Neues Historisches Lese-Buch für die Jugend: Teil 1 Alte Geschichte [Reprint 2021 ed.] 9783112412145, 9783112412138


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Neues Historisches Lese-Buch für die Jugend: Teil 1 Alte Geschichte [Reprint 2021 ed.]
 9783112412145, 9783112412138

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Neues

für

die Jugend.

Eine Auswahl anziehender Darstellungen aus

den Werken alter und neuer Geschichtschreiber von

A Hillert und K Riedel.

Erster Theil:

Alte Geschichte.

Aerlin. Verlag der Sander'schen Buchhandlung. (G. rg

nahmen,

in

dem Lande der

Budinen, lag die große hölzerne Stadt, mit einer hölzernen Einfas­ sung versehen,

von der jede Seite 30 Stadien (dreiviertel Meilen)

59

Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.

lang

war.

war eine griechische Niederlassung

Sie

mit griechischen

Wohnungen nicht nur, sondern auch Heiligthümern, von den Griechen aus den pontischen Handelsstädten gestiftet

Kann man über die Be­

stimmung dieser Slobode wohl zweiselhast sein?

Welche andere konnte

sie haben, als zur Hauptniederlage des Pelzhandels zu dienen? so ist es wohl hinreichend erklärt,

Und

weshalb die Handelsgesellschaften

der pontischen Griechen und Scythen nicht den geraden Weg nahmen, sondern so weit nördlich zogen.

Sie tauschten hier die Waaren ein,

die sie weiter verführten, und sanden hier natürlich zugleich den Markt

für die Erzeugnisse ihrer eignen Industrie. Erst seit Kurzem ist durch einen leider zu früh verstorbenen Gelehr­

ten ein helleres Licht über diese Länder verbreitet worden.

Es ist von

ihm aus Urkunden bewiesen, daß das Land, welches unter dem Na­

men Jugrien sonst im nordwestlichen Rußlande gesucht wurde,

kein

anderes ist, als dasjenige, in welches uns Herodot gefiihrt hat, in­ dem es die Gegenden zu beiden Seiten des Urals, die Statthalter­

schaft Perm und den westlichen Theil von Tobolsk bis zum Oby um­ faßte.

Die Bewohner desselben aber, die Jugrier, sind dieselben, die

jetzt unter dem Namen der Wogulen und der Ostiaken am Ob be­ Ein Land, um ein Vicrtheil größer, als Deutschland,

griffen werden.

von 16,000 Q. Meilen, vom 56. bis 67. Gr. d. Br. gerechnet. war von

je

her,

Es

der östliche Theil desselben, jenseit des

besonders

Ural, über den es drei Wege giebt, vorzugsweise das Land der Pelz­

thiere.

Der Boden ist hier meist sumpfig und wird es immer mehr,

je nördlicher man

So

geht.

vielmehr Sumps mit Rohr,

erklärt sich also der große See oder

wovon Herodot spricht.

Daher finden

sich hier die besten Biber, die nur am Wasser bauen; aber auch die

edelsten Pelzthiere: überhaupt die schönsten Zobel, Eichhörnchen und

Im ganzen Mittelalter war Jugrien das Land des

Füchse jeder Art. Handels und

des

Verkehrs.

Schon seit denr

cilsten

Jahrhundert

trieben ihn die Nowogroder und machten es bald selbst zu ihrer Pro­ vinz, und daß er auch nach Nowogrod's Fall fortdauernd blühte, ist

von dem Verfasser erwiesen.

Selbst die bucharischen Caravanen kamen

noch im sechszehnten Jahrhundert dahin und brachten ihre und in­

dische Waaren.

Kann

es

nach

dem,

was

wir schon wissen und

hören werden, im Alterthum anders gewesen sein? Ich baue nicht viel auf den Namen der Jyrken, wie niemals auf

bloße Namenähnlichkeit.

Aber wenn es erwiesen ist, daß die Jyrken

60

Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.

in demselben Lande wohnten, wo wir nachmals die Jugrier finden, ja! daß ihre Sitze bis in den Ural hineingingen, kann man sich der

Vermuthung enthalten, daß die Jyrken und Jugrier dasselbe Volk be­

zeichnen; und derselbe Handel, der noch fünfzehnhundert Jahre nach Christo hier bestand, auch schon ein paar tausend Jahre früher geblüht

habe?

Auch eine ähnliche Stadt, wie in dem Lande der Budinen

finden wir hier, die scheckige Orde, von den scheckigen Pferden, den

so genannt,

Prachtrossen für die Inder,

mit denen ihre Bewohner

Ja, selbst der Laut der fabelhaften

die Waaren Jndien's eintauschten.

Sagen Herodot's tönt uns hier entgegen.

Die Sage von den sechs

Monate schlafenden Menschen ist eine ächt sibirische Sage, die ganz natürlich da sich bildete, wo, den Menschen allein ausgenommen, die

ganze übrige leblose und belebte Natur ihren Winterschlaf hält. Wenn die Caravane diese Pelzländer und

Jagdvölker durchzogen

hatte, wandte sie sich von den Thpssageten östlich, und ging über den

Ural, dessen südlichster Zweig, unter dem Namen des Auro-Uruk, sich

Die Gegend, wo sie das Gebirge

fast bis zum Aralsee herunterzieht.

passirte, läßt sich freilich nicht genau angeben, da sie

aber so weit

nach Norden gegangen war, so konnte es gewiß nicht südlicher ge­

schehen,

das jetzige Orenburg liegt (52 Gr. N. Br.), und die

als

weitere Straße mußte also eine von denen fein, die oben von Oren­ burg aus beschrieben sind.

Der Weg ging also durch die Steppen

der Kirgisen, und nach Herodot's Angabe war es noch ein langer Weg,

bis

zu den Argippäern kamen,

sie

die also in den östlichen

Theilen dieser Steppen gesucht werden mußten, aber so gut wie jetzt

die Kirgisen sich auch nach Süden, bis zum Jarartes oder dem Sir

Darja, der Herodot nicht unbekannt ist, ausbreiten mochten.

Aber konnten sic hier die Peltereien, erwarten?

vor Allem an die schon

einen guten Markt für ihre Hauptwaaren,

Um diese Frage zu beantworten, muß ich

in der Einleitung

innern,

daß Pelzwerke nicht blos

sondern

auch

in hohem Grade

Arten derselben

zur Besetzung

gemachte Bemerkung er­

ein Gegenstand

des

Lurus

sind,

südlichen Ländern Asien'S ihre Abnahme finden.

Seeotterfelle

und

welchen Markt

ans Nutka-Sund

die

feinen

oder Verbrämung der Kleider dienen,

und daher keineswegs blos in den nördlichen, ganz Persien,

des Bedürfnisses, indem

sondern auch in den So ist es noch in

fand nicht einst Cook

für

seine

in Canton im südlichen China? —

Im Alterthum war es nicht anders.

Mehrere der Völker des caspi-

61

Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.

bei Herodot pelzetragende Völker.

heißen

schen Meeres

Unter den

dargebrachten Geschenken der Statthalter auf dem großen Relief von findet

Persepolis

selbst

in Indien

auch

sich

Pelzwerk.

Babylon kommen Pelze

In

vor, und daß auch

unter Prachtkleidern

in den ältesten Zeiten sie

dazu gezählt wurden, wird

die Untersuchung

über

So konnte es also den Scythen und Griechen

dieses Land lehren.

wohl so wenig fehlen, bei den Argippäern Abnahme ihrer Peltereien zu finden,

als

gegenwärtig

chinesische Artikel umsetzen.

den Russen,

die sie

in Kiachta gegen

Dies wird aber noch um Vieles deut­

licher werden, wenn wir folgende Umstände hinzunehmen.

Herodot sagt zwar bestimmt, daß die Züge der Scythen und pontischen Griechen nicht weiter als bis zu den Argippäern gingen, aber

aus seiner Erzählung geht auch klar hervor, daß die Sitze der Argippäer deshalb keineswegs die Grenzen dieses Handels waren.

Es ist

nämlich mehr als wahrscheinlich, daß die Wohnsitze jener Völker blos die Plätze waren, wo die Caravanen des Osten und des Westen zu­ sammenstießen, und wo der Austausch ihrer Waaren geschah.

Denn

wenn gleich die Züge der Scythen hier ein Ende hatten, so war man

doch mit den entferntem Völkern, den Jssedonen und Maffageten, sehr wohl bekannt.

Und das, was uns der Schriftsteller von diesen Völ­

kern sagt, setzt es für den, der den Gang des alten Handels kennt, wohl

außer Zweifel,

welcher Magnet hauptsächlich

diese ferne Länder zog.

die Griechen in

Denn wie wichtig auch der Pelzhandel sein

mochte,

so war er es doch gewiß nicht allein, um desscntwillen sic

kamen.

Daß bei diesen Hirtenvölkern auch der natürliche Markt zum

Einkauf der Lastthiere, der Pferde und Kameele war, bedarf keines Aber auch nicht weniger der Metalle, der edlen, wie der

Beweises. unedlen.

Das Erz

fand

Menge.

Aber die

einen,

äußerst goldreiche Völker.

sich

bei

ihnen,

nach Herodot,

in großer

wie die andern jener Völker waren auch

Sie wohnten gerade an den Grenzen der

reichen Gebirgsländer Afien's, und standen mit ihnen in Verbindung.

Von hier ferner bis nach Baktra und Marakanda, den ersten Stapel­

plätzen der indischen Waaren, lief eine Völkerkette, wo Glied an Glied sich reihte.

Und woher hätte Herodot die zum Verwundem genaue

Bekanntschaft mit den Völkern an der Ostseite des caspischen Meeres, die wir oben haben kennen lernen, wenn keine Handelsstraßen durch

ihre Sitze gelaufen wären?

Mochte nun das Gold der Hauptgegen­

stand dieses Handels sein, oder mochten die Erzeugnisse Indiens, wie

62

Handel und Völkerverkehr des mittlern Asien's.

in spätern Zeiten geschah, zugleich hier eingetauscht werden, so öffnet in dem einen, wie in dem andern Fall, dem Forscher der Geschichte der Menschheit sich hier eine Aussicht, die seiner ganzen Aufmerksam^

keit werth ist.

Und diese Verwunderung wird noch mehr erhöht, wenn

man aus Herodot sieht, daß zu eben dieser Zeit bereits eine Schiff­

fahrt auf dem

Herodot ist sehr

caspischen Meere eingerichtet war.

weit von dem Irrthum der spätern Zeit entfernt, dies Meer für einen

Busen des nördlichen OccanS zu halten; er weiß nicht nur, daß eö

ein eingeschlossener Landsee ist,

sondern er bestimmt sogar die Länge

und Breite nach Tagschiffsahrten.

Woher kämen diese Angaben, wenn

dies Meer nicht wirklich bcschifft worden wäre?

In der macedoni-

schen Periode gingen die indischen und baktrischen Waaren den Orus

hinunter, jmb quer über dasselbe zu der Mündung des Arareö und Cyrus, von deren Ufern sie zu Lande nach dem PhasiS, und dann

auf diesem Strom zu den griechischen Seestädten am schwarzen Meere

gebracht wurden, und wenn uns die Geschichte auch kein ausdrückliches Zeugniß

darüber

ausstellt, muß dennoch nicht die Vermuthung ent­

stehen, daß dieser Handclsweg nicht schon um ein Beträchtliches älter

gewesen sei?

Die Nachrichten endlich, die uns Herodot über den Charakter jener Hauptvölkcr von Mittelasien giebt, bestärken diese Vermuthung.

Er

schildert uns das eine derselben, die Massagcten, als ein Kriegervolk, die beiden andern aber, die Argippäer und Jssedoncn, als Völker, die

friedlichen Beschäftigungen obliegen, wodurch man fast auf die Ver­ muthung gerathen muß, daß eine Art von Kasteneintheilung hier statt

fand.

„Die Argippäer," sagt er uns, „werden von Niemand beein­

trächtigt, denn man hält sie für ein heiliges Volk.

kriegerische

Nachbaren.

Waffeir,

und

schlichten

die

Sie haben keine

Streitigkeiten zwischen

Wenn aber Jemand, der aus der Flucht ist,

ihren

zu ihnen

Ihr Land war also ein

flieht, so wird er von Niemand beleidigt."

Asyl, die natürliche Freistadt für den Handel.

Sie heißen aber ein

heiliges Volk; es ist also offenbar, daß religiöse Ideen an sie geknüpft

sind, und sie scheinen also bei den Mongolen das gewesen zu sein,

was bei andern Völker» die Priesterkaste ist.

Auch die oben mitge­

theilte Nachricht des Herodot, daß sie völlig kahl seien, erhält als­ dann eine neue Bestätigung, denn auch noch jetzt sind die Lamas oder

Priester bei den Kalmücken gänzlich kahl. heißt,

daß

sie

die Streitigkeiten

Wenn cs aber von ihnen

zwischen den

benachbarten Völkern

schlichten, was ist eS anders, als daß sie die Vermittler sind bei Zwisten, die in einem Lande, wo der Umsatz der Waaren verschiedener Volker geschah, nicht fehlen konnten. So entdecken wir also auch hier wieder jenes Band zwischen Handel und Religion, das so oft sich uns schon gezeigt hat, und noch öfter zeigen wird; aber so wie man es in einem Lande erwarten kann, wo keine Tempel und stehende Heiligthümer sich erhoben, sondern nur etwa ein heiliges Gezeit, wie noch jetzt in den Lagern der Kalmücken. Die Massageten, ihre Stamm­ verwandten und südlichen Nachbaren, werden dagegen von Herodot als ein kriegerisches und an die Waffen gewöhntes Volk geschildert, und wir werden sie nicht mit Unrecht als die Kriegerkaste betrachten können. Ganz anders aber die östlichen Nachbaren und Stammver­ wandten der Argippäer, die Jssedonen. Krieg war nicht ihre Beschäf­ tigung; dagegen heißen sie ein gerechtes, d. i. civilisirtes und gegen Fremde nicht feindliches Volk. Noch mehr! Von ihnen famen alle die Nachrichten, welche man von dem östlichen und nördlichen Asien rinziehen konnte, denn die Scythen hörten sie von den Jssedonen, die Griechen wieder von den Scythen. Sie erscheinen also als das Handels­ volk, das seine Verbindungen bis dahin erstreckte. Wenn außerdem, wie oben bemerkt ist, die Serer selbst ein Zweig von ihnen sind, so wird eö noch so viel deutlicher, wie die Verbreitung der Gewebe von diesen ihre Hauptbeschäftigung war, und die älteste Straße auch des Seidenhandels fängt an sich zu zeigen. So erklärt eö sich also auch, wie die Grenzen ihrer Wohnsitze die Hauptplätze des Handels und die Ziele der Caravancn werden konn­ ten, die von dem Ufer des schwarzen Meeres dahin zogen, um die­ jenigen Produkte hier einzutauschen, welche ihnen die Jssedonen ans dem östlichen Asien zuführten. Allein der Tag der Geschichte verliert sich hier in bloße Dämmerung. (Heeren.)

Von der Perser Sitten und Gebräuchen zu reden: so weiß ich da­

von so viel, Bildsäulen, Tempel und Altäre zu errichten ist bei ihnen nicht Brauch, ja sie legen es denen als Thorheit ans, die das thun,

und das meines Bedenkens darum, weil sie nicht, gleich wie die Hel­ lenen, glaube», daß ihre Götter von Menschenart sind.

Dem Zeus

schlachten sie das Opfer auf dm höchsten Berggipfeln.

Zeus

nämlich bei ihnen der ganze Himmelskreiö.

heißt

Sie opferir aber auch der

Sonne und dem Monde, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden.

Densclbigen allein opferten sie ursprünglich, sie haben aber

dazu gelernt den Dienst der Urania von den Assyriern und Arabern.

Bei den Assyriern heißt Aphrodite Mylitta, bei den Arabern Alitta,

bei den Persern Mitra.

Das Opfer aber für die genannten Götter

verrichten die Priester also:

Wenn sie opfern wollen, so errichten sie

keinen Altar, zünden kein Feuer an, sie spenden auch nicht des Weines,

Flöten und Kränze und geröstete Gerste haben sie nicht, sondern wenn

einer sein Opfer will darbringen, so führet er das Thier an eine ge­ reinigte Stätte und betet zu dem Gott, die Tiare bekränzet mehren-

theils mit Myrthenzweigen.

Für sich allein darf aber der Opfernde

kein Heil erflehen, sondern er betet für alle Perser und für den König; denn unter allen Persern ist er ja auch mit einbegriffen.

Wenn er

nun das Opfcrthier in Stücke zerschnitten und das Fleisch gekocht hat, streuet er das zarteste Gras unter, gemeiniglich Klee, darauf leget er

alles Fleisch.

Ist dieses

geschehen, so

tritt ein Mager hinzu und

stimmt an den Gesang der Götterzeugung, wie sie den Zauberspruch nennen, denn ohne einen Mager dürfen sie nicht opfern.

Nach einiger

Die Pcrftr.

65

Zeit trägt dann der Opferer sein Fleisch von dannen, und braucht es, wozu er Lust hat. Von allen Tagen feiern sie am höchsten ein Jeg­ licher seinen Geburtstag. Da inuß ein reichlicheres Mahl denn ge­ wöhnlich anfgetragen werden. Die Reichen lassen austragen ganze Ochsen, Pferde, Kameele und Esel im Ösen gebraten. Die Armen aber tragen kleineres Vieh auf. Gerichte haben sie wenig, aber desto mehr Nachtisch, immer eines nach dem andern. Deshalb sagen auch die Perser, die Hellenen ständen hungrig von« Tische auf, weil den­ selben nichts Ordentliches mehr vorgesetzt würde, Wcinu sie abgegcssen; setzte man ihnen nur Etwas vor, so würden sie nicht aufhören zu essen. Dem Weine sind sic sehr ergeben, und cs ist nicht fein, zu harnen oder auszuspcien in anderer Leute Gegenwart. Auch Pflegen sie, wenn sie trunken sind, über die wichtigsten Dinge sich zu be­ sprechen, und was sic beschlossen, das trägt am andern Tage der Herr des Hauses, darin sie sich besprochen, noch einmal vor. Sind sie auch nüchtern damit zufrieden, so thun sie darnach, wo nicht, so lassen sic eS. So auch, was sic nüchtern vorher besprochen, gehen sie trunken wieder durch. Wenn ihrer zwei sich auf der Straße begegnen, so kann man sehen, ob sic gleichen Standes sind daraus: statt dcS GrußeS küssen sie einander auf den Mund. Ist der Eine ein wenig geringer, so küssen sic sich auf dic Wangen, ist der Eine aber viel niedrigeren Standes, so fällt er zur Erde und betet den Andern an. Am meisten achten sie dic, die ihnen am nächsten wohnen — nach ihnen selber, versteht sich — dann die, die dann kommen, und dann nach Maß immer so weiter. Am wenigsten aber halten sie von denen, dic ihnen am entferntesten wohnen, denn sie selber sind ihrer Meinung nach in allen Stücken bei weitem dic vorzüglichsten von allen Men­ schen, die andern kommen der Vorzüglichkeit nahe, nach besagtem Maß, und die am entferntesten von ihnen wohnen, sind die schlechte­ sten. Nämlich als die Meder noch Herren waren, herrschte ein Volk über das andere, aber die Meder über alle und über die, so ihnen zunächst wohnten, diese über ihre Nachbarcn, und diese wieder über die, so ihnen angrenzten. Und nach demselben Maß achteten die Perser andere Leute, denn des Volkes Herrschaft und Verwaltung erstrecket sich sehr weit. Nach fremden Sitten ist keiir Volk so arg, als die Perser. So tragen sic das medische Kleid, weil sie glauben, es stehet ihnen besser, als das ihrige, so legen sie im Krieg ägvptische Panzer an, und wo sie nur hören von einer Vergnügung, der trachten Histor. Lesebnlv. I. 5

66

Die Perser.

sie nach.

So haben sie auch von den Hellenen die Knabenliebe ge­

Es heirathet ein Jeglicher von ihnen viele ordentliche Frauen,

lernt.

dann haben sie aber auch noch viel mehr Kebsweiber.

Nächst dem

Muth im Streite gilt es für ungemein wacker, wenn Einer recht viel

Kinder erzielet, und wer die meisten erzielet, alljährlich sein Geschenk.

dem sendet der König

Sie setzen die Stärke in die Menge.

Ihre

Knaben erziehen sie vom fünften bis zum zwanzigsten Jahre nur in drei Dingen: im Reiten, im Bogenschießen und in der Wahrhaftig­

keit.

Vor seinem fünften Jahr aber kommt ein Knabe seinem Vater

nicht vor die Augen, sondern hält sich bei den Weibern aus.

Und

das geschieht darum, daß, wenn er tu diesen Jahren stirbt, der Vater sich nicht um ihn zu grämen hat.

Diese Sitte gefällt mir, so wie

auch die, daß Keiiter, selbst der König nicht,

einen Menschen um­

bringen darf um ein einig Vergehen, sondern erst, wenn er nach reifer

Ueberlegung findet, daß seiner Sünden mehr sind, denn seiner Dienste, darf et seinen Zorn an ihm

auölassen.'

Sie

behaupten auch, daß

niemals Einer seinen Vater oder seine Mutter umgcbracht habe, son­ dern, wenn ja etwas dergleichen vorgesallen, so hätte eS sich jedesmal

bei genauer Untersuchung ausgewiesen, daß dies untergeschobene Kin­ der, oder Bastarde, gewesen; beim, behaupten sie, cs sei ganz unna­ türlich, daß ein Kind seinen wirklichen Vater umbringe.

Ferner, was

sie nicht thun dürfen, davon dürfen sie auch nicht sprechen.

Für die

größte Schande aber gilt das Lügen, und dann das Schuldenmachen,

und das aus mancherlei andern Gründen, vornämlich aber, weil sie

behaupten: wer Schulden hat, muß auch nothwendig lügen.

Wenn

ferner ein Bürger den Aussatz oder den weißen Ausschlag hat, der

darf nicht in die Stadt, noch in anderer Perser Gesellschaft kommen. Denn sie sind der Meinung: wer diese Krankheit hat, der muß wider

die Sonne gesündigt haben.

Jeden Fremden aber, der davon befallen

wird, vertreiben sic aus dem Lande.

Viele leiden auch aus demsel-

bigen Grunde die weißen Tauben nicht.

In einen Fluß harnen, noch

speien sie nicht, auch waschen sie sich nicht die Hände darin; so leiden sie es auch von keinem andern Menschen, sondern gegen die Flüsse

hegen sie die größte Ehrfurcht. ihnen,

Auch ist der sonderbare Umstand bei

was sie selber zwar nicht wissen,

wohl aber wir, daß ihre

Namen, die da hergenommen sind von dem Leibe oder der Pracht, sich alle auf den nämlichen Buchstaben endigen, denselbigcn, den die

Dorier San,

die Joner aber Sigma nennen.

Wer Acht hat,

der

67

Die Perser. wird finden,

daß der Perser Namen darauf sich endigen

allzumal;

nicht etwa einige, und dann wieder einige nicht, sondern alle mit ein­

ander gleicher Gestalt.

So viel kann ich mit Gewißheit sagen, weil ich es genau weiß. Don ihren Todten aber wird wie ein Geheimniß und ohne Sicherheit erzählet, wie eines Perser's Leichnam nicht eher begraben wird, bevor

er nicht von einem Hunde oder Vogel umhcrgeschleppt worden.

Von

den Magern weiß ich es zwar ganz gewiß, daß sie es also machen, denn

sie

Perser

machen

kein Geheimniß

den Leichnam

Wachs überzogen.

daraus.

Wenigstens

erst dann unter die Erde,

Die Mager

unterscheiden sich

bringen die

wenn sie ihn mit

zwar von

andern Leuten, vornämlich aber von den ägyptischen Priestern.

allen Denn

diese halten sich rein von dem Morde alles Lebendigen, ohne was sie opfern;

die Mager hingegen

todten Alles

keinen Hund und keinen Menschen.

mit eigener Hand, nur

Und darin setzen sie eine große

Ehre, daß sie todten Beides, Ameisen und Schlangen, und was sonst

kreucht und fleucht.

ist Sitte gewesen.

Doch das mag bleiben, wie es von Anbeginn (Herodot.)

VII. Griechenland. 1. Athen. Ursprünglich standen die einzelnen Vereine der Griechen unter Stamm­

fürsten. Allein zwischen 1080—700 vor Christus wurden in allen griechischen Staaten, Epirus ausgenommen, republicanische Verfassun­ gen eingeführt, welche, obwohl unter vielem Wechsel und mannigfal­ tigem Kampfe mit Tyrannen (das Wort im Sinne der Griechen genommen) sich bis zu dem völligen Untergange der griechischen Frei­ heit erhielten.

Woher dies Entstehen republicanischer Verfassungen in Griechenland? Bei aller Vielheit und Mannigfaltigkeit der griechischen Staaten

aber, und so groß auch der Kreis der griechischen Pflanzorte war, betrachteten sich die Griechen doch stets als ein Volk. Die Verwandt­ schaft in Hinsicht auf Geistes- und Sinnes-Art, auf Sprache, Reli­ gion und Bildung überhaupt, war unstreitig die vornehmste Ursache, weshalb der Grieche jeden Nicht-Griechen sich als einen Barbaren gegenüberstellte. Mächtig wirkte überdies zur Erhaltung dieser NationalEinheit unter den Griechen die Ehrfurcht vor den gemeinschaftlichen Orakeln besonders zu Dodana und Delphi. Ferner, wie die vier großen, heiligen Spiele der Griechen (die olympischen, bei Olympia in Elis gefeiert und durch Jphitus um 880 v. Chr. wieder hergestellt, die nemeischen, bei Nemea in Arpolis, die isthmischen, in der Nähe von Korinth, die pythischen, in der Nähe von Delphi gefeiert) den Sinn für das Edle und Schöne bei dem griechischen Volke entflammten

Griechenland.

69

Athen.

und stärkten, so mußten sie auch ein Band der Vereinigung um alle Griechen schlingen. mehrere

nigstens

diesem

Endlich das Amphiktyonen-Gericht verband we­

griechische

phiktyon,

Den

Völker mit einander.

merkwürdigen Gericht hat,

wie die Sage lehrt,

einer der Sohne Deukalion's, gelegt.

Schutz

Grund

zu

schon Am-

der Tempel

und Heiligthümer war wohl der erste Zweck des Bundes, an welchen sich aber milderer Verkehr der Verbündeten unter einander von selbst

nothwmdig anschloß.

Der Tempel zu Delphi ward zum Mittelpunkte

des Bundes gewählt.

Die Anzahl der verbündeten Völker wuchs im

Verfolge der Zeit zu zwölf (Oetäer, Malienser, Phthioten, Thessalier, Magneter, Perrhaeber, Doloper, Lokrer, Dorier, Phocier, Böotier, Ionier) an.

Durch den BundeS-Eid verpflichteten sich die Verbün­

deten: „Keine Stadt des Bundes zu zerstören, keiner das Quellwasser abzuschneiden, wohl aber den Staat, welcher den Eid verletzte, mit Hätte einer der Staaten einen Tempel verletzt

Strenge zu bestrafen.

oder Tempelraub begangen, so wollten sie mit Fuß, Hand und Stimme und mit aller Kraft seine Strafe betreiben."

Ost fehlte es freilich den

Verbündeten an Macht, ihre Beschlüsse geltend zu machen, aber es kann auch nicht geläugnet werden, daß der Bund sehr Vieles dazu beigetragen habe, das rechtliche Verhältniß unter den griechischen Staa­ ten austecht zu erhalten.

Nie bildete indessen Griechenland einen Ge-

sammtstaat.

Unter den vielen Staaten Griechenland's ragten Sparta und Athen vornehmlich hervor; auch sind von der Geschichte der meisten übrigen griechischen Staaten nur dürftige Bruchstücke zu uns gekommen.

Länger

werden wir bei Athen verweilen, in dessen Geschichte ohnehin die Schick­

sale des übrigen Griechenland's vielfach verflochten sind.

Zwei Dinge hoben die Bildung

der Bewohner

von Attika sehr

frühe: die ägyptische Colonie unter Cecrops, und dann, daß Attika

wegen der ursprünglichen Wildheit und Armuth seines Bodens in den

ersten unruhigen Zeiten und in den Zeiten der Wanderungen feindlichen Angriffen weniger ausgesetzt

war,

als

andere

griechische

Staaten.

Frühe blühte insbesondere der Ackerbau in diesem Lande, und dankbar

erkannten c.

ganzen Heeres mit Einem Geiste zu durchdringen, dessen Glieder er

selbst organisiren konnte.

Je mehr die Scheidewand zwischen Patri-

zienr und Plebejern sank, je mehr ward das republikanische Prinzip der Armen

gefährdet.

Seitdem bahnten Kriegsglück und Tapferkeit

den Weg zu Ehrenstellen,

Reichthümern und Macht im Staate, so

daß in den spätern Zeiten die ersten Allgewaltigen Rom's, Marius

und Sylla, aus dem Volke waren, und zuletzt gar die schlechtesten Menschen zu den höchsten Würden emporstiegen. Der Römer gepriesene Tugend ist ohne die enge und harte Ver­ Die Consuln waren fast gedrun-

fassung ihres Staates unerklärlich.

gen, eine königliche Seele zu haben. eigene und fremde Sittlichkeit.

Das Amt der Censoren erhielt

Der Adel ihrer Geschlechter, die immer

erneute Gefahr von außen, das unaufhörliche Reiben und Gegenge­ wicht im Innern, das Band zwischen den Patronen und

Clienten,

das gemeinschaftliche Drängen an einander auf den Marktplätzen und in den Häusern, die engen, scharfen Gränzen zwischen Eigenthum deS Senates und des Volkes, ihr enges, häusliches Leben, die Erziehung

der Jugend

im Anblicken

aller dieser Dinge von Kindheit auf —

Alles mußte sie zum stolzesten,

ersten Volke der Erde machen,

das

zum verworfensten herabsank, nachdem es die heilige Scheu vor seiner Einzig werden die Beispiele jener

altbewahrten Verfassung verloren.

ersten großen Römer bleiben, die daheim mit strenger Unparteilichkeit,

uneigennütziger Großmuth lebten und handelten, die den arbeitsvollen Tag noch vor Sonnenaufgang begannen, und nur mit späterer Däm­ merung

beschlossen.

bleiben,

die Gut und Blut

Staates

Einzig

werde»

die Beispiele einzelner Heroen

in den gefahrvollsten Augenblicken deS

mit einer Besonnenheit zum Opfer brachten,

die von der

Begeisterung, welche die Verzweiflung giebt, unendlich verschieden war.

Einzig werden bleiben die Muster edler, großherziger Frauen, die zu­

erst

unter den Römern glänzten,

denn weder in

den Harems deS

Orients, noch in den Gynäceen Griechen land's, hatte sich wahrhafte weibliche Tugend entwickeln können.

Dort gab es nur Sklavinnen

oder despotische Herrscherinnen, hier, in HellaS, nur Haushälterinnen

oder Buhlerinnen.

Erst in Rom konnten sich bewunderte Heroinnen,

wie Clölia, konnten sich an Gesinnung große und an Charakter un-

tadliche Frauen, wie die Mutter und Gemahlin Coriolan's, wie die Mutter der Gracchen, zeigen, und mit einer Würde in das öffentliche

Leben eingreifen, wie seitdem nie wieder geschehen ist.

Dagegen sah

Nom.

152 aber

man

unter den Kaisern,

anch

man sich

nachdem

gegen alle

Grundgesetze des Staates und der Moral versündigt hatte, Ungeheuer

von Weibern von einer Erfindsamkeit in Bosheit und im Genusse des Lasters, wie sie ebenfalls seitdem nicht wieder gesehen worden.

Die

römischen Tugenden und Laster hielten Schritt mit der Verfassung, jene verschwanden, als diese nur durch das äußere Gesetz aufrecht ge­

halten

werden

da jede Verfassung nur auf solchen Gesetzen

sollte,

sicher ruht, welche die Natur jedem Edlen ins Herz gegraben hat. —

Selbst eine Sitte, welche von der christlichen Religion verdammt wird, der Selbstmord, ist aus ihrer Staatsverfassuug und der Gesinnung,

Das Gefühl der Ehre, welches

welche ihnen diese einflößte, erklärlich.

erlittenen Schimpf an sich selber rächte, war bei ihnen lebendiger, als die Liebe zum Leben und ein freier, sclbstgewählter Tod ward schimpf­

lichem Leben vorgezogen.

sie

sich dadurch

Selbst Angeklagte mordeten sich selbst, wenn

ehrenvollen

eines

archischer Principien

und

und

Andenkens

ihres letzten Willens versichern konnten.

der stoischen

der Vollziehung

Mit der Verbreitung mon­

Philosophie,

die

ein weises

Mittelmaß der Leidenschaft lehrte, ward der Selbstmord noch gewöhn­

licher, und Cato, Brutus und Cassius heiligten eine Handlung, die für heroisch

weil

galt,

der römische,

besonnene

Selbstmörder aus

eigener Wahl die gespielte Rolle beschloß, wenn sie ihm nicht mehr gefiel. —

Eine der sichersten Grundfesten ihres Staates

war ihre Religion.

Es war eine Staats- nnd Kriegsreligion, auf das Engste mit dem öffentlichen,

wie

mit dem häuslichen

Leben

verwebt.

In solchem

Grade war dies bei Asiaten nnd Griechen nicht der Fall, weil im

Kultus

die Phantasie

dieser Völker das Gemüth,

herrschten.

Die

römische Religion hingegen war nüchterner Verstand, daher sie Poly-

bius wohl Aberglauben nennen mag.

besondern Stand:

also

Ihre Priester bildeten keinen

war keine Hierarchie

möglich.

Sie waren

Diener des Staats, wie die Civilbehörden, deren einer so wenig, wie

der andere, die Oberhand gewinnen konnte,

nnd der sehr nüchterne

Kultus nur ein Werkzeug in den Händen der Regierung.

Wie wenig

hier an Mythen oder höhere Lehren, zu denken war, bezeichnet schon

der Ausdruck religiones, welcher im Grunde nur Unsträflichkeit des

Gewissens

bedeutet.

von der Person also überall hin.

der

Ihre heiligen

Gebräuche

waren

unzertrennlich

höchsten Obrigkeit und des Feldherrn,

folgten

Was die ersten Machthaber thaten, geschah unter

133

Die römische Geschichtschreibung, Volkspoesie rc. selbsteigenen Anspielen.

Alle Staats- und Kriegshandlungen wurden

nur hierdurch geweiht, und ihr Staat fing alsdann erst zu wanken an, als sie, den ältesten Grundsätzen untreu, fremde Götter in ihre Heiligthünier

ausnahmen,

obschon

auch

dieses

nur

ein

politischer

Kunstgriff war, um die Völker, die diesen Göttern dienten, unter

heiligem Scheine an sich zu locken. Das Princip ihrer Kriegskunst und die Einrichtung ihres ganzen Kriegswesens war der stählerne Arm, vermittelst welchem sie die bis­ her genannten Einrichtungen nicht allein im Innern und gegen Außen

behaupteten,

sondern

wodurch sie auch

zu welterobernden Siegern

wurden. Der Krieg diente ihnen zum Nachsinnen, der Friede znr Uebung, und jeder Feldherr betrachtete den Krieg als eine ihm unent­

behrliche und rühmliche Kunst. Die Kriegsschule war nicht blos im Lager gegen den Feind, sondern mehr daheim, ans dem Marsfelde. Wenn sich hier Alt und Jung im Laufen, Springen, Ringen, Fech­

ten geübt, wenn sie sich mit Schwertern, Spießen und Pfeilen ver­ sucht, die doppelt so schwer, als die waren, welche sie im Felde trugen, so stürzten sie sich in die Tiber, um Staub und Schweiß ab­

zuwaschen und fertige Schwimmer zu werden. Wenn in unsern Heeren die Soldaten durch den Wechsel übermäßiger Anstrengung mit erhielten sich die Römer ihre robusten Krieger durch ununterbrochene Uebung. Publius Nasica ließ ohne Noth eine Flotte bauen, weil er den Müßiggang mehr fürchtete, als den Feind, und Sulla gab seinen Kriegern, als sie im Kriege gegen Mithridat den Muth verloren, so viel Arbeit, daß sie um eine Schlacht baten, weil sie von dieser daS Ende aller ihrer Leiden hofften. Aber ihr Hauptaugenmerk richteten die Feldherren mit kühler Besonnenheit auf alle die Stücke, in welche ihnen der Feind

übermäßigem Müßiggänge hinschmelzcn, so

überlegen war. Diesen kamen sie alsbald zuvor, indem sie unbedingt nachahmten, was sie für besser erkannten. Statt ihrer alten lateini­ schen Rüstung nahmen sie von Etruskern und Sanmitern an Waffen an,

was

Märsche,

ihnen diente; sie lernten von Hannibal Ordnung der dessen langer Aufenthalt in Italien ihnen die schwerste

Kriegsübung war, die sie je gehabt hatten. Den Kampf gegen Kar­ thago führten sie auf erborgten Schiffen; die schneidenden Schwerter der Gallier, und die Elephanten des Pynchiis machten sie nur einmal,

nachher nicht wieder, bestürzt; sie vergaßen nicht, sich, sobald es möglich war, numidische Pferde, kretische Schützen, balearische Schien-

154

Rom.

derer und rhodische Schiffe zu verschaffen.

Kurz, kein anderes Volk

hat je sich mit so vieler Klugheit zum Kriege gerüstet, noch ihn mit solcher Kunst und solchem Muthe geführt.

In diesen Hauptpunkten ihres Staats-

und KriegSgebäudes lag

ihr Glück, lagen die Ursachen ihrer Größe.

Wir wollen sehen, wie

sie diese auf ihre Eroberungen anwendeten. Jener alte, berühmte Zweikampf der Horatier und Curiaticr ist ein wahres Vorbild ihrer ganzen Kriegsgeschichte; als die Weise, wie sie sich eines Feindes nach dem andern entledigten.

Zwei Horatier waren

geblieben, von den Curatiern der Eine schwer, der Andere leicht, der

Dritte noch nicht verwundet.

Also konnten sie dem fliehenden Hora­

tier nicht mit gleicher Schnelligkeit nachsetzen; das hatte der Schlaue

nur gewollt: denn nachdem er sie getrennt hatte, erschlug er Einen nach dem Andern.

So auch Rom, der Flecken, der zur Welthaupt­

stadt ward, durch die ehernen Grundsätze der Republik, welchen alle

Welt wich, nämlich: „nie nachzulassen, bis der Feind im Staube lag,

und daher immer nur mit einem Feinde zu schlagen; nie Frieden an-

zunehmcn im Unglück, sondern

brächte,

wenn auch der Friede mehr,

festzustehen,

und

desto

trotziger zu

als der Sieg,

sein gegen den

glücklichen Sieger; großmüthig und mit der Larve der Uneigennützig­

keit anzufangen, als ob man nur Leidende zu schützen, nur Bundes­ verwandte zu gewinnen suchte, bis man zeitig genug den Bundesge­

nossen

befehlen, die Beschützten

unterdrücken und

über Freund

und

Feind als Sieger triumphircn konnte."

Wer nicht für mich und mit mir ist, ist wider mich.

Das war

die Sophistik, die seit dem zweiten macedonischen Kriege überall galt, wohin Rom mit seinen Waffen reichen konnte.

Während die Heere

eroberten, berieth sich der Senat, der sich zum Richter über alle Völker aufwarf, wie man denen daö Wiederaufkommen

wollte, die einmal zu Boden geworfen waren. Volke

wurden

vertheilt.

seine Länder

genommen und

unmöglich

machen

Dem überwundenen

an die Bundesgenossen

Diese brauchte man zum Kriege gegen den Feind; man ver­

tilgte sie selbst, wie ein Werkzeug, wenn sie andere Staaten über den

Hausen geworfen hatten.

Hatten sie verschiedene Feinde

gegen sich,

so gestatteten sie dem Schwächsten einen Waffenstillstand, der es nun

für etwas Großes hielt, wenn er seinen Untergang verschoben hatte. Immer waren sie die Angreifenden, aber immer entschuldigten sie ihren

Angriff mit einer Verletzung des Rechts, die sic dem Feinde vorwarfen.

Die römische Geschichtschreibung, Volkspoesie ic.

155

Sie behielten immer Recht, weil sie frech genug waren, eS immer zu

behaupten. Diese und ähnliche, vom Gemüth verabscheute, vom Verstände be­ wunderte Grundsätze, welche Montesquieu in seiner geistreichen Schrift

zur Genüge auseinandergesetzt hat, waren eS, welchen Rom seine un­ geheure Größe verdankte, wodurch es gleich in den ersten Jahrhun­

seiner Erbauung das Grab von ganz Italien ward. Einmal an das Joch Nom's geknüpft, kamen alle Italiener, ungeachtet

derten nach

aller Freiheit, die man diesem und jenem Volke gewährte, zuletzt doch dahin,

daß

nur in Rom

Jedermann

Glück,

Ansehen, Recht und

Von diesen Grundsätzen ausgehend, war nicht etwa blos von einem Eroberungskriege gegen Karthago die Rede, sonder» der Senat deliberirte förmlich und feierlich, ob überhaupt ein

Reichthum suchte.

Karthago auf der Erde zu dulden sei? — Darauf kündeten sie sich der

kindisch

gewordenen Nation

Spielen als Befreier

an.

der Griechen

auf den isthmischen

Als solche plünderte Paulus

Aemilius

siebenzig epirotische Städte und verkaufte hundertfünfzigtausend Men­

schen als Sklaven, um sein Heer zu belohne».

Als Befreier Griecben-

land's verwüstete und plünderte Mctell Maeedonicn, Mummius Ko­ rinth, Sulla Athen und Delphcn, wie kaum Städte in der Welt geplündert worden.

Die griechischen Inseln hatten kein besseres Schick­

sal, sie füllten die Stcuerkasse und wurden Plünderungsorte für die Triumphatoren. Der letzte König Macedonien's verschmachtete im

Kerker,

sein

dein Tode

Drechsler und Schreiber.

entronnener Sohn fristete sein Leben als Tic letzten Glimmer der griechischen Freiheit,

der ätolische und achäische Bund, verloschen, und alles Land ward

römische Provinz oder Schlachtfeld, auf welchem sich nun die Heere

Mit denselben Grundsätzen drängten sich die Römer bald als Erben, bald als Vormünder, bald als Schiedsrichter und Friedensstifter in Kleinasien, Syrien, Pontus,

der Triumviren selbst erschlagen.

Armenien und Aegypten, aus welchen sie aber auch zum Lohne ihrer Dienste das letzte Gift ihrer eignen Staatsverfassung geholt haben.

Pompejus allein triumphirte in einem Siegeözuge über fi'infzehn er­ oberte Königreiche, achthundert eingenommene Städte und eintausend

bezwungene Festen.

Das Gold und Silber, daS er im Gepränge

zeigte, betrug zweiundzwanzig Millionen Thaler, die Einkünfte des Staates vermehrte er auf den dritten Theil, und der geringste Soldat seines ganzen Heeres erhielt über zweihundert Thaler Triumphgeschenk.

156

Nom.

Cäsar, wiewohl edelmüthiger, als irgend ein Römer, konnte doch daS

Schicksal seiner röinischen Bestimmung nicht ändern und sammelte das

traurige Lob, „daß er,

außer den Bürgerkriegen, in fünfzig offenen

Feldschlachten gestritten und eilfhundertzweiundneunzigtausend Menschen im Treffen erschlagen habe." der Schatten,

Abendsonne

in

welchem

ein Reich

als



es

Spanien fiel unbekannt ins Reich

schon Homer unter dem Glanze der

aber

malt:

der Unterirdischen

es

hatte

glorreich gestritten, und Cervantes hat seinen Namen durch das un­

vergeßliche Numantia nur unsterblicher gemacht. Dies die Weise, dies die Künste, wie sich Roma ohne Christen­

thum zur Herrin der Welt gemacht,

so

daß man in der Kaiserzeit

Erdkugel und römische Monarchie für gleichbedeutend nahm, und die Herren der Welt sich

selbst

einer Erdkugel

mit dem Kreuze

(dem

nachherigen Reichsapfel) als Symbols ihrer Weltmacht bedienten, ob­ schon die Macht selbst damals schon vorüber war.

