wie auch mit einem Landheere. Die Flotte wurde an der Mündung des JberuS geschlagen, eine römische Flotte plünderte die Küste bis unter die Mauern von Reu-Karthago, dessen Vorstädte niedergebrannt wurden.
Die Fürsten der Jlergeten, Mandonius und Jndibilis wurden von den Römern, und der ihnen zu Hülfe ziehende Hasdrubal von den
Celtibcriern geschlagen. Im Sommer dieses Jahres (537, 217) kam Publius Scipio nach Spanien; beide Brüder überschritten nunmehr den Jberus; durch List
bekamen sie die Geisel der Völkerschaften, die Hannibal sich hatte aus liefern und zu Sagunt aufbewahren lassen, in ihre Hände und er langten dadurch ein großes Uebergewicht in Spanien. Im folgenden Jahre (538, 216) verbreitete sich das Gerücht, Has drubal habe von Karthago aus den Befehl erhalten, nach Italien zu ziehen. Dies Gerücht veranlaßte viele Völkerschaften zum Abfall von den Karthagern; Hasdrubal verstärkt durch ein von Himilco ange führtes Heer, erlitt am Jberus durch die Scipionen eine Niederlage, in welcher er fünfunddreißigtauscnd Todte und Gefangene verlor. Der Kampf im folgenden Jahre (539, 215), wurde den Römern durch bedeutende Unterstützungen, welche Hasdrubal's Bruder auS Afrika herbeiführte, erschwert.' Castulo, die Vaterstadt der Gemahlin
des Hannibal, fiel von den Karthagern ab; nicht fern davon schlug Cn. Scipio die Punier bei Jlliturgi; er gewann einen neuen Sieg bei Munda, und noch zwei Schlachten in diesem Jahre fielen zum Vortheil der Römer aus, welche Sagunt darauf wieder einnahmen und die Stadt den alten Einwohnern zurückgaben. Die Turdetaner dagegen, welche den Unfall Sagunt's verschuldet hatten, wurden als Sklaven verkauft. Zonaras erwähnt, wie uneigennützig die Scipionen sich bezeigt hätten, sie nahmen von der reichen Beute fast nichts in Anspruch und schickten ihren Kindern nur einige erbeutete Würfel nach Rom. —
211
Der zweite punische Krieg.
Im nächsten Jahre (540, 214) wurde Hasdrubal nach Aftika ge
rufen, um Syphar, einen benachbarten Fürsten der Numidier, zu be kämpfen. Syphar, Fürst der Masäsyler, hatte ein Bündniß mit den Römem abgeschlossen; Gala, Mastnissa's Vater, Fürst der Massylier im Osten Numidien'S, dagegen sich mit den Karthagern verbündet. Syphar wurde geschlagen,
von Masinissa gehindert, nach Spanien
überzugehen und zum Frieden genöthigt.
Alö Masinissa darauf mit seinen Numidiern nach Spanien zu Hülfe der Karthager zog, gaben sie Sophonisbe, die Tochter des HaSdrubal Gisgo, ohne Wissen deS
Vaters, dem Fürsten Syphar zur Ehe.
In Spanien fiel in diesem
Jahre nichts von Bedeutung vor, die Römer nahmen zum erstenmale Solviruppen, anö Celtiberern bestehend, in Dienst. Zwei Jahre geschah fast nichts von Bedeutung in Spanien; die Karthager hielten sich in ihren festen Orten; die Römer suchten die Bündnisse mit den Einwohnern auszudehnen und zu befestigen. Im
Jahre 542 (212), nach Beendigung des numidischen Krieges, führten Hasdrubal Barca, Mago und Hasdrubal Gisgo, drei Heere in Spanien.
Die Scipionen theilten gleichfalls ihre Truppen; die Cel-
tiberer, von Hasdrubal bestochen, verließen das römische Heer; Publius Scipio wurde im Kampfe wider Masinissa, Mago und Hasdrubal
Gisgo, in der darauf mußten
zu denen sich auch Jndibiliö, der Fürst der Lacetaner, gesellte, Nähe von Castulo, erschlagen. Die Sieger wendeten sich gegen En. Scipio in die Gegend von Orson; die Römer der Uebermacht weichen; Cnejus rettete sich in einen Thurm,
wo er durch die Libyer in den Flammen umkam, neunundneunzig Tage nach dem Tode seines Bruders. Rom'S Herrschaft in Spanien schien vernichtet zu sein.
Da trat
ein Jüngling, L. Marcius, auf, sammelte die zerstreuten Schaaren und erfocht, vom Heere zum Anführer gewählt, über die den Jberus überschreitenden Karthager einen Sieg, welcher daS Gleichgewicht
einigermaßen herstellte.
Die Karthager benutzten ihren Sieg durch
Wiederunterwerfung der spanischen Völkerschaften,
entfremdeten sich
jedoch bald viele derselben wieder durch Härte und Willkühr. Zudem herrschte keine Einigkeit unter den drei Feldherrn. Als (543, 211) Claudius Nero den Oberbefehl in Spanien als
Proprätor erhielt, vermieden die Karthager einen offenen Kampf. P. Eornelinö Scipio, der vierundzwanzigjährige Sohn des gefallenen Consuls, erbot sich, den Oberbefehl zu übernehmen, er habe Vater,
14*
212
Rom.
Oheim und Vaterland zu rächen, und verspräche, nicht allein Jberien,
Furchtsame, sagt
sondern auch Libyen und Karthago zu bezwingen.
freuen sich über Versprechungen;
Appian,
daS Volk wählte Scipio
zum Heerführer; die Arlteren aber schmähten ihn wegen seiner Ver
Man wollte schon seine Wahl
wegenheit.
widerrufen,
als er aber
selbst erklärte, znrücktreten zu wollen, wenn ein Aelterer gesonnen sei, die Anführung zu übernehmen,. war Niemand dazu crbötig.
Schon
die Nachricht von seiner Ankunft wirkte mit Allgewalt auf das ver
derbte und zerrüttete Heer, wie auf die wankenden Bundesvölker.
ES
verbreitete sich der Ruf, Scipio sei durch die Schickung eines Gottes
zu
ihnen gekommen,
und
er unterließ eS nicht,
nähren und sich zu Nutze zu machen.
diesen Glauben zu
Die Feldherren der Karthager
hatten ihre Winterquartiere bezogen, Mago bei den Säulen des Her
kules, Hasdrubal Giögo in Lusitanien, biete der Carpetaner.
Scipio zog
Hasdrubal 53circa im Ge
im Frühjahre 544 (210) wider
Neu-Karthago, um durch einen plötzlichen Angriff die Hauptstadt der Punier in Spanien, die Niederlage aller ihrer Vorräthe und Schätze, zu erobern.
Während er zur Landseite vorrückte, erschien sein Freund
C. Lälius, der Einzige, welcher um seinen Plan wußte, mit der Flotte
vor der Stadt, die, durch Mago
von den Römern
vertheidigt,
im
Sturm genommen und den Soldaten zur Plüuderung Preis gegeben
wurde.
Mago übergab die Burg
und den Ueberrest der Besatzung
in Kriegsgefangenschaft. Mit zuvorkommendem Wohlwollen behandelte Scipio die gefangenen Spanier; die dem Fürsten Alluciuö zurückgegebene Braut, die Scho nung der Gemahlin des Mandonius und der Töchter dcS Jndibilis
dienten dazu, die Häupter der Celtiberer auf Seite der Römer zu ziehen.
Nachdem Scipio Neu-Karthago befestigt hatte, brachte er den
Winter
in Tarracon
zu;
im Frühjahr
(545,
209)
zog
er wider
Hasdrubal 93circa, der bei der Stadt Bäcula, unweit Castulo, stand;
Scipio erfocht einen glänzenden Sieg und erbeutete das pnnische Lager.
Die freundliche Behandlung, welche Mastiva, der Neffe des Masinissa, vom Scipio erfuhr, diente zur Anknüpfung des Verhältnisses mit dem
Numiderfürsten. Nach dieser Schlacht riesen die Spanier Scipio
Spanien aus; an.
Hasdrubal
er aber nahm nur die Benennung
beschloß,
an
der
Rettung
zum Könige von eines Imperator
Spaniens
verzweifelnd,
nach Italien zu ziehen; er führte diesen Zug im Frühjahr des folgenden
213
Der zweite punische Krieg.
Jahres (546, 208) aus, ging über die Pyrenäen, blieb ein Jahr in
Gallien, wo er sein Heer durch Söldnerschaaren verstärkte, zog dann über die Alpen und wurde in Italien am Metaurus
besiegt und
getobtes. An HaSdrubal's Stelle wurde von Karthago Hanno nach Spa
nien geschickt. Die östliche Hälfte des Landes war den Moment unterworfen. Hasdrubal Gisgo sah sich größtentheils auf Bätica beschränkt. .
Der
Proprätor
Silanus
schlug
die
vereinigte
Macht
Hanno's und Mago's, deS Bruders Hannibal's. Im folgenden Jahre (547, 207) brachte HaSdrubal Gisgo ein bedeutendes Heer bei Silpia in Bätica zusammen, und vereinte sich Masinissa.
mit Mago und Scipio zog nun ihnen entgegen und gewann die zweite
Schlacht bei Bäcula. Die Karthager sahen sich nach dieser Nieder lage fast allein auf Gades beschränkt, und die Römer richteten bereits ihr Auge auf Afrika. Scipio begab sich selbst dahin, um persönliche Unterhandlungen mit Syphar
zu
pflegen,
denen
auch Hasdrubal
Gisgo beiwohnte. Im folgenden Jahre (548, 206) wurden mehrere Städte, nament
lich das tapfer vertheidigte Astapa eingenommen; eine schwere Krank heit aber, welche Scipio befiel, gab mehreren Bundesgenossen, unter diesen auch dem Mandonius und Jndibilis, Anlaß wieder von den Römern abzufallen. Zu gleicher Zeit entstand ein Aufruhr int römi schen Lager am Sucro (Lucar), aus Unzufriedenheit über den langen
Aufenthalt in Spanien. Als aber die Nachricht sich verbreitete, daß Scipio wieder genese, war der Aufruhr gestillt, und die spanischen Fürsten kehrten in ihr Gebiet zurück.
Scipio folgte ihnen, schlug sie im Lande der Sedetaner und zwang sie, sich wiederum ^u unterwerfen. Masinissa, ein Fürst von seltener Schönheit der Gestalt und durch alle Gaben des Geistes ausgezeichnet, ließ, empört über die von den Karthagern geschehene Ueberlieferung seiner Braut Sophouiöbe an den
Fürsten Syphar, sich in ein geheimes Bündniß mit den Römern ein und versprach, Hülfe zu leisten, weiln der Krieg nach Afrika versetzt
würde.
Mago, welcher Befehl erhielt, nach Italien zu ziehen, verließ
Gades, welches sich darauf den Römern ergab.
Scipio hatte nun
mehr die Karthager gänzlich aus Spanien vertrieben; als er (559, 205) zum Consul erwählt wurde und die Halbinsel verließ, wurde
Jndibilis von L. LentuluS und L. Manlius Acidinus geschlagen; er
214
Rom.
verlor in der Schlacht das Leben; Mandonius wurde den Römern Der Krieg in Spanien war beendet.
Msgeliefert.
Rach der Schlacht bei Cannä ist Hannibal noch vierzehn Jahre in Italien geblieben; die Geschichte dieser Zeit enthält die Begebenheiten, wie anfänglich die meisten Städte der Bundesgenossen von Rom ab
fielen, dann aber, nachdem sie punische Herrschaft hatten kennen lernen, größtentheils unter Rom zurückzukehren suchten.
Hannibal führte den
Krieg, in welchem seitdem keine entscheidende Schlacht auf italischem Boden mehr vorfiel, größtentheils mit Hülfe der Samniten, Lucanier und Bruttier, so daß dieser Krieg gewissermaßen eine zweite Fortsetzung des frühern großen Samnitenkrieges zu nennen ist, ähnlich dem Kriege,
Während seiner italischen Feldzüge
mit Rom führte.
den Pyrrhus
hat Hannibal
mehr als zweihunderttausend Mann aus der Jugend
des Landes ausgehoben. Die erste Stadt, welche von Rom abfiel, war Compsa, im Lande der Hirpiner am Aufidus.
Dann nahm Hannibal durch Hülfe des
Pacuviuö Capua ein; die römische Besatzung wurde in den Bädern
erstickt.
Nach einem fiuchtlosen Versuche auf Neapel wendete Han-
nibal sich gegen Nola, wo er bedeutenden Verlust durch einen Ausfall
des Prätor Marcellus erlitt.
Nach einem gleichfalls erfolglosen Ver
suche wider Casilinum bezog Hannibal die Winterquartiere von Capua.
Hier ergab
er nebst
seinem Heere
sich den Versuchungen der Aus
schweifungen und Weichlichkeit; den sonst so unzugänglichen Feldherrn beherrschte Weins
eine
und
Schöne
Capua's, er
ergab
sich
im Seplasia,
dem Palais Royal Capua's,
zeigte
sich
den Freuden des
einem so verrufenen Orte, daß es für einen Römer unanständig ge halten wurde, fich dort sehen zu lassen.
Als er im folgenden Früh
linge wieder aus Capua gegen Casilinum zog, schien sein Heer ein
ganz andres geworden zu sein, — die Beschwerlichkeiten des Krieges
waren seinen Soldaten so lästig, wie Neugeworbenen.
Endlich nahm
er Casilinum ein, wie auch nach heldenmüthiger Gegenwehr, Petilia, im Lande der Bruttier.
In Rom waren (539, 215) Sempronius Gracchus und Posthumiuö
Albinus
Heere
im Walde
zu
Consuln von
erwählt.
Litana
gegen
Als
Posthumius
mit
seinem
die Bojer umgekommen
war,
wurde Marcellus anstatt seiner gewählt; weil aber die Augurn die
Wahl
zweier
Plebejer
als
den
Göttern
mißfällig
erklärten,
trat
Der zweite punische Krieg.
215
Marcellus freiwillig zurück und FabinS Cunctator wurde zweiter Consul.
Zu Anführern der Heere wurden, außer den Consuln, Marcellus und
Terentius Varro bestellt.
Sempronius schlug die Campaner; Han-
nibal selbst erlitt eine Niederlage durch Marcellus bei Nola, dem
bald nachher Fabius befahl, sein Heer, bis auf die Besatzung voll
Nola, abzudanken. Inzwischen beruhigte Manlius TorquatuS den durch die Karthager
unter Haödrübal dem Kahlen unterstützten Aufstand der Sarden; in Spanien kämpften die Scipionen mit Erfolg. Der König von Macedonien, Philipp, aufgeregt durch Demetrius von Pharus, schickte
Gesandte nach Campanien in Hannibal's Lager; er schloß ein Büudniß mit den Karthagern, welches, als es in Rom bekannt wurde, im folgenden Jahre einen Ueberfall des Königs Philipp durch Valerius Lävius zur Folge hatte. Erst nach sieben Jahren (547, 207) wurde
dieser erste Krieg wider Macedonien beendet.
Im folgenden Jahre (540, 214), als Fabius und Marcellus Con suln waren, war daS Kriegsglück in Italien den Römern günstiger, als zuvor.
Gracchus schlug die von ihrem Medirtuticus angeführten
Campaner; er schlug Hannibal von Cumä zurück, welchem Orte zu Hülfe zu kommen, Fabius, durch unglückliche Auspicien verhindert wor
den.
Bei Benevent erlitt Hanno
eine große Niederlage. — Nom
verlor in dieser Zeit einen bisherigen treuen Bundesgenossen. Der König Hiero war ein Jahr nach der Schlacht bei Cannä gestorben; sein Enkel, Hieronymus, welcher ihm im fiinfzehntcn Jahre auf den
Thron folgte, neigte sich zu den Karthagern. Als Hieronymus, schon früh in Wollüsten versunken und als Despot in Pracht und Handlungsweise sich zeigend, bereits im zweiten Jahre (540, 214) ermordet war, entschied das Volk von SyracnS, gegen den Willen des Senats, für eine offene Verbindung mit Karthago. Marcellus, den man das Schwert der Römer, wie Fabius den Schild derselben nannte, wurde nach Sicilien geschickt, wo er nach mehr als zweijähriger Belagerung das durch Archimedes Kunst vertheidigte Syrakus einnahin (542, 212.) Unter dem Consulate des
jüngern Fabiuö
und des Sempronius
(514, 213) wurde der Krieg in Italien ohne großen Nachdruck ge führt. Fabius, unter Leitung seines beim Heere gebliebenen Vaters, nahm Arpi in Apulien ein, Sempronius unterwarf mehrere Städte in Lucanien und Bruttium. Dagegen belagerte Hannibal Tarent und nahm diesen wichtigen Ort mit Ausnahme der Burg durch Lift ein.
216
Rom.
Die römische Besatzung zog heimlich nach Brundusium.
Auch Meta-
pont unterwarf sich den Karthagern. Im folgenden Jahre, als Q. Fulvius Flaccus und Appius Clau
dius Pülcher Consuln waren (542, 212), erlitt Hanno bei Benevent eine Niederlage, in Folge welcher die Römer zur Belagerung Capua's
AIS der Proconsul Gracchus aus Lucanicn anrückte, um daS Belagerungsheer zu verstärken, wurde er durch die Berrätherei eines Gastftcundes, der ihn zu einer Zusammenkunft mit den Häup schritten.
tern der Lucanier geleitete, in die Hände numidischer Reiter geliefert, und von diesen nach tapferer Gegenwehr erschlagen. In dem näm lichen Jahre kamen die beiden Scipionen in Spanien um. Um
Capua zu entsetzen, gab Hannibal die Belagerung
der Burg von
Tarent auf, vernichtete ein von M. Centenius Pcnula angeführtes
Heer und schlug den Consnl Fulvius.
Ein hartnäckiger Kampf vor und in den römischen Verschanzungen bei Capua (543, 211), als Cn. FulviuS Centumalus und P. SulpiciuS
Galba
Consuln waren, fiel zu Hannibal's
Nachtheil aus.
Dieser faßte darauf, als er weder Capua zu retten, noch Tarent ein zunehmen vermochte, den Entschluß, die verödeten Gegenden deS Sü
dens zu verlassen und einen Angriff auf Rom selbst zu machen. Ver wüstend und plündernd zog er über Cales und Casinum durch das
Gebiet von Fregellä über den Liris, dann über Anagnia, Laviacnm und Gabst und bis zum Anio, und schlug dreitausend Schritte von
Rom sein Lager auf. Sein Erscheinen erregte anfänglich große Be stürzung in Rom; gleichzeitig mit Hannibal war jedoch der Proconsul Fulvius mit seinem Heere auf der appischeu Straße angelangt; die Ruhe und Entschlossenheit der Römer kehrte zurück, die Beweise der selben, Zeichen deS Himmels und Luftgespenster sollen Hannibal be
wogen haben, den Angriff auf die Stadt aufzugeben; er zog sich plötzlich wieder gegen Capua, schlug hier Appius Belagerungsheer, zog dann aber durch Lucanien nach Brultium. Capua, von Hannibal verlassen, sah sich genöthigt, den Römern die
Thore zu öffnen. FulviuS verfuhr mit großer Grausamkeit gegen die vor nehmsten Einwohner; das Eigenthum dieser fruchtbaren Ebenen wurde eingezogen, Freigelassenen wurde daS Land zur Bebauung überlassen, und die Stadt in Zuknnst durch von Rom dahin geschickte Obrigkeiten
verwaltet. Im folgenden Jahre (549, 210) erhielt Marcellus als Consul mit
217
Der zweite pmische Krieg. M. Valerius
Lävinus die Leiturg
dcö Krieges in Italien.
Nach
Capua'S Eroberung fielen allmählg immer mehr Städte, welche bis her die Karthager begünstigt hatte», den Römern wieder zu. Salapia wurde dem Consul Marcellus überliefert.
Dagegen erlitt der Pro-
consul FulviuS bei HerdoUea, wo vor zwei Jahren der Prätor gleichen
Namens geschlagen war, eine Nederlage, bei welcher er selbst das Leben verlor. Marcellus, durch diesen Unfall nicht gebeugt, lieferte darauf dem Hannibal bei Numißro
in Lucanien eine Schlacht, in
Folge welcher sich die Karthager nach Apulien zurückzogen. Die Consuln des folgenden Jahres (545, 209), Fabius Cunctator
und Q. Fulvins Flaccus, wurden, der Erstere gegen Tarent, der Letztere nach Lucanien und Brmtien geschickt, während Marcellus Hannibal
in Apulien beschäftigte.
Nach
zweitägigem Kampfe
bei
Canusium sah Hannibal sich zum Rückzüge nach Bruttium genöthigt.
Fulvius eroberte ohne Blutvergießen Lucanien, Hirpinien und einen Theil von Bruttium. Fabius nahm Tarent durch Verrätherei ein; um die Art der Eroberung zu verdecken, ließ er die ganze Besatzung nicdcrhauen; die Reichthümer der Seestadt waren unermeßlich ; der öffentliche Schatz gewann siebenundachtzigtausend Pfund Goldes; die
Bilder und Bildsäulen der Götter,
kostbare Meisterwerke der Kunst,
wurden auf Fabius Geheiß nicht berührt, man müsse, sagte er, den
Tarentinern ihre erzürnten Götter lassen; drcißigtausend Sklaven waren unter der Beute; die Bruttier wurden seitdem wegen ihrer den Kar thagern bewiesenen Hinneigung mit einer solchen Verachtung behandelt,
daß man sie nie zum Kriegsdienste nahm, sondern sie zu Dienern der Beamten in den Provinzen bestellte. Ein Versuch, den Hannibal
bald darauf machte, die Römer nach Metapontus zu locken, ward durch die Achtsamkeit, welche Fabius den Aussprüchen der Auguren
widmete, vereitelt. Im Jahre 546 (208), da Marcellus zum sünftenmale und mit ihm T. Quinctius CrispinuS Consul war, geschah cS, daß beide Consuln sich zwischen Bantia und Venusia, nur begleitet von einigen hundert Reitern, in einen Hinterhalt locken ließen, bei welcher Gelegen
heit Marcellus das Leben verlor, Quinctius bald nachher an seinen
Wunden starb.
Die zur See begonnene Belagerung von Locri wurde
von den Römern anfgcgeben, dagegen mißlang der Versuch Hannibal's, sich der Stadt Salapia zu bemächtigen.
Im folgenden Jahre (547, 207) wurde der Consul Claudius Nero
218
Rom.
Wider Hannibal, Livius Salinator wider den aus Spanien anrücken den HaSdrubal geschickt. Hannibal wurde genöthigt, sich aus dem
tarentinischm Gebiete nach Bruttium zu ziehen, er erlitt Niederlagen bei Grummtum und Venusia und wurde genöthigt, sich weiter über
die Gebirge nach Metapoutium zu ziehen, wo Hanno neue TruppenAuöhebungen veranstaltete. Inzwischen hatte Hasdrubal die Alpen überschritten, und war bis Umbrien vorgedrungen. Dahin begab sich Nero, vereinte sich mit Liviuö Heer und nöthigte Hasdrubal in einer sehr nachtheiligen Stel
lung am Metaurus zur Schlacht. Das aus sechstausend Mann be stehende Heer der Karthager wurde völlig vernichtet; Hasdrubal selbst ward erschlagen; Nero kehrte nach wenigen Tagen wieder in sein
Lager am Aufidus zurück. Er ließ HaSdnrbal's Haupt vor dem Lager der gegenüberstehenden Karthager an ein Kreuz heften; Hanuibal, tief erschüttert durch diesen Anblick, brach sein Lager ab und
zog nach Bruttium. Rach dieser Niederlage, welche Zonaras mit der von Cannä ver gleicht, sah Hannibal sich genöthigt, nur Vertheidigungsweise zu Werke zu gehen. Vergeblich hoffte er auf Hülst von Karthago; im folgen den Jahre (548, 206) geschah in Italien Nichts, als daß Lucanien den Römern wieder unterworfen ward. Als der Besieger Spanien's, Scipio nebst P. Licinius Craffus, Consul geworden (549, 205), wurde es Scipio gestattet, einen Zug
nach Afrika zu unternehmen,
gegen welchen zwar der alte Fabius
große Bedenklichkeiten erhoben hatte. Er führte eine bedeutende An zahl Freiwilliger mit sich nach Sicilien, wo er seine Rüstungen betrieb. Hannibal ward in demselben Jahre durch Pest und Hungersnot!) in Unthätigkeit erhalten; er errichtete in der Gegend von Lacinium im Tempel der Juno einen Altar mit einem in punischer und griechischer
Sprache verfaßten Verzeichnisse seiner Thaten.
Im Sommer landete
sein Bmder Mago, von den balkarischen Inseln, in Italien und er oberte Genua. Scipio, welcher in diesem Jahre noch Locri eroberte, ging im folgenden Jahre nach Afrika über (350, 204),
Der Consul M Cornelius Cethegus wurde gegen Mago, P. Sempronius Tuditanus gegen Hannibal geschickt; Letzterer kämpfte mit abwechselndem Glücke; Mago wurde verhindert, zu seinem Bruder zu stoßen, im folgenden Jahre (551, 203) wurde er im Lande der Jnsubrer von Cethegus und Quinctilius Vams geschlagen. Als er auf Befehl
Der zweite punische Krieg.
219
Karthago's zurückkehrte, starb er auf dem Schiffe an feinen erhaltenen Wunden. Auch Hannibal sah sich nunmehr bei den Fortschritten Scipio's in Afrika, genöthigt, Italien zu verlassen. Schon im Jahre 207 (547) hatte der Proconsul M. Valerius
Lävinus eine Landung bei Utica unternommen und auf der Rückkehr Ehe Scipio nach mit einem Theile der Flotte nach
von Sicilien eine karthagische Flotte vernichtet.
Asien abging,
wurde C. Lälius
Afrika geschickt > dies erregte schon große Besorgnisse in Karchago, um so mehr, da sich in Masinissa damals ein neuer furchtbarer Feind er
hoben hatte. Um die nämliche Zeit, da Sophomsbe diesem Fürsten entrissen, war er auch seines Reiches beraubt worden, und mit Mühe den Nachstellungen Hasdrubal's entgangen, der ihn durch Meuchel
mord
aus dem Wege zu räumen gesucht hatte.
Nach dem Tode
seines Vaters Gala und dessen Bruders Oesalces, war des letztem
älterer Sohn Capusa vom Mezetulus entthront und erschlagen, und
dieser führte die Herrschaft int Namen des jungem Sohnes Lacumaceö. Masinissa hatte mit Hülfe des Königs Bocchar von Mauritanien den Usurpator verdrängt und den väterlichen Thron eingenommen. Syphar war seitdem ins Bündniß der Karthager gezogen; er hatte Masinissa in mehreren Schlachten geschlagen, allein dieser zog sich in die Gebirge
zurück und war von hier aus ein verderblicher Feind der Karthager, welche sich zu einem Frieden bequemten, in welchem sie ihm gegen das Versprechen,, Beistand wider die Römer zu leisten, den Besitz seines
Reiches zusicherten. Während jedoch daö Mißtrauen'zwischen Masinissa, Syphar und Karthago fortdanerte, landete Scipio auf vierhundert Lastschiffen mit
fünfunddreißigtausend Mann beim schönen Vorgebirge in Afrika. Bei ihm befanden sich sein Freund Lälius und als Quästor M. Porcius Cato, der später einen so bedeutenden Einfluß auf das Schicksal Kar thago's hatte. Im Einverständnisse mit Scipio verleitete Masinissa den Hasdrubal Gisgo, seine Reiterei nach Utika zu senden; sie wurde beim Thurme des Agathokles von einem römischen Hinterhalte und
Masinissa'S Numidiern gänzlich aufgerieben, ititb Hanno, Haödrubal's Bruder, gerieth in Gefangenschaft. Masinissa. trat nun offenbar auf Seiten der Römer; gemeinschaftlich wurde das punische Gebiet ge plündert, die wichtige Stadt Locha eingenommen, vergeblich aber Utika belagert. Während des Winters sammelte Hasdrubal Gisgo ein neues Heer,
220
Rom.
und Syphar führte ihm sechszigtausend Mann zu, unternahm jedoch
nichts Entscheidendes, während Scipio den Winter in einer sehr un günstigen Stellung an einem Vorgebirge, welches nachher den Namen Castra Cornelia erhielt, zuzubringen genöthigt war. Syphar ließ sich in Unterhandlungen mit Scipio und Masinissa ein; während derselben
suchte er Letzteren durch Meuchelmord aus dem Wege zu räumen. Scipio erhielt, ungeachtet der Ränke des neidischen Fabius
(der
gerade, als Hannibal Italien verließ, starb), die erwünschte Zufuhr
auS Rom.
Im Frühjahr 551 (203) kam Scipio einem beabsichtigten
gefahrvollen Angriffe zuvor; er überfiel das Lager des Hasdrubal und brachte diesem, während Masinissa gegen Syphar kämpfte, eine völlige
Niederlage bei.
Hasdrubal wurde in Karthago zum Tode verurtheilt,
die Gunst seiner Soldaten entzog ihn jedoch seinem Schicksal; -obgleich geächtet, fuhr er fort, seinem Vaterlande mit seiner Freischaar zu
dienen. — Lälius und Masinissa drangen darauf nach Numidien vor; Syphar wurde nach einer Schlacht, bei welcher er einen wüthenden Zweikampf
mit Masinissa kämpfte, auf der Flucht gefangen genommen; der An blick deS gefesselten Fürsten bewog die Hauptstadt Cirta, sich zu über geben; hier fand Masinissa die ihm einst verlobte Sophonisbe, mit welcher er nun, anfangs in Zorn entbrannt, alsbald aber durch die
Macht ihrer Reize entwaffnet, noch an demselben Tage sich vermählte. Mit seiner Beute kehrte Masinissa in Scipio's Lager zurück; hier opferte er seine Sophonisbe den Vorstellungen und dem durch Syphar
Entschuldigungsgriinde
angefachten Mißtrauen Scipios.
Sie nahm
den Giftbecher; Syphar ward nach Italien geführt und starb bald vor Gram zu Tibur. Nach diesen Vorfällen beschlossen die Karthager, Hannibal aus Inzwischen waren Unterhandlungen mit Scipio ein Waffenstillstand ward abgeschlossen, und Gesandte
Italien zurückzunlfen. eingeleitet,
waren zur Abschließung des Friedens nach Rom abgegangen.
Noch
waren diese nicht zurückgekehrt, als im Spätsommer 551 (203) Han
nibal in Afrika erschien. Die italischen Völker, welche sich geweigert hatten, ihn zu begleiten, ließ er im Tempel der Juno Lacinia nieder
machen. Von Entführung einer goldenen Säule aus diesem Tempel hielt ihn die drohende Erscheinung dieser Göttin zurück. Kein Ver bannter ging, wie Livius sagt,
mit so
trüben Empfindungen ins
Elend, als die Gefühle waren, mit denen Hannibal ins Vaterland
221
Der zweite punische Krieg.
zurückkehrte, nachdem er, wie er klagend geäußert haben soll, in sechözehn
Jahren vor Casilinum, Eumä und Nola ergreifet war.
Er
landete bei Leptis und begab sich bald darauf nach Adrumetum, um
fern vom Feinde neue Streitkräfte, besonders Reiterei zu sammeln. Einen Theil fiihrte Vermina, Syphar Sohn, ihm zu; viertausend Reiter, die von Masinissa zu ihm übergegangen waren, ließ er nieder machen und vertheilte die Pferde unter sein Heer.
Ein neuer Muth
beseelte Karthago; des begnadigten Hasdrnbal Freischaar stellte sich unter Hannibal; Masinissa, von Rom anerkannter König Massylien's,
verlor einen nicht unbedeutenden Theil seines Landes im Kampfe gegen Verminn und Hannibal. Nachdem seit Hannibal'S Rückkehr ein Jahr vergangen, jede Unterhandlung auch sofort abgebrochen war, sah Scipio, theils durch den sich täglich verstärkenden Feind bedrängt, theils durch die Furcht, der Consul Nero würde den Befehl in Afrika
mit ihm theilen, sich bewogen, eine Hauptschlacht anzubieten. Beide Heere näherten sich einander und trafen sich in der Gegend von Zama; Scipio siegte hier in einem Reitergefechte, und Hannibal erlitt noch manche andere Verluste, welche ihn veranlaßten, Unterhandlungen cinzulelten. Auf einer Anhöhe in der Mitte der beiden Lager fand eine Unterredung zwischen Scipio und Hannibal statt, in welcher den Römern Spanien und die Inseln dcS Mittelmceres angcboten wurden. Scipio aber verwarf diese Bedingungen, welche nichts anders ein räumten, als was Rom schon besäße. Am nächsten Morgen (den 19. October 202 ward Hannibal wider seinen Willen in eine Schlacht verwickelt, welche das Schicksal beider Staaten entschied.
Hannibal entkam nach Thon, von dort nach Adrumetum, wo er ein kleines Heer sammelte, mit welchem er in Karthago erschien und erklärte, wie nur im Frieden noch Rettung zu suchen sei. Der Friede,
zu welchem Scipio sich geneigt erklärte, enthielt nachstehende Bedin gungen : Die Römer sollten Spanien und die Inseln des Mittel meeres behalten, die Karthager dagegen die vor dem Kriege besessenen
Städte und Provinzen in Afrika. Die Karthager sollten alle Gefan genen und Ueberläufer, alle Kriegsschiffe, biö auf zehn Ruderschiffe, auch alle Elephanten ausliefern, auch keine mehr zähmen.
Karthago
sollte ohne Rom'ö Genehmigung keinen Krieg führen; eS sollte dem
Masinissa alles Land zurückgebeu und mit ihm ein Bündniß abge schlossen werden. Dann sollten die Karthager binnen fünfzig Jahren
222
Rom.
zehntausend Talente zahlen, und daS römische Heer bis die Gesandte«
auS Rom zurückgekehrt wären, verpflegen und besolden. Hannibal drang ernstlich aus Annahme dieser Bedingungen; in Rom fanden sie, besonders weil der Consul Lentulus auf Zerstörung Karthago's bestand, Schwierigkeiten; erst im folgenden Jahre (553, 201) wurden ScipioS Bestimmungen anerkannt. Che der Sieger Afrika verließ., verbrannte er fünfhundert der ausgelieferten Schiffe im
Angesichte und zur tiefen Betrübniß Karthago's.
Der dem Scipio be
willigte Triumph war der prächtigste, den Rom je gesehen, die Bente unermeßlich.
Ehrensäulm und immerwährmde Dictatur schlug er aus
und begnügte sich mit dem glorreichen Beinamen des Afrikaners.
11. Die Gracchen. Gewissermaßen aus der Asche von Numantia ist für Rom eine Reihe von Umwälzungen hervvrgegangen,
welche erst nach einem Jahrhundert mit Errichtung einer militärifchm Weltmonarchie endeten. Reicher Stoff zur Unzufriedenheit war dmch das römische Reich
verbreitet.