Von dem schotti­

schen Waldgebirge an, an der Elbe und dem nördlichen Dazien hin, bis hinab in die arabische und gegen die äthiopische Wüste, und von

den bestrittenen Partieen bis zu den Gestaden des abendlichen Welt­

meers,

herrschte

Gipfel stand.

das römische

Scepter,

als

es

auf dem

höchsten

Das mittelländische Meer lag in seinem Schooße, die

reichsten, bevölkertsten Länder, der fruchtbarste Himmelsstrich der Erde,

in seiner Mitte.

Alles Land gehorchte ihm,

wie hätte es Barbaren,

nomadische Horden fürchten sollen, die aus der Wüste herschwärmend

dem altersschwachen, lebenssattcn, erschöpften Rcichskoloß den Todes­

stoß gaben!

Wie vermochten nun rohe Völker, die den Krieg nie als Kunst ge­ trieben und geübt, wie vermochten diese, durch wenige Schlachten ein

Reich zu stürzen, das sonst vor keiner Macht gezittert hatte. — Sie

konnten cs, weil Rom schon im Innern verfallen war.

Der Ursachen

aber, warum es zerfiel, waren viele, die vorzüglichsten folgende:

1. Unbillig und unsicher waren die Gränzen zwischen Rath, Ritter­

schaft und Bürgern.

Wie sehr dies der Fall gewesen, leuchtet auö

dem langen Kampfe der Plebejer um die Theilnahme an patrizischen

Würden,

auS

den immer wieder auflebcnden Ackcrstreitigkeiten,

den eben so endlosen Kämpfen der Optimalen und

klassen genugsam ein.

aus

ärmeren Volks­

Würden, die ertheilt worden waren, um diesem

ewigen Uebergewicht zu steuern, wie die der Volkstribunen, wurden

1 57

Die römische Geschichtschreibung, VolkSpcesie >c.

alsdann gefährlich, als man sich nicht mehr auf die freiwillige Ab­ dankung des Dictators verlassen konnte. 2. Es lag ein Widerspruch in dem Grundsätze: Rom — die Königin der Nationen, Rom — die Beherrscherin der Welt, denn Rom war

nur eine Stadt, ihre Verfassung nur eine Municipal - Verfassung, und

je gewaltiger der Umfang ihrer eroberten Länder ward, je weniger ließ sich diese Verfassung aufrecht erhalten.

Nach Sylla's Tode gab

es vierhundertfünfzigtausend sogenannte römische Bürger, und unter Cäsar waren nicht weniger, als dreihundertzwanzigtausend, welche Korn bei öffentlichen Austheilungen verlangten. Nun denke man sich

diese Masse von Bürgern bei öffentlichen Versammlungen sammt ihren Patronen, wie sie durch Geschenke, Spiele, Prachtaufzüge, Schmeiche­ leien verführt oder durch Drohungen gezwungen, den Berathschlagungen jede beliebige Richtung geben konnten: was vermochten gegen diese

ein Senat von etlichen Hundert, ja, wie konnten die republicanischen Grundgesetze für ein Gebäude von solchem Umfange ausreichen! 3. Die Menge der Sklaven wuchs, je mehr die Römer Herren der Welt wurden.

Die alten Römer waren fast brüderlich

mit ihren

Sklaven umgegangen, ja ein Vater konnte seinen Sohn als Knecht

verkaufen. Je mehr sie nun eroberten, je mehr Sklaven sie aus allen Ländern zusammenschleppten. Durch diese bebauten sie nicht allein ihre weitläufigen Ländereien in Italien, Sicilien, Griechenland und anderwärts, sondern sie trieben auch sogar Handel damit. Unbarm­ herzige Herren behandelten sie wie Thiere. Also konnte es nicht fehlen, daß sich nun zu allen Zeiten eine Schaar Unzufriedener in ganz Italien zerstreut befand, die begierig jede Gelegenheit ergriff, das verhaßte Joch abzuwerfen.

Der furchtbare Sklavenkrieg in Sicilien

unter Eunus, den zweier Consuln Waffen in drei Jahren nicht dämpfen konnten, der Gladiatoren- und Sklavenkrieg unter Spartacus, und andere Tumulte mehr, beweisen es genugsam.

Uutcr den Kai­

sern wuchsen diese Gräuel zu beispielloser Größe. Rom ward durch Rom gestraft, und die Herren der Welt wurden der verruchtesten Sklaven demüthige Knechte. 4. Eine vierte Ursache des römischen Verfalls war der Lurus, der sich bis zu einer gräuelvollen Größe erhob.

Lage hatte ihn herbeigesührt.

Schon die geographische

Italien lag fast im Mittelpunkte der

alten Welt, und da ihm durch Natur und Waffengewalt die Wege nach allen Welttheilen offen standen, häufte es die Sitten, Erzeugnisse

158

Nom.

und Genüsse aller Länder in dem stolzen Rom auf.

Nach dem syri­

schen Kriege begann dieser Unfug, dem zu den Zeiten der Gracchen,

wo das Verderbniß schon sehr groß war, nicht mehr gesteuert werden

konnte, und die Kaiser verdarben es vollends. WaS eine ungemeine Erfindungsgabe in üppigen, schwelgerischen Genüssen und Wollüsten nur aussinnen konnte, war in Rom zu finden, und wenn man die Schilderungen eines Plinius lie'st, so wird man gestehen, daß die

üppigsten Zeiten der französischen Könige — die doch schwerlich vom übrigen Europa übertroffen worden — nur ein schwacher Schatten der römischen Zeiten seien.

In den Satyrcn eines Petronius und

Juvenal weiß man kaum, worüber man mehr staunen solle, ob über die Frechheit, mit welcher man genoß, oder über die Unverschämtheit, mit welcher diese Gräuel gemalt werden. Doch ohne alle diese Dinge, kann man endlich sagen, ohne Lurus, Pöbel, Senat und Sklaven, mußte Rom fallen, mußte sein Kriegs­ geist das Schwert in die eignen Eingeweide kehre», das er so oft

gegen unschuldige Städte und Nationen gezückt hatte. Das ewige Naturgesetz der Wiedcrvergcltung stürzte auch diese stolze Stadt. Die Geschichte der Römer, sagt Montesquieu, ist mit Einem Worte diese: durch ihre Grundsätze wurden sie Herren der Welt; da konnten die republikanischen Marimen nicht länger beibehalten werden: die Ver­ fassung ward monarchisch: die Grundsätze der Monarchie aber waren den frühere» ganz entgegen. Das stürzte sie. Doch wir können nicht eher von dem so großen, so merkwürdigen Volke scheiden, als bis wir den Schöpfungen ihres Geistes, welche theils unversehrt, theils nur in Bruchstücken auf unS gekommen sind,

ihren Wissenschaften und Künsten, noch

einige Augenblicke geschenkt

haben. Zuvörderst verdient bemerkt zu werden, daß das Volk, das, als eS lebte, gegen die ganze Welt ungerecht war, uns in seinen Gesetzen

den Grundstein einer universellen Gerechtigkeit hinterlassen hat.

Es

war und bleibt das erste Volk in der Welthistorie, durch dessen ganze Geschichte ein immerwährendes Streben nach Recht und Gerechtigkeit läuft. Ihre ganze innere Geschichte ist ein ununterbrochener Rechts­ streit, was durch die vollendete Darstellung des Liviuö ungemein klar

wird.

Selbst die Ungerechtigkeiten der Römer, so parador dies klin­

gen mag, beweisen, daß das Rechtsgefühl in ihnen klarer, als bei allen übrigen Nationen der alten Welt war.

Denn indem sie ihre

159

Dle römische Geschichtschreibung, Volkspoesie rc. herrschsüchtigen

Angriffe durch

ein

Recht

beschönigten,

welches

der

Feind wirklich oder angeblich verletzt hatte, bewiesen sie ja eben, daß ihnen das Recht höher, als Alles, sei. berühren, welchen

Wir werden es weiter unten

Einfluß die römische Rechtsgelehrsamkcit auf alle

europäischen Staaten gehabt, und wo ist wohl jetzt eine Gesetzgebung, die nicht mehr oder weniger auf der römischen begründet wäre? — Wohl mußte eine Nation die vollkommenste Gesetzgebung zu Stande

bringen, die von dem Zwölftafelgesetz bis Justinian, also bei tausend

Jahre über

alle mögliche Rechtsverhältnisse und Rechtsfälle gedacht

und gestritten, alle civilistischen Formen durchprobirt hatte. Sodann verdient der Einfluß bemerkt zu werden, den die römische Sprache auf ganz Europa

volltönend

und herrisch

So majestätisch,

gehabt hat.

bestimmt,

ihre Sprache auch im Römermunde klingen

mochte, so hielt sie doch an Biegsamkeit, Wohllaut und Fülle keinen Vergleich mit der griechischen aus. Griechen nachgebildet.

Zudem war das Beste doch den

Aber wenn die griechische einem Volke ange­

messener, dessen ganzes Leben und Weben in harmonischer Verschlin­ gung aller Kräfte bestand,

so

mußte die

werden, wo" der Verstand vorherrschte.

lateinische da

vorgezogen

Dies und der Umstand, daß

die Römer ihre Sprache überall einführtcn, wo sie hinkamen — und

wo kamen sie nicht hin? — machte

sic zur allgemein herrschenden.

Ihrer bediente sich die geistliche und weltliche Macht, und von den Thronen und päpstlichen Stühlen verbreitete sie sich unter die Mönche

und Gebictiger aller Lande, und, wie natürlich, in alle Anstalten der Bildung herab.

Daö ganze frühere Mittelalter'sprach und schrieb, ja

dachte lateinisch, weil die Sprachen der barbarischen Völker anfangs zu arm für poetische und hierarchische Regierungsbegriffe waren, später­ hin unbillig verachtet wurden.

Wenn daher Cicero von Herdern der

Vater des Vaterlandes aller lateinischeil Schulen in ganz Europa mit

Recht genannt wird, so scheint es ebenfalls an die Zeit zu erinnern, wie sehr unsere deutsche Jugend an Bildung gewinnen müsse, wenn statt der bis auf gegenwärtige Zeiten herrschenden Weise die lateinische

Sprache zum Grunde zu legen, fortan der Unterricht mit der griechi­ schen begonnen wird.

Denn um nur Eins zu erinnern, so ist es ja

unhistorisch, die frühern auf die spätern folgen zu lassen, anderer über­ schwenglicher Vortheile zu geschweige», welche aus dieser Verfahrungsart entsprießen.

Das eigentliche Blüthenalter der geistigen Bildung der Römer wird

160

Rom.

in die Zeiten von Sylla's Abdankung bis zu August's Tode gesetzt. Es umfaßt also noch nicht hundert Jahre, und man pflegt das Augustische Zeitalter gewöhnlich das goldene zu nennen. Ein zweites glückliches Zeitalter begann mit Vespasian und endete mit Mark Aurel. — Von den Griechen ging ihre gesammte Bildung aus; wie viel sie

von den Hetruriem angenommen, läßt sich nicht bestimmen.

Denn sie wurden nur durch das Schwert groß, und so sträubte sich ihr re-

publicanisch-soldatischer Charakter gegen jede Theilnahme an solcher Bildung, welche nicht unmittelbar zu Staatszweckcn führte. Die sy­ rischen Kriege gaben ihnen genauere Bekanntschaft mit dem Osten und Griechenland. — Namentlich streute das letztere den Samen höherer Kultur unter die Bürger, die bisher nur ausschließend für den Kriegs­

ruhm und bürgerliche Freiheit gearbeitet hatten. Plautus, AndronicuS und Terenz, welcher Letzterer, nach Cäsar'ö Urtheil, die Halste des griechischen Menander war, suchten die dramatische Poesie der Griechen

auf römischen Boden zu verpflanzen, so wie die großen Scipionen immer mehr Liebe für griechische Literatur und Sitten zu verbreiten suchten.

Nachdem sie Herren der Welt und

mit der macedonisch-

gricchischcn Welt bekannter worden waren, verlor sich auch der Haß

gegen das Fremde. Die Eile, womit man das Versäumte »achholen wollte, schadete der Originalität, namentlich glich ihre Poesie einer schnell aufgeschlossenen Blume: sie verblühte schnell. Und weil sie zumeist nur Nachahmung der griechischen, und mehr noch der alerandrinischen war, ward auch das Erotische und Gelehrte überwiegend in ihr.

Aber desto größer wurden sie in einer ihnen ganz eigenthüm­

lichen Gattung der satyrischm, in welcher selbst ihre spätesten Nach­

Als Meister in dieser Gattung nennen wir Horaz, dem ein Persius, Petronius, Martial und Juve-

kommen noch als Muster glänzen.

nal folgten.

In der erotischen Gattung zeichneten sich

ein Ovid,

Catull, Tibull und Properz aus, welcher Letzterer römische Kraft mit

Als höchsten Gipfel deö gelehrten künst­ lichen Zeitalters der Poesie aber mag man Virgil betrachten.

hellenischer Kunst verband.

In der Philosophie gebrach es ihnen durchaus an Originalität, wenn man einen Lukrez ausnimmt, der in würdigen Tönen von den Wundern und Geheimnissen der Natur sang. Man erfand keine Sy­

steme, aber man übte sie aus, führte sie ein in das Recht, in die Staatsversasstlng, in daS thätige Leben.

Der ganze Bildungsgang

161

Die römische Geschicbtschreibmi, Volk^poefke re.

der Romer war praktisch gewesen, sie waren gewissermaßen schon fertig,

als

sie

fremde Bildung

Richtung

daher sie Allem

annahmen,

suchten.

zu geben

eine praktische

Welche gewaltige Dinge hat nicht die

stoische Philosophie in der Rechtsgclehrsamkeit, in der Staatskunst, in

den Leben und Schriften eines Seneca, Mark Aurel und Epiktet ge­ wirkt!

Wie ft’-'n hat nicht der Retter der griechischen Philosophie, der

in der Toga große Cicero, die Philosopheme ins öffentliche Leben ein­ geführt und für die öffentliche Beredsamkeit gearbeitet! — Die Menge

seiner rednerischen Schriften tröstet uns über den Verlust nicht minder Er ersetzt sie uns.

großer Redner.

Denn auch diese Kunst, die der

Eloquenz, mußte nebst ihrer Schwester der Historie, auf dem Boden der römischen Freiheit gedeihen.

Wieviel haben wir an der überschweng­

lichen Fülle von Jahrbüchern, Denkschriften und Lebensbeschreibungen einzelner Staatsmänner und Feldherren aus den Zeiten der Republik

verloren,

mit

ein

welchen

Schatz

politischen Erfahrungen und

von

Lcbenöklughcit untergcgaugcn!

Wie unübertroffen sic in der Rechtswissenschaft dastehcn, Theil schon berührt worden.

ist

zum

Ihr Glück und ihr Eifer in Bearbeitung

dieser Wisscnschast offenbarte sich in der Geschicklichkeit und Weisheit,

womit sie die vielen Staaten beherrschten, die ihre siegreichen Waffen Wenn auch nicht allzulange, so herrschte doch im An­

erobert hatten.

fänge der Monarchie eine bewundernswürdige Einheit und Ordnung

der Rechtspflege

in

ihren

In

Provinzen.

den

meisten

blühte

der

Landbau, hob sich der Kunstflciß und höhere Kultur, und zahlreiche

Städte und Bevölkerung kündigten den Wohlstand der Besiegten an. Noch

nie

hatte

eine

so

feste,

unter entfernten Nationen und

erstreckte

sich

leichte und

stattgefundcn.

bis Indien.

auSgebrcitete Verbindung

Der römische Handel

hob

Alle Städte an der östlichen Küste

des mittelländischen Meereö sahe man mit Waaren auö dem Orient gestillt, und die Erd- und Völkerkunde erhielten einen reichen Zuwachs.

In dem glücklichen Zeitalter von Vespasian bis Mark Aurel ward das

sogenannte

gelehrte

Publikum

fester

begründet.

Schon

Cäsar

hatte den Grammatikern, Aerzten und Lehrern der freien Künste, die

bisher nur Sklaven

ausgcwirkt.

oder Fremde

gewesen

waren, das Bürgerrecht

Hierauf wurden in den Provinzstädten einzelne Rhetoren

angestellt und besoldet.

In Rom ließ Vespasian zuerst den Lehrern

der

Gehalt

Beredsamkeit einen

aus

der

öffentlichen

Kasse

zahlen.

Antonin der Biedere dehnte diese Verordnung auch auf Philosophen,

Histcr. 8q‘cbu. I

11

162

Rom.

selbst in den Provinzen, aus.

Somit wurden die Gelehrten durch

Rang, Gehalt und Privilegien ein bedeutender Stand im Staate. Mehrere Städte dcö röinischen Reichs, zum Theil schon weit früher alö Wohnsitze der Gelehrsamkeit berühmt, zeichneten sich durch öffent­ liche Anstalten für gelehrten Unterricht aus, und zu Mailand, Kar­

thago,

Marseille,

Toulouse,

Narbonne,

Athen, Alerandrien und

Konstantinopel, ja selbst an der Küste von Syrien und Phönicien

wurden Philosophie, Rhetorik, Gramniatik, Medicin und Jurisprudenz

gelehrt.

So gewann die wissenschaftliche Ausbildung an äußerer Aus­

breitung durch Stände und Länder, wenn auch schon die Wissenschaf­ ten selbst, außer der Jurisprudenz, nicht viel. Ein freier, schöpferischer Genius regte sich nur in wenigen: aber dagegen ward gesammelt,

geprüft, geurtheilt in weiterem Umfange, mit größerer Anwendbarkeit und feinerem Scharfsinne, als cs die Alcrandrincr gethan. Auf diese Weise ward der gejammte Nachlaß von römischer Kultur der Nach­ welt ausbewahrt und überliefert. Zuletzt habe ich noch von der Kunst zu reden, in welcher sie sich für Mit- und Nachwelt alö jene Herren der Erde erwiesen, denen die Materialien aller überwundenen Völker zu Gebote standen. Vom An­ fänge an war ein Geist in ihnen, die Herrlichkeit ihrer Siege durch Ruhmcszcichcn, die Herrlichkeit ihrer Stadt dinch Denkmäler einer

prächtigen Dauer zu bezeichnen, so daß sic schon sehr frühe an nichts Geringeres, als an eine Ewigkeit ihres stolzen Daseins, dachten. Die Tempel, die RomuluS und Numa bauten, die Plätze, die sie ihren öffentlichen Versammlungen

anwiesen,

gingen

alle schon auf

Siege und auf eine mächtige Volköregierung hinaus, bis bald darauf

Ancus und Tarquinius die Grundfesten jener Bauart legten, die zu­

letzt beinahe zum Unermeßlichen emporsticg.

Der etruskische König

baute die Mauer Rom's von gehauenen Steinen: er führte, um die Stadt zu reinigen, jene ungeheuren unterirdischen Schlettsen auf, die

jetzt ein Wunder der Welt sind. Im gleichen Geiste waren seine Gallerieen, seine Tempel, seine Gerichtssäle und jener ungeheure Circus, der blos für Ergötzungen des Volkes errichtet, noch jetzt in

noch

seinen Trümmern Ehrftircht gebietet.

Auf diesem Wege gingen die

Könige, insonderheit der stolze Tarquin, nachher die Konsuln und Aedilen, nach ihnen die Welteroberer und Dictatoren, am meisten Julius Cäsar, fort, und die Kaiser folgten.

So kamen nach und nach jene

Thore und Thürme, jene Theater und Amphitheater, Circi und Stadien,

163

Die römische Geschichtschreibung, Volkspoesie rc.

Triumphbogen und Ehrensäulen, jene prächtigen Grabmäler und Grab­

gewölbe,

Heerstraßen und Wasserleitungen, Palläste und Bäder zu

Stande, die nicht nur in Rom und Italien, sondern auch in Frank­

reich,

Spanien,

Sicilien

und Griechenland

ewige

Fußtapsen dieser

Fast erliegt das Auge, manche dieser Denk­

Herren der Welt sind.

mäler nur noch in ihren Trümmern zu sehen, und die Seele ermattet, das ungeheure Bild zu fassen, das sich der anordnende Künstler in großen Formen der Pracht und Festigkeit dachte.

Noch kleiner aber

werden wir uns die Zwecke dieser Gebäude, das Leben und Weben

in und zwischen denselben, endlich daö Volk gedenken, welchem sie ge­ weiht waren, und die oft einzelnen Privatpersonen, die sie ihm weihten, wie z. B. ein Herodus Atticus that.

Da fühlt die Seele, nur Ein

Rom sei in der Welt gewesen, und vom hölzernen Amphitheater des Curio an bis zum Colisäum Vespasian'S, vom Tempel Jupiter Sta-

tor's bis zum Pantheon des Agrippa, vom ersten Triumphthore eines

einziehenden Siegers biö zu den Siegessäulen Augnst's, Titus, Trajan'ö, sammt jeder Trümmer von Denkmälern ihres öffentlichen und häuslichen Lebens habe Ein Genius gewaltet.

fteiheit und

Menschenfreundlichkeit war dieser

Der Geist der Völkernicht;

Genius

denn

wenn man die ungeheure Mühe der Arbeiter bedenkt, die diese Mar­ mor- und Steinfelsen

oft aus fernen Landen herbeischaffen und als

überwundene Sklaven errichten mußten, wenn man die Kosten über­

schlägt, die

geplünderter,

solche Ungeheuer

der Kunst

auögesogener Provinzen

wir den wilden,

stolzen

und

vom Schweiße

erforderten, ja

und Blute

endlich,

genügsamen Geschmack überlegen,

wenn den

durch jene blutigen Fechterspiele, durch jene unmenschlichen Thierkämpfe,

jene barbarischen Triumphauszüge, die meisten dieser Denkmäler nähr­ ten, die Wollüste der Bäder und Palläste noch ungerechnet, so wird

inan glauben müssen, ein gegen das

Menschengeschlecht feindseliger

Dämon habe Rom gegründet, um alleil Irdischen die Spuren seiner dämonischen Herrlichkeit zu zeigen.

DaS Alles, was die Herren der Welt aus Korinth, Athen, aus Kleinasien und Griechenland an Kunstwerken zusa>nmengeraubt, konnte den zertrümmernden Streichen der Barbaren weniger entgehen, als der

Natur, der eS wohl noch länger getrotzt hätte, wie man aus den un­

geheuren Ruinen sieht, die aller Zerstörung zu spotten scheinen.

Als

der Vandalenkönig Genserich mit einer Flotte vor der Mündung der

Tiber erschienen, ward Rom vierzehn ganzer Tage geplündert, Nichts 11 *

164

Rom.

verschont, was nur einigen Werth hatte, ans dem Tempel des Frie­

dens die Bente geholt, welche Titus aus dem Allerheiligsten zn Jeru­ Die Statuen der Götter, welche den bilder­

salem sortgeschleppt hatte.

stürmenden Christen entgangen waren,

öden Capitol.

aus

wurden fortgeführt

dem

Aber sie erreichten Karthago nicht, denn das Schiff

mit den besten Beutestücken ging unter.

morsch

längst

weltgebictende Reich

das

anders

Nicht

selbst.

stürzte der ungeheure Koloß,

Völkerwanderung

krachend

gewesen,

zusammen, und

begrub,

wie

um sich her in seinem Sturze.

Alles

fürchterliche Lavine,

Im Sturme

der

dessen Inneres schon eine

Als sich

der Barbarcnsturm gelegt, bot der Süden von Europa ein Bild des

Schreckens,

ein

Bild

vollendeter

Land

Verwüstung.

und

Städte

waren verheert, Künste und Wissenschaften verbannt, alle Bande der bürgerlichen

Gesellschaft,

Sicherheit

und

Ordnung

aufgelöset,

menschliche Geschlecht bis in sein Innerstes erschüttert.

daS

(Dippold.)

9. Allgemeiner Ueverdlick der römischen Geschichte. Die Stadt Rom haben, wie ich berichtet bin, zuerst Trojaner er­

baut und besessen, die unter Acneas Führung landflüchtig und unstät

umherschwärmten,

und

mit ihnen die Aboriginer, ein bäurisch-roher

Menschenschlag, ohne Gesetze,

bunden. schloß,

ohne Rcgiernngssorm, frei und unge­

Wie leicht aber Beide, sobald nur einerlei Mauer sie um­

bei

unähnlicher

ungleicher

Abstammung, in

Lebensart,

Ein

bei

verschiedener

Volk verschmolzen,

Geschichte kaum glaubliche Erscheinung.

Sprache

ist

eine

und

in der

Aber nachdem ihr Geinein­

wesen durch Bürgerzahl, Sitten und Ländergebiet gemehrt, sattsameö

Gedeihen und sattsame Macht versprach, ward nach meinem Lauf durch

den Wohlstand Eifersucht

suchen benachbarte Könige und Völker die Fehde.

Freunden stehen zur Hülfe,

entäußerten sich der Gefahr.

denn die übrigen,

der Tinge ge­

erweckt.

Daher ver­

Wenige von den

von Furcht ergriffen,

Die Römer indessen, im Innern gleich

rührig, wie im Kriegswesen, eilen, rüsten, ermuntern Einer den An­

dern, gehen vorwärts gegen den Feind, schirmen, mit dem Schwert

in der Hand,

Freiheit,

Vaterland und Familie.

Denn

als

durch

Tapferkeit sie die Gefahr abgeschlagen hatten, brachten sie Hülse den

Bundesgenossen und

Verbindungen,

Freunden,

und

mehr durch geleistete,

erwarben als durch

sich

freundschaftliche

empfangene Dienste.

Allgemeiner Ueberblick der römischen Geschichte.

165

Die RcgierungSform war gesetzmäßig, der Name der Staatsgewalt Erwählte Männer, deren Körper durch Jahre schwach,

Königthum.

der Geist durch Weisheit gewaltig war, beriethen das StaatSwohl. wurden

Sie

Väter

ob

genannt,

ihres

Alters

oder vaterähnlichen

Nachmals, als die königliche Macht, welche anfänglich zum

Sorge.

Schutze der Freiheit und zum Frommen des Gemeinwesens bestanden,

in Hoffart und Willkürherrschaft sich verkehrte, erhielt die Verfassung

eine neue Gestalt; sie schufen sich jährlich wechselnde Gewalten und jedesmal zwei Machthaber. Bei dieser Einrichtung, glaubten sie, könne das menschliche Herz am

wenigsten durch

Ungebundenheit zrun

Mißbrauche

der

Gewalt ver­

leitet werden.

Zu

selbiger Zeit begann

nun Jeder ein höheres Streben zu ent­

falten, und sein Talent mehr geltend zu machen.

Denn Könige sind

weit mißtrauischer gegen gute Bürger, als gegen schlechte, und immer ist fremdes Verdienst ihnen furchtbar.

Indessen klingt es kaum glaub­

lich, zu welcher Höhe der Staat nach errungener Freiheit in Kurzem

emporwuchs; so sehr waren alle Herzen von Liebe zum Ruhme be­ Jetzt lernte die Jugend, sobald sie nur zum Kampfe efftarkt

seelt.

war, in den Feldlagern, unter Strapazen, praktisch das Kriegshand­ werk, und hatte ihre Lust mehr an blankem Waffenschmuck und Streit­

rossen, als an Buhldirnen und Gastgelagen. Männern

aus

dieser Schule

war

keine Arbeit ungewohnt, kein

Ort unwegsam und unübersteiglich, kein bewaffneter Feind furchtbar, Heldensinn

hätte Alles

zu

überwinden gewußt.

Unter

aber war der größte Wettstreit nm des Ruhmes willen.

der

erste den Feind treffen,

ziehen bei solcher Großthat.

Mauern erklimmen,

sie

die Blicke auf sich

Dies galt in der öffentlichen Meinung

für Reichthum, für guten Ruf und hohen Adel. waren

ihnen selbst Jeder wollte

mit dem Gelde freigebig;

Geizend nach Lob

ungemessenen Ruhm wünschten

sie, Reichthümer in Ehren erworben. Erzählen könnte ich, an welchen Orten das Römervolk mit geringer Streitkraft die größten feindlichen Heerhausen schlug, welche von der

Natur befestigte Städte es im Sturme gewann; allein dieses würde uns allzuweit von dem Gegenstände ablenkcn.

Doch

fürwahr über Allem

waltet des Glückes Macht und stellt

nach Laune mehr, als der Wahrheit gemäß, Licht oder in Schatte».

die Begebenheiten ins

166

Nom.

Die Geschichte der Athener nach

ist meines Erachtens

herrlichen Thaten, doch

großartigen und

ziemlich unter ihrem Rufe.

großem Geist aufgetreten sind,

hindurch

ganzen Erdkreis

als

stehen sie

zwar reich

an

der Wirklichkeit

Weil aber dort Schriftsteller von

werden

die Thaten der Athener den

Also würdigt

die größten gepriesen.

man das Verdienst der Handelnden

gerade

so hoch,

als

treffliche

Köpfe es mit Worten zu verherrlichen vermochten.

Dem Römervolke aber ward solche Gunst nie zu Theil, denn der Einsichtsvollste

immer zugleich

war

der

Geschäftsthätigste.

Keiner

suchte den Geist ohne den Körper zu bilden, der beste Bürger wollte lieber handeln, als reden, lieber eigenes Verdienst loben lassen,

als

ftemdes erzählen.

Also

hielt man daheim und

Eintracht

Die größte

im Felde

auf Reinheit der Sitten.

herrschte, die mindeste Habsucht.

Recht

und

Gerechtigkeit wurden nicht sowohl durch Gesetze gehandhabt, als durch

Hader, Streit, Zwist unterhielten sie mit dem

natürlichen Rechtssinn.

Feinde, Bürger mit Bürgern wetteiferten in der Bürgertugend.

liebend im Dienste

der Götter,

waren

sie

sparsam

Pracht­

im Hauswesen.

Durch zwei Mittel wahrten sie das eigene und öffentliche Interesse:

durch

Entschlossenheit

Friede erfolgt war.

im

Kriege und

durch

Mäßigung,

Der sprechendste Beweis dafür ist

wenn der meines Er­

achtens der, daß weit öfter Strafen gegen Solche verhängt wurden, die, dem Dienstbefehle zuwider, sich mit dem Feinde eingelassen oder

auf das Zeichen zum Rückzug zu lange auf dem Kampfplatz verweilt hatten,

als

gegen

Solche, die

es wagten,

ihrer Fahne untreu zu

werden oder sich von ihrem Posten vertreiben zu lassen; im Frieden aber, daß sie durch Milde mehr, als durch Schrecken regierten, und

erlittenes Unrecht lieber verzeihen, als ahnden mochten.

Als aber durch Anstrengung und Gerechtigkeit der Staat empor­ gekommen,

mächtige Könige

im Kriege bezwungen,

wilde Nationen

und zahlreiche Völkerschaften mit Gewalt unterjocht waren, Karthago,

die Nebenbuhlerin der römischen Herrschaft, zernichtet im Staube lag, alle Meere und Länder offen standen, da begann das Glück zu wüthen

und Alles zu verwirren.

Denselben Männern, denen es ein Leichtes

gewesen, Mühseligkeiten, Gefahren, Verlegenheiten und Mißgeschick zu ertragen, waren nun Ruhe und Reichthum — Anderen so wünschens­

weiche Güter — zur Quelle der Unzufriedenheit und des Verderbens geworden.

Zuerst nun wuchs die Begierde nach Geld, sofort die nach

167

Allgemeiner Ueberblick der römischen Geschichte. Darin lag gleichsam der Urstoff aller Uebel.

Herrschaft. sucht

verdrängte

Treue und

Streben; an deren Statt lehrte sie Uebermuth,

die

vernachlässigen,

Götter

Alles

Denn Hab­

Biederkeit und jedes

Glauben,

seil

edlere

Grausamkeit, lehrte

haben.

Ehrsucht

hat

viele

Sterbliche schon falsch zu werden verleitet, ein Anderes verschlossen im Busen, ein Anderes bereit auf der Zunge zu haben; Freundschaft und

Feindschaft nicht nach innern Werthe, sondern nach dem Vortheile zu schätzen, und mehr die Miene des ehrlichen Mannes sich anzueignen,

Zwar wuchs Solches anfangs

als die Gesinnung.

nur allmählig,

und fand mitunter noch Ahndung, hernach aber, als die Seuche, der Pestilenz gleich, um sich gegriffen hatte, da wandelte sich der Staat

ganz und gar, und die Regierung, die gerechteste zuvor und die beste, ward grausam und unerträglich.

Doch

anfangs

berückte

mehr noch als Habsucht der Ehrgeiz die

Gemüther der Menschen, ein Fehler, der mit der Tugend doch noch in einiger Verwandtschaft stand.

Denn Ruhm, Ehre, Macht wünscht

sich der Brave gleich eifrig, wie der Nichtswürdige, nur daß Jener

auf

gerader Bahn

sein Ziel

verfolgt,

Dieser,

weil

er

aller guten

Eigenschaften ermangelt, durch Trug und Schleichwege vorwärts strebt.

Der Habsucht Trachten geht nach Geld, das kein Weiser je sich er­ sehnt hat.

Sie entnervt, als wäre sie schleichenden Giftes voll, Kör­

per und Mannessinn; ohne Gränzen stets und unersättlich bleibt sie

Als aber Lucius

im Ueberflusse so unbefriedigt, wie beim Mangel.

Sulla durch

Waffengewalt wieder Meister des

Staates

geworden,

und nach gutem Beginnen schlecht geendigt hatte, wurde Raub und

Plünderung allgemein.

Da gelüstete eö den Einen nach einem Pal-

laste, den Anderen nach einem Landgnte.

Die Sieger kannten weder

Maß, noch Ziel, und erlaubten sich gegen ihre Mitbürger schmäliche

und grausame Bedrückungen. Hierzu kam, daß Lucius Sulla daö Heer, das er in Asien ange­

führt, um sich dessen Treue zu versichern, der Zucht der Väter zu­

wider, schwelgerisch und allzufreigebig gehalten hatte. Gegenden, reich an Wollustgenüssen,

hatten

rauhen Kriegerseelen leicht verweichlicht.

bei

Die anmuthigen

müßigem Leben die

Da zuerst gewöhnte sich der

römische Staat ans Buhlen und Zechen, lernte Geschmack gewinnen an Bildsäulen,

Schildereien und Schnitzwerk,

und öffentlichen Orten rauben,

solcherlei

an Privat-

Göttertempel plündern, alles Heilige

168

Nom

und Unheilige schänden.

So geschah es, daß diese Soldatenhaufen

nach erkämpftem Siege dem Besiegten Nichts übrig ließen. Führt doch das Glück oft weise Männer in starke Versuchung; wie

war von so verdorbenen Menschen Mäßigung im Siege zu erwarten? Nachdem es dahin gekommen, daß Reichthum eine Ehre war, und

Ruhm, Macht, Einfluß in seinem Gefolge hatte, da begann der Sinn

für Tugend stumpf zu werden; Armuth galt für Schmach, Unbescholten­

heit

für bösen

ward

Willen

Durch

geachtet.

den

Reichthum

nun

brachen unter die Jugend Schwelgereien und Habsucht zusanunt dem

Hochmuth herein; man raubte, praßte, verschleuderte das Seine, gierte nach fremdem Gute; Scham, Zucht, göttliches und menschliches Recht durcheinander;

über Alles setzte man

sich hinweg, rücksichtslos und

ohne Glimpf. Hast Du die Palläste und Landhäuser gesehen, die wie Städte er­

baut sind,

welche

so

lohnt

sich

unsere Altvordenr,

auch der Mühe, die

die Tempel

zu schauen,

eifrigsten Verehrer der Religion,

die Wohnungen mit ihrem Ruhme, und

frommer Andacht,

den Besiegten Nichts,

den

Wohl schmückten diese die Götterhallcn mit

Göttern errichtet haben.

als das Vermögen,

entrissen

Unrecht zu thu».

Jene

dagegen, die feigsten Menschen, raubten auf die ruchloseste Weise den

Bundesgenossen Alles, was ihnen die tapfersten Männer als Sieger

gelassen

hatten,

als

ob

im Unrechtthun

erst der Herrschaft Genuß

bestände. Denn

wozu

soll

ich Dinge erzählen,

die doch Niemand glauben

wird, wer sie nicht selbst gesehen hat, daß von mehreren Privatper­ sonen Berge umgcstürzt, Meere geschaffen wurden.

Diese haben, dünkt

mich, mit ihrem Gelde ein freches Spiel getrieben, indem sie in schänd­ lichem Mißbrauch durchjagten, was sie in Ehrbarkeit genießen durften. Aber der Hang zur Unzucht, Lurus

war nicht

Schlemmerei und

minder herrschend geworden.

zu allen Arten des

Männer gaben sich

als Weiber preis; Weiber trugen die Scham zu Markte; der Freß­

lust wegen durchspähtc man allcrwärts Länder und Seen, man schlief,

ehe die Natur den Schlaf forderte; nicht Hunger oder Durst, weder Kälte, noch Müdigkeit warteten sie ab, sondern alles Dieses erregten

sie vorweg durch Künste der Ueppigkeit.

Das entzündete die Jugend,

wenn das eigene Erbe aufgezehrt war, zu schlechten Streichen. Sinn,

einmal in böse Gewohnheiten versunken,

Der

konnte sich die Ge-

169

Numa PompllluS.

nüsse nicht leicht mehr versagen, um so unmäßiger war er auf jede

Art deS Erwerbes und des Aufwandes gerichtet.

(Sallust.)

3. Numa PompiliuS. Die Gründung und überhaupt alle Verhältnisse des römischen Staats deuten darauf hin, daß der Erblichkeit des königlichen und des priester­ Throns weder Verfassung, noch italische Volkosittc

lichen

hätte ent­

gegenstehen können.

Allein der erste König starb ohne Kinder,

der

zweite ohne Söhne,

der dritte wiederum kinderlos.

ein

Erbrecht

entwickeln,

sich nicht

nicht unberücksichtigt blieb.

obgleich

selbst

So konnte

weibliche Abstammung

Nach Romulus kinderlosem Absterbe» nahm

der Senat die Regierung an sich; es trat eine Zwischcnherrschasl ein, über deren Einrichtung wir nicht ganz haben.

übereinstimmende Nachrichten

Zehn Senatoren erhielten auf fünf Tage die Gewalt.

Ob

der Wechsel nach einer verabredeten Reihenfolge geschah, oder ob, wie späterhin,

dunkel.

ernannten,

die abgehenden Jnterreges ihre Nachfolger

Die Senatoren

schienen

die

königliche Herrschaft

ist

ganz ab­

stellen zn wollen; das Volk murrte, als demselben schon länger als

ein Jahrzchn neue Könige an jedem fünften Tage gegeben wurden. Unter den Albanern und Sabinern im Senate zeigte sich zudem eine

große Spannung, die Ersteren nahmen Vorrechte in Anspruch, welche Letztere ihnen, auf den Bund zwischen Romulus und Tatius sich be­

rufend,

nickt

zugestehcn wollten.

Und

wie der Senat,

Elienten in entgegenstchende Parteien getheilt. den

Eurien

gehörende

Volk,

die

Selbst

waren die

das

aufgenommcne Plebs,

Rechte und Vortheile, und drohend war die Stellung

nicht zu

verlangte

dieser

„ohne

Laren und Gut" sich umhertreibcnden Bevölkerung.

Beide

Stämme

einen König

aus

des

römischen

Volks

machten Ansprüche darauf,

ihrer Mitte emporgehvben zu sehen.

man sich genöthigt,

dem Zwischenstande

ein Ende

Jnterrer Sp. Vettiuö erklärte, wie dem Volke, den

zu

Endlich sah

macken;

der

gesammten Cu-

rialen, die Wahl eines Königs überlassen werden solle.

Die allge­

meine Zufriedenheit über diesen Entschluß äußerte sich alsbald darin, daß dem Senate die Ernennung überlassen ward.

So

ward denn

zur Wahl geschritten; sie fiel auf einen Sabiner, der nicht einmal zu

den Reihen der Senatoren gehört hatte.

170

Rom.

In Cures lebte ein Mann, welcher ungetheilte Verehmng durch die Weisheit seines prunklosen Lebens

Er war an dem

erlangt hatte.

Tage geboren, da Rom gegründet ward, hieß Ruma PompiliuS, war

ein Sohn des PomponiuS Pompo, und hatte vom Könige Tatius dessen Tochter Tatia zur Ehe erhalten.

Dem Könige war er nicht

nach Rom gefolgt, sondern in der Vaterstadt^geblieben, wie Plutarch

erzählt, um durch Pflege kindliche Pflichten gegen seinen alten Vater zu üben.

Numa's Weisheit, der Glaube, daß geheime Kräfte der Natur ihm zu Gebote gestanden, hat Anlaß der allgemein verbreiteten Sage ge­

geben, er sei ein Schüler des Pythagoras gewesen, ohne daß man an der Zeitrechnung Anstoß

genommen, der zufolge der Weise von

Croton fast zwei Jahrhunderte später lebte. Solchen Mann lockte nicht der Schimmer einer Krone.

Als Pro-

culus und Valesuö vor ihm erschienen, und sie ihm boten, verschmähte er die Gabe des Volks; nach längeren! Weigern erst ließ er sich be­

stimmen,

Zuerst befragte er die Augurien,

sie entgegen zu nehmen.

dann ließ er seine Wahl durch die Curien förmlich bestätigen. Seine Regierung ist nicht durch Schlachten und Eroberungen merk­

würdig geworden, sondern seine Sorge ging dahin, friedliche Einrich­

tungen zu befördern und das Doppelvolk zu einem Volke zu verschmelzen. Numa traf, als der Thron ihm geboten wurde, ein durch Kriege und Raubleben verwildertes Volk, ein Pflanzvolk,

das,

wie Niebuhr so

treffend bezeichnet, deö edelsten Reichthums, einer glänzenden Vorzeit entbehren mußte.

tarch

sich

Er nahm, um seine Römer umzubilden, wie Pln-

ausdrückt,

die Götter

Theils suchte er durch

zu Hiilfe.

feste Einrichtungen den Gottesdienst zu ordnen, theils umgab er sich

selbst mit einem geheimnißvollen Dunkel, welches seinen Einrichtungen durch Blendung der Menge die Weihe geben sollte.

So war allge­

mein der Glaube verbreitet, Numa habe geheimen und vertrauten Um­ gang

mit der Bergnymphe

empfing

er

Egeria.

In

ihrem

die Fähigkeit, göttliche Dinge zu

Weisheit als Gesetzgeber.

Haine bei Aricia

wissen,

so

wie seine

Und als Numa gestorben war, blieb Ege­

ria trostlos im verödeten Hain, bis sie, durch wohlthätige Einwirkung

der Diana, in Thränen zu einem Quell zerfloß, den man uns noch zeigt,

Durch

wie

er vom Felsen

herabsprudelt

Wasserzauber, dessen er kundig

und Faunus,

welche nach

bei

der Mühle

gewesen,

ihrer Vergötterung

vor Nemi.

soll Numa Picus

Italien

heilbringend

171

Numa Pompiltuö.

durchzogen, in einem Brunnen gefangen haben; von ihnen lernte er Opfer

um die Gefahr des Blitzes

bringen,

abzuwenden;

und

als

Jupiter, euch durch Zauber herbeigelockt, unwillig die Götterwaffe sich entwunden zu sehen, Menschenköpfe als Opfer verlangte, wußte der

Hydromant mit Geistesgegenwart das Verlangen durch Darbieten von Zwiebelköpfen, Haaren und Häutungen zu beschwichtigen.

Und den­

noch hatte dieser, solchem Zauber nachhängende König, wie Plutarch sagt, richtige Begriffe von der Gottheit; er stellte sie sich vor, als frei

von

Leiden,

unverweslich

mit dem reinsten

und

Verstand begabt.

Daher verbot er sie in Bildungen eines Thieres oder eines Menschen zu verehren; er verschmähte blutige Opfer; an den Gränzfesten sollten

nur Erstlingsftüchte und Reben gebracht werden, und Blut durfte die Steine nicht beflecken.

Diese abweichende Lehre von herrschend blei­

benden

auch

Vorstellungen,

Weisheit, die

wohl

astrologische Beobachtungen, eine

römischen Religionsbegriffen fremd

war, mögen der

Grund gewesen sein, daß man Numa's Bücher vernichtete, als ein Zufall sie, fast ein halbes Jahrtausend später, ans Tageslicht gebracht

hatte.

Den Huldigungen

einer

verwandten Wissenschaft

römische Kalender seine Verbesserungen.

Romuluö

hatte

dankt der

das

wohl

allen italischen Völkern übliche cyclische Jahr von zehn Monaten an­

genommen; Numa änderte diese Rechnung nach dem Lause des MondeS, er fügte die Monate Januar und Februar als letzte Monate deS

Jahres hinzu, brachte das Jahr auf 355 Tage, und gab jedem zwei­

ten Jahre einen Schaltmouat.

Die alte Rechnung der zehn Monate

erhielt sich jedoch noch in manchen Einrichtnngen, sie ward den Friedens­

verträgen mit Etruskern und Samniten zu Grunde gelegt; sie galt bei Frist der Trauer, bei Auszahlung vermachter AllSstener, beim Credit

des Verkaufs von Früchten und vielleicht auch bei der Zinsrechnung. Numa schuf bei Einrichtung des Gottesdienstes acht Ordnungen.

Den ersten Rang behielten die Curionen, nach Romulus Anordnung Vorsteher des Gottesdienstes der Curien.

Dann folgten die Flamines,

Priester, welche den Dienst eigener Gottheiten hatten, wie namentlich dem Romulus, unter dem Namen Quirinus, eine besondere Verehrung gewidmet wurde.

Die Ritter

erhielten

eine veränderte Einrichtung;

sie wurden aus einer bloßen Leibwache ein politischer Stand, und er­

hielten einen Vorsteher

mit geistlicher

Numa eine collegiale Einrichtung,

Würde.

Den Auguren

gab

und vermehrte die Zahl derselben

172

Rom.

zwei.

um

Sonst

wurden

noch

Vestalinnen,

Fetialen

Salier,

nnd

Pontifices eingesetzt.

Der Dienst der Vesta war alt bei den Latinern;

nicht bei anderen Völkern Jtalien's.

wir finden ihn

Acneas soll ihn aus Troja ge­

bracht haben; es war die Gottheit des häuslichen Heerdes; Romulus hatte in jeder Curie ihren Dienst durch Curialen angeordnet, eingedenk

aber des Schicksals seiner Mutter, wie Dionysius schließt, keine Jung­

Numa baute der Vesta einen Tempel zur allgemeinen, öffent­

frauen.

lichen Vcrebrung; er bestellte zu ihrem Dienste vier Jungfrauen, edel

von Geschlecht und ausgezeichnet durch Körperschönheit. mußten und

sie der Vesta sich

dann

wiederum

in

Dreißig Jahre

zehn Jahre lernen,

weihen;

den letzten Jahren lehren.

zehn dienen

Sie bewahrten

das heilige Feuer und ein geheimnißvolles Pfand deö Reiches im un­

Die Vestalinnen genossen große

durchdringlichen Innern des Tempels.

Vorrechte, die nachher immer erweitert wurden. dem

Einem Missethäter,

wenn er zum Tode geführt wurde,

sie begegneten,

ward das

Leben geschenkt; der väterlichen Gewalt nnd der Vormundschaft waren

sie entzogen.

Dagegen war ihr Leben streng; geringere Vergehungen

wurden durch Geißelungen von der Hand deö Pontifer geahndet, die

sie nackend, von einem dünnen Flor bedeckt, hinter einem Vorhänge

empfingen.

Verletzte

Keuschheit

und

Einmauerung

zog

Hungertod

nach sich; ein solcher Fall war ein Tag der Trauer für ganz Rom

und ist, wo er sich ereignete, als üble Vorbedeutung sorgsam in den

Jahrbüchern verzeichnet. Im achten Jahre der Regierung Nnma's wüthete durch ganz Ita­

lien eine furchtbare Pest.

Während dieser

Auch Rom ward verödet.

Schrecknisse fiel ein eherner Schild vom Himmel; dem Könige hatte

seine

Bergnymphe

verkündet,

eilf ähnliche

wenn

Schilde verfertigt

würden, so daß der ächte nicht von Dieben herauszufinden sei, würde

der Stadt Rettung werden.

Ein großer Künstler, Vcturius Mamurius,

unternahm und vollendete das Werk;

ihrer Form

Ancilien

genannt:

ihre

diese Schilder wurden wegen Aufbewahrung

ward

Priestern

übertragen, welche Salier genannt wurden und dem Mars Gradivus dienten. Durch Einsetzung

der Fetialen,

Priester der Fides publica,

hat

Ruma den Grund des Völkerrechts gelegt oder vielmehr alt-italischen Gebrauch auch in seinem Staate angenommen.

In der langen Zeit

des Friedens, der während seiner Verwaltung war, kam jedoch diese

173

Dhinia PompllluS.

Einrichtung nicht zur Anwendung und erhielt erst unter König Ancus

Sie stand höchst wahrscheinlich mit dem Dienste

ihre bestimmte Form.

des Janus Quirinus in Verbindung, dessen

damals an der Gasse

Argiletum erbauter Tempel blieb in Numa's Zeit geschlossen; ein Er-

eigniß,

welches sich nur zweimal noch im römischen Staate wieder­

holte : das erstemal nach dem zweiten punischen Kriege, das zweite­

mal nach der Schlacht bei Actium. Eine Art von Consistorium, wie wir es nennen würden, war die

Priesterschaft der Pontifices.

Diese hatten die Oberaufsicht über allen

Gottesdienst, übten die Verwaltung in geistlichen Sachen, und dies mit großer Unbeschränkthcit.

Auch hatten die Pontifices den Dienst

der Manen, die Opfer zur Beruhigung abgeschiedener Seelen, so wie Deutung

die

der

Wetterzeichcn,

weshalb

Altar auf dem Aveutinus errichtet wurde.

dem

Jupiter Elicius

ein

Ruma setzte vier Ponti­

fices ein, die Zahl blieb bis zum Jahre 454, da vier Plebejer hinzu

Bis 650 blieb Cooption; damals kam die Wahl

gewählt wurden.

ans Volk. Numa

auch dreißig heilige Opferplätze in der Stadt,

weihte

Argei hießen.

die

Der Zweck war Sühne des römischen Volks und die

dabei stattfindendcn Gebräuche beziehen sich auf die dem Herkules zu­

geschriebene Abschaffung der Menschenopfer.

Dreißig Bilder aus Bin­

sen geflochten, und wie Männer angethan, wurden jährlich an den

Iden des Mai's mit großer Feierlichkeit von der Pfahlbrücke in die Tiber hinabgeworfen. Dem Numa wird von Plutarch auch die Einführung der Saturna­

lien

zugeschrieben.

Die

daö Feld

dem Herrn des Bodens

bauten,

sollten auch mit zrim jährlichen Genusse der Früchte gezogen werde»,

und

im

December,

nachdem

alle

Feldarbeiten

waren, daS frohe Fest der Erndte feiern.

des

Jahres

beendet

An diesem Tag trug der

Knecht den Hut, wie der Herr; Reiche gaben Feste und Schmäuse; Freunde beschenkten sich; der Herr wartete dem Knechte auf. — Der

Gebrauch scheint uralt italisch zu sein; Ruma mag demselben bestimm­

tere Formen gegeben haben.

Nnma traf die Plebs arm und ohne Grundeigenthum, daher den Reichen feind.

Er

gab ihnen Land von dem durch Romulus erbeu­

teten Gebiete und vertheilte auch einen Theil des Staatslandes.

Für

die Landgenreinde setzte er in den Dörfern (pagi) Vögte ein; er ermun­

terte den Ackerbau durch Belohnungen, Träge und Nachlässige ließ er

174 strafen.

Rom.

Um den Zwiespalt zwischen Römern und Sabinem zu heben,

dann auch um das Vorurtheil gegen ftiedliche Geschäfte zu verscheuchen,

richtete er Zünfte ein und soll das ganze Volk nach solchen Innungen damit durch

getheilt haben,

kleinere Eintheilungen der ursprüngliche

und große Unterschied der zwei Völker aufgehoben werde.

Als solche

Zünfte nennt Plutarch die Spielleute (namentlich zur Feier des Gottes­ dienstes), die Goldschmiede, Zimmerleute, Färber, Schuster, Gerber, Schmiede und Töpfer.

Die übrigen Künstler nahm er in einer Zunft

zusammen; jede Zunft

erhielt ihre besonderen Festtage,

Satzungen.

Opfer und

Alle Gesetze dieses Königs zielten darauf hin, Sitte und

Art seines Volks zu mildern und zu veredeln,

Mäßigkeit und Ein­

Eine besondere Heiligkeit wurde den Gränzen

fachheit zu befördern.

der Felder beigelegt; derjenige, welcher fie verletzte,

Tode bestraft.

ward

mit dem

Das Recht des Vaters, den Sohn zu verkaufen, ward

für den Fall, daß der Haussohn verheirathet war, aufgehoben. gegen

wurde,

wie in Sparta, -gestattet,

Da­

die Weiber an Andere zu

geben, um Kinder zu erzielen, dem Manne blieb aber das Recht, sie jederzeit zurückzunehmen. der Juno sich nahen.

Nur unbescholtene Weiber durften dem Altar Der Mord eines Freien wurde als Parrici-

dium mit dem Tode bestraft; Todschlag ohne Vorbedacht wurde durch einen Widder gesühnt. dunkle Bestimmung.

Ueber Hindernisse

bei Rechtsstreiten ist

eine

Ueber Begräbniß eines vom Blitze Getroffenen

und über die Besprengung der Scheiterhaufen gab Numa Gesetze, die in den zwölf Tafeln wiederholt wurden.

Zur Beförderung des Wein­

baues wurde angeordnet, daß den Göttern kein Wein von unbeschnit­ tenen Reben geopfert werden solle.

Auch über den Genuß der See­

fische ist eine Bestimmung aufbewahrt. Man erzählt,

einst sei dem Numa gemeldet, der Feind nahe;

habe lächelnd geantwortet: ,.Jch aber opfere."

er

Um ganz Latium ver­

breitete sich der Friede; die Waffen der Römer wurden in Haushal-

tungsgeräthe verwandelt; Plutarch wendet des Dichters Bacchylides Worte auf jene Zeit

an:

Schwarze

Spinnen

weben

sich

Schild und Harnisch, und Rost verzehrt Spieß und Schwerdt.

am Tempel der Vesta baute Numa sich ein Schloß.

in den Nahe

Hier pflegte er

gewöhnlich sich aufzuhalten, umgeben von Priestern, deren Unterwei­ sung seine liebste Beschäftigung war.

einschlummerte,

brachten benachbarte

Patrizier trugen sein Leichenbett,

Als hochbetagt der gute König

Völker

Spenden

und

Kränze,

das Klagegeheul der Weiber und

175

Tarqmmus SnperbuS.

Kinder war wie um

Ruma hatte die Verbrennung

einen Vater.

seines Körpers untersagt; er wurde nebst dem größten Theile seiner Bücher am Fuße des Janiculus begraben.

Rach vierhundert Jahren

geschah es, daß ein heftiger Regen das Grab Särge

herauSriß;

Schriften

des

den

Königs,

Sprache abgefaßt.

einen fand

in griechischer,

theils

aushöhlte und zwei

man leer, in dem theils

in

andern

die

lateinischer

Der Prätor Petilius las diese Schriften durch, er

bezeugte im Senate mit einem Eidschwur,

daß sie Unerlaubtes ent­

hielten, worauf sie den Flammen übergeben wurden.

Numa's erste Gattin, Tatia, war gestorben, ehe er zum Throne gelangte; von einer zweiten,

der Lucretia, hinterließ er eine Tochter,

welche die Mutter des nachherigen Königs Ancus wurde.

Es wer­

den ihm außer dieser von Einigen der Alten noch vier Söhne zuge­ schrieben, Pompo,

PinuS, Calpus und Mamercus, von denen die

Pompiner, Pinaricr, Calpurnier und Mamercer ihre Geschlechter ab­

leiteten.

Auch yannte man Marcus Aurelius, den Weisen auf dem

Throne, einen Nachkommen deS Numa.

*♦ Tarquiuius Superbus. Der Beiname Superbus, welcher diesem Könige beigelegt wird, läßt sich in unserer Sprache nicht bezeichnend wiedergeben.

Königshaß hat zwar die Geschichte dieses Fürsten wohl nicht ohne

Entstellung der Nachwelt überliefert.

Daß er jedoch Despot in hohem

Grade gewesen, geht aus einstimmenden Nachrichten hervor.

Wie er

gewaltsam den Thron, ohne Stimmen des Volks, nach Genehmhal­

tung des Raths zu beachten, bestiegen, so suchte er im Schrecken auch

Stützen der errungenen Macht.

Er umgab sich mit einer Leibwache,

größtentheils aus Fremden bestehend; weder Senat, noch Volk, zog er bei Angelegenheiten des Staats hinzu;

Reichthum und Verdienst

zogen Verfolgungen nach sich; viele Angesehene verloren das Leben,

das Vermögen, oder entflohen aus der Stadt; die erledigten Stellen blieben unbesetzt, damit der Senat auch durch verminderte Zahl an

Macht und Ansehen verlöre.

Allein nicht blos die Vomehmen, auch

das Volk litt unter dem Dmcke des Despoten. wieder

auf,

welche

Servius Tullius der

Er hob die Rechte

Gemeinde gegeben hatte,

namentlich führte er die Verpfändung der Person wieder ein. gleichheit vor dem Gesetze fand fortan nicht mehr statt;

Rechts­

die Gesetz-

176

Rom.

büchcr des

wurden

Opfern,

in

Servius

Tarquinius

soll

Alle Versammlungen

haben.

arme zu

reiche Plebejer

Frohndiensten

selbst

die

verbrannt

zu Festen und

Kundschafter erspäheteu die Aeußerungen

verboten.

friedlichen Wänden;

Hand

mit eigener

Volks,

des

bei

spärlicher

wurden

Kost

willkürlich

gezwungen.

besteuert, Um

seine

Maßregeln durchznführcn, bediente der König sich eigener Verbindun­ gen, wahrscheinlich der Sodalitien.

Dagegen war TarquiiüuS sähig, Großes zum Glanze seines Staats zu unternehmen, und daö Glück war lange ihm treu.

In Latium er­

langte der König großen Einfluß dadurch, daß er eine Tochter dem Octavius MamiliuS von Tusculum zur Ehe gegeben, einem Manne,

den man einen Nachkommen des Ulysses und der Circe nannte, und der bei den Latinern im höchsten Ansehen stand.

Als der König die

Latiner zu einer Volksversammlung nach dem Fercntinischen Haine ge­

laden hatte, selbst aber länger aus sich warten ließ, und als er end­

lich erschien, das Recht, die Heere der Latiner anzusühren, in Anspruch nahm, trat Turnus Herdvuius von Asrika auf und redete mit bitteren

Worten gegen diesen Vorschlag des Königs.

Tarquinius, durch diese

Rede anfangs bestürzt, trug darauf an, die Versammlung am folgen­ den Tage zu erneuen.

nius

bestechen,

Inzwischen ließ er Hausgenossen des Hcrdo-

eine Menge

Herrn zu verstecken.

Waffen unter

von

das Geräthe

ihres

Als nun die Versammlung erneut ward, klagte

der König den Herdonius an, eine Verräthcrei angcstiftet zu haben, um alle anwesenden Gesandten umzubringen.

Zum Beweise führte er

wie er eine Menge von Waffen unter

seinem Geräthe versteckt

an, habe.

Der Angeklagte, welcher von diesen Waffen nichts wußte, er­

klärte, er wolle sich als schuldig betrachten, wenn die Waffen sich bei

einer Nachsuchnng finden

sollten.

Als man

nun die Waffen fand,

wurde Herdonius vernrtheilt und auf neu erfundene grausame Weise hingerichtet.

Latium beugte sich nun der Hoheit Rom's; der König

opferte fortan für alle Verbündete an den latinischen Ferien; er er­

richtete unter ihnen einen neuen Tempel auf einem Berge beim Stein­ haufen von Alba, dem jetzigen Monte Cavo, wo man noch die Trüm­ mer sieht.

Hier wurde dem Jupiter Latiariö der Stier geopfert, von

dessen Fleische jede der 47 Städte, deren Häupter hier am 27. April einen

Antheil

Oberfcldherrn erwählt;

er sah

zusammenkamen,

römischen Königthums an.

empfing.

Tarquinius

wurde

zum

überhaupt Latium als Stütze seines

Bald

nachher

traten auch die Herniker

177

Tarquinius Superbus.

und zwei volskifche Städte, Ecetra und Antium, dem Bunde bei.

Mit

ihrer Hülfe hoffte der König diejenigen Volsker 51t bekriegen, welche

sich geweigert hatten,

Römer und Latiner

dem Bunde beizutreten.

wurden in Legionen vereinigt; mit ihnen zog Tarquinius gegen Sneffa Pometia, die blühendste Stadt der Volsker, reich durch den Besitz reicher

und

üppiger Felder, die

Stadt

ward

Kornkammer Rom's

Mißjahren.

in

die Einwohner wurden

eingenommen,

mit

Die

aller Habe

verkauft, und der Zehnte des Raubes, angeblich vierhundert Talente,

des

zur Vollendung

wendete darauf seine

capitvlinischen Tempels Waffen gegen

die

bestimmt.

Tarquinius

Er machte ihr

Sabiner.

Volk zinsbar; triumphirte bei seiner Rückkehr nach Rom und unter­

nahm nun voll den Manubien,

mit dem Ertrage schwerer Steuern

und mit harten Frohndiensten, die Vollendung des Baues der Cloaken Außer diesen Werken des ältern Tar­

und des großen Rennplatzes.

quinius

vollendete

er

den Tempel

auch

des

Jupiter

Capitolinus.

Beim Bauen fanden die aus Etrurien herbeigerufeiren Werkleute tief in der Erde den unversehrten Kopf eines Menschen, ein Wahrzeichen,

daß dieser Ort das Haupt der Welt sein werde, und Veranlassung, daß der tarpejische Berg fortan den Namen des Capitols erhielt.

Im Tempel des Jupiter Capitolinus wurden die Bücher der Si­ bylle niedergelegt.

Eine unbekannte Alte von fern her war mit neun

Büchern am Hofe deS Königs erschienen und hatte sie ihm fiir drei­ hundert Goldstücke feilgeboten.

der Bücher verbrannt, nämlichen Preis

und

Verspottet abgewiesen,

war

zurückgekehrt,

Als sie abermals

fordernd.

nunmehr nur drei Bücher brachte,

für

hatte sie drei

die übrigen den

ward, und

verspottet

für welche sie die volle Summe

verlangte, ließ der König die Bücher durch die Auguren untersuchen;

diese

darin die unschätzbaren Weissagungen der Sibylle von

fanden

Cumä; der König erstand sie für den Preis der dreihundert Gold­ stücke, und die Prophetin verschwand. Mittlerweile hatten viele mißvergnügte Patrizier Rom verlassen und

waren nach Gabii gezogen, einer bedeutenden Stadt LatiumS,

etwa

hundert

Obergewalt mit

Krieg;

Kampf,

Feldweges

von Rom entfernt,

anzuerkennen sich

sieben Jahre

mit

welcher ungemeine Drangsale

beide Städte trennt, brachte. nndten

weigerte.

dauerte

konntm,

Histor. Lesebuch. I.

verlangten

welche

nur

Stadt Rom's

Tarquinius überzog Gabii

abwechselndem über die

Erfolge

der

Landschaft, welche

Die Römer, welche weder säen, noch

wiederholt

vom

Könige

Frieden

12

oder

178

Rom.

Abhülfe der Noth. Mittel der List.

Tarquinius griff in solchem Gedränge zu einem

Sertuö, des Königs Sohn, gab vor, in schlechtem

Vernehmen mit dem Vater zu stehen; er schmähte ihn offen einen

Tyrannen, und ward dann auch vom Vater, gleich dem niedrigsten

Verbrecher, gezüchtigt.

Sertus TarquiniuS floh zu den Gabiern; hier

nahm man ihn erfreut auf; man übertrug ihm den Befehl gegen die Römer; der König sorgte ihm seine Kriegsverrichtungen zu erleichtern und opferte Soldaten und Befehlshaber, die ihm verdächtig waren,

der Ehre seines Sohnes

auf.

und das Ansehen des Sertus

Nachdem so

aller Verdacht entfernt befestigt war,

in Gabii hinlänglich

sandte er einen Sklaven, auf den er vertrauen konnte, heimlich nach Rom, um von seinem Vater nähere Verhaltungsregeln zu erkunden. Der König empfing den Boten im Garten, gab ihm keine Antwort, schlug aber dem hohen Mohn mit einem Stocke die Köpfe ab. Der Bote kehrte zurück, meldete, daß er keiner Antwort gewürdigt sei, und

SertuS verstand den Sinn des Vaters; er berief zeigte ihnen das Dasein einer Verschwörung an. Unter diesem Vorwande geschahen Verhaftungen und Hinrichtungen;

was er gesehen.

die Gabier und

während der dadurch herbeigeführten Verwirrung öffnete der Sohn dem Vater die Thore. Tarquinius zog aber mehr die Staatskunst, als die Gefühle der Rache zu Rathe, er beschränkte sich darauf, ein Unterwerfungsbündniß mit ihnen einzugehen, welches auf das Holz eines mit Stierhaut überzogenen Schildes eingegraben ward, welcher int Tempel des Jupiter Fidius noch zu Dionysius Zeit gezeigt wurde. Der König erklärte, zufolge Dionysius, seinen Sohn Sertus zum König der Gabier; von seinen andern Söhnen schickte er Titus und Aruns aus, zwei neue Pflanzstädte zu stiften, die eine zu Signia, die andere zu Circeji, einem Vorgebirge an der tyrrhenischen See.

Auch

die Stadt Suessa Pometia wurde wieder bevölkert und kommt bald

nachher als latinische Colonie vor. Während der glänzenden Erfolge des Königs schreckten grausende Wunderzeichen und ward Rom durch eine furchtbare Pest heimgesucht.

Tarquinius sandte, um Rath zur Abhülse zu erlangen, mit kostbaren Diese begleitete L. Junius Brutus, so genannt, weil man ihn für blödsinnig

Weihgeschenken seine Söhne Titus und Aruns nach Delphi.

hielt.

Er war der Sohn des M. Junius,

eines sehr angesehenen

Mannes, welcher von einem Gefährten deS Aeneas abstammen sollte. Seine Mutter war des Königs Tarquinius

Priökus

Tochter;

er

179

Tarquinius Superbus.

bekleidete das Amt eines Tribuns der Celeres;

den Vater und den

ältern Bruder hatte Tqrquinius ihres Reichthums wegen todten lassen; der Jüngere, Lucius, rettete sein Leben durch angenommenen Schein der Geistesschwäche; er ward vom Könige geschont, mit dessen eigenen Söhnen auferzogen und zum Tribun der Celeres gemacht, der höchsten

Würde nach dem Könige, welche dieser dem Brutus als einem unschäd­ lichen, ihn nicht hindernden Thoren gegeben hatte.

Seine angenom­

mene Thorheit hatte den Söhnen des Königs stets zur Erheiterung gedient; aus der Reise nach Delphi nahm Brutus als Weihgeschenk

einen Hollunderstecken mit sich, zum großen Gespötte seiner Begleiter,

die nicht ahneten, daß in dem Stecken eine Ruthe von Gold für die Diener des Tempels versteckt war.

Als die fürstlichen Jünglinge dem

Auftrage ihres Vaters Genüge gethan hatten, fragten sie das Orakel für sich, wer nach dem Vater iit Rom herrschen würde.

antwortete:

die

Regierung

würde

dem

zufallen,

Der Gott

welcher zuerst die

Mutter küsse; die Prinzen kamen mit einander überein, es zugleich zu

thun, und dann gemeinschaftlich zu herrschen; dem Sertus sollte der Spruch des Orakels unbekannt bleiben.

Brutus aber hatte den wah­

ren Sinn des Götterspniches errathen, er fiel, wie unabsichtlich, zu Boden

und

berührte

mit den

Lippen

die

Erde,

die

Mutter

aller

Sterblichen. Bei ihrer Rückkehr war Tarquinius int Kriege mit den Rutulern begriffen,

unter dem Vorwande, daß diese Verbannte Rom's ausge­

nommen hätten, eigentlich aber um durch neue Beute den erschöpften

Schah wieder zu füllen, und das über die Frohndienste unzuftiedene Volk zu beschäftigen.

Die Hauptstadt der Rutuler, Ardea, sechszehn

Meilen südostwärts von Rom, fast uneinnehmbar durch die Lage auf einem vulkanischen Berge, ward umlagert und konnte nur durch Verrath

gewonnen oder durch Hunger bezwungen werden. her gute Weile; Eines Tages,

Im Lager war da­

müßig lag das römische Heer in den Feldhütten.

als Sertus Tarquinius

seine Brüder und den ihm

verwandten L. Tarquinius Collatinus bewirthete, kam die Rede auf den Werth und die Tugend ihrer Weiber; vom Weine erhiht, beschloß

man die Pferde zu besteigen und sofort zu überraschen; zu Rom fand

man die

fürstlichen Frauen

schwelgend

bei einem Gastmahl

unter

Blumen und Wein, von dort eilte man nach Collatia, wo man Lucretia, Collatin's Gattin, in später Nachtstunde am Rocken, in Mitte

ihrer Mägde,

traf.

Die Gäste fanden steundliche Aufnahme;

12*

am

180

Rom.

andern Morgen kehrten sie ins Lager zurück; Alle gaben der Lucretia den Vorzug der Häuslichkeit, aber Sertus war von jener Nacht in

Rach Ver­

strafbar glühender Liebe zu dem schönen Weibe entbrannt.

lauf einiger Tage kehrte er unter einem Vorwande nach Collatia zu­ rück; er ward von der Hausftau in Abwesenheit des Collatin's gast­ lich ausgenommen und bewirthet.

Zur mitternächtlichen Stunde schlich

der unedle Königssohn ins Schlafgemach der Lucretia, mit gezogenem Schwerte drohte er ihr den Tod, wenn sie einen Laut von sich geben

Dann machte er dem auö dem Schlaf geschreckten Weibe das

würde.

Geständniß seiner Leidenschaft, bat, drohte und wendete alle Künste Als sie widerstand, und auch durch Todessiircht

der Ueberredung an.

nicht wankend

gemacht wurde,

drohte

Sertus

mit unauslöschlicher

Schande; er würde sie ermorden und neben ihre Leiche einen erwürg­

ten Knecht

habe er sie in gemeinem Ehebrüche getödtet.

als

legen,

Furcht vor solcher Schande besiegte die Standhaftigkeit der Matrone; als Sertus

sie verlassen hatte,

ließ

sie ihren Vater Sp. Lucretius

Tricipitinns von Rom, ihren Mann von Ardea eilig zu sich entbieten. Sie kamen, der Erstere begleitet von P. Valerius, Valestns Sohn,

dem nachmals so berühmten Publicola; zum Collatinus hatte sich zu­ fällig

Brutus

ihrem Gemache.

gesellt.

Diese

fanden

Lucretia

Bett ist von einem fremden Manne befleckt. entweiht, die Seele ist rein geblieben,

Schwört,

in

tiefer

Trauer

in

Ans Collatinns sorgende Frage, sprach sie: „Dein

mich zu rächen.

Aber nur der Körper ist

das wird der Tod bezeugen.

Der Thäter ist Sertus Tarquinius,

er

drang in letzter Nacht bewaffirct ein und stahl einen Genuß, der mich

dem Verderben geweiht hat, und auch ihn, wenn ihr Männer sein werdet."

Als die Angehörigen dies vernahmen, suchten sie Lucretia

mit Trostgründen zu beruhigen und sprachen sie von jeder Schuld frei.

Sie aber entgegnete:

„Sorgt ihr dafür,

was ihm gebührt;

meine

Strafe werde ich selbst finden," und unter diesen Worten durchbohrte sie sich die Brust mit einem verborgen gehaltenen Dolche. Die Angehörigen standen um sie, bestürzt, in tiefem Schmerze, da

trat Brutus auf, zog den Dolch aus der Wunde, hob ihn empor und rief:

„Bei diesem

einst

so

reinen Blute schwöre ich

und rufe die

Götter zu Zeugen, daß ich Tarquinius Superbus mit seinem schänd­ lichen Weibe und seiner Kinder Stamm durch Feuer,

Schwert und

jede Gewalt verfolgen will, und fortan sollen weder sie, noch sonst

Jemand, über Rom herrschen." — Mit diesen Worten bot er Colla-

Tarquinius Superbus.

181

tinus Lucretius und Valerius den Dolch, und forderte sie zum Schwure

auf, den sie, erstaunt über die Verwandlung des für blödsinnig Gehal-

Als Brutus Alle entschlossen sah, sich seiner Anfüh­ rung zu unterwerfen, begab er sich mit ihnen, die Leiche mit sich füh­ tenm, leisteten.

rend, nach Rom.

Um Alles vor dem Könige geheim zu halten, befahl

er die Thore zu sperren und hielt als Tribun der Celeres vor der ausgestellten noch blutigen Leiche der Lucretia eine Rede an daS zahl­ reich herbeigeströmte Volk, in welcher er die Gründe seiner bisherigen

Verstellung entwickelte,

von Lucretia's Schmach, von des Königs

fluchwürdiger Herrschaft und von dem Elende des Volkes sprach, der tapfern Römer, die alle umliegenden Völker besiegt hätten, und nun

als Arbeitsleute und Steinhauer zur Frohne dienen mußten.

Die

Versammlung der Gurten ließ alsbald vom Brutus sich bewegen, die Königswürde abzuschaffeu und Tarquinius nebst Frau und Kindern in die Verbannung zu senden. Bei der dadurch entstehenden Erledi­ gung des Throns ward Tricipitinus durch die Stimmen des Volks zum Zwischenkönig erklärt. Als solcher (oder nach Livius als schon früher vom Könige eingesetzter Stadtpräfeet) berief er das Volk nach Centurien bewaffnet auf dem Marsselde zu erscheinen, um neue Obrig­ keiten zu erwählen.

Jirzwischcn war Tarquinius auf die Nachricht

vom Aufruhre voit Ardea nach Rom geeilt, während Brutus sich mit

Freiwilligen ins Lager begeben hatte. Der König sand die Thore verschlossen, und als er zum Heere zurückkehrte, hatten die in Centu­ rien versammelten Soldaten den in Nom gefaßten Entschluß schon an­ genommen, die Befehlshaber, Titus Herminius und Marcus Horatius, schlossen Stillstand auf fünfzehn Jahre mit den Rutulern und zogen

von Ardea nach Rom. Als König Tarquinius die Thore seiner Stadt verschlossen und sich vom Heere verlassen sah, war er, ein sechsundsiebenzigjähriger Greis, nach Gäre, ins Etmskerland gezogen. Ihn begleiteten zwei Söhne

und die Königin Tullia, welche während deS Aufruhres in Rom ge­ wesen war, jetzt eilig fliehend und mit Verwünschungen verfolgt, wo man sie erkannte.

Sertus ging nach Gabii, dem Gebiete, welchem es soll ihn hier verdiente Rache ereilt

er als Herrscher vorstand;

habm, und er von Denen getödtet worden sein, welche er durch Gewaltchaten wider sich aufgereizt hatte. Tarquinius Superbus hatte fünfundzwanzig Jahre über Rom ge­

herrscht; sein Sturz erfolgte im Jahre der Stadt 244, vor Christi

182

Rom.

Geburt 510.

durch

Die Königsflucht ward

am

alljährlich

ein Fest in Andenken erhalten, die Opfer,

24. Februar

welche sonst dem

Könige oblagen, wurden einem eignen Rex sacrorum oder Sacrifi-

culus übertragen, dessen Frau wurde Königin genannt und war eine

der vornehmsten Priesterinnen.

Die Würde war lebenslänglich, stand

jedoch der des Pontifex MarimuS nach; zuerst ward durch die Stim­ men des Volks der Patrizier Marius Papirius dazu erhoben. wahrscheinlich von diesem PapiriuS

Es ist

die Sammlung der Gesetze aus

der Königszeit veranstaltet worden, welche Gesetze von vielen Schrift­ stellern angeführt werden, auf welche man sich spät noch in gericht­ lichen Verhandlungen berief und welche, in Cicero's Zeit, von Graniuö Flaccus commentirt wurden.

Wir finden, daß der größte Theil

dieser Gesetze in die zwölf Tafeln übergegangen ist.

Die Vertreibung der Tarquinier war zwar von beleidigten Patri-

ziem ausgegangen, wurde jedoch auch dem Volke genehm, welches der beständigen Dienste

und

Lasten überdrüssig

war,

die

von Servius

Tullius bewilligten Freiheiten verloren hatte, und nunmehr von den Patriziern bald freilich bereute Einräumungen, wie bevor noch nicht, Des vertriebenen Königs Andenken ward, wo gerechte Klage

erhielt.

nicht auszureichen schien, mit Uebertreibungen für alle Zeiten gebrandmarkt.

Man nannte ihn als den, der Menschenopfer eingeführt habe,

als den Erfinder der Marterwerkzeuge, und als habe er Knaben zu

Eunuchen gemacht.

ä.

Cajus

Marcius,

Eajus Marcius Toriolanu«. einer der

vornehmsten Jünglinge Rom's, hatte

sich durch Muth und Geistesgegenwart bei Eroberung der volskischen

Stadt Corioli den ehrenden Beinamen Coriolanus Ruhm

verdunkelte des

wuchs auch sein Stolz.

Feldherrn Namen;

aber

erworben.

Sein

mit seinem Ruhm

Bei den damaligen Parteikämpfen zwischen

Patriziern und Plebejern war er einer der eifrigsten Verfechter patrizi-

scher Vorrechte, und Nichts war ihm so verhaßt, als die neulich von den Plebejern errungenen Rechte der Bürgertribunen.

Eine passende

Gelegenheit, diese wiederzugewinnen, schien ihm gekommen zu sein, als

eine drückende Hungersnoth das Volk heimsuchte.

Aus Sicilien wurde

eine Menge Getreide herbeigeführt, und im Senat berieth man, um

welchen Preis dasselbe dem Volk zu überlassen sei.

Da drang MarciuS

183

Cajus MarcmS Coriolanus.

mit Heftigkeit darauf, nur gegen Rückgabe der alten patrizischcn Rechte

und Aufhebung der Tribunengewalt das Getreide verabfolgen zu lassen. Voll Erbitterung griff das Volk zu den Waffen, und kaum vermochten

ihn die Tribunen durch Vorladung vor Gericht gegen die Wuth der

Plebejer zu schützen.

Marcius erschien nicht vor den Schranken, und

in Abwesenheit verurtheilt, ging er in die Verbannung zu Rom's ge-

schwornen Feinden, den Bolstern, mit Drohungen gegen seine Vater­ stadt und von zornigem Trotze erfüllt. Mit Wohlwollen nahmen ihn die Volsker auf, und dieses Wohl­ wollen stieg mit jedem Tage, je stärker seine Erbitterung gegen seine

Er wohnte bei Attius Tullus, einem der

Landsleute sich auSsprach.

angesehensten Männer unter den Volskern, der von jeher zu den bit­

tersten Feinden der Römer gehörte. einen Plan zum Kriege.

Gemeinschaftlich entwarfen Beide

Allein ihre Mitbürger dahin zu vermögen,

daß sie die so oft zu ihrem Schaden versuchten Waffen abermals er­

griffen,

war keine leichte Sache.

Kunstgriff ihr gerade Festspiele

und

Volk gegen

Rom

Sie versuchten daher zu

erbittern.

Zu diesen kam

mit größter Pracht.

in Begleitung

des Attius TulluS

eine große

durch einen

Römer hielten

Die

auf Anstiften

Menge Volsker.

Nun ging vor dem Beginnen der Spiele Tullus zu den Consuln und

wußte seine Landsleute zu verdächtigen.

Sie beriefen den Senat, und

aus Vorsorge, um ein Unglück oder ein Verbrechen zu verhüten, wurde der Beschluß gefaßt, alle Volster sollten vor Einbruch der Nacht die

Stadt verlassen.

Mit größter Erbitterung

zogen sie ab, Tullus ver­

sammelte sie unterwegs und wußte durch geeignete Reden ihren Haß noch mehr zu entflammen.

In der Heimath angekommen, theilten sie

ihren Mitbürgern ihre Stimmung mit, und bald erhoben sich sämmt­

liche Volsker zu allgemeinem Aufstande. Zu Anführern in diesem Kriege

erwählte man einstimmig AttiuS

Tullus und den verbannten CajuS Marcius, der bereits allgemeines Zutrauen besaß.

Und dieses täuschte er keineswegs.

Er eroberte eine

Stadt nach der andern, drang siegreich bis vor die Mauern Rom's^

und schlug daselbst sein Lager auf.

Bei der Plünderung des Gebietes

der Stadt ließ er die Ländereien der Patrizier unangetastet, entweder

aus Erbitterung auf die Plebejer, oder um Zwietracht unter den Bür­ gern zu veranlassen.

Und leicht wäre

Bürgertribunen das Volk aufhetzten.

solche entstanden, zumal

die

Doch die Furcht vor dem ge­

meinschaftlichen Feinde war ein stärkeres Band der Eintracht.

Nur

184

Rom.

darin waren sie nicht einig, daß Senat und Confuln ihre einzige Hoffnung auf Waffen setzten, das Volk entmuthigt nach Frieden ver­ langte.

Dem Dringen der Bürger gab der Senat nach, und es wm-

den Gesandte mit Friedensanträgen an MarciuS abgeschickt. Sie brachten die trotzige Antwort zurück: „Erst, wenn den Volskern ihr erobertes Land abgetreten sei, könne von Frieden die Rede sein." Die­ selben Gesandten zum zweitenmal abgeschickt, wurden gar nicht vor­ gelassen. Auch die Priester in ihrer Ehrentracht kamen in feierlich sichendem Aufzuge, es gelang ihnen eben so wenig, den harten Sinn

des Feindes zu erweichen. Da versammelten sich die Frauen in großer Zahl bei Cvriolan's Mutter, Veturia und seiner Gattin Volumnia, und beredeten sie, mit ihnen ins feindliche Lager zu gehen, auf daß die Weiber mit Bitten und Thränen die Stadt vertheidigten, welche die Männer mit den

Waffen nicht mehr zu schützen vermochten. Sie zogen dahin, an der Spitze Veturia, eine würdige Mattone von hohem Alter, und Vo­

lumnia, auf den Armen ihre beiden Söhnlein. Als sie vor dem Lager ankamen, und dem Marcius gemeldet wurde, ein großer Zug von Weibern nahe heran, so schien er anfangs noch hartnäckiger gegen weibliche Thränen, als gegen die Hoheit der Abgesandten des Staates und die Heiligkeit der Priester. Als er aber hörte, feine Mutter, Gattin und Kinder befänden sich an der Spitze, da sprang er auf, von seinen Gefühlen übermannt, uitb eilte mit ausgebreiteten Armen

Doch diese mit Ernst der Umarmung wehrend, rief mit gerechtem Unwillen ihm entgegen: „Erst laß mich wissen, der Mutter entgegen.

ob ich zum Feind oder zum Sohne kam, ob ich als Mutter oder als

Gefangene in Deinem Lager bin. Mußte mein Alter den Jammer erleben, Dich als Feind des Vaterlandes zu erblicken? Wie konntest Du es über Dich gewinnen, das Land zu verwüsten, welches Dich gezeugt und genährt hat? Und so erzürnt Du auch warst, wollte sich Dein Grimm nicht legen, als Du das Gebiet Deiner Vaterstadt betratst? AIS Du Rom vor Augen sähest, wollte Dir da nicht ein­ fallen, daß da Deine Götter, Dein Haus und Mutter, Deine Gattin und Kinder sind? Also — hätte ich nicht einen Sohn geboren, so würde Rom jetzt nicht belagert, frei wäre ich im freien Vaterlande gestorben!" — Nun fielen Gattin und Kinder ihm um den Hals, die ganze Schaar der Frauen begann zu weinen und zu jammern.

Da erweichte endlich des Mannes harter Sinn.

Er zog mit dem

Der Anfang -er Republik.

185

Heere von der Stadt ab und führte es weg vom römischen Gebiete. Bei den Volskern aber soll er alö Opfer des Hasses gefallen sein.

6, Der SCnfttng der Republik. Man war ungewiß, welche neue Form dem Staate zu geben sei, und wer das Recht haben solle, diese zu bilden. Da trat Brutus auf und sprach: „Ich bin Tribun der CelereS, der Tyrann hat mir, als einem Blödsinnigen, der ihm nicht hinderlich sei, diese Würde, die höchste im Staate, gegeben; mir steht das Recht zu, die Curie» zu berufen." Und er berief die Versammlung; diese übertrug die Wahl neuer Obrigkeiten den Centurial - Comitien; in diesen wurden auf Vorschlag deö Stadtpräfecten und Zwischenkönigs, nach den Anord­ nungen des Servius Tullius, wenige Tage nach der Vertreibung deö Tyrannen auS den Patriziern zwei Oberbeamte der Republik erwählt, deren anfänglicher Name Prätor war, bald aber in den von Consuln

überging. Sie behielten, außer der Krone, die königlichen Ehren­ zeichen, Lictoren- und Purpurkleid, allein die Dauer des Amtes ward auf ein Jahr beschränkt, und die Gewalt durch Einsage deö College» getheilt und gehemmt. Die ersten Consuln warm BruMs und Collatinus. — Der vertriebene König hatte sich nach Etrurien begeben, und «S war von dort aus eine Gesandtschaft an daö römische Volk geschickt

worden. ValertuS erlangte, daß die Gesandten nicht gehört wurden, eine zweite Gesandsschaft nahm nur die väterlichen Güter der Tarquinier in Anspruch; Collatinus sprach für die Billigkeit dieses Begehrms, Brutus dawider, das Volk beschloß in den Curien die Rückgabe der Güter durch Mehrheit einer Stimme. Jnzwischm hatte sich bei dieser Veranlassung eine Verbindung der Tarquinier mit jungen Patriziern angeknüpft, welche dem vertriebenen Königshause zugethan waren, die Freuden des damaligen Hofes vermißten und mit dem jetzigen Zu­ stande höchst unzufrieden waren.

Zu diesen Berschwornen gehörten die

Vitellier (aus welchem Geschlechte Brutus Ehegattin war), die Aguilier, Neffen deö Collatinus, und selbst Brutus Söhne, Titus und Tiberius, kaum dem Knabenalter entwachsen. Ein Sklave, Vindiciuö, verrieth die bei einem Gastmahle im Hause der Vitellier (nach Diony­ sius der Aquilier) gepflogenen Verhandlungen dem Valerius; die Ver­ schworenen wurden verhaftet und am folgenden Tage gebunden vor

186

Rom.

den Richterstuhl geführt.

Der Sklave trat als Ankläger auf;

man

fand seine Aussage schon schlagend, ehe noch die aufgefangenen Briefe Die Angeklagten verstummten;

an den König verlesen waren.

das

Volk rief in verworrenem Gemurmel, man möge sie in die Acht er­ klären; Collatinus vergoß Thränen, und Valerius, der sonst so harte Mann, beobachtete ein ernstes Schweigen.

und übergab

Lictoren

ihnen

die

Brutus aber winkte den

Verschwomen.

rief das

Umsonst

Volk: „Wir geben sie dem Vaterlande und ihrem Hause zurück," um­ sonst

flehten die Jünglinge,

seine Söhne

mit Ruthen

dieser That,

die,

Brutus

ließ mit unverwandten Augen

streichen und dann enthaupten. — Nach

wie Plutarch sagt,

nie

genug

gepriesen und

nie

genug getadelt ist, welche entweder göttlich oder viehisch gewesen, ver­

ließ Brutus, nun kinderlos, seinen Sitz und übergab die andern Verschwornen seinem Amtsgehülfen.

Als aber Collatinus nunmehr nicht

nur seine Angehörigen zu retten, sondem auch den Ankläger zu strafen

suchte, erhob sich ein neuer Sturm; in den Gurten ward beschlossen, die übrigen Verschwornen solle die nämliche Strafe treffen; die Ge­

sandten des Tarquinius entließ man aus Achtung vor dem Völker­ rechte.

Vindicius, von dessen Namen eine Art der Freilassung später

überhaupt benannt sein soll, erhielt aus dem öffentlichen Schatze eine Belohnung an Geld

und wurde der Freiheit theilhaftig, weil er den

Römern die Freiheit gesichert hatte. Benehmen die Abneigung des Volks

Collatinus, dessen zweideutiges

erregt hatte, ward

veranlaßt,

das Consulat niederzulegen; Bmtus lobte seine Weisheit und bewil­ ligte ihm Gelder aus dem öffentlichen Schatze und von seinem eigenen

Vermögen; Collatinus begab sich nach Lavintum und hat dort ruhig bis zu hohem Alter gelebt.