In den Bundesstaaten drückten die Gewaltthätigkeiten der
senawrischen Familien. Die freie Bevölkerung schwand immer mehr; Sklaven wurden als Tagelöhner gebraucht; Tage lang konnte ein Wanderer reisen, ehe er einen freien Mann auf den Feldern erblickte. Der Grundbesitz häufte sich in den Händen weniger Reichen; daher
große Armuth, viel Pöbel in der Hauptstadt, eigmthumlose Bürger, steigende Sittmlosigkeit. Das Licinische Ackergesetz war vielfach von
den Optimalen umgangen.
Mehrere derselben, die verständig und
nachdenkend waren, sahen es auch ein, wie Rom's Macht vorzüglich
von freien Landbauern Jtalien'ö abhange. Zu diesen gehörte Appius Claudius, der Schwiegervater des Tiberius Gracchus, MucnB Scävola, der große Rechtsgelehrte und Licinius Crassus, der Oberpriester. Tiberius Sempronius Gracchus, ein angesehener Plebejer, zweimal Consul, großer Feldherr, hatte von Cornelia, Tochter deS älteren Afrikanus, zwei Söhne, Tiberius und Cajuö, hinterlassen. Eine Tochter, Sempronia, war dem jünger» Afrikanus vermählt. Tiberius, neun Jahre älter, als sein Bruder, galt für den vollkommensten Jüngling Rom's. Schön von Gestalt, einnehmend im Wesen, griechisch gebildet, hatte Tiberius unter seinem Schwager Scipio schon in frühen
223
Die Gracchen.
Jahren Kriegsruhm erworben;
mit dreißig Jahren galt er für ein
Muster als Redner. Angefeuert ward seine Thatkraft noch durch die Reden der Mutter, die sich beklagte, daß man sie wohl als Schwieger mutter des Scipio, noch nicht aber als Mutter der Gracchen rühme. Bei seinem ersten Auftreten begünstigte Tiberius die Aristokraten. Als er aber mit dem Consul Mancinus, welchen er als Quästor be gleitet hatte, wegen des Vertrages mit Numantia zur Auslieferung verurtheilt ward, erfaßte ihn eine Erbitterung, welche ihn zum bestän
digen Feinde des Senats umschuf.
Hundert Jahre vor Tiberius
(521, 233) hatte der Tribun C. Flaminms bereits gegen de« Willen
des Senats und der Mobilität darauf angetragen, daß armen Ple bejern das Land der besiegten senonischen Gallier vertheilt werde. Sein Antrag ging damals nur auf noch nicht in Besitz genommenes Land; TiberiuS ging weiter; im Einverßändniffe mit Appius Clau dius, Scävola und Crassus, verlangte er theilweise Erneuung des
Licinischen Gesetzes, jedoch in gemäßigterer. Art, als dieses abgefaßt war. Kein Römer sollte vom Gemeinlande mehr als fünfhundert Jucherte Weide für hundert Rinder und fünfhundert Schafe besitzen; cmancipirten Haussohne sollte die Hälfte zugestanden werden. Wer mehr besaß, sollte zur Herausgabe verpflichtet sein, jedoch die
dem
Gebäude und Verbesserungen ersetzt erhalten.
Das sodann zur Ver
fügung bleibende Land sollte von jährlich zu ernennenden Triumvirn
untersucht, vermessen und an arme Bürger vertheilt werden.
Tiberius unterstützte seine Anträge mit feuriger Beredsamkeit. „Wilde Thiere," so heißt es in erhaltenen Bruchstücken dieser Reden, „haben ihre Höhlen, Rom's Bürger nicht ein Dach gegen Unwetter, nicht einmal
die Scholle Erde zu einem Grabe." Solche Anträge und solche Sprache mißfielen den Reichen. Sie widersetzten sich dem kühnen Tribun; sie sollen ihm nachgestellt haben, allein immer, wenn er auf der Bühne gekämpft hatte, begleitete ihn ein Anhang von mehreren tausend Menschen. Bei den Verhandlungen legte selbst einer seiner Amtsgehülfen, M. Octavius Cäcina, Einspruch gegen Tiberius Gesetzvorschlag ein.
Octavius war früher TiberiuS
genauer Freund; er fand sich aber schon durch den Antrag verletzt weil er selbst einer der reichsten Männer Rom's war. Vergeblich
suchte TiberiuS ihn umzustimmen, und sich den Freund zu erhalten.
Es kam zu einem tumultuarischen Auftritte; daS würdige Benehmen der Senatoren ManliuS und Fulvius verhinderte diesmal noch Blut-
224
Rom.
Bei einer neuen Versammlung machte Tiberius den Vor
vergießen.
schlag, das Volk solle die Entscheidung fällen, ob er oder Octavius unfähig oder unwürdig fei, das Tribunal zu verwalten.
Darin lag
eine große Ungerechtigkeit, ein Angriff auf die Verfassung Nichtachtung der Unverletzbarkeit der Volksvertreter.
und
eine
Das Volk stimmte
Als von den fünfunddreißig Tribus schon sieben
über den Vorschlag.
zehn gegen Octavius sich
hatten,
erklärt
und
die Entscheivung
der
achtzehnten Stimme erwartet wurde, beschwor TiberiuS den OctaviuS
Dieser schwankte, gab aber den
nochmals sein Veto zurückzunehinen. noch sein Vorhaben nicht auf.
kündet ;
sie
sprach Octavius
Da ward die achtzehnte Stimme ver der Pöbel
Urtheil;
riß
ihn von der
Bühne; seine Freunde verhalfen ihm zur Flucht. Das Licinische Gesetz ward jetzt in aller Strenge erneut, keine Aus nahme für die Söhne, keine Vergütung mehr.
Zur Vollziehung des
Gesetzes wurden Appins Claudius, Tiberius Gracchus und der junge CajuS Gracchus, welcher damals von Rumantia in Scipio'S Heere diente, ernannt.
Während des Sommers dnrchreiseten die Triumvirn
Italien zur Untersuchung der Ländereien.
Bald fanden sie, daß das Da fiel Tibe
Grundeigenthum nicht genüge, allen Armen zu Helsen.
riuS auf den Gedanken, eine neue anderweitige, so eben sich eröffnende
Quelle zu benutzen.
Dem Könige EumeneS von Pergaimis, welcher den Römern in den makedonischen und syrischen Kriegen sich so ergeben bezeigt hatte, war dessen Bruder Attalus gefolgt.
Er
hatte
von
Bniderliebe den Beinamen Philadelphus erhalten.
auf rühmliche
Weise
für
Kunst und
den Beweisen
treuer
Diese Könige sorgten
Wissenschaft.
In
Pergamum
befanden sich die herrlichsten Sammlungen von Kunstwerken, die theils dort verfertigt, theils dort aufgehäuft waren; EumeneS hatte die Per gamentfabriken befördert,
um den ägyptischen Papyrus entbehren zu
können; Attalische Teppiche, Attalische Stickereien und Attalische Reich thümer waren sprichwörtlich geworden in Rom. delphuS
folgte
EumeneS
Sohn,
Aus Attalus Phila-
Attalus-Philometor,
vom Oheim
sorgsam erzogen, ganz entartet jedoch von seinem nächsten Vorgänger
aus dem Throne
(138—133).
Er
herrschte fünf Jahre nach Art
eineS Wahnsinnigen und hinterließ bei seinem frühzeitigen Tode eine letzte Willenserklärung, in welcher er dem römischen Volke alle seine Güter vermachte.
In Folge dieser Bestimmung bemächtigte der römische
Staat sich deS ganzen Königreichs, und es wurde daraus unter dem
225
Die Gracchen. Namen des
„eigentlichen
Asiens"
eine
römische Provinz
gemacht.
Ein Bastard des Königs Eumenes, Aristonikuö, suchte sich zwar als
König in Pergamus zu erhalten, er schlug ein römisches Heer, dessen
Anführer, Licinius Crassus, selbst in der Schlacht das Leben verlor;
nach
drei Jahren
130)
(624,
aber
Consul M. Perperna geschlagen,
ward er
bei Stratonica vom
gefangen genommen, im Triuinphe
aufgeführt, und dann im Gefängnisse erwürgt.
Im folgenden Jahre
erst beendete M. Aquilius durch Vergiftung der Brunnen den Krieg völlig; er richtete die neue Provinz ein, und übte hier einen Druck,
welcher
ihm den berühmten Prozeß
zuzog,
in
welchem der Redner
Antonius dem Volke die Narben des Angeklagten zeigte und so ihn erhielt Mithridat von
Als Belohnung für geleistete Dienste
rettete.
Pontus Phrygien.
„Mit dem Reichthume von Pergamus," sagt ein Schriftsteller der
Alten, und Viele stimmen ihm bei, „kamen Schwelgerei, weibisches Wesen, Ueppigkeit und alle Arten von Laster nach Rom und über
schwemmten die Hauptstadt der Welt.
Bescheidener Sinn und Ein
falt der Sitten wurden in einer Stadt, die den Wollüsten und Ver
Asien'ö
gnügungen
ergeben hatte,
sich
nicht mehr
gefördert.
Bürger, durch den Anblick des kostbaren Hauörathes, ihnen
zeigte,
schämen. in
geblendet,
fingen
an,
sich
ihrer
welches
Die
man
alten Einfachheit
zu
Sie suchten nun ihren Stolz darin, dasjenige zu schätzen,
dessen Verachtung ihre Vorfahren eine Ehre gesetzt hatten.
Sic
suchten es an Kostbarkeit der Tracht, an ihrem Hausgeräthe und den
So rächte sich Asien
Kosten ihrer Mahlzeiten einander zuvorzuthun. wegen seiner Unterjochung,
es brachte unsere Stadt unter ein weit
ärgeres Joch, in die Knechtschaft eines weibischen Wesens." Zunächst hatte die Erbschaft von Pergamus Einfluß auf die innern Unruhen,
welche in jener Zeit Rom
bewegten.
Der Gesandte von
Pergamus, welcher den letzten Willen des Königs Attalus überbrachte, hatte die
Urkunde
nebst Krone und
Tiberius Gracchus überliefert.
Purpurgewand
dem Tribunen
Von diesem ward der Gesetzvorschlag
gemacht, die Schätze des Königs unter diejenigen Bürger zu vertheilen, die Ländereien erhielten, damit sie die Einrichtung des nöthigen Ackergerätheö bestreiten könnten.
und Anschaffung
Ueber die Städte aber,
welche zu Attalus Reiche gehörten, solle nicht der Senat, sondern das
Volk Verfügungen
treffen.
Dieser Antrag
erbitterte den Senat im
höchsten Grade und erregte dem Tiberius die ärgsten Anfeindungen. Histor. Liftbuch.
I.
!•>
226
Nom.
Man beschuldigte ihn, der Pergamenier Eudemus habe ihm Diadem
und Purpurmantel überbracht, und er bewahre diese Zeichen aus, um sich ehestens zum Könige zu machen.
Titus Amicus, ein durch seine
Ränke und Verschlagenheit bekannter Mann, warf dem Tribun in der Volksversammlung
vor,
daß
er seinen unverletzlichen
Amtsgehülfen
entehrt habe, und nöthigte ihn, sich in einer Rede vor dem Volke zu
vertheidigen, in
welcher
er geltend
zu
machen
suchte,
ein Tribun,
welcher ungerecht gegen die Macht handle, aus der die seinige ent springe, verwirke dadurch das Recht auf Unverletzbarkeit.
Der heftigste und gefährlichste Gegner des Tiberius war der Ober
Er war der Enkel jenes Mannes, welchen
priester Scipio Nasica.
der Senat bei Herbeiholung der großen Mutter, für den besten Mann
im Staate erklärt hatte,
der Oheim des
Geschwisterkind mit den Gracchen.
Publius
Africanus
und
Er war geistreich, gewandt in der
Rede, stets zur Antwort bereit, üppig im Leben, reich an Staatsgut,
furchtlos, unversöhnlich, herrschsüchtig, ganz Aristocrat und allen Neue
rungen, daher auch den Bestrebungen der Gracchen entschieden feind lich.
Die Absetzung des Octavius erbitterte ihn mit Recht
Eingriff in die Verfassung des Staats.
als ein
Tiberius ward als ein Ehr
süchtiger geschildert, welcher die väterliche Verfassung über den Haufen
werfen und das Volk, wie die Bundesgenossen, aufzuwiegeln trachte.
Ihm dagegen gelang es, den Haß des Volkes gegen den Reichen zu steigern, und dadurch seinen Anhang sich zu bewahren.
Als das Jahr
seiner Amtsfiihrung zu Ende ging, trug Tiberius darauf an, ihm das
Tribunat zu verlängern, streitendes Verlangen.
ein durchaus gegen Gesetz und Herkommen
Als der Wahltag erschien, waren so viele an
gesehene Bürger der Erndte wegen
von
der Stadt
abwesend,
daß
Tiberius sich genöthigt sah, zu dem eigentlichen Pöbel seine Zuflucht zu nehmen.
Als es zum Stimmen kam,
entstand Uneinigkeit unter
den Tribunen selbst; die Volksversammlung ging für diesen Tag aus einander.
Als am Tage darauf die Verhandlungen auf dem Capitol
fortgesetzt werden sollten, empfing das Volk Tiberius mit Freudenruf. Kaum aber begann man die TribuS zum Stimmen aufzurufen, als
FulviuS Flaccus, ein Senator und Freund des Gracchus, herbeieilte, und diesem anzeigte, wie der Senat zwar den Consul Mucius Scävola nicht für sich habe gewinnen können,
habe, ihn,
dennoch aber beschlossen
den Tiberius, zu tödten, auch deshalb schon Anhänger
und Sclaven bewaffnet.habe.
Tiberius theilte diese Nachricht seinen
227
Die Gracchen.
Freunden mit, sie zerbrachen die Spieße der Gerichtsdiener, und be
waffneten sich
Um
mit denselben.
entfernter stehenden Bürgern die
Gefahr anzudeuten, welche ihm drohe, zeigte Tiberius mit der Hand
nach dem Haupte; in der Curie ward gemeldet, er habe damit an
deuten wollen, daß man ihm das Diadem reiche.
Im Senate ent
stand große Bestürzung; Scipio Nasica forderte nochmals den Consul
Mucius Scävola auf, den Staat zu retten und von dem Tyrannen zu befteien, und als der Consul sich weigerte, etwas Gesetzwidriges zu beschließen, rief er aus, ihm zu folgen und die Gesetze zu verthei digen.
Mit Erstaunen sah das Volk den Oberpriester an der Spitz«
des Senats herbeieilen;
man wich scheu zurück;
die Senatoren er
griffen nebst ihrem Anhänge die Stücke der zerbrochenen Sitze und andern Geräthschaften,
und
schlugen
auf das Volk.
damit
Dieses
ergriff eilig die Flucht, auch Tiberius suchte zu entrinnen; beim Ein gänge des Tempels, an den Bildsäulen der Könige stürzte er nieder; hier ward er im Gedränge erschlagen.
seiner
Anhänger um, das
erste
Mit ihm kamen dreihundert
Bürgerblut,
im römischen
welches
Staate vergossen ward, und diesmal zwar noch, ohne daß man sich ordentlicher
ward
durch
Waffen im Kampfe die
Gassen
bedient hatte.
geschleift und
in
Tiberius
Leichnam
die Tiber gestürzt.
Der
Aedil Lucretius that dies eigenhändig; er erhielt davon den Beinamen
Vespillo (Todtengräber), welcher seinen Nachkommen verblieb.
Tiberius
Anhänger wurden grausam verfolgt; der Senat befahl, sie nach Sitte der Vorfahren zu
bestrafen.
Mehrere
suchung des Landes verwiesen,
wurden ohne
weitere
Andere als Missethäter
Unter
hingerichtet;
unter diesen der Redner und Lehrer des Tiberius, Diophanes.
Der
Philosoph Blossius entging der Hinrichtung, obgleich er auf Befragen erklärte, er habe Tiberius so hoch geschätzt, daß er auf dessen Befehl
ohne Bedenken Alles gethan haben würde. Nachdem jedoch der erste Schrecken dieser Maßregeln feine Wirkung verloren hatte, äußerte sich der heftigste Unwille und Haß deS Volks
gegen die Optimaten, besonders gegen den Oberpriester. Scipio Nasica. Wo er sich öffentlich sehen ließ, entstand wildes Geschrei, man schalt
ihn einen Tyrannen und Bösewicht und warf ihm Mord und Gott
losigkeit vor.
Der Senat beschloß, um ihn solchen Beleidigungen und
drohenden Nachstellungen zu entziehen, den Nasica in Staatsgeschäften nach Asien zu senden, obgleich seine priesterliche Würde eigentlich die
Abwesenheit von Rom nicht gestattete.
Er verließ in Eile Italien, 15*
228
Rom.
führte ein unstätcs Leben und starb zu Pergamum.
Sodann fand der
Senat eö auch rathsam, der Ackervertheilung keine weitern Hindernisse in den Weg zu legen, wenigstens wurde an die Stelle des TiberiuS
ein neuer Bevollmächtigter in der Person des Publ. Licinius Crassus erwählt.
Er war ein Schwiegervater des Cajuö Sempronius Gracchus,
welcher seit dem Tode seines Bruders in den ersten drei Jahren ein
zurückgezogenes Leben führte, und erst (623, 131) Antheil an öffent lichen Verhandlungen nahm, als Casus Papirius Carbo Volkstribun
ward.
Carbo war ein ausgezeichneter Redner und Feind der Opti
malen.
Unter mehreren Gesetzvorschlägen machte er auch den, daß es
dem Volke gestattet sein solle, einen Tribun wieder zu wählen.
Der
Vorschlag ward von der Mehrzahl der Tribus verworfen; besonders
hatte dagegen Scipio, der Eroberer Karthago's, geredet, der auch bei mehreren Gelegenheiten seinen Tadel über Tiberius Beginnen ausge
sprochen hatte.
Als Carbo
in der Volksversammlung den Tod des
Tiberius beklagte und Scipio einst öffentlich
befragte,
was
er von
dessen Ermordung dächte, antwortete dieser: wenn Tiberius die Absicht
gehabt habe, den Senat zu unterwerfen, so sei er mit Recht gelobtet. Und als nun das Volk ein lautes Geschrei des Unwillens erhob, rief
Scipio aus: „Nie hat mich das Geschrei bewaffneter Feinde erschreckt,
wie könntet Ihr mich durch das Eure bewegen, Ihr, denen ja Italien nur Stiefmutter ist,"
eine Anspielung
unter den Bürgern Rom's.
auf die vielen Freigelassenen
Scipio verlor alle Gunst des Volks, so
ost er öffentlich reden wollte, ward er durch tobendes Geschrei unter
brochen.
Im Jahre 624 (130) erhielten die Volkstribunen durch das Ati-
nische Gesetz das Recht des Sitzes im Senate, da sie bisher nur vor den Thüren den Verhandlungen zuhören dursten.
Im Jahre vorher
waren zwei Plebejer, Q. Cäcilius Metellus Macedonicus und Q. PompejuS, ganz gegen stets beobachteten Gebrauch, zu Censoren erwählt
worden.
nisse
MetelluS hatte den Atinius Labeo aus dem neuen Verzeich
der Senatoren gestrichen,
Tribun erwählt worden war.
weil er für das
nächste Jahr zum
Der erzürnte Tribun betrieb nunmehr
die Durchführung jenes Gesetzes; er ließ sogar den Metellus auf dem
Forum ergreifen und befahl, ihn von» tarpejischen Felsen zu stürzen.
Die Angehörigen entzogen ihn seinem Schicksale, indem sie einen an dern Tribun zum Einspruch veranlaßten; der Eroberer Macedonien's
entkam, fast zum Tode mißhandelt.
229
Die Gracchen.
Im folgenden Jahre (625, 129) waren Cajus Gracchus, Marcus
Fulvius Flaccus und Carbo die Bevollmächtigten zur Ackervertheilung. Der Eifer, welchen sie bewiesen, gab zu vielen Beschwerden der Reichen Anlasi, denn gewöhnlich wurde bei Streitigkeiten zum Nachtheile der
Besitzer von Staatsländereien entschieden.
Manche Landeigenthümer,
unter diesen auch viele italische Bundesgenossen, behaupteten, dass sie
oder
ihre
Vorfahren
solche Aecker käuflich
erstanden
hätten.
Die
Bundesgenossen wendeten sich mit ihren Beschwerden an Scipio; dieser nahm sich ihrer an und brachte es dahin, daß die Entscheidung der
Grenzstreitigkeiten dem Consul C. Sempronius übertragen wurde.
Da
durch wurde die Erbitterung des Volks gegen Scipio gesteigert; man verbreitete das Gerücht, er solle zum Dictator ernannt werden.
Sein
Schwager, Cajus Gracchus, nannte ihn einen Tyrannen, und Ful vius stieß öffentlich noch härtere Schmähungen gegen ihn aus: „Die
Feinde des Vaterlandes,"
entgegnete solchen Angriffen der Besieger
von Karthago und Numantia, „haben wohl Grund, meinen Tod zu
wünschen, denn sie wissen, daß Rom nicht untergehen kann, so lange Scipio lebt."
Eines Tages hatte er in der Volksversammlung einen
heftigen Wortstreit mit Fulvius gehabt und erklärt, er würde am fol
genden Tage die Sache wieder auffasscn.
Am Morgen dieses Tages
fand man ihn todt in seinem Bette, ohne Wunden, aber mit Spuren von Erdrosselung und angethaner Gewalt. Carbo sei Mitwisser seiner Ermordung;
Cicero glaubt, der Tribun Florus
und Orosius geben
seiner Gemahlin Sempronia, Schwester beider Gracchen, die Schuld;
Appian
wälzt auch noch den Verdacht auf deren Mutter Cornelia,
Tochter des ältern Africanus.
Daß Scipio nicht glücklich mit der
Sempronia lebte, daß Mangel körperlicher Anmuth und Kinderlosigkeit der
Grund
gewesen,
wissen wir aus Appian.
Dieser Schriftsteller
führt auch die Meinung Einiger an, Scipio habe sich selbst den Tod gegeben, weil es ihm unmöglich gewesen, seinen Clienten das Ver
sprochene zu leisten.
Scipio's Sklaven sollen auf der Folter ausgesagt
haben, Fremde, welche sich in jener Nacht in seinem Hause versteckt hätten, wären seine Mörder gewesen. undfünfzigste» Lebensjahre (625, 129).
Sein Tod erfolgte im sechs Allgemeine Trauer schien bei
der Todesnachricht sich Rom's zu bemeistern; war so groß, daß man die Untersuchung
allein die Parteiwuth
niederschlug, aus Furcht,
Gracchus schuldig zu finden; eine entehrende Handlungsweise, welche
230
Rom.
den Metelluö Macedonicus, der im Leben Scipio's Gegner gewesen,
zu einer sehr entrüsteten Rede vor dem Volke entflammte.
Das nächstfolgende Jahr verging ohne Ereignisse von Wichtigkeit. Cajus Gracchus soll, durch daö Schicksal seines Bruders zurückge schreckt, den Vorsatz gefaßt haben, auf alle Staatsämter zu verzichten.
Da soll der ermordete Tiberius ihm im Traume erschienen sein, und
Worte aus dem Grabe ihn zur Thätigkeit ausgefordert haben. Cajus
zuerst
eine
öffentliche
Vertheidigungsrede
hielt,
Als
versetzte
der
Guß seiner Beredsamkeit das Volk in einen Taumel der Freude und Und die Optimalen, welche schon ein mögliches Tri
Begeisterung.
bunal des angehenden Lieblings des Volks befürchteten, sahen es gern, als Gracchus als Quästor nach dem im Aufstande befindlichen Sar
dinien abging.
Hier gab er Beweise jeder Tugend,
der Tapferkeit,
der Gerechtigkeit und Billigkeit, der Sittsamkeit, Mäßigkeit und Ord Gracchus blieb in den Jahren 628 u. 629 (126 u. 125)
nungsliebe.
in Sardinien;
im Jahre 630 (124)
aber
verließ
er
eigenmächtig
seinen Posten und kam in Rom an, zur Bestürzung der Optimalen,
zum Erstaunen deS Volks.
Er war wegen dieses Schrittes angeklagt,
wußte sich aber auf eine Weise zu vertheidigen, daß es fast schien, er habe Unrecht erlitten, und daß man ihn fteisprach.
Cicero
schildert die Beredsamkeit
Worten, weise in Gedanken,
habe jedoch
die letzte Feile gefehlt;
aber unvollkommen durchgeführt.
Verlust für Rom's Gracchus
des
Gracchus
erhaben in
der Rede.
Es
Manches sei trefflich begonnen,
Sein früher Tod sei ein unersetzlicher
Wissenschaften gewesen.
das Andenken
als
würdevoll im Gange
an seinen Bruder
In ein;
alle Rede
mischte
der Wille,
dessen
Tod zu rächen, beseelte ihn in allen Schritten, die er unternahm; er
achtete nicht der Cornelia Warnungen, welche ihn beschwor, der ge rechten Rache nicht das Wohl des Staates unterzuordnen. Damals hatte Fulvius Flaccuö als Consul die volflischen Fregel-
laner durch Versprechungen, ihnen das Bürgerrecht zn verschaffen, zu einem Aufruhre veranlaßt.
Der Prätor Opimius hatte den Aufstand
mit großer Strenge unterdrückt; Gracchus war beschuldigt, Theil ge
nommen
zu
haben
Bundesgenossen. (631, 123).
an
der Aufregung
der Fregellaner und anderer
Dies hinderte jedoch nicht seine Wahl zum Tribun Sein erster Vorschlag war gegen Marcus Octavius,
den Feind seines Bruders, gerichtet.
Ein vom Volke einmal abgesetzter
231
Die Gracchen.
Beamter falle dein Staate nie wieder dienen, Popilius, welcher die
Anhänger
des
Tiberins
verfolgt
hatte,
mußte
in
Verbannung
die
Das Ackergesetz ward nun bestätigt, dem Volke wurden große
gehen.
Vertheilungcn an Getreide, auf Kosten des öffentlichen Schatzes, be willigt.
Erbauung und Unterhaltung von Landstraßen ward für ganz
Den Soldaten wurde Kleidung neben dem Solde
Italien angeordnet. bewilligt.
Das porcische Gesetz ward von ihm dahin erweitert, daß
Niemand ohne besondern Auftrag des römischen Volks etwas gegen einen römischen Bürger unternehmen dürfe.
die Volksversammlungen mehr democratisch
Ein
wichtiger Versuch,
lag
zu machen,
in dem
Vorschläge, die Centurien nicht mehr nach Ordnung der Classen, son
dern nach dem Loose zur Stimmgebung aufzurufen.
Gracchus richtete
bei seinen Reden nicht mehr seine Stimme gegen den Senat, sondern gegen den Marktplatz, um zu zeigen, daß die Gewalt beim Volke sei.
Durch
solche Maßregeln
ward Gracchus
der Abgott deS Volks.
Im Jahre 632 (122) erlangte er nicht allein die Wahl seines Freundes
Fannius zum Consul, wie auch Tribun.
an.
seine eigene Wiedererwählung zum
Fannius aber schloß sich bald den Gegnern des Gracchus
Dieser suchte
nunmehr
den Senat zu unternehmen.
noch
mehr entscheidende Schritte gegen
Unter Berufung auf die häufigen unge
rechten Urtheile des Senats veranlaßte er das Gesetz, dem
zufolge
eine große Veränderung in Besetzung der Richterstellen geschah. Gerichte der Römer
bestanden nicht aus
Die
lebenslänglichen Richtern.
Die Prätoren, welche den Vorsitz führten, wurden jährlich neu er
wählt.
Bei ihnen allein war Rechtskenntniß erforderlich; die Richter
brauchten nur über die Thatsachen zu entscheiden.
wohl
in bürgerlichen Streitigkeiten,
Senatoren genommen werden.
Zu Richtem, so
wie in Criminalsachen,
mußten
Eine Ausnahme davon machten nur
die Centumviralgerichte und die recuperatorischen Gerichte.
Besonders
nachtheilig hatte sich die Wirksamkeit der Senatoren als Richter bei Anklagen gezeigt, und häufig hatte eö sich in sehr empörenden Bei
spielen ergeben, wie sie namentlich Standesgenossen bei offenkundigen
Erpressungen
freigesprochcn hatten.
Schon Tiberius
Gracchus
Schritte gethan haben, dem Senat die Gerichte zu entziehen.
soll
Cajus
Gracchus scheint zuerst den Vorschlag gemacht zu haben, daß die Ge richte zwischen Senatoren und Rittern getheilt würden.
Diesem Vor
schläge widersetzte sich der Senat, man wollte eher Alles aufs Spiel
setzen, als hier nachgeben, und so kam ein Gesetz zu Stande, welches
232
Dient.
dem Senate
als solchem die Richterstellen entzog,
und
diese solchen
übertrug, welche den Rittercensus, den Census der ersten Classe hatten.
Durch diese Anordnung bildete sich ein neuer Ritterstand im Staate mit einer Bedeutung, die das Ritterwesen früher nicht hatte.
Dem Senat stand stete Willkür in Betreff der Besetzung der consularischen Provinzen zu.
Gracchus
verordnete,
daß der Rath vor
Wahl der jedesmaligen Consuln verfügen solle, welche Provinzen den abgehenden
Consuln
sollten.
zufallen
Auch
Asiaten
ihre Zölle selbst
pachten,
zu
Abgaben der
über die
So gestattete er den
Provinzen traf Gracchus gewisse Einrichtungen.
ohne römische Generalpächter.
Den Generalpächtern erleichterte es die Pacht durch Erlaß bei nach gewiesenen Verlusten.
Mit dem Vorschläge, die italischen Bundesgenossen in die Listen der römischen Bürger
dringen.
cinzuschreibcn,
der Haß des Senats. zu
vermochte
Gracchus
nicht durchzu
Wie die Gunst des Volkes für ihn stieg, steigerte sich auch
wirken,
ward
Um dem kühnen Lieblinge deö Volks entgegen
der Tribun M. Livius Drusus,
ein Mann
von
großem Reichthum und ausgezeichneter Beredsamkeit, angestiftet, Ge setze vorzuschlagen, die Gracchus Begünstigung der Menge noch weit
übertrafen.
So wurde durch Liviuö ein Gesetz veranlaßt, daß kein
Bundesgenosse gcgeisselt werden solle.
Den Bürgern wurden die Ab
gaben von den zugetheilten Aeckern erlassen;
auögeführt werden.
Ein Tribun,
Rubrinö,
zwölf Colonien' sollten machte
den Vorschlag,
Karthago wieder aufzubauen und eine Kolonie von sechstausend Bür gern dahin zu führen.
Zur Ausführung dieses Plans wurde Gracchus
nach Afrika geschickt;
diese Abwesenheit
wurde
auf alle Weise von
seinen Feinden benutzt, um sein Ansehen zu schwächen.
Als Gracchus
vernahm, wie sein Freund Fulvius Flaccus den Ränken des Livius
unterliege,
als
er erfuhr,
daß
sein Feind L. Opimius
die gewisse
Aussicht habe, Consul zu werden, kehrte er eiligst aus Afrika zurück. Eine seiner ersten Handlungen
war,
daß er zu nächtlicher Zeit die
Gerüste, welche, um bei den Fechterspielen vermiethet zu werden, auf
geführt waren, wegreißcn ließ, damit die Armen freien Zutritt behalten möchten.
Diese gewaltthätige Handlung
willen seiner Amttzgehülsen;
Wiedercrwählung zum Tribun
Opimius,
und
Consul erwählt.
veranlaßte
selbst
sie sollen es gewesen sein,
Hintertrieben haben.
mit ihm Q. Fabius
Marimus
den Un
welche seine
Dagegen wurde (633,
121)
zum
233
Die Gracchen. war Opimius
Kaum
Konsul,
als
sogleich
mehrere
Gesetze
des
Gracchns angegriffen wurden, unverkennbar in der Absicht, diesen zu
reizen.
Namentlich hatte der'Tribun M. Minucius einen Vorschlag
wegen Zurücknahme des Beschlusses über die Kolonie von Karthago angekündigt.
Am Tage der desfallsigen Verhandlung ward ein Lictor
von den Anhängern des Gracchus erschlagen, als er diesen die Worte zugerufen hatte: „Macht guten Bürgern Platz, ihr Aufrührer!" Vorfall
gab
den Vorwand
Gewalt zu vertreiben.
zu
einem Senatsbeschluß,
Dieser
Gewalt mit
Der Consul forderte die des Mordes wegen
Angeklagten zum folgenden Tage vor.
Gracchus und FulviuS wei
gerten sich, zur Verantwortung zu erscheinen; sie nahmen vielmehr mit
bewaffneten Anhängern vom aventinischen Hügel Besitz.
Da wurden
sie für Feinde des Staats erklärt; sie wurden angegriffen und bald Gracchus ka>n um, ungewiß ist, ob durch eigene Hand
überwältigt.
oder ob ein treuer Diener ihn tödtete.
Fulvius ward ergriffen und
mit seinem Kinde hingerichtet; viele Anhänger der beiden Volksführer kamen im Gefechte um, Andere wurden gefangen und nachher im Ge
fängnisse erwürgt, und Opimius baute, gleichsam zum Hohn, einen
Tempel der Eintracht.
Die Mutter der Gracchen überlebte mit einer
Standhaftigkeit, die man fast geneigt war für Stumpfsinn zu halten, auch den Tod dieses Sohnes.
panien,
Zu Miseni, ihrem Landhause in Kam
sah sie nach wie vor täglich Fremde und Gäste, denen sie
von ihrem Vater Africanus und von ihren Söhnen, ohne Thränen
und
ohne
Rührung,
wie
von
Begebenheiten der Vorzeit
erzählte.
Später errichtete das Volk der Cornelia Bildsäulen, wie ihren Söhnen. Und gleich bei Gracchus Tode hatte man den Verwandten der mit ihm Umgekommenen verboten, Trauerkleider
anzulegen;
der Wittwe
des Gracchns wurde sogar ihre Mitgift entzogen. Nach Unterdrückung der gracchischen Unruhen suchten die Optimaten
alte Fesseln neu zu befestigen.
Es wurde dem Volke vorgestellt, daß
die Ackervcrtheilung unüberstcigliche Hindernisse finde, daß man aber
ein Abkommen treffen wolle, indem die Besitzer' von Staatsländereien eine Steuer entrichten sollten, deren Ertrag man zum Besten armer Bürger verwenden wolle.
Das Volk ließ sich dadurch verleiten, die
sempronischen Gesetze wegen der Ackervertheilung
aber erkannte
man,
abzuschaffen.
Bald
wie sehr die damaligen Machthaber die Unter
drückung der Freiheit und der Rechte des Volks beabsichtigten, und suchte nunmehr wieder Waffen gegen die Unterdrücker hervor.
234
Nom.
Schon im Jahre 634 (120) konnte der Tribun Publius Decius sich ermuthigt finden, den Opimius vor die Volksversammlung zu for
dern, weil er römische Bürger ohne Mrhör und Urtheil habe ermorden Ihn vertheidigte d.er Consul Papirius Carbo, einst Tiberius
lassen.
Freund, im Verdachte Scipio ermordet zu haben, jetzt übergctreten zu
den Optimaten.
Opimius ward sreigesprochen; Carbo aber im fol
genden Jahre von L. Licinius Crassus, der damals noch ein Jüng
ling, später der erste Redner seiner Zeit war, angeklagt.