An die

Stelle des Collatinus

P. Valerius gewählt.

lesus ab,

welcher den Frieden

mittelt hatte;

wurde in den Centuriat-Comitien

Er stammte von dem Sabiner Valerius Vo-

seine Redegaben

zwischen Romulus

hatte

er stets

und TatiuS

ver­

nur zum Schutze der

Unterdrückten angewendet, sein großes Vermögen nur um das Elend

der Armen zu erleichtern.

Von Ehrgeiz

war er nicht frei,

und er

hatte seinen Unwillen nicht verhehlt, als ein Tarquinier zum Consul

gewählt, er aber übergangen worden. — Nach Entdeckung der Verschwömng

nahm

übergeben,

zurück;

man den Beschluß, dem Könige seine Güter zu sein Haus mit den prachtvollen Säulengängen

wmde geschleift, und seine Ländereien an eigenthumlose Bürger ver-

187

Der Anfang der Republik.

theilt;

sieben

Juchert erhielt Jeder, nach PliniuS.

Das gemeine

Wesen behielt nur ein Stück zwischen der Stadt und Tiber, welches schon in den ältesten Zeiten dem Mars

geweiht, vom Tarquinius

aber widerrechtlich zu seinen Gütern geschlagen war.

Dies

Stück

ward mit zum Marsfelde; ein angränzendes Stück, das Tiberfeld, schenkte die Vestalin Tarratia dem Staate, und ward durch die Ler Horatia belobt.

Nachdem das Feld dem Mars geweiht war, hielten

die Römer eS für gewissenlos, die in voller Reife stehenden Früchte zu benutzen; man warf das Korn nebst den Bäumen, die es um­ faßten, in die Tiber; daraus soll die durch angebaute Widerlagen und sonstige Nachhülfe von Menschenhand gebildete Tiberinsel des Aesculapius, welche nachher Tempel und Hallen trug, entstanden sein.

Bmtus und Valerius begannen ihr Amt damit, daß sie allen An­ hängern deS Tarquinius Verzeihung zusicherten, im Fall sie binnen

zwanzig Tagen zurückkehren würden. Viele benutzten diese Erlaubniß. Der König, durch solchen Abfall nicht muthlos gemacht, wendete sich an die Tarquinenser, Landsleute seines Geschlechts, und an die Ve-

jenter, die alten Feinde Rom's.

Mit ihnen zog er aus; die Konsuln

rückten ihnen bis zum Walde Arsia entgegen; Aruns, des Königs Sohn, traf mit Brutus zusammen; Beide durchbohrten sich im Zwei­

kampfe ; die Römer behaupteten das Schlachtfeld; die Feinde flohen, durch eine Stimme des Waldgottes geschreckt. Valerius kehrte triumphirend nach Rom zurück; er hielt Brutus eine Leichenrede, das erste Beispiel solcher öffentlichen Ehrenbezeugungen in Rom, wie Anarimenes bemerkt. Die Weiber vertrauerten ein ganzes Jahr um ihn, als den Rächer ihres Geschlechts.

Durch Brutus war eine Ergänzung des Senats geschehen, dessen Zahl durch den König sehr herabgeschmolzen war.

Er wurde durch die Aufnahme von Rittern wieder auf die Anzahl von Dreihunderten gebracht. Die Neuaufgenommenen wurden adlecti oder conscripti genannt. Der Tempel des Capitols ist von Brutus gleich nach Ver­ treibung der Könige an den Iden des Septembers geweiht.

In Be­

treff der Quästoren verordnete ein Curiatgesetz unter Bmtus, daß sie

bestätigt werden sollten, wie sie in der Zeit der Könige gewesen. Wahrscheinlich wurden sie damals zur Vertheilung der königlichen

Güter bestellt. Eins der auffallendsten Mißverständnisse in der alten Geschichte hat in diese Zeit einen Handelsvertrag zwischen Rom und Carthago gesetzt.

188

Rom.

Polybius

will

einen solchen noch

Aedilen gekannt haben,

auf dem Capitol im Archiv der

in so veralteter Sprache abgefaßt, daß die

erfahrensten Kenner der damaligen lateinischen Sprache den Inhalt nur mit Mühe entziffern konnten.

Zufolge dieses Vertrages erscheinen

die Römer jener Zeit als ein Volk, welches schon im Besitze bedeu­ tender Seefahrt ist;

Latium ist fast gänzlich den Römern,

den Karthagem unterworfen. und Ausbreitung Rom's,

Sicilien

Der Vertrag entdeckt unö eine Macht

sowohl zu Lande, wie zur See, von der

wir keine Ahnung zu haben berechtigt waren, noch irgend eine andere

Spur haben.

Man hat dennoch aus dem Vertrage wichtige Schlüffe

über Rom's Vorzeit gezogen; Livius wird arg gerügt, eine solche Ur­ kunde wissentlich (denn er kannte und benutzte PolybiuS Werk), als

ganz

unvereinbar

mit seiner dichterischen Erzählung,

als die Größe

Rom'S zur Zeit der Tarquinier und den nachherigen Verfall aufdeckend, verhehlt oder unbeachtet gelassen zu haben.

Man muß auch, wie ein

neuerer Geschichtschreiber sagt, entweder die geschichtliche Ueberlieferung

verwerfen, oder aus dieser Urkunde eine ganz neue Geschichte herleiten, die mit allen Urkunden, mit den Fasten und den Geschichtschreibern,

in Widerspruch stände.

Es läßt sich jedoch nicht allein darthun, daß diese Urkunde nicht in jene Zeit gehören kann, sondern auch, daß sie den Jahren 406 an­ Die Römer waren ein ackerbauendes Volk, Handel schätzten

gehört.

sie gering.

Ancus Versuche, Schifffahrt zu bilden, waren erfolglos;

in den nächsten Jahrhunderten erfahren wir nur etwas von ein paar römischen Schiffen, die in See gingen, und diese wurden von See­

räubern genommen.

Wo war ein Hafen, ehe Antium römisch ward?

Erst im Jahre 443 werden Behörden für die Flotte erwähnt.

Zudem

wäre es höchst auffallend, daß der angebliche Vertrag vom Jahre 245 den Worten und dem Inhalte nach so ganz mit dem des Jahres 447

ubereinstimmt; daß demnach die Verhältnisse nach zweihundert Jahren

sich ganz wieder auf gleichen Fuß gestaltet haben sollten. Wenn Polybius — hier nicht größerer Unachtsamkeit oder Unkunde schuldig, als alle die, welche später seinen Irrthum theilten — ver­

leitet ward, ins Jahr 245 zu setzen, was ins Jahr 406 gehört, so

läßt sich

vielleicht auch die Entstehung dieses Irrthums

nachweisen.

In der kaum zu entziffernden Urkunde fand er die Consuln des Jahres 466:

Valerius und Popilius.

Publicola,

Er machte daraus

einen Valerius

und da dies nur ein Consul war, die Sache ihm auch

189

Die Gallier in Rom.

nicht ganz richtig zu sein schien, bezeichnete er das Jahr, da Publi-

cola Eonsul war, durch Nennung zweier andern Consuln des näm­ lichen Jahres Junius Brutus und M. HoratiuS.

Nach dem Tode des Brutus verzögerte Valerius die Versammlung der Centurien; dadurch, so wie durch den Bau eines prachwollen Gebäudes

auf der hohen Velia, am Abhange des Palatinus, erregte er Argwohn

und Unzuftiedenheit des Volks.

Als er davon die Kunde erhielt, ließ

er in der nächsten Nacht jenes Haus der Erde gleich machen, ver­

sammelte das Volk und betrieb die Wahl des Tricipitinus, Vater der Sucreti«, zum Eonsul.

Als dieser nach wenigen Tagen starb, ward

M. HoratiuS Pulvillus zum Eonsul erwählt.

Valerius, dem seine

Fügsamkeit in den Willen des Volks den Namen Publicola gab, er­ ließ,

noch ehe HoratiuS sein Amtsgehülfe wurde,

zwei Gesetze zum

Vortheile deS Volks und zu großer Beschränkung der Consuln.

„Das

erste Gesetz, welches" wie Niebuhr sagt, „Tyrannoktonie sichern sollte,

hat Mord straflos gemacht."

Es verfügte, daß, wer Hoheit auöübe,

ohne vom Volke damit begabt zu sein, mit seiner Habe den Göttern geweiht sein solle.

Ein anderes Gesetz gestattete auch den Plebejern

Berustmg von Straftrrtheilen ans Volk, worunter hier die Versamm­ lung der Centurien zu verstehen ist, in Fällen, die für die Provocation

zu geringfügig waren, wurden Strafen zum Betrage von fünf Ochsen und zwei Schafen festgesetzt.

vius Art

eingerichtet,

Die Steuern wurden wieder aus Ser­

und nach langer Unterbrechung

ward

wieder

ein Census gehalten, bei welchem man hundertdreißigtausend Männer in Rom sand.

V. Die Gallier in Rom. Schon in der Zeit des Tarquinius Priscus war Bellovesus, ein

Anführer der celtischen Gallier, über die Alpen hatten sich in Ober-Italien festgesetzt.

gezogen, und

diese

Noch zwei spätere Einwande­

rungen sollen bis aus Brenuus geschehen sein. Aruns, ein Einwohner von Elusium, hatte von einem angesehenen Jünglinge, deffen Vormund

er gewesen,

tödtliche

Schmach

müssen und vergeblich den Schutz der heimischen Gerichte

dulden

angerufen.

Er begab sich zu den sennonischen Galliern, rief sie als Feinde nach Etmrien und soll die Barbarm besonders durch den Wein des Landes

gelockt haben, den er ihnen zugeführt hatte.

Mit ungestümem Andrang

190

Rom.

zogen sie

mit Weib

und Kind

durch Ober-Italien und

erschienen

vor Clusium.

In dem Kriege mit Vejt hatte Clusium dem verwandten Stamme keine Hülfe zugeschickt. Römern

Man hoffte, dies würde gegenwärtig von den

nicht unberücksichtigt bleiben und

nach Rom.

Es

erregen.

schickte deshalb Gesandte

Allein hier war man nicht geneigt, einen neuen Feind zu wurde jedoch

eine

Gesandtschaft,

bestehend

aus

Fabiem, an Brennus, den Heerführer der Gallier, abgeschickt.

drei

Diese

boten ihre Vermittelung an und fragten nach dem Rechte des fremden

Volks an Etrurien's Felder. — Brennus gab, mit höhnender Bezie­

hung

auf eigenes Verfahren der Römer, das Recht des Stärkeren

an; die Fabier begaben sich nach Clusium;

bei einem Ausfälle der

Belagerten machten sie sich in den Reihen derselben bemerklich, Bren­

nus sah darin eine Verletzung des Völkerrechts; er verlangte durch Gesandte Genugthuung von Rom und die Auslieferung der Fabier.

Die Fetialen ermahnten, Schuld

zu

befreien;

sonder

Schonung

die

Republik

vorsichtige Rathsherren riechen

das

von der Nämliche,

allein man wagte nicht einen Beschluß zu fassen, und übertrug die

Entscheidung den Centurien. Fabier;

Hier siegte Nationalstolz und Gunst der

der Antrag des Galliers ward verworfen;

die drei Fabier

wurden sogar unter die Kriegstribunen des nächsten Jahres gewählt. Nun ließ sogleich Brennus zum Abzüge von Clusium blasen; ohne Weile zog er nach Rom; Fußvolk und Reiter in zahlloser Menge be­

deckten die Felder; die Dörfer und Weiler wurden von den fliehenden Landleuten verlassen, von den Feinden aber geschont.

Die Kriegs­

tribunen sammelten eiligst ein Heer, meist aus ungeübten Leuten be­ stehend, am Flusse Allia, der aus den crustuminischen Bergen gegen die

Tiber fließt, sechszig Feldweges von Rom, trafen sie mit den Galliern zusammen.

Die Römer erlitten eine vollständige Niederlage.

Am Tage nach der Schlacht rückte Brennus

vor Rom und lagerte

am Anio.

mit seinen Völkern

Die Thore fand

er offen;

kein

Römer ließ sich blicken; Alles war nach der Burg des Capitols ge­ flüchtet; dahin brachte man Heiligthümer und Urkunden; die Heiligthümer der Vesta wurden von den Jungfrauen nach Cäre gerettet.

Vierzig Greise, größtentheils Priester, zogen es vor, sich förmlich vom Oberpriester Fabius dem Tode weihen zu lassen; sie blieben in Rom.

Als die Gallier am vierten Tage nach der Schlacht einrückten, fanden sie die alten Männer auf dem Markte, in feierlichem Schmucke, und

191

Die Gallier in Rom.

in tiefem Ernste dasitzend; anfangs hielten die Barbaren sie für Wesen einer

Bald

andem Welt.

erschlugen die Greise alle.

aber

erkannten

sie ihren Irrthum, und

Darauf ging ein Wüthen durch die Stadt;

wer sich nicht auf die Burg retten konnte, wurde schonungslos ohne Rücksicht des Alters und des Geschlechts gemordet; ein Angriff auf das Capitol

ward jedoch abgeschlageu,

Stadt in Asche legen.

und nun ließ Brennus

die

Die Häuser wurden in Brand gesteckt,

die

Tempel und öffentlichen Gebäude niedergerissen, die Mauern dem Erd­

Bald war Rom ein Schutthaufen, eine weite

boden gleich gemacht.

Einöde, auf welcher die Gallier lagerten und von hier nach Latium streiften, um Lebensmittel zu finden.

Ein streifender Haufen der Gallier war auch vor Ardea erschienen, wo Camillus seit zwei Jahren in der Verbannung lebte.

Held

stellte

sich

an

die Spitze junger Mannschaft,

Der alte

überfiel die in

Freuden des Weins befangenen Barbaren und vernichtete sie.

That war von ungemeinem Gewichte für Belebung des

Diese

erstorbenen

Muthes der Römer; allgemein sprach die Reue sich aus, diesen Mann

verkannt zu haben.

Namentlich beschlossen die von der Schlacht an

der Mia nach Veji geflüchteten und von M. Cädicius angeführten Römer, dem Camillus den obern Kriegsbefehl zu übertragen.

Man be­

nachrichtigte ihn von diesem Wunsche, er aber weigerte sich, den Be­

fehl zu übernehmen, bis der Rath auf dem Capitol darüber entschieden haben würde.

Ein Abgeordneter erlangte die Zustimmung des Senats

und der Curien.

Camillus ward zum Dictator ernannt und begab

sich nach Veji.

Brennus lag indessen noch immer vor dem Capitol; sein Aufent­ halt hat vom Julius 364 sechs bis acht Monate gedauert.

lagerung war in eine Abspermng

verwandelt.

Die Be-

Zweimal gelang

den Römern unversehrt durch das feindliche Lager zu dringen.

eS

C. Fa-

biuS Dorso wollte eS nicht versäumen, am 15. Februar ein geschlecht­ liches

Opfer

auf dem

qnirinalischen Hügel zu

bringen.

Gabinisch

umhüllt, mit dem Opfergeräth in den Händen, schritt er vom Capitol

zum Berge des Quirinus

und kehrte den nämlichen Weg unverletzt

zurück. — Auch der Abgeordnete von Veji, welcher wegen Camillus Wahl nach Rom geschickt war, hatte glücklich den steilen Felsen er­ stiegen, allein am Tage darauf bemerkten die Gallier stische Menschen­

spuren; auf dem nämlichen Wege, nach dem Tempel der CarmentiS

hin, suchten sie in sternheller Nacht den Berg zu erklimmen.

Unbemerkt

192

Rom.

von den Wachen hatte schon ein Gallier, dem Viele auf dem Fuße folgten, den Berg erstiegen; da weckte Geschnatter der Gänse, die man, als

der

Juno

geweiht,

selbst bei

drohender

Hungersnoth

geschont

hatte, den Consular M. Manlius, dessen Hans aus der Höhe lag.

Er stürzte den Emporgeklommenen zurück; sein Fall warf die Nach­

steigenden hinab,

der Anschlag ward

Die achtlose Wache

vereitelt.

ward durch Sturz vom Felsen hingerichtet; Manlins erhielt von Jedem

der Belagerten eine Gabe an Lebensmitteln — kostbare Spende in

solcher Roth. — Diese stieg bald zu einem hohen Grade, während unter den Galliern

ungewohnte Krankheiten wütheten. Kampfes erwünscht.

Von beiden Seiten war Ende des

Es wurde Waffenstillstand geschlossen, und als

man lange vergeblich nach Camilluö ausgesehen hatte, ging der Kriegstribun Q. Sulpicius mit Brennus

einen Vertrag ein,

in welchem,

wie Livius sagt, der Preis des Volkes, welches nachmals die Welt

beherrschen sollte,

auf tausend Pfund Goldes

dieses Gold sollten die Gallier abziehcn.

festgesetzt

ward.

Für

Schon ward es abgewogen;

BrennuS nahm salsches Gewicht, und als Sulpicius sich beschwerte,

warf er noch Schwert und Wehrgehenk

in die Wage,

und da der

Kriegstribun die Deutung verlangte, rief der Gallier: „Das ist daS

Wehe des Besiegten!" Camillus hatte inzwischen zu Veji zwanzigtausend Römer gefunden, zu denen sich viele Freiwillige aus Latium gesellten.

gegen die Stadt.

Diese führte er

In dem entscheidenden Augenblicke, da mit Worten

an der Wage gestritten ward, erschien sein Kriegsvolk vor den Thoren.

Camillus erfährt, was vorgeht; langsam, in guter Ordnung läßt er

die Truppen vorrücken; mit auserlesenen Leuten eilt er zum Forum,

das Gold nimmt er aus der Wage und giebt

es

den beistehenden

Gerichtsdienern; den Galliern, welche sorglos dem Vergleiche trauten,

heißt er

Wage und

Gewicht wegnehmen, der Römer

erhalte

sein

Vaterland mit Eisen, nicht mit Gold. — Als Brennus entrüstet sich über Friedensbruch beklagte, antwortete der Dictator, kein Friede sei ohne seine Zustimmung gültig. — Die Gallier griffen zu den Waffen, alsbald begann das Gefecht in den

engen Gassen;

noch

in der Nacht verließ Brennus die Stadt und

lagerte am gabinischen Wege.

Hier griff Camillus die Gallier am

folgenden Tage an, nahm ihr Lager und versprengte das Heer.

WaS

an diesem Tage seinem Schwerte entrann, ward von den Landleuten

193

Die Gallier in Rom.

Ein Theil der Gallier, welche sich nach Apulien ge­

niedergemacht.

flüchtet hatten, wurde später von den Cäriten vernichtet.

PolybiuS Erzählung dieses Vorgangs hat Anlaß gegeben, Zweifel gegen die gewöhnliche Darstellung auszuregen.

Nach ihm sollen die

Gallier abgezogen sein, weil die Veneter einen Einfall in deren Ge­

biet gemacht hätten; es sei ein Vertrag mit den Römern abgeschlossen, und die Gallier hätten alle Beute abweichende Angabe

aus

man sie mit Nahrungsmitteln versehen.

Golde,

unter Jupitcr's Thron

welches

Diese

bei Frontinus

um über die Tiber zu ziehen;

vertragswcise Schiffe bewilligt, habe

einer

habe nach der Schlacht den Galliern

man

aufbewahrten Nachricht:

mit nach Hause geführt.

genügend

erklärt sich

Nach

auch

dem

geretteten

auf dem Capitol

vergraben

CrassuS soll

sein sollte, suchte man noch im Jahre 702 der Stadt. eS geraubt haben.

Durch den ganzen bekannten Weltkreis war damals die Kunde von Nom's seinem

Unglückötagen von

Buche

erschollen.

der

griechische Stadt Rom

Lnciuö CamilluS

Seele

HeraklideS

geschrieben,

am großen Meere erobert;

den Erretter;

als

aus

Pontuö

Hyperboräer

die Massilioten

hat

hätten

in

die

Aristoteles nennt hatten

auf die

Botschaft von Rom'ö Unglück Trauer angelegt und Gold und Silber

nach Rom

dafür

geschickt,

erhielten

sic

Vorrechte und Ehrenbezeu­

gungen. —

Was der Rath erkaufen wollte, was CamilluS mit dem Schwerte zurücknahm,

war nur

eine öde Brandstätte

geblieben.

War früher

schon der Plan laut besprochen, nach Vcji zu ziehen, deni von Natur

und Kunst

befestigten

Orte,

wohin

schön

gebaute Häuser,

gesunde

Luft und fruchtbare Gegend einluden, so konnte dieses Vorhaben jetzt um

so

mehr neu angeregt werden,

da cö

so sehr an Mitteln zum

Wiederaufbau Rom'S gebrach. — CamilluS hatte nach Besiegung der Gallier einen prachtvollen Triumph gehalten; er brachte, wie Plutarch

sagt, Rom nach Rom zurück.

Denn die Einwohner der Stadt, welche

sie mit Weibern und Kindern verlassen hatten, folgten seinem Sieges­ wagen nach.

Und ihnen entgegen kamen die vor Hunger fast Um­

gekommenen vom Capitol.

Die Priester und Tempelhüter brachten die

Heiligthümer, welche sie entweder vergraben oder weggeführt

hatten,

wieder gerettet hervor, es war, als wenn die Götter selbst nach Rom zurückgekehrt wären.

Des Dictators erstes Werk war, den Göttern

Opfer zu bringen, und die Stadt nach den Vorschriften der in diesen

Histcr. Lcsebuch: I.

13

194

Nom.

Gebräuchen erfahrenen Männer zu reinigen.

So schwierig es auch

war, die Stellen der eingeäscherten Tempel wieder aufzufinden, so geschah die Herstellung doch mit großer Sorgsamkeit; dem Asus Lo-

cutius ward

an dem Orte,

wo eine nächtliche Götterstimme dem

Cädicius die Ankunft der Gallier verkündete, ein eingezäunter Altar geweiht. — Mit kräftiger Rede eiferte CamilluS gegen den Vorschlag, nach Veji zu übersiedeln.

Während er sprach, zog eine Cohorte, von

der Wache zurückkehrend, über den Markt; der Führer befahl zu halten

und die Fahne aufzustellen, „denn hier, rief er dem Fahnenträger zu, ist es am besten zu bleiben." Dies deutete der Senat als eine Götter­

stimme, Rom nicht zu verlassen; das Volk sand den Wink begründet;

man begann zu bauen; der Staat gab die Ziegel.

Jeder Bauende

durfte Steine brechen und Holz fällen, wo er wollte; von Veji wur­

den die Römer unter Androhung schwerer Strafe zurückgerufen.

In

einem Jahre war der Wiederaufbau vollendet, allein unregelmäßig,

enge, gekrümmte Gassen, wie sie bis auf Nero s Brand blieben. Man hatte es nicht für schicklich erachtet, daß die Kriegstribunen des unglücklichen Jahres den nächsten Wahltag halten sollten, und Q. Fabius, welcher als Gesandter Anlaß zu dem verderblichen Kriege gegeben hatte, ward angcklagt; ein plötzlicher Tod entzog ihn der Untersuchung. Die neuen Kricgstribuncn ließen mit vieler Sorgsamkeit, was sich an Bündnissen

ließ die Wahl durch Jntcrrcgcn geschehe».

und Gesetzen fand, wieder aufsuchen; Einiges davon wurde dem Volke bekannt gemacht; was aber den Gottesdienst betraf, wurde größtentheils von den Priestern unterdrückt, damit die Gemüther in alter Abhängigkeit vom Volksglauben blieben. Auch wurden heilige und unglückliche Tage festgestellt, zu diesen für immer der Tag von der Allia, gerechnet. Während

welcher mit dem von der Cremera zusammenfallen sollte,

so

alle Kräfte zur Herstellung des

Alten

angewendet

wurden, suchten angestammte Feinde Rom's mißliche Lage zur völligen Vertilgung des Staats

zu benutzen. Volsker ergriffen die Waffen, Etrurien's Völkerschaften hatten sich beim Heiligthume der Voltumna

vereint, uttd selbst Latiner und Herniker sagten sich von dem fast hundertjährigen Bündnisse los. In solcher Bedrängniß wendete man wieder den Blick zum Camilluö, welchen das Volk mit abgötterischer

Verehrung, als zweiten Gründer der Stadt, als zweiten Romulus namrte, und den die Krieger in verherrlichenden Gesängen priesen.

m

Die Gallier in Nom. Eamtllus ward wieder (366) Dictator,

er bildete drei Heere, eins

ließ er vor Rom, ein anderes schickte er gegen die Etrusker, und er selbst ging gegen die Volsker.

Diese schlug er und nahm ihr Lager

am Berge Mäcius, unweit Lanuvium; dann wandte er sich gegen die Aequer, deren Stadt Volä er eroberte. welches Sutrium,

dem andern Heere,

Darauf begab er sich zu

eine

bundesverwandte Stadt

entsetzte, vor welchen Ort säst alle etruskischen Staaten Truppen ge­

schickt hatten.

8. -cppiu» btt Blinde und Faviu» Maximus. Appius Claudius

war einer der merkwürdigsten Männer Rom's.

Seine Standhaftigkeit in der Ausführung entsprach ganz der Kühn­

heit seiner Entwürfe.

Er war ein großer Rechtsgelehrter und wurde

in venvickeltcn Rechtsangelegenheiten als ein Orakel angesehen.

Uebri-

gens machte sein unwiderstehlicher Hang, wirken zu wollen, ihn Neue­ rungen geneigt.

Straße

nach

Als Censor des Jahres 442 gründete er die appische

Capua,

Noch gegenwärtig

Cicero

nennt

sie

eine

Strecke von

einhundertzwanzig

Millien.

völlig

erhalten,

sind einige Meileir dieser Straße die Königin der Wege.

Dann

dankte Rom dem

Appius die älteste Wasserleitung, welche sieben Millien von Rom be­

gann, und so tief unter der Erde fortgeführt war, daß sie im Kriege nicht zerstört werden konnte.

Dies Werk war von ungemeiner Wich­

tigkeit, da es bei Rom nur einzelne Quellen und Brunnen gab, die meisten Einwohner, nainentlich der Vorstädte aber, auf daö unreine

Wasser der Tiber beschränkt waren. Daö Verdienst, die Quellen gefunden zu haben, welche die Wasser­ leitung nährten, soll nach Frontinus eigentlich dem Censor C. Plau-

tius gebühren; und dieser davon den Beinamen Venor erhalten haben; der Ruhm der Anlage ist

aber dem Amtsgehülfen allein

geblieben,

weil Plautius, aus Verdruß über eine andere Maßregel des Appius,

sein Amt niederlegte.

Appius nämlich, gleichsam um auf grelle Weise

Mißbilligung der Fortschritte des plebejischen Standes an den Tag zu legen, hatte als Genfer die Enkel von Freigelassenen in den Senat genommen; Plautius war deshalb von der Censur abgetreten; Appius mußte jedoch

entsagen.

Q.

seiner Absicht

bei dem Widerstände,

Die Consuln des Jahres 443,

welchen er fand,

C. Junius Bubulcus und

Aemilius, führten gleich bei Antritt ihres Amts Klage beim Volke,

13*

196

Siom.

daß durch Appius Censur der Senat entehrt sei; fie verlasen auch die

Liste, wie sie vor jener Censur gültig gewesen war. Die Tribunen L. AtiliuS und C. MarciuS stimmten dieser Ansicht bei; sie erlangten zugleich, daß sechszehn der vierundzwanzig Kriegstribunen künftig aus

den Plebejern genommen werden sollten. Als Appius seine Absicht vereitelt sah, wählte er einen noch nach­ theiligeren Weg, freies und achtbares Bürgerthum herabzusetzen.

Er

vertheilte den niedrigsten Pöbel unter sämmtliche Tribus und

gab

ihnen dadurch einen höchst verderblichen Einfluß, sowohl auf die Ver­

sammlung nach Centurien, wie nach Tribus.

Auch dadurch erschüt­

terte Appius die Verfassung, daß er das Geschlecht der Potitier ver­

anlaßte, die Heiligthümer des Hercules künftig durch Sclaven des

Staats verwalten zu lassen. — Bald soll Strafe des Himmels sich gezeigt haben; das

zahlreiche Geschlecht der Potitier erlosch binnen

Jahresfrist; Appius selbst erblindete nach einigen Jahren unheilbar.

Unter den Leuten geringen Standes, welche durch Appius hervor­ gezogen worden, war der Enkel eines Freigelassenen, Q. Flavins. Er war früher Schreiber gewesen, nachher Tribun und zweimal Triumvir, einmal zur Erhaltung der nächtlichen Sicherheit und einmal zur

Abführung einer Pflanzung. Er war, nach Livius, ein verschlagener und sehr gewandter Mann; große Volksgunst hatte er erlangt dadurch,

daß er die Rechtsregeln, welche bisher in den Geheimstuben der Ober­

priester verwahrt lagen, bekannt machte und am Markte den Gerichts­ kalender auf einem weißen Brette ausstellte, damit Jedermann wisse, an welchen Tagen man sich an die Gerichte zu wenden habe. Nach Plinius war dieses auf Appius Anrathen geschehen.

Dieser Flavius

erlangte es (449), zum kurulischen Aedilen erwählt zu werden, ihn erhob die Volköpartei, welche seit Appius Verfügung sich gebildet hatte. Seine Wahl erregte solche Unzufriedenheit, daß die Ritter die goldenen Ringe ablegten; Flavius hatte persönliche Beleidigungen zu erdulden;

er ließ sich jedoch nicht schrecken, noch wankend machen; vielmehr be­ nutzte er seinen Einfluß, Eintracht unter den Parteien herzustellen.

Und selbst als dies gelungen war, weihte der Oberpriester nur un­ willig und gezwungen den Tempel der Eintracht ein, welchen der verhaßte Emporkömmling gelobt hatte. Die Herstellung der Eintracht geschah damals durch die Censoren Fabius und Decius.

Durch sie wurde der ganze Haufen der Markt­

partei ausgesondert, in vier Tribus vertheilt, und diesen der alte Name

197

Der erste panische Krieg.

der städtischen zurückgegeben (450).

Fabius, der große Feldherr, er­

warb durch diese Anordnung den Beinamen Marimus. Aus Appius Zeit stammt eine Sitte, welche für spätere Zeit eine besondere Bedeutung erhielt, da sie ein Vorrecht des neu sich bilden­

den Adels wurde.

Er stellte zuerst die Bilder seiner Vorfahren im

Tempel der Bellona auf.

Zwei Jahrhunderte später (676) geschah

erst die Ausstellung in den Häusern-der Optimalen.

9. Der erste punifche «rieg. Es war kurz vor der Verbindung, welche der König Hiero von Syrakus mit den Karthagern einging, daß die Römer (482, 266)

sich Rhegium's bemächtigt hatten.

Auf Sicilien hatten die Karthager,

damals schon Herren von Sardinien und Corsica, Niederlassungen und Stapelplätze ihres Welthandels, und waren im Besitze eines großen Theils der Insel; mehrere Städte aber waren in den Händen der Mamertiner, eines Haufens campauischer Miethssoldaten, welche unter Agathokles gedient und sich auf eine verrätherische Weise Messena'S bemächtigt hatten, indem sie von den Einwohnern freundlich

ausgenommen und bewirthet, die Männer überfielen und ermordeten, und dann deren Güter und Weiber sich zueigneten. Diese Mamertiner, in deren Gewalt auch die Städte Mylä, Ame-

salum, Aläsa und Abacänum waren, beunruhigten durch beständige Streifereien das Gebiet deS Königs Hiero; es gelang dem Könige, sie in einer Schlacht bei Mylä (Milazzo) zu besiegen und ihren Feld­ herrn Cios gefangen zu nehmen. Auf den Besitz der einzigen Stadt Messana beschränkt, sahen sie kein anderes Rettungsmittel, als sich der milden Herrschaft des ehrwürdigen Hiero zu ergeben; der König war schon im Anzuge, die Stadt einzunehmen, als der Karthager Hannibal, Befehlshaber auf der Insel Lipara, ihm znvorkam. Die Meinungen der Mamertiner schwankten nun, ob sie der Herrschaft Karthago's oder Syrakusens sich unterwerfen sollten;

bald

aber entschied der

größere Haufe dafiir, Hülfe bei stammverwandten Italern in Rom zu suchen. Dieser Antrag empörte im ersten Augenblicke die Bessern der Römer; man hielt cS des römischen Volks unwürdig, Räubern und Mördern Hülfe zu leisten, und bei diesen eine Handlungsweise zu

billigen, welche man noch kurz zuvor an eigenen Bürgern,

kampanischen Legion zu Rhegium, so hart gestraft hatte.

an der Auf der

198

Stern.

andern Seite aber leuchtete der große Vortheil ein, den Rom von Annahme des Antrags haben würde; es war augenscheinlich, daß die

Einnahme Messana'ö die Karthager bald in den Besitz von ganz Si-

rilien, der schönsten Insel deS Mittelmeers,

wie Diodor sie nennt,

setzen würde; und die Häupter des Volks zeigten annoch die großen

Vortheile, welche auch der Einzelne aus dieser Unternehmung ziehen würde.

Als der Senat keine Entscheidung fällen wollte,

kam dem

hortensischen Gesetze gemäß, die Frage an die Volksversammlung, und nach einem Beschlusse derselben wurde der Consul Appius Claudius zum Kriegszuge beauftragt. Solches war die nächste Veranlassung des ersten punischen Krieges,

wenngleich schon acht Jahre früher die Hülfe, welche die Karthager der Belagerung von Tarent geleistet hatten, von den Römern als Bruch des abgeschlossenen Bündnisses betrachtet war. Der Consul sendete zuerst den Lcgiontribun Claudius, einen kühnen und kriegserfahrenen Mann, nach der Insel. Durch List und durch Einschüchterung des Hanno gelang es dem Tribun, sich Messana'S zu

bemächtigen; Hanno, welcher die Stadt den Römern geräumt hatte, wurde bei seiner Rückkunft in Karthago ans Kreuz geschlagen. Ein

anderer Hanno, Hannibal's Sohn, wurde mit einer bedeutenden Macht nach Sicilien geschickt; er veranlaßte den König Hiero mit ihm gemeinschaftlich vor Messana zu ziehen. Claudius wurde aufge­ fordert, die Stadt zu übergeben; auf Weigerung der Römer beging Hanno die Grausamkeit, alle Italer, welche in seinem Heere dienten, tobten zu lassen. Auf diese Nachricht beschleunigte Appius seine Ab­ reise von Rom; auf einem schlechten Ruderschiffe und mit einigen Frachtschiffen landete, begünstigt von einer dunklen Nacht, der Consul, welcher von seinem Kahne seitdem den Beinamen Cander erhielt, auf Sicilien, und schlug — der erste Sieg der Römer außerhalb des festen Landes — den König Hiero beim Berge Chalcis.

nachher erlitten Messana.

die Karthager

durch

AppinS

Gleich

eine Niederlage

vor

Als im folgenden Jahre (491, 263) die Consuln Manius OtacilliuS Crassus und Manius ValeriuS Flaccus auf Sicilien landeten, sah der

von den Römern bedrängte König Hiero sich veranlaßt, Frieden und

Bündniß mit ihnen abzuschließen; er gab alle Gefangenen frei, zahlte hundert Talente (nach Orosius das Doppelte), und es wurde ihm außer

Syrakus ein. bedeutendes Gebiet von den Romern zugesichert.

Hiero

199

Der erste punische Krieg.

nahm jedoch keinen weitern thätigen Antheil an dem Kriege, nach

einigen Jahren erließen die Römer ihm, wegen bewiesener standhaften Treue, den Tribut; er beherrschte noch lange sein Volk in glücklicher

Ruhe, welche der Dichter Theocrit uns in seinen Idyllen malt, und starb

erst ein Jahr nach der Schlacht bei Cannä, nach

mehr als

fünfzigjähriger Regierung, ein neunzigjähriger Greis.

Mit den Karthagern, welche nun mit zahlreichen Söldnerschaaren aus Gallien, Ligurien und Hispanien, auf der Insel erschienen, wurde der Krieg fortgesetzt.

Die Eroberung von Agrigent (492, 262) ließ

die Römer zuerst den Plan fassen, die Karthager ganz aus Sicilien zu vertreiben.

Um diesen Zweck zu erreichen, war cs nothwendig, eine Flotte zu schaffen. Die Römer hatten bis dahin nur eine geringe Kenntniß des Seewesens

gehabt;

die Schiffe,

deren sie

sich zu Anfänge dieses

Krieges bedienten, waren alle von den Tarentincrn, Lokrern, Eleaten

und Neapolitanern entlehnt. Der Senat beschloß, hundertundzwanzig Schiffe nach dem Muster eines gestrandeten karthaginiensischen Fahrzeuges zu bauen; man ließ Bäume in den Wäldern hauen; in zwei Monaten war der Bau voll­ endet; von ganz grünem Holz, demnach von nicht größerer Dauer, als Gewandtheit; die unbehülflichen Gebäude gehorchten dem Steuer­

ruder nur unvollkomnicn, und bewegten sich schwerfällig unter Segeln und Rudern, deren Handhaber auf Bänken eingeübt wurden, welche auf dem Lande hingestellt waren. Die Karthager, welche inzwischen mit Mangel an Gelde zur Be­

friedigung der unwilligen Soldtruppcn zu kämpfen hatten, plünderten

damals die Küsten Jtalien's. Der Römer Flotte erschien ihnen ein Gegenstand des Spottes; vermehrt wurde ihr Hohn durch die Unfälle deS Consuls En. Cornelius Scipio Asina, dem die Leichtgläubigkeit, mit welcher er sich von falschen Boten entfernter Inseln, die ihn ein­

luden,

sie von der Karthager Herrschaft zu befreien, verleiten ließ,

siebcnzehn Schiffe und die Freiheit gekostet hatte. Inzwischen erfand ein Baumeister auf des andern Consuls C. Dui-

lius Hauptflotte ein Rüstzeug zum Entern (corvus), welches den Nachtheil der Unbeweglichkeit ihrer Schiffe hob und — als damals noch unbekannt — einen solchen Erfolg zeigte, daß Duilius bei Mylä über den Admiral Hannibal, der mit seiner Flotte, wie zum Triumphe, ohne Schlachtordnung zu bilden, herangezogen war, einen Sieg erfocht,

200

Nom.

Welcher den Karthagern fünfundvierzig Schiffe und zehntausend Men­ schen kostete (494, 260).

Dem Consul DuiliuS bewilligten die Römer

für den ersten Seesieg ihrer Flotte den Triumph, und verlängerten den dabei stattfindenden Gebrauchs den Sieger Abends mit Musik und

Fackelschein nach Hause zu geleiten, für die ganze Dauer seines Lebens. Auf dem römischen Markte wurde ihm zu Ehren eine Säule von weißem Marmor errichtet, nach den daran befestigten Schiffsschnäbeln

Columna rostrata genannt.

Sie stand noch in PliniuS Zeit und

ward 1560 durch einen Zufall wieder aufgefunden. Nach diesem Seekriege theilten die Römer ihre Streitkräfte ; der Consul L. Cornelius Scipio ging mit der Flotte nach Corsica und

Sardinien, und bemächtigte sich dieser Inseln größtencheils.

Sein

Nachfolger im Consulate, C. Sulpicius Paterculus, vollendete diese Eroberungen, nachdem er die Flotte des Hannibal in einem sardini­ schen Hafen zerstört hatte.

Dieser Feldherr, der Sohn Gisgos, welchen

die Geschichtschreiber den alten Hannibal nennen, um ihn von dem großen Hannibal zu unterscheiden, wurde von empörten Seeleuten

seiner Flotte gekreuzigt. Während dieser glücklichen Erfolge war Rom durch die Empörung

von viertausend Samnitern, welche man als Flotte gepreßt hatte, in große Gefahr gerathen.

Ruderknechte für die

Auf Sicilien hatte

Hamilkar Vortheile über die Römer erfochten; der Tribun M. Cal-

purnius Flamma rettete das römische Heer in den Gebirgen auf dem Zuge wider Camarina durch eine That, die der alte Cato mit der

deS Leonidas vergleicht. Camarina wurde eingenommen und gleich dem früher von den Puniern verlassenen Mysistentum zerstört. Im achten Jahre des Krieges war noch fast die Hälfte Sicilien'ö, namentlich die Nord- und Westküste, in den Händen der Karthager, und cs schien den Römern immer mehr nothwendig, den kostspieligen Krieg durch eine entscheidende Unternehmung zu beendigen.

Sie be­

schlossen den Feind iir Afrika selbst anzugrcifen, und beauftragten zu

diesem Zuge die Consuln L. Manliuö Vulso und M. Attilius Reguluö. Bei Ecerinus, wo die Karthager vor einem halben Jahr­ hundert über Agathokles gesiegt hatten, trafen beide Flotten an ein­ ander, die punische, angefiihrt von jenem Hanno, der bei Agrigent den Cornelius Asina hintergangen hatte und von Hamilkar, der kurz zuvor d^m C. Reguluö ein Sectreffen bei TyndariS geliefert hatte. Es entstand ein Kampf von mehr als dreihundert Schiffen und drei-

201

Der erste purüsche Krieg.

hunderttausend Menschen, in Folge desselben landeten die Römer an der afrikanischen Küste, am Vorgebirge Hermäum, und bemächtigten sich der Stadt Clupea, (497, 257). Sie verheerten von dort die

fruchtbaren Ebenen Afrika's, die lange keinen Feind gesehen hatten,

und machten große Beute,

Regulus, welcher seine Zurückberufung

erbeten hatte, da sein Meierhof von sieben Ackern seine Aufsicht er­

fordere, weil ein bestellter Tagelöhner ihm alles Vieh und alle Vorräthe entwendet habe, blieb in Afrika, als der Staat ihm zusicherte, seine Frau und Kinder auf öffentliche Kosten zu ernähren. Während die Karthager ihr Heer dem aus Sicilien herbeigerusenen Hamilkar, dem Bosstor und Hasdrubal übertrugen, war Regulus schon bis zu den Usern des unfern Karthago's ins Meer fließenden

Bagrada gelangt.

Hier wurde er genöthigt, mit Belagerungswerk-

zeugen gegen eine ungeheure Schlange zu kämpfen, welche das Wasser im Flusse vergiftete, die Luft ansteckte, und Thiere mit ihrem bloßen

Hauche tödtete. Das Ungeheuer wurde erschlagen, die Haut nach Rom geschickt, und ward dort noch zur Zeit des numantinischen Krie­ ges aufbewahrt. Nachdem die Römer über die Bagrada gegangen waren, erfochten sie bei Adis einen Sieg, welcher den Karthagern siebenzehntausend Todte, fünftausend Gefangene und achtzehn Elephan­ ten kostete. Die Fortschritte des Regulus versiegelten, wie er dem Senate nach Rom schrieb, die Thore Karthago's mit Schrecken; eine Gesandtschaft bat im römischen Lager um Frieden; allein Regulus verlangte Abtre­ tung Sicilicn'ö, Sardinien's und Corsica's, Schatzpflichtigkeit und An-

erkennung der Hoheit Rom's.

Während der Unterhandlungen hatten

die Karthager nach Griechenland geschickt, um Miethvölker zu werben; diese langten jetzt in Afrika an; ein Lakedämonier, Tanthippus von Therapea, welcher auf die Mißbräuche ihrer Tactik aufmerksam ge­

macht hatte, wurde an die Spitze des Heeres gestellt. Dieser lieferte dem Regulus eine Schlacht, in welcher die Römer völlig geschlagen wurden, und ReguluS in Gefangenschaft gerieth.

noch in den Händen der Römer.

Nur Clupea blieb

Lanthippus, mit Undank gelohnt, verließ bald darauf Afrika. Eine neue römische Flotte unter M. Aemilius PauluS erschien bei Hermea, die Karthager wurden zur See und zu Lande geschlagen, die Römer sahen sich aber wegen Mangels an Lebensmitteln genöthigt, Afrika zu verlassen; ein Sturm vernichtete ihre Flotte; die Küste Sicilien'S ward mit den Trümmern von zwei-

202

Rom.

hundert Schiffen bedeckt;

die Schätze aber, welche Regulus erbeutet

hatte, wurden ein Raub des Meeres.

die Karthager straften

Afrika war nunmehr von Römern befreit; mit großer Härte

die von ihnen

abgesallenen Nachbarstämme;

ein

neues Heer unter Hasdmbal landete auf ©teilten; er erlitt auf Panormus durch L. Cäcilius Metellus eine Niederlage, in Folge deren

er bei seiner Rückkehr in Karthago zum Tode vemrtheilt wurde. Römer begannen darauf die" Belagerung von Lilybäum.

thager cittmuthigt durch

Hasdmbal's

Niederlage,

Die

Die Kar­

sendeten

den

bei

ihnen in Gefangenschaft lebenden Regulus nach Rom, um einen Frie­ den zu unterhandeln, und legten ihm die

Verpflichtung auf, in die

Gefangenschaft zurückzukehren, falls die Unterhandlungen nicht den er­

warteten Ausgang haben sollten.

Stadt kam,

römischer Bürger sei,

und der Rath

Stadtthore Gehör zu geben pflege.

seinen

Als Regulus vor die Thore der

weigerte er sich, dieselbe zu betreten, da er nicht mehr

beiden kleinen

Kindern

zu

den

Fremden

außerhalb

der

Seine Frau, Marcia, kam mit ihm;

er

warf nur einen wilden

Blick auf sie und sah dann starr zur Erde nieder.

Vor dem Rathe

erschien er zugleich mit den punischen Gesandten; er sprach erst, als

diese ihm, ihrem Sclaven, es geboten hatten. zuvörderst

seines Auftrages,

Nun entledigte er sich

die Unterhandlung

die Auswechselung der Gefangenen betreffend.

eines Friedens Dann

und

aber stellte er

vor, wie Beides bei der Erschöpfung Karthago's nicht rathsam sei;

er halte

es

vielmehr für nothwendig,

den Krieg

fortzusetzm.

Die

Römer gaben seinen Worten Gehör; der Pontifer Marimus glaubte ihn seines Eides entlassen zu können, er aber, wohl wissend, welche Marter ihm die Puttier bereiten würden, kehrte unter dem Wehklagen der ganzen Stadt auf das karthaginiensische Schiff zurück.

Das Volk

der Punier, welches jedes Versehen der eigenen Anführer mit blutigem Tode zu strafen pflegte, ersann in der Erbitterung neue, bisher un­ gekannte Martern, mit denen man den Verhaßten dem Tode übergab.

Als diese Grausamkeit in Rom kund wurde,

überlieferte der Senat

zur Wiedervergeltung die vornehmsten punischen Gefangenen der Wittwe

deS Regulus; diese ließ sie in große mit Nägeln beschlagene Kasten stecken; Bodostar starb am fünften Tage; Hamilkar wurde nach zehn­ tägigen Leiden auf Befehl des Raths befreit, und die Asche des Bo­

dostar nach Karthago geschickt, um die rohe That zu sühnen.

Die fernere Geschichte des punischen Krieges, welcher seit Hasdrubal'S

Der erste prmische Krieg.

203

Niederlage noch zehn Jahre fortgeführt wurde, ist wenig rühmlich und

wenig glücklich für die Römer. In chieser ganzen Zeit wurde die Be­ lagerung von Lilybäum fortgesetzt, dem wichtigsten festen Orte der Punier auf Sicilien; eine Auswechselung der Gefangenen kam drei

Jahre später wirklich zu Stande. Bei Drepanum wurde der Consul P. Claudius Pülcher, ein Sohn des blinden Appius, (504 , 249) von der Flotte des Adherbal angegriffen und verlor dreiundneunzig Schiffe mit der Mannschaft. Er hatte den Kampf gegen die Augurien

gewagt, befohlen die Käfiche der weissagenden Hühner über Bord zu werfen, und sich dabei die frevelnden Worte erlaubt: „Wollen sie nicht essen, so laßt sie trinken." Der stolze Consul wurde zur Rechen­ schaft gezogen,

als

aber ein plötzlich

entstehender Sturmwind das

Volk vom Markte vertrieb, wurde dies Ereigniß als eine stillschwei­

gende Lossprechung der Götter betrachtet. Cr starb bald darauf, wie wir aus der Erzählung der kurz nach­

her geschehenen Bestrafung seiner Schwester Claudia wissen. Diese fuhr von einem öffentlichen Schauspiel nach Hause und geriet!) unter eine Menge Volks im Gedränge.

Da rief sie im Zorne: „Wie viel ärger würde dies Gedränge sein, wenn mein ®ruber nicht die Flotte verloren hätte! Möchte er doch noch leben, um eine neue nach Sicilien führen zu können, damit dieses Gesindel umkomme, welches mir hier so lästig wird!"

Wegen dieser Worte ward sie durch die Aedile

vor die Versammlung der Tribus gefordert und in eine Geldstrafe

verurtheilt, deren Ertrag zur Erbauung einer der Freiheit geweihten Capelle auf dem aventinischen Berge verwendet wurde.

Als

Claudius

befohlen worden, seine Würde niederzulegen und

einen Dictator zu ernennen, bestellte er dazu, zum Hohne des Volkes,

einen seiner Clienten, Claudius Glycias, einen Menschen ans dem untersten Pöbel, bis dahin Gerichtsdiener (viator). Die Republik er­ trug die Frechheit nicht; sie gestattete dem Glycias zwar für seine

übrige Lebenszeit den Purpurrock im Circus zu tragen, nöthigte ihn aber, seine Würde niederzulegen. An seine Stelle wurde M. Atilius CalatinuS zum Dictator ernannt; die Boten, welche ihm die Ernen­ nung ankündigten, fanden ihn beschäftigt, sein Feld mit eigener Hand

zu besäen; er erhielt daher den Beinamen SeranuS. Die Karthager benutzten mit vieler Thätigkeit den Sieg bei Dre­ panum; eine andere römische Flotte unter dem Consul JuniuS Pullus

204

Rom.

wurde gleichfalls, theils vom Sturm, theils von den Karthagern vernichtet. Allein eine gefährliche Meuterei der Soldaten hemmte, während Carthago die Küsten Jtalien's verheerte, die Schritte der Karthager. Diesen Aufruhr dämpfte der neue Anführer der Karthager, Hamilkar

Barka.

Er war damals noch, wie Nepos sagt, ein Jüngling, ent­

sprossen aus einem alten Geschlechte, welches Barka, den Bruder der

Dido, als Ahnherrn nannte. Vom Jahre 506 bis 512 (248 bis 242) zeigte Hamilkar sich thätig im sicilianifchen Kriege, er plünderte die Küsten Jtalien's, be­

festigte in der Nähe von Panormuö die Hohe Epiracte und besetzte die Stadt Eryr, deren höherliegende Burg die Romer inne hatten. Der Hauptzweck beständiger, aber unentschiedener Gefechte,

wegen

deren anscheinender Einförmigkeit und zahllosen Menge Polybius eine

Geschichte dieser Jahre für kaum möglich hält, war die Einnahme Um diese zur Entscheidung zu brin­

von Lilybäum imb Drepanum.

gen, beschlossen die Römer (512, 242) eine neue Flotte auszurüsten,

zu welchem Zwecke einzelne Bürger die Kosten freiwillig hergaben. Plötzlich, ehe die Karthager cs vermutheten, erschien (512, 242) der Consul L. Lutatius EatuluS mit einer zahlreichen Flotte vor Lilybäum und Drepanum, und schlug den gegen ihn anziehenden Hanno in einer entscheidenden Seeschlacht bei den ägatischcn Inseln. Nach dieser Niederlage fand Hamilkar, überlegend, daß die belagerten Orte Lily­ bäum, Drepanum und Eryr sich nicht so lange, bis neue Hülfe von Karthago kommen konnte, halten würden, sich genöthigt, Friedens­ vorschläge zu thun. Catulus machte ihm die schimpfliche Bedingung, mit seinem Heere durchs Joch zu gehen; als Hamilkar jedoch erklärte, lieber mit seinen Truppen untergehen zu wollen, stand Catulus von

seiner Forderung ab. Im Lager vor Eryr kam darauf (514, 240) ein Friede zu Stande, demzufolge die Karthager Sicilicn und (wie die Worte sehr zweideutig, mindestens unbestimmt gestellt wurden) alle umherliegcnden Inseln räumen, den Römern innerhalb zwanzig Jahren 2200 Talente Silbers zahlen, alle Gefangenen ohne Löscgcld zurück­

geben und mit König Hier» keinen Krieg führen sollten.

So lauteten

die Bedingungen, wie sie durchs römische Volk geschärft, von Ha­ milkar angenommen wurden.

reichs

Sicilien, mit Ausnahme des König­

Syrakus, wurde zu einer römischen Provinz gemacht.

Es

wurden zugleich ein Prätor als Obrigkeit und Haupt der Kriegsmacht

Der zweite punische Krieg.

205

und ein

Quästor zur Erhebung der Abgaben dahin geschickt. Die Einkünfte bestanden in einer bestimmten Schatzung und in Zehnten

und

Zoll.

Letztere Abgabe wurde an Publicani, gewöhnlich

aus

So, und nur verbündet, also nicht denk Statthalter, sondern dem Senate in Rom untergeben, blieben auch

dem Ritterstande verpachtet.

die Republik der Mamertiner und Tauromenium. Außerdem waren mehrere Orte, als Segesta, Kentoripa, Galäsa, Halicyä und Panormus, wenigstens seit dem zweiten punischcn Kriege, frei und steuer­

frei, jedoch der mittelbaren Gewalt des Statthalters untergeben und

zu außerordentlichen Leistungen verpflichtet.

io. Der zweite punische Krieg. Als Saguut untergegangen war, sendeten die Römer den Q. Fa-

binS nach Karthago und verlangten zur Genugthuung die Ausliefe­

rung des Hannibal.

Der Rath in Karthago war in zwei Parteien

getheilt, den Barcincn gegenüber stand Hanno, welcher in einer vom Livius uns ausbcwahrten, zur Aufklärung der Verhältnisse jener Zeit so merkwürdigen Rede, anrieth, den Forderungen der Römer Genüge zu leisten.

Die Barcincn gewannen jedoch im Rathe die Oberhand;

der Unterhandlungen müde, warf Fabius sein Gewand in zwei Falten und sprach: „Was soll dies Zaudern, ich trage hier Krieg oder Frie­

den!"

Als die Vorsteher der Versammlung antworteten: „Gieb uns,

was Du willst", entschied der Mann, welchem späteres Benehmen den Namen deö Zauderers gegeben hat, durch raschen Entschluß für den

Krieg. — Ein Schauder ging durch die Versammlung, als Fabius seine Toga

öffnete, gleichsam als schütte er den Krieg über Karthago aus; die Barcincn aber stimmten mit Jubelruf ein Kriegsgeschrei an. Von Rom wurden, als der Krieg entschieden war, Tib. Sempronius Longns nach Sicilien, P. Cornelius Scipio und dessen Bruder, CnejuS, nach Gallia Transalpina gesendet; Ersterer mit der Weisung

nach Afrika, Letzterer nach Spanien zu schiffen. Hannibal besaß in hohem Grade die Liebe und daö unbegränzte

Zutrauen seines Heers;

die

alten Krieger sahen in ihm daö Bild

seines Vaters, das nämliche kühne Antlitz, das gleiche Feuer der Augen und die nämlichen Gesichtszüge. Er war in aller Wissenschaft der Panier und Griechen

gleich

bewandert; sein Körper war von

206

Rom.

Natur und durch Abhärtung zu jedem Dienste geschickt; er war eben

so gewandt, als stark; kein Uebermaß der Speise beschwerte ihn, nie

ermattete ihn der Hunger; Anstrengung schien ihm die Stärke, Schlaf­ losigkeit die Kraft zu vermehren.

Unersättlicher Ehrgeiz, Verachtung

der Menschen, die er nur als Mittel seiner Zwecke betrachtete, Grau­

samkeit, mehr als punische Treulosigkeit, wie Livius sagt, verdunkelte aber die großen Eigenschaften deS Feldherrn. Hannibal beschloß, den Feind nicht in Spanien zu erwarten, son­

dern ihn in seinem eignen Lande anzugreifen.

Er begab

sich

nach

Gades, stellte sich durch ein feierliches Opfer unter den Schutz des

dort verehrten Herkules, und forderte die Gallier in Italien auf, das Joch der Römer abzuwerfen, welches die Bojer auch zu thun nicht säumten,

als Hannibal

ohne Widerstand

über

die Pyrenäen

ging,

und sein Heer zu Jlleberis im narbonischen Gallien sammelte. Der Consul Scipio, welcher von Pisa abgesegelt war, hatte in­ zwischen seine Truppen in der Nähe von Massilien ans Land gesetzt. Durch

eine Kriegslist

bewerkstelligte Hannibal den Uebergang

über

die Rhone, ließ nach einem Reitergefechte die Römer unangegriffen,

zog

dm Strom hinauf

Insel,

wo

Rhodanus

und lagerte nach vier Tageözügen auf der und

Hannibal die Zwistigkeiten

Jsara

zusammenfließen.

Hier benutzte

zweier fürstlichen Brüder der Allobroger,

sich einen Anhang zu schaffm; von hier trat er den berühmten Zug

über die Alpen an, die er, wahrscheinlich über den kleinen St. Bern­

hard sein Heer führend, in fünfzehn Tagen überstieg. Als Hannibal in Jnsubrien anlangte, fand er sein Heer auf zwölf­

tausend Reiter, zwölftausend Karthager und achttausend Spanier herabgcschmolzen.

Seine Krieger glichen

theils Gerippen, welche vom

Tode erstanden waren, theils Wilden, die aus öden Steppen kamen.

Dennoch gewährte Hannibal ihnen nur kurze Ruhe; die blutige Er­ oberung von Taurinium erregte

solchen Schrecken bei den Galliem,

daß sie sich Alle unterwarfen, das Heer mit Lebensmitteln versorgten und es durch zahlreiche Mannschaft verstärkten.

Als

der

Consul

Scipio Hannibal's

Abzug

von den Ufern der

Rhone erfahren hatte, sendete er seinen Bruder Enejuö Scipio, nach

Spanien wider Hasdrubal; er selbst schiffte sich nach Pisa ein und zog durch Etrurien und über den Po, Hannibal entgegen.

Am Tici-

nuS (Tessino) traf er mit Hannibal's Reiterei zusammen, wurde ge­ schlagen und dankte sein Leben nur der heldenmüthigen Rettung seines

Der zweite puntsche Krieg.

207

siebenzehnjährigen Sohnes,

des nachmaligen Siegers von Zama. Scipio zog sich über den Po zurück; in seinem Heere entstand Meu­ terei unter den Galliern. In Rom rief man eilig den Consul Sem-

pronius aus Sicilien zurück;

er erschien binnen vierzehn Tagen an

der Trebia; durch eine entscheidende Schlacht hoffte er den Krieg zu beenden; erlitt aber eine Niederlage, von der er nach Rom schrieb; die Strenge des Winters und die Kälte des Wetters haben ihm den

Sieg auS den Händen genommen. Die Römer sahen sich nach dieser Niederlage und der darauf fol­

genden Eroberungen von Victumviä, gezwungen, Oberitalien zu räu­ men. Hannibal folgte ihnen; mit vielen Beschwerden zog er über die Appenninen, bestand ein blutiges Treffen mit Sempronius und rückte, nachdem er selbst auf diesem Zuge verwundet worden und durch eine Krankheit auf dem rechten Auge fast erblindet war, in Etrurien ein. Zu Rom veranlaßten diese Ereignisse eine ungemeine Auftegung und hatten eine entschlossene Anstrengung aller Kräfte des Staats zur

Folge. Der Consul Scipio noch von seiner Wunde nicht geheilt, ging nach Spanien ab, Truppen wurden nach Sicilien und Sardinien ge­ schickt; Tarent und die übrigen Seestädte wurden mit starken Besatzungen versehen. Zu Consuln wurden Cn. Servilius GeminuS und C. Fla-

Letzterer war auch ein Günstling deS Volks. Früher hatte er als Tribun durch seinen Vorschlag wegen Vertheilung der picentinischen Felder, Anlaß zum Kriege mit den Galliem gegeßen, nachher hatte er den Auspicien und den bestimmten Befehlen des minius Nepos gewählt.

Senats zuwider, eine Schlacht über die Jnsubrer gewonnen und den Triumph erlangt. Durch das von ihm ausgehende Claudische Gesetz (536, 218) hatte er den Patriziern die Freiheit zu handeln beschränkt,

dadurch den Haß derselben noch gesteigert, das volle Vertrauen des Volks aber gewonnen. Nunmehr wieder zum Consul erwählt, wurden ihm durch Augurien, Auspicien und andere Förmlichkeiten Hindernisse in den Weg gelegt, die ihn veranlaßten, als Privatmann, ohne dem Jupiter Latiaris das feierliche Opfer auf dem albansschen Berge zu bringen, ohne feierliche Gelübde auf dem Capitol, ohne Feldherrn­ mantel und ohne Lictoren die Stadt zu verlassen und zum Heere ab­ zugehen. Seine Feinde klagten, Flaminius sei nicht mehr mit dem Senate allein, sondem auch mit den unsterblichen Göttern im Kriege. Hannibal, welcher genaue Kundschaft von der Unerfahrenheit und dem Ungestüm seines Gegners erhalten hatte, lockte ihn in die Gegend,

208

Rom.

welche von den Bergen bei Cortona und dem trasimenischen See um­

schlossen wird;

hier erlitt Flaminius

(537,

eine vollständige

217)

Niederlage und wurde selbst von einem Jnsubrer erstochen. Unbeschreiblich war die Bestürzung in Rom,

als der Prätor M.

Pomponius dem versammelten Volke die Niederlage verkündete.

Bald

nachher lief eine neue Unglücköbotschaft ein von der Niederlage, welche der

Proprätor

C.

CenteniuS

in

Umbrien

von

Maharbal

erlitten.

Schon fürchtete man den Feind bald vor den Thoren zu sehen.

Da

der Consul abwesend war, schritt man dazu, daß Q. Fabius Marimus Sie sollten für schleunige Be­

RusuS als Oberster beigegeben wurde. festigung der Stadt Sorge tragen.

Große Opfer und Gelübde wur­

den den Göttern gebracht.

Hannibal

war nach der Schlacht durch Umbrien

nach Spoletum

gezogen; darauf verheerte er die Länder der Marser, Marucincr und

Peligner und drang bis in die Gegend von Apulien vor.

Plane

Seinem

mit Italern gegen Rom Krieg zu führen, tödtete er

gemäß,

alle Waffenfähigcil, die sich ihm nicht anschlvssen und nahm diejenigen

mit Wohlwollen auf, welche die Waffen gegen Ronr ergriffen. Dictator hatte befohlen, auf dem platten Lande Alles

Der

zu verheeren,

wo der Feind sich zeigen wurde; mit vier Legionen ging er Hannibal entgegen und bezog ein Lager bei Ancä.

Sorgfältig vermied er eine

Schlacht; als Hannibal in daö reiche Land der Samniten zog, folgte Fabius ihm langsam mit vieler Behutsamkeit bis inS Land der Cam-

paner, dann zu den Peligncrn, und endlich nach Apulien.

setzte Hannibal Gcronium, FabiuS Lavinum.

einer heiligen Handlung nach Rom gcreiset war, Abwesenheit MinuciuS einige Vortheile. zufrieden Ritter

über Fabius

gleiche

zum Heere

Rechte

Zaudern.

erlangte in seiner

In Rom war man sehr un­ beschloß dem Obersten

mit dem Dictator zu verleihen. kamen die

zurückkehrte,

Heer zu theilen.

Man

Hier be­

Als der Dictator wegen

beiden

der

Als Fabius

Dictatoren überein, ihr

Minucius ließ sich in ein Gefecht ein; seine Legionen

geriethen in die größte Gefahr; da nahete zu rechter Zeit Fabius in

geordneter Schlachtreihe

und

rettete

seines

Nebcnfeldherrn

Heer. —

Minucius bekannte seine Unbesonnenheit und sein Unrecht, laut nannte

er Fabius seinen Retter und seinen zweiten Vater und unterwarf sich ganz seinem Oberbefehl.

In Rom erhob man den eben erst so tief

herabgewürdigten Dictator mit den höchsten Lobsprüchen. Als

die

sechs

Monate

seiner Dictatur verstrichen

waren,

kehrte

Der zweite punische Krieg Fqbius nach Rom zurück.

209

Für das Jahr 538 (216) wurden die

Konsuln L. AemiliuS Paulus. und C. Terentius Varro erwählt, die Beide ins Lager abgingen.

Aemilius hatte sich schon int illyrischen

Kriege ausgezeichnet; Barro war ein Mann niederer Herknitst, Günst­

ling des Pöbels, unbesonnen und heftig.

Die beiden Konsuln, welche

täglich im Oberbefehl abwechseltcn, führten das Heer an den Aufidus,

wo Hannibal die kleine Festung

Cannä belagerte.

Das römische

Heer war dem des Hannibal weit überlegen an Anzahl. An einem Tage, da Varro den Oberbefehl führte, nahm dieser die Schlacht an;

die Römer erlitten eine vollständige Niederlage;

sie sollen siebenzig­

tausend Mann verloren haben; unter den Todten waren MinuciuS und der Konsul Aemilius. Der Konsul Varro entkam mit wenigen Reitern nach Venusia, eine kleine Schaar sammelte sich bei Ciunisium, und beabsichtigte von hier sich über das adriatische Meer zu retten;

so berühmte Scipio verhinderte durch seine kräftigen Vorstellungen die Ausführung dieses Entschlusses. Zu diesem unglücklichen Ereigniß gesellte sich noch die Niederlage, welche der Prätor Postumius Albinus im cisalpinischen Gallien erlitt. Es war in diesen Tagen, daß Fabius beruhigend und sorgend auftrat,

der nachmals

und den Muth in der Stadt anfzurichten suchte. Die zweckmäßigsten Maßregeln zur Vertheidigung Rom'S wurden getroffen, allein kein Feind erschien. Hannibal mußte auch damals und später noch den Vorwurf ertragen, er verstehe wohl zu siegen, nicht aber deit Sieg zu benutzen. Der Krieg, welchen er seitdem in Italien führte, tritt gewissermaßen in de» Hintergrund gegen die Er­ eignisse in Spanien. So wie der erste punische Krieg um Sicilien in Sicilien, so wurde der zweite um Spanien in Spanien geführt. Denn nicht Hannibal'S Krieg in Italien, sondern der Kampf auf der spanischen Halbinsel entschied die Frage über Karthago's und Rom's Herrschaft. Die Römer beabsichtigten bei Ausbruch des Krieges den Kampf

sowohl in Spanien, wie in Afrika zu führen.

Hannibal'S Zug durch Italien störte ihren Plan; der Konsul Publius Scipio sendete jedoch seinen Bruder CnejuS mit den dazu bestimmte» Legionen nach Spa­

nien, wo Hannibal seinen Bruder Hasdrubal mit fünfzehntausend Mann bei Neu-Karthago, Hanno mit zehntausend Mann im Norden

deS Jberus zurückgelassen hatte.

Als Cnejus Scipio, von Massilien

abgehend, zu Emporium landete, fiel ihm das ganze Küstenland zu; HiKor. Lesebuch. I.

14

210

Rom.

seine Milde und Freundlichkeit gewann ihm bald di« durch Hannibal'S

grausame Rohheit niedergebeugten Gemüther.

Hanno wurde selbst bei Scissis geschlagen und gerieth in Gefangenschaft; Hasdrubal zog sich

nach vergeblichem Kampfe zurück in die Winterquartiere zu Reu-Kar­

thago, Cn. Scipio blieb zu Tarraco (536, 218) nachdem er die Jlergeten, Ausetaner und Lacetaner unterworfen hatte (536, 218). Im nächsten Frühjahre machte Hasdrubal einen Angriff durch eine

von Reu-Karthago längs der Küste ausgesendete Flotte, wie auch mit einem Landheere. Die Flotte wurde an der Mündung des JberuS geschlagen, eine römische Flotte plünderte die Küste bis unter die Mauern von Reu-Karthago, dessen Vorstädte niedergebrannt wurden.

Die Fürsten der Jlergeten, Mandonius und Jndibilis wurden von den Römern, und der ihnen zu Hülfe ziehende Hasdrubal von den

Celtibcriern geschlagen. Im Sommer dieses Jahres (537, 217) kam Publius Scipio nach Spanien; beide Brüder überschritten nunmehr den Jberus; durch List

bekamen sie die Geisel der Völkerschaften, die Hannibal sich hatte aus­ liefern und zu Sagunt aufbewahren lassen, in ihre Hände und er­ langten dadurch ein großes Uebergewicht in Spanien. Im folgenden Jahre (538, 216) verbreitete sich das Gerücht, Has­ drubal habe von Karthago aus den Befehl erhalten, nach Italien zu ziehen. Dies Gerücht veranlaßte viele Völkerschaften zum Abfall von den Karthagern; Hasdrubal verstärkt durch ein von Himilco ange­ führtes Heer, erlitt am Jberus durch die Scipionen eine Niederlage, in welcher er fünfunddreißigtauscnd Todte und Gefangene verlor. Der Kampf im folgenden Jahre (539, 215), wurde den Römern durch bedeutende Unterstützungen, welche Hasdrubal's Bruder auS Afrika herbeiführte, erschwert.' Castulo, die Vaterstadt der Gemahlin

des Hannibal, fiel von den Karthagern ab; nicht fern davon schlug Cn. Scipio die Punier bei Jlliturgi; er gewann einen neuen Sieg bei Munda, und noch zwei Schlachten in diesem Jahre fielen zum Vortheil der Römer aus, welche Sagunt darauf wieder einnahmen und die Stadt den alten Einwohnern zurückgaben. Die Turdetaner dagegen, welche den Unfall Sagunt's verschuldet hatten, wurden als Sklaven verkauft. Zonaras erwähnt, wie uneigennützig die Scipionen sich bezeigt hätten, sie nahmen von der reichen Beute fast nichts in Anspruch und schickten ihren Kindern nur einige erbeutete Würfel nach Rom. —

211

Der zweite punische Krieg.

Im nächsten Jahre (540, 214) wurde Hasdrubal nach Aftika ge­

rufen, um Syphar, einen benachbarten Fürsten der Numidier, zu be­ kämpfen. Syphar, Fürst der Masäsyler, hatte ein Bündniß mit den Römem abgeschlossen; Gala, Mastnissa's Vater, Fürst der Massylier im Osten Numidien'S, dagegen sich mit den Karthagern verbündet. Syphar wurde geschlagen,

von Masinissa gehindert, nach Spanien

überzugehen und zum Frieden genöthigt.

Alö Masinissa darauf mit seinen Numidiern nach Spanien zu Hülfe der Karthager zog, gaben sie Sophonisbe, die Tochter des HaSdrubal Gisgo, ohne Wissen deS

Vaters, dem Fürsten Syphar zur Ehe.

In Spanien fiel in diesem

Jahre nichts von Bedeutung vor, die Römer nahmen zum erstenmale Solviruppen, anö Celtiberern bestehend, in Dienst. Zwei Jahre geschah fast nichts von Bedeutung in Spanien; die Karthager hielten sich in ihren festen Orten; die Römer suchten die Bündnisse mit den Einwohnern auszudehnen und zu befestigen. Im

Jahre 542 (212), nach Beendigung des numidischen Krieges, führten Hasdrubal Barca, Mago und Hasdrubal Gisgo, drei Heere in Spanien.

Die Scipionen theilten gleichfalls ihre Truppen; die Cel-

tiberer, von Hasdrubal bestochen, verließen das römische Heer; Publius Scipio wurde im Kampfe wider Masinissa, Mago und Hasdrubal

Gisgo, in der darauf mußten

zu denen sich auch Jndibiliö, der Fürst der Lacetaner, gesellte, Nähe von Castulo, erschlagen. Die Sieger wendeten sich gegen En. Scipio in die Gegend von Orson; die Römer der Uebermacht weichen; Cnejus rettete sich in einen Thurm,

wo er durch die Libyer in den Flammen umkam, neunundneunzig Tage nach dem Tode seines Bruders. Rom'S Herrschaft in Spanien schien vernichtet zu sein.

Da trat

ein Jüngling, L. Marcius, auf, sammelte die zerstreuten Schaaren und erfocht, vom Heere zum Anführer gewählt, über die den Jberus überschreitenden Karthager einen Sieg, welcher daS Gleichgewicht

einigermaßen herstellte.

Die Karthager benutzten ihren Sieg durch

Wiederunterwerfung der spanischen Völkerschaften,

entfremdeten sich

jedoch bald viele derselben wieder durch Härte und Willkühr. Zudem herrschte keine Einigkeit unter den drei Feldherrn. Als (543, 211) Claudius Nero den Oberbefehl in Spanien als

Proprätor erhielt, vermieden die Karthager einen offenen Kampf. P. Eornelinö Scipio, der vierundzwanzigjährige Sohn des gefallenen Consuls, erbot sich, den Oberbefehl zu übernehmen, er habe Vater,

14*

212

Rom.

Oheim und Vaterland zu rächen, und verspräche, nicht allein Jberien,

Furchtsame, sagt

sondern auch Libyen und Karthago zu bezwingen.

freuen sich über Versprechungen;

Appian,

daS Volk wählte Scipio

zum Heerführer; die Arlteren aber schmähten ihn wegen seiner Ver­

Man wollte schon seine Wahl

wegenheit.

widerrufen,

als er aber

selbst erklärte, znrücktreten zu wollen, wenn ein Aelterer gesonnen sei, die Anführung zu übernehmen,. war Niemand dazu crbötig.

Schon

die Nachricht von seiner Ankunft wirkte mit Allgewalt auf das ver­

derbte und zerrüttete Heer, wie auf die wankenden Bundesvölker.

ES

verbreitete sich der Ruf, Scipio sei durch die Schickung eines Gottes

zu

ihnen gekommen,

und

er unterließ eS nicht,

nähren und sich zu Nutze zu machen.

diesen Glauben zu

Die Feldherren der Karthager

hatten ihre Winterquartiere bezogen, Mago bei den Säulen des Her­

kules, Hasdrubal Giögo in Lusitanien, biete der Carpetaner.

Scipio zog

Hasdrubal 53circa im Ge­

im Frühjahre 544 (210) wider

Neu-Karthago, um durch einen plötzlichen Angriff die Hauptstadt der Punier in Spanien, die Niederlage aller ihrer Vorräthe und Schätze, zu erobern.

Während er zur Landseite vorrückte, erschien sein Freund

C. Lälius, der Einzige, welcher um seinen Plan wußte, mit der Flotte

vor der Stadt, die, durch Mago

von den Römern

vertheidigt,

im

Sturm genommen und den Soldaten zur Plüuderung Preis gegeben

wurde.

Mago übergab die Burg

und den Ueberrest der Besatzung

in Kriegsgefangenschaft. Mit zuvorkommendem Wohlwollen behandelte Scipio die gefangenen Spanier; die dem Fürsten Alluciuö zurückgegebene Braut, die Scho­ nung der Gemahlin des Mandonius und der Töchter dcS Jndibilis

dienten dazu, die Häupter der Celtiberer auf Seite der Römer zu ziehen.

Nachdem Scipio Neu-Karthago befestigt hatte, brachte er den

Winter

in Tarracon

zu;

im Frühjahr

(545,

209)

zog

er wider

Hasdrubal 93circa, der bei der Stadt Bäcula, unweit Castulo, stand;

Scipio erfocht einen glänzenden Sieg und erbeutete das pnnische Lager.

Die freundliche Behandlung, welche Mastiva, der Neffe des Masinissa, vom Scipio erfuhr, diente zur Anknüpfung des Verhältnisses mit dem

Numiderfürsten. Nach dieser Schlacht riesen die Spanier Scipio

Spanien aus; an.

Hasdrubal

er aber nahm nur die Benennung

beschloß,

an

der

Rettung

zum Könige von eines Imperator

Spaniens

verzweifelnd,

nach Italien zu ziehen; er führte diesen Zug im Frühjahr des folgenden

213

Der zweite punische Krieg.

Jahres (546, 208) aus, ging über die Pyrenäen, blieb ein Jahr in

Gallien, wo er sein Heer durch Söldnerschaaren verstärkte, zog dann über die Alpen und wurde in Italien am Metaurus

besiegt und

getobtes. An HaSdrubal's Stelle wurde von Karthago Hanno nach Spa­

nien geschickt. Die östliche Hälfte des Landes war den Moment unterworfen. Hasdrubal Gisgo sah sich größtentheils auf Bätica beschränkt. .

Der

Proprätor

Silanus

schlug

die

vereinigte

Macht

Hanno's und Mago's, deS Bruders Hannibal's. Im folgenden Jahre (547, 207) brachte HaSdrubal Gisgo ein bedeutendes Heer bei Silpia in Bätica zusammen, und vereinte sich Masinissa.

mit Mago und Scipio zog nun ihnen entgegen und gewann die zweite

Schlacht bei Bäcula. Die Karthager sahen sich nach dieser Nieder­ lage fast allein auf Gades beschränkt, und die Römer richteten bereits ihr Auge auf Afrika. Scipio begab sich selbst dahin, um persönliche Unterhandlungen mit Syphar

zu

pflegen,

denen

auch Hasdrubal

Gisgo beiwohnte. Im folgenden Jahre (548, 206) wurden mehrere Städte, nament­

lich das tapfer vertheidigte Astapa eingenommen; eine schwere Krank­ heit aber, welche Scipio befiel, gab mehreren Bundesgenossen, unter diesen auch dem Mandonius und Jndibilis, Anlaß wieder von den Römern abzufallen. Zu gleicher Zeit entstand ein Aufruhr int römi­ schen Lager am Sucro (Lucar), aus Unzufriedenheit über den langen

Aufenthalt in Spanien. Als aber die Nachricht sich verbreitete, daß Scipio wieder genese, war der Aufruhr gestillt, und die spanischen Fürsten kehrten in ihr Gebiet zurück.

Scipio folgte ihnen, schlug sie im Lande der Sedetaner und zwang sie, sich wiederum ^u unterwerfen. Masinissa, ein Fürst von seltener Schönheit der Gestalt und durch alle Gaben des Geistes ausgezeichnet, ließ, empört über die von den Karthagern geschehene Ueberlieferung seiner Braut Sophouiöbe an den

Fürsten Syphar, sich in ein geheimes Bündniß mit den Römern ein und versprach, Hülfe zu leisten, weiln der Krieg nach Afrika versetzt

würde.

Mago, welcher Befehl erhielt, nach Italien zu ziehen, verließ

Gades, welches sich darauf den Römern ergab.

Scipio hatte nun­

mehr die Karthager gänzlich aus Spanien vertrieben; als er (559, 205) zum Consul erwählt wurde und die Halbinsel verließ, wurde

Jndibilis von L. LentuluS und L. Manlius Acidinus geschlagen; er

214

Rom.

verlor in der Schlacht das Leben; Mandonius wurde den Römern Der Krieg in Spanien war beendet.

Msgeliefert.

Rach der Schlacht bei Cannä ist Hannibal noch vierzehn Jahre in Italien geblieben; die Geschichte dieser Zeit enthält die Begebenheiten, wie anfänglich die meisten Städte der Bundesgenossen von Rom ab­

fielen, dann aber, nachdem sie punische Herrschaft hatten kennen lernen, größtentheils unter Rom zurückzukehren suchten.

Hannibal führte den

Krieg, in welchem seitdem keine entscheidende Schlacht auf italischem Boden mehr vorfiel, größtentheils mit Hülfe der Samniten, Lucanier und Bruttier, so daß dieser Krieg gewissermaßen eine zweite Fortsetzung des frühern großen Samnitenkrieges zu nennen ist, ähnlich dem Kriege,

Während seiner italischen Feldzüge

mit Rom führte.

den Pyrrhus

hat Hannibal

mehr als zweihunderttausend Mann aus der Jugend

des Landes ausgehoben. Die erste Stadt, welche von Rom abfiel, war Compsa, im Lande der Hirpiner am Aufidus.

Dann nahm Hannibal durch Hülfe des

Pacuviuö Capua ein; die römische Besatzung wurde in den Bädern

erstickt.

Nach einem fiuchtlosen Versuche auf Neapel wendete Han-

nibal sich gegen Nola, wo er bedeutenden Verlust durch einen Ausfall

des Prätor Marcellus erlitt.

Nach einem gleichfalls erfolglosen Ver­

suche wider Casilinum bezog Hannibal die Winterquartiere von Capua.

Hier ergab

er nebst

seinem Heere

sich den Versuchungen der Aus­

schweifungen und Weichlichkeit; den sonst so unzugänglichen Feldherrn beherrschte Weins

eine

und

Schöne

Capua's, er

ergab

sich

im Seplasia,

dem Palais Royal Capua's,

zeigte

sich

den Freuden des

einem so verrufenen Orte, daß es für einen Römer unanständig ge­ halten wurde, fich dort sehen zu lassen.

Als er im folgenden Früh­

linge wieder aus Capua gegen Casilinum zog, schien sein Heer ein

ganz andres geworden zu sein, — die Beschwerlichkeiten des Krieges

waren seinen Soldaten so lästig, wie Neugeworbenen.

Endlich nahm

er Casilinum ein, wie auch nach heldenmüthiger Gegenwehr, Petilia, im Lande der Bruttier.

In Rom waren (539, 215) Sempronius Gracchus und Posthumiuö

Albinus

Heere

im Walde

zu

Consuln von

erwählt.

Litana

gegen

Als

Posthumius

mit

seinem

die Bojer umgekommen

war,

wurde Marcellus anstatt seiner gewählt; weil aber die Augurn die

Wahl

zweier

Plebejer

als

den

Göttern

mißfällig

erklärten,

trat

Der zweite punische Krieg.

215

Marcellus freiwillig zurück und FabinS Cunctator wurde zweiter Consul.

Zu Anführern der Heere wurden, außer den Consuln, Marcellus und

Terentius Varro bestellt.

Sempronius schlug die Campaner; Han-

nibal selbst erlitt eine Niederlage durch Marcellus bei Nola, dem

bald nachher Fabius befahl, sein Heer, bis auf die Besatzung voll

Nola, abzudanken. Inzwischen beruhigte Manlius TorquatuS den durch die Karthager

unter Haödrübal dem Kahlen unterstützten Aufstand der Sarden; in Spanien kämpften die Scipionen mit Erfolg. Der König von Macedonien, Philipp, aufgeregt durch Demetrius von Pharus, schickte

Gesandte nach Campanien in Hannibal's Lager; er schloß ein Büudniß mit den Karthagern, welches, als es in Rom bekannt wurde, im folgenden Jahre einen Ueberfall des Königs Philipp durch Valerius Lävius zur Folge hatte. Erst nach sieben Jahren (547, 207) wurde

dieser erste Krieg wider Macedonien beendet.

Im folgenden Jahre (540, 214), als Fabius und Marcellus Con­ suln waren, war daS Kriegsglück in Italien den Römern günstiger, als zuvor.

Gracchus schlug die von ihrem Medirtuticus angeführten

Campaner; er schlug Hannibal von Cumä zurück, welchem Orte zu Hülfe zu kommen, Fabius, durch unglückliche Auspicien verhindert wor­

den.

Bei Benevent erlitt Hanno

eine große Niederlage. — Nom

verlor in dieser Zeit einen bisherigen treuen Bundesgenossen. Der König Hiero war ein Jahr nach der Schlacht bei Cannä gestorben; sein Enkel, Hieronymus, welcher ihm im fiinfzehntcn Jahre auf den

Thron folgte, neigte sich zu den Karthagern. Als Hieronymus, schon früh in Wollüsten versunken und als Despot in Pracht und Handlungsweise sich zeigend, bereits im zweiten Jahre (540, 214) ermordet war, entschied das Volk von SyracnS, gegen den Willen des Senats, für eine offene Verbindung mit Karthago. Marcellus, den man das Schwert der Römer, wie Fabius den Schild derselben nannte, wurde nach Sicilien geschickt, wo er nach mehr als zweijähriger Belagerung das durch Archimedes Kunst vertheidigte Syrakus einnahin (542, 212.) Unter dem Consulate des

jüngern Fabiuö

und des Sempronius

(514, 213) wurde der Krieg in Italien ohne großen Nachdruck ge­ führt. Fabius, unter Leitung seines beim Heere gebliebenen Vaters, nahm Arpi in Apulien ein, Sempronius unterwarf mehrere Städte in Lucanien und Bruttium. Dagegen belagerte Hannibal Tarent und nahm diesen wichtigen Ort mit Ausnahme der Burg durch Lift ein.

216

Rom.

Die römische Besatzung zog heimlich nach Brundusium.

Auch Meta-

pont unterwarf sich den Karthagern. Im folgenden Jahre, als Q. Fulvius Flaccus und Appius Clau­

dius Pülcher Consuln waren (542, 212), erlitt Hanno bei Benevent eine Niederlage, in Folge welcher die Römer zur Belagerung Capua's

AIS der Proconsul Gracchus aus Lucanicn anrückte, um daS Belagerungsheer zu verstärken, wurde er durch die Berrätherei eines Gastftcundes, der ihn zu einer Zusammenkunft mit den Häup­ schritten.

tern der Lucanier geleitete, in die Hände numidischer Reiter geliefert, und von diesen nach tapferer Gegenwehr erschlagen. In dem näm­ lichen Jahre kamen die beiden Scipionen in Spanien um. Um

Capua zu entsetzen, gab Hannibal die Belagerung

der Burg von

Tarent auf, vernichtete ein von M. Centenius Pcnula angeführtes

Heer und schlug den Consnl Fulvius.

Ein hartnäckiger Kampf vor und in den römischen Verschanzungen bei Capua (543, 211), als Cn. FulviuS Centumalus und P. SulpiciuS

Galba

Consuln waren, fiel zu Hannibal's

Nachtheil aus.

Dieser faßte darauf, als er weder Capua zu retten, noch Tarent ein­ zunehmen vermochte, den Entschluß, die verödeten Gegenden deS Sü­

dens zu verlassen und einen Angriff auf Rom selbst zu machen. Ver­ wüstend und plündernd zog er über Cales und Casinum durch das

Gebiet von Fregellä über den Liris, dann über Anagnia, Laviacnm und Gabst und bis zum Anio, und schlug dreitausend Schritte von

Rom sein Lager auf. Sein Erscheinen erregte anfänglich große Be­ stürzung in Rom; gleichzeitig mit Hannibal war jedoch der Proconsul Fulvius mit seinem Heere auf der appischeu Straße angelangt; die Ruhe und Entschlossenheit der Römer kehrte zurück, die Beweise der­ selben, Zeichen deS Himmels und Luftgespenster sollen Hannibal be­

wogen haben, den Angriff auf die Stadt aufzugeben; er zog sich plötzlich wieder gegen Capua, schlug hier Appius Belagerungsheer, zog dann aber durch Lucanien nach Brultium. Capua, von Hannibal verlassen, sah sich genöthigt, den Römern die

Thore zu öffnen. FulviuS verfuhr mit großer Grausamkeit gegen die vor­ nehmsten Einwohner; das Eigenthum dieser fruchtbaren Ebenen wurde eingezogen, Freigelassenen wurde daS Land zur Bebauung überlassen, und die Stadt in Zuknnst durch von Rom dahin geschickte Obrigkeiten

verwaltet. Im folgenden Jahre (549, 210) erhielt Marcellus als Consul mit

217

Der zweite pmische Krieg. M. Valerius

Lävinus die Leiturg

dcö Krieges in Italien.

Nach

Capua'S Eroberung fielen allmählg immer mehr Städte, welche bis­ her die Karthager begünstigt hatte», den Römern wieder zu. Salapia wurde dem Consul Marcellus überliefert.

Dagegen erlitt der Pro-

consul FulviuS bei HerdoUea, wo vor zwei Jahren der Prätor gleichen

Namens geschlagen war, eine Nederlage, bei welcher er selbst das Leben verlor. Marcellus, durch diesen Unfall nicht gebeugt, lieferte darauf dem Hannibal bei Numißro

in Lucanien eine Schlacht, in

Folge welcher sich die Karthager nach Apulien zurückzogen. Die Consuln des folgenden Jahres (545, 209), Fabius Cunctator

und Q. Fulvins Flaccus, wurden, der Erstere gegen Tarent, der Letztere nach Lucanien und Brmtien geschickt, während Marcellus Hannibal

in Apulien beschäftigte.