Carbo ent
ging der Verurtheilung durch Selbstmord.
Allein,
wenngleich
solche Zeiten der Volksstimmung
nicht völlig
unterdrückt werden konnten, waren doch die Armen der Willkür der
reichern Bürger im Allgemeinen ganz hiugegeben, ihre Stimmen käuf lich oder ihre Abstimmung mindestens abhängig von den Optimaten. Bei den Volksversammlungen zogen die stimmenden Bürger in Centu
oder in Tribus in Gehege,
rien
wo sie sich über den zu fassenden
Beschluß berathschlagten und ihre Stimmen abgaben.
Zu diesem Ge
hege, welches später, wie es scheint, ein Gerüste geworden war, führten Brücken, welche so weit waren, daß Bewerber, und überhaupt Solche, die nicht zu der hinüberziehenden Centurie gehörten, sich herzudrängen
und theils Ueberredung üben, theils wenigstens sich von der Abstim mung
der
Einzelnen unterrichten
konnten.
Im
Jahre 635
(119)
ward der Antrag gemacht, die Stimmbrücken sollten verengt werden,
so
daß
unnöthige Menschen
nicht
mehr Platz auf denselben hätten.
Der Mann, von dem dies Gesetz ausging, war Casus MariuS, der Sohn eines unbedeutenden Landmannes
in Arpinum;
ausgewachsen
ohne geistige Bildung, rauh und roh wie ein Römer der ältesten Zeit.
Seine ersten Kriegsthaten hatte er im numantischen Kriege verrichtet, wo er Scipio's große Aufmerksamkeit so sehr erregte,
dem jungen,
daß dieser in
ausdauernden, kräftigen Manne schon den dereinstigcn
großen Feldherrn erkannte. Als Marius das Gesetz wegen der Stimmbrücken vorschlug, erklärte der Consul L. Aurelius Cotta sich nicht allein gegen das Gesetz, son
dern verlangte sogar, daß Marius zur Verantwortung gezogen werde. Dieser aber erschien int Senate und forderte Verhaftung des Consuls,
und als der andere Consul Metellus sich seinem AmtSgehülfen schloß, befahl Marius, auch diesen ins Gefängniß zu führen.
an Ver
geblich suchte der Consul einen der andern Tribunen zu>n Einsprüche zu veranlassen; eS blieb kein anderes Mittel,
als Zurücknahme deS
235
Karthago's Zerstörung.
welcher dem
Beschlusses,
Gesetze
deö
Marius
entgegengesetzt
war.
Allein das neue Gesetz gab noch keine hinreichende Bürgschaft gegen Bestechung
und Erkaufen der Stimmen.
Die Reichen blieben fort
während im Besitze der Staatöämter, vermehrten dadurch ihren Reich
ein schamloses und
thum und fanden nur noch mehr Veranlassung,
Es war in diesem Jahre (639, 115) daß
üppiges Leben zu führen.
einst zweiunddreißig Senatoren wegen schlechter Sitten
die Censoren
aus dem Senate stießen. Damals wurden auch vom Consul M. AemiliuS Scaurus
Verfügungen
gegen
übermäßige
Schwelgerei
namentlich ein Verbot gegen fremde Muschelfische und
erlassen,
ausländisches
Bald nachher ward ein Beispiel der Sittenverderbniß ruch
Geflügel.
bar, welches, wo noch einige alte Scheu geblieben, großes Aussehen
erregte.
Mehrere vcstalische Jungfrauen, eine Marcia, Aemilia und eines sehr unzüchtigen Lebenswandels angeklagt und
Licinia wurden
Um das öffentliche Aergerniß zu sühnen, baute man der
verurtheilt.
Venus Vcrticordia
einen
Tempel,
rief,
wie
ein
alter
sagt, die Göttin der Liebe jetzt um Keuschheit an.
18.
Schriftsteller
(Peter v. Kobbe.)
.Karthago'» Zerstörung.
Bereits zwei Jahre belagerten die Rönrer Karthago, aber noch ohne Wiewohl die Bewohner, um den ungerechten Angriff
einigen Erfolg. abzuwendcn, sich
dazu
verstanden hatten,
den Römern ihre Waffen
und Schiffe auszuliefern und die Schiffswerfte zu zerstören; so hatten
sie doch,
als
sie
sich getäuscht sahen,
mit beispielloser Anstrengung
diesen Mangel in kurzer Zeit wieder zur Noth ersetzt und leisteten den verzweifeltsten Widerstand.
der Belagerer
Alle Angriffe
waren ver
geblich ; die meisten Gefechte vor der Stadt fielen zu ihrem Nachtheile aus, und endlich begann der Krieg sich ganz zum Vortheil der be
drängten Stadt zu wenden. und
besorgt,
und
jungen Publius rühmliche Proben
Da wurde das Volk zu Rom unwillig
alle Blicke,
alle Hoffnungen
Cornelius Scipio
der Tapferkeit
zu,
welcher
abgelegt
gesetzliche Alter noch nicht erreicht hatte,
hatte.
wendeten als
sich
Tribun
Wiewohl
dem
bereits
er
das
wählte ihn daö Volk zum
Consul, übertrug ihm den Oberbefehl in Afrika, und gab ihm Voll
macht, das Heer zu verstärken und von den Bundesgenossen Freiwillige mitzunehmen, so viel ihm beliebe.
Scipio segelte nun mit bedeutender Verstärkung nach Afrika, landete
236
Nom.
bei Utika und schlug in
der Nähe von Karthago sein Lager auf.
Hier war sein erstes Geschäft, die ganz zerfallene Zucht im Heere Darauf bemächtigte er fich der Erdenge,
wiederherzustellen.
welche
Karthago, das auf einer Halbinsel lag, mit dem festen Lande verband, zog von einem Meere zum andern in einer Ausdehnung
von fünf
undzwanzig Stadien, zwei Gräben, und befestigte diese mit Wall und Verpfählung, den einen nach der Seite von Karthago hin, überdies
noch mit einer Mauer und Thürmen.
Durch dieses Bollwerk, welches
ihm zugleich zum Lager diente, schnitt er der Stadt alle Zufuhr vom Als er sodann gewahrte, daß von der See her doch noch
Lande ab.
einige Zufuhr möglich war, die seine Schiffe nicht hindern konnten, so
baute
um den Eingang des Hafens
er,
zu sperren,
einen langen
Damm ins Meer hinein, oben vierundzwanzig Fuß, unten viermal so
Die Karthager aber gruben auf der entgegengesetzten Seite
so breit.
des Hafens eine neue Mündung mitten in das Meer, und zugltich
bauten sie eine Menge Schiffe.
Diese Arbeit betrieben sie ganz geheim
bei Tag und Nacht sehr eifrig.
und
die neue Mündung Schiffen
aus.
liefen
Plötzlich öffneten sie eines Morgens
furchtbar
mit fünfzig
Diese unerwartete
Erscheinung
ausgerüsteten
versetzte wirklich
die
Römer in Bestürzung, so daß die Karthager wohl ihr Schiffslager hätten erobern können, wenn sie sogleich angegriffen hätten, da die
selben gerade ziemlich
von Vertheidigern
entblößt
waren.
Aber sie
benutzten diesen Vortheil nicht, sondern nachdem sie den Feind verhöhnt,
fuhren sie wieder zurück.
Und als sie erst nach drei Tagen zu einem
Seetreffen sich aufstellten, wurden sie von den Römern in der besten
Ordnung empfangen und mit großem Verlust wieder zurückgetrieben. Nun richtete Scipio sein Augenmerk auf einen breiten Wall, der
vor der Mauer neben dem Hafen errichtet und mit einer Brustwehr versehen war.
Da er diesen als einen gelegenen Angriffspunkt gegen
den Hafen ansah,
so griff er ihn mit Belagerungsgeräthen an und
zerstörte bereits einen Theil der Brustwehr. Karthager
einen kühnen nächtlichen
steckten sie in Brand.
sie
durch
das
Da machten eine Anzahl
Ausfall
auf die
Geräthe und
Nackt und waffenlos schwammen oder wateten
hier seichte Meer heran, rannten
mit verzweifeltem
Muthe, keine Wunde scheuend, den feindlichen Waffen entgegen und ließen nicht eher ab, als bis sie die Belagerungsgeräthe angezündet
und große Verwirrung im ganzen römischen Lager angerichtet hatten. Daraus schwammen sie wieder nach
Hause. — Die Römer jedoch
237
Karthag o's Zerstörung.
fertigten neue Belagerungsgeräthe, bemächtigten sich nach einiger Zeit
des Walles, umzogen ihn mit einem Graben und einer Mauer und besetzten diese mit Truppen.
Während
des Winters
Darüber verfloß der Sommer. . bezwang Scipio die übrigen Städte und
Gegenden des karthagischen Gebiets, von wo aus den Bewohnern der Stadt bisher Lebensmittel zugeführt wurden.
Dann beim Anfänge
des Frühlings griff er zuerst denjenigen Theil der Häfen an, welcher
Dies ist eine Insel in der Mitte des innern Hafens,
Cothon heißt.
der Einfahrt gegenüber,
welche mit starken Dämmen
eingefaßt, die
See-Arsenale und Schiffsmagazine enthielt, und durch ihre Lage den
ganzen Hafen beherrschte.
Die Karthager steckten einen Theil dieses
Cothon, welcher das Viereck hieß, in Brand.
Aber während sie alle
Aufmerksamkeit auf diese Seite, woher sie einen neuen Angriff erwar teten, gerichtet hatten, erstiegen die Römer unbemerkt auf einer andern
Seite die Mauer und eroberten von da aus die ganze Insel.
Darauf
besetzte Scipio den Marktplatz, und dann richtete er seine ganze Thätig
keit auf die Burg, Byrsa genannt, wohin sich die meisten Einwohner Dahin fiihrten vom Marktplatz aus drei Straßen,
geflüchtet hatten.
auf beiden Seiten mit sechsstöckigen dicht an einanderstehenden Häusern.
Die Römer, von den Dächern und Fenstern herab mit Geschossen und Steinen getroffen, stürmten die ersten derselben, dann drangen sie von
den Dächern aus vermittelst Balken und Brettern weiter in die nächsten. So wurde also in diesen Straßen ein doppelter Kampf geführt, oben
auf den Dächern und unten
auf dem Pflaster.
Mitten unter die
unten Kämpfenden wurden von oben Lebende herabgeschleudert und entweder auf dem Boden zerschmettert oder mit emporgehaltenen Spee ren und Schwertern aufgefangen.
war fürchterlich.
Das Geschrei und
der Jammer
Endlich, als die Römer bis zur Burg vorgedrungen,
und der Kampf ans den Dächern beendigt war, wurden die Straßen
in Brand gesteckt. sich
Während von da aus das Feuer immer weiter
verbreitete, rissen die Soldaten die Häuser
massenweis
nieder,
sammt den in den innersten Winkeln versteckten Bewohnern, meistens Greisen, Kindern und Weibern,
welche theils jämmerlich verschüttet
und verbrannt, theils unter brennendem Gebälk von der Höhe herab geschleudert, gräßlich verstümmelt unter den Trümmern halb begraben
hervorragten.
Und
eilten Durchzug zu
als
nun
bereiten,
die Schnttaufräumer, um dem Heere
mit
Aerten,
Haken und
Gabeln die
Trümmer wegschafften, warfen sie Lebende wie Todte in die Erdgruben,
238
Rom.
so daß Manche mit dem Kopfe in der Erde, die zappelnden Beine emporstreckten, Andere mit den Köpfen hervorragend von Pferden in
dem Getümmel zertreten wurden.
Diese Gräuel geschahen nicht gerade
auö Vorsatz, sondern bei dem hitzigen Eifer und Geschrei der Kämpfen
den, dem Schmettern der Trompeten, dem Hin- und Herrennen der Mannschaften wurde der Jammer der Einzelnen meist nicht beachtet. Mit solcher Arbeit wurden sechs Tage und sechs Nächte zugebracht, während dessen das Heer sich
Nur Scipio blieb
beständig ablöste.
ohne Rast und ohne Schlaf auf dem Platze, bis er endlich ermattet
auf einer Anhöhe, von
wo aus er Alles übersah,
sich niedersetzte.
Endlich am siebenten Tage, als die Zerstörung und der Jammer noch immer fortdauerte, kamen
einige Karthager mit Oelzweigen in
den
Händen von der Burg zu Scipio und baten um Verbürgung des
Lebens,
wenn
sie
die Burg verließen.
Scipio
gewährte
die Bitte
Allen, die davon Gebrauch machen wollten, die Ueberläufer ausge Und nun zogen sünfzigtausend Köpfe, Männer und Weiber
nommen.
durch eine enge Mauerlücke heraus.
Die römischen Ueberläufer da
gegen, etwa neunhundert, begaben sich mit Hasdrubal, dem Anflihrer der Karthager, dessen Gemahlin und
zwei kleinen Knaben in den
Tempel des Aeskulap, der auf dem höchsten Theile der Burg lag und
schwer zu ersteigen war, so daß sie sich trotz ihrer geringen Zahl leicht
vertheidigen konnten.
Als sie aber von Hunger und Anstrengung er
schöpft ihr Verderben vor Augen sahen,
steckten sie den Tempel in
Flammen und verbrannten sich mit demselben. heimlich
Rur Hasdmbal war
mit Oelzweigen in der Hand zu Scipio
Gemahlin
aber verwünschte ihn laut
als
gestiegen.
treulosen
Seine
Verräther und
Feigling, dann stürzte sie sich mit ihren Kindern in die Flammen. Als nun Scipio diese Stadt, welche siebenhundert Jahre im Flor
gestanden, über ein so ausgedehntes Gebiet geherrscht, an Reichthum und Macht mit den größten Reichen gewetteifert,
an Betriebsamkeit
nnd Unternehmungsgeist alle übertroffen hatte — als er diese Stadt
in Schutt und Asche dahinsinken sah, da soll er Thränen vergossen und in tiefes Nachdenken über das Geschick der Städte und Völker
versunken die Worte des Dichters gesprochen haben: „Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt,
Priamus selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs."
(Lanz.)
239
Rom von Pompejus dem Großen bis Octcivianus.
13. Rom von Pomp ejus dem Großen bis tvetavianus. Während Rom diese Kriege glorreich führte, hob
sich die Volks
partei aus dem untergeordneten Verhältnisse, welches ihr Sylla ange
wiesen hatte, wieder zu vorigem Glanze empor. und
zu
stand,
sehr sie
an das Mitherrschen gewöhnt,
werde, so
lange
wenigstens
Sie war zu zahlreich als
daß
zu erwarten
der Freistaat dauerte,
jene
Unterordnung lange ertragen; die Großen aber, welche dieser Menge
gegenüber standen, hatten den Glanz ihrer Würden, wodurch sie in vorigen Zeiten so
sehr geschwächt.
geachtet waren,
durch
vielfache Verdorbenheit zu
Bei jener unmhvollen Herrschsucht des Volkes und
diesem Wanken der Häupter desselben konnte es aber auch, besonders da die Verfassung Rom's in der letzten Zeit so oft verändert worden war, nicht fehlen, daß bald der ganze Staat die Beute einzelner ehr
geiziger Männer wurde.
Noch in demselben Jahre als Sylla starb, wurde ein Versuch ge macht, die Verfassung, welche er dem Staate gegeben hatte, umzu stoßen.
Doch dieser
Versuch,
so
wie einige nachfolgende
Versuche
wurden vereitelt. Mehr und mehr hoben sich indessen die Volkstribunen wieder.
Schon der Volkstribun Opimius setzte eS (75) durch, daß
der Weg zu andern Staatswürden den Volkstribunen nicht für immer
verschlossen blieb, und die Ritter wieder unter die Geschwornen bei den Gerichten ausgenommen wurden.
Endlich Pompejus, lüstern nach
der Ehre, als der Erste in Rom zu gelten, glaubte diesen Zweck am
glücklichsten mit Hülse der Volkspartei zu erreichen, und stellte daher,
während er (70) das Consulat in Gemeinschaft mit Craffus verwaltete,
die Volkstribunen und Glanze wieder her.
sonach
auch
die Volkspartei in ihrem alten
Dafür ward aber auch eben diesem Pompejus
bei verschiedenen Gelegenheiten so viele Macht anvertraut, wie Keinem der römischen Bürger vor ihm.
Solche Uebermacht eines einzelnen Bürgers
erregte aber natürlich
bei Vielen Eifersucht oder bange Besorgnisse. Noch während Pompejus in Asien verweilte, mußte die Uebermacht desselben einer ruchlosen Horde von Empörern, an deren Spitze L. Ser
gius Catilina stand, zur Verschleierung ihrer eigennützigen Absichten dienen.
der
Doch hauptsächlich M. Tullius Cicero, mit Recht der Vater
Musen Latium's
genannt,
rettete
durch
seine Wachsamkeit
den
240
Rom.
Staat aus den Gefahren, in welche diese Rotte (66—62) denselben gebracht hatte.
Aus
edleren Gründen,
als
Catilina
und
seine
Rotte,
kämpften
M. PorciuS Cato und andere Senatoren gegen die Uebermacht des
Pompejus, als dieser (61) aus Asien zurückgekehrt war.
Sie ver
weigerten ihm insbesondere die Bestätigung der Einrichtungen, welche
er beinahe mit königlicher Macht in Asien getroffen hatte. M. Porcius Cato der Jüngere (Cato von Utika) ein Urenkel von
Cato Censorinus,
jenem
welcher so
auf die Zerstörung
hartnäckig
Karthago's bestand, hatte schon als Knabe einen festen, ernsten Sinn gezeigt. lieber
Kaum acht Jahre alt, wollte er sich von Pompädius Silo zum Fenster hinauswerfen lassen,
als
seinen Oheim
Livius
Drusus bewegen, daß man den Bundesgenossen das römische Bürger recht ertheile.
Wenige Jahre nachher bat er seinen Erzieher um ein
Schwert, um den mordenden Sylla zu ermorden.
In reiferen Jahren
weihte er sich dem Studium der stoischen Philosophie und lebte, was diese lehrte.
In mehreren öffentlichen Aemtern, welche er hieraus be
kleidete, war er untadelhast; an Gesetz und Recht hielt er mit uner
schütterlicher Festigkeit; sein Name wurde gleichbedeutend mit der Recht
schaffenheit selbst.
Mit mehr Nachgiebigkeit wäre er vielleicht seinem
Vaterlande nützlicher
gewesen,
ein Cato
aber
würde der Geschichte
der Menschheit fehlen.
Der Widerstand, welchen ein Cato und andere bessere Senatoren dem
aus Asien
wiederkehrenden Pompejus
Schicksal Rom's sehr wichtige Folgen.
leisteten, hatte für
daS
Denn Pompejus siegestrunken
und nach der Herrschaft jetzt begieriger noch, als vorher, schloß sich, je mehr solcher Widerstand ihn befremdete, desto enger an die Volks partei an und ging zugleich (60)
eine Verbindung
ihn sowohl, als für den Staat verderblich war.
ein, welche für Mit M. Licinius
Crassus, welcher durch seinen großen Reichthum viel vermochte, batte
er sich schon früh verbunden; er erneute jetzt nicht nur diese Verbin
dung, sondern nahm auch den Cajus Julius Cäsar in dieselbe auf, an welchem er einen Liebling deö Volkes, wohl aber nicht den hohen,
seltenen Mann erkannte.
Diese drei Männer (Triumviri) galten nun (60) als die Ersten im Staate, und ihre vereinigte Macht war auch wirklich den Großen
unwtderstehbar.
Der wahrhaft und in jeder Hinsicht Erste dieses Bundes war Cäsar;
241
Nom von Pompejus dem Großen bis Octavianus. auch stand dieser jetzt in den Jahren voller männlicher Kraft
und
war überdies seit längerer Zeit in dem Besitze der Gunst der Volks
partei, welcher er schon als Verwandter dcö Marius und Cinna an gehörte. Durch die Verbindung mit Pompejus und Crassus wurde Cäsar schon im Jahre 59 Consul.
Als solcher bewirkte er, daß den
armen Bürgern Ländereien in Campanieu ausgetheilt wurden. Da durch gewann er aufs Neue die Volkspartci. Auch setzte er durch,
daß die Einrichtungen deS Pompejus in Asien bestätigt wurden.
Die
Ritter gewann er, indem er den Pächtern der asiatischen Einkünfte ein Drittheil ihres Pachtes erließ. An Publius Clodius, einem aus schweifenden und zu Allem seilen Manne, welcher durch ihn Volks
tribun wurde, erwarb er sich den eifrigsten Anhänger.
Als sein Kon
sulat zu Ende war, wurden ihm (58) beide Gallien nebst Illyrien
auf fünf Jahre als Provinz zu Theil. Dadurch hatte er nun Ge legenheit, sich auch hohen Kriegsruhm, woran Pompejus ihn jetzt noch übertraf, zu erwerben, und in der Nahe Roms konnte er über dies ein Heer für seine Pläne bilden. Gallien jenseits der Alpen, dem größten Theile nach noch von den Römern unbesiegt, wurde binnen acht Jahren von Cäsar unterjocht. In dem Jahre 58 gewann er durch die Befreiung der Gallier von
helvetischen (Orgetorjr) und deutschen Horden (Ariovistus) Gelegenheit, sich in die gallischen Angelegenheiten zu mischen. In den Jahren 57 und 56 unterwarf er Gallien, dann von 55—53 machte er Versuche
zu Einfällen in Deutschland und Brittannien; von 53—51 mußte er Empörungen in Gallien dämpfen (Vereingetorir), und endlich im Jahre 50 beschäftigte er sich mit friedlichen Einrichtungen in dem jen seitigen Gallien. Während dieser auswärtigen Unternehmungen war aber Cäsar auch
zugleich durch seine Stellvertreter in Rom auf mannigfaltige Weise thätig. Durch Clodius bewirkten die Triumvirn, daß Cato nach Cypern geschickt, Cicero aber verbannt wurde. Eben dieser Clodius war indessen bald für Pompejus selbst furchtbar, so, daß dieser auf die Zurückberufung Cicero's drang, welche er aber erst im folgenden
Jahre (57) durch den Volkstribun Milo durchsetzte. Vom April 58 bis September 57 hatte die Zeit der Verbannung Cicero'S gedauert.
Als er Rom verließ, herrschte bei vielen Römern
tiefe Trauer, und als er wiederkehrte, strömten Volk und Senat ihm
vor die Stadt entgegen, und sein Einzug dauerte einen ganzen Tag. Histor. Lesebuch. I.
16
242
Rom.
Nicht durch kriegerische Tugend zeichnete sich Cicero aus, auch man gelte ihm die Festigkeit eines Cato, aber er war ein redlicher, eifriger Freund seines
Vaterlandes,
ein
vortrefflicher Redner,
ein Freund,
Kenner und Beförderer der Wissenschaften, und durch den Adel, welchen
die wissenschaftliche Bildung über sein ganzes Wesen ausbreitete, ein
Muster und Vorbild für viele bessere Römer.
Bald, nachdem Cicero aus der Verbannung zurückgekehrt war, er neuten die Triumvirn durch einen Vergleich zu Lucca im Jahre 56
ihren Bund.
Sie beschlossen: dem Pompejus sollten die Provinzen
Spanien und Afrika, dem CrassuS aber die Provinz Syrien ertheilt
werden; dafür aber
sollten
Craffus
und
Pompejus,
als
Consuln,
Cäsar'» seine Provinz Gallien auf'S Neue für fünf Jahre bestätigen. Sie setzten' durch, was sie beschlossen hatten, jedoch zum Theil nicht ohne harten Kampf, besonders mit Cato.
Craffus und Pompejus gelangten wirklich in dem Jahre 55 zum Consulat, und erhielten auch die bestimmten Provinzen, so wie Cäsar'n
die Fortdauer seiner Statthalterschaft
auf neue fünf Jahre
bestätigt
wurde. — Pompejus ließ seine Provinz
vertretern verwalten;
Craffus
wider alles Herkommen von Stell aber verlor schon im Jahre 53
aus
einem tollkühnen Zuge gegen die Parther sein Leben.
Bald
nach
dem Tode deö Craffus veränderte sich das bisherige
Verhältniß zwischen Pompejus und Cäsar.
Bei Pompejus,
welcher nun
keinen
Ncbenbrchler mehr
in Rom
hatte, und einen Cäsar noch immer nicht vollkommen begriff, entglühtc
jetzt immer mehr der Wunsch, der auöschließcnd Erste in dem Staate zu sein.
Auch wurde er wirklich unter Volksunruhcn, welche er wohl
selbst begünstigte, im Jahre 52 zum Consul ohne Kollegen ernannt.
Um eben diese Zeit (52) verlangte aber Cäsar, dessen Plan, die Oberherrschaft
an
sich
zu
reißen,
jetzt
ebenfalls
gereift war,
und
welchen überdies ein zahlreiches, wohlgeübtes Heer zu Gebote stand, durch die von ihm gewonnenen Volkstribunen, daß er, auch abwesend,
um
das Consulat
anhalten durste.
Der Antrag
der Volkstribunen
ward bewilligt, und der schwankende Pompejus selbst unterstützte den selben. Immer mehr erweiterte hierauf Cäsar, besonders durch C. Curio,
den Kreis seiner Anhänger unter der Volkspartci; aber von nun an
stieg auch die Furcht seiner Gegner vor ihm.
Pompejus selbst, welcher
bisher so begierig nach der Herrschaft gestrebt hatte, wollte nun plötzlich
243
Rom von Pompejus dem Großen bis Octavianus.
ein Retter der Freiheit Rom's werden, und schloß sich enge an den Senat an.
Den gefürchteten Cäsar von seinen Legionen zu trennen, war nun
der vornehmste Wunsch seiner Gegner, uuo dieser Wlinsch war um so dringender,
je
mehr
die Zeit, für welche Cäsar den Oberbefehl in
Gallien erhalten hatte, sich ihrem Ende näherte. Endlich nach vielen Verhandlungen beschloß (7. Jan. 49) der Senat:
Cäsar sollte sein Heer entlassen; wo nicht, so würde er für einen Feind des Staates erklärt werden.
Die Volkstribunen, welche diesem Be
schlusse widersprochen hatten,
mußten
zu Cäsar
flüchten.
ging
Da
Cäsar, jedoch nicht ohne Kampf mit sich selbst, über den Fluß Ru-
bicon, die Gränze des alten Jtalieu's. Dieser Schritt Cäsar's verbreitete in Rom großen Schrecken.
Pom
pejus, welchem der Senat den Schutz des Staates anvertraut hatte,
floh aus Rom und mit ihm viele Senatoren und Alle, welche nicht für Anhänger Cäsars gelten wollten, zuerst nach Unter-Italien, dann nach Epirus, so, daß Cäsar binnen sechszig Tagen Herr von beinahe
ganz Italien war.
Ehe er indessen seine Feinde in Griechenland ver
folgte, wollte er zuvor die Legionen dcö Pompejus in Spanien be zwingen, bezwairg sie und kehrte bereits am Ende Decembers 49 nach Rom zurück, wo er zuerst zum Dictator, dann zum Consul für das Jahr 48 ernannt wurde.
Gleich am Anfänge dieses Jahres begann
er den Kampf mit Pompejus in Griechenland.
Da fehlte wenig, daß
er nicht bei Dyrrhachium in großes Gedränge wäre gebracht worden; er
mußte
trug
sich
nach Thessalien zurückziehen.
er in den Ebenen
Pompejus davon.
von Pharsalns
Aber am 20. Juli 48
den herrlichsten Sieg über
Bald hierauf (48) wurde Pompejus auf Veran
stalten des ägyptischen Hofes, an welchen er geflohen war, ermordet. PompejuS war ein ausgezeichneter Mann, so lange das Glück ihn trug.
Als ihn dieses verließ, sank er; aber auch im Augenblicke des
Todes bewährte sich seine edle Natur.
Wenige Tage nach seiner Er
mordung (August 48) kam Cäsar in Alerandria an, gerieth aber hier wegen der Cleopatra, der ägyptischen Königstochter, in einen Krieg,
welcher ihn zwar in viele Gefahren verwickelte, den er aber doch sieg reich endigte.
Wegen
dieses Krieges,
noch
mehr aber wegen
der
Reize Cleopatra's, verweilte er fast ein Jahr in Aegypten, vergessend,
wie viel ihm noch zu thun übrig sei.
Nun aber raffte er sich wieder
auf, und in der kürzesten Zeit ward dann Pharnaces, der Sohn
16*
244
Rom.
Mithridat's des Großen, wegen einer Empörung wider Rom von ihm gezüchtigt.
Nun, nach einer Abwesenheit von beinahe zwei Jahren,
kehrte er (December 47) nach Rom zurück, stellte die von den Volks tribunen Clölius und Dolabella gestörte Ruhe wieder her und
eilte
dann (Januar 46) nach Afrika, wo ein neuer Krieg seiner wartete.
Die Provinz Afrika, so wie der König Juba von Numidien, waren der Sache des Pompejus treu geblieben, und viele bedeutende Römer, unter ihnen
auch Cato,
dahin
waren
geflohen,
Partei
wahrhaft furchtbare republikanische
noch
so,
daß
übrig
hier eine
war.
Auch
begann der Kampf in Afrika für Cäsar sehr hart.
Doch ein Sieg
bei Thapsus (46) unterwarf ihm auch diese Feinde.
Numidien ward
zur römischen Provinz
gemacht.
Alles
huldigte dem Helden.
Nur
Cato huldigte nicht, sondern nahm sich, weil er den Fall der freien
Verfassung Rom's nicht zu überleben vermochte, bald nach der Schlacht bei Thapsus das Leben. Im Juni 46 feierte Cäsar bei seiner Rückkehr nach Nom den glän
zendsten Triumph, imb ward zum Dictator auf zehn Jahre ernannt.
Doch bereits nach wenigen Monaten mußte er nach Spanien eilen, um mit den Söhnen Pompejus des Großen,
Cnejus
PompejuS einen gefahrvollen Kamps zu bestehen.
und Sertus
In einer blutigen
Schlacht bei Munda (März 45) schwankte der Sieg lange hin und her;
endlich
nach
vieler Gefahr
neigte
er sich auf Cäsar's Seite;
En. Pompejus ward getödtct, sein Bruder mußte flüchten; ihr An hang in Spanien unterwarf sich Cäsar'n.
Alle öffentliche Feinde Cäsar's waren nun überwunden, und Rom ernannte ihn (45) zum Dictator auf Lebenszeit.
Er aber, dem selbst
im Laufe des Bürgerkrieges die Grausamkeit eines Marius und Sylla ftemd
geblieben
war,
herrschte
Rom und dessen weites Gebiet.
nun mit Güte
und
Weisheit über
Doch ward er schon am 15. März 44
von M. Brutus, welchem Cato von Ntika Muster und Vorbild war
(Porcia), Cajus Cassius und mehreren andern begeisterten Freunden
der Verfassung ermordet. Die Folgen ihrer That waren von den Verschwornen keineswegs
sicher berechnet, und sie versahen es offenbar darin, daß sie nicht un
mittelbar nach Cäsar's Ermordung mächtigten.
sich der Gewalt im Staate be
Nicht einmal bei dem Senate sanden sie die erwartete
Theilnahme; die Gefühle deS Volkes theilten sich zwischen der Liebe Cäsar's und der Achtung für Brutus; ein großer Theil der Legionen
245
Rom von PompejuS dem Großen bis Octavianus.
aber war wider die Mörder Cäsar's.
Zwar bewirkte Cicero, daß die
Verschwornen sich mit den Anhängern Cäsar's auösöhnten; aber diese
Aussöhnung war nur erzwungen, und konnte daher nicht von langer Dauer sein. Indessen der Consul MarcuS Antonius, welcher theils mit Hülfe
des Heeres, theils durch andere Künste nach dem Tode Cäsar's sich
alsbald an dessen Stelle drängen wollte, wäre wohl für sich allein
nicht vermögend gewesen, die Freunde des Freistaates zu unterdrücken.
Aber
Octavius,
als
der
Sohn
der Schwestertochter Cäsar's,
von
diesem als Sohn angenonnnen (seitdem Cäsar OctavianuS genannt)
und im Testamente als Erbe eingesetzt, sich, nachdem er den Senat
und besonders den für ihn begeisterten Cicero mit der ihin eigenthüm
lichen Schlauheit einige Zeit getäuscht hatte, mit Antonius (27. No vember 43) verband, war eine fi'tr die Republikaner furchtbare Gegen
partei da.
Zu Octavianus und Antonius gesellte sich noch Marcus
Lepidus, der Befehlshaber der Reiterei.
Antonius, Octavianus und LepiduS furchtbar durch die Heere, an
deren Spitze sie standen, bemächtigten sich nun der obern Gewalt im Staate.
Durch Grausamkeit befestigten diese Triumvirn ihre Macht.
Alle ihre Gegner, die Mörder Cäsar's, ja, Alle, welche den Mord
Cäsar's gebilligt und das Anseheir des Senats auftecht erhalten hatten, wurden dem Tode geweiht,
und die Güter dieser Schlachtopfer zur
Rom ward-
Belohnung und Aufmunterung der Soldaten bestimmt.
nun wieder, wie zur Zeit Sylla's, ein Schauplatz des Mordes, der
Verräthcrei,
der
Treulosigkeit.
Dreihundert
Senatoren,
und
viele
Andere wurden geächtet, und wer sich nicht durch die Flucht rettete,
ward erschlagen.
Wuth.
Auch Cicero fiel (7. December 43) als Opfer dieser
PopilliuS Läna, dem er Leben und Ehre gerettet hatte, er
mordete ihn; Antonius mißhandelte ihn noch im Tode. — Wie die
Mordsucht, so tobte auch die Raubsucht.
seines Vermögens willen geächtet. Soldaten keine Gränzen.
Mancher ward
blos um
Besonders kannte die Habsucht der
Zu den eigentlicheir Räubereien kamen noch
die drückendsten Abgaben.
Noch stand indessen den Triumvirn ein gefahrvoller Kampf bevor. Denn, während sie in dem Westen des römischen Reichs wütheten,
hatten sich in dem Osten desselben ein zahlreiches Heer von Freunden
des Freistaates unter Brutus und Cassius versammelt.
Bei Philippi
in Makedonien sollte (42) das Schicksal Rom's entschieden werden.
246
Rom.
Octavianus stand dem Brutus, Antonius dem Cassius entgegen. Bmtus schlug das Heer Octavians; Antonius drängte den Cassius zurück; das Treffen war nicht entscheidend. Aber ein zufälliger Irr thum verschlimmerte die Sache der Republikaner. Cassius hielt die Reiter, welche Brutus ihm zuschickte, für Feinde und ließ sich in der
Mit ihm verloren die Freunde des Freistaates ihr eigentliches Oberhaupt, ihren besten Feldherrn, die Zu Verzweiflung den Tod geben.
versicht zu sich selbst und den Muth. das Heer noch in Ordnung halten.
Nur mit Mühe konnte Brutus Von den Soldaten genöthigt,
mußte er ungefähr zwanzig Tage nach dem Tode des Cassius zu einer
zweiten Schlacht in derselben Gegend vorrücken. Die Republikaner erlitten eine Niederlage; Brutus ließ sich von einem Freunde durch bohren; die Stütze des Freistaates war (42) zertrümmert. Hierauf übernahm Octavianus den Westen, Antonius den Osten des Reichs, dem unbedeutenden Lepidus, welchen Antoniuö und Octavianus seit dem Siege bei Philippi wenig mehr achtete, ward Aftika zu Theil; Italien blieb gemeinschaftlich. Antonius gab sich bald der ägyptischen Königin Cleopatra hin, mit gewohnter Besonnenheit dem Ziele seines Ehrgeizes entgegen. Schon der Besitz der westlichen Provinzen war für Octavianus ein großer Vortheil. Denn im Falle eines Bruches mit Antonius hatte Octavianus hingegen ging
er Rom und Italien für sich, und konnte den Namen des Senats und des römischen Volks zur Vertheidigung seiner Sache verwenden. Wohl drohte ihm manche Gefahr, ehe er sein Ziel erreichte, aber zu seiner Klugheit gesellte sich noch vielfaches Glück. Um die Legionen an sich zu fesseln, theilte er ihnen zum gränzen losen Jammer vieler unschuldigen Familien, die versprochenen Lände reien zu. Viele der Beraubten schlossen sich an Fulvia, die Gemahlin des Antonius an, welche, um ihren Gemahl aus den Armen Cleopatta's zu reißen, in Verbindung mit ihrem Schwager, dem Consul Lucius Antonius, einen Bürgerkrieg gegen Octavianus und dessen
steigende Macht anfachfe.
Von dem Ende des Jahres 41 bis zum
April des Jahres 40 dauerte dieser perusinische Krieg; nur durch
Einschließung des Consuls in Perusia ward derselbe geendigt; zum großen Glücke Octavian's hatte der Triumvir Antonius nicht daran Theil genommen. Bald hierauf wurde Octavianus durch
SertuS Pompejus, den
247
Staatsverfaffung von Rom.
Sohn Pompejus des Großen, beunruhigt, welcher nach Cäsar's Tode
neue Kräfte in Spanien gesammelt hatte, auch Sicilien und Sar dinien eroberte, und jetzt im Begriffe stand, sich mit Antonius wider
OctavianuS zu verbinden.
Doch als schon (40) ein neuer Bürger
krieg auSzubrechen drohte, erfteute ein Friede, hauptsächlich durch die
Legionen vermittelt, unerwartet ganz Italien. Indessen wenige Jahre nachher (38—36) kam OctavianuS durch Sertus Pompejus abermals in große Gefahr. Er war verloren, wenn Antonius auf die Seite seines Gegners trat. Allein es gelang ihm auch diesmal, den Antonius für sich zu gewinnen; Pompejus
aber, von den Seinen'verrathen, wurde endlich von M. Agrippa be siegt, und fand seinen Tod nachher zu Miletus. Kurze Zeit nach Besiegung dieses Gegners gelang es dem Octavianus dadurch, daß er das Heer des Lepidus auf seine Seite zog,
seine Macht um Vieles zu vermehren. Lepidus pries sich glücklich, als ihm erlaubt ward, das Triumvirat mit der Würde eines Pontifex
Marimus zu vertauschen. In gleichem Maße aber, in welchem OctavianuS sich hob, nahte sich Antonius seinem Sturze. So sehr hatte diesen sinnlichen Mann die Liebe zu Cleopatra und gränzenlose Genußsucht gefesselt, daß er nicht nur die Kriege gegen die Parther mit Nachlässigkeit führte, son
dern auch zum großen Aerger des römischen Volkes, seine geliebte Cleopatra mit römischen Provinzen bereicherte. Dieser stolzen Königin Aegypten's erklärte nun Rom den Krieg.
Aus einer Seeschlacht bei Actium (2. September 31) floh Antonius
mit Cleopatra nach Aegypten, noch ehe seine Sache verloren war, und verlor diese eben dadurch. Als im Frühlinge darauf OctavianuS mit leichter Mühe Aegypten eroberte, gaben Antonius und Cleopatra sich selber den Tod; Aegypten ward römische Provinz und OctavianuS (30) Alleinherrscher Rom's.
(Breyer.)
I«. Staatsverfaffung in 9t»m. Rom ist eben, wie Athen, aus verschiedenartigen, doch verwandten Volksstämmen zusammengekommen; beide nahmen ohne große Schwierig keit Zuwanderer auf und reihten sie nach dem Standesrechte, welches
Wie in Athen stand in Rom eine alte Adelöherrschaft, zugleich priesterlich, über den übrigen Bürgem, um so
diese mitbrachten, ein.
248
Nom.
mächtiger, weil sie hier ohne Königshaus den König aus eigener
Mitte wählte, nach Etrusker Art.
Aber Sieger hielten hier nicht über
Besiegten Wache, noch war die Kunst, die einmal gezogene Scheidung zwischen Herrschaft und Gehorsam bis ans Ende aufrecht zu erhalten, der Inhalt von Rom's
Verfassungsgcschichte ,
wie
von Sparta's.
Der Anspruch der Gemeinden drang zu seiner Zeit in Rom zur Er
klärung und rechtlichen Geltung durch, auch zum Siege, aber nicht wie in Athen in wenigen schnell aus einander folgenden Stößen, viel mehr sehr langsam und stufenweise in ganz eigenthümlicher Erscheinung, überhaupt am Ende mehr durch Ausgleichung, unter Schonung der
Grundformen; nur daß das Königthum verloren ging und blieb.
Drei Staatsgewalten waren: König, Senat und Adelsversammlung, aber die letztere stand zuhöchst. König, Senat, alle höheren Obrigkeiten gingen aus der Adelwahl hervor und waren Mitglieder
des Adels. Der König, auf stattlichem Kronland, war der Feldherr, übte daö Recht der Opfer für das Volk, war Oberrichter und Voll zieher des Rechts und der Gesetze, doch blieb die Berufung von ihm an den Adel offen. Der Senat war ein Ausschuß der Adclsgeschlechtcr;
er übte, gleich dem Könige, eine blos übertragene, auSsührende, vor bereitende Gewalt, die indeß lebenslänglich war. Starb der König, so traten die zehn Vorsitzer des Senats in den Genuß der höchsten Würde, und beantragten, oft sehr verspätet, eine neue KönigSwahl. Die Adelsgeschlechter Roms gingen von drei Stämmen (tribus) aus, jeder zu hundert Geschlechtern, daher auch die drei Centurien geheißen. Versammelt schaarte sich der Adel nach je zehn Geschlechtern, Curien genannt; ihrer sind dreißig; jede der dreißig Curien gab eine Stimme.
Die Deliebung der Mehrzahl der Curien, nicht die Köpfe, war Adels schluß, ja auch in der einzelnen Curie entschieden nur die Gentes; die Kopfzahl gab blos innerhalb der Gens den Ausschlag. Waltete gleich
anfangs ein Unterschied im Rechte zwischen den drei nach und nach zusammengekommencn Stämmen ob, so trat doch bald wesentliche Gleichheit ein, und auch der zuletzt aufgenommene Stamm der Luceres, lange geringeren Geblüts geachtet, durfte seit Tarquinius Priscus sein Hundert in den Adelsrath der nun Dreihundert senden. Der Adel besaß auch die Uebermacht des Vermögens.
Sein Acker
land zwar, dicht um die Stadt herum, war ein kärglich zugemessener
Besitz; zwei Joch Ackers konnten für den Hausstand an Korn und Baumfrucht wenig leisten, und der Viehstand auf der Gemeinwiese
249
Staatsversassung in Rom. mußte wohl das Beste thun;
aber als
das Staatsgebiet sich ver
größerte, nahmen die Geschlechter als regierende Gemeinde den meisten Zuwachs in ihre ausschließliche Nutzung, genug wenn jedes von seinem
Antheil den Zehnten in die Staatskasse zu entrichten versprach.
Auf
diesem seinem Staatsacker ließ der Adel zahlreiche Untergehörige wohnen, sei eS, daß sie ein Gewerbe betrieben oder ein Paar Joch Landes bittweise bauen durften. Nach ihrer Menge maß man die Gewalt eines Geschlechtes. Sie selber, die Clienten, wurden in die Geschlechter mit hineingezählt, aber blos als dienende Mitglieder, die der Staat ES fehlte zwar dem Ver hältnisse nicht an Würde und Gegenseitigkeit, aber Ausartung in Helotismus lag nahe, nur daß bei der charakteristischen Stärke des
nur durch ihre gentilen Vertreter kannte.
römischen Familienbandes, tief ausgeprägt in väterlicher Gewalt und Ehe, an ein Opfer der Familie, wie Lykurg's Volk es täglich brachte, nicht zu denken war.
Sonst ist die Staatsanlage spartanisch genug. Denn eben so wenig, als die Clienten, hatten die freien bürgerlichen Grundbesitzer im wach senden römischen Gebiete, Plebejer geheißen, irgend einen Antheil an Ihre Familien wohnten in dreißig Bezirken (regiones), die Bevölkerung jedes Bezirks bildete eine Gemeinde, welche tribus hieß, ohne mehr als den Namen mit den patrizischen GeschlechterTribuö gemein zu haben. König Servius Tullius gab der Plebs der Regierung.
diese Eintheilung. Die Gemeinde-Angelegenheiten der TribuS eines Bezirks durfte ein Tribun leiten, auch gab ihnen Servius Richter für
bürgerliche Streitigkeiten, von jeder Tribus selber zu wählen. sammlungen
sämmtlicher Tribus
hatten,
Ver
wenn überhaupt gestattet,
lediglich Gemeinde-Zwecke, keine Bedeutung irgend für den Staat. Gleichwohl ist König Servius, soweit die Zeit es zuließ, Rom's
Solon geworden. Er nahm dem Adel die Regierung nicht, nicht den alleinigen Zutritt zu Königthum und Staatsämtcm, aber er stellte neben ihm eine von der adligen Geburt unabhängige, selbständige
Macht des Besitzes aus, eine Versammlung der vermögenderen Freien im Staate, deren Genehmigung fortan für Gesetze und Wahlen er forderlich fein sollte, die mithin ein Nein hatte.
Das war der wich
tige Sinn seiner fünften Klaffe der vermögenden Bürger, wenn man den Anfang plebejischer Rechte beachtet, indeß berichtigte sie zugleich das bisherige System des Kriegsdienstes und sonstiger Staatsleistungen. Fortan soll der Vermögendere allein mit der Lanze und der kostspieligen
250
Rom.
ganzen oder halben Erzrüstung in den ersten Reihen die Gefahr be
stehen, während die ärmere Zahl leicht bewaffnet und ruhinlos, aber auch fast kostenfrei hinten nachdrängt; auch die Steuer soll den Ple
bejer nur nach dem Maße seiner Klasse belasten.
Aber eben so wenig als von Alters her die Curien, darf die Ver sammlung der Klassenbürger nach Kopfzahl über Wahlen und Gesetze
stimmen, die Einzelstimme hilft bloß eine der Gesammtstimmen bilden,
und die große Mehrzahl der Gesammtstimmen ist dazu den ersten Ver mögensklassen beigelegt; ja Alles ist so eingerichtet, daß wenn auch
uur die achtzig Centurien der ersten Klasse zusammenhalten, und mit
den achtzehn Centurien
patrizischer und plebejischer Ritter,
Standeswegen außer den Klassen mitstimmen,
ebenfalls
die
einig
von sind,
diese 98 Stimmen ganz allein den Sieg davon tragen; denn die nie
drigeren Klassen treten ihnen mit nur 97 Centurien gegenüber.
Aber
außer der Centurien-Einrichtung und der Vermögens-Aristokratie ist der Gewalt der Zahl noch eine dritte Beschaffenheitsschrankc gesetzt:
ein Vorrecht des Alters, indem die Hälfte der Centurien jeder Klasse den
mehr
als fünsundvierzigjährigen Bürgern eingeräumt
wird,
die
doch der Kopfzahl nach nur etwa halb so stark, als die jungem'sein
konnten.
Und
viertens:
überhaupt
eine
enggezogene
die
Wirksamkeit dieser
Gränze.
Versammlung
hält
kam
vom
Jeder Antrag
ihr
Adels-Senat, auch der Vorschlag zu den Wahlen, nirgend eine redne
rische Bewegung,
es
war eine
stumme Volksversammlung,
die
der
Centurien des Marsfelds, nur zur Annahme oder Verwerfung befugt.
Dennoch übte sie ein großes politisches Recht, das Nein, und es schien den Patriziern zu viel damit gethan. dem Servius Thron und Leben. gestürzt.
Die Veränderung kostete
Bald war das Königthum
ganz
So lange der beiden Ständen furchtbare vertriebene Tyrann
lebte, wurden die servischen Gesetze gehalten; man sah einen plebejischen
Konsul in Centuriat-Comitien erwählt.
Als aber Tarquin todt war,
da blieb unerfüllt der wahrscheinliche Grundgedanke des Cvnsulats, den
schon Servius hegte, daß einer aus dem populus und einer aus der plebs fortan die höchste Würde im Staate gepaart bekleiden sollten.
Nicht allein die Wählbarkeit, sondern auch das Wahlrecht behaupten die Curien für sich allein, sie entziehen sich dem Zehnten vom ager publicus und warfen alle Abgabenlast auf die durch Kriegsdienst in oft unglücklichen Kämpfen ohnehin erschöpften Gemeinden, und keine
Wiederherstellung
erscheint,
bis
das
Uebermaß
der Privatnoth bei
251
Staatsverfaffung in Nom.
gesteigertem Selbstgefühl, einige Legionen zur Verweigerung der Kriegs
dienste
und
zum Abzüge
auf den
heiligen Berg
bringt.
Mit der
Schutzwehr von zwei Tribunen, den zwei Consuln gegenüber, kehren
sie zurück,
längst bekannte Namen,
Diese Volkstribunen,
ganz neuer Bedeutung.
aber in
unverletzlich von Person, üben ein Fürspruchs
und Einspruchsrecht gegen die Ueberschreitungen Es konnte aber nicht fehlen,
beamten.
daß
patrizischer Staats
sie als Ueberschreitung
rügen würden Alles, was seither gegen das Servische Recht geschehen
war. — Das Volkstribunat hat die Verfassung im Sinne der Bürgerfreiheit umgeschaffen.
Die Zahl der Tribunen stieg bald
Zahl der Klassen), dann bis auf daö Doppelte.
bis auf fünf (die
Sie
brachten die
freie lebendige Rede, ein bisher unbekanntes Element in die Centuriat-
sie
Versammlnngen,
in den schützenden Antrag.
Alles
nicht ohne mannigfachen Kampf nach innen und außen.
dieses
zwar
Ihr Antrag
ging aus der Entscheidung der Mehrzahl des Tribunen-Collegiums
Diese Mehrzahl aber war nicht selten im patrizischen Inter
hervor.
esse gewählt, vermöge des Einflusses, den die herrschenden Geschlechter
dadurch in den Centuriat-Versammlungen zu gewinnen anfingen, daß viele vermögende Clienten Klassenrang erhielten. übten
sogar,
der
untergeordneten
Stellung
der
Ja, die Geschlechter
Centuriat - Cvmitien
gemäß, anfangs ein Bestätigungsrecht der jährlichen Tribuuenwahlen
Auch pflegten die Patrizier dem Rechte der Tri
durch ihre Curien.
bunen Anträge zu machen, die die ganze Staatsverfassung angingetk,
heftig zn
widersprechen,
an welchem biö
und
über dem Wortkampfe
zu Sonnenuntergang jedes Geschäft
ging der Tag, abgethan sein
mußte, dann ohne Erfolg verloren. Damm war
es
entscheidend,
als die Tribunen schon im dritten
Jahrzehend ihrer Wirksamkeit rein plebejische Tribus-Versammlungen durchsetzten, in denen sie selber gewählt wurden, und die zugleich das Recht hätten, über tribunizische Anträge, welcher Art sie
auch
sein
möchten, unbegutachtet vom Senat zu berathschlagen und Beschlüsse
zu fassen.
Solchen Beschlüssen fehlte freilich noch viel zn einem Ge
setze, aber sie bildeten eine mächtige öffentliche Meinung; „sie waren
die Preßfteiheit jener Zeit" (Niebuhr),
und von nun an ging das
Tribunat von seinem hemmenden Charakter zu einem positiv gestalten den über.
Gleichheit der Rechte war das aufgestellte Ziel.
Je näher
252
Rom.
man diesem rückte, um so mehr mußte auch der Anspmch der Plebs,
Antheil an dem Staatsacker zu haben, durch Ackergesetze zur Frage kommen.
In den neuen Comitien fand zwar keineswegs eine Durch
stimmung durch Kopfzahl durch die ganze Versammlung
statt, aber
indem in jeder einzelnen Tribus die bloße Kopfzahl entschied, schwan
den alle Beschaffenheitsunterschiede weg.
Nach solchen Vorgängen geschah, als die Stadt beinahe drei Jahr hunderte alt war, vom Tribunal der Antrag auf ein neues Staats-
grundgesetz,
das
heißt,
Staatsrecht,
Strafrecht,
Privatrecht sollten
mehr ins Gleiche für alle Stände gestellt, und die neue Satzung sollte
geschrieben werden.
Nach einem zehnjährigen Kampfe gab der Senat
nach, man war es zufrieden, daS gefährliche Tribunal auf dem Wege zur neuen Ordnung zu beseitigen.
Wirklich hörte unter der Herrschaft
der zehn Gesetzgeber das Tribunal ganz auf; und die Plebs hielt sich für hinlänglich enffchädigt, seit sie, bis dahin ausgeschlossen von hohen
Staatsämtern, und selbst einen nur der Consuln aus Patriziern zu wählen berechtigt, im zweiten Decemvirat Männer auch ihres Standes
unter den Gesetzgebern thronen sah.
Allein der Ausgang betrog die
Erwartung der Antragsteller; die alte Satzung war am Ende durch
die Schrift weit mehr bestätigt,
als gereinigt, die Scheidewand der
Stände urkundlich gezogen, und was ja neues erschien, die Ausnahme von Patriziern und Clienten in die TribuS, versetzte den fortan noch unvermeidlicheren Kampf auf einen für die Plebs vor der Hand weit
Ungünstigeren Boden, und so mag eS eine Folge der ueueingefichrten Mischung gewesen sein, daß nicht lange darauf eine neue Tribunats-
Verfassung die Collegialität der Tribunen aufhob, indem sie die Ab
stimmung über einen Antrag davon abhängig machte, daß alle Zehn für einen Mann ständen.
Nicht also die berufenen Gesetzgeber beider
Stände waren es, es war vielmehr die drohende Volksbewegung, die den jähen Umsturz der ftevelhast zur Usurpation mißbrauchten Decem-
viralgewalt begleitete, welche die Bürgerfreiheit weiter fiihrte. sulat und Tribnnat kehren wieder,
Con-
aber die Centurien wählen nun
zum erstenmale beide Consuln, und auf eben dieser Consuln Antrag
wird
den Beschlüssen der Tribut-Comitien
gleiche Geltung mit den
Centuriat-Beschlüssen für die Gesetzgebung verliehen.
Von daher die
Macht der Tribut-Comitien, in welchen der kühnste Antrag Anklang findet, unwiderstehlich, seit die Clienten mit den Plebejern zu denselben
Staatsverfassung in Rom.
Standes-Interessen zusammenwachsen.
253
Das Einspruchsrecht der Cu-
rien und des Senats, einem Volke gegenüber, kann noch verspäten,
aber nichts verhindern mehr. Von nun an ward rascher, doch immer stufenweise fortgeschritten vom Wählrechte bis zur Wählbarkeit der Plebejer, von den kleineren Staatsämtern bis zu den hohen und höchsten. Aristoteles trat gerade seinen großen Bildnngsweg an, und entnahm auS der Zergliederung so vieler um ihn her untergehender Staatsverfassungen Maß und Regel für den ächten Staatsbau, als tribunizische Beharrlichkeit, die
schon durch Connubien mit dem Adel theilweise verschmolzene Plebs
gerade auf den Punkt zurückbrachte, auf welchen König Servius ste Ein Consul soll von nun an immer Plebejer sein, und ein gemessener Theil vom öffentlichen Acker soll den Patrihatte stellen wollen.
ziern entzogen und unter Plebejer als Eigenthum vertheilt werden. Was noch von ungleichem Rechte übrig war, fiel nun in den nächsten Menschenaltern (339—286 vor Christi) von selber; erst nach voll ständiger Begründung der politischen Freiheit fand die persönliche ihre
Sicherheit durch Aufhebung der alten Schuldknechtschaft. Dergestalt kam aber die römische Plebs, aller Volkswürden theil haftig und privilegirt durch das Volkstribunat, viel weiter, als bis zur beabsichtigten Gleichstellung. Sie kam vielmehr gerade da zu stehen, wo zu Anfang die Geschlechter standen. Bei ihr war die
Herrschaft. Die Bestätigung der Volksbeschlüsse durch die Curien und den Senat ward am Ende biö ans eine unbedeutende Förmlichkeit hin ganz aufgehoben, eine Neuerung, die, was die Curien betrifft, unver meidlich, was den Senat, nachtheilig war; denn den Kern des
Senats bildete jetzt eine geprüfte Versammlung von Männern beider Stände, welche in den höchsten Staatswürden gestanden hatten. Fragt man nun, wie es kam, daß nach der Aufhebung des alten Gegensatzes von Adel und Gemeinden jetzt, bei dem längst verlorenen Königthum, nicht geradezu reine Demokratie einbrach und durch sie Anarchie, sondem vielmehr die Staatsordnung lange Zeit eine ernste
und hohe Haltung behielt, so liegt der Gmnd dieser merkwürdigen Erscheinung keineswegs allein in der Religiosität und lange streng bewahrten Familiensitte, sondern ebenfalls in der Nachwirkung der alten Institutionen auf die öffentliche Sitte, fmchtbar fiir die Mäßi gung und wohlthätige Stätigkeit der neuen. Darum, daß die römische Volksversammlung nie dahin gerieth, blos nach Köpfen stimmen zu
254
Rom.
wollen; darum, daß Anträge zu Beschlüssen oder Gesehen nie aus der Volksversammlung hervorgingen, sondern von dem Senat ausgingen, oder den Consuln, oder den Volkstribunen.
Daher die Bewahrung
der Lebenslänglichkeit und würdigen Stellung ihres Senats, und die
Ehrfurcht vor seinem Gutachten. In eben diesem Sinne ließ man einen gewissen Gegensatz von Demokratie und Aristokratie fortbestehen,
indem man die beiden Formen der Volksversammlung heibehielt.
Die
gesetzgebende Gewalt zwar ruhte wesentlich in den Tribut-Comitien;
außer den Volksttibunen wurden auch die Aedilen und die niederen Magistrate hier' gewählt, wo jeder römische Bürger ohne Unterschied des Vermögens stimmte. Den Centuriat - Comitien aber blieb die Wahl aller (ftüher) altpatrizischer Magistrate vorbehalten, die Ent scheidung über Krieg und Frieden und das höchste Criminalgericht. In diesen Comitien ward in altherkömmlicher Form die patrizische
und nicht patrizische Ritterschaft fortwährend durch besondere Centurien geehrt; von den übrigen Bürgern hatte nur derjenige Recht zu stimmen, der eines gewissen Klassenvermögens war. Nun trat zwar jetzt eine andere Eintheilung und Schätzung an die Stelle der veralteten Klassen
des Servius, welche für die Kriegsaufstellung seit Ausbildung der Legion ohnehin keine Bedeutung mehr hatten, und die umgebildeten Centurien wurden jetzt Theile der Tribus, so daß jede Tribus mit zwei Centurien stimmte; allein den tiefwirkenden alten Unterschied der Centurien der Aelteren und der Jüngeren führte man auch bei der neuen Einrichtung durch. Ebenfalls ließ man zwar zeitgemäße Aenderungen an der Zahl der Tribus zu, deren Zahl fich ftüher durch Landverluste von dreißig auf fünfundzwanzig vermindert hatte, und die sich jetzt durch die allmählige Aufnahme italischer Völkerschaften in volles Bürgerrecht bis zu fünfunddreißig vermehrten, allein man ver
hütete den Andrang fremdartiger Massen gerade dadurch, daß man
den neuen Bürgern wenige neue Tribus für sich anwies, und eben mäßig die neuaufgenommene Menge Gewerbtreibender und Freigelassener. Rom's in vier städtische TribuS zusammenzwängte. Somit wirkte die Sorge, daß Rom Mittelpunkt der Herrschaft bliebe, Italien nur unter geordnet theilnähme, kräftig zur Erhaltung der alten Formen mit und
Rom war verloren, wenn man nach Kopfzahl stimmte. Die Staatsverfassung, einmal ins Gleiche gestellt, kam zur Ruhe und das Gutachten des Senats behauptete fortwährenden Einfluß auf die Gesetzgebung. Der Senat führte die FinanzverwalMng, legte die
Staatsverfaffung in Rom.
255
Steuern auf, welche überdem bald Italien nichts mehr angingen; er hatte die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, und Richter aus
dem Senat sprachen in peinlichen Fällen, Volksrichter nur in bürger lichen. Aus der Vereinigung so vieler Thätigkeiten ging ein factisches Veto deS Senats hervor, rischen Familien mittheilte, der Geschlechtschnen, und fahren ermangelte, schwer
eine Bedeutung, die sich auch den senatowelche nun nach Amtsahnen zählten, statt es dem Römer, welcher curulischer Vor genug machten, in den geschloffenen Kreis
dieser neuen Nobilität einzudringen, und wenn er arm war, fast un möglich. Denn die erste Stufe zum Nmtsadel, die Aedilität, konnte
seit dem ersten punischen Kriege nur durch Festspiele, aus eigenen Mitteln zu bestreiten, erstiegen werden. So war ein Herkommen wieder da, eine Aristokratie, von der das Staatsrecht nichts wußte, und deren Macht doch jede Stunde bezeugte. Bei dem Allen war nicht zu erwarten, daß eine Verfassung, welche
ohne anerkanntes Gegengewicht am Ende doch auf den Willen des
einen Körpers der Volksversammlung beruhte, dauerhaften Bestand habe.
Schon Polybius empfand, daß ihr die Nothwendigkeit abgehe.
Jede freie Verfassung rechnet auf Tugend im Volk, aber auf ein tugendhaftes Volk darf keine rechnen. Am wenigsten ein Staat, der erobert, denn wer herrscht, lernt am Ende auch genießen. Den Verfall der Freiheit und alten Ordnung brachte 1. die Erweiterung des Reichs über Italien hinaus durch Er werbung einer Menge nicht mehr einzuverleibender, blos dienender
Gebiete.
Das war unwiderruflich Verzichtung auf Volks- und Re
gierungs-Einheit, und mit dem ersten Statthalter eröffnete sich die lange Reihe gefährlicher Staatsbürger.
2.
Die verführerische Versuchung,
die der Volks-Souveränität
durch das Herkommen gesetzte Schranke dennoch zu durchbrechen. Als der Tribun Flaminius (232 vor Christi) zum erstenmale das Ansehn des Senats nichts gelten ließ, sein unvorsichtiges Ackergesetz gegen dessen hartnäckige Weigerung durchführte, kündigte das Volk damit
seine Selbstregierung an. Wenn es dennoch zur Zeit wieder hinter die Schranke zurücktrat, so war das ein seltener Herrscherverstand, für die Dauer unverbürgt. 3. Die dichte Zahl von Eroberungskriegen, vom zweiten punischen bis zur Unterwerfung Macedonien's GriechenlaNd's, Karthago'S. Der Pflug stand still in der freien Hand, Sinn und Kraft wandte sich
256
Rom.
auf die zu bezwingende und zu beherrschende Welt.
Den nach außen
erfolgreich Ungerechten genügte die Gebundenheit jit Hause von keiner Seite mehr. 4.
Der Zufluß von Weltreichthum, der dem Siege folgte, und
eine Ungleichheit des Vermögens von viel furchtbarerer Gestalt, als
früherhin, hervorrief.
Die Zahl der Sklaven in steter Zunahme, wäh
rend sich Italien von freien Bauern entvölkert.
AlleRhalben statt der
Bauerngüter, auf welchen die Besieger der Welt erwuchsen, Latifun dien, auf denen der Sklave den Pflug führt. Der Anblick des von Freien verödeten Etrurien's erzeugte im Hause der Gracchen die Plane eines Kleomenes. 5. Seit dem Mißlingen der Gracchischen Rogationen, die den
früheren Tagen Roms fremde Entscheidung von Staatsfragcn durch Gewaltthat und Bürgermord. 6. Die Ausartung des Tribunals, des Gründers der Bürger
freiheit, in eine der Freiheit gefährliche Macht; sein Mißbrauch er leichtert durch die Verbreitung der neuen Bürger durch alle Tribus, bald nach dem BundeSgcnossenkriege. Dazu die Bewaffnung des städtischen Pöbels durch C. Marius; Verderb der niedern Klasse durch Austheilung von wohlfeilem Getreide, das bald umsonst gegeben wer den muß, zur großen Belastung der Finanzen zu einer Zeit, da in Folge deS Systems der Verpachtung der Provinzial-Einkünfte die Steuerkräste bereits im Sinken sind.
Die Entscheidung über den Freistaat gab Sulla, als er durch die bewaffnete Macht die Staatsvcrfassung änderte, wenn auch für dies
Mal zu Gunsten
der alten Ordnung, und diese Aenderung durch
Militair-Colonien bewachen ließ.
Seit die Heere über die Verfassung
geboten, durfte PompcjuS eigenmächtig das Morgenland
bis
zum
Euphrat erobern, in Provinzen und abhängige Fürstenthümer Zerfällen
und sich der Verdoppelung der Staatseinkünfte rühmen, Cäsar das gallische Abendland bezwingen, einrichten, den Staat, der nie aus
wachsen sollte, noch auf Brittannien und Deutschland anweisen; die Vermehrung der Staatseinkünfte um ein Drittheil war seine Rechen
schaft. Neben Männern mit königlichen Einkünften, denen jeder ihrer Kriegsleute ein Vermögen dankte, dazu oft italischen Grundbesitz auf Kosten der rechtmäßigen Inhaber, galt Bürgerfreiheit nichts, die haupt
städtische Volksversammlung, schmachtend nach Brod und Lustbarkeiten, lediglich als Werkzeug.
Ein Cicero ließ es sich gefallen, den Zweck
257
Staatsverfassung in Nom.
des römischen Staats in der Erhaltung der großen Familien zu er kennen. —
Aus Julius Cäsar's lichtem Haupte entsprang der Gedanke, durch
Wiederherstellung eines rechtmäßigen Königthums den Staat aus der
Schwankung zu reißen; ein Grundgesetz der Monarchie, dessen Wächter der Senat wäre,
war noch möglich;
aber die Dolche
von Brutus
rettend vielleicht, was sie nicht kümmerte, die zu den
und Cassius,
größesten Dingen bestimmte durch Cäsar'ö letzte Entwürfe schwer be drohte Freiheit der Deutschen, gaben der einzigen, auf die realen Ele
mente anwendbaren, freiheitlichen Ordnung den Todesstoß. Die Gräuel der Triumviren waren,
den Nutzen
die auf
gestellte Ansicht einmal
zugegeben, größtentheils nothgedrungen, unerläßlich, um ein paarmal-
hunderttausend ungestüm drängende Krieger mit Geld und italischem Acker abzulohnen; und
als
einer
unter den Triumviren die Allein
macht unter erlogenen Formen der Republik davontrug, blieb es zweifel
haft,
seinen
ob
Nachfolgern
der
Senat
das
Imperium übertragen
werde, die Bezeichnung des Vorgängers ehrend, oder ob die Garden,
oder Beide vereinbart, oder auch vielleicht ein Gränzheer.
Das Eine
stand fest: der Traum der Wiederherstellung der Republik kann wohl ini Senat noch geträumt werden, aber die bewaffnete Macht huldigt
nur monarchischen Formen mehr. Der Ausgang war blos zu Anfang dem Senat, bald entschieden
den Garden günstig; also ein Principal von einer Kriegertruppe, die denn doch gewissermaßen Rom
angehörte
oder unter
in Erwartung
der Bedingung einer reichen Spende, übertragen, vom römischen Senat
hintennach gebilligt und in die Form gebracht.
hatte das jauchzende Zusehn. ständen
der Provincialheere
Die Volksversammlung
Als der letzte der Cäsaren den Auf erlegen war,
zeigte sich
ungeachtet
der
förmlichen Uebertragnng der alten Verfassungsrechte durch den Senat an Vespasian, die Nähe
der Gefahr,
daß Rom,
aufhörtc, Mittelpunkt des Reichs zu sein.
allen
Enden
Senat,
in
deS
die
römischen
Reiches
kamen
römische Ritterschaft, und
selbst Italien
ja
Denn die Begüterten auS
jetzt
in
den
nicht lange,
römischen
so sah man
Spanier, welche Kaiser wurden.
Alle besseren Kaiser hoben den Senat als das einzig übrige Bild der alten Ordnung,
wäre es auch nur durch die Zusage, daß kein
Senator hingerichtet werden dürfe; hoben die Ehre der Gesetze, und
mochten deshalb neben dem Rechte der Ausnahmen (princeps legibus Histor. Lcscbuch. I.
17
258
Rom.
solutus est) recht gerne den Satz gestellt wissen: quae facta laedunt
pietatem, existimationem, verecundiam nostram et (ut generaliter dixerim) contra bonos mores sinnt, nec facere nos posse creden— dum est; beriefen deshalb ihre großen Meister in der Rechtsgelehr samkeit, die einzig bewährten Charaktere der Zeit, in ihr Hofgericht, wo der Kaiser in Person sprach, als Beistände, und mancher Statt
halter mußte empfinden, was es, bedeute, daß er nun nicht mehr, wie
zur Zeit des Freistaats, in letzter Instanz Recht spreche.
Alles be
ruhte indeß auf der Persönlichkeit des Kassels, und bei dem Mangel
aller
zwingenden Gmndsätze ward die
ohnehin schwach vererbende
Kraft des Guten — während das Böse tief in die Fasern ganzer
Geschlechter sich einnistet — vollends ohnmächtig.
Die schlimme Art
Kaiser Valens ließ sich überreden, die Wahrnehmung des oberstrichterlichen Amts fei tief unter seiner Würde. brach zuletzt immer durch.
Vornehmlich krankten die Finanzen. Schon Diocletian das Reich um besserer Ordnung Willen theilte, die doch nach seinem Wunsche ein Ganzes die Steuerfreiheit Jtalien's, so oft faktisch schon
Grundsätze nach verloren.
seit der Dalmatier in vier Kassercheile bilden sollten, ging verletzt, auch dem
Aber Italien war nicht mehr unerschöpflich.
Die Zahl der Privatvermögen von königlichem Umfange schmolz zu
sammen, seit besoldete Statthalter waren, und nur der Kaiser in
Person erobern bürste.
Aber für den kaiserlichen Bedarf wurden jetzt
die Provinzen ausgeraubt, räuberische Beamte fanden Vorschub, um hernach wie ein Schwamm ausgedrückt zu werden; schon-Caracalka verlieh allen Freigebornen im römischen Reiche römisches Bürgerrecht, lediglich um der Steuern Willen, die mit diesem Rechte zusammen
hingen. Die neue Ordnung, welche Diocletian und Constantin in das Abgabenwesen brachten, erleichterte schlechten Kaisern die jähr lichen Steuererhöhungen, doppelt peinigend durch ein Quoten-System.