Nach

zweitägigem Kampfe

bei

Canusium sah Hannibal sich zum Rückzüge nach Bruttium genöthigt.

Fulvius eroberte ohne Blutvergießen Lucanien, Hirpinien und einen Theil von Bruttium. Fabius nahm Tarent durch Verrätherei ein; um die Art der Eroberung zu verdecken, ließ er die ganze Besatzung nicdcrhauen; die Reichthümer der Seestadt waren unermeßlich ; der öffentliche Schatz gewann siebenundachtzigtausend Pfund Goldes; die

Bilder und Bildsäulen der Götter,

kostbare Meisterwerke der Kunst,

wurden auf Fabius Geheiß nicht berührt, man müsse, sagte er, den

Tarentinern ihre erzürnten Götter lassen; drcißigtausend Sklaven waren unter der Beute; die Bruttier wurden seitdem wegen ihrer den Kar­ thagern bewiesenen Hinneigung mit einer solchen Verachtung behandelt,

daß man sie nie zum Kriegsdienste nahm, sondern sie zu Dienern der Beamten in den Provinzen bestellte. Ein Versuch, den Hannibal

bald darauf machte, die Römer nach Metapontus zu locken, ward durch die Achtsamkeit, welche Fabius den Aussprüchen der Auguren

widmete, vereitelt. Im Jahre 546 (208), da Marcellus zum sünftenmale und mit ihm T. Quinctius CrispinuS Consul war, geschah cS, daß beide Consuln sich zwischen Bantia und Venusia, nur begleitet von einigen hundert Reitern, in einen Hinterhalt locken ließen, bei welcher Gelegen­

heit Marcellus das Leben verlor, Quinctius bald nachher an seinen

Wunden starb.

Die zur See begonnene Belagerung von Locri wurde

von den Römern anfgcgeben, dagegen mißlang der Versuch Hannibal's, sich der Stadt Salapia zu bemächtigen.

Im folgenden Jahre (547, 207) wurde der Consul Claudius Nero

218

Rom.

Wider Hannibal, Livius Salinator wider den aus Spanien anrücken­ den HaSdrubal geschickt. Hannibal wurde genöthigt, sich aus dem

tarentinischm Gebiete nach Bruttium zu ziehen, er erlitt Niederlagen bei Grummtum und Venusia und wurde genöthigt, sich weiter über

die Gebirge nach Metapoutium zu ziehen, wo Hanno neue TruppenAuöhebungen veranstaltete. Inzwischen hatte Hasdrubal die Alpen überschritten, und war bis Umbrien vorgedrungen. Dahin begab sich Nero, vereinte sich mit Liviuö Heer und nöthigte Hasdrubal in einer sehr nachtheiligen Stel­

lung am Metaurus zur Schlacht. Das aus sechstausend Mann be­ stehende Heer der Karthager wurde völlig vernichtet; Hasdrubal selbst ward erschlagen; Nero kehrte nach wenigen Tagen wieder in sein

Lager am Aufidus zurück. Er ließ HaSdnrbal's Haupt vor dem Lager der gegenüberstehenden Karthager an ein Kreuz heften; Hanuibal, tief erschüttert durch diesen Anblick, brach sein Lager ab und

zog nach Bruttium. Rach dieser Niederlage, welche Zonaras mit der von Cannä ver­ gleicht, sah Hannibal sich genöthigt, nur Vertheidigungsweise zu Werke zu gehen. Vergeblich hoffte er auf Hülst von Karthago; im folgen­ den Jahre (548, 206) geschah in Italien Nichts, als daß Lucanien den Römern wieder unterworfen ward. Als der Besieger Spanien's, Scipio nebst P. Licinius Craffus, Consul geworden (549, 205), wurde es Scipio gestattet, einen Zug

nach Afrika zu unternehmen,

gegen welchen zwar der alte Fabius

große Bedenklichkeiten erhoben hatte. Er führte eine bedeutende An­ zahl Freiwilliger mit sich nach Sicilien, wo er seine Rüstungen betrieb. Hannibal ward in demselben Jahre durch Pest und Hungersnot!) in Unthätigkeit erhalten; er errichtete in der Gegend von Lacinium im Tempel der Juno einen Altar mit einem in punischer und griechischer

Sprache verfaßten Verzeichnisse seiner Thaten.

Im Sommer landete

sein Bmder Mago, von den balkarischen Inseln, in Italien und er­ oberte Genua. Scipio, welcher in diesem Jahre noch Locri eroberte, ging im folgenden Jahre nach Afrika über (350, 204),

Der Consul M Cornelius Cethegus wurde gegen Mago, P. Sempronius Tuditanus gegen Hannibal geschickt; Letzterer kämpfte mit abwechselndem Glücke; Mago wurde verhindert, zu seinem Bruder zu stoßen, im folgenden Jahre (551, 203) wurde er im Lande der Jnsubrer von Cethegus und Quinctilius Vams geschlagen. Als er auf Befehl

Der zweite punische Krieg.

219

Karthago's zurückkehrte, starb er auf dem Schiffe an feinen erhaltenen Wunden. Auch Hannibal sah sich nunmehr bei den Fortschritten Scipio's in Afrika, genöthigt, Italien zu verlassen. Schon im Jahre 207 (547) hatte der Proconsul M. Valerius

Lävinus eine Landung bei Utica unternommen und auf der Rückkehr Ehe Scipio nach mit einem Theile der Flotte nach

von Sicilien eine karthagische Flotte vernichtet.

Asien abging,

wurde C. Lälius

Afrika geschickt > dies erregte schon große Besorgnisse in Karchago, um so mehr, da sich in Masinissa damals ein neuer furchtbarer Feind er­

hoben hatte. Um die nämliche Zeit, da Sophomsbe diesem Fürsten entrissen, war er auch seines Reiches beraubt worden, und mit Mühe den Nachstellungen Hasdrubal's entgangen, der ihn durch Meuchel­

mord

aus dem Wege zu räumen gesucht hatte.

Nach dem Tode

seines Vaters Gala und dessen Bruders Oesalces, war des letztem

älterer Sohn Capusa vom Mezetulus entthront und erschlagen, und

dieser führte die Herrschaft int Namen des jungem Sohnes Lacumaceö. Masinissa hatte mit Hülfe des Königs Bocchar von Mauritanien den Usurpator verdrängt und den väterlichen Thron eingenommen. Syphar war seitdem ins Bündniß der Karthager gezogen; er hatte Masinissa in mehreren Schlachten geschlagen, allein dieser zog sich in die Gebirge

zurück und war von hier aus ein verderblicher Feind der Karthager, welche sich zu einem Frieden bequemten, in welchem sie ihm gegen das Versprechen,, Beistand wider die Römer zu leisten, den Besitz seines

Reiches zusicherten. Während jedoch daö Mißtrauen'zwischen Masinissa, Syphar und Karthago fortdanerte, landete Scipio auf vierhundert Lastschiffen mit

fünfunddreißigtausend Mann beim schönen Vorgebirge in Afrika. Bei ihm befanden sich sein Freund Lälius und als Quästor M. Porcius Cato, der später einen so bedeutenden Einfluß auf das Schicksal Kar­ thago's hatte. Im Einverständnisse mit Scipio verleitete Masinissa den Hasdrubal Gisgo, seine Reiterei nach Utika zu senden; sie wurde beim Thurme des Agathokles von einem römischen Hinterhalte und

Masinissa'S Numidiern gänzlich aufgerieben, ititb Hanno, Haödrubal's Bruder, gerieth in Gefangenschaft. Masinissa. trat nun offenbar auf Seiten der Römer; gemeinschaftlich wurde das punische Gebiet ge­ plündert, die wichtige Stadt Locha eingenommen, vergeblich aber Utika belagert. Während des Winters sammelte Hasdrubal Gisgo ein neues Heer,

220

Rom.

und Syphar führte ihm sechszigtausend Mann zu, unternahm jedoch

nichts Entscheidendes, während Scipio den Winter in einer sehr un­ günstigen Stellung an einem Vorgebirge, welches nachher den Namen Castra Cornelia erhielt, zuzubringen genöthigt war. Syphar ließ sich in Unterhandlungen mit Scipio und Masinissa ein; während derselben

suchte er Letzteren durch Meuchelmord aus dem Wege zu räumen. Scipio erhielt, ungeachtet der Ränke des neidischen Fabius

(der

gerade, als Hannibal Italien verließ, starb), die erwünschte Zufuhr

auS Rom.

Im Frühjahr 551 (203) kam Scipio einem beabsichtigten

gefahrvollen Angriffe zuvor; er überfiel das Lager des Hasdrubal und brachte diesem, während Masinissa gegen Syphar kämpfte, eine völlige

Niederlage bei.

Hasdrubal wurde in Karthago zum Tode verurtheilt,

die Gunst seiner Soldaten entzog ihn jedoch seinem Schicksal; -obgleich geächtet, fuhr er fort, seinem Vaterlande mit seiner Freischaar zu

dienen. — Lälius und Masinissa drangen darauf nach Numidien vor; Syphar wurde nach einer Schlacht, bei welcher er einen wüthenden Zweikampf

mit Masinissa kämpfte, auf der Flucht gefangen genommen; der An­ blick deS gefesselten Fürsten bewog die Hauptstadt Cirta, sich zu über­ geben; hier fand Masinissa die ihm einst verlobte Sophonisbe, mit welcher er nun, anfangs in Zorn entbrannt, alsbald aber durch die

Macht ihrer Reize entwaffnet, noch an demselben Tage sich vermählte. Mit seiner Beute kehrte Masinissa in Scipio's Lager zurück; hier opferte er seine Sophonisbe den Vorstellungen und dem durch Syphar

Entschuldigungsgriinde

angefachten Mißtrauen Scipios.

Sie nahm

den Giftbecher; Syphar ward nach Italien geführt und starb bald vor Gram zu Tibur. Nach diesen Vorfällen beschlossen die Karthager, Hannibal aus Inzwischen waren Unterhandlungen mit Scipio ein Waffenstillstand ward abgeschlossen, und Gesandte

Italien zurückzunlfen. eingeleitet,

waren zur Abschließung des Friedens nach Rom abgegangen.

Noch

waren diese nicht zurückgekehrt, als im Spätsommer 551 (203) Han­

nibal in Afrika erschien. Die italischen Völker, welche sich geweigert hatten, ihn zu begleiten, ließ er im Tempel der Juno Lacinia nieder­

machen. Von Entführung einer goldenen Säule aus diesem Tempel hielt ihn die drohende Erscheinung dieser Göttin zurück. Kein Ver­ bannter ging, wie Livius sagt,

mit so

trüben Empfindungen ins

Elend, als die Gefühle waren, mit denen Hannibal ins Vaterland

221

Der zweite punische Krieg.

zurückkehrte, nachdem er, wie er klagend geäußert haben soll, in sechözehn

Jahren vor Casilinum, Eumä und Nola ergreifet war.

Er

landete bei Leptis und begab sich bald darauf nach Adrumetum, um

fern vom Feinde neue Streitkräfte, besonders Reiterei zu sammeln. Einen Theil fiihrte Vermina, Syphar Sohn, ihm zu; viertausend Reiter, die von Masinissa zu ihm übergegangen waren, ließ er nieder­ machen und vertheilte die Pferde unter sein Heer.

Ein neuer Muth

beseelte Karthago; des begnadigten Hasdrnbal Freischaar stellte sich unter Hannibal; Masinissa, von Rom anerkannter König Massylien's,

verlor einen nicht unbedeutenden Theil seines Landes im Kampfe gegen Verminn und Hannibal. Nachdem seit Hannibal'S Rückkehr ein Jahr vergangen, jede Unterhandlung auch sofort abgebrochen war, sah Scipio, theils durch den sich täglich verstärkenden Feind bedrängt, theils durch die Furcht, der Consul Nero würde den Befehl in Afrika

mit ihm theilen, sich bewogen, eine Hauptschlacht anzubieten. Beide Heere näherten sich einander und trafen sich in der Gegend von Zama; Scipio siegte hier in einem Reitergefechte, und Hannibal erlitt noch manche andere Verluste, welche ihn veranlaßten, Unterhandlungen cinzulelten. Auf einer Anhöhe in der Mitte der beiden Lager fand eine Unterredung zwischen Scipio und Hannibal statt, in welcher den Römern Spanien und die Inseln dcS Mittelmceres angcboten wurden. Scipio aber verwarf diese Bedingungen, welche nichts anders ein­ räumten, als was Rom schon besäße. Am nächsten Morgen (den 19. October 202 ward Hannibal wider seinen Willen in eine Schlacht verwickelt, welche das Schicksal beider Staaten entschied.

Hannibal entkam nach Thon, von dort nach Adrumetum, wo er ein kleines Heer sammelte, mit welchem er in Karthago erschien und erklärte, wie nur im Frieden noch Rettung zu suchen sei. Der Friede,

zu welchem Scipio sich geneigt erklärte, enthielt nachstehende Bedin­ gungen : Die Römer sollten Spanien und die Inseln des Mittel­ meeres behalten, die Karthager dagegen die vor dem Kriege besessenen

Städte und Provinzen in Afrika. Die Karthager sollten alle Gefan­ genen und Ueberläufer, alle Kriegsschiffe, biö auf zehn Ruderschiffe, auch alle Elephanten ausliefern, auch keine mehr zähmen.

Karthago

sollte ohne Rom'ö Genehmigung keinen Krieg führen; eS sollte dem

Masinissa alles Land zurückgebeu und mit ihm ein Bündniß abge­ schlossen werden. Dann sollten die Karthager binnen fünfzig Jahren

222

Rom.

zehntausend Talente zahlen, und daS römische Heer bis die Gesandte«

auS Rom zurückgekehrt wären, verpflegen und besolden. Hannibal drang ernstlich aus Annahme dieser Bedingungen; in Rom fanden sie, besonders weil der Consul Lentulus auf Zerstörung Karthago's bestand, Schwierigkeiten; erst im folgenden Jahre (553, 201) wurden ScipioS Bestimmungen anerkannt. Che der Sieger Afrika verließ., verbrannte er fünfhundert der ausgelieferten Schiffe im

Angesichte und zur tiefen Betrübniß Karthago's.

Der dem Scipio be­

willigte Triumph war der prächtigste, den Rom je gesehen, die Bente unermeßlich.

Ehrensäulm und immerwährmde Dictatur schlug er aus

und begnügte sich mit dem glorreichen Beinamen des Afrikaners.

11. Die Gracchen. Gewissermaßen aus der Asche von Numantia ist für Rom eine Reihe von Umwälzungen hervvrgegangen,

welche erst nach einem Jahrhundert mit Errichtung einer militärifchm Weltmonarchie endeten. Reicher Stoff zur Unzufriedenheit war dmch das römische Reich

verbreitet.

In den Bundesstaaten drückten die Gewaltthätigkeiten der

senawrischen Familien. Die freie Bevölkerung schwand immer mehr; Sklaven wurden als Tagelöhner gebraucht; Tage lang konnte ein Wanderer reisen, ehe er einen freien Mann auf den Feldern erblickte. Der Grundbesitz häufte sich in den Händen weniger Reichen; daher

große Armuth, viel Pöbel in der Hauptstadt, eigmthumlose Bürger, steigende Sittmlosigkeit. Das Licinische Ackergesetz war vielfach von

den Optimalen umgangen.

Mehrere derselben, die verständig und

nachdenkend waren, sahen es auch ein, wie Rom's Macht vorzüglich

von freien Landbauern Jtalien'ö abhange. Zu diesen gehörte Appius Claudius, der Schwiegervater des Tiberius Gracchus, MucnB Scävola, der große Rechtsgelehrte und Licinius Crassus, der Oberpriester. Tiberius Sempronius Gracchus, ein angesehener Plebejer, zweimal Consul, großer Feldherr, hatte von Cornelia, Tochter deS älteren Afrikanus, zwei Söhne, Tiberius und Cajuö, hinterlassen. Eine Tochter, Sempronia, war dem jünger» Afrikanus vermählt. Tiberius, neun Jahre älter, als sein Bruder, galt für den vollkommensten Jüngling Rom's. Schön von Gestalt, einnehmend im Wesen, griechisch gebildet, hatte Tiberius unter seinem Schwager Scipio schon in frühen

223

Die Gracchen.

Jahren Kriegsruhm erworben;

mit dreißig Jahren galt er für ein

Muster als Redner. Angefeuert ward seine Thatkraft noch durch die Reden der Mutter, die sich beklagte, daß man sie wohl als Schwieger­ mutter des Scipio, noch nicht aber als Mutter der Gracchen rühme. Bei seinem ersten Auftreten begünstigte Tiberius die Aristokraten. Als er aber mit dem Consul Mancinus, welchen er als Quästor be­ gleitet hatte, wegen des Vertrages mit Numantia zur Auslieferung verurtheilt ward, erfaßte ihn eine Erbitterung, welche ihn zum bestän­

digen Feinde des Senats umschuf.

Hundert Jahre vor Tiberius

(521, 233) hatte der Tribun C. Flaminms bereits gegen de« Willen

des Senats und der Mobilität darauf angetragen, daß armen Ple­ bejern das Land der besiegten senonischen Gallier vertheilt werde. Sein Antrag ging damals nur auf noch nicht in Besitz genommenes Land; TiberiuS ging weiter; im Einverßändniffe mit Appius Clau­ dius, Scävola und Crassus, verlangte er theilweise Erneuung des

Licinischen Gesetzes, jedoch in gemäßigterer. Art, als dieses abgefaßt war. Kein Römer sollte vom Gemeinlande mehr als fünfhundert Jucherte Weide für hundert Rinder und fünfhundert Schafe besitzen; cmancipirten Haussohne sollte die Hälfte zugestanden werden. Wer mehr besaß, sollte zur Herausgabe verpflichtet sein, jedoch die

dem

Gebäude und Verbesserungen ersetzt erhalten.

Das sodann zur Ver­

fügung bleibende Land sollte von jährlich zu ernennenden Triumvirn

untersucht, vermessen und an arme Bürger vertheilt werden.

Tiberius unterstützte seine Anträge mit feuriger Beredsamkeit. „Wilde Thiere," so heißt es in erhaltenen Bruchstücken dieser Reden, „haben ihre Höhlen, Rom's Bürger nicht ein Dach gegen Unwetter, nicht einmal

die Scholle Erde zu einem Grabe." Solche Anträge und solche Sprache mißfielen den Reichen. Sie widersetzten sich dem kühnen Tribun; sie sollen ihm nachgestellt haben, allein immer, wenn er auf der Bühne gekämpft hatte, begleitete ihn ein Anhang von mehreren tausend Menschen. Bei den Verhandlungen legte selbst einer seiner Amtsgehülfen, M. Octavius Cäcina, Einspruch gegen Tiberius Gesetzvorschlag ein.

Octavius war früher TiberiuS

genauer Freund; er fand sich aber schon durch den Antrag verletzt weil er selbst einer der reichsten Männer Rom's war. Vergeblich

suchte TiberiuS ihn umzustimmen, und sich den Freund zu erhalten.

Es kam zu einem tumultuarischen Auftritte; daS würdige Benehmen der Senatoren ManliuS und Fulvius verhinderte diesmal noch Blut-

224

Rom.

Bei einer neuen Versammlung machte Tiberius den Vor­

vergießen.

schlag, das Volk solle die Entscheidung fällen, ob er oder Octavius unfähig oder unwürdig fei, das Tribunal zu verwalten.

Darin lag

eine große Ungerechtigkeit, ein Angriff auf die Verfassung Nichtachtung der Unverletzbarkeit der Volksvertreter.

und

eine

Das Volk stimmte

Als von den fünfunddreißig Tribus schon sieben­

über den Vorschlag.

zehn gegen Octavius sich

hatten,

erklärt

und

die Entscheivung

der

achtzehnten Stimme erwartet wurde, beschwor TiberiuS den OctaviuS

Dieser schwankte, gab aber den­

nochmals sein Veto zurückzunehinen. noch sein Vorhaben nicht auf.

kündet ;

sie

sprach Octavius

Da ward die achtzehnte Stimme ver­ der Pöbel

Urtheil;

riß

ihn von der

Bühne; seine Freunde verhalfen ihm zur Flucht. Das Licinische Gesetz ward jetzt in aller Strenge erneut, keine Aus­ nahme für die Söhne, keine Vergütung mehr.

Zur Vollziehung des

Gesetzes wurden Appins Claudius, Tiberius Gracchus und der junge CajuS Gracchus, welcher damals von Rumantia in Scipio'S Heere diente, ernannt.

Während des Sommers dnrchreiseten die Triumvirn

Italien zur Untersuchung der Ländereien.

Bald fanden sie, daß das Da fiel Tibe­

Grundeigenthum nicht genüge, allen Armen zu Helsen.

riuS auf den Gedanken, eine neue anderweitige, so eben sich eröffnende

Quelle zu benutzen.

Dem Könige EumeneS von Pergaimis, welcher den Römern in den makedonischen und syrischen Kriegen sich so ergeben bezeigt hatte, war dessen Bruder Attalus gefolgt.

Er

hatte

von

Bniderliebe den Beinamen Philadelphus erhalten.

auf rühmliche

Weise

für

Kunst und

den Beweisen

treuer

Diese Könige sorgten

Wissenschaft.

In

Pergamum

befanden sich die herrlichsten Sammlungen von Kunstwerken, die theils dort verfertigt, theils dort aufgehäuft waren; EumeneS hatte die Per­ gamentfabriken befördert,

um den ägyptischen Papyrus entbehren zu

können; Attalische Teppiche, Attalische Stickereien und Attalische Reich­ thümer waren sprichwörtlich geworden in Rom. delphuS

folgte

EumeneS

Sohn,

Aus Attalus Phila-

Attalus-Philometor,

vom Oheim

sorgsam erzogen, ganz entartet jedoch von seinem nächsten Vorgänger

aus dem Throne

(138—133).

Er

herrschte fünf Jahre nach Art

eineS Wahnsinnigen und hinterließ bei seinem frühzeitigen Tode eine letzte Willenserklärung, in welcher er dem römischen Volke alle seine Güter vermachte.

In Folge dieser Bestimmung bemächtigte der römische

Staat sich deS ganzen Königreichs, und es wurde daraus unter dem

225

Die Gracchen. Namen des

„eigentlichen

Asiens"

eine

römische Provinz

gemacht.

Ein Bastard des Königs Eumenes, Aristonikuö, suchte sich zwar als

König in Pergamus zu erhalten, er schlug ein römisches Heer, dessen

Anführer, Licinius Crassus, selbst in der Schlacht das Leben verlor;

nach

drei Jahren

130)

(624,

aber

Consul M. Perperna geschlagen,

ward er

bei Stratonica vom

gefangen genommen, im Triuinphe

aufgeführt, und dann im Gefängnisse erwürgt.

Im folgenden Jahre

erst beendete M. Aquilius durch Vergiftung der Brunnen den Krieg völlig; er richtete die neue Provinz ein, und übte hier einen Druck,

welcher

ihm den berühmten Prozeß

zuzog,

in

welchem der Redner

Antonius dem Volke die Narben des Angeklagten zeigte und so ihn erhielt Mithridat von

Als Belohnung für geleistete Dienste

rettete.

Pontus Phrygien.

„Mit dem Reichthume von Pergamus," sagt ein Schriftsteller der

Alten, und Viele stimmen ihm bei, „kamen Schwelgerei, weibisches Wesen, Ueppigkeit und alle Arten von Laster nach Rom und über­

schwemmten die Hauptstadt der Welt.

Bescheidener Sinn und Ein­

falt der Sitten wurden in einer Stadt, die den Wollüsten und Ver­

Asien'ö

gnügungen

ergeben hatte,

sich

nicht mehr

gefördert.

Bürger, durch den Anblick des kostbaren Hauörathes, ihnen

zeigte,

schämen. in

geblendet,

fingen

an,

sich

ihrer

welches

Die

man

alten Einfachheit

zu

Sie suchten nun ihren Stolz darin, dasjenige zu schätzen,

dessen Verachtung ihre Vorfahren eine Ehre gesetzt hatten.

Sic

suchten es an Kostbarkeit der Tracht, an ihrem Hausgeräthe und den

So rächte sich Asien

Kosten ihrer Mahlzeiten einander zuvorzuthun. wegen seiner Unterjochung,

es brachte unsere Stadt unter ein weit

ärgeres Joch, in die Knechtschaft eines weibischen Wesens." Zunächst hatte die Erbschaft von Pergamus Einfluß auf die innern Unruhen,

welche in jener Zeit Rom

bewegten.

Der Gesandte von

Pergamus, welcher den letzten Willen des Königs Attalus überbrachte, hatte die

Urkunde

nebst Krone und

Tiberius Gracchus überliefert.

Purpurgewand

dem Tribunen

Von diesem ward der Gesetzvorschlag

gemacht, die Schätze des Königs unter diejenigen Bürger zu vertheilen, die Ländereien erhielten, damit sie die Einrichtung des nöthigen Ackergerätheö bestreiten könnten.

und Anschaffung

Ueber die Städte aber,

welche zu Attalus Reiche gehörten, solle nicht der Senat, sondern das

Volk Verfügungen

treffen.

Dieser Antrag

erbitterte den Senat im

höchsten Grade und erregte dem Tiberius die ärgsten Anfeindungen. Histor. Liftbuch.

I.

!•>

226

Nom.

Man beschuldigte ihn, der Pergamenier Eudemus habe ihm Diadem

und Purpurmantel überbracht, und er bewahre diese Zeichen aus, um sich ehestens zum Könige zu machen.

Titus Amicus, ein durch seine

Ränke und Verschlagenheit bekannter Mann, warf dem Tribun in der Volksversammlung

vor,

daß

er seinen unverletzlichen

Amtsgehülfen

entehrt habe, und nöthigte ihn, sich in einer Rede vor dem Volke zu

vertheidigen, in

welcher

er geltend

zu

machen

suchte,

ein Tribun,

welcher ungerecht gegen die Macht handle, aus der die seinige ent­ springe, verwirke dadurch das Recht auf Unverletzbarkeit.

Der heftigste und gefährlichste Gegner des Tiberius war der Ober­

Er war der Enkel jenes Mannes, welchen

priester Scipio Nasica.

der Senat bei Herbeiholung der großen Mutter, für den besten Mann

im Staate erklärt hatte,

der Oheim des

Geschwisterkind mit den Gracchen.

Publius

Africanus

und

Er war geistreich, gewandt in der

Rede, stets zur Antwort bereit, üppig im Leben, reich an Staatsgut,

furchtlos, unversöhnlich, herrschsüchtig, ganz Aristocrat und allen Neue­

rungen, daher auch den Bestrebungen der Gracchen entschieden feind­ lich.

Die Absetzung des Octavius erbitterte ihn mit Recht

Eingriff in die Verfassung des Staats.

als ein

Tiberius ward als ein Ehr­

süchtiger geschildert, welcher die väterliche Verfassung über den Haufen

werfen und das Volk, wie die Bundesgenossen, aufzuwiegeln trachte.

Ihm dagegen gelang es, den Haß des Volkes gegen den Reichen zu steigern, und dadurch seinen Anhang sich zu bewahren.

Als das Jahr

seiner Amtsfiihrung zu Ende ging, trug Tiberius darauf an, ihm das

Tribunat zu verlängern, streitendes Verlangen.

ein durchaus gegen Gesetz und Herkommen

Als der Wahltag erschien, waren so viele an­

gesehene Bürger der Erndte wegen

von

der Stadt

abwesend,

daß

Tiberius sich genöthigt sah, zu dem eigentlichen Pöbel seine Zuflucht zu nehmen.

Als es zum Stimmen kam,

entstand Uneinigkeit unter

den Tribunen selbst; die Volksversammlung ging für diesen Tag aus­ einander.

Als am Tage darauf die Verhandlungen auf dem Capitol

fortgesetzt werden sollten, empfing das Volk Tiberius mit Freudenruf. Kaum aber begann man die TribuS zum Stimmen aufzurufen, als

FulviuS Flaccus, ein Senator und Freund des Gracchus, herbeieilte, und diesem anzeigte, wie der Senat zwar den Consul Mucius Scävola nicht für sich habe gewinnen können,

habe, ihn,

dennoch aber beschlossen

den Tiberius, zu tödten, auch deshalb schon Anhänger

und Sclaven bewaffnet.habe.

Tiberius theilte diese Nachricht seinen

227

Die Gracchen.

Freunden mit, sie zerbrachen die Spieße der Gerichtsdiener, und be­

waffneten sich

Um

mit denselben.

entfernter stehenden Bürgern die

Gefahr anzudeuten, welche ihm drohe, zeigte Tiberius mit der Hand

nach dem Haupte; in der Curie ward gemeldet, er habe damit an­

deuten wollen, daß man ihm das Diadem reiche.

Im Senate ent­

stand große Bestürzung; Scipio Nasica forderte nochmals den Consul

Mucius Scävola auf, den Staat zu retten und von dem Tyrannen zu befteien, und als der Consul sich weigerte, etwas Gesetzwidriges zu beschließen, rief er aus, ihm zu folgen und die Gesetze zu verthei­ digen.

Mit Erstaunen sah das Volk den Oberpriester an der Spitz«

des Senats herbeieilen;

man wich scheu zurück;

die Senatoren er­

griffen nebst ihrem Anhänge die Stücke der zerbrochenen Sitze und andern Geräthschaften,

und

schlugen

auf das Volk.

damit

Dieses

ergriff eilig die Flucht, auch Tiberius suchte zu entrinnen; beim Ein­ gänge des Tempels, an den Bildsäulen der Könige stürzte er nieder; hier ward er im Gedränge erschlagen.

seiner

Anhänger um, das

erste

Mit ihm kamen dreihundert

Bürgerblut,

im römischen

welches

Staate vergossen ward, und diesmal zwar noch, ohne daß man sich ordentlicher

ward

durch

Waffen im Kampfe die

Gassen

bedient hatte.

geschleift und

in

Tiberius

Leichnam

die Tiber gestürzt.

Der

Aedil Lucretius that dies eigenhändig; er erhielt davon den Beinamen

Vespillo (Todtengräber), welcher seinen Nachkommen verblieb.

Tiberius

Anhänger wurden grausam verfolgt; der Senat befahl, sie nach Sitte der Vorfahren zu

bestrafen.

Mehrere

suchung des Landes verwiesen,

wurden ohne

weitere

Andere als Missethäter

Unter­

hingerichtet;

unter diesen der Redner und Lehrer des Tiberius, Diophanes.

Der

Philosoph Blossius entging der Hinrichtung, obgleich er auf Befragen erklärte, er habe Tiberius so hoch geschätzt, daß er auf dessen Befehl

ohne Bedenken Alles gethan haben würde. Nachdem jedoch der erste Schrecken dieser Maßregeln feine Wirkung verloren hatte, äußerte sich der heftigste Unwille und Haß deS Volks

gegen die Optimaten, besonders gegen den Oberpriester. Scipio Nasica. Wo er sich öffentlich sehen ließ, entstand wildes Geschrei, man schalt

ihn einen Tyrannen und Bösewicht und warf ihm Mord und Gott­

losigkeit vor.

Der Senat beschloß, um ihn solchen Beleidigungen und

drohenden Nachstellungen zu entziehen, den Nasica in Staatsgeschäften nach Asien zu senden, obgleich seine priesterliche Würde eigentlich die

Abwesenheit von Rom nicht gestattete.

Er verließ in Eile Italien, 15*

228

Rom.

führte ein unstätcs Leben und starb zu Pergamum.

Sodann fand der

Senat eö auch rathsam, der Ackervertheilung keine weitern Hindernisse in den Weg zu legen, wenigstens wurde an die Stelle des TiberiuS

ein neuer Bevollmächtigter in der Person des Publ. Licinius Crassus erwählt.

Er war ein Schwiegervater des Cajuö Sempronius Gracchus,

welcher seit dem Tode seines Bruders in den ersten drei Jahren ein

zurückgezogenes Leben führte, und erst (623, 131) Antheil an öffent­ lichen Verhandlungen nahm, als Casus Papirius Carbo Volkstribun

ward.

Carbo war ein ausgezeichneter Redner und Feind der Opti­

malen.

Unter mehreren Gesetzvorschlägen machte er auch den, daß es

dem Volke gestattet sein solle, einen Tribun wieder zu wählen.

Der

Vorschlag ward von der Mehrzahl der Tribus verworfen; besonders

hatte dagegen Scipio, der Eroberer Karthago's, geredet, der auch bei mehreren Gelegenheiten seinen Tadel über Tiberius Beginnen ausge­

sprochen hatte.

Als Carbo

in der Volksversammlung den Tod des

Tiberius beklagte und Scipio einst öffentlich

befragte,

was

er von

dessen Ermordung dächte, antwortete dieser: wenn Tiberius die Absicht

gehabt habe, den Senat zu unterwerfen, so sei er mit Recht gelobtet. Und als nun das Volk ein lautes Geschrei des Unwillens erhob, rief

Scipio aus: „Nie hat mich das Geschrei bewaffneter Feinde erschreckt,

wie könntet Ihr mich durch das Eure bewegen, Ihr, denen ja Italien nur Stiefmutter ist,"

eine Anspielung

unter den Bürgern Rom's.

auf die vielen Freigelassenen

Scipio verlor alle Gunst des Volks, so

ost er öffentlich reden wollte, ward er durch tobendes Geschrei unter­

brochen.

Im Jahre 624 (130) erhielten die Volkstribunen durch das Ati-

nische Gesetz das Recht des Sitzes im Senate, da sie bisher nur vor den Thüren den Verhandlungen zuhören dursten.

Im Jahre vorher

waren zwei Plebejer, Q. Cäcilius Metellus Macedonicus und Q. PompejuS, ganz gegen stets beobachteten Gebrauch, zu Censoren erwählt

worden.

nisse

MetelluS hatte den Atinius Labeo aus dem neuen Verzeich­

der Senatoren gestrichen,

Tribun erwählt worden war.

weil er für das

nächste Jahr zum

Der erzürnte Tribun betrieb nunmehr

die Durchführung jenes Gesetzes; er ließ sogar den Metellus auf dem

Forum ergreifen und befahl, ihn von» tarpejischen Felsen zu stürzen.

Die Angehörigen entzogen ihn seinem Schicksale, indem sie einen an­ dern Tribun zum Einspruch veranlaßten; der Eroberer Macedonien's

entkam, fast zum Tode mißhandelt.

229

Die Gracchen.

Im folgenden Jahre (625, 129) waren Cajus Gracchus, Marcus

Fulvius Flaccus und Carbo die Bevollmächtigten zur Ackervertheilung. Der Eifer, welchen sie bewiesen, gab zu vielen Beschwerden der Reichen Anlasi, denn gewöhnlich wurde bei Streitigkeiten zum Nachtheile der

Besitzer von Staatsländereien entschieden.

Manche Landeigenthümer,

unter diesen auch viele italische Bundesgenossen, behaupteten, dass sie

oder

ihre

Vorfahren

solche Aecker käuflich

erstanden

hätten.

Die

Bundesgenossen wendeten sich mit ihren Beschwerden an Scipio; dieser nahm sich ihrer an und brachte es dahin, daß die Entscheidung der

Grenzstreitigkeiten dem Consul C. Sempronius übertragen wurde.

Da­

durch wurde die Erbitterung des Volks gegen Scipio gesteigert; man verbreitete das Gerücht, er solle zum Dictator ernannt werden.

Sein

Schwager, Cajus Gracchus, nannte ihn einen Tyrannen, und Ful­ vius stieß öffentlich noch härtere Schmähungen gegen ihn aus: „Die

Feinde des Vaterlandes,"

entgegnete solchen Angriffen der Besieger

von Karthago und Numantia, „haben wohl Grund, meinen Tod zu

wünschen, denn sie wissen, daß Rom nicht untergehen kann, so lange Scipio lebt."

Eines Tages hatte er in der Volksversammlung einen

heftigen Wortstreit mit Fulvius gehabt und erklärt, er würde am fol­

genden Tage die Sache wieder auffasscn.

Am Morgen dieses Tages

fand man ihn todt in seinem Bette, ohne Wunden, aber mit Spuren von Erdrosselung und angethaner Gewalt. Carbo sei Mitwisser seiner Ermordung;

Cicero glaubt, der Tribun Florus

und Orosius geben

seiner Gemahlin Sempronia, Schwester beider Gracchen, die Schuld;

Appian

wälzt auch noch den Verdacht auf deren Mutter Cornelia,

Tochter des ältern Africanus.

Daß Scipio nicht glücklich mit der

Sempronia lebte, daß Mangel körperlicher Anmuth und Kinderlosigkeit der

Grund

gewesen,

wissen wir aus Appian.

Dieser Schriftsteller

führt auch die Meinung Einiger an, Scipio habe sich selbst den Tod gegeben, weil es ihm unmöglich gewesen, seinen Clienten das Ver­

sprochene zu leisten.

Scipio's Sklaven sollen auf der Folter ausgesagt

haben, Fremde, welche sich in jener Nacht in seinem Hause versteckt hätten, wären seine Mörder gewesen. undfünfzigste» Lebensjahre (625, 129).

Sein Tod erfolgte im sechs­ Allgemeine Trauer schien bei

der Todesnachricht sich Rom's zu bemeistern; war so groß, daß man die Untersuchung

allein die Parteiwuth

niederschlug, aus Furcht,

Gracchus schuldig zu finden; eine entehrende Handlungsweise, welche

230

Rom.

den Metelluö Macedonicus, der im Leben Scipio's Gegner gewesen,

zu einer sehr entrüsteten Rede vor dem Volke entflammte.

Das nächstfolgende Jahr verging ohne Ereignisse von Wichtigkeit. Cajus Gracchus soll, durch daö Schicksal seines Bruders zurückge­ schreckt, den Vorsatz gefaßt haben, auf alle Staatsämter zu verzichten.

Da soll der ermordete Tiberius ihm im Traume erschienen sein, und

Worte aus dem Grabe ihn zur Thätigkeit ausgefordert haben. Cajus

zuerst

eine

öffentliche

Vertheidigungsrede

hielt,

Als

versetzte

der

Guß seiner Beredsamkeit das Volk in einen Taumel der Freude und Und die Optimalen, welche schon ein mögliches Tri­

Begeisterung.

bunal des angehenden Lieblings des Volks befürchteten, sahen es gern, als Gracchus als Quästor nach dem im Aufstande befindlichen Sar­

dinien abging.

Hier gab er Beweise jeder Tugend,

der Tapferkeit,

der Gerechtigkeit und Billigkeit, der Sittsamkeit, Mäßigkeit und Ord­ Gracchus blieb in den Jahren 628 u. 629 (126 u. 125)

nungsliebe.

in Sardinien;

im Jahre 630 (124)

aber

verließ

er

eigenmächtig

seinen Posten und kam in Rom an, zur Bestürzung der Optimalen,

zum Erstaunen deS Volks.

Er war wegen dieses Schrittes angeklagt,

wußte sich aber auf eine Weise zu vertheidigen, daß es fast schien, er habe Unrecht erlitten, und daß man ihn fteisprach.

Cicero

schildert die Beredsamkeit

Worten, weise in Gedanken,

habe jedoch

die letzte Feile gefehlt;

aber unvollkommen durchgeführt.

Verlust für Rom's Gracchus

des

Gracchus

erhaben in

der Rede.

Es

Manches sei trefflich begonnen,

Sein früher Tod sei ein unersetzlicher

Wissenschaften gewesen.

das Andenken

als

würdevoll im Gange

an seinen Bruder

In ein;

alle Rede

mischte

der Wille,

dessen

Tod zu rächen, beseelte ihn in allen Schritten, die er unternahm; er

achtete nicht der Cornelia Warnungen, welche ihn beschwor, der ge­ rechten Rache nicht das Wohl des Staates unterzuordnen. Damals hatte Fulvius Flaccuö als Consul die volflischen Fregel-

laner durch Versprechungen, ihnen das Bürgerrecht zn verschaffen, zu einem Aufruhre veranlaßt.

Der Prätor Opimius hatte den Aufstand

mit großer Strenge unterdrückt; Gracchus war beschuldigt, Theil ge­

nommen

zu

haben

Bundesgenossen. (631, 123).

an

der Aufregung

der Fregellaner und anderer

Dies hinderte jedoch nicht seine Wahl zum Tribun Sein erster Vorschlag war gegen Marcus Octavius,

den Feind seines Bruders, gerichtet.

Ein vom Volke einmal abgesetzter

231

Die Gracchen.

Beamter falle dein Staate nie wieder dienen, Popilius, welcher die

Anhänger

des

Tiberins

verfolgt

hatte,

mußte

in

Verbannung

die

Das Ackergesetz ward nun bestätigt, dem Volke wurden große

gehen.

Vertheilungcn an Getreide, auf Kosten des öffentlichen Schatzes, be­ willigt.

Erbauung und Unterhaltung von Landstraßen ward für ganz

Den Soldaten wurde Kleidung neben dem Solde

Italien angeordnet. bewilligt.

Das porcische Gesetz ward von ihm dahin erweitert, daß

Niemand ohne besondern Auftrag des römischen Volks etwas gegen einen römischen Bürger unternehmen dürfe.

die Volksversammlungen mehr democratisch

Ein

wichtiger Versuch,

lag

zu machen,

in dem

Vorschläge, die Centurien nicht mehr nach Ordnung der Classen, son­

dern nach dem Loose zur Stimmgebung aufzurufen.

Gracchus richtete

bei seinen Reden nicht mehr seine Stimme gegen den Senat, sondern gegen den Marktplatz, um zu zeigen, daß die Gewalt beim Volke sei.

Durch

solche Maßregeln

ward Gracchus

der Abgott deS Volks.

Im Jahre 632 (122) erlangte er nicht allein die Wahl seines Freundes

Fannius zum Consul, wie auch Tribun.

an.

seine eigene Wiedererwählung zum

Fannius aber schloß sich bald den Gegnern des Gracchus

Dieser suchte

nunmehr

den Senat zu unternehmen.

noch

mehr entscheidende Schritte gegen

Unter Berufung auf die häufigen unge­

rechten Urtheile des Senats veranlaßte er das Gesetz, dem

zufolge

eine große Veränderung in Besetzung der Richterstellen geschah. Gerichte der Römer

bestanden nicht aus

Die

lebenslänglichen Richtern.

Die Prätoren, welche den Vorsitz führten, wurden jährlich neu er­

wählt.

Bei ihnen allein war Rechtskenntniß erforderlich; die Richter

brauchten nur über die Thatsachen zu entscheiden.

wohl

in bürgerlichen Streitigkeiten,

Senatoren genommen werden.

Zu Richtem, so­

wie in Criminalsachen,

mußten

Eine Ausnahme davon machten nur

die Centumviralgerichte und die recuperatorischen Gerichte.

Besonders

nachtheilig hatte sich die Wirksamkeit der Senatoren als Richter bei Anklagen gezeigt, und häufig hatte eö sich in sehr empörenden Bei­

spielen ergeben, wie sie namentlich Standesgenossen bei offenkundigen

Erpressungen

freigesprochcn hatten.

Schon Tiberius

Gracchus

Schritte gethan haben, dem Senat die Gerichte zu entziehen.

soll

Cajus

Gracchus scheint zuerst den Vorschlag gemacht zu haben, daß die Ge­ richte zwischen Senatoren und Rittern getheilt würden.

Diesem Vor­

schläge widersetzte sich der Senat, man wollte eher Alles aufs Spiel

setzen, als hier nachgeben, und so kam ein Gesetz zu Stande, welches

232

Dient.

dem Senate

als solchem die Richterstellen entzog,

und

diese solchen

übertrug, welche den Rittercensus, den Census der ersten Classe hatten.

Durch diese Anordnung bildete sich ein neuer Ritterstand im Staate mit einer Bedeutung, die das Ritterwesen früher nicht hatte.

Dem Senat stand stete Willkür in Betreff der Besetzung der consularischen Provinzen zu.

Gracchus

verordnete,

daß der Rath vor

Wahl der jedesmaligen Consuln verfügen solle, welche Provinzen den abgehenden

Consuln

sollten.

zufallen

Auch

Asiaten

ihre Zölle selbst

pachten,

zu

Abgaben der

über die

So gestattete er den

Provinzen traf Gracchus gewisse Einrichtungen.

ohne römische Generalpächter.

Den Generalpächtern erleichterte es die Pacht durch Erlaß bei nach­ gewiesenen Verlusten.