Der unerträgliche Steuerdruck erschuf eine dem Reiche bisher fremde Klasse der Bevölkerung: leibeigene Bauern, und nicht blos in Gallien endlose Kriege dieser Bagauden gegen ihre Dränger. Das verzweifelnde Landvolk begrüßte in den Soldaten seine Pro tektoren, die auch wirklich oft besser, gegen das Gesetz eingreifend,
halfen, als den unter Armenlasten und solidarischer Steuerhaftung
ftufzenden, doch im Glanz der Gebäude strahlenden Städte» ihre ge setzlich bestellten Defensoren. Denn der Soldat war weder römisch, noch italisch mehr, auch gehörte er nicht den Provinzen ohne Unter-
259
Staatsverfaffung in Rom. schied an;
er ward in den Gränzprovinzen zusammengeworben,
an
beiden Seiten der Gränze, glücklich noch, wenn der Kem aus solchen Barbaren bestand, die im Reiche geboren, geführt waren»
oder als Geißel hinein
Der römische Unterthan kaufte dir Dienstpflicht für
ein willkürlich bestimmtes Tarat ab.
So sehr hielten die Barbaren-
Völker draußen, als ihre Stunde kam, blos die Nachlese des römischen Wohlstandes.
daß ein Mann von altrömischen Erinnerungm
Dahin geriech eö,
selbst in den verschwundenen Prätorianern den Untergang einer römi schen Volksvertretung
zum Stadtrath
Der Senat von Rom war
bedauern konnte.
gesunken
(nothwendige Folge der Reichstheilungen!),
blos in dem Kaiser, mochte einer auch in Nicomedien oder Malland
oder endlich in Constantinopel residiren, mochte er allein Kaiser oder mit mehreren, oder Ober-Kaiser sein, war der Staat, der der römische
welchen Barbaren (die tüchtigsten von
enthalten,
noch
hieß,
auch
in der Rüstung
außen
des
Auslandes)
Der Kaiser war
bestürmten.
ihnen
von innen beschützten,
von
sacrum numen
und
numen,
heilig vom Diadem bis zur Purpurtinte, ohne Einspruch der neuen Staatsreligion ein Gottmensch in Seide und Gold, von Halbmenschen
und adorirenden Unverschnittenen umgeben,
—
und
doch und eben
deshalb kein König.
Zu Arkadius wagte SynesiuS
aber, dem jugendlichen Kaiser des
Morgenlandes,
wahr zu reden: „Der Unterschied
zwischen König
und Tyrann," sprach er, „liegt nicht in der Menge der Unterthanen, so wenig, als der Unterschied zwischen Hirte und Koch in der Größe
der geweideten oder der geschlachteten Heerde besteht.
Dem Könige
wird zur Natur das Gesetz, die Natur des Tyrannen macht sich zum
Gesetze.
für den Herrscher,
Schimpflich
Volke bekannt zu sein.
blos
durch
Maler
seinem
Wann stand es besser um das Reich, heut
zutage, da ihr verpurpurt und vergoldet seid, mit Steinen aus bar
barischen Bergen und Meeren
vom Haupte
gegürtet,
wie Pfauen strahlend in steinernen
geschnallt,
bepolstert,
bis
zur Sohle
besetzt,
Röcken, die bei Homer eine Verwünschung sind, und doch wie Eidech sen, nie aus Eurer Höhle hervorgehet, verbrannte das Heer führten?
oder damals als Sonnen
Der kriegerische Herrscher allein ver
mag auch der wahrhaft ftiedliche zu sein.
Ihr vermeidet den Namen
König (in Athen zur Zeit der Volksfteiheit ein kleines verantwortliches Amt) und nennet Euch nie mit diesem Namen, als einem verhaßten,
17«
260
Rom.
weder gegen eine Stadt, noch einen Privatmann, noch einen barba rischen Fürsten, Ihr nennt Euch Imperatoren, aber das bedeutet einen Feldherrn. Mit Unrecht meidet Ihr daS Königthum, welches Platon
eine Gottesgabe für die Menschheit heißt.
Das ist es auch, wenn
das Königthum nicht aus dem Verborgenen schreckhaft dann und wann hervorbricht, sondern geräuschlos und gleichmäßig, wie die Gottheit,
die menschlichen Dinge ordnet, Jedem zutheilend, wessen er empfänglich
ist.
Wird denn die Sonne verachtet, weil sie sich blicken läßt?
Soll
das längst zur Geburt drängende letzte Geschick des römischen Reichs nicht hereinbrechen, so muß Gott und ein König helfen."
Allein der Fortgang
seiner Rede zeigt, daß für das Königthum
auch daS Volk schon fehlte, das will sagen, ein mit Nothwendigkeit
zusammengehöriges Menschenwesen, ein Gemeinwesen der Gesinnung. Wo weder das Zusammengewachsene mehr ist, noch das
Gebildete, da bleibt blos eine Bevölkerung übrig, lichen Form fähig, keiner durch ihr Wesen angehört.
die,
in Eins
jeder ersinn-
(Dahlmann.)
13. Die Hermann'sschlacht. Mit Eäsar's Abzüge aus Gallien schweigen alle Denkmäler über die deutschen Völker; Gallien selbst aber ward römisch in Sitte und Sprache bis zum Rheine, der jetzt die Gränze gegen Deutschland bil dete, und eine lange Ruhe scheint dem langen Kampfe gefolgt zu sein.
Erst nachdem der große Cäsar in seiner Herrschaft zu früh für das entartete Rom durch Meuchlerhand (44 v. Chr.) gefallen, und sein Enkel Octavius dauernde Alleinherrschaft gründete, wird erzählt, daß dieser seinen Feldherrn Agrippa nach Gallien gesandt habe, um die
entstehenden Unruhen schnell zu unterdrücken, und dieser habe dann die gegen die Römer
Ubier nach Gallien versetzt, daß sie ihre Treue
bewähren und Hüter deS Flusses gegen ihre kriegerischen Brüder sein sollten.
Sie gehorchten, verließen vielleicht auch von den Sueven ge
drängt,
ihr altes Vaterland,
erhielten Städte und Römersitte und
Sprache, aber noch spät rühmten sie sich mit den Nervicrn und Treviren ihrer deutschen Abkunft gegen die unkriegerischen Gallier.
Die Verbindung, welche früher unter den Rhein-Anwohnern bestand,
dauerte zwischen den verwandten Stämmen fort, und jetzt zogen selbst
römische Kaufleute aus dem milderen, reicheren Gallien nach Deutsch
land und brachten neue Waaren, neue Bedürfnisse und selbst neue
261
Die Hcrmannschlacht.
Götter, der berauschende Wein, das Gift der Freiheit für alle wilden
Völker, den sie früher verabscheut, wurde nun eingeführt, und gegen
Thierhäute, Wachs und Honig, die vorzüglichsten Erzeugnisse Deutsch lands, gewonnen, und still und allmählig hätte sich so Deutschland im Frieden aus seinem Hirtenstande erheben mögen, gelehrt von den Galliern und Römern, aber der Krieg beschleunigte die Entwickelung
im großen Kampfe.
Denn als eines Tageö die römischen Kaufleute
alle, gleich als Kundschafter oder Betrüger, erschlagen wurden, beschloß Augustus die Schmach zu rächen, und Vinicius ging auf seinen Be
fehl über den Rhein, schlug den ersten Stamm, auf welchen er traf,
kehrte aber bald wieder zurück.
Nicht mehr gewann sein Nachfolger
Lollius, der einigemal über den Strom setzte; er wurde endlich selbst
geschlagen, die Deutschen verfolgten ihn nach Gallien, und fielen nun,
da sie
der Römer Schwäche erfahren, wieder
öfter in dieses Land
ein, und so war Anlaß zum fortdauernden Kampfe gegeben, da zumal
die Römer bald auch von einer ander» Seite Nachbarn der Deutschen wurden. Denn nachdem DrusuS und Tiberius, die Stiefsöhne des Augustus,
die gallische» Völkerschaften an den Alpen und um den Bodensee be siegt, und alles Land bis an die Donau hin erobert und eingerichtet hatten:
weckten diese Siege die Lust nach neuen,
und
als DrusuS
bald darauf an den Mittclrhein gerufen wurde, um Gallien vor dm
Einfällen der Deutschen zu sichern, machte er zugleich Versuche,
ihr
Land selbst kennen zu lernen, und dann mit Glück gegen sie zu kämpfen.
Er setzte über den Strom (12 v. Chr.) durchstreifte mehrere Gegenden
abwärts, indeß ihm die Flotte zur Unterstützung und Zuflucht folgte,
schiffte selbst an den Küsten des Nordmeeres hin, nahm einige Inseln, zwang mehrere Stämme, ihm zu huldigen, befestigte den Fluß durch
mehrere Burgen, und
kehrte
mit
großem Ruhm nach Rom zurück.
Aber die Lust nach Thaten ries den Jüngling bald wieder zurück,
zumal er gehört, daß die Deutschen jetzt selbst gegen einander kämpften. Die Sigambren waren gegen die Chatten gezogen, weil sie sich ge
weigert, gegen den gemeinsamen Feind zu stehen; diesen gleichsam zur Rettung erschien jetzt DrusuS, bezwang die Usipeten und drang über
die Lippe durch das Land der Sigambren bis an die Weser (11 v. Chr.), wo die Cherusker wohnten.
Mangel an Lebensrnitteln und der nahe
Winter hinderten ihn mehr auszuführen, und glücklich entging er auf
dem Rückwege den Nachstellungen und baute zwei Burgen am Rhein
262
Rom.
imb an teer Lippe, mchr «m seine Eroberungen, als die Chatten da durch za schützen, und von da aus einst weiter und sicherer vorzuteringm. Aber kaum war er entfernt, als die Chatten reuevoll im Gefühl ihrer alten
Freiheit teer Römer Freundschaft und Joch
verachteten,
(10 und 9 v. Chr.) sich wieder an chre Brüder schloffen und teere Kampf begannen.
Von Neuem erschien daher Drusus, überwand sie,
und verheerte weithin das Gebiet und drang endlich selbst bis an die
Weftr vor.
Dort setzte er seine letzten Siegeszeichen.
Auf deS Flusses
anderem Gestade erschien ihm ein Weib ungewöhnlicher Größe und sprach: „Wohin willst Du noch?
Ist für Dich keine Gränze?
um, daS Ziel Deiner Thaten ist nahe."
Kehre
Er kehrte zmück, sah aber
teere Rhein nicht wieder; im dreißigsten Jahre seines Akters starb er, erwünscht für ,die Freiheit Deutschland's, zu früh und unersetzbar für
das üppige Rom, das in seiner ungeheuern Größe wankte, und zum Ruhme den Helden im Tode
noch
mit dem
Namen
Germanicus
(Besieger der Deutschen) ehrte. Nach ihm zog der grausame Tiberius, ruhmbegierig nach Deutsch land, während Augustus selbst im nahen Gallien verweilte, und noch
ehe es zum Kampfe kam, schickten die Deutschen schon Gesandte wegen des Friedens, nur die Sigambren waren noch in Waffen, und wurden
nur mit Mühe von den Nachbarm zur Ruhe bewegt, um von den Römern einen allgemeinen Frieden zu erhalten.
Da kamen die Edelsten
teer Stämme nach Gallien, aber Augustus ergriff und vertheilte sie in
die Städte, und im Schmerze tödteten sich alle selbst; dann zog Tibe rius schnell
gegen
die
erschreckten,
ihrer Mhrer beraubten,
Völker,
schlug und zerstreute sie, mordete im Frieden, und führte über vierzig tausend der tapfersten Sigambren nach Gallien, und so groß waren
Grausamkeit, Macht und Herrschaft der Römer, die von diesen Vor gängen und einigen folgenden Zügen des Tiberius mir Weniges be
richten, daß daö ganze nördliche Dmtschland zu huldigen oder doch
jetzt zu schwach zu sein schien, neuen Kampf zu wagen. Rom nannte das Land zwischen dem Rhein und der Elbe
Provinz,
wenn eö
auch nicht eigeMlich bezwungen war;
schon
allmählig
gewöhnten sich die Deutschen an römische Sprache und Sitten; Burgen
im Lande erbaut erhielten und erzwangen Gehorsam; viele der Edelsten wurden durch den Reiz des Reum, den Glanz der Frmndschaft mit dem mächtigen Kaiser gewonnen; wer nicht gehorchen wollte, zog sich
in des Landes Innere zmück; die Uebrigen wmden Verbündete und
Die Hermannsschlacht.
263
Schützlinge der Römer, dienten bei ihren Heeren und wanderten in
Schaaren nach Rom, wo sie zum Kampfe für ihre Unterdrücker ge bildet, auch belohnt und geehrt wurden. August nahm aus dm kräftigen Jünglingen seine Leibwache; Deutschland schien fiir immer besiegt, und Land- Himmel und Menschen allmählig milder zu werden
durch die Bildung, welche die Fremdlinge verbreiteten. Während aber Rom seine Herrschaft durch die Künste verbreitete,
durch welche jedes gebildete Volk allmählig über daS rohe siegt, drohte ihnen plötzlich ein gefährlicher Feind in Deutschland's Mitte.
Marbod, ein edler Jüngling aus dem weitverbreiteten Stamme der Sueven, war lange Zeit in Rom gewesen, geachtet und ausgezeichnet und wurde, als er wieder nach Deutschland zurückkehrte, zum Führer
in seinem Volke gewählt; da unternahm er eS, durch gemeinsame Verbindung der umwohnenden Stämme, erfahren in der Kriegskunst der Römer, sich diesen zu widersetzen und vielleicht dann selbst dauernde
Oberherrschaft über die Deutschen zu gründen. So sammelte er die von Drusuö gedrängten Stämme zwischen dem Main und Neckar, führte sie gegen Morgen, vertrieb die gallischen Bojen, welche am linken Donau-Ufer bisher noch immer gehauset, auS ihren Sitzen und hoffte nun in dem bergumschlossenen Lande leicht sich zum Kampfe zu rüsten und die beginnende Herrschaft zn sichern.
Bald wurde der Häuptling der Verbimdeten, die sich Markmannen nannten, wahrer Fürst; übte gleich den Römem seine Soldaten; ge währte römischen Kaufleuten und Flüchtlingen Aufnahme und Schutz; und schon bildete sich um seinen Sitz eine Stadt, deren Name selbst
ehemals den Deutschen verhaßt gewesen. Aber noch schmeichelte er den Römern, nannte sich ihren Bundesgenossen und Schützling, heuchelte Treue und wagte nur allmählig gegen Tiberius Stolz und Hoheit zu zeigen. Da ahnete dieser den Entschluß Marbod's, und heimlich ward der Kampf gegen ihn beschlossen und bereitet; er sollte von Mittag
und Mitternacht her zugleich angegriffen werben; schon hatte sich Tiberius an der Donau gelagert, um mit des Frühlings Anfänge ihn zu überfallen, als ihn Unruhen nach Pannonien riefen, wo die römi schen Beamten so grausam walteten, daß die allgemeine Verzweiflung die Besiegten und Gebeugten zu den Waffen rief. Dies verzögerte den Krieg gegen die Markmannep; Tiberius bot gefällig, um nicht
tm Rücken überfallen zu werden und größere Verbindung zu hindem, dem Marbod Frieden an, und dieser gewährte ihn.
264
Rom.
Beinahe zur selben Zeit aber hatte sich nordwärts der Bund der
Cherusker
gebildet,
um die
alte Freiheit
wieder zu
erringen.
Tief
empört über das Walten des geldsüchtigen Quintilius Varus, der als Statthalter in jenen
bezwungenen
Gegenden
nach
Rom's
Gesetzen
Recht sprach, plötzlich deutsche Sitte und Sprache vertilgen und selbst Schätze für sich und den Kaiser erpressen wollte, beredeten sich heimlich
mehrere Stämme mit einander; ein kühner Jüngling, Sigmars, des Cherusker-Fürsten Sohn, der in Rom selbst der Feinde Art und Weise
kennen gelernt und von ihnen selbst geehrt war, wurde zum Anführer gewählt, und für alle Zukunft dauert sein Name „Hermann."
Alle
kleineren Völkerschaften am Westufer der Weser schlossen sich an den Bund, unter ihnen die Vornehmsten: Cherusken, an der Lippe Brukteren, Marsen (Münsterland) und Chatten (Hessen); Zeit, Ort und
Plan des Angriffes wurden bestimmt, und Varus, durch geheuchelte Huldigung so sicher gemacht, daß er nicht einmal dem Schwiegervater
Hermann's, dem Segest, glaubte, als ihm dieser den ganzen Plan enthüllte, oder den Rath im Gefühle seiner Macht und seines Ueber-
muthes verachtete.
Als der bestimmte Tag erschienen, empörte sich,
der Verabredung gemäß,
ein
fiel mordend auf die Römer.
an der Ems wohnender Stamm und Varus beschließt sogleich
auf dem kür
zesten, aber ganz ungebahnten Wege durch Wald und Sumpf gegen denselben aufzubrechen, und beurlaubt bei dem nächtlichen Gastmahle den Hermann mit seinen Genossen, aufbiete und ihm folge.
daß er den deutschen Heerbann
Vergebens warnt Segest, vergebens fordert
er selbst seine und der Uebrigcn Verhaftung, bis Alles entdeckt wäre: über Varus unv Deutschland waltet das Schicksal; er glaubt Nichts
oder verachtet Alles, Hermann scheidet von ihm, sammelt die Genossen, ermordet die zurückgelassenen Römer und eilt dann auf näheren Wegen
dem Varus nach. Mühsam
war dieser unterdessen im langen Zuge mit Packwagen,
Lastthieren, Weibern und Kindern in der Wildniß fortgezogen (9 n. Chr.). Mit jedem Augenblick hoffte er das Ende, wächst die Unordnung: da, da sieht er plötzlich von allen Seiten die Feinde auf sich eindringen.
Vergebens wagte er in der fremden,
mit Sumpf, Berg und Wald
durchschnittenen Gegend die Künste des Krieges, sucht vergebens sich im festen Lager zu sichern: dazu war weder Zeit, noch Raum; der
dichte Wald hemmt die Eile, der Feinde nahes Geschrei vermehrt den Schrecken; leicht bewaffnet dringen sie von allen Seiten heran, eilen
265
Die Hermannsschlacht. zurück,
und
erscheinen
an einer andern Stelle wieder.
schnell
In
zwischen löst häufiger Regen und Sturm das Erdreich auf, zerbricht die Bäume und macht jeden Schritt unsicher.
Mit großem Verluste,
immer umschwärmt und gedrängt, zieht er fort und kommt endlich am Ende des Tages an einen freiern Platz;
da befiehlt
er alles Ent
behrliche zu verbrennen, um den Zug zu erleichtern und bricht am fol
genden Tage auf, besser geordnet, aber wieder durch Wald und Moor, Den Ermüdeten bringt die
verfolgt und geängstigt von allen Seiten.
Nacht und ein unsicheres Lager auf offenem Gefilde nur kurze Ruhe; der Morgen des
dritten Tages naht entscheidend.
Heftiger dringen
die Deutschen an, ihre Schaaren mehren sich mit jedem Augenblicke; die Verzweiflung der Römer wächst,
ihre Reihen werden gesprengt,
zwei Adler genommen; vergebens sucht Varus, selbst verwundet, mit der Reiterei sich durchzuschlageu; es gelingt weder Furcht, noch Wider
stand; die Meisten von ihnen gingen durch Wunden ermattet oder in Wildnissen
und
Sümpfen
zu
Grunde,
fortzieht.
immer kämpfend langsam
während
Als
endlich
das Fußvolk
noch
alle Hoffnung der
Rettung verloren, stürzt sich Varus in sein Schwert,
und verzweif
lungsvoll ergiebt sich darauf, wer noch übrig, den Deutschen.
Und
geschlachtet fielen durch diese die Edelsten der Römer an den Altären,
unter grausamen Martern
aber
endeten
die Geschäftsleute
für
ihre
Missethaten; ganze Geschlechter, welche des Ruhmes und der Schätze wegen, nach Deutschland gekommen, gingen dahin oder dienten noch
lange als Sklaven; dann wurden an Bäumen die Köpfe der erschla
genen Pferde und die gewonnenen Adler als Siegeszeichen aufgehangen, die herrliche Beute an Waffen, Geschmeide und Gefangenen vertheilt. Des Varus Haupt sandten sie an Marbod, der es nach Rom schickte. Mit Schrecken erfuhr man in Rom die entsetzliche Nachricht, drei Legionen, die tapfersten,
waren an der Weser gefallen;
laut klagte
der alte Kaiser in seinem Pallaste, entließ in Angst die Deutschen auS
seinem Dienste und aus Italien und rüstete mit Macht gegen Ueber-
fall; denn er glaubte die Sieger schon über dem Rhein, ja über den Alpen.
Aber diese hatten sich, als sie die fremde Herrschaft gebrochen,
die Burgen zerstört und die Römer aus ihrem Lande verjagt, ruhig wieder zu ihrer alten Lebensweise gewendet, und begehrten keine Er oberung; sie haderten nicht einmal mit ihren Stammverwandten, den
Chauken an der Nordsee, welche der Römer Freunde blieben und Be satzung in ihrem Lande duldeten.
266
Rom.
Aber die Völker waren nun doch einmal aufgeregt, und die Häupt
linge waren zunächst Ursache des fortdauernden Kampfes.
Hermann
und Segest waren Feinde; doch liebt Jener dessen Tochter Thusnelda und entführt sie, da sie ihm der Vater versagt; schnell sammelt Dieser seine Freunde und Genossen, überfällt und fesselt den' Hermann, den
bald darauf seine Anhänger wieder befreien; ja ihr Zwist endet nicht
einmal,
wieder nach Gallien kommt, die Rheinvesten
als Tiberius
verstärkt und über den Strom geht; doch kehrt er, ohne zu schlagen,
und auch in den folgenden Jahren wagt und
nach Gallien zurück,
leistet er bei wiederholten Zügen nichts Denkwürdiges.
Als er aber Gallien dem tapfern Sohne des Drusus, Germanicus, übertrug und nach Italien ging, um nach dem Tode des Augustus
über das große Reich zu herrschen: nahte für Deutschland, das noch
in Zwiespalt mit seinen Häuptlingen lag, große Gefahr (12—17 n. Chr.).
Unvermuthet ging Germanicus über den Rhein, überfiel die sorglosen Marsen bei einem Feste, verbrannte den heiligen Hain und verwüstete
ihr ganzes Gebiet, dann das der Chatten.
Und als er siegreich und
glücklich selbst aus den Nachstellungen der Bmkteren und Ustpeten zu
rückkehrte, kam Botschaft von Segest, der von Hermann'S Kraft und Macht gedrückt, nur im Bunde
mit den Römern
wenn auch abhängige, zu erringen hoffte.
neue Herrschaft,
Da wandte sich Germa
nicus schnell dem Flehenden zu Hülfe und befreite ihn mit den Seinen;
nnter diesen war auch Thusnelde, die im edlen Stolz und würdig eines
Als Hermann den
bessern Looses mit ihrem Sohne gefangen blieb.
Verrath Segest's und die Gefangenschaft seiner Gattin erfuhr, rief er
von Gau zu Gau zum erneuerten Kampfe, und bald stand er den Römern zwischen Ems und Weser gegenüber. darauf zogen sich die Römer zurück,
ein Theil
Hier ward geschlagen, erlitt aber auf dem
Wege beinahe das Schicksal des Varus, nur die Klugheit und List
deS Cäcinna, der die Schaaren fichrte, brachte Rettung, da die Deutfthen allzuheftig und voreilig anstürmten.
Im folgenden Jahre erschien Germanicus mit einem zahlreicheren
Heere,
durch
gleich Drusus,
die Mündung
an den Küsten der Nordsee
der Weser in
das Land
hinsegelnd
hereindringend,
und selbst
unterstützt von Friesen und Chauken. — Da begegnete ihm wieder
Hermann mit den Seinen ; hemmt« den Kampf;
da
noch trennte der Fluß die Gegner und
begehrte Hermann seinen Bruder Flavius
zu sprechen, der noch im Heere der Römer war»
Er begrüßte den
267
Die Hermannsschlacht.
Kommendm fteudig und rief ihn zurück inS Vaterland zu den Freun Wie aber dieser der
den und Verwandten und zur alten freien Sitte.
Römer Größe, Macht und Dienst pries und erwähnte, wie er für feine Treue und Tapferkeit mit Geld, Ehrenzeichen, Hauptschmuck und
anderen Kriegsgeschenken belohnt worden, und den Bruder rieth, von» Kampfe abzustehen,
entbrannte dieser im Zorn und rief heftiger zur
Schlacht. Diese ward
am
folgenden Tage geliefert;
die Bataven
kämpften
mit den Römern gegen ihre deutschen Brüder; Uebermacht und größere Kriegskunst entriß diesen den Sieg; Hermann selbst ward verwundet und entkam, eingeschloffen im dichten Gedränge, nur durch die Schnellig-
keit seines Pferdes, und weil er mit Blut fein Antlitz unkenntlich ge rn acht.
Bis in die späte Nacht wüthete der Kampf; die Deutschen
wurden zerstreut, und die Römer errichteten auf dem Wahlplatze ein
Siegeszeichen, kehrten aber doch zurück, und schon wagten die Deut schen sie wieder zu verfolgen; das SiegeSmal ward zerstört und der
Feind von allen Seiten angefallen.
Heftiger drohte der Kampf, heim
lich war Alles zum entscheidenden Ueberfalle verabredet;
waren verloren:
da
entdeckte Verrath
die Römer
dem Germanicus den Plan,
und dieser erkannte nun, daß der Krieg nimmer enden würde, so lange
das deutsche Volk bestände und befahl darum, Niemanden in Zukunft mehr zu schonen,
sondern Alle
zu
vernichten.
So
erlitten
sie eine
harte Niederlage; doch wagten es die Römer nicht, an die Elbe vor zudringen;
sie kehrten auf dem Meere, das ihnen im Sturme viele
Schiffe zerschellte und versenkte, an den Rhein zurück, gesonnen, im folgenden Jahre mit verstärkter Kraft zu kommen; aber das Schicksal
wollte
es
anders.
Tiberius,
eifersüchtig
auf das
Glück und die
Thaten seines Neffen, wollte den Krieg gegen die Deutschen geendet wissen und ries den Jüngling: der Rache wäre genug, das klebrige würden die barbarischen Deutschen im Kampfe
vollenden.
gegen
einander selbst
Germanicus gehorchte und zog triumphirend in Rom ein;
vor dem Siegeswagen wurden in Bildern die besiegten Völker und verheerten Landschaften Deutschland's
zur Schau
kamen die Vomehmsten der Gefangenen,
getragen;
auch Tusnelde
darauf
mit ihrem
Bmder Sigmund und ihrem Söhnlein, das sie in der Gefangenschaft
geboren, dann andere Edle;
Segest aber schaut« von einem Ehren
plätze herab den Triumphzug über sein Vaterland und seine Kinder. Der Sohn Hermann's, vielleicht
auch Thusnelde,
ward nach Ra-
268
Rom.
venna gebracht; aber Niemand weiß von ihrem ferneren Leben oder Tode. —
Das innere große Deutschland war also von den Römern frei; nur einige Gränzvölker blieben mit ihnen und den Galliern im Bunde; aber nun erhob sich, wie es Tiberius vorausgesehen, der Kampf der
Stämme und der Gefolge selbst gegen einander.
Frei hatte der Che-
rusken-Bund den Hermann zu seinem Führer im großen Kampfe um
die Freiheit gewählt; Marbod aber hatte vermittelst seines GesolgeS die Benachbarten in sein Bündniß thanen, denn als
gezwungen,
freie Genossen behandelt,
sie mehr als Unter
und sein Streben nach
Herrschaft und sein Verachten heimischer Sitte durch Begünstigung der
Römer und klug berechnete Unthätigkeit während des Freiheitkampfes deutlich gezeigt.
Vielen mißfiel seine Art, und als die Cherusken jetzt den größten Streit ruhmvoll und siegreich vollendet, wagten es Einige,
sich der
Botmäßigkeit Marbod'S zu entziehen, und Longobarden und Semnonen, suevische Völker, schlossen sich zuerst an den freien Bund der Cherusken.
Bald darauf begann der Kampf um die Erhaltung der inneren Frei heit und des freien Bestehens der einzelnen Stämme; und hier zeigt
sich deutlich, wie aus der Genossenschaft allmählig Herrschaft, zuerst Vieler, dann des Einen erwachsen kann.
Die Stämme waren bei
nahe alle für Hermann und die Freiheit, die Gefolge aber für Mar bod,
von dem
sie Geschenke und bei Eroberungen herrscher-üppiges
Leben erwarteten; sie kämpften nur für ihn und dieses.
Eine Schlacht
sollte zwischen den Beiden entscheiden, ob jetzt schon Einer allgewaltig
herrschen oder die alte Verfassung noch länger dauern würde.
Neidisch
auf Hermann's Ruhm trat sein eigener Oheim, Jnguiomer, der bis
her treu zu ihm gehalten, mit seinem Gefolge zu Marbod über, den aber während der Schlacht einige seiner Reihen verließen, um für die
Cherusken zu kämpfen;
er zog sich während der Nacht zurück,
dies
galt für Flucht, nun verließen ihn Mehrere und er kehrte in sein ge-
birgumschlossenes Land zurück, dort seine Herrschaft zu behaupten und in der Folge weiter zu verbreiten; dazu, und zur Unterdrückung Her mann's suchte er jetzt selbst der Römer Hülfe,
immer, wie er behauptete, gewesen.
deren Frelind er ja
Diese aber freuten sich über die
Uneinigkeit der Deutschen, wie über den schönsten Sieg; Tiber sandte
feinen Sohn Drusus an die Donau, um für Rom zu wirken, und plötzlich erhob sich, wahrscheinlich mit römischen Gelde und Beistand,
269
Die Hermannsschlacht.
Katwald, ein edler Gothe, als Häuptling gegen Marbod, von dem
Er gewann die Edelsten der Markmannen,
er früher vertrieben war.
Hrach mit seinem Gefolge in das Land und bemächtigte
sich
schnell
der Hauptstadt, der Burg und der seit langen Zeiten dort aufgehäuf ten Schätze der Sueven.
Verlassen von all den Seinen, welchen er
Nichts mehr gewähren konnte, wandte sich Marbod an die Römer;
diese
sicherten
ihm
einen Zufluchtsort in Ravenna,
wollte, wieder freien Abzug.
und,
wenn
er
Dort lebte er noch achtzehn Jahre un
rühmlich, von den Römern wie ein Schreckbild gegen die Sueven ge nährt, wenn sie etwa zu mächtig würden.
Drusuö aber wurde wie
ein Sieger in Rom empfangen, weil er den alten, listigen Feind ge fangen.
Auch Katwald
genoß seines Glückes und seiner Herrschaft
nicht lange; er ward von den Hermunduren bekriegt und geschlagen
und flüchtete zu den Römern. Dem Gefolge Beider ward ein Landstrich an der Donau angewiesen,
und ihm als Häuptling Vannius, ein Quade, gegeben; dort lebten
sie als Freunde der Römer. Nicht lange nachher traf auch Hermann der Haß, der beinahe alle großen Männer verdirbt; man sprach, auch er strebe nach Alleinherr
schaft; und so fiel er vielleicht durch Römerränke (21 n. Chr.) von
seinen eigenen Verwandten gemordet, siebenunddreißig Jahre alt, wahr haft der Rächer und Gründer der deutschen Freiheit, da er den Rö
mern zur Zeit ihrer größten Macht siegreich widerstanden und bewirkt, daß von allen Ländern, welche sie zu erobern unternommen, Deutsch
land allein unerobert blieb. Liedern gefeiert.
Sein Ruhm ward noch lange Zeit in
(Söltl.)
16. Lob des Germaniens, Sohn des Tiberius. Am Ende des Jahres (770 seit Erb. d. St.) ward ein Triumph
bogen beim Saturnustempel errichtet wegen der mit Vanis verlorenen,
dann unter Germanicus Anführung in Tiberius Namen wiedergewon
nenen Feldzeichen, und den 26. Mai hielt GermanicuS Cäsar seinen Triumph über die Cherusker, Catten, Angrivarier und andere Völker
schaften bis an die Elbe hin.
ES wurden Siegeszeichen, Gefangene,
Abbildungen von Bergen, Flüssen, Schlachten aufgeführt; der Krieg, den man ihn gehindert hatte zu beendigen, ward für beendigt ange
nommen.
Die Augen der Zuschauer weideten sich an der herrlichen
270
Rom.
Gestalt des
Germanicus
Kinder fuhren.
und
an dem Wagen,
worauf seine
fünf
Aber heimliche Bangigkeit regte sich bei dem Gedanke«^
die allgemeine Gunst sei für seinen Vater Drusus nicht heilbringend, gewesen; sein Oheim Marcellus sei der heißen Liebe der Bürger im
Jünglingsalter entrissen worden. Uebrigens schenkte Tiberius in Germanicus Namen dem Volke drei
hundert Sestertien aus den Mann, und bestimmte sich ihn zu seinem AmtS-
genossen im Consulat.
Dennoch glaubte Niemand an seine aufrichtige
Zuneigung gegen denselben,
und so
beschloß er,
den jungen Mann
unter ehrenvollem Scheine zu entfernen, wozu er Vorwände schuf oder
die dargebotenen ergriff.
Der König Archelaus
regierte seit fünfzig
Jahren über Cappadocien, gehaßt von Tiberius, weil er ihn während seines Aufenthalts in Rhodus keiner Aufmerksamkeit gewürdigt hatte.
Archelaus hatte es nicht aus Hochmuth unterlassen, sondern gewarnt
von August's Vertrauten; denn bei Casus Cäsar's Lebzeiten und wäh rend
seiner Sendung inS Morgenland
schaft für bedenklich angesehen.
wurde des Tiberius Freund
Als Dieser nach Erlöschung des Cä
sarischen Stammes zum Thron gelangte, lockte er Archelaus durch ein
Schreiben
der Mutter zu sich, welche,
ohne des Sohnes Groll zu
verhehlen, ihm Begnadigung anbot, wenn er mit Bitten vor ihn träte.
Jener, die Hinterlist nicht ahnend, oder wenn er sie zu merken schiene, Gewaltthätigkeit fürchtend, eilt in die Stadt.
Vom Fürsten ungnädig
empfangen, dann im Senat angeklagt, endete er bald sein Leben, nicht wegen Verbrechen, da diese bloß erdichtet waren, sondern aus Angst, zugleich von Alter erschöpft',
und weil Könige sich in Gleichstellung
mit Andern, geschweige in Herabsetzung, nicht finden können, entweder
durch freiwilligen oder natürlichen Tod.
Sein Reich wurde zur Pro
vinz gemacht; der Cäsar erklärte, mit den Einkünften derselben könne
man die Auflage deS Eins vom Hundert erleichtern, und setzte sie für die Zukunft auf die Hälfte herab.