Mit dem Vorschläge, die italischen Bundesgenossen in die Listen der römischen Bürger

dringen.

cinzuschreibcn,

der Haß des Senats. zu

vermochte

Gracchus

nicht durchzu­

Wie die Gunst des Volkes für ihn stieg, steigerte sich auch

wirken,

ward

Um dem kühnen Lieblinge deö Volks entgegen

der Tribun M. Livius Drusus,

ein Mann

von

großem Reichthum und ausgezeichneter Beredsamkeit, angestiftet, Ge­ setze vorzuschlagen, die Gracchus Begünstigung der Menge noch weit

übertrafen.

So wurde durch Liviuö ein Gesetz veranlaßt, daß kein

Bundesgenosse gcgeisselt werden solle.

Den Bürgern wurden die Ab­

gaben von den zugetheilten Aeckern erlassen;

auögeführt werden.

Ein Tribun,

Rubrinö,

zwölf Colonien' sollten machte

den Vorschlag,

Karthago wieder aufzubauen und eine Kolonie von sechstausend Bür­ gern dahin zu führen.

Zur Ausführung dieses Plans wurde Gracchus

nach Afrika geschickt;

diese Abwesenheit

wurde

auf alle Weise von

seinen Feinden benutzt, um sein Ansehen zu schwächen.

Als Gracchus

vernahm, wie sein Freund Fulvius Flaccus den Ränken des Livius

unterliege,

als

er erfuhr,

daß

sein Feind L. Opimius

die gewisse

Aussicht habe, Consul zu werden, kehrte er eiligst aus Afrika zurück. Eine seiner ersten Handlungen

war,

daß er zu nächtlicher Zeit die

Gerüste, welche, um bei den Fechterspielen vermiethet zu werden, auf­

geführt waren, wegreißcn ließ, damit die Armen freien Zutritt behalten möchten.

Diese gewaltthätige Handlung

willen seiner Amttzgehülsen;

Wiedercrwählung zum Tribun

Opimius,

und

Consul erwählt.

veranlaßte

selbst

sie sollen es gewesen sein,

Hintertrieben haben.

mit ihm Q. Fabius

Marimus

den Un­

welche seine

Dagegen wurde (633,

121)

zum

233

Die Gracchen. war Opimius

Kaum

Konsul,

als

sogleich

mehrere

Gesetze

des

Gracchns angegriffen wurden, unverkennbar in der Absicht, diesen zu

reizen.

Namentlich hatte der'Tribun M. Minucius einen Vorschlag

wegen Zurücknahme des Beschlusses über die Kolonie von Karthago angekündigt.

Am Tage der desfallsigen Verhandlung ward ein Lictor

von den Anhängern des Gracchus erschlagen, als er diesen die Worte zugerufen hatte: „Macht guten Bürgern Platz, ihr Aufrührer!" Vorfall

gab

den Vorwand

Gewalt zu vertreiben.

zu

einem Senatsbeschluß,

Dieser

Gewalt mit

Der Consul forderte die des Mordes wegen

Angeklagten zum folgenden Tage vor.

Gracchus und FulviuS wei­

gerten sich, zur Verantwortung zu erscheinen; sie nahmen vielmehr mit

bewaffneten Anhängern vom aventinischen Hügel Besitz.

Da wurden

sie für Feinde des Staats erklärt; sie wurden angegriffen und bald Gracchus ka>n um, ungewiß ist, ob durch eigene Hand

überwältigt.

oder ob ein treuer Diener ihn tödtete.

Fulvius ward ergriffen und

mit seinem Kinde hingerichtet; viele Anhänger der beiden Volksführer kamen im Gefechte um, Andere wurden gefangen und nachher im Ge­

fängnisse erwürgt, und Opimius baute, gleichsam zum Hohn, einen

Tempel der Eintracht.

Die Mutter der Gracchen überlebte mit einer

Standhaftigkeit, die man fast geneigt war für Stumpfsinn zu halten, auch den Tod dieses Sohnes.

panien,

Zu Miseni, ihrem Landhause in Kam­

sah sie nach wie vor täglich Fremde und Gäste, denen sie

von ihrem Vater Africanus und von ihren Söhnen, ohne Thränen

und

ohne

Rührung,

wie

von

Begebenheiten der Vorzeit

erzählte.

Später errichtete das Volk der Cornelia Bildsäulen, wie ihren Söhnen. Und gleich bei Gracchus Tode hatte man den Verwandten der mit ihm Umgekommenen verboten, Trauerkleider

anzulegen;

der Wittwe

des Gracchns wurde sogar ihre Mitgift entzogen. Nach Unterdrückung der gracchischen Unruhen suchten die Optimaten

alte Fesseln neu zu befestigen.

Es wurde dem Volke vorgestellt, daß

die Ackervcrtheilung unüberstcigliche Hindernisse finde, daß man aber

ein Abkommen treffen wolle, indem die Besitzer' von Staatsländereien eine Steuer entrichten sollten, deren Ertrag man zum Besten armer Bürger verwenden wolle.

Das Volk ließ sich dadurch verleiten, die

sempronischen Gesetze wegen der Ackervertheilung

aber erkannte

man,

abzuschaffen.

Bald

wie sehr die damaligen Machthaber die Unter­

drückung der Freiheit und der Rechte des Volks beabsichtigten, und suchte nunmehr wieder Waffen gegen die Unterdrücker hervor.

234

Nom.

Schon im Jahre 634 (120) konnte der Tribun Publius Decius sich ermuthigt finden, den Opimius vor die Volksversammlung zu for­

dern, weil er römische Bürger ohne Mrhör und Urtheil habe ermorden Ihn vertheidigte d.er Consul Papirius Carbo, einst Tiberius

lassen.

Freund, im Verdachte Scipio ermordet zu haben, jetzt übergctreten zu

den Optimaten.

Opimius ward sreigesprochen; Carbo aber im fol­

genden Jahre von L. Licinius Crassus, der damals noch ein Jüng­

ling, später der erste Redner seiner Zeit war, angeklagt.

Carbo ent­

ging der Verurtheilung durch Selbstmord.

Allein,

wenngleich

solche Zeiten der Volksstimmung

nicht völlig

unterdrückt werden konnten, waren doch die Armen der Willkür der

reichern Bürger im Allgemeinen ganz hiugegeben, ihre Stimmen käuf­ lich oder ihre Abstimmung mindestens abhängig von den Optimaten. Bei den Volksversammlungen zogen die stimmenden Bürger in Centu­

oder in Tribus in Gehege,

rien

wo sie sich über den zu fassenden

Beschluß berathschlagten und ihre Stimmen abgaben.

Zu diesem Ge­

hege, welches später, wie es scheint, ein Gerüste geworden war, führten Brücken, welche so weit waren, daß Bewerber, und überhaupt Solche, die nicht zu der hinüberziehenden Centurie gehörten, sich herzudrängen

und theils Ueberredung üben, theils wenigstens sich von der Abstim­ mung

der

Einzelnen unterrichten

konnten.

Im

Jahre 635

(119)

ward der Antrag gemacht, die Stimmbrücken sollten verengt werden,

so

daß

unnöthige Menschen

nicht

mehr Platz auf denselben hätten.

Der Mann, von dem dies Gesetz ausging, war Casus MariuS, der Sohn eines unbedeutenden Landmannes

in Arpinum;

ausgewachsen

ohne geistige Bildung, rauh und roh wie ein Römer der ältesten Zeit.

Seine ersten Kriegsthaten hatte er im numantischen Kriege verrichtet, wo er Scipio's große Aufmerksamkeit so sehr erregte,

dem jungen,

daß dieser in

ausdauernden, kräftigen Manne schon den dereinstigcn

großen Feldherrn erkannte. Als Marius das Gesetz wegen der Stimmbrücken vorschlug, erklärte der Consul L. Aurelius Cotta sich nicht allein gegen das Gesetz, son­

dern verlangte sogar, daß Marius zur Verantwortung gezogen werde. Dieser aber erschien int Senate und forderte Verhaftung des Consuls,

und als der andere Consul Metellus sich seinem AmtSgehülfen schloß, befahl Marius, auch diesen ins Gefängniß zu führen.

an­ Ver­

geblich suchte der Consul einen der andern Tribunen zu>n Einsprüche zu veranlassen; eS blieb kein anderes Mittel,

als Zurücknahme deS

235

Karthago's Zerstörung.

welcher dem

Beschlusses,

Gesetze

deö

Marius

entgegengesetzt

war.

Allein das neue Gesetz gab noch keine hinreichende Bürgschaft gegen Bestechung

und Erkaufen der Stimmen.

Die Reichen blieben fort­

während im Besitze der Staatöämter, vermehrten dadurch ihren Reich­

ein schamloses und

thum und fanden nur noch mehr Veranlassung,

Es war in diesem Jahre (639, 115) daß

üppiges Leben zu führen.

einst zweiunddreißig Senatoren wegen schlechter Sitten

die Censoren

aus dem Senate stießen. Damals wurden auch vom Consul M. AemiliuS Scaurus

Verfügungen

gegen

übermäßige

Schwelgerei

namentlich ein Verbot gegen fremde Muschelfische und

erlassen,

ausländisches

Bald nachher ward ein Beispiel der Sittenverderbniß ruch­

Geflügel.

bar, welches, wo noch einige alte Scheu geblieben, großes Aussehen

erregte.

Mehrere vcstalische Jungfrauen, eine Marcia, Aemilia und eines sehr unzüchtigen Lebenswandels angeklagt und

Licinia wurden

Um das öffentliche Aergerniß zu sühnen, baute man der

verurtheilt.

Venus Vcrticordia

einen

Tempel,

rief,

wie

ein

alter

sagt, die Göttin der Liebe jetzt um Keuschheit an.

18.

Schriftsteller

(Peter v. Kobbe.)

.Karthago'» Zerstörung.

Bereits zwei Jahre belagerten die Rönrer Karthago, aber noch ohne Wiewohl die Bewohner, um den ungerechten Angriff

einigen Erfolg. abzuwendcn, sich

dazu

verstanden hatten,

den Römern ihre Waffen

und Schiffe auszuliefern und die Schiffswerfte zu zerstören; so hatten

sie doch,

als

sie

sich getäuscht sahen,

mit beispielloser Anstrengung

diesen Mangel in kurzer Zeit wieder zur Noth ersetzt und leisteten den verzweifeltsten Widerstand.

der Belagerer

Alle Angriffe

waren ver­

geblich ; die meisten Gefechte vor der Stadt fielen zu ihrem Nachtheile aus, und endlich begann der Krieg sich ganz zum Vortheil der be­

drängten Stadt zu wenden. und

besorgt,

und

jungen Publius rühmliche Proben

Da wurde das Volk zu Rom unwillig

alle Blicke,

alle Hoffnungen

Cornelius Scipio

der Tapferkeit

zu,

welcher

abgelegt

gesetzliche Alter noch nicht erreicht hatte,

hatte.

wendeten als

sich

Tribun

Wiewohl

dem

bereits

er

das

wählte ihn daö Volk zum

Consul, übertrug ihm den Oberbefehl in Afrika, und gab ihm Voll­

macht, das Heer zu verstärken und von den Bundesgenossen Freiwillige mitzunehmen, so viel ihm beliebe.

Scipio segelte nun mit bedeutender Verstärkung nach Afrika, landete

236

Nom.

bei Utika und schlug in

der Nähe von Karthago sein Lager auf.

Hier war sein erstes Geschäft, die ganz zerfallene Zucht im Heere Darauf bemächtigte er fich der Erdenge,

wiederherzustellen.

welche

Karthago, das auf einer Halbinsel lag, mit dem festen Lande verband, zog von einem Meere zum andern in einer Ausdehnung

von fünf­

undzwanzig Stadien, zwei Gräben, und befestigte diese mit Wall und Verpfählung, den einen nach der Seite von Karthago hin, überdies

noch mit einer Mauer und Thürmen.

Durch dieses Bollwerk, welches

ihm zugleich zum Lager diente, schnitt er der Stadt alle Zufuhr vom Als er sodann gewahrte, daß von der See her doch noch

Lande ab.

einige Zufuhr möglich war, die seine Schiffe nicht hindern konnten, so

baute

um den Eingang des Hafens

er,

zu sperren,

einen langen

Damm ins Meer hinein, oben vierundzwanzig Fuß, unten viermal so

Die Karthager aber gruben auf der entgegengesetzten Seite

so breit.

des Hafens eine neue Mündung mitten in das Meer, und zugltich

bauten sie eine Menge Schiffe.

Diese Arbeit betrieben sie ganz geheim

bei Tag und Nacht sehr eifrig.

und

die neue Mündung Schiffen

aus.

liefen

Plötzlich öffneten sie eines Morgens

furchtbar

mit fünfzig

Diese unerwartete

Erscheinung

ausgerüsteten

versetzte wirklich

die

Römer in Bestürzung, so daß die Karthager wohl ihr Schiffslager hätten erobern können, wenn sie sogleich angegriffen hätten, da die­

selben gerade ziemlich

von Vertheidigern

entblößt

waren.

Aber sie

benutzten diesen Vortheil nicht, sondern nachdem sie den Feind verhöhnt,

fuhren sie wieder zurück.

Und als sie erst nach drei Tagen zu einem

Seetreffen sich aufstellten, wurden sie von den Römern in der besten

Ordnung empfangen und mit großem Verlust wieder zurückgetrieben. Nun richtete Scipio sein Augenmerk auf einen breiten Wall, der

vor der Mauer neben dem Hafen errichtet und mit einer Brustwehr versehen war.

Da er diesen als einen gelegenen Angriffspunkt gegen

den Hafen ansah,

so griff er ihn mit Belagerungsgeräthen an und

zerstörte bereits einen Theil der Brustwehr. Karthager

einen kühnen nächtlichen

steckten sie in Brand.

sie

durch

das

Da machten eine Anzahl

Ausfall

auf die

Geräthe und

Nackt und waffenlos schwammen oder wateten

hier seichte Meer heran, rannten

mit verzweifeltem

Muthe, keine Wunde scheuend, den feindlichen Waffen entgegen und ließen nicht eher ab, als bis sie die Belagerungsgeräthe angezündet

und große Verwirrung im ganzen römischen Lager angerichtet hatten. Daraus schwammen sie wieder nach

Hause. — Die Römer jedoch

237

Karthag o's Zerstörung.

fertigten neue Belagerungsgeräthe, bemächtigten sich nach einiger Zeit

des Walles, umzogen ihn mit einem Graben und einer Mauer und besetzten diese mit Truppen.

Während

des Winters

Darüber verfloß der Sommer. . bezwang Scipio die übrigen Städte und

Gegenden des karthagischen Gebiets, von wo aus den Bewohnern der Stadt bisher Lebensmittel zugeführt wurden.

Dann beim Anfänge

des Frühlings griff er zuerst denjenigen Theil der Häfen an, welcher

Dies ist eine Insel in der Mitte des innern Hafens,

Cothon heißt.

der Einfahrt gegenüber,

welche mit starken Dämmen

eingefaßt, die

See-Arsenale und Schiffsmagazine enthielt, und durch ihre Lage den

ganzen Hafen beherrschte.

Die Karthager steckten einen Theil dieses

Cothon, welcher das Viereck hieß, in Brand.

Aber während sie alle

Aufmerksamkeit auf diese Seite, woher sie einen neuen Angriff erwar­ teten, gerichtet hatten, erstiegen die Römer unbemerkt auf einer andern

Seite die Mauer und eroberten von da aus die ganze Insel.

Darauf

besetzte Scipio den Marktplatz, und dann richtete er seine ganze Thätig­

keit auf die Burg, Byrsa genannt, wohin sich die meisten Einwohner Dahin fiihrten vom Marktplatz aus drei Straßen,

geflüchtet hatten.

auf beiden Seiten mit sechsstöckigen dicht an einanderstehenden Häusern.

Die Römer, von den Dächern und Fenstern herab mit Geschossen und Steinen getroffen, stürmten die ersten derselben, dann drangen sie von

den Dächern aus vermittelst Balken und Brettern weiter in die nächsten. So wurde also in diesen Straßen ein doppelter Kampf geführt, oben

auf den Dächern und unten

auf dem Pflaster.

Mitten unter die

unten Kämpfenden wurden von oben Lebende herabgeschleudert und entweder auf dem Boden zerschmettert oder mit emporgehaltenen Spee­ ren und Schwertern aufgefangen.

war fürchterlich.

Das Geschrei und

der Jammer

Endlich, als die Römer bis zur Burg vorgedrungen,

und der Kampf ans den Dächern beendigt war, wurden die Straßen

in Brand gesteckt. sich

Während von da aus das Feuer immer weiter

verbreitete, rissen die Soldaten die Häuser

massenweis

nieder,

sammt den in den innersten Winkeln versteckten Bewohnern, meistens Greisen, Kindern und Weibern,

welche theils jämmerlich verschüttet

und verbrannt, theils unter brennendem Gebälk von der Höhe herab­ geschleudert, gräßlich verstümmelt unter den Trümmern halb begraben

hervorragten.

Und

eilten Durchzug zu

als

nun

bereiten,

die Schnttaufräumer, um dem Heere

mit

Aerten,

Haken und

Gabeln die

Trümmer wegschafften, warfen sie Lebende wie Todte in die Erdgruben,

238

Rom.

so daß Manche mit dem Kopfe in der Erde, die zappelnden Beine emporstreckten, Andere mit den Köpfen hervorragend von Pferden in

dem Getümmel zertreten wurden.

Diese Gräuel geschahen nicht gerade

auö Vorsatz, sondern bei dem hitzigen Eifer und Geschrei der Kämpfen­

den, dem Schmettern der Trompeten, dem Hin- und Herrennen der Mannschaften wurde der Jammer der Einzelnen meist nicht beachtet. Mit solcher Arbeit wurden sechs Tage und sechs Nächte zugebracht, während dessen das Heer sich

Nur Scipio blieb

beständig ablöste.

ohne Rast und ohne Schlaf auf dem Platze, bis er endlich ermattet

auf einer Anhöhe, von

wo aus er Alles übersah,

sich niedersetzte.

Endlich am siebenten Tage, als die Zerstörung und der Jammer noch immer fortdauerte, kamen

einige Karthager mit Oelzweigen in

den

Händen von der Burg zu Scipio und baten um Verbürgung des

Lebens,

wenn

sie

die Burg verließen.

Scipio

gewährte

die Bitte

Allen, die davon Gebrauch machen wollten, die Ueberläufer ausge­ Und nun zogen sünfzigtausend Köpfe, Männer und Weiber

nommen.

durch eine enge Mauerlücke heraus.

Die römischen Ueberläufer da­

gegen, etwa neunhundert, begaben sich mit Hasdrubal, dem Anflihrer der Karthager, dessen Gemahlin und

zwei kleinen Knaben in den

Tempel des Aeskulap, der auf dem höchsten Theile der Burg lag und

schwer zu ersteigen war, so daß sie sich trotz ihrer geringen Zahl leicht

vertheidigen konnten.

Als sie aber von Hunger und Anstrengung er­

schöpft ihr Verderben vor Augen sahen,

steckten sie den Tempel in

Flammen und verbrannten sich mit demselben. heimlich

Rur Hasdmbal war

mit Oelzweigen in der Hand zu Scipio

Gemahlin

aber verwünschte ihn laut

als

gestiegen.

treulosen

Seine

Verräther und

Feigling, dann stürzte sie sich mit ihren Kindern in die Flammen. Als nun Scipio diese Stadt, welche siebenhundert Jahre im Flor

gestanden, über ein so ausgedehntes Gebiet geherrscht, an Reichthum und Macht mit den größten Reichen gewetteifert,

an Betriebsamkeit

nnd Unternehmungsgeist alle übertroffen hatte — als er diese Stadt

in Schutt und Asche dahinsinken sah, da soll er Thränen vergossen und in tiefes Nachdenken über das Geschick der Städte und Völker

versunken die Worte des Dichters gesprochen haben: „Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt,

Priamus selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs."

(Lanz.)

239

Rom von Pompejus dem Großen bis Octcivianus.

13. Rom von Pomp ejus dem Großen bis tvetavianus. Während Rom diese Kriege glorreich führte, hob

sich die Volks­

partei aus dem untergeordneten Verhältnisse, welches ihr Sylla ange­

wiesen hatte, wieder zu vorigem Glanze empor. und

zu

stand,

sehr sie

an das Mitherrschen gewöhnt,

werde, so

lange

wenigstens

Sie war zu zahlreich als

daß

zu erwarten

der Freistaat dauerte,

jene

Unterordnung lange ertragen; die Großen aber, welche dieser Menge

gegenüber standen, hatten den Glanz ihrer Würden, wodurch sie in vorigen Zeiten so

sehr geschwächt.

geachtet waren,

durch

vielfache Verdorbenheit zu

Bei jener unmhvollen Herrschsucht des Volkes und

diesem Wanken der Häupter desselben konnte es aber auch, besonders da die Verfassung Rom's in der letzten Zeit so oft verändert worden war, nicht fehlen, daß bald der ganze Staat die Beute einzelner ehr­

geiziger Männer wurde.

Noch in demselben Jahre als Sylla starb, wurde ein Versuch ge­ macht, die Verfassung, welche er dem Staate gegeben hatte, umzu­ stoßen.

Doch dieser

Versuch,

so

wie einige nachfolgende

Versuche

wurden vereitelt. Mehr und mehr hoben sich indessen die Volkstribunen wieder.

Schon der Volkstribun Opimius setzte eS (75) durch, daß

der Weg zu andern Staatswürden den Volkstribunen nicht für immer

verschlossen blieb, und die Ritter wieder unter die Geschwornen bei den Gerichten ausgenommen wurden.

Endlich Pompejus, lüstern nach

der Ehre, als der Erste in Rom zu gelten, glaubte diesen Zweck am

glücklichsten mit Hülse der Volkspartei zu erreichen, und stellte daher,

während er (70) das Consulat in Gemeinschaft mit Craffus verwaltete,

die Volkstribunen und Glanze wieder her.

sonach

auch

die Volkspartei in ihrem alten

Dafür ward aber auch eben diesem Pompejus

bei verschiedenen Gelegenheiten so viele Macht anvertraut, wie Keinem der römischen Bürger vor ihm.

Solche Uebermacht eines einzelnen Bürgers

erregte aber natürlich

bei Vielen Eifersucht oder bange Besorgnisse. Noch während Pompejus in Asien verweilte, mußte die Uebermacht desselben einer ruchlosen Horde von Empörern, an deren Spitze L. Ser­

gius Catilina stand, zur Verschleierung ihrer eigennützigen Absichten dienen.

der

Doch hauptsächlich M. Tullius Cicero, mit Recht der Vater

Musen Latium's

genannt,

rettete

durch

seine Wachsamkeit

den

240

Rom.

Staat aus den Gefahren, in welche diese Rotte (66—62) denselben gebracht hatte.

Aus

edleren Gründen,

als

Catilina

und

seine

Rotte,

kämpften

M. PorciuS Cato und andere Senatoren gegen die Uebermacht des

Pompejus, als dieser (61) aus Asien zurückgekehrt war.

Sie ver­

weigerten ihm insbesondere die Bestätigung der Einrichtungen, welche

er beinahe mit königlicher Macht in Asien getroffen hatte. M. Porcius Cato der Jüngere (Cato von Utika) ein Urenkel von

Cato Censorinus,

jenem

welcher so

auf die Zerstörung

hartnäckig

Karthago's bestand, hatte schon als Knabe einen festen, ernsten Sinn gezeigt. lieber

Kaum acht Jahre alt, wollte er sich von Pompädius Silo zum Fenster hinauswerfen lassen,

als

seinen Oheim

Livius

Drusus bewegen, daß man den Bundesgenossen das römische Bürger­ recht ertheile.

Wenige Jahre nachher bat er seinen Erzieher um ein

Schwert, um den mordenden Sylla zu ermorden.

In reiferen Jahren

weihte er sich dem Studium der stoischen Philosophie und lebte, was diese lehrte.

In mehreren öffentlichen Aemtern, welche er hieraus be­

kleidete, war er untadelhast; an Gesetz und Recht hielt er mit uner­

schütterlicher Festigkeit; sein Name wurde gleichbedeutend mit der Recht­

schaffenheit selbst.

Mit mehr Nachgiebigkeit wäre er vielleicht seinem

Vaterlande nützlicher

gewesen,

ein Cato

aber

würde der Geschichte

der Menschheit fehlen.

Der Widerstand, welchen ein Cato und andere bessere Senatoren dem

aus Asien

wiederkehrenden Pompejus

Schicksal Rom's sehr wichtige Folgen.

leisteten, hatte für

daS

Denn Pompejus siegestrunken

und nach der Herrschaft jetzt begieriger noch, als vorher, schloß sich, je mehr solcher Widerstand ihn befremdete, desto enger an die Volks­ partei an und ging zugleich (60)

eine Verbindung

ihn sowohl, als für den Staat verderblich war.

ein, welche für Mit M. Licinius

Crassus, welcher durch seinen großen Reichthum viel vermochte, batte

er sich schon früh verbunden; er erneute jetzt nicht nur diese Verbin­

dung, sondern nahm auch den Cajus Julius Cäsar in dieselbe auf, an welchem er einen Liebling deö Volkes, wohl aber nicht den hohen,

seltenen Mann erkannte.

Diese drei Männer (Triumviri) galten nun (60) als die Ersten im Staate, und ihre vereinigte Macht war auch wirklich den Großen

unwtderstehbar.

Der wahrhaft und in jeder Hinsicht Erste dieses Bundes war Cäsar;

241

Nom von Pompejus dem Großen bis Octavianus. auch stand dieser jetzt in den Jahren voller männlicher Kraft

und

war überdies seit längerer Zeit in dem Besitze der Gunst der Volks­

partei, welcher er schon als Verwandter dcö Marius und Cinna an­ gehörte. Durch die Verbindung mit Pompejus und Crassus wurde Cäsar schon im Jahre 59 Consul.

Als solcher bewirkte er, daß den

armen Bürgern Ländereien in Campanieu ausgetheilt wurden. Da­ durch gewann er aufs Neue die Volkspartci. Auch setzte er durch,

daß die Einrichtungen deS Pompejus in Asien bestätigt wurden.

Die

Ritter gewann er, indem er den Pächtern der asiatischen Einkünfte ein Drittheil ihres Pachtes erließ. An Publius Clodius, einem aus­ schweifenden und zu Allem seilen Manne, welcher durch ihn Volks­

tribun wurde, erwarb er sich den eifrigsten Anhänger.

Als sein Kon­

sulat zu Ende war, wurden ihm (58) beide Gallien nebst Illyrien

auf fünf Jahre als Provinz zu Theil. Dadurch hatte er nun Ge­ legenheit, sich auch hohen Kriegsruhm, woran Pompejus ihn jetzt noch übertraf, zu erwerben, und in der Nahe Roms konnte er über­ dies ein Heer für seine Pläne bilden. Gallien jenseits der Alpen, dem größten Theile nach noch von den Römern unbesiegt, wurde binnen acht Jahren von Cäsar unterjocht. In dem Jahre 58 gewann er durch die Befreiung der Gallier von

helvetischen (Orgetorjr) und deutschen Horden (Ariovistus) Gelegenheit, sich in die gallischen Angelegenheiten zu mischen. In den Jahren 57 und 56 unterwarf er Gallien, dann von 55—53 machte er Versuche

zu Einfällen in Deutschland und Brittannien; von 53—51 mußte er Empörungen in Gallien dämpfen (Vereingetorir), und endlich im Jahre 50 beschäftigte er sich mit friedlichen Einrichtungen in dem jen­ seitigen Gallien. Während dieser auswärtigen Unternehmungen war aber Cäsar auch

zugleich durch seine Stellvertreter in Rom auf mannigfaltige Weise thätig. Durch Clodius bewirkten die Triumvirn, daß Cato nach Cypern geschickt, Cicero aber verbannt wurde. Eben dieser Clodius war indessen bald für Pompejus selbst furchtbar, so, daß dieser auf die Zurückberufung Cicero's drang, welche er aber erst im folgenden

Jahre (57) durch den Volkstribun Milo durchsetzte. Vom April 58 bis September 57 hatte die Zeit der Verbannung Cicero'S gedauert.

Als er Rom verließ, herrschte bei vielen Römern

tiefe Trauer, und als er wiederkehrte, strömten Volk und Senat ihm

vor die Stadt entgegen, und sein Einzug dauerte einen ganzen Tag. Histor. Lesebuch. I.

16

242

Rom.

Nicht durch kriegerische Tugend zeichnete sich Cicero aus, auch man­ gelte ihm die Festigkeit eines Cato, aber er war ein redlicher, eifriger Freund seines

Vaterlandes,

ein

vortrefflicher Redner,

ein Freund,

Kenner und Beförderer der Wissenschaften, und durch den Adel, welchen

die wissenschaftliche Bildung über sein ganzes Wesen ausbreitete, ein

Muster und Vorbild für viele bessere Römer.

Bald, nachdem Cicero aus der Verbannung zurückgekehrt war, er­ neuten die Triumvirn durch einen Vergleich zu Lucca im Jahre 56

ihren Bund.

Sie beschlossen: dem Pompejus sollten die Provinzen

Spanien und Afrika, dem CrassuS aber die Provinz Syrien ertheilt

werden; dafür aber

sollten

Craffus

und

Pompejus,

als

Consuln,

Cäsar'» seine Provinz Gallien auf'S Neue für fünf Jahre bestätigen. Sie setzten' durch, was sie beschlossen hatten, jedoch zum Theil nicht ohne harten Kampf, besonders mit Cato.

Craffus und Pompejus gelangten wirklich in dem Jahre 55 zum Consulat, und erhielten auch die bestimmten Provinzen, so wie Cäsar'n

die Fortdauer seiner Statthalterschaft

auf neue fünf Jahre

bestätigt

wurde. — Pompejus ließ seine Provinz

vertretern verwalten;

Craffus

wider alles Herkommen von Stell­ aber verlor schon im Jahre 53

aus

einem tollkühnen Zuge gegen die Parther sein Leben.

Bald

nach

dem Tode deö Craffus veränderte sich das bisherige

Verhältniß zwischen Pompejus und Cäsar.

Bei Pompejus,

welcher nun

keinen

Ncbenbrchler mehr

in Rom

hatte, und einen Cäsar noch immer nicht vollkommen begriff, entglühtc

jetzt immer mehr der Wunsch, der auöschließcnd Erste in dem Staate zu sein.

Auch wurde er wirklich unter Volksunruhcn, welche er wohl

selbst begünstigte, im Jahre 52 zum Consul ohne Kollegen ernannt.

Um eben diese Zeit (52) verlangte aber Cäsar, dessen Plan, die Oberherrschaft

an

sich

zu

reißen,

jetzt

ebenfalls

gereift war,

und

welchen überdies ein zahlreiches, wohlgeübtes Heer zu Gebote stand, durch die von ihm gewonnenen Volkstribunen, daß er, auch abwesend,

um

das Consulat

anhalten durste.

Der Antrag

der Volkstribunen

ward bewilligt, und der schwankende Pompejus selbst unterstützte den­ selben. Immer mehr erweiterte hierauf Cäsar, besonders durch C. Curio,

den Kreis seiner Anhänger unter der Volkspartci; aber von nun an

stieg auch die Furcht seiner Gegner vor ihm.

Pompejus selbst, welcher

bisher so begierig nach der Herrschaft gestrebt hatte, wollte nun plötzlich

243

Rom von Pompejus dem Großen bis Octavianus.

ein Retter der Freiheit Rom's werden, und schloß sich enge an den Senat an.

Den gefürchteten Cäsar von seinen Legionen zu trennen, war nun

der vornehmste Wunsch seiner Gegner, uuo dieser Wlinsch war um so dringender,

je

mehr

die Zeit, für welche Cäsar den Oberbefehl in

Gallien erhalten hatte, sich ihrem Ende näherte. Endlich nach vielen Verhandlungen beschloß (7. Jan. 49) der Senat:

Cäsar sollte sein Heer entlassen; wo nicht, so würde er für einen Feind des Staates erklärt werden.

Die Volkstribunen, welche diesem Be­

schlusse widersprochen hatten,

mußten

zu Cäsar

flüchten.

ging

Da

Cäsar, jedoch nicht ohne Kampf mit sich selbst, über den Fluß Ru-

bicon, die Gränze des alten Jtalieu's. Dieser Schritt Cäsar's verbreitete in Rom großen Schrecken.

Pom­

pejus, welchem der Senat den Schutz des Staates anvertraut hatte,

floh aus Rom und mit ihm viele Senatoren und Alle, welche nicht für Anhänger Cäsars gelten wollten, zuerst nach Unter-Italien, dann nach Epirus, so, daß Cäsar binnen sechszig Tagen Herr von beinahe

ganz Italien war.

Ehe er indessen seine Feinde in Griechenland ver­

folgte, wollte er zuvor die Legionen dcö Pompejus in Spanien be­ zwingen, bezwairg sie und kehrte bereits am Ende Decembers 49 nach Rom zurück, wo er zuerst zum Dictator, dann zum Consul für das Jahr 48 ernannt wurde.

Gleich am Anfänge dieses Jahres begann

er den Kampf mit Pompejus in Griechenland.

Da fehlte wenig, daß

er nicht bei Dyrrhachium in großes Gedränge wäre gebracht worden; er

mußte

trug

sich

nach Thessalien zurückziehen.

er in den Ebenen

Pompejus davon.

von Pharsalns

Aber am 20. Juli 48

den herrlichsten Sieg über

Bald hierauf (48) wurde Pompejus auf Veran­

stalten des ägyptischen Hofes, an welchen er geflohen war, ermordet. PompejuS war ein ausgezeichneter Mann, so lange das Glück ihn trug.

Als ihn dieses verließ, sank er; aber auch im Augenblicke des

Todes bewährte sich seine edle Natur.

Wenige Tage nach seiner Er­

mordung (August 48) kam Cäsar in Alerandria an, gerieth aber hier wegen der Cleopatra, der ägyptischen Königstochter, in einen Krieg,

welcher ihn zwar in viele Gefahren verwickelte, den er aber doch sieg­ reich endigte.

Wegen

dieses Krieges,

noch

mehr aber wegen

der

Reize Cleopatra's, verweilte er fast ein Jahr in Aegypten, vergessend,

wie viel ihm noch zu thun übrig sei.

Nun aber raffte er sich wieder

auf, und in der kürzesten Zeit ward dann Pharnaces, der Sohn

16*

244

Rom.

Mithridat's des Großen, wegen einer Empörung wider Rom von ihm gezüchtigt.

Nun, nach einer Abwesenheit von beinahe zwei Jahren,

kehrte er (December 47) nach Rom zurück, stellte die von den Volks­ tribunen Clölius und Dolabella gestörte Ruhe wieder her und

eilte

dann (Januar 46) nach Afrika, wo ein neuer Krieg seiner wartete.

Die Provinz Afrika, so wie der König Juba von Numidien, waren der Sache des Pompejus treu geblieben, und viele bedeutende Römer, unter ihnen

auch Cato,

dahin

waren

geflohen,

Partei

wahrhaft furchtbare republikanische

noch

so,

daß

übrig

hier eine

war.

Auch

begann der Kampf in Afrika für Cäsar sehr hart.

Doch ein Sieg

bei Thapsus (46) unterwarf ihm auch diese Feinde.

Numidien ward

zur römischen Provinz

gemacht.

Alles

huldigte dem Helden.

Nur

Cato huldigte nicht, sondern nahm sich, weil er den Fall der freien

Verfassung Rom's nicht zu überleben vermochte, bald nach der Schlacht bei Thapsus das Leben. Im Juni 46 feierte Cäsar bei seiner Rückkehr nach Nom den glän­

zendsten Triumph, imb ward zum Dictator auf zehn Jahre ernannt.

Doch bereits nach wenigen Monaten mußte er nach Spanien eilen, um mit den Söhnen Pompejus des Großen,

Cnejus

PompejuS einen gefahrvollen Kamps zu bestehen.

und Sertus

In einer blutigen

Schlacht bei Munda (März 45) schwankte der Sieg lange hin und her;

endlich

nach

vieler Gefahr

neigte

er sich auf Cäsar's Seite;

En. Pompejus ward getödtct, sein Bruder mußte flüchten; ihr An­ hang in Spanien unterwarf sich Cäsar'n.

Alle öffentliche Feinde Cäsar's waren nun überwunden, und Rom ernannte ihn (45) zum Dictator auf Lebenszeit.

Er aber, dem selbst

im Laufe des Bürgerkrieges die Grausamkeit eines Marius und Sylla ftemd

geblieben

war,

herrschte

Rom und dessen weites Gebiet.

nun mit Güte

und

Weisheit über

Doch ward er schon am 15. März 44

von M. Brutus, welchem Cato von Ntika Muster und Vorbild war

(Porcia), Cajus Cassius und mehreren andern begeisterten Freunden

der Verfassung ermordet. Die Folgen ihrer That waren von den Verschwornen keineswegs

sicher berechnet, und sie versahen es offenbar darin, daß sie nicht un­

mittelbar nach Cäsar's Ermordung mächtigten.

sich der Gewalt im Staate be­

Nicht einmal bei dem Senate sanden sie die erwartete

Theilnahme; die Gefühle deS Volkes theilten sich zwischen der Liebe Cäsar's und der Achtung für Brutus; ein großer Theil der Legionen

245

Rom von PompejuS dem Großen bis Octavianus.

aber war wider die Mörder Cäsar's.

Zwar bewirkte Cicero, daß die

Verschwornen sich mit den Anhängern Cäsar's auösöhnten; aber diese

Aussöhnung war nur erzwungen, und konnte daher nicht von langer Dauer sein. Indessen der Consul MarcuS Antonius, welcher theils mit Hülfe

des Heeres, theils durch andere Künste nach dem Tode Cäsar's sich

alsbald an dessen Stelle drängen wollte, wäre wohl für sich allein

nicht vermögend gewesen, die Freunde des Freistaates zu unterdrücken.

Aber

Octavius,

als

der

Sohn

der Schwestertochter Cäsar's,

von

diesem als Sohn angenonnnen (seitdem Cäsar OctavianuS genannt)

und im Testamente als Erbe eingesetzt, sich, nachdem er den Senat

und besonders den für ihn begeisterten Cicero mit der ihin eigenthüm­

lichen Schlauheit einige Zeit getäuscht hatte, mit Antonius (27. No­ vember 43) verband, war eine fi'tr die Republikaner furchtbare Gegen­

partei da.

Zu Octavianus und Antonius gesellte sich noch Marcus

Lepidus, der Befehlshaber der Reiterei.

Antonius, Octavianus und LepiduS furchtbar durch die Heere, an

deren Spitze sie standen, bemächtigten sich nun der obern Gewalt im Staate.

Durch Grausamkeit befestigten diese Triumvirn ihre Macht.

Alle ihre Gegner, die Mörder Cäsar's, ja, Alle, welche den Mord

Cäsar's gebilligt und das Anseheir des Senats auftecht erhalten hatten, wurden dem Tode geweiht,

und die Güter dieser Schlachtopfer zur

Rom ward-

Belohnung und Aufmunterung der Soldaten bestimmt.

nun wieder, wie zur Zeit Sylla's, ein Schauplatz des Mordes, der

Verräthcrei,

der

Treulosigkeit.

Dreihundert

Senatoren,

und

viele

Andere wurden geächtet, und wer sich nicht durch die Flucht rettete,

ward erschlagen.

Wuth.

Auch Cicero fiel (7. December 43) als Opfer dieser

PopilliuS Läna, dem er Leben und Ehre gerettet hatte, er­

mordete ihn; Antonius mißhandelte ihn noch im Tode. — Wie die

Mordsucht, so tobte auch die Raubsucht.

seines Vermögens willen geächtet. Soldaten keine Gränzen.

Mancher ward

blos um

Besonders kannte die Habsucht der

Zu den eigentlicheir Räubereien kamen noch

die drückendsten Abgaben.

Noch stand indessen den Triumvirn ein gefahrvoller Kampf bevor. Denn, während sie in dem Westen des römischen Reichs wütheten,

hatten sich in dem Osten desselben ein zahlreiches Heer von Freunden

des Freistaates unter Brutus und Cassius versammelt.

Bei Philippi

in Makedonien sollte (42) das Schicksal Rom's entschieden werden.

246

Rom.

Octavianus stand dem Brutus, Antonius dem Cassius entgegen. Bmtus schlug das Heer Octavians; Antonius drängte den Cassius zurück; das Treffen war nicht entscheidend. Aber ein zufälliger Irr­ thum verschlimmerte die Sache der Republikaner. Cassius hielt die Reiter, welche Brutus ihm zuschickte, für Feinde und ließ sich in der

Mit ihm verloren die Freunde des Freistaates ihr eigentliches Oberhaupt, ihren besten Feldherrn, die Zu­ Verzweiflung den Tod geben.

versicht zu sich selbst und den Muth. das Heer noch in Ordnung halten.

Nur mit Mühe konnte Brutus Von den Soldaten genöthigt,

mußte er ungefähr zwanzig Tage nach dem Tode des Cassius zu einer

zweiten Schlacht in derselben Gegend vorrücken. Die Republikaner erlitten eine Niederlage; Brutus ließ sich von einem Freunde durch­ bohren; die Stütze des Freistaates war (42) zertrümmert. Hierauf übernahm Octavianus den Westen, Antonius den Osten des Reichs, dem unbedeutenden Lepidus, welchen Antoniuö und Octavianus seit dem Siege bei Philippi wenig mehr achtete, ward Aftika zu Theil; Italien blieb gemeinschaftlich. Antonius gab sich bald der ägyptischen Königin Cleopatra hin, mit gewohnter Besonnenheit dem Ziele seines Ehrgeizes entgegen. Schon der Besitz der westlichen Provinzen war für Octavianus ein großer Vortheil. Denn im Falle eines Bruches mit Antonius hatte Octavianus hingegen ging

er Rom und Italien für sich, und konnte den Namen des Senats und des römischen Volks zur Vertheidigung seiner Sache verwenden. Wohl drohte ihm manche Gefahr, ehe er sein Ziel erreichte, aber zu seiner Klugheit gesellte sich noch vielfaches Glück. Um die Legionen an sich zu fesseln, theilte er ihnen zum gränzen­ losen Jammer vieler unschuldigen Familien, die versprochenen Lände­ reien zu. Viele der Beraubten schlossen sich an Fulvia, die Gemahlin des Antonius an, welche, um ihren Gemahl aus den Armen Cleopatta's zu reißen, in Verbindung mit ihrem Schwager, dem Consul Lucius Antonius, einen Bürgerkrieg gegen Octavianus und dessen

steigende Macht anfachfe.

Von dem Ende des Jahres 41 bis zum

April des Jahres 40 dauerte dieser perusinische Krieg; nur durch

Einschließung des Consuls in Perusia ward derselbe geendigt; zum großen Glücke Octavian's hatte der Triumvir Antonius nicht daran Theil genommen. Bald hierauf wurde Octavianus durch

SertuS Pompejus, den

247

Staatsverfaffung von Rom.

Sohn Pompejus des Großen, beunruhigt, welcher nach Cäsar's Tode

neue Kräfte in Spanien gesammelt hatte, auch Sicilien und Sar­ dinien eroberte, und jetzt im Begriffe stand, sich mit Antonius wider

OctavianuS zu verbinden.

Doch als schon (40) ein neuer Bürger­

krieg auSzubrechen drohte, erfteute ein Friede, hauptsächlich durch die

Legionen vermittelt, unerwartet ganz Italien. Indessen wenige Jahre nachher (38—36) kam OctavianuS durch Sertus Pompejus abermals in große Gefahr. Er war verloren, wenn Antonius auf die Seite seines Gegners trat. Allein es gelang ihm auch diesmal, den Antonius für sich zu gewinnen; Pompejus

aber, von den Seinen'verrathen, wurde endlich von M. Agrippa be­ siegt, und fand seinen Tod nachher zu Miletus. Kurze Zeit nach Besiegung dieses Gegners gelang es dem Octavianus dadurch, daß er das Heer des Lepidus auf seine Seite zog,

seine Macht um Vieles zu vermehren. Lepidus pries sich glücklich, als ihm erlaubt ward, das Triumvirat mit der Würde eines Pontifex

Marimus zu vertauschen. In gleichem Maße aber, in welchem OctavianuS sich hob, nahte sich Antonius seinem Sturze. So sehr hatte diesen sinnlichen Mann die Liebe zu Cleopatra und gränzenlose Genußsucht gefesselt, daß er nicht nur die Kriege gegen die Parther mit Nachlässigkeit führte, son­

dern auch zum großen Aerger des römischen Volkes, seine geliebte Cleopatra mit römischen Provinzen bereicherte. Dieser stolzen Königin Aegypten's erklärte nun Rom den Krieg.