Um dieselbe Zeit starb Antiochus,
König von Commagene, und Philopator, König von Cilicien, wodurch diese Völker in Bewegung geriethen, da der größere Theil Vereinigung
mit dem römischen Reich, Andere ein eigenes Königthum verlangten.
Die Provinzen Syrien und Judäa, von Lasten gedrückt, flehten um Erleichterung der Abgaben.
Diese Vorfälle erörterte er im Senat: „Einzig durch Germanicus
Weisheit könne die Bewegung deö Morgenlandes gedämpft werden ; denn sein Alter neige sich, daS des DrusuS fei noch nicht hinlänglich
Tod des Germanicus.
271
gereift." Nun wurden durch der Väter Schluß dem Germamcus die Provinzen jenseit des Meers übertragen, und zwar, wo er irgend hin
käme, mit größerer Vollmacht, als die durchs Loos oder durch Er
nennung des Fürsten Abgeordneten erhielten. Allein Tiberius hatte aus Syrien den Creticus Silanuö abgerufen, der mit Germanicus in verwandtschaftlicher Verbindung stand, indem SilanuS Tochter mit Nero, dem ältesten seiner Söhne verlobt war, und zum Nachfolger Cneus Piso gesetzt, einen heftigen, der Unterwürfigkeit ungewohnten Kopf, voll angeerbten Trotzes von seinem Vater Piso her, welcher im Bürgerkriege die in Afrika wieder auslebende Partei deS Pompejus aufs Eifrigste gegen Cäsar unterstützte, dann auf BrutuS und Cassius Seite trat, und nach bewilligter Rückkehr sich aller Bewerbung um
Ehrenstellen enthielt, bis er selbst angesprochen wurde, das von Augustus
ihm angetragene Consulat anzunehmen. — Allein den angestammten Stolz entflammte noch die Herkunft und der Reichthum seiner Gattin Kaum erkannte er den Tiberius über sich, dessen Kinder achtete er weit unter sich. Auch zweifelte er nicht, er sei zum Statt halter Syrien'ö auSersehen worden, um des Germanicus Absichten Plancina.
entgegen zu arbeiten. Einige glaubten, Tiberius habe ihm sogar ge heime Aufträge ertheilt. Ungezweiselt ist, daß Plancina von Augusta
angewiesen wurde,
Agrippina mit weiblicher Eifersucht zu verfolgen,
denn der Hof war getheilt und uneinig zwischen heimlichen Parteien
für Drusus oder Germanicus. Tiberius begünstigte den Drusus als leiblichen Sohn aus eigenem Geblüte; die Liebe der Uebrigen zum Germanicus ward gesteigert durch deS Oheims Abneigung gegen ihn, so wie durch seine vornehmere Abkunft von mütterlicher Seite, indem er Marcus Antonius zum Großvater, Augustus zum Großoheim hatte, da hingegen deS Drusus Urgroßvater, der Ritter Pomponius Atticus, die Ahnenbilder der Claudier zu verunehren schien. Auch zeichnete sich
des Germanicus Gemahlin Agrippina an Fruchtbarkeit und gutem Ruse vor der Livia, des Drusus Gattin, aus. Doch die Brüder waren musterhaft einig, und von den Streitigkeiten ihrer Umgebung unerschüttert. Im folgenden Jahre war Tiberius zum drittenmal, Germanicus zum zweitenmal Eonsul. Allein Germanicus trat diese Würde bei Nicopoliö, einer Stadt in Achaja, an, wohin er durch das illyrische Küstenland gekommen war, nachdem er seinen in Dalmatien weilenden Bruder besucht hatte. Von da kam er nach Athen, für welche alte,
272
Rom.
befreundete Bundesstadt er die Rücksicht nahm, daß er nur mit Einem
Lictor austrat.
Die Griechen empfingen ihn mit den ausgesuchtesten
Ehren, wobei sie die Worte und Werke ihrer Altvordern hervorhoben,
um der Schmeichelei mehr Glanz zu leihen. Cneus Piso
aber, um desto eiliger seine Bestimmung
anzutreten,
hielt eiuen trotzigen Einzug in die Stadt der Athener und schalt sie
in einer heftigen Rede, mit Seitenhieben auf Germanicus, als habe
er, der Würde des römischen Namens zuwider, nicht jene Athener, die durch so viele Niederlagen bereits vertilget seien, sondern dieses Ge misch
von Völkerschaften
mit allzugroßer Herablassung
beehrt.
Sie
seien die Bundesgenossen des Mithridates gegen Sulla, des Antonins
gegen den vergötterten Augustus.
Auch Veraltetes rückte er ihnen vor,
wie sie unglücklich gegen ihre Mitbürger gewesen.
Zudem war er per
sönlich wider die Stadt erbittert, weil sie einen gewissen vom Areopag wegen Verfälschung frei gaben.
verurtheilten
Theophilus
auf seine
Bitten nicht
Von da durch die Cycladcn in schneller Fahrt auf kürze
stem Wege schiffend, erreichte er bei der Insel Rhoduö den Germaniens,
dem nicht unbekannt war, welche Fallstricke man ihm bereite; allein er betrug sich mit solchem Edelmuth, daß er, als ein Sturm Jenen
auf Felsengrund schleuderte, und dcS Feindes Untergang dem Zufall angerechnct werden konnte, Galeeren aussandte, durch deren Hülfe er
Doch Piso, auch dadurch nicht besänftigt
der Gefahr entrissen wurde.
und kaum den Verzug Eines Tages aushaltend, verließ Germanicus und
eilte ihm zuvor.
In Syrien und bei den Legionen angelangt,
trieb er mit Bestechungen, Schmeicheleien und Beförderung der niedrig
sten Soldaten, indem er die alteir Centurionen und die strengen Tri bunen absetzte, und ihre Stellen seinen Clienten oder den verworfensten Leuten zutheilte, Müßiggang im Lager, Zügellosigkeit in den Städten, herumschweifendes,
ausgelassenes Leben auf dem Lande
zuließ,
daö
Verderbniß so weit, daß der gemeine Haufe ihn „Vater der Legionen" nannte.
Auch Planem« hielt sich nicht inner dem Anstand ihres Ge
schlechts, sondern wohnte den Uebungen der Reiterei, den Musterungen der
Cohorten
bei,
gegen
Agrippina,
gegen
Germanicus
warf sie
Schmähworte hin; selbst einige gutgesinnte Solvaten leisteten ihr wil ligen Gehorsam im Bösen, weil ein heimliches Gerücht ging, es ge
schehe solches nicht ohne deS Imperators Willen. DieS wußte Germanicus, Armenien zu eilen.
allein
es
lag
ihm mehr daran,
nach
Von Alters her war dieses Volk unzuverlässig
273
Tod des Germaniens.
wegen des Charakters der Einwohner und der Lage des Landes, in
dem es weit all unsern Provinzen hinlaufend sich tief nach Medien hin erstreckt.
Unter den Consuln Marcus Silanus und Lucius Norbanus reifete Germanicus nach Aegypten zur Erforschung des Alterthums, schützte
aber Geschäfte in der Provinz vor.
Er milderte durch Ausschließung
der Kornspeicher den Getreidepreis und richtete sich
dem Volkswillen; ohne Wache ging er umher,
in Vielem nach
ohne Fußbekleidung,
im Anzuge den Griechen ähnlich, nach dem Vorgänge des Publius Scipio,
wie man weiß, dasselbe in Sicilien that, obgleich der
der,
Krieg mit den Pönern noch wüthete.
Germanicus fand bei seiner Rückkehr aus Aegypten Alles, waS er für
linD Städte
die Legionen
angeordnet hatte,
abgeschafft oder im
Daher heftige Ausfälle gegen Piso, und eben
Gegensinn ausgeführt.
so bittere Vorkehrungen von Diesem
gegen den Cäsar.
Hierauf be
schloß Piso, Syriell zu verlassen, ward aber alsobald durch Krankheit
des Germanicus zurückgehalten; als er dessen Genesung vernahm, und Gelübde für seine Herstellung gelös't wurden, treibt er durch Lictoren
die herbeigeführten Opferthiere, die priesterlichen Aufzüge und das fest lich geschmückte Volk Antiochiens aus einander.
Dann bcgiebt er sich
nach Seleucia, die Krankheit abwartend, die neuerdings Germanicus befallen
Die
hatte.
unbändige
Heftigkeit des
und in den Wänden des
Uebels
verstärkte der
Auch sand man im Boden
Glaube an beigebrachtes Gift von Piso.
von Germanicus bewohnten Hauses aus
gegrabene Ueberreste menschlicher Leichname, Beschwörungsformeln, Ver
wünschungen
und
Namen
Germanicus
Tafeln
auf bleiernen
einge
graben, ferner halb verbranntes und blutbeflecktes Gebein und andere
wodurch
Zaubermittel,
weihen wähnt.
man
Seelen
den
unterirdischen
Mächten
zu
Zugleich wurden Abgeordnete des Piso beschuldigt, als
lauerten sie aus Verschlimmerung der Krankheit.
Germanicus vernahm Solches nicht weniger mit Grimm, als mit Besorgniß.
„Wenn
man
seine
Schwelle
belagere,
wenn er unter
Feindesaugen den Geist aufgeben müsse, wie werde es erst seiner un
glücklichen Gattin,
wie
seinen
unmündigen Kindern ergehen?
Gift
sei Jenem zu langsam; das sei ein Eilen und Drängen, um die Pro
vinz, um die Legionen allein zu haben.
Aber noch sei Germanicus
nicht so ganz entkräftet, und der Lohn des Mordes werde dem Mör der nicht bleiben. Histor. Lesebuch. 1.
Er setzte nun ein Schreiben auf, worin er ihm die 18
274
Rom.
Freundschaft aufkündete. fohlen, die Provinz
Die Meisten fugen hinzu, er habe ihm be
zu verlassen.
Auch lichtete Piso
ohne ferneres
Weilen die Anker, verzögerte jedoch den Lauf, um aus der Nähe zu rückzukehren, wenn des Germaniens Tod ihm Syrien geöffnet haben
würde. — Der Fürst schöpfte einige Hoffnung,
dann ermattete
er,
und als
sein Ende herannahete, redete er die umstehenden Freunde folgender maßen an: „Wenn ich dem Schicksal erläge, so wäre mein Schmerz
selbst gegen die Götter gerecht, daß sie mich den-Eltern, den Kindern, dem Vaterland im Jugendalter durch frühzeitigen Tod entreißen.
Nun
aber durch Piso's und Plancina's Frevel hingerafft, lege ich die letzten Bitten in Eure Brust nieder.
Meldet dem Vater und Bruder, durch
welche Kränkungen gemartert, mit welchen Nachstellungen umringt ich
ein höchst
elendes Leben mit dem
kläglichsten Tode geendigt habe.
Wem ich wegen meiner Aussichten, wegen meiner Blutsverwandtschaft, wem ich sogar aus Neid im Leben wichtig war, der wird es beklagen,
daß der einst Hochbeglückte und aus so vielen Kriegen Gerettete durch
Weibertücke gefallen sei.
Ihr werdet Anlaß
Senat, zur Anrufung der Gesetze.
geschäft,
mit feiger Klage
seines Willens
zu gedenken,
finden
zur Klage beim
Nicht das ist der Freunde Haupt
dem Verblichenen nachzuweinen,
seine Aufträge
zu
vollziehen.
sondern
Weinen
über Germaniens werden auch Unbekannte; rächen werdet Ihr mich,
wofern Ihr mehr mich, als mein Glück liebet.
Zeiget dem römischen
Volke des vergötterten Augustus Enkelin, in ihr zählet ihm unsere sechs Kinder auf.
meine Gemahlin;
Das Mitleid wird den Anklägern
zur Seite stehen; und erdichtet man verbrecherische Aufträge, so werden die Menschen sie nicht glauben oder nicht verzeihen."
Die Freunde,
des Sterbenden Hand ergreifend, schwuren, eher den Geist, als die Rache aufzugeben.
Hierauf zur Gattin gewandt, beschwor er sie bei seinem Andenken,
bei ihren gemeinschaftlichen Kindern,
den Trotz
abzulegen, vor den
Schlägen des Schicksals ihren Muth zu beugen und nach Zurückkehr
in die Stadt nicht durch Wetteifer um Herrschaft die Mächtigern zu reizen.
Dieses sprach er laut, Anderes heimlich, wodurch er, wie man
glaubte, Besorgniß vor Tiberius andeutete.
Nicht lange nachher ver
schied er zu ungemeinem Leid der Provinz und der umliegenden Völker.
Ihn betrauerten auswärtige Stämme und Könige; so groß war seine
Leutseligkeit gegen Bundesgenossen, seine Milde gegen Feinde.
In Ge-
275
Tod des Germanicus.
stakt und Rede gleich ehrwürdig, wußte er die Größe und daS Uebergewicht des höchsten Ranges zu behaupten, Neid und Anmaßung zu
vermeiden. Sein Leichenbegängniß, ohne Ahnenbilder und Gepränge, war feier
lich durch Lobeserhebungen und das Andenken seiner Tugenden. — Manche verglichen ihn nach
Körperwuchs,
Alker,
Todesart, zum
Theil wegen der Nähe des Orts, wo er starb, mit Alexander dem Großen und seinem Schicksal. Denn Beide, von schönem Körperbau,
von hoher Abstammung, nicht viel über dreißig Jahre alt, seien durch Hinterlist der Ihrigen in fremdem Lande umgekommen; allein Dieser, liebreich gegen Freunde, mäßig in Genüssen, habe mit Einer Gattin bei rechtmäßigen Kindern gelebt; auch als Kriegsmann sei er nicht geringer, wiewohl nicht tollkühn, wie Jener, gewesen; und daß er daö durch so viele Siege geschwächte Germanien nicht völlig unter
worfen habe, sei Anderer Schuld. Wäre er Alleinherrscher gewesen, mit königlichem Titel und Vorrecht, er hätte um so schneller kriegeri schen Ruhm erlangt, als er an Leutseligkeit, Mäßigung und andern
Ehe sein Leich nam verbrannt wurde, ward er auf dem Forum zu Antiochia, dem erwählten Bestattungsorte, entblößt ausgestellt. Ob er Spuren des Giftes an sich getragen, ist nicht auögemittelt, denn so wie Einer mehr zum Mitleide gegen Germanicus und zu vorgefaßtem Argwohn schönen Eigenschaften über Jenen hervorgeragt habe.
oder zu Begünstigung Piso's sich hinneigte, legte man es auf ver
schiedene Weise aus.
Agrippina inzwischen, wiewohl von Trauer erschöpft und körperlich krank, doch ungeduldig jeder Verzögerung der Rache, geht mit des Germanicus Asche und ihren Kindern zu Schiffe, unter allgemeinem
Wehklagen, daß eine Frau vom ersten Range, noch kürzlich durch die sthönste Verbindung beglückt, gewohnt, sich verehrt und angebetet zu sehen, nun Leichenreste am Busen trage, unsicher der Rache, bange
für ihre Person, und durch unselige Fruchtbarkeit dem Schicksal so vielfach bloßgestellt. Inzwischen erreicht den Piso bei der Insel Eos die Botschaft, Germanicus sei gestorben. Außer sich vor Vergnügen ob der Nachricht schlachtet er Opferthiere, besucht die Tempel. Er weiß sich in der Freude nicht zu mäßigen, aber noch unbändiger be nimmt sich Plancina, welche die Trauer über eine verstorbene Schwester
nun erst mit heiterem Gewände vertauscht. . \ Als zu Rom des Germanicus Krankheit ruchbar und aus der 18*
276
Rom.
Ferne alle Nachrichten ins Schlimmere vergrößert wurden, erhob sich Schmerz und Zorn; laut brachen die Klagen aus: „Darum also sei
er in fremde Länder verwiesen, darum die Provinz an Piso übertragen worden; daS hätten jene geheime Unterredungen der Augusta mit Plan tina bezweckt! Wohl hätten die Alten Recht gehabt, wegen Drusus zu sagen, den Herrschern sei der volksthümliche Geist an den Söhnen
mißfällig; nur deshalb seien sie weggerafft worden, weil sie gestrebt hätten, dem römischen Volke nach wievergegebener Freiheit, Gleichheit
der Rechte cinznräumcn."
Diese Aeußerungen der Menge sachte die
Todesbolschaft so sehr an, daß man vor dem obrigkeitlichen Befehl und vor dem Schluffe dcö Senats eigenmächtig die Traucrferien be gann, die öffentlichen Plätze verließ, die Wohnungen verschloß. Ueberall Schweigen und Seufzer; keine prunkenden Anstalten; zwar sah man auch Zeichen von Leidtragenden, doch tiefer hastete der Schmerz in den
Gemüthern.
Zufällig brachten Kaufleute, die noch beim Leben des
Germaniens aus Syrien abgercist waren, frohere Kunde von seinem Zustand;
alsbald wurde sie geglaubt und
ausgebreitet.
Wer dem
Andern begegnete, theilte ihm das oberflächlich Gehörte, und Dieser
Mehrern in freudiger Vergrößerung mit.
Man rennt durch die Stadt,
man erbricht die Tempelpforten. Den Glaube» bestärkte die Nacht und das dreistere Behaupten in der Dunkelheit. Tiberius ließ dem Irrthum seinen Lauf, bis er mit der Zeit von selbst erlöschen würde,
und das Volk betrauerte den gleichsam zweimal Entrissene» sehr. Ohne die winterliche Meerfahrt zu unterbrechen landet Agrippina bei der Insel Corcyra, der calabrischen Küste gegenüber. Angegriffen von Kummer und des Duldens ungewohnt verweilte sie einige Tage
viijuuft, um Hp Gemüth zu fassen.
Inzwischen waren auf die Nach
richt ihrer Ankunft die vertrautesten
Freunde alle, die meisten der gedient hatten, und selbst viele
Kricgsleute, die unter Germanicus
Unbekannte auö den benachbarten Landstädten, ein Theil in der Mei
nung, dadurch dem Fürsten gefällig zu sein, Manche um nur auch mitzugehen, nach der Stadt Brnndisium geeilt, wo die Schiffende den
nächsten und sichersten Landungsplatz sand. Flotte erschien,
Sobald aus der Höhe die
füllt sich nicht blos der Seehafen und die nächste
Meeresküste, sondern
auch die Stadtmauern und
Dächer, und wo
immer eine weite Aussicht sich darbot, mit Schaaren von Trauernden an, die unter sich fragten, ob man sie beim Aussteigen mit Stille oder
mit Zuruf empfangen solle.
Noch war man nicht einig, was den
Tod des Germaniens.
Umständen angemessener sei, als nicht wie gewöhnlich
Traurigkeit versenkt.
277
allmählig die Flotte herannahete,
mit munterem Ruderschlag, sondern Alles in Als sie mit zwei Kindern, Julia und Casus,
die Todtenurne im Arm, auS dem Schiffe steigend die Augen auf ertönte Ein allgemeiner Seufzer. Nicht Verwandte, nicht
schlug,
Freunde, nicht der Männer oder der Frauen Wehklagen konnte man
unterscheiden, nur daß die Herbeigckommencn im frischen Schmerz lauter weinten, als das durch langen Jammer ermüdete Gefolge der Agrippina. Der Cäsar hatte zwei prätorische Kohorten entgegen gesandt, mit Befehl an die Obrigkeiten Calabrien's, Apulien's und Campanien's,
dem Andenken seines Sohnes die letzte Ehre zu erweisen. trugen Tribunen und Centurionen die Asche auf ihren
Deshalb Schultern;
voran gingen schmucklose Feldzeichen, niedergcsenkte Stäbe; wo der Weg durch Colonien führte, erschien das Volk schwarzgekleidet, die
Ritter im Feiergewand; nach jedes Orts Vermögen verbrannte man Stoffe, Weihrauch, und was sonst bei Leichenzügen gebräuchlich ist. Selbst die Bewohner abgelegener Ortschaften kamen dennoch herbei,
weiheten Opferthiere und Alkärc den Göttern der Unterwelt, nnd be zeugten mit Thränen und Klagegeschrei ihre» Schmerz. Drusus kam bis nach Terracina entgegen mit seinem Bruder Claudius und den Kindern des Germanicus, die in der Stadt sich aushielten. Die Gon# fuln Marcus Valerius und Casus Aurelius (denn schon hatten diese
das Amt angetreten), der Senat und eine große Volksmenge erfüllte die Straße, zerstreut und weinend, wie Jedem das Herz eingab; denn
Schmeichelei war ferne;
wußte doch Jedermann, wie übel TiberiuS
es verberge, daß des Germanicus Tod ihn freue. Tiberius nnd Augusta erschienen nicht öffentlich, weil sie eS unter ihrer Würde achteten, ihre Trauer sehen zu lassen, oder damit nicht, wenn Aller Augen ihre Miene ausforschten, die Verstellung durchblickt würde.
Von der Mutter Antonia findet man weder bei den Geschicht
schreibern, noch in den Tagebüchern (dies war die römische Staats zeitung), daß sie an irgend einer Feierlichkeit besondern Antheil ge
nommen habe, da doch außer Agrippina nnd Drusus und Claudius auch die übrigen Blutsverwandten namentlich aufgesührt sind; sey es, daß Krankheit sie hinderte, oder daß ihr von Kummer überwältigtes Gemüth die Größe des Verlustes mit Augen anzuschauen nicht ertrug.
Eher könnte man glauben, TiberiuS und Augusta, die nicht von
278
Rom.
Hause gingen, hätten es ihr gewehrt, damit es scheine, ihr Gram sei eben so groß und der Mutter Beispiel habe auch Großmutter und
Oheim zu Hause festgehalten. Der Tag, an welchem die Ueberreste in Augustus Gmft beigesetzt
wurden,
war bald schauerlich öde,
bald unruhig
vom Klagegeschrei,
die Straßen der Stadt mit Menschen angefiillt, lodernde Fackeln auf
dem Marsselde, die Krieger in Waffenaufzug, die Magistrate ohne amtlichen Schmuck, das
Volk bezirkweise abgetheilt.
Der Ausruf:
„Gefallen sei der Staat, jede Hoffnung dahin," erscholl lebhafter und
ungescheuter, als daß man glauben könnte, sie dächten an die Macht
haber.
Doch Nichts ging dem Tiberius so nahe ans Herz, als der
feurige Eifer für Agrippina, da man sie des Vaterlandes Zierde, ein zigen Sprößling August's, alleiniges Muster der Vorzeit nannte, dann zum Himmel und zu den Göttern gewandt eine gesegnete, keiner Bos heit unterliegende Nachkommenschaft für sie erflehte.
Einige vermißten den Pomp eines Leichenbegängnisses und verglichen, was Augustus für des Germaniens Vater, Drusus, Ehrenvolles und
Glänzendes veranstaltet hatte.
„Er selbst nämlich
sei zur rauhesten
Winterzeit bis nach Ticinum (Pavia) entgegengereiset und ohne von
der Leiche zu weichen mit ihr in die Stadt eingezogen; der Sarg um stellt von den Bildnissen der Claudier und Julier; er auf dem Forum
beweint, gepriesen von der Rednerbühne herab; Alles insgesammt sei
gethan worden, was die Alten ausgedacht oder die Neuem hinzuge fügt hätten.
Dem Germanicus hingegen seien nicht einmal die jedem
Manne von Stande
gebührenden Ehren
zu Theil geworden;
aller
dings habe man wegen weiter Reise den auf fremder Erde Verblichenen irgendwie verbrannt; allein desto größere Auszeichnung sei hernach zu beobachten gewesen, da ihm das Schicksal die erste versagt habe.
Der
Bmder sei nur eine Tagereise weit, der Oheim nicht einmal bis ans
Thor entgegen gegangen.
Wo seien die Verordnungen der Voreltem?
Das Bildniß aus dem Prachtbette, die zum Andenken seiner Tugend
aufgesetzten Lieder, die Lobreden und Thränen
oder wenigstens das
Scheinbild des Schmerzes."
Dieses erfuhr Tiberius und um das Gerede des Volkes niederzu schlagen, erließ er einen Befehl des Inhalts: „Viele vornehme Römer
seien für das Gemeinwesen gestorben, Keiner mit so heißer Sehnsucht
gefeiert worden.
Dies sei ihm und Jedermann ganz recht,
die Schranke beobachtet werde.
wofem
Denn nicht das Nämliche schicke sich
Tod des Germanicus.
279
für fürstliche Personen und herrschende Nationen, wie für beschränkte
Familien oder Staaten.
Beim frischen Verlust habe sich geziemt zu
trauten und aus Thränen Trost zu schöpfen; aber nun müsse man sich zur Stärke wieder aufraffen, gleichwie einst der vergötterte Julius nach Verlust der einzigen Tochter, der vergötterte Augustus nach dem Hintritte der Enkel ihren Gram zurückgedrängt. Unnöthig fei, ältere Beispiele anzuführen, wie oft das römische Volk Niederlage von Kriegs heeren, Untergang von Feldherren, gänzliches Erlöschen edler Familien standhaft ertragen habe. Fürsten seien sterblich, das Gemeinwesen ewig.
So sollten sie denn ihre Beschäftigung wieder vornehmen, und
(da gerade die Feier der megalesischen Spiele bevorstand) auch die Be lustigungen wiederum ergreifen." Nun kehrte man nach beendigten Trauerferien zu den Geschäften zu rück, und Drusus reifete zu den illyrischen Heeren ab, indeß alle Ge müther auf die Rache an Piso gespannt waren, unter häufiger Klage, daß er inzwischen in den anmuthigen Landschaften Asien's und Achaja's umherschlendernd mit trotziger und heimtückischer Zögerung die Beweise seiner Abscheulichkeit vernichte. Denn es ging das Gerücht, die von Sentius, wie schon bemerkt, hergelieferte Giftmischerin Martina sei zu
Brundusium eines plötzlichen Todes gestorben, in einem Knoten ihres Haupthaares sei Gift versteckt gewesen, aber keine Spur von Selbstentleibung an ihrem Leichnam gefunden worden. Piso, der inzwischen seinen Sohn mit Aufträgen zur Besänftigung
des Fürsten in die Stadt vorausgesandt hatte, reifete zu Drusus, von dem er hoffte, er werde weniger über des Bruders Tod aufgebracht, als über die Wegräumung des Nebenbuhlers froh sein. Tiberius, um die Unbefangenheit seines Urtheils zur Schau zu stellen, nahm den Jüngling freundlich auf und beschenkte ihn mit seiner gegen adelige Familiensöhne gewohnten Freigebigkeit. Drusus antwortete dem Piso: „Wenn wahr fei, was man ausstreue, so habe vorzüglich er Ursache zur Betrübniß; allein er wünsche, daß es falsch und grundlos sei, auch des Germanicus Tod Niemanden verderblich werde." Diese Aeußerung geschah öffentlich mit Vermeidung jeder geheimen Unter redung. Man zweifelte nicht, Tiberius habe es so vorgeschrieben, da der sonst ungewandte und offenherzige junge Mann sich damals alt kluger Künste bediente. Als Piso in Rom angekommen, forderte Fulcinius Trio (eine be rüchtigte Angeberseele) den Piso vor die Consuln. Dagegen behaupteten
280
Rom.
Vitellius und Veraniuö und die Uebrigen aus Germanicus Gefolge, dies sei durchaus nicht Trio's Sache; auch kämen sie nicht als An
kläger,
sondern
als Hinterbringer von Thatsachen und
ab,
als Zeugen
Jener stand von Eingabe dieser Sache
aus Auftrag des GermanicuS.
erhielt aber die Bewilligung,
über
sein früheres Leben klagend
einzukommen, und der Fürst wurde gebeten, die Untersuchung zu über nehmen, was selbst der Beklagte sich nicht verbat, weil er die Auf
regung des Volks und Senats fürchtete; „Tiberius hingegen sei stark
genug, das VolkSgerede zu verachten und in die Mitwiffenschaft seiner Mutter verflochten;
Wahres und böswillig Uebertriebcnes könne ein
Richter leichter unterscheiden,
die Oberhand."
Tiberius
bei der Menge gewinne Haß und Neid
verkannte
nicht
das Lästige dieser Unter
suchung, und wie er selbst dabei in Übeln Ruf kommen werde.
vernahm also,
Er
die Angriffe der
mit Zuziehung weniger Vertrauten,
Kläger, andererseits die Fürsprache, und überwies die Sache unent
schieden dem Senat. Am Tage des Senats hielt der Fürst eine Rede voll überdachter
Abgemessenheit: „Schon seines Vaters Legat und Freund sei Piso ge
wesen, und er selbst habe ihn auf Antrag des Senats dem Germa nicus als Gehülfen zur Beilegung der Angelegenheiten des Orients
zugegeben.
Ob er daselbst durch Trotz und Widerspruch den jungen
Mann erbittert und über seinen Tod gefrohlockt, oder ob er ihn mör
derisch auö dem Wege geräumt habe, müsse mit unbefangenem Gemüth untersucht werden.
Denn
hat der Legat die Schranken der Pflicht
und den Gehorsam gegen den Feldherrn verletzt, hat er über desselben Tod und meinen Kummer gefrohlockt, so werde ich
aus meinem Hause entfernen, fürstlicher Gewalt zu rächen.
bestraft werden müßte,
ihn hassen und
ohne die persönliche Beleidigung
Kommt ein Frevel
mit
an den Tag, der
wer auch immer der Ermordete
wäre,
nun
dann, so möget Ihr den Kindern des Germanicus und uns Eltern den gebührenden Trost verschaffen.
Erwäget zugleich den Umstand, ob
Piso die Heere zu Unruhe und Meuterei aufgewicgclt, durch Umtriebe der Soldaten Gunst gesucht und mit bewaffneter Macht in die Pro vinz wieder einzudringen gestrebt habe, oder ob eö falsche und über
triebene Gerüchte der Ankläger seien, über deren ungezügelten Eifer ich mit Recht ungehalten bin.
Denn wozu führte es, den Leichnam zu
entblößen, ihn von den Augen des PöbelS betasten zu lassen, und so gar bei den Ausländern auszustrcuen,
als wäre er durch Gift hin-
281
Tod des Germaniens.
gerafft worden,, wenn dieses noch ungewiß und erst zu untersuchen ist? Zwar ich beweine meinen Sohn und werde ihn stets beweinen-, allein auch dem Beklagten wehre ich nicht, Alles vorzubringen, wodurch seine Unschuld hervorgehoben, oder, wenn auf GermanicuS Seite ein Un
recht statt sand, dasselbe erwiesen werde, und Euch bitte ich, daß Ihr nicht, well die Sache mit meinem Schmerz in Verbindung steht, vor geworfene Verbrechen als
erwiesene annehmet.
Haben Bande des
Sachwalter gegeben, so
BlutS oder persönliche Anhänglichkeit ihm
wende Jeder alle Beredsamkeit und Sorgfalt an, dem Gefährdeten
beizustehen. Zu derselben Anstrengung, zu derselben Beharrlichkeit er mahne ich die Ankläger. Dieses Einzige wollen wir dem GermanicuS über die Gesetze hinaus eingeräumt haben, daß lieber in der Curie, als auf dem Forum, beim Senat, als vor Gericht, sein Tod unter
sucht werde. Alles Uebrige werde in den gewohnten Schranken be handelt, wie wenn Germanicus ein Privatmann wäre. Niemand berücksichtige des Drusus Thränen, Niemand meine Trauer, noch was etwa Nachtheiliges gegen uns erdichtet wird." Die Vertheidigung des Piso war schwach, denn weder das Buhlen um Soldatengunst, noch das Preisgeben der Provinz an die schlech
testen Leute, nicht einmal die Kränkungen gegen den Imperator konnte er ableugnen; nur die Schuld der Vergiftung schien er abgewälzt zu haben, zumal die Ankläger selbst sie nicht genügend bewiesen, indem
sie ihm vorwarfen, bei einem Gastmahl des Germanicus, wo Piso
über ihm saß, habe er mit den Händen dessen Speisen vergiftet. Man fand es nämlich ungereimt, daß er solches vor ftemden Sklaven und unter den Augen so vieler Umstehenden, sogar in Gegenwart des Germanicus gewagt haben sollte. Auch erbot der Beklagte seine
Haussklaven und forderte die Aufwärter zur Folterung. Allein die Richter waren aus verschiedenen Ursachen unversöhnlich, der Fürst wegen feindlichen Anfalls der Provinz, der Senat, weil er nie recht glaubte, Germanicus sei ohne Tücke umgekommen. Zugleich wurden Stimmen des Volks vor der Curie gehört, sie würden Gewalt brauchen, wenn er dem Urtheil der Väter entrönne.
Schon hatten sie Piso'S
Bildnisse in die Gemonirn geschleppt und wollten sie zertrümmern, hätte nicht ein Befehl des Fürsten sie geschützt und wieder aufgestellt. Nun ward er in eine Sänfte gesetzt und von dem Tribun einer prä torischen Cohorte abgeföhrt, unter mannigfaltigem Gerede, ob dieser als Schutzwächter oder als Vollzieher deö Todesurtheils mitgehe.
282
Rom.
Eben so verhaßt war Plancina, aber mehr begünstigt, daher die Meinung schwankte, wie viel sich der Fürst in Rücksicht ihrer erlauben
würde.
Sie selbst verhieß, so lange Piso noch
ziemliche Hoffnung
hatte, sie werde jedes Schicksal mit ihm theilen, und wenn der Fall
einträte, ihm in den Tod folgen.
Als sie auf geheime Fürbitte der
Augusta Verzeihung erhielt, trennte sie sich allmählig von dem Gatten und schied ihre Vertheidigung von der seinigen. Der Beklagte, hierin
seinen Untergang erblickend, schwankt, ob er noch weitere Versuche machen sollte; doch auf Zureden seiner Söhne stählt er den Muth und geht wieder in den Senat.
Hier hatte er erneuerte Anklage,
feindselige Worte der Väter, lauten Widerstand und Härte zu erdulden,
allermeist aber crschrack er darüber, daß er den Tiberius ohne Mitleid,
ohne Entrüstung, starr und verschlossen sah, um ja in keinerlei Ge müthsregung auszubrechen. Rach Hause zurückgebracht, schreibt er Etwas, als überdächte er seine Vertheidigung auf den folgenden Tag, versiegelt es und übergiebt eö einem Freigelassenen. Hierauf verrichtet
er das Gewöhnliche zur Pflege des Körpers, dann nach Mitternacht, als die Gattin aus dem Schlasgemache getreten war, ließ er die Thüre zuschließen, und bei Tagesanbruch ward er mit durchbohrter Kehle, das Schwert auf dem Boden liegend, gefunden. Es wird berichtet, daß man ost in Piso's Händen eine Schrift ge sehen habe, die er selbst nie bekannt gemacht, aber seine Freunde hätten wiederholt geäußert, sie habe schriftliche Aufträge von Tiberius wider Germanicus enthalten; Jener sei entschlossen gewesen, sie den Vätern vorzulegen und den Fürsten zu überweisen, hätte nicht Sejanus ihn mit leeren Versprechungen getäuscht, auch sei er nicht durch eigene
Hand umgekommen, sondern durch einen gedungenen Mörder. Keines von Beiden kann man behaupten. Der Cäsar, sein Gesicht in Trauer falten legend, klagte beim Senat: „Ihn habe man durch solchen Tod verhaßt machen wollen."
Mit häufigen Fragen forscht er, wie Piso
den letzten Lebenstag und die Nacht zugebracht habe.
Als der Frei
gelassen des Piso in Mehrerem verständig, in Einigem unbesonnen geant
wortet, liest er Piso's Schrift ungefähr folgenden Inhalts vor: „Der Verschwörung meiner Feinde und der Gehässigkeit falscher Beschuldi
gung unterliegend, weil die Wahrheit und meine Unschuld nirgends Eingang findet, bezeuge ich bei den unsterblichen Göttern, daß ich in Treue gegen Dich, Cäsar, und in gleicher Ergebenheit gegen Deine
Mutter gelebt habe.
Euch bitte ich nun, nehmt Euch meiner Kinder
283
Tod des Germaniens.
an.
Von diesen ist Cneus Piso mit meinem Schicksal, wie es auch
falle, nicht verflochten, da er diese ganze Zeit über in der Stadt sich aufhielt; Marcus Piso hat mich von der Rückkehr nach Syrien ab
gemahnt;
und
o daß ich vielmehr dem jungen Sohn,
als er dem
Um so dringender bitte ich, daß nicht der
alten Vater gefolgt hätte.
Unschuldige für meine Verkehrtheit büße.
Durch sünfundvierzigjährigen
Dienst, durch Antheil am Consulate einst der Gunst des vergötterten Augustus, Deines Vaters und Deiner Freundschaft gewürdigt, trage ich Dir,
als
letzte Bitte in meinem Leben,
um Rettung
die Bitte
meines unglücklichen Sohnes vor." Ueber Plancina fügte er nichts hinzu.
Hierauf sprach Tiberius den
jungen Mann von der Schuld des Bürgerkrieges frei;
des Vaters
Befehle habe ja der Sohn nicht ablehnen können; zugleich bedauerte er das edle Haus und den schweren, wenn auch verdienten, Sturz des
Mannes.
Für
Plancina
sprach
er zu
eigener
und
Schmach
Schande, der Mutter Bitten vorschützend, gegen welche die trefflichsten
Männer nur desto mehr in heimliche Klagen auSbrachen: „Das also
dürfe die Großmutter
sich
herauönehmen,
des Enkels Mörderin
sehen, zu sprechen, dem Senate zu entreißen?
zu
Was allen Bürgern
die Gesetze gewähren, sei einzig dem Gcrmanicus nicht zu Theil ge worden.
Durch den Mund des Vitellins sei der Fürst betrauert; vom
Kaiser und von Augusta sei Plancina in Schutz genommen worden.
Möge sie demgemäß das so
glücklich erprobte Gift und ihre Ränke
gegen Agrippina und deren Kinder wenden und die treffliche Groß
mutter sammt dem Oheime mit dem Blute des unseligen Hauses ersättigen."
Dieser Sache wegen wurden zwei Tage mit dem Schatten
bild einer Untersuchung hingebracht, wobei Tiberius in Piso's Kinder
drang, sich ihrer Mutter anzunehmen; und da die Ankläger und Zeugen im Reden wetteiferten," ohne daß Jemand entgegnete, so gewann das
Mitleiden über den Haß die Oberhand. Als unter verschiedenen Anträgen Messalinus vorgeschlagen,
man
solle an Tiberius, Augusta, Antonia, Agrippina und Drusus für des Germanicus Ehrenrettung Dank abstatten, hatte er unterlassen,
Claudius zu erwähnen.
des
Wirklich fragte Lucius Asprenas Jenen vor
dem Senat, ob er ihn absichtlich übergangen hätte?
und dann erst
ward Claudius (des späteren Kaisers) Name hinzugesetzt.
Je mehr
ich die neuern oder ältern Vorfälle überdenke, desto mehr kommt mir
vor,
es
walte ob den menschlichen Dingen ein Spiel;
denn durch
284
Rom.
Ruf, Aussicht, Achtung waren alle Andere eher zur Herrschaft be stimmt, als Derjenige, den daS Schicksal zum künftigen Fürsten im
Verborgenen aufsparte. Wenige Tage darauf machte der Cäsar beim Senate den Antrag, mehreren Freunden des Germanictis
die Priesterwürde zu verleihen.
Dem Angeber Fulcinius verhieß er seine Stimme zu Ehrenstellen, mit der Warnung, seine Beredsamkeit nicht durch Ungestüm' zu überstürzen.
Hiermit endigte die Rache für Germanicus Tod.
(Tacitus.)
17. Stete. Schon als ein zarter, junger Knabe spielte er auf dem Circus oft und mit vielem Beifall das Trojaspiel mit.
In seinem cilften Jahre
ward er vom Claudius adoptirt und bekam den Seneca, der schon damals Senator war, zum Lehrer. Man erzählt, Seneca habe die Nacht darauf geträumt, Cajus Cäsar wäre sein Lehrling geworden;
welchen Traum auch Nero bald erfüllte, und seine grausame Gemüths art durch frühe Proben an den Tag legte. Als ihn Britanniens aus Gewohnheit noch nach der Adoption Aenobarbus genannt hatte, ver droß ihn dies so sehr, daß er ihn suchte bei seinem Vater für eilt untergeschobenes Kind auszugeben. Gegen seine Muhme Lepida trat er bei deren Anklage in eigener Person als Zeuge auf, um seiner Mutter, die Jene verfolgte, gefällig zu sein.
Am Tage seines Tirociniums beschenkte er die Soldaten und daS Volk, und bei einer Uebung der Garde im Laufen führte er gleichsam dieselbe mit dem Schilde in der Hand an und hielt darauf im Senat an seinen Vater. So hielt er unter dessen Consulate auch eine Rede in seiner Muttersprache für die Bononier
eine Danksagungsrede
und eine griechische für die Rhodier und Jlier. ' Da Nero als Präfect der Stadt in den lateinischen Ferien auch seine Gerichtsbarkeit ausüben wollte, so legten ihm die berühmtesten Advocatcn, nicht, wie sonst üblich, gewöhnliche und kurze, sondern, dem Verbot des Claudius ganz zuwider, sehr weitläufige Rechtshändel und zwar in Menge mit einer Art von Zudringlichkeit zur Entschei dung vor.
Bald nachher vermählte er sich mit Octavien und
gab
als eine Art von Gelübde für das Leben des Claudius Circensische
Spiele und ein Thiergefecht. Nero, der nunmehr im siebenzehnten Jahre war, ging, sobald man
285
Nero.
des Claudius Tod bekannt zu machen für gut befunden, zwischen sechs
und sieben Uhr zur Wache im Pallast, weil die schlimme Witterung nicht eher erlaubt hatte, von der Regierung Besitz zu nehmen.
Kaum
befand er sich an den Stufen des Pallastes, als man ihn zum Kaiser
ausrief; hierauf ließ er sich in einer Sänfte inS Lager und von da im Gefolge des in der Eile versammelten Kriegsvolks auf das Rath haus tragen, woher er erst am Abeird wieder in den Pallast zurück kam, überhäuft mit Titeln und Ehrenbezeugungen, von welchen allen
er seiner Jugend wegen sich den Titel eines „Vater des Vaterlandes" verbeten hatte.
Den Anfang seiner Regierung bezeichnete er durch die Beobachtung
seiner kindlichen Pflichten, veranstaltete dem Claudius ein sehr präch tiges Leichenbcgängniß, und hielt ihm bei seiner Apotheose eine Lobrede.
Dem Andenken seines Vaters Domitius erwieS er die größte Ehre; überließ seiner Mutter die Herrschaft in Staats- und häuslichen An gelegenheiten, gab am ersten Tage seiner Regierung dem die Wache
habenden Tribun die Parole: „Die beste Mutter," und ließ sich in
der Folge öfters mit ihr in der Sänfte tragen.
In Antium stiftete
er eine Colonie von Veteranen der Leibgarde und den reichsten Pri-
mipilaren, die ihre Wohnung dahin verlegen mußten, und legte daselbst einen sehr prächtigen Hafen an.
Auch gab er viele und mancherlei Schauspiele, z. B. Juvenalien, Circensische,
Schau- und Fechterspiele.
Bei den Juvenalien ließ er
auch betagte Eonsularcn und Matronen mitspielen.
spielen wies er den Rittern eigene,
Bei den Circus
vom übrigen Volke abgesonderte
Plätze an, und ließ mit Kameelen bespannte Quadrigen beim Wett rennen erscheinen.
Bei den für die ewige Dauer deS Reichs veran
stalteten, von ihm mit dem Namen der „Größten" belegten Spielen übernahmen Personen beiderlei Geschlechts von den beiden vornehmsten Ständen lustige Rollen.
Ein sehr bekannter römischer Ritter ritt auf
einem Elephanten von der ausgespannten Seile herunter.
obern Gallerie
deS Theaters auf einem
Man spielte auch des AsraniuS römische
Komödie, der Brand betitelt, und gab den spielenden Personen den
Hauörath des brennenden Hauses
preis.
Auch
wurden jeden Tag
allerlei Geschenke unter das Volk ausgeworfen, und zwar jeden Tag
tausend Stück, z. B. eine Menge von allerlei Geflügel, Täfelchen mit
Anweisungen auf Getteide, auf Kleidungsstücke, Gold, Silber, Edel-
286
Rom.
gesteine,
Perlen, Gemälde, Sklaven, Lastthiere und zahm gemachte
wilde Thiere, zuletzt auch auf Schiffe, Häuser und Ländereien. Diesen Spielen sah Nero oben auf der Vorbühne zu.
Fechterspiele,
das
er
auf einem
Bei einem
Jahresftift unweit
innerhalb
dem
Maröfelde erbauten hölzernen Amphitheater gab, durfte Niemand, nicht
einmal
ein Vcrurtheilter,
getodtct
Er ließ aber bei diesem
werden.
sechshundert römische Ritter
und
Fechterspiele vierhundert Senatoren
mit austreten, und von beiden Ständen außerdein noch Viele, deren
Einige weder durch Armuth, noch verdiente Schande so tief gesunken waren,
mit wilden Thieren kämpfen und
Kampfplatz besorgen.
andere Geschäfte aus dem
Auch hielt er ein Seegefecht, wo man auf dem
aus der See geführten Canal Meer-Ungeheuer schwimmen sah.
Des
gleichen stellte er verschiedene Waffentänze mit jungen Leuten an, denen
er nachher das römische Bürgerrecht schriftlich schenkte.
Die Herrschaft des römischen Volks
hatte er
weiter auszubreiten,
eben so wenig Neigung, als Hoffnung, und war deswegen sogar der Meinung, die Armee aus Brittannien zu ziehen,
und nur die Be-
sorgniß, seines Vaters Ruhm dadurch zu kränken, hielt ihn davon ab.
Er begnügte sich, das ihm von Polemon abgetretene Königreich Pontus, und, das alpische Gebiet des Cottius, nach dem Tode desselben, zu
römischen Provinzen zu machen. Seine Neigung zur Ausschweifung,
hunger
und
Grausamkeit
er
äußerte
Schwelgerei,
Wollust,
Geld
nur unvermerkt und
anfangs
heimlich, als jugendlichen Leichtsinn; doch hielt schon damals Jeder mann alles dies mehr für einen Fehler seines Charakters, als seines
Alters.
die
Gleich nach der Abenddämmerung lief er schon verkleidet in
Garküchen
und
verübte
allerlei
wobei Manche zu Schaden kamen,
Muthwillen
auf
den
Straßen,
indem er Personen, welche vom
Abeitdessen nach Hause gingen, prügelte, die, so sich zur Wehr setzten, verwundete oder gar tödtete und in die Kloaken werfen ließ.
Auch
pflegte er die Krämerbuden aufzubrechen, auszurauben, und dann in seinem Pallaste, Beute
wo er eine Quintane angelegt hatte,
an die Meistbietenden zu
verkaufen,
Geld mit seinen Cameraden zu verschmausen.
und
das
die gemachte
dafür
gelöste
Bei dergleichen Raufe
reien kam er öfters übel ab und in Gefahr, ein Auge oder gar das
Leben zu verlieren; wie er denn von einem Senator, dessen Gemahlin er hatte nothzüchtigen wollen, fast bis auf den Tod war geschlagen
287
Nero.
worden.
Weshalb er dann auch später niemals um diese Zeit anders,
als in Begleitung der Garde-Tribunen sich auf die Straße wagte,
die ihm von ferne und in der Stille nachfolgten. Bei Tage ließ er sich heimlich in einem Tragsessel aufs Theater bringen, wo er oben von der Vorbühne den Zänkereien des Volks über die Pantomimen als Zeuge und Anstifter zusah.
Kam es bei dieser Gelegenheit zum
Handgemenge, und griff man zu Steinen und zerbrochenen Bänken,
so warf er selbst mit unter das Volk; wodurch er einmal den Prätor selbst am Kopf verwundete. Unvermerkt nahmen seine Ausschweifungen überhand, und nicht zu
frieden, seine tückischen Streiche im Verborgenen auszuüben, beging er,
mit Beiseitsctzung aller Verstellung, ungescheut die größten Bosheiten. Seine Schmausereien dauerten von Mittag bis zur Mitternacht, wäh
rend welcher Zeit er sich öfters in warmen Teichen, die er im Sommer mit Schnee abkühlen ließ, erfrischte. Zuweilen speisete er auch öffent lich, entweder in der mit Schranken umgebenen Naumachie oder auf dem Marsfelde oder im großen Circus, wobei ihn die Freudenmädchen von ganz Rom und die syrischen Tänzerinnen bedienen mußten.
So
oft er auf der Tiber nach Ostia fuhr oder am bajanischeu Meerbusen vorbeischiffte, wurden an dem Ufer und Gestade eine Menge von Schenken errichtet, worin die größte Unzucht gctriebenw urde. Zuweilen bat er sich bei seinen Freunden selbst zu Gaste, deren
Einer aus die aus Nardenblättern und Seidcnzeuge verfertigten Kränze vier Millionen Scsterzien, ein Anderer auf dergleichen aus Rosen
blättern verfertigte noch mehr verwendete. Außer der Octavia nahm er in der Folge noch zwei Gemahlinnen, nämlich die Poppäa Sabina, die Tochter eines gewesenen Quästors, die vorher schon mit einem römischen Ritter war vermählt gewesen; und darnach die Statilia Messalina, die Urenkelin des Taurus, der zweimal die Ehre des Consulatö und des Triumphs genossen hatte.
Um Letztere zu erhalten, ließ er ihren Mann, den Consul Atticus
Der Octavia ward er bald überdrüssig und sagte zu seinen Vertrauten, die ihn deshalb Vestinuö, während seines Consulats ermorden.
tadelten: „Sie könne mit dem Schmuck einer Kaiserin zufrieden sein." Oesters fiel ihm ein, sie erdrosseln zu lassen; zuletzt schied er sich unter
dem Vorwande der Unfruchtbarkeit von ihr.
Da das Volk darüber
murrte und ohne Unterlaß auf ihn schimpfte, verwies er sie anfangs
aus Rom, ließ sie endlich gar hinrichten, und zwar wegen der ihr
288
Rom.
schuldgegebenen Untreue, welche Beschuldigung so unverschämt und un gegründet war, daß, da alle durch die Folter erpreßten Aussagen ihre
Unschuld bewiesen, endlich sein gewesener Hofmeister Anicet sich durch
große Versprechungen zur Aussage bewegen ließ, daß er sich Octavien's Genuß auf eine listige Art zu verschaffen gewußt hätte.
Zwölf
Tage nach Octavien's Verstoßung vermählte er sich mit der Poppäa, die ihn außerordentlich doch selbst ihr Mörder,
zu
Dem ungeachtet ward er
wußte.
fesseln
indem
er ihr,
da sie krank und schwanger
war, und weil er vom Wagenrennen sehr spät nach Hause kam, dar
über ihr Mißvergnügen äußerte, einen Stoß mit dem Fuße gegeben.
Durch sie ward er Vater von einer Tochter, Claudia Augusta,
die
aber sehr jung starb. Kein Grad von Verwandtschaft konnte gegen seine Mordlust, sichern.
Des Claudius Tochter, Antonia, die ihm nach Poppäen's Tode ihre Hand verweigerte, ließ er als eine für die Ruhe des Staats gefähr
liche Person hinrichten, und so alle Uebn'gen, die entweder mit ihm oder Blutsverwandte waren;
verschwägert
unter diesen
den jungen
Aulus Plautius, den er vor seinem Tode mit Gewalt aus eine un
züchtige Art besudelte, dann sagte: „Jetzt mag meine Mutter kommen und
und dabei vorgab,
meinen Nachfolger küssen,"
es
wäre seiner
Mutter Liebhaber gewesen, die ihn habe auf den Thron erheben wollen.
Seinen Stiefsohn von der Poppäa, RufuS Crispinuö,
ließ er noch
als einen Knaben und zwar deswegen, weil, wie man sagte, er nur
Kaiser und Könige
zu
spielen
pflegte,
während daß er am Meere
fischte, von seinen eigenen Sklaven ersäufen.
Den Sohn seiner Amme,
Tuscus, verwies er, weil derselbe, als Statthalter von Aegypten, sich
in den
daselbst für den erwarteten Kaiser erbauten Bädern gebadet
hatte.
Seinen Lehrer,
nehmen,
ungeachtet
den Seneca,
zwang er,
er denselben öfters,
sich
das Leben
zu
wenn er sich von Hof mit
Abtretung seines ganzen Vermögens beurlauben wollte, aufs Heiligste zugeschworen: „Seine Furcht wäre ungegründet, und er wollte selbst lieber sterben, Leibwache,
als
ihm
etwas
dem Burrhus, dem
versprochen, schickte er Gift.
ihm
anfangs
zur Adoption
zu Leide
er
thun."
Dem General der
ein Mittel gegen
das Halsweh
Die reichen und alten Freigelassenen, die
und
nachher
zur Regierung
verholfen
hatten, auch seine Rathgeber gewesen waren, räumte er ebenfalls ins
gesammt mit Gift aus dem Wege, das er ihnen im Essen und Trinken hatte beibringen lassen.
289
Nero.
Des Volks und der Stadt Rom schonte
Jemand sägte
im Gespräche:
er aber eben so wenig.
„Nach meinem Tode
mag .Feuer, die
„Ja,"
erwiederte er, „schon bei meinem Leben."
Und so handelte er auch.
Denn er ließ unter dem Vorwande, daß
Erde verwüsten."
ihm die Unregelmäßigkeit der alten Gebäude und die alten, und krumder Stadt mißfielen,
men Straßen
Rom
ganz
öffentlich- in Brand
stecken, so daß viele Consnlaren seine Bedienten mit Werg und Fackeln
in ihren Hänsern antrasen, aber nicht Hand an sie zu legen wagten,
und verschiedene an seinen goldenen Pallast anstoßende Fruchtmagazine, deren Plätze er
Quadersteinen
gar zu
gerne
haben wollte,
und in Brand stecken.
ließ er,
weil sie von
durch Kriegsmaschinen niederreißen
aufgcführt waren,
Diese Feuersbrunst dauerte sechs Tage und
sieben Nächte-, während welcher Zeit das Volk zu den Monumenten
und
Grabstätten
feine Zuflucht
nehmen
Außer unzähligen
mußte.
Gebäuden gingen die mit der feindlichen Beute noch prangenden Palläste der alten Kriegshelden, die von den Königen und in der Folge in den panischen und gallischen Kriegen gelobten und erbauten Tempel,
und überhaupt Alles- was aus dem Alterthume denk- und sehens würdig war, in Rauch auf. Er selbst sah vom Thurme des Mäcens dem Brande zu, freute sich, wie er sagte, über die Schönheit der
Flammen und besang indessen, in seiner theatralischen Kleidung, die Eroberung (den Brand) von Troja.
Und um auch bei dieser Gelegen
heit seine Raubbegierde zu befriedigen, versprach er zwar den Schutt und die Leichname auf seine Kosten wegzuschaffen, erlaubte aber Nie mand,
sich
seiner Brandstätte, zu
nähern und
erschöpfte außerdem
durch die ihm nicht allein angebotenen, sondern von ihm auch ausge schriebenen Beisteuern sowohl Privatpersonen, als ganze Provinzen.
Unter diesem Ungeheuer von einem Kaiser mußte der Erdkreis bei nahe vierzehn Jahre lang seufzen, da er endlich davon befreit ward.
Den Anfang machten die. Gallier unter Anführung des Julius Binder, der damals als Proprätor in dieser Provinz war. Schon längst war dem Nero von den Astrologen vorhergcsagt worden,
werde
vom Thron gestoßen werden,
welches
denn
daß er einstens
jenen
bekannten
Ausspruch desselben veranlaßte: „Die Kunst findet überall ihren Unter halt," und . ihn um so mehr zu rechtfertigen schien, wenn er auf der
Harfe ein Virtuos zu werden suchte, weil dieses ihm als Regenten
so -angenehme Talent ihm, seiner Meinung nach, im Privatstande sehr nöthig sein könnte. Histor. Lesebuch.
I.
Unterdessen hatten ihm doch einige dieser Wahr-
19
290
Rom
sager nach
seiner etwanigen Entfernung die Herrschaft deS Orients
zugesichert, verschiedene, namentlich die Herrschaft
meisten aber seine völlige Wiederherstellung.
zu Jerusalem,
die
Voll von dieser Hoffnung
glaubte er, nach der Wiedereroberung Armenien's und Brittannien's,
nunmehr sein widriges Schicksal überstanden zu haben.
Da ihn aber
der delphische Apoll, auf sein Befragen, vor dem dreiundsiebenzigsten
Jahre gewarnt hatte, so glaubte er, ohne an den Galba zu denken,
daß dies sein Todesjahr sein würde, und versprach sich so zuversicht
lich ein hohes Alter und eine ununterbrochene Glückseligkeit, daß, als er durch einen Schiffbruch viele Kostbarkeiten verloren hatte, er ohne
alles Bedenken zu seinen Freunden sagte: „Diese werden mir selbst die Fische wiederbringen."
Die Nachricht von der Empörung in Gallien
bekam er zu Neapolis am nämlichen Tage, da er seine Mutter er
morden lassen: war aber dabei so ruhig und gelassen, daß man fast hätte denken sollen, als freuete er sich darüber, als über eine Gelegen
heit, diese
so
reichen Provinzen
Krieg ansplündcrn zn können.
unter dem Schein des Rechts
im
Unmittelbar darauf ging er ins Gymna
sium und sah mit der größten Theilnehmnng den Hebungen der Kämpfer zu.
Als er aber bei der Tafel des Abends neue Berichte von größer»
Unruhen erhielt, brach sein Zorn endlich in Drohungen gegen die Em
pörer aus.
Ganzer acht Tage konnte er sich nicht überwinden, an
Jemand in dieser Sache schriftliche oder mündliche Befehle und Auf träge zu ertheilen, sondern beobachtete darüber ein tiefes Stillschweigen.
Endlich bewogen ihn die häufigen und beschimpfenden Ediete des
Binder den Senat schriftlich
aufzufordern,
ihn und
den Staat zu
rächen, und er entschuldigte seine Abwesenheit mit einer ihm zugestoße
nen Heiserkeit.
Nichts schmerzte ihn aber mehr, als daß ihn Binder
in diesen Edicten einen Stümper aus der Harfe und statt Nero, Aeno-
barbus
genannt hatte.
Doch erklärte er sich,
Geschlechtsnamen, den man ihm,
daß er diesen seinen
um ihn zu beschimpfen, beigelegt,
wieder annehmen, und den durch die Adoption erhaltenen nicht weiter führen würde.
Die übrigen ihm gemachten Vorwürfe wußte er aber
durch weiter nichts von sich abzulehnen, als daß er solche der Un wissenheit des Binder in einer von ihm zu einer so hohen Stufe der
Vollkommenheit
gebrachten Kunst zuschrieb
und
bald
Diesen,
bald
Jenen fragte: „Ob sie wohl einen größern Virtuosen, als ihn, keuu-
ten?"
Als aber eine böse Post auf die andere folgte, so kehrte er
endlich
voll banger Furcht nach Rom zurück.
Auf dieser Rückreise
291
Nero. machte ihm ein sehr unbedeutendes Vorzeichen wiederum Muth.
Er
bemerkte nämlich einen auf einem Grabmal abgebildeten erlegten Gal lier, den sein Sieger, ein römischer Ritter, an den Haaren schleifte,
bei welchem Anblick er vor Freude hüpfte und dem Himmel mit auf
gehobenen Händen dankte.
Aber auch nach seiner Ankunft in Rom
erschien er weder im Senat,
noch vor dem Volk,
Einige der Vornehmsten in seinen Pallast kommen. mit denselben gehaltenen Berathschlagung
brachte
sondern ließ nur
Nach einer kurzen er die übrige Zeit
des Tages mit einer neuen, ganz unbekannten Art von Wasserorgel
zu, die er ihnen Stück vor Stück zeigte und sie von ihrer Beschaffen heit und künstlichen Einrichtung unterhielt, mit der Versicherung, daß
er auch nächstens, wofern ihn Binder nicht darin hindere, aus dem Theater einen Versuch damit anstellen werde.
Nachdem er aber darauf auch von des Galba Empörung in Spa
nien benachrichtigt wurde, fiel er vor Schrecken zu Boden und blieb muthloS ohne Sprache unv halbtodt lange liegen. wieder zu
sich
gekommen,
zerriß er sein Kleid,
Stirn und rief laut: „Ich bin verloren." zu
trösten,
ihm vorstcllte,
daß
Nachdem er endlich
schlug
sich vor die
Seine Amme, die, um ihn
andern Regenten
ähnliche Schicksale
widerfahren wären, antwortete er: „Mein Unglück ist ohne Beispiel,
denn ich verliere meinen Thron eher, als mein Leben."
Dem Allen
ungeachtet blieb er unverändert bei seiner gewöhnlichen schwelgerischen Unthätigkeit,
stellte
sogar, da
einige
günstige
Nachrichten
aus
den
Provinzen einliefen, ein prächtiges Gastmahl an, sang bei der Tafel allerhand scherzhafte und muthwillige Verse auf die Urheber der Em pörungen und machte dabei allerhand Grimassen.
Auch ließ er einen
Schauspieler, der auf dem Theater, wohin er sich heimlich hatte bringen lassen, stärker» Beifall erhalten, sagen:
„Daß er sich seine jetzigen
vielen Beschäftigungen wohl zu Nutze zu machen wisse." Gleich beim Ausbruche der Empörung soll er verschiedene sehr grau same, seinem Naturell angemessene Entwürfe gemacht haben.
Er war
nämlich gesonnen, die Befehlshaber der Armee'n und Statthalter der
Provinzen, weil sie,
wie er glaubte, nach einer allgemeinen Verab
redung sich empört hätten, alle insgesammt ablösen und durch Meuchel
mörder aus dem Wege räumen, und alle Verwiesene an allen Orten,
sammt allen in Rom befindlichen Galliern ermorden zu lassen; Jene, damit sie sich nicht zu den Empörern
schlagen möchten, Diese aber,
weil sie an ihrer Landsleute Empörung Theil nehmen und solche be19*
292
Nom.
günstigen würden: ferner die Provinzen Galliens den Soldaten zur Plünderung Preis zu geben, den gesammten Senat bei der Tafel mit Gift hiüzurichten, die Stadt anzustecken, und wilde Thiere auf das Volk loszulassen, um dasselbe dadurch am Löschen zu hindern.
Doch
entsagte er allen diesen Entwürfen, nicht etwa, weil er sie verabscheute, sondern weil ihre Ausführung ihm unmöglich schien, entschloß sich zu einem Feldzug, den er für nothwendig hielt, und ließ den Consuln
ihre Stelle vor der Zeit niederlegen, welche er allein übernahm, gleich als sollten die Gallier, nach dem Schlüsse des Schicksals, nur von
einem Consul besiegt werden.
er nach übernommenem Consulat
Da
in Begleitung seiner Vertrauten,
auf deren Schultern er sich lehnte,
aus dem Speisesaal von Tafel ging, erklärte er ihnen: „Daß er bei dem ersten Eintritte in die Provinz sich ganz unbewaffnet der Armee
darstellen und nur durch Seufzer und Thränen sie zu rühren suchen
werde: und wenn er dann die Empörer dadurch zur Reue würde gebracht haben, so wolle er den folgenden Tag bei einem fröhlichen Schmause Siegeslieder vorsingen, welche er jetzt verfertigen müßte."
Bei der Zurüstung zu diesem Feldzüge war seine erste Sorge, Fuhr
werke für seine musikalische Instrumente anzuschaffen, und seine Bei schläferinnen, die er mit sich nehmen wollte, nach Männerart scheeren
und mit Streitäxten und amazonischen Schilden versehen
zu
lassen.
Darauf forderte er die Tribus in der Stadt auf, zur Fahne zu schwö
ren, und weil keine dienstfähigen Leute sich stellten, so forderte er von
den Herren eine bestimmte Anzahl von Sklaven und nahm aus jedenr Hause die besten, selbst die Haushälter und Schreiber nicht ausge nommen.
Er befahl sogar allen Ständen einen Beitrag von ihrem
Vermögen
zu liefern und nöthigte
noch überdies die Bewohner von
Privathäusern ihre jährliche Miethe an die Schatzkammer voraus zu
bezahlen.
Zugleich verlangte er noch
mit der größten Strenge und
äußersten Genauigkeit lauter neugeprägte Kupfer-, die feinsten Silber
und probehaltigen Goldmünzen.
Weswegen ihm dann die Meisten
jede Art von Beitrag öffentlich verweigerten, und ihn einstimmig an seine Angeber verwiesen, denen er alle ihnen zu Theil gewordene Be
lohnungen mit weit größerem Rechte wieder abfordern könnte. Noch mehr stieg der Haß gegen ihn durch die Getreidetheuerung, mit der das Volk zu kämpfen hatte, besonders da man vernahm, daß
ein alexandrinisches Schiff bei dieser
allgemeinen Hungersnoth, statt
Getreide, vielmehr Sand für die Ringer von Hof geladen habe.
Dieö
293
Nero.
und man beschimpfte
erregte eine allgemeine Erbitterung gegen ihn, ihn auf alle mögliche Weise.
Oben an seiner Statüe befestigte man
einen kleinen Rennwagen mit der griechischen Aufschrift: „Jetzt ist es
An eine andere
Zeit zu kämpfen, jetzt mag er ihn einmal lenken."
von seinen Statüen band man einen ledernen Schlauch mit den Wor
ten: „Ich habe ja nichts dafür gekonnt! Du aber hast das Säcken verdient."
Auch schrieb man an seine Bildsäulen: „Auch ihn haben
die Gallier (Hähne) durch ihren Gesang aufgeweckt."
Des Nachts
stellten sich Viele, als hätten sie Händel mit den Sklaven und riefen einmal über das andere nach dem Binder.
Sehr deutliche üble Vorbedeutungen alter und neuer Träume und Vorzeichen verdoppelten seine ängstliche Unruhe.
Erst nach seiner Mutter
Ermordung, denn vorher hatten ihn keine Träume beunruhigt, träumte ihm bald, daß ihm das Steuerruder des Schiffs, welches er regiere, mit Gewalt entrissm worden; bald, daß ihn seine Gemahlin Octavia
mit
sich
in
die dickste Finsterniß
fortschleppe;
bald bedeckte ihn im
Traume eine Menge geflügelter Ameisen, bald schienen ihn die beim Eingang des Theaters
des Pompejus
aufgestellten Standbilder der
Völker zu umringen und ihm den Eingang zu verwehren.
Sein astu
rischer Zelter, dies sein Lieblingspfcrd, sah er im Traume, den Kopf
ausgenommen,
mit
Affen verwandelt.
selbst öffneten,
kam
welchem es Aus
dem
laut wieherte,
sonst ganz in einen
Mausoleum, dessen
eine Stimme hervor,
Thüren
sich
von
die ihn mit Namen rief.
Am ersten Januar, da man eben mit der Veranstaltung zum Opfer
beschäftigt war, sielen die geschmückten Laren zur Erde, und da er an diesem Tage die Auspicien befragte, machte ihm Sporus ein Geschenk mit einer Gemme, in welcher der Raub der Proserpina eingegraben war, so wie man denn auch an diesem Tage, da die öffentlichen Ge lübde (für den Staat und den Kaiser) abgelegt werden sollten, bei nahe die Schlüssel zum Capitol nicht gefunden hätte.
Als im Senat
aus seiner Rede wider den Binder die Worte vorgelesen wurden: „Die Aufrührer sollten bald gestraft werden und in Kurzem ihr verdientes
Ende nehmen," rief der ganze Senat einstimmig:
thun, Nero."
Man hat auch bemerkt,
„Dies
sollst Du
daß sein letztes Trauerspiel,
in dem er aufgetreten, Oedipus, der Verbannte, und der letzte Vers,
den er gesungen, dieser gewesen: „Meinen Tod fordern Gemahlin, Mutter und Vater."
294
Nom.
Mittlerweile bekam er, und zwar über Tafel,
auch
die übrigen Armee'n ihm den Gehorsam
die Nachricht,
daß
aufgekündigt hätten.
Dies brachte ihn dergestalt aus aller Fassung, daß er das Schreiben
zwei seiner liebsten Pocale, die,
in Stücken riß, die Tafel umwarf,
weil einige Homerischen Verse darauf gegraben waren, er die Homeri
schen
zu
nennen
pflegte,
auf den Boden schmiß
und sich von der
Locusta Gift geben ließ, das er in ein goldenes Büchschen that, und sich darauf in die Servilianischen Gärten begab.
Von hier schickte er
seine ihm ergebensten Freigelassenen nach Ostia voraus, um dort die Flotte in Bereitschaft zu halten und suchte sodann die Tribunen und Centurionen der Leibwache zu bereden, mit ihm die Flucht zu nehmen. Da sie aber theils Ausflüchte suchten, theils
schlugen,
ihm solches nmd ab
und Einer von ihnen gar in die Worte auöbrach:
„Ist
denn Sterben so was Entsetzliches?" so befand er sich in der größten
Unentschlossenheit.
Bald wollte er sich zu den Parthern flüchten, bald
sich dem Galba zu Füßen werfen, bald schwarz gekleidet öffentlich vor
dem Volke erscheinen und auf dem öffentlichen Rednerplatz wegen dcö
Vergangenen auf das Wehmüthigste um Verzeihung, und, wenn man ihm den Thron nicht würde lassen wollen, wenigstens um die Statt
halterschaft Aegypten's
bitten.
Und
wirklich
fand
man hernach in
seinem Schreibpulte eine in dieser Absicht abgefaßte Rede. Unentschlossenheit
ging er zu Bette,
In dieser
erwachte aber um Mitternacht,
sprang auf die Nachricht, daß ihn seine Garde verlassen habe, aus
dem Bette und schickte nach seinen Günstlingen: da ihm aber Niemand eine Antwort brachte, so ging er selbst mit einem kleinen Gefolge zu
den Zimmern derselben im Pallast. schlossen, Niemand antwortete ihm.
Allein alle Thüren fand er ver
Er ging also in fein Schlafgemach
zurück, sand dasselbe aber von der Wache verlassen, die nicht nur sein
Bette, sondern auch die Giftdose mit sich forlgenommen hatte.
Da
suchte er sogleich den Fechter Spicillus oder den Ersten, den Besten auf, der ihn tobten möchte.
Da er aber Niemand fand, sagte er:
„O so habe ich denn weder einen Freund, noch einen Feind!" und lief endlich fort, als wenn er sich in die Tiber stürzen wollte.
dem er sich aber eines andern besonnen, so einsamen Aufenthalte ein
wenig
zu
erholen.
Nach
suchte er sich in einem In dieser Absicht bot
ihm sein Freigelassener, Phaon, sein ungefähr vier Meilensteine weit von der Stadt zwischen der Salarischen und Nomentanischcn Straße
gelegenes Landhaus an.
Er schwang sich also gleich, so wie er war,
mit bloßen Füßen, nur in der Tunica, über die er eine» alten abge schossenen Mantel warf, auf ein Pferd, verhüllte sein Gesicht, band vor den Mund sein Schweißtuch und eilte in Begleitung von nur vier Personen, unter denen sich auch Sporns befand, fort. Es währte aber nicht lange, so gerieth er durch ein Erdbeben und einen ihm ins Gesicht strahlenden Blitz in ein großes Schrecken, welches das Ge schrei der Soldaten aus dem ganz nahen Lager noch vermehrte, die, wie er horte, ihm alles Unglück, alles Glück aber dem Galba wünsch ten. Auch hörte er einen ihm begegnenden Reisenden sagen: „Diese suchen gewiß den Nero aus;" so wie ein Anderer sie fragte: „Nun was hört man Neues zu Rom vom Nero?" Da ihm aber wegen des Gestanks eines auf die Straße geworfenen Aases sein Pferd scheuete, und ihm dadurch das Tuch vom Gesichte gefallen war, er kannte und grüßte ihn ein entlassener Veteran von der Leibwache. Jetzt mußte man von der Straße ablenken, da man denn die Pferde zurückschickte, er selbst aber mußte zwischen den Gebüschen und Dornhecken mit vieler Miihe auf einem mit Schilf bewachsenen Fußpfade, wo man ihm öfters Kleider unterlegte, an die Hintere Mauer der Ville gelangen. Hier bat ihn Phaon sich einstweilen in eine Sand grube zu begeben. Er sagte aber: „Er wolle nicht bei lebendigen Leibe in der Erde begraben sein," wartete also hier ein wenig, bis ihm ein heimlicher Eingang in die Ville gemacht wordeir und trank aus der nächsten Pfütze mit hohler Hand mit den Worten: „Daö ist Nero's köstlicher abgesottener Trank!" Darnach zog er die von den Dornhecken in seinem Mantel steckenden Dornen heraus und kroch auf allen Vieren durch die gemachte enge Oeffnung in die nächste Kammer, wo er sich auf ein mit einem sehr mittelmäßigen Polster versehenes und mit einem alten Mantel bedecktes Bett niederlegte. Da ihn nun Hunger und Durst zu plagen anfing, schlug er zwar daö schlechte ihm angebotene Brod aus, trank aber ein wenig laues Wasser. Nunmehr, da man von allen Seiten in ihn drang, sich der ihm drohenden Schmach sobald, als möglich, durch freiwillige Entleibung zu entziehen, befahl er vor seinen Augen eine Grube nach dem genommcnen Maße seines Körpers zu macheil und solche mit Marmor plättchen, wenn sich deren fänden, auszulegen, auch Holz und Wasser in Bereitschaft zu halten, um bald bei Beerdigung seines Körpers davon Gebrauch zu machen, wobei er häufig Thränen vergoß und mehreremale sagte: „Welch ein Künstler stirbt mit mir!" In dieser
296
Nom.
Unentschlossenheit erhielt er jetzt durch einen Eilboten vom Phaon ein Schreiben, welches er hastig erbrach und darin benachrichtigt ward, daß der Senat ihn für einen Feind erklärt, ihn nunmehr aussuchen lasse, um ihn nach Art der Vorfahren zu bestrafe». Als er auf die Frage: worin denn diese Strafe bestände? erfuhr, daß man den Vcrurthciltcn nackend, nachdem man ihm den Hals in die Strasgabcl gesteckt, so dann bis auf den Tod geißele; so gerieth er dadurch so in Angst, daß er die zwei Dolche, welche er bei sich führte, hervorholte, ihre Spitzen beiderseits probirte, sie aber wieder einsteckte, „weil," wie er vorgab, „seine Todesstunde noch nicht erschienen wäre." Nunmehr bat er bald den Sporns, zu wehklagen und sich aus die Brust zu schlage», bald die Umstehenden, daß doch Einer unter ihnen durch fein Beispiel ihn zum Selbstmord ermuntern möchte, bald verwies er sich selbst feine Feigheit mit den Worten: „Mir zum Schimpf, zur Schande lebe ich; wahrlich, dies schickt sich für einen Nero nicht! Muth ist jetzt nöthig! Wohlan, ermanne Dich." Mittlerweile hörte man die Reiter kommen, welche sich seiner lebendig bemächtigen sollten. So bald er sie merkte, sagte er mit zitternder Stimme: „Der schnellen Reiter Trab klirrt mir in die Ohren!" und durchstach sich hierauf mit Beihülfe seines Geheimfchrcibers EpaphrodituS die Kehle. Noch athmete er, als der Centurio inS Zimmer trat, der sich anstellte, als wäre er zu feinem Beistände gekommen und das Blut mit dem fest angedrückten Mantel zu stillen suchte. Nero sagte aber nichts weiter, als: „zu spät: heißt daö Treue?" Mit diesen Worten starb er, und feine Augen erstarrten und traten auf eine so fürchterliche Art ihm aus dem Kopfe, daß ihr Anblick bei Jedem Furcht und Grausen erweckte. Seine Gefährten hatte er um nichts dringender gebeten, als daß man seinen Kops nicht vom Rumpfe trennen oder seinen Feinden überlassen, sondern seinen Leichnam unverstümmclt verbrennen möchte, worin denn auch des Galba Freigelassener, Jeelus, willigte, welcher kurz zuvor aus dem Verhaft, in den er beim ersten Tumult gekommen, war ent lassen worden. Der Aufwand bei seinem Leichenbegängnisse, wo man ihn in seiner weißen, mit Gold durchwirkten Kleidung, die er am letzten NeujahrStage getragen hatte, verbrannte, betrug zwolstausend Gulden. Seine Asche sammelten seine beiden Säugammen, Eelogc und Alerandra, nebst seiner Beischläferin Stete, und brachten sie in daö Domieische Familienbegräbniß, das man vom Marsfeldc aus dem Gartenhügel
297
Nero.
sehen kann.
Sein Sarg war von porphyrähnlichem, rothen, der da
bei stehende Altar von lunischem, und das Geländer von thasischem Marmor.
Er hatte fast die völlige Größe eines Mannes, aber einen fleckigten und häßlichen Körper, reizende Gestchtsbildung,
ein
gelbliches Haar,
Nacken, einen hängenden Bauch, hafte Gesundheit.
eine mehr schöne,
als
blaue und kurzsichtige Augen, einen dicken sehr dünne Beine und eine dauer
Denn ungeachtet er ein ausschweifender Schwelger
war, bekam er doch innerhalb vierzehn Jahren nur dreimal einen An
stoß, und zwar ohne daß er dabei sich hätte im Geringsten in Ansehung
des WcinS und seiner übrigen Diät einschränken müssen.
In seiner
Kleidung und dem äußerlichen Aufzug beobachtete er so wenig den ge
hörigen Wohlstand, daß er sein Haar in Reihen von Locken srisiren,
und die Locken auf seiner achäischcn Reise sogar über den Rücken fliegen ließ und gewöhnlich nur in einem Taselklcide mit einem nm den Hals
gebundenen Taschentuche, ungegürtet und in Pantoffeln öffentlich erschien.
Bon allen Theilen der Gelehrsamkeit hatte er in seiner Jugend einen Vorgeschmack erhalten, nur nicht von der Philosophie, als von welcher,
als einer einein künftigen Regenten nachthciligcn Wissenschaft ihn seine
Mutter abgehalten, so wie dies Seneca in Ansehung deö Studiums
der alten Redner that, um seine Rcdnertalente desto länger bei ihm
in Ansehen zu erhalten.
Er fand daher am meisten Geschmack
an
der Dichtkunst, und die Poesie ward seine Lieblingsbeschäftigung, die ihm so wenig Mühe kostete, daß er gewiß nicht, wie Einige vorgeben,
fremde Gedichte fiir die seinigcn ansgcgebcn hat.
Auf die Maler- und Bildhauerkunst wandte er ebenfalls viel Fleiß, richtete
sich
aber dabei nach dem Geschmack deö Volks
und ahmte
Jedem, der desselben Beifall in irgend einer Art erhalten hatte, eifrig nach.
So hatte sich auch das Gerücht verbreitet,
daß er, mit den
auf der Bühne erhaltenen Sicgcskroncn nicht zufrieden, gesonnen ge wesen, beim nächsten Lnstrum auf dem Kampfplatz zu Olympia unter
den Athleten aufzutreten,
llnd wirklich übte er sich unaufhörlich im
Ringen; bei allen gymnischen Spielen in ganz Griechenland nahm er aber, so wie der Kampfrichter, jederzeit in dem Stadium seinen Sitz
auf der Erde und zog mit eigener Hand diejenigen Kämpfer, welche sich zu weit entfernt hatten,
an den gehörigen Ort wieder hervor.
Weil er aber im Singen den Apoll und im Fahren den Phöbus er reicht zu haben glaubte, so wollte er auch des Herkules Thaten nach-
298 ahmen.
Rom.
In dieser Absicht soll er sich haben einen Löwen in Bereit
schaft halten lassen, um ihn vor den Augen des Volks nackend auf dem Kampfplatze deS Amphitheaters entweder mit der Keule zu erlegen
oder zwischen seinen Armen zu ersticken. Gegen das Ende seines Lebens that er das Gelübde, wenn ihn ferner das Glück begünstigen, und
den Sieg in den feierlichen
er
Spielen, die er anstellen wollte, erhalten würde, auf der Wasscrorgel,
auf der Flöte bei den Chören und auf dem Dudelsack sich öffentlich hören zu lassen, am letzten Tage aber als Schauspieler zu erscheinen
und Virgil's Turnus zu tanzen. Unsterblichkeit des Namens war sein größter Wunsch; thöricht aber der Weg, den er wählte.
In dieser Absicht vertauschte er viele Oerter
und anderer Sachen Namen mit dem seinigen, ließ z. B. den April den Neromonat nennen, und Rom selbst sollte Neropolis heißen.
Alle Religionen waren ihm lächerlich, die Verehrung der syrischen
Göttin ausgenommen.
Doch auch diese verachtete er in der Folge so
sehr, daß er ihre Bildsäule behanrete und ihren Dienst mit einem an dern Aberglauben verwechselte, dem er aus das Stärkste ergeben blieb.
Es hatte ihm nämlich ein gemeiner, unbekannter Mensch einen kleinen, weiblichen Talisman als ein besonders gegen Verschwörungen sichern
des Mittel geschenkt, dem er, da gleich daraus die pisonische Ver schwörung entdeckt ward, von der Zeit an beständig als die höchste Gottheit, dreimal des Tages opferte, mit der Versicherung, daß ihm
derselbe die
Zukunft
offenbare.
Wenige
Monate
vor seinem
Tode
wohnte er auch der Eingeweidebeschauung bei; nie fiel aber ein Opfer
für ihn glücklich aus. Nero starb im zweiunddreißigsten Jahre seines Alters, am nämlichen
Tage, an welchem er ehedem hatte die Octavia ermorden lassen.
Sein
Tod verursachte eine allgemeine Freude, daß das Volk mit Hüten auf den Köpfen durch alle Straßen lief.
Doch fehlte eö auch nicht an
Personen, welche eine geraume Zeit hindurch sein Grabmal im Früh
ling und Sommer mit Blumen schmückten und bald seine Büsten in
der Präterta auf dem Rednerplatz, bald seine Edicte vorzeigten, als lebe er noch und werde nächstens, um seine Feinde zu bestrafen, wieder erscheinen.
Ja, der Partherkönig Vologesuö drang durch seine wegen
Schließung eines Bündnisses mit den Römern abgeschickten Gesandten
sehr darauf, dem Andenken des Nero die schuldige Ehre zu erweisen,
und als zwanzig Jahre darauf ein unbekannter Mensch auftrat, der
299
Christenverfolgungen.
sich für den Nero auSgab,
fand er bei den Parthern unter diesem
Namen so viel Zuneigung, daß
sie ihn außerordentlich unterstützten,
und sich ihn auszuliefern kaum bewegen ließen.
»8. Ghrifkenverfotgungen. Es ist freilich noch kein Beweis für die Göttlichkeit und Wahrheit einer Ueberzeugung, wenn sie dem Menschen die Kraft verleiht, den
Tod zu verachten, denn auch der Rausch der Schwärmerei, der die
feineren menschlichen Empfindungen unterdrückt und das ganze Leben des Menschen nach einem bestimmten Punkte hinrichtet, ihn in gewisser Betäubung blindlings forttreibt; auch dieser Rausch der Schwärmerei
kann eine solche Wirkung wohl hervorbringen, da die gottverwandte
Natur deS Menschen der Begeisterung
für die Dinge
einer höher»
Welt empfänglich ist, und diese Empfänglichkeit daher auch durch täu
schende Einwirkung irre geleitet werden kann.
Aber die Schwärmerei
kann sich, wie alle menschliche Kraft, ihrer Natur nach nicht immer
in demselben Schwünge erhalten.
Sie nimmt einen starken Anlauf,
wird durch den Widerstand, den sie findet, nur noch mehr erhitzt und gesteigert, aber fie läßt auch immer mehr von ihrer ersten Schnellkraft nach, und dies erfolgt desto eher, wenn sie eine zeitlang sich selbst
überlassen, keinen Widerstand von außen findet.
Aber das Christen
thum sehen wir mit derselben den Tod besiegenden Begeistemng drei
Jahrhunderte hindurch kämpfen.
Nach
langen Zwischenräumen
der
Ruhe, in welchen allerdings ein Theil in sorglose Sicherheit und träge
Weltliebe sich einwiegen ließ (wie größtentheils die Zeit von Heliogabalus bis Trajanus Decius, 218—249, von Gallienus
bis
zum
Anfänge der Diocletianischen Verfolgung, 268—303), sehen wir doch das Christenthum mit neuer Kraft in dem Kampf auftreten, der nur
dazu diente, die bloßen Namen-Christen, welche sich in der Zeit des
Friedens in größerer Anzahl in die Kirche eingeschlichen hatten, von denen, die wahrhaft im Christenthum lebten, zu sondern.
Nicht allein
die ausgesuchtesten Martern, durch welche man Worte der Verleugnnng von den Christen zu erpressen suchte, konnten ihre durch göttliche
Kraft gestärkte Standhaftigkeit nicht erschüttern; sondern auch die lang samen Leiden schwerer Gefangenschaft mit Hunger und Durst, müh seliger, harter und ungewohnter Arbeiten in den Bergwerken, konnten ihre durch
den
Glauben
aufrecht erhaltene
Geduld nicht
ermüden.
300
Rom.
Auch die Vorstellungen menschenfteundlicher Statthalter, wie man doch
ihren Glauben ihnen gern lassen wolle, nur die vom Gesetze vorge
schriebenen äußerlichen Handlungen von ihnen verlange — diese Vor stellungen, die eS ihnen so nahe legten, durch Klügeleien, wie sie dem Fleisch
willkommen,
ihr Gewissen zu beschwichsigen,
die zuredenden
theuren Freunde und Verwandten, die Bitten und Thränen geliebter
Väter,
Mütter und Kinder konnten das
weiche Herz der Christen
doch nicht vom Wege der Glaubenspflicht entfernen; sie überstanden
den schwersten Kampf, nicht
allein den Kampf mit der sinnlichen
Todesfurcht, auch den noch schwereren Kampf mit den feineren, der
sittlichen Natur des Menschen tief eingepflanzten Gefichlen, welche das Christenthum keineswegs unterdrückt, soüdern wie alles rein Mensch
liche, steigert, verfeinert und verklärt.
Sie siegten in diesem Kampfe,
indem ihrem Herzen.die Worte des Heilandes tief eingeprägt waren: „So Jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter,
Weib,
Kinder,
Brüder,
Schwestern,
auch dazu sein eigenes Leben,
der kann nicht mein Jünger sein."'
Wir finden aber auch Beispiele,
daß Väter ihre Söhne,
Mütter
ihre Töchter, Jünglinge ihre Väter in der -Zuversicht des Glaubens
selbst zum Todeskamps ermunterten. merei,
Und sodann reißt die Schwär
gleich einer Fieberhitze, den Menschen fort, läßt das Gefühl
der menschlichen Schwächen nicht aufkommen.
Vertrauen auf Gottes
Kraft, ruhige, besonnene Gottergebenheit bei dem Gefühl menschlicher
Schwäche, nüchtern wachen und beten, daß man nicht in Anfechtung falle, es dem Erlöser nachempfinden: der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach; und durch den Geist des verherrlichten Menschen
sohnes
den Widerstand
des
schwachen
Fleisches
besiegen,
mit dem
Apostel Paulus sagen: „Wann ich schwach bin, dann bin ich stark,"
diese Denk- und Empfindungsweise
macht das
Eigenthümliche des
christlichen Märtyrers aus, und diese leuchtet aus Beispielen, die wir nachher betrachten wollen, uns entgegen.
Jene gottergebene Geduld,
welche Tertullian in einem besonderen Buche als die Seele des christ
lichen Lebens geschildert, setzt derselbe, als aus der lebendigen, himm
lischen
Lehre
hervorgehend,
entgegen jenem durch
menschliche Kunst
hervorgebrachten thierischen Gleichmuth, der auf gefühllosem Stumpf
sinn beruhe.
Er stellt sie so dar: „Sie vollendet das Märtyrerthum,
sie tröstet den Armen, sie lehrt Mäßigung den Reichen, sie dehnt den Schwachen nicht über seine Kräfte aus, sie zehrt die Kraft deS Starken
301
Christenverfolgungen.
nicht auf,
sie
erfreut den Gläubigen,
macht den Knecht seinem Herrn und
sie
lockt den Heiden
an,
sie
den Herrn Gott wohlgefällig,
sie wird geliebt in dem Jüngling, verehrt in dem Greise/ sie ist schön Wir wollen uns ein Bild
in jedem Alter, jedem Geschlechte.
von
ihr machen: ruhig und sanft ist ihr Angesicht, offen ihre Stirn, durch keine Runzeln
oder des Zornes
der Trauer
zusammengezogen,
das
Auge nicht durch Betrübniß, sondern durch Demuth niedergeschlagen. Eine Gesichtsfarbe, wie sie bei dem Sorglosen und Unschuldigen zu
Wo Gott ist," da ist auch diese seine Pflegetochter.
sein pflegt.
also der Geist Gottes herabsteigt,
da
Kann
seine unzertrennliche Begleiterin.
Wo
ist diese gottergebene Geduld wohl
bleiben, wo sie nicht zugleich Aufnahme findet?
der
Geist immer da
Ohne seine Beglei
terin und Dienerin muß er stets und überall im Gedränge sein.
Das
ist die Beschaffenheit, das sind die Werke der himmlischen und wahren,
das heißt der christlichen Geduld.
Es gab zwar Solche, die fortge
rissen von der Muth ihres Eifers für das Bekenntniß des Evange liums, sich selbst unaufgefordert von den heidnischen Staatsbehörden als Christen ankündigten,
und
aber das Wort des Herrn,
sich
dadurch
Matth. 10,
dem Tode preisgeben;
23,
sein und der Apostel
Beispiel galten den Christen mehr, als die Stimme des augenblick
lichen Gefühls.
Die christliche Kirche im Ganzen verwarf dieses sich
selbst dem Tode preisgeben immer als ein unevangelisches Betragen, ein verkehrtes Selbstvertrauen, einen Mangel an jener gottergebenen Demuth.
In dem Schreiben, durch welches die Gemeinde zu Smyrna
von der Verfolgung im Jahre 161, in welcher der Bischof Polykarpus
den Märtyrertod gestorben, Bericht erstattet, erwähnt sie eines Mannes, der aus diese Weise sich selbst preisgegeb'en, aber nachher, eine natür liche Folge seines kühnen Selbstvertrauens und seines mehr fleischlichen,
als göttlichen Eifers, nicht standhaft geblieben war.
Sie sagt dabei:
„Deshalb, liebe Brüder, loben wir diejenigen nicht, welche sich selbst
preisgeben,
denn so
lehrt das Evangelium
nicht."
Clemenes
von
Alcrandria sagt, daß die ächten Christen, wenn sie Gott wirklich ruft, sich freudig hingeben, und den Ruf Gottes eben dadurch bewähren,
daß sie sich keiner Verwegenheit bewußt sind.
von Karthago, der durch
Der Bischof Cyprianuö
seinen späteren Märtyrertod
bewies,
daß
Feigheit ihn nicht beherrschte, entfernte sich im Anfänge der decianischen
Verfolgung eine zeitlang von seiner Gemeinde, um die Ruhe derselben zu sichern, die Wuth der Heiden durch seine Gegenwart nicht
noch
302
Rom.
mehr zu reizen.
Und zu seinen Sorgen für seine Gemeinde während
seiner Abwesenheit gehörte nicht allein die Sorge, daß Alle im Glauben
standhaft blieben, sondern auch, daß christliche Mäßigung und Ordnung
beobachtet werde, daß sich nichts Schwärmerisches in den Eifer der
Gemeinde einmische.
Er verordnete
deshalb,
daß
die
Geistlichen,
welche die Bekenner Christi in ihren Gefängnissen besuchten und das
heilige Abendmahl ihnen reichten, mit einander abwechselten, um bei den Heiden keinen Verdacht zu erregen; daß die Christen nicht haufen weise hinströmten zu
ihren
gefangenen Brüdern,
zu denen sie
das
Feuer der Liebe trieb, damit ihnen nicht, wenn sie unersättlich Alles
haben wollten, zuletzt Alles versagt werde.
„Wir müssen in Allem,"
so schrieb er an seine Geistlichen, „sanft und demüthig sein; wie es den Knechten Gottes
Ruhe sorgen."
ziemt, uns
in
die Zeit
schicken und
für die
Er mißbilligte es sehr, wenn solche, die wegen ihres
Bekenntnisses zur Landesverweisung waren verurtheilt worden, nachher
eigenmächtig wieder in ihr Vaterland zurückkehrten, indem, wenn solche dann ergriffen und zum Tode verurtheilt würden, sie nicht als christ
liche Märtyrer, sondern als Schuldige litten.
In seinem letzten Briefe,
da er dem Tode entgegen sah, schrieb er noch seiner Gemeinde: „Der
Lehre gemäß, theuerste Brüder, die Ihr nach der Vorschrift des Herrn immer von mir vernommen habt, haltet Ruhe, und Keiner von Euch
errege Unruhe unter den Brüdern oder gebe sich von selbst den Heiden preis.
Wenn er ergriffen und überliefert wird, dann muß er reden,
denn in jener Stunde redet aus uns der in unS wohnende Herr." Wir wollen nun an einzelnen Zügen betrachten,
wie die christliche
Begeisterung und der christliche Glaubensmuth unter den Verfolgungen
wirkten.
Einen neunzigjährigen Greis, den Bischof Polykarpus von Smyrna,
sehen wir mit gelassener Ruhe, nachdem er das Seine gethan, um sich der feiner bedürfenden Gemeinde länger zu erhalten, dem Rufe des Herrn, den er immer vor Augen hatte, folgen.
Der Wille des
Herrn geschehe, spricht er, da die Verfolger kommen. Mit der Freundlichkeit und Milde, die dem Bekenner eines sanft-
und demüthigen Herrn eigen ist, nimmt er sie auf.
Durch zweistün
diges Gebet mit solcher Inbrunst, daß selbst die Heiden gerührt werden, bereitet er sich zu dem letzten Wege vor.
Mit Ehrerbietung spricht er
zu der, wenngleich heidnischen, doch vom Herrn eingesetzten Obrigkeit; er ist bereit, vor derselben von seinem Glauben Rechenschaft abzulegen.
303
Christenversolgungen.
Aber so demüthig er hier erscheint, so fest entschlossen ist er, nichts gegen sein Gewissen zu thun.
Mit dem Abscheu der einfachen kind
lichen Liebe weiset er die Zumuthung
zurück, daß er seinen Herrn
und Heiland lästern sollte, um sein Leben zu retten.
Sechsundächtzig
Jahre diene ich ihm, und er hat mir nur Gutes erwiesen."
Nicht
selbstvertrauend sucht er den Tod, aber da ihn der Herr berufen hat,
weiß er auch, daß der ihn berufen, ihm die Kraft verleihen werde, das Feuer auszuhalten und in den Flammen fest zu stehen.
tritt er durch
Kreuz in die Herrlichkeit hinüber.
Mit Gebet
Die Verfolgung
des Kaisers Valerianus gegen die christliche Kirche (257) giebt uns das Beispiel mancher trefflicher Bischöfe, die mit väterlicher Sorgfalt
für ihre Heerden, von denen sie als treue Hirten keine Gewalt der
Erde trennen kann, mit christlicher Ruhe und Besonnenheit dem Tode entgegengehn. Wie es die Art der Menschen ist, daß sie in der Verblendung ihrer
vermeinten Klugheit den Unterschied zwischen dem, was Gottes Kraft wirkt und dem, was Menschenwerk ist, nicht erkennen, und daß sie
daher wähnen, durch die Anschläge ihrer Klugheit ein Werk auflösen zu können, das aus Gottes Kraft hervorgegangen, aus einem unwan
delbaren Gmnde ruht,
den das Auge
des
nnerleuchteten Menschen
nicht zu ersehen vermag, so hatte sich dieser Kaiser einen Plan fein ausgedacht, um die christliche Kirche nach und nach ganz zu unter drücken.
Durch das Ansehen und die eifrige Thätigkeit der Geistlichen
und besonders der Bischöfe, dachte' er, wird die fremde Religion stets fortgepflanzt und verbreitet. daß
sie
ihren
Glauben
Gelingt es, Bischöfe dazu zu bewegen,
abschwören und
zur Staatöreligion
wieder
übergehen, so wird ihr Beispiel sonder Zweifel den größten Einfluß
auf das Volk haben, das immer mehr nach fremdem Ansehen, nach
eigener,
fester
Ueberzeugung
Gelingt dies nicht,
handelt.
als so
braucht man doch nur die hartnäckigen Bischöfe von ihren Gemeinden zu verbannen, und diese, ohne Vorsteher und Lehrer sich selbst über
lassen, werden sich leicht in ihrem Glauben schwankend machen, zur
Beobachtung der
Staatsreligion zurücksühren
erging an
Reichs
der Befehl,
Als
Cyprianus,
lassen.
Diesem Plane
die Statthalter in den Provinzen des
gemäß
die Bischöfe vor ihren Richterstuhl
Bischof von
Karthago,
Proconsul erscheint und verhört wird, Christ und Bischof.
zum
römischen
zu fordern.
erstenmale
vor dem
antwortet er: „Ich bin ein
Ich kenne keinen Gott, außer dem Einen und
304
Nom.
Wahren, der Himmel und Erde und Wasser und Alles, was darin ist, geschaffen. Diesem Gott dienen wir Christen. Zu diesem beten wir Tag und Nacht für uns, für alle Menschen und das Wohl der Kaiser selbst." Aus die Frage des Proconsuls: „Und beharrst Du bei diesem Vorsatz?" antwortet er: „Unwandelbar ist ein auf Gotteserkenntniß gegründeter Vorsatz." Aufgefordert, seine Geistlichen zu nennen, antwortet er: „Eure Gesetze haben wohl und nützlich die Angeberei untersagt; unsere Religion verbietet, daß Jemand sich selbst angebe, aber, wenn Ihr selbst nachsucht, werdet Ihr sie finden." Cyprian wird, dem kaiserlichen Ediete zufolge, zum Eril verurtheilt. Als Dionysius, Bischof von Alerandria, vor dem Präfect Aemilianus von Aegypten erschien, und von diesem anfgcfordert wurde, die Götter zu verehren, welche die Regierung des Kaisers schützten, antwortete er: „Nicht Alle verehren dieselben Götter, Jeder verehrt diejenigen, an welche er nach seiner Ueberzeugung glaubt. Wir verehren mir den Einen Gott, der alles Daseins Schöpfer ist, der auch unserm Kaiser die Negierung anvcrtraut hat. Und zu diesem beten wir stets für die Ruhe seiner Regierung." Der Präfect erwiederte: „Nun, wer hindert Euch denn, auch diesen Gott, wenn cs wirklich Einer ist, mit den vaterländischen Göttern zugleich zu verehren? Der Kaiser gebietet Euch ja mir, die Götter zu verehren und zwar die Allen bekannten Götter." Der Statthalter wollte cS ihm nahe legen, daß er seine Religion nicht zu verleugnen brauche und doch die SiaatSreligion, worauf es allein ankomme, anerkennen könne; aber dem Bischof erlaubte sein Gewissen nicht, diese Auskunft anzunchmcn. Er antwortete kurz: „Wir können keinen andern verehren." Auch Dionysius wurde darauf zur Verban nung verurtheilt; zu seinem Verbannungsorte wurde ein entlegener Ort in Libyen, Kephro, wohin die Verkündigung dcS Evangeliums noch nicht gedrungen war, auöerschen. An den Orten der Verban nung suchten die Bischöfe für die Ausbreitung des Christenthums zu wirken, sic gewannen die Liebe der Einwohner, sie wurden von Mit gliedern ihrer Gemeinden häufig besucht und standen mit denselben in lebendiger Verbindung, dem Leibe nach getrennt, im Geiste bei ihnen. Der Bischof Dionysius erzählt selbst von seiner Verbannung: „Aber auch die sichtbare Gemeinschaft mit den Gläubigen im Herrn konnte man uns nicht nehmen. Die Brüder in der Stadt führte ich desto eifriger zur Gemeinschaft mit einander, zwar dem Leibe nach von
305
Christenverfolgungeu.
ihnen
getrennt,
aber
dem Geiste
nach bei ihnen (Dionysius schrieb
mitten unter der Verfolgung die Briefe, wodurch er seine Gemeinde nach gewohnter Art zur Feier der hohen Feste anfforderte und ihnen
dazu Segen wünschte),
und zu Kephro selbst versammelte sich
eine
große Gemeinde bei mir, da viele Brüder aus der Stadt mir nach
und
folgten,
viele auS Aegypten zu mir kainen.
Auch
selbst that uns der Herr die Thüre des Wortes aus.
zu Kephro
Zuerst zwar
wurden wir von den dortigen Heiden verfolgt, sie warfen Steine nach
die Götzen und
uns, aber später verließen nicht Wenige von ihnen bekehrten sich zu Gott.
Durchaus wurde damals dort der erste Same
des Evangeliums ausgestrcut.
Und als ob Gott uns deshalb zu ihnen
in die Verbannung geführt hätte, führte er uns, nachdem wir diesen Beruf erfüllt hatten,
wieder von
dort
hinweg."
In dieselbe Zeit
mag der Hirtenbrief eines von seiner Gemeinde getrennten afrikanischen
Bischofs gehören, der so beginnt: „Was
kann Heilsameres
in der Gemeinde des Herrn
geschehen,
was dem Berufe des Bischofs angemessener sein, als daß die Gläu bigen von ihm durch llntcrricht in der göttlichen Lehre zum Himmel
Dieses tägliche, erwünschte Geschäft meines Berufs
geführt werden?
suche ich auch abwesend zu verrichten und durch Briefe meine Abwesen
heit unter Euch zu ersetzen.
Ich suche Euch durch meine gewohnten
Anreden in dem Glauben zu befestigen, damit Ihr fest gegründet in
dem Evangelium stets gewaffnet seid gegen alle Angriffe des SatanS. Ich werde nicht glauben, von Euch abwesend zu fein, wenn ich in
Rücksicht Eurer sicher bin.
wir Euch vor,
Und nicht allein tragen
was wir aus der Quelle der heiligen Schrift schöpfen, sondern wir
verbinden zugleich mit den Worten deS Unterrichts Herrn,
daß Er sowohl unö,
als Euch,
das Gebet zum
die Schätze seiner heiligen
Wahrheit öffnen und Kräfte zur Ausübung des Erkannten verleihen
möge." Da nun der Kaiser sieht, daß er das Licht doch nicht unter den
Scheffel setzen kann, daß eS nicht leuchte, beschließt er, cs mit Gewalt zu unterdrücke!,.
werden neuen
Jahres
Alle Vorsteher und Lehrer der christlichen Gemeinden
znm Tode von Rom
(258)
seines Schicksals
Histor. Lestblich. I.
verurtheilt.
Cyprian
geschickten Proconsiils
nach zu
wird
bei
der Ankunft des
im Anfänge
Karthago
znrückgerufen,
erhalten.
Auf feinem Landsitze,
um
die
des
folgenden
Entscheidung
den er in der 20
306
Rom.
Gluth der ersten Liebe verkauft hatte, um mit dem Gelde den Armen zu helfen,
und den ihm die Anhänglichkeit seiner Gemeinde wieder
zurückgeschenkt, wartet er ruhig, was der Wille des himmlischen Vaters bestimmt.
Wenn er in der ersten Verfolgung sich entfernte, weil es
das Beste seiner Gemeinde forderte, weil er auch hoffen konnte, nach dem er die erste Hitze der blutigen Verfolgung überstanden, sich seiner Gemeinde zu erhalten, so können ihn jetzt hingegen die Bitten vieler
Freunde,
selbst angesehener Männer unter den Heiden,
welche ihm
einen Zufluchtsort anbieten, nicht bewegen, dem öffentlichen Bekennt nisse, zu dem er sich von dem Herrn berufen glaubt, auszuweichen.
Doch da er hörte, daß er nach der Stadt Utika, wohin sich damals der Proconsul begeben, geführt werden solle, um dort hingerichtet zu werden, entschloß er sich, nach dem Rathe der Freunde einstweilen sich
zurückzuziehen, da der Bischof vor Herr vorgesetzt,
der Gemeinde,
welcher
ihn der
Ihn bekennen müsse, um durch sein Bekenntniß die
ganze Gemeinde zu verherrlichen, denn was in jenem Augenblicke des
Bekenntnisses nach Eingebung Gottes der Bischof rede, das rede er mit dem Munde Aller.
Plötzlich wurde Cyprian von einer durch den Proconsul abgeschickten Wache
abgeholt;
weil aber der Proconsul sich auf seinem Landsitze
gerade ausruhte, sollte er noch nicht verhört und verurtheilt werden.
Er blieb die Nacht über in anständigem Gewahrsam und wurde auch freundlich
behandelt.
Ein
großer Theil der Gemeinde,
daß ihr geistlicher Vater hingerichtet werden sollte,
der
gehört,
war herbeigeeilt
und umlagerte die ganze Nacht das Haus, in welchem sich der ge liebte Hirt befand, damit ihm nicht etwas ohne ihr Wissen geschehe. Den Tod, dem er am andern Tage entgegengehen sollte, vor Augen,
hat er doch