Aus einer Seeschlacht bei Actium (2. September 31) floh Antonius

mit Cleopatra nach Aegypten, noch ehe seine Sache verloren war, und verlor diese eben dadurch. Als im Frühlinge darauf OctavianuS mit leichter Mühe Aegypten eroberte, gaben Antonius und Cleopatra sich selber den Tod; Aegypten ward römische Provinz und OctavianuS (30) Alleinherrscher Rom's.

(Breyer.)

I«. Staatsverfaffung in 9t»m. Rom ist eben, wie Athen, aus verschiedenartigen, doch verwandten Volksstämmen zusammengekommen; beide nahmen ohne große Schwierig­ keit Zuwanderer auf und reihten sie nach dem Standesrechte, welches

Wie in Athen stand in Rom eine alte Adelöherrschaft, zugleich priesterlich, über den übrigen Bürgem, um so

diese mitbrachten, ein.

248

Nom.

mächtiger, weil sie hier ohne Königshaus den König aus eigener

Mitte wählte, nach Etrusker Art.

Aber Sieger hielten hier nicht über

Besiegten Wache, noch war die Kunst, die einmal gezogene Scheidung zwischen Herrschaft und Gehorsam bis ans Ende aufrecht zu erhalten, der Inhalt von Rom's

Verfassungsgcschichte ,

wie

von Sparta's.

Der Anspruch der Gemeinden drang zu seiner Zeit in Rom zur Er­

klärung und rechtlichen Geltung durch, auch zum Siege, aber nicht wie in Athen in wenigen schnell aus einander folgenden Stößen, viel­ mehr sehr langsam und stufenweise in ganz eigenthümlicher Erscheinung, überhaupt am Ende mehr durch Ausgleichung, unter Schonung der

Grundformen; nur daß das Königthum verloren ging und blieb.

Drei Staatsgewalten waren: König, Senat und Adelsversammlung, aber die letztere stand zuhöchst. König, Senat, alle höheren Obrigkeiten gingen aus der Adelwahl hervor und waren Mitglieder

des Adels. Der König, auf stattlichem Kronland, war der Feldherr, übte daö Recht der Opfer für das Volk, war Oberrichter und Voll­ zieher des Rechts und der Gesetze, doch blieb die Berufung von ihm an den Adel offen. Der Senat war ein Ausschuß der Adclsgeschlechtcr;

er übte, gleich dem Könige, eine blos übertragene, auSsührende, vor­ bereitende Gewalt, die indeß lebenslänglich war. Starb der König, so traten die zehn Vorsitzer des Senats in den Genuß der höchsten Würde, und beantragten, oft sehr verspätet, eine neue KönigSwahl. Die Adelsgeschlechter Roms gingen von drei Stämmen (tribus) aus, jeder zu hundert Geschlechtern, daher auch die drei Centurien geheißen. Versammelt schaarte sich der Adel nach je zehn Geschlechtern, Curien genannt; ihrer sind dreißig; jede der dreißig Curien gab eine Stimme.

Die Deliebung der Mehrzahl der Curien, nicht die Köpfe, war Adels­ schluß, ja auch in der einzelnen Curie entschieden nur die Gentes; die Kopfzahl gab blos innerhalb der Gens den Ausschlag. Waltete gleich

anfangs ein Unterschied im Rechte zwischen den drei nach und nach zusammengekommencn Stämmen ob, so trat doch bald wesentliche Gleichheit ein, und auch der zuletzt aufgenommene Stamm der Luceres, lange geringeren Geblüts geachtet, durfte seit Tarquinius Priscus sein Hundert in den Adelsrath der nun Dreihundert senden. Der Adel besaß auch die Uebermacht des Vermögens.

Sein Acker­

land zwar, dicht um die Stadt herum, war ein kärglich zugemessener

Besitz; zwei Joch Ackers konnten für den Hausstand an Korn und Baumfrucht wenig leisten, und der Viehstand auf der Gemeinwiese

249

Staatsversassung in Rom. mußte wohl das Beste thun;

aber als

das Staatsgebiet sich ver­

größerte, nahmen die Geschlechter als regierende Gemeinde den meisten Zuwachs in ihre ausschließliche Nutzung, genug wenn jedes von seinem

Antheil den Zehnten in die Staatskasse zu entrichten versprach.

Auf

diesem seinem Staatsacker ließ der Adel zahlreiche Untergehörige wohnen, sei eS, daß sie ein Gewerbe betrieben oder ein Paar Joch Landes bittweise bauen durften. Nach ihrer Menge maß man die Gewalt eines Geschlechtes. Sie selber, die Clienten, wurden in die Geschlechter mit hineingezählt, aber blos als dienende Mitglieder, die der Staat ES fehlte zwar dem Ver­ hältnisse nicht an Würde und Gegenseitigkeit, aber Ausartung in Helotismus lag nahe, nur daß bei der charakteristischen Stärke des

nur durch ihre gentilen Vertreter kannte.

römischen Familienbandes, tief ausgeprägt in väterlicher Gewalt und Ehe, an ein Opfer der Familie, wie Lykurg's Volk es täglich brachte, nicht zu denken war.

Sonst ist die Staatsanlage spartanisch genug. Denn eben so wenig, als die Clienten, hatten die freien bürgerlichen Grundbesitzer im wach­ senden römischen Gebiete, Plebejer geheißen, irgend einen Antheil an Ihre Familien wohnten in dreißig Bezirken (regiones), die Bevölkerung jedes Bezirks bildete eine Gemeinde, welche tribus hieß, ohne mehr als den Namen mit den patrizischen GeschlechterTribuö gemein zu haben. König Servius Tullius gab der Plebs der Regierung.

diese Eintheilung. Die Gemeinde-Angelegenheiten der TribuS eines Bezirks durfte ein Tribun leiten, auch gab ihnen Servius Richter für

bürgerliche Streitigkeiten, von jeder Tribus selber zu wählen. sammlungen

sämmtlicher Tribus

hatten,

Ver­

wenn überhaupt gestattet,

lediglich Gemeinde-Zwecke, keine Bedeutung irgend für den Staat. Gleichwohl ist König Servius, soweit die Zeit es zuließ, Rom's

Solon geworden. Er nahm dem Adel die Regierung nicht, nicht den alleinigen Zutritt zu Königthum und Staatsämtcm, aber er stellte neben ihm eine von der adligen Geburt unabhängige, selbständige

Macht des Besitzes aus, eine Versammlung der vermögenderen Freien im Staate, deren Genehmigung fortan für Gesetze und Wahlen er­ forderlich fein sollte, die mithin ein Nein hatte.

Das war der wich­

tige Sinn seiner fünften Klaffe der vermögenden Bürger, wenn man den Anfang plebejischer Rechte beachtet, indeß berichtigte sie zugleich das bisherige System des Kriegsdienstes und sonstiger Staatsleistungen. Fortan soll der Vermögendere allein mit der Lanze und der kostspieligen

250

Rom.

ganzen oder halben Erzrüstung in den ersten Reihen die Gefahr be­

stehen, während die ärmere Zahl leicht bewaffnet und ruhinlos, aber auch fast kostenfrei hinten nachdrängt; auch die Steuer soll den Ple­

bejer nur nach dem Maße seiner Klasse belasten.

Aber eben so wenig als von Alters her die Curien, darf die Ver­ sammlung der Klassenbürger nach Kopfzahl über Wahlen und Gesetze

stimmen, die Einzelstimme hilft bloß eine der Gesammtstimmen bilden,

und die große Mehrzahl der Gesammtstimmen ist dazu den ersten Ver­ mögensklassen beigelegt; ja Alles ist so eingerichtet, daß wenn auch

uur die achtzig Centurien der ersten Klasse zusammenhalten, und mit

den achtzehn Centurien

patrizischer und plebejischer Ritter,

Standeswegen außer den Klassen mitstimmen,

ebenfalls

die

einig

von sind,

diese 98 Stimmen ganz allein den Sieg davon tragen; denn die nie­

drigeren Klassen treten ihnen mit nur 97 Centurien gegenüber.

Aber

außer der Centurien-Einrichtung und der Vermögens-Aristokratie ist der Gewalt der Zahl noch eine dritte Beschaffenheitsschrankc gesetzt:

ein Vorrecht des Alters, indem die Hälfte der Centurien jeder Klasse den

mehr

als fünsundvierzigjährigen Bürgern eingeräumt

wird,

die

doch der Kopfzahl nach nur etwa halb so stark, als die jungem'sein

konnten.

Und

viertens:

überhaupt

eine

enggezogene

die

Wirksamkeit dieser

Gränze.

Versammlung

hält

kam

vom

Jeder Antrag

ihr

Adels-Senat, auch der Vorschlag zu den Wahlen, nirgend eine redne­

rische Bewegung,

es

war eine

stumme Volksversammlung,

die

der

Centurien des Marsfelds, nur zur Annahme oder Verwerfung befugt.

Dennoch übte sie ein großes politisches Recht, das Nein, und es schien den Patriziern zu viel damit gethan. dem Servius Thron und Leben. gestürzt.

Die Veränderung kostete

Bald war das Königthum

ganz

So lange der beiden Ständen furchtbare vertriebene Tyrann

lebte, wurden die servischen Gesetze gehalten; man sah einen plebejischen

Konsul in Centuriat-Comitien erwählt.

Als aber Tarquin todt war,

da blieb unerfüllt der wahrscheinliche Grundgedanke des Cvnsulats, den

schon Servius hegte, daß einer aus dem populus und einer aus der plebs fortan die höchste Würde im Staate gepaart bekleiden sollten.

Nicht allein die Wählbarkeit, sondern auch das Wahlrecht behaupten die Curien für sich allein, sie entziehen sich dem Zehnten vom ager publicus und warfen alle Abgabenlast auf die durch Kriegsdienst in oft unglücklichen Kämpfen ohnehin erschöpften Gemeinden, und keine

Wiederherstellung

erscheint,

bis

das

Uebermaß

der Privatnoth bei

251

Staatsverfaffung in Nom.

gesteigertem Selbstgefühl, einige Legionen zur Verweigerung der Kriegs­

dienste

und

zum Abzüge

auf den

heiligen Berg

bringt.

Mit der

Schutzwehr von zwei Tribunen, den zwei Consuln gegenüber, kehren

sie zurück,

längst bekannte Namen,

Diese Volkstribunen,

ganz neuer Bedeutung.

aber in

unverletzlich von Person, üben ein Fürspruchs­

und Einspruchsrecht gegen die Ueberschreitungen Es konnte aber nicht fehlen,

beamten.

daß

patrizischer Staats­

sie als Ueberschreitung

rügen würden Alles, was seither gegen das Servische Recht geschehen

war. — Das Volkstribunat hat die Verfassung im Sinne der Bürgerfreiheit umgeschaffen.

Die Zahl der Tribunen stieg bald

Zahl der Klassen), dann bis auf daö Doppelte.

bis auf fünf (die

Sie

brachten die

freie lebendige Rede, ein bisher unbekanntes Element in die Centuriat-

sie

Versammlnngen,

in den schützenden Antrag.

Alles

nicht ohne mannigfachen Kampf nach innen und außen.

dieses

zwar

Ihr Antrag

ging aus der Entscheidung der Mehrzahl des Tribunen-Collegiums

Diese Mehrzahl aber war nicht selten im patrizischen Inter­

hervor.

esse gewählt, vermöge des Einflusses, den die herrschenden Geschlechter

dadurch in den Centuriat-Versammlungen zu gewinnen anfingen, daß viele vermögende Clienten Klassenrang erhielten. übten

sogar,

der

untergeordneten

Stellung

der

Ja, die Geschlechter

Centuriat - Cvmitien

gemäß, anfangs ein Bestätigungsrecht der jährlichen Tribuuenwahlen

Auch pflegten die Patrizier dem Rechte der Tri­

durch ihre Curien.

bunen Anträge zu machen, die die ganze Staatsverfassung angingetk,

heftig zn

widersprechen,

an welchem biö

und

über dem Wortkampfe

zu Sonnenuntergang jedes Geschäft

ging der Tag, abgethan sein

mußte, dann ohne Erfolg verloren. Damm war

es

entscheidend,

als die Tribunen schon im dritten

Jahrzehend ihrer Wirksamkeit rein plebejische Tribus-Versammlungen durchsetzten, in denen sie selber gewählt wurden, und die zugleich das Recht hätten, über tribunizische Anträge, welcher Art sie

auch

sein

möchten, unbegutachtet vom Senat zu berathschlagen und Beschlüsse

zu fassen.

Solchen Beschlüssen fehlte freilich noch viel zn einem Ge­

setze, aber sie bildeten eine mächtige öffentliche Meinung; „sie waren

die Preßfteiheit jener Zeit" (Niebuhr),

und von nun an ging das

Tribunat von seinem hemmenden Charakter zu einem positiv gestalten­ den über.

Gleichheit der Rechte war das aufgestellte Ziel.

Je näher

252

Rom.

man diesem rückte, um so mehr mußte auch der Anspmch der Plebs,

Antheil an dem Staatsacker zu haben, durch Ackergesetze zur Frage kommen.

In den neuen Comitien fand zwar keineswegs eine Durch­

stimmung durch Kopfzahl durch die ganze Versammlung

statt, aber

indem in jeder einzelnen Tribus die bloße Kopfzahl entschied, schwan­

den alle Beschaffenheitsunterschiede weg.

Nach solchen Vorgängen geschah, als die Stadt beinahe drei Jahr­ hunderte alt war, vom Tribunal der Antrag auf ein neues Staats-

grundgesetz,

das

heißt,

Staatsrecht,

Strafrecht,

Privatrecht sollten

mehr ins Gleiche für alle Stände gestellt, und die neue Satzung sollte

geschrieben werden.

Nach einem zehnjährigen Kampfe gab der Senat

nach, man war es zufrieden, daS gefährliche Tribunal auf dem Wege zur neuen Ordnung zu beseitigen.

Wirklich hörte unter der Herrschaft

der zehn Gesetzgeber das Tribunal ganz auf; und die Plebs hielt sich für hinlänglich enffchädigt, seit sie, bis dahin ausgeschlossen von hohen

Staatsämtern, und selbst einen nur der Consuln aus Patriziern zu wählen berechtigt, im zweiten Decemvirat Männer auch ihres Standes

unter den Gesetzgebern thronen sah.

Allein der Ausgang betrog die

Erwartung der Antragsteller; die alte Satzung war am Ende durch

die Schrift weit mehr bestätigt,

als gereinigt, die Scheidewand der

Stände urkundlich gezogen, und was ja neues erschien, die Ausnahme von Patriziern und Clienten in die TribuS, versetzte den fortan noch unvermeidlicheren Kampf auf einen für die Plebs vor der Hand weit

Ungünstigeren Boden, und so mag eS eine Folge der ueueingefichrten Mischung gewesen sein, daß nicht lange darauf eine neue Tribunats-

Verfassung die Collegialität der Tribunen aufhob, indem sie die Ab­

stimmung über einen Antrag davon abhängig machte, daß alle Zehn für einen Mann ständen.

Nicht also die berufenen Gesetzgeber beider

Stände waren es, es war vielmehr die drohende Volksbewegung, die den jähen Umsturz der ftevelhast zur Usurpation mißbrauchten Decem-

viralgewalt begleitete, welche die Bürgerfreiheit weiter fiihrte. sulat und Tribnnat kehren wieder,

Con-

aber die Centurien wählen nun

zum erstenmale beide Consuln, und auf eben dieser Consuln Antrag

wird

den Beschlüssen der Tribut-Comitien

gleiche Geltung mit den

Centuriat-Beschlüssen für die Gesetzgebung verliehen.

Von daher die

Macht der Tribut-Comitien, in welchen der kühnste Antrag Anklang findet, unwiderstehlich, seit die Clienten mit den Plebejern zu denselben

Staatsverfassung in Rom.

Standes-Interessen zusammenwachsen.

253

Das Einspruchsrecht der Cu-

rien und des Senats, einem Volke gegenüber, kann noch verspäten,

aber nichts verhindern mehr. Von nun an ward rascher, doch immer stufenweise fortgeschritten vom Wählrechte bis zur Wählbarkeit der Plebejer, von den kleineren Staatsämtern bis zu den hohen und höchsten. Aristoteles trat gerade seinen großen Bildnngsweg an, und entnahm auS der Zergliederung so vieler um ihn her untergehender Staatsverfassungen Maß und Regel für den ächten Staatsbau, als tribunizische Beharrlichkeit, die

schon durch Connubien mit dem Adel theilweise verschmolzene Plebs

gerade auf den Punkt zurückbrachte, auf welchen König Servius ste Ein Consul soll von nun an immer Plebejer sein, und ein gemessener Theil vom öffentlichen Acker soll den Patrihatte stellen wollen.

ziern entzogen und unter Plebejer als Eigenthum vertheilt werden. Was noch von ungleichem Rechte übrig war, fiel nun in den nächsten Menschenaltern (339—286 vor Christi) von selber; erst nach voll­ ständiger Begründung der politischen Freiheit fand die persönliche ihre

Sicherheit durch Aufhebung der alten Schuldknechtschaft. Dergestalt kam aber die römische Plebs, aller Volkswürden theil­ haftig und privilegirt durch das Volkstribunat, viel weiter, als bis zur beabsichtigten Gleichstellung. Sie kam vielmehr gerade da zu stehen, wo zu Anfang die Geschlechter standen. Bei ihr war die

Herrschaft. Die Bestätigung der Volksbeschlüsse durch die Curien und den Senat ward am Ende biö ans eine unbedeutende Förmlichkeit hin ganz aufgehoben, eine Neuerung, die, was die Curien betrifft, unver­ meidlich, was den Senat, nachtheilig war; denn den Kern des

Senats bildete jetzt eine geprüfte Versammlung von Männern beider Stände, welche in den höchsten Staatswürden gestanden hatten. Fragt man nun, wie es kam, daß nach der Aufhebung des alten Gegensatzes von Adel und Gemeinden jetzt, bei dem längst verlorenen Königthum, nicht geradezu reine Demokratie einbrach und durch sie Anarchie, sondem vielmehr die Staatsordnung lange Zeit eine ernste

und hohe Haltung behielt, so liegt der Gmnd dieser merkwürdigen Erscheinung keineswegs allein in der Religiosität und lange streng bewahrten Familiensitte, sondern ebenfalls in der Nachwirkung der alten Institutionen auf die öffentliche Sitte, fmchtbar fiir die Mäßi­ gung und wohlthätige Stätigkeit der neuen. Darum, daß die römische Volksversammlung nie dahin gerieth, blos nach Köpfen stimmen zu

254

Rom.

wollen; darum, daß Anträge zu Beschlüssen oder Gesehen nie aus der Volksversammlung hervorgingen, sondern von dem Senat ausgingen, oder den Consuln, oder den Volkstribunen.

Daher die Bewahrung

der Lebenslänglichkeit und würdigen Stellung ihres Senats, und die

Ehrfurcht vor seinem Gutachten. In eben diesem Sinne ließ man einen gewissen Gegensatz von Demokratie und Aristokratie fortbestehen,

indem man die beiden Formen der Volksversammlung heibehielt.

Die

gesetzgebende Gewalt zwar ruhte wesentlich in den Tribut-Comitien;

außer den Volksttibunen wurden auch die Aedilen und die niederen Magistrate hier' gewählt, wo jeder römische Bürger ohne Unterschied des Vermögens stimmte. Den Centuriat - Comitien aber blieb die Wahl aller (ftüher) altpatrizischer Magistrate vorbehalten, die Ent­ scheidung über Krieg und Frieden und das höchste Criminalgericht. In diesen Comitien ward in altherkömmlicher Form die patrizische

und nicht patrizische Ritterschaft fortwährend durch besondere Centurien geehrt; von den übrigen Bürgern hatte nur derjenige Recht zu stimmen, der eines gewissen Klassenvermögens war. Nun trat zwar jetzt eine andere Eintheilung und Schätzung an die Stelle der veralteten Klassen

des Servius, welche für die Kriegsaufstellung seit Ausbildung der Legion ohnehin keine Bedeutung mehr hatten, und die umgebildeten Centurien wurden jetzt Theile der Tribus, so daß jede Tribus mit zwei Centurien stimmte; allein den tiefwirkenden alten Unterschied der Centurien der Aelteren und der Jüngeren führte man auch bei der neuen Einrichtung durch. Ebenfalls ließ man zwar zeitgemäße Aenderungen an der Zahl der Tribus zu, deren Zahl fich ftüher durch Landverluste von dreißig auf fünfundzwanzig vermindert hatte, und die sich jetzt durch die allmählige Aufnahme italischer Völkerschaften in volles Bürgerrecht bis zu fünfunddreißig vermehrten, allein man ver­

hütete den Andrang fremdartiger Massen gerade dadurch, daß man

den neuen Bürgern wenige neue Tribus für sich anwies, und eben­ mäßig die neuaufgenommene Menge Gewerbtreibender und Freigelassener. Rom's in vier städtische TribuS zusammenzwängte. Somit wirkte die Sorge, daß Rom Mittelpunkt der Herrschaft bliebe, Italien nur unter­ geordnet theilnähme, kräftig zur Erhaltung der alten Formen mit und

Rom war verloren, wenn man nach Kopfzahl stimmte. Die Staatsverfassung, einmal ins Gleiche gestellt, kam zur Ruhe und das Gutachten des Senats behauptete fortwährenden Einfluß auf die Gesetzgebung. Der Senat führte die FinanzverwalMng, legte die

Staatsverfaffung in Rom.

255

Steuern auf, welche überdem bald Italien nichts mehr angingen; er hatte die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, und Richter aus

dem Senat sprachen in peinlichen Fällen, Volksrichter nur in bürger­ lichen. Aus der Vereinigung so vieler Thätigkeiten ging ein factisches Veto deS Senats hervor, rischen Familien mittheilte, der Geschlechtschnen, und fahren ermangelte, schwer

eine Bedeutung, die sich auch den senatowelche nun nach Amtsahnen zählten, statt es dem Römer, welcher curulischer Vor­ genug machten, in den geschloffenen Kreis

dieser neuen Nobilität einzudringen, und wenn er arm war, fast un­ möglich. Denn die erste Stufe zum Nmtsadel, die Aedilität, konnte

seit dem ersten punischen Kriege nur durch Festspiele, aus eigenen Mitteln zu bestreiten, erstiegen werden. So war ein Herkommen wieder da, eine Aristokratie, von der das Staatsrecht nichts wußte, und deren Macht doch jede Stunde bezeugte. Bei dem Allen war nicht zu erwarten, daß eine Verfassung, welche

ohne anerkanntes Gegengewicht am Ende doch auf den Willen des

einen Körpers der Volksversammlung beruhte, dauerhaften Bestand habe.

Schon Polybius empfand, daß ihr die Nothwendigkeit abgehe.

Jede freie Verfassung rechnet auf Tugend im Volk, aber auf ein tugendhaftes Volk darf keine rechnen. Am wenigsten ein Staat, der erobert, denn wer herrscht, lernt am Ende auch genießen. Den Verfall der Freiheit und alten Ordnung brachte 1. die Erweiterung des Reichs über Italien hinaus durch Er­ werbung einer Menge nicht mehr einzuverleibender, blos dienender

Gebiete.

Das war unwiderruflich Verzichtung auf Volks- und Re­

gierungs-Einheit, und mit dem ersten Statthalter eröffnete sich die lange Reihe gefährlicher Staatsbürger.

2.

Die verführerische Versuchung,

die der Volks-Souveränität

durch das Herkommen gesetzte Schranke dennoch zu durchbrechen. Als der Tribun Flaminius (232 vor Christi) zum erstenmale das Ansehn des Senats nichts gelten ließ, sein unvorsichtiges Ackergesetz gegen dessen hartnäckige Weigerung durchführte, kündigte das Volk damit

seine Selbstregierung an. Wenn es dennoch zur Zeit wieder hinter die Schranke zurücktrat, so war das ein seltener Herrscherverstand, für die Dauer unverbürgt. 3. Die dichte Zahl von Eroberungskriegen, vom zweiten punischen bis zur Unterwerfung Macedonien's GriechenlaNd's, Karthago'S. Der Pflug stand still in der freien Hand, Sinn und Kraft wandte sich

256

Rom.

auf die zu bezwingende und zu beherrschende Welt.

Den nach außen

erfolgreich Ungerechten genügte die Gebundenheit jit Hause von keiner Seite mehr. 4.

Der Zufluß von Weltreichthum, der dem Siege folgte, und

eine Ungleichheit des Vermögens von viel furchtbarerer Gestalt, als

früherhin, hervorrief.

Die Zahl der Sklaven in steter Zunahme, wäh­

rend sich Italien von freien Bauern entvölkert.

AlleRhalben statt der

Bauerngüter, auf welchen die Besieger der Welt erwuchsen, Latifun­ dien, auf denen der Sklave den Pflug führt. Der Anblick des von Freien verödeten Etrurien's erzeugte im Hause der Gracchen die Plane eines Kleomenes. 5. Seit dem Mißlingen der Gracchischen Rogationen, die den

früheren Tagen Roms fremde Entscheidung von Staatsfragcn durch Gewaltthat und Bürgermord. 6. Die Ausartung des Tribunals, des Gründers der Bürger­

freiheit, in eine der Freiheit gefährliche Macht; sein Mißbrauch er­ leichtert durch die Verbreitung der neuen Bürger durch alle Tribus, bald nach dem BundeSgcnossenkriege. Dazu die Bewaffnung des städtischen Pöbels durch C. Marius; Verderb der niedern Klasse durch Austheilung von wohlfeilem Getreide, das bald umsonst gegeben wer­ den muß, zur großen Belastung der Finanzen zu einer Zeit, da in Folge deS Systems der Verpachtung der Provinzial-Einkünfte die Steuerkräste bereits im Sinken sind.

Die Entscheidung über den Freistaat gab Sulla, als er durch die bewaffnete Macht die Staatsvcrfassung änderte, wenn auch für dies

Mal zu Gunsten

der alten Ordnung, und diese Aenderung durch

Militair-Colonien bewachen ließ.

Seit die Heere über die Verfassung

geboten, durfte PompcjuS eigenmächtig das Morgenland

bis

zum

Euphrat erobern, in Provinzen und abhängige Fürstenthümer Zerfällen

und sich der Verdoppelung der Staatseinkünfte rühmen, Cäsar das gallische Abendland bezwingen, einrichten, den Staat, der nie aus­

wachsen sollte, noch auf Brittannien und Deutschland anweisen; die Vermehrung der Staatseinkünfte um ein Drittheil war seine Rechen­

schaft. Neben Männern mit königlichen Einkünften, denen jeder ihrer Kriegsleute ein Vermögen dankte, dazu oft italischen Grundbesitz auf Kosten der rechtmäßigen Inhaber, galt Bürgerfreiheit nichts, die haupt­

städtische Volksversammlung, schmachtend nach Brod und Lustbarkeiten, lediglich als Werkzeug.

Ein Cicero ließ es sich gefallen, den Zweck

257

Staatsverfassung in Nom.

des römischen Staats in der Erhaltung der großen Familien zu er­ kennen. —

Aus Julius Cäsar's lichtem Haupte entsprang der Gedanke, durch

Wiederherstellung eines rechtmäßigen Königthums den Staat aus der

Schwankung zu reißen; ein Grundgesetz der Monarchie, dessen Wächter der Senat wäre,

war noch möglich;

aber die Dolche

von Brutus

rettend vielleicht, was sie nicht kümmerte, die zu den

und Cassius,

größesten Dingen bestimmte durch Cäsar'ö letzte Entwürfe schwer be­ drohte Freiheit der Deutschen, gaben der einzigen, auf die realen Ele­

mente anwendbaren, freiheitlichen Ordnung den Todesstoß. Die Gräuel der Triumviren waren,

den Nutzen

die auf

gestellte Ansicht einmal

zugegeben, größtentheils nothgedrungen, unerläßlich, um ein paarmal-

hunderttausend ungestüm drängende Krieger mit Geld und italischem Acker abzulohnen; und

als

einer

unter den Triumviren die Allein­

macht unter erlogenen Formen der Republik davontrug, blieb es zweifel­

haft,

seinen

ob

Nachfolgern

der

Senat

das

Imperium übertragen

werde, die Bezeichnung des Vorgängers ehrend, oder ob die Garden,

oder Beide vereinbart, oder auch vielleicht ein Gränzheer.

Das Eine

stand fest: der Traum der Wiederherstellung der Republik kann wohl ini Senat noch geträumt werden, aber die bewaffnete Macht huldigt

nur monarchischen Formen mehr. Der Ausgang war blos zu Anfang dem Senat, bald entschieden

den Garden günstig; also ein Principal von einer Kriegertruppe, die denn doch gewissermaßen Rom

angehörte

oder unter

in Erwartung

der Bedingung einer reichen Spende, übertragen, vom römischen Senat

hintennach gebilligt und in die Form gebracht.

hatte das jauchzende Zusehn. ständen

der Provincialheere

Die Volksversammlung

Als der letzte der Cäsaren den Auf­ erlegen war,

zeigte sich

ungeachtet

der

förmlichen Uebertragnng der alten Verfassungsrechte durch den Senat an Vespasian, die Nähe

der Gefahr,

daß Rom,

aufhörtc, Mittelpunkt des Reichs zu sein.

allen

Enden

Senat,

in

deS

die

römischen

Reiches

kamen

römische Ritterschaft, und

selbst Italien

ja

Denn die Begüterten auS

jetzt

in

den

nicht lange,

römischen

so sah man

Spanier, welche Kaiser wurden.

Alle besseren Kaiser hoben den Senat als das einzig übrige Bild der alten Ordnung,

wäre es auch nur durch die Zusage, daß kein

Senator hingerichtet werden dürfe; hoben die Ehre der Gesetze, und

mochten deshalb neben dem Rechte der Ausnahmen (princeps legibus Histor. Lcscbuch. I.

17

258

Rom.

solutus est) recht gerne den Satz gestellt wissen: quae facta laedunt

pietatem, existimationem, verecundiam nostram et (ut generaliter dixerim) contra bonos mores sinnt, nec facere nos posse creden— dum est; beriefen deshalb ihre großen Meister in der Rechtsgelehr­ samkeit, die einzig bewährten Charaktere der Zeit, in ihr Hofgericht, wo der Kaiser in Person sprach, als Beistände, und mancher Statt­

halter mußte empfinden, was es, bedeute, daß er nun nicht mehr, wie

zur Zeit des Freistaats, in letzter Instanz Recht spreche.

Alles be­

ruhte indeß auf der Persönlichkeit des Kassels, und bei dem Mangel

aller

zwingenden Gmndsätze ward die

ohnehin schwach vererbende

Kraft des Guten — während das Böse tief in die Fasern ganzer

Geschlechter sich einnistet — vollends ohnmächtig.

Die schlimme Art

Kaiser Valens ließ sich überreden, die Wahrnehmung des oberstrichterlichen Amts fei tief unter seiner Würde. brach zuletzt immer durch.

Vornehmlich krankten die Finanzen. Schon Diocletian das Reich um besserer Ordnung Willen theilte, die doch nach seinem Wunsche ein Ganzes die Steuerfreiheit Jtalien's, so oft faktisch schon

Grundsätze nach verloren.

seit der Dalmatier in vier Kassercheile bilden sollten, ging verletzt, auch dem

Aber Italien war nicht mehr unerschöpflich.

Die Zahl der Privatvermögen von königlichem Umfange schmolz zu­

sammen, seit besoldete Statthalter waren, und nur der Kaiser in

Person erobern bürste.

Aber für den kaiserlichen Bedarf wurden jetzt

die Provinzen ausgeraubt, räuberische Beamte fanden Vorschub, um hernach wie ein Schwamm ausgedrückt zu werden; schon-Caracalka verlieh allen Freigebornen im römischen Reiche römisches Bürgerrecht, lediglich um der Steuern Willen, die mit diesem Rechte zusammen­

hingen. Die neue Ordnung, welche Diocletian und Constantin in das Abgabenwesen brachten, erleichterte schlechten Kaisern die jähr­ lichen Steuererhöhungen, doppelt peinigend durch ein Quoten-System.

Der unerträgliche Steuerdruck erschuf eine dem Reiche bisher fremde Klasse der Bevölkerung: leibeigene Bauern, und nicht blos in Gallien endlose Kriege dieser Bagauden gegen ihre Dränger. Das verzweifelnde Landvolk begrüßte in den Soldaten seine Pro­ tektoren, die auch wirklich oft besser, gegen das Gesetz eingreifend,

halfen, als den unter Armenlasten und solidarischer Steuerhaftung

ftufzenden, doch im Glanz der Gebäude strahlenden Städte» ihre ge­ setzlich bestellten Defensoren. Denn der Soldat war weder römisch, noch italisch mehr, auch gehörte er nicht den Provinzen ohne Unter-

259

Staatsverfaffung in Rom. schied an;

er ward in den Gränzprovinzen zusammengeworben,

an

beiden Seiten der Gränze, glücklich noch, wenn der Kem aus solchen Barbaren bestand, die im Reiche geboren, geführt waren»

oder als Geißel hinein­

Der römische Unterthan kaufte dir Dienstpflicht für

ein willkürlich bestimmtes Tarat ab.

So sehr hielten die Barbaren-

Völker draußen, als ihre Stunde kam, blos die Nachlese des römischen Wohlstandes.

daß ein Mann von altrömischen Erinnerungm

Dahin geriech eö,

selbst in den verschwundenen Prätorianern den Untergang einer römi­ schen Volksvertretung

zum Stadtrath

Der Senat von Rom war

bedauern konnte.

gesunken

(nothwendige Folge der Reichstheilungen!),

blos in dem Kaiser, mochte einer auch in Nicomedien oder Malland

oder endlich in Constantinopel residiren, mochte er allein Kaiser oder mit mehreren, oder Ober-Kaiser sein, war der Staat, der der römische

welchen Barbaren (die tüchtigsten von

enthalten,

noch

hieß,

auch

in der Rüstung

außen

des

Auslandes)

Der Kaiser war

bestürmten.

ihnen

von innen beschützten,

von

sacrum numen

und

numen,

heilig vom Diadem bis zur Purpurtinte, ohne Einspruch der neuen Staatsreligion ein Gottmensch in Seide und Gold, von Halbmenschen

und adorirenden Unverschnittenen umgeben,



und

doch und eben

deshalb kein König.

Zu Arkadius wagte SynesiuS

aber, dem jugendlichen Kaiser des

Morgenlandes,

wahr zu reden: „Der Unterschied

zwischen König

und Tyrann," sprach er, „liegt nicht in der Menge der Unterthanen, so wenig, als der Unterschied zwischen Hirte und Koch in der Größe

der geweideten oder der geschlachteten Heerde besteht.

Dem Könige

wird zur Natur das Gesetz, die Natur des Tyrannen macht sich zum

Gesetze.

für den Herrscher,

Schimpflich

Volke bekannt zu sein.

blos

durch

Maler

seinem

Wann stand es besser um das Reich, heut­

zutage, da ihr verpurpurt und vergoldet seid, mit Steinen aus bar­

barischen Bergen und Meeren

vom Haupte

gegürtet,

wie Pfauen strahlend in steinernen

geschnallt,

bepolstert,

bis

zur Sohle

besetzt,

Röcken, die bei Homer eine Verwünschung sind, und doch wie Eidech­ sen, nie aus Eurer Höhle hervorgehet, verbrannte das Heer führten?

oder damals als Sonnen­

Der kriegerische Herrscher allein ver­

mag auch der wahrhaft ftiedliche zu sein.

Ihr vermeidet den Namen

König (in Athen zur Zeit der Volksfteiheit ein kleines verantwortliches Amt) und nennet Euch nie mit diesem Namen, als einem verhaßten,

17«

260

Rom.

weder gegen eine Stadt, noch einen Privatmann, noch einen barba­ rischen Fürsten, Ihr nennt Euch Imperatoren, aber das bedeutet einen Feldherrn. Mit Unrecht meidet Ihr daS Königthum, welches Platon

eine Gottesgabe für die Menschheit heißt.

Das ist es auch, wenn

das Königthum nicht aus dem Verborgenen schreckhaft dann und wann hervorbricht, sondern geräuschlos und gleichmäßig, wie die Gottheit,

die menschlichen Dinge ordnet, Jedem zutheilend, wessen er empfänglich

ist.

Wird denn die Sonne verachtet, weil sie sich blicken läßt?

Soll

das längst zur Geburt drängende letzte Geschick des römischen Reichs nicht hereinbrechen, so muß Gott und ein König helfen."

Allein der Fortgang

seiner Rede zeigt, daß für das Königthum

auch daS Volk schon fehlte, das will sagen, ein mit Nothwendigkeit

zusammengehöriges Menschenwesen, ein Gemeinwesen der Gesinnung. Wo weder das Zusammengewachsene mehr ist, noch das

Gebildete, da bleibt blos eine Bevölkerung übrig, lichen Form fähig, keiner durch ihr Wesen angehört.

die,

in Eins

jeder ersinn-

(Dahlmann.)

13. Die Hermann'sschlacht. Mit Eäsar's Abzüge aus Gallien schweigen alle Denkmäler über die deutschen Völker; Gallien selbst aber ward römisch in Sitte und Sprache bis zum Rheine, der jetzt die Gränze gegen Deutschland bil­ dete, und eine lange Ruhe scheint dem langen Kampfe gefolgt zu sein.

Erst nachdem der große Cäsar in seiner Herrschaft zu früh für das entartete Rom durch Meuchlerhand (44 v. Chr.) gefallen, und sein Enkel Octavius dauernde Alleinherrschaft gründete, wird erzählt, daß dieser seinen Feldherrn Agrippa nach Gallien gesandt habe, um die

entstehenden Unruhen schnell zu unterdrücken, und dieser habe dann die gegen die Römer

Ubier nach Gallien versetzt, daß sie ihre Treue

bewähren und Hüter deS Flusses gegen ihre kriegerischen Brüder sein sollten.

Sie gehorchten, verließen vielleicht auch von den Sueven ge­

drängt,

ihr altes Vaterland,

erhielten Städte und Römersitte und

Sprache, aber noch spät rühmten sie sich mit den Nervicrn und Treviren ihrer deutschen Abkunft gegen die unkriegerischen Gallier.

Die Verbindung, welche früher unter den Rhein-Anwohnern bestand,

dauerte zwischen den verwandten Stämmen fort, und jetzt zogen selbst

römische Kaufleute aus dem milderen, reicheren Gallien nach Deutsch­

land und brachten neue Waaren, neue Bedürfnisse und selbst neue

261

Die Hcrmannschlacht.

Götter, der berauschende Wein, das Gift der Freiheit für alle wilden

Völker, den sie früher verabscheut, wurde nun eingeführt, und gegen

Thierhäute, Wachs und Honig, die vorzüglichsten Erzeugnisse Deutsch­ lands, gewonnen, und still und allmählig hätte sich so Deutschland im Frieden aus seinem Hirtenstande erheben mögen, gelehrt von den Galliern und Römern, aber der Krieg beschleunigte die Entwickelung

im großen Kampfe.

Denn als eines Tageö die römischen Kaufleute

alle, gleich als Kundschafter oder Betrüger, erschlagen wurden, beschloß Augustus die Schmach zu rächen, und Vinicius ging auf seinen Be­

fehl über den Rhein, schlug den ersten Stamm, auf welchen er traf,

kehrte aber bald wieder zurück.

Nicht mehr gewann sein Nachfolger

Lollius, der einigemal über den Strom setzte; er wurde endlich selbst

geschlagen, die Deutschen verfolgten ihn nach Gallien, und fielen nun,

da sie

der Römer Schwäche erfahren, wieder

öfter in dieses Land

ein, und so war Anlaß zum fortdauernden Kampfe gegeben, da zumal

die Römer bald auch von einer ander» Seite Nachbarn der Deutschen wurden. Denn nachdem DrusuS und Tiberius, die Stiefsöhne des Augustus,

die gallische» Völkerschaften an den Alpen und um den Bodensee be­ siegt, und alles Land bis an die Donau hin erobert und eingerichtet hatten:

weckten diese Siege die Lust nach neuen,

und

als DrusuS

bald darauf an den Mittclrhein gerufen wurde, um Gallien vor dm

Einfällen der Deutschen zu sichern, machte er zugleich Versuche,

ihr

Land selbst kennen zu lernen, und dann mit Glück gegen sie zu kämpfen.

Er setzte über den Strom (12 v. Chr.) durchstreifte mehrere Gegenden

abwärts, indeß ihm die Flotte zur Unterstützung und Zuflucht folgte,

schiffte selbst an den Küsten des Nordmeeres hin, nahm einige Inseln, zwang mehrere Stämme, ihm zu huldigen, befestigte den Fluß durch

mehrere Burgen, und

kehrte

mit

großem Ruhm nach Rom zurück.

Aber die Lust nach Thaten ries den Jüngling bald wieder zurück,

zumal er gehört, daß die Deutschen jetzt selbst gegen einander kämpften. Die Sigambren waren gegen die Chatten gezogen, weil sie sich ge­

weigert, gegen den gemeinsamen Feind zu stehen; diesen gleichsam zur Rettung erschien jetzt DrusuS, bezwang die Usipeten und drang über

die Lippe durch das Land der Sigambren bis an die Weser (11 v. Chr.), wo die Cherusker wohnten.

Mangel an Lebensrnitteln und der nahe

Winter hinderten ihn mehr auszuführen, und glücklich entging er auf

dem Rückwege den Nachstellungen und baute zwei Burgen am Rhein

262

Rom.

imb an teer Lippe, mchr «m seine Eroberungen, als die Chatten da­ durch za schützen, und von da aus einst weiter und sicherer vorzuteringm. Aber kaum war er entfernt, als die Chatten reuevoll im Gefühl ihrer alten

Freiheit teer Römer Freundschaft und Joch

verachteten,

(10 und 9 v. Chr.) sich wieder an chre Brüder schloffen und teere Kampf begannen.

Von Neuem erschien daher Drusus, überwand sie,

und verheerte weithin das Gebiet und drang endlich selbst bis an die

Weftr vor.

Dort setzte er seine letzten Siegeszeichen.

Auf deS Flusses

anderem Gestade erschien ihm ein Weib ungewöhnlicher Größe und sprach: „Wohin willst Du noch?

Ist für Dich keine Gränze?

um, daS Ziel Deiner Thaten ist nahe."

Kehre

Er kehrte zmück, sah aber

teere Rhein nicht wieder; im dreißigsten Jahre seines Akters starb er, erwünscht für ,die Freiheit Deutschland's, zu früh und unersetzbar für

das üppige Rom, das in seiner ungeheuern Größe wankte, und zum Ruhme den Helden im Tode

noch

mit dem

Namen

Germanicus

(Besieger der Deutschen) ehrte. Nach ihm zog der grausame Tiberius, ruhmbegierig nach Deutsch­ land, während Augustus selbst im nahen Gallien verweilte, und noch

ehe es zum Kampfe kam, schickten die Deutschen schon Gesandte wegen des Friedens, nur die Sigambren waren noch in Waffen, und wurden

nur mit Mühe von den Nachbarm zur Ruhe bewegt, um von den Römern einen allgemeinen Frieden zu erhalten.

Da kamen die Edelsten

teer Stämme nach Gallien, aber Augustus ergriff und vertheilte sie in

die Städte, und im Schmerze tödteten sich alle selbst; dann zog Tibe­ rius schnell

gegen

die

erschreckten,

ihrer Mhrer beraubten,

Völker,

schlug und zerstreute sie, mordete im Frieden, und führte über vierzig­ tausend der tapfersten Sigambren nach Gallien, und so groß waren

Grausamkeit, Macht und Herrschaft der Römer, die von diesen Vor­ gängen und einigen folgenden Zügen des Tiberius mir Weniges be­

richten, daß daö ganze nördliche Dmtschland zu huldigen oder doch

jetzt zu schwach zu sein schien, neuen Kampf zu wagen. Rom nannte das Land zwischen dem Rhein und der Elbe

Provinz,

wenn eö

auch nicht eigeMlich bezwungen war;

schon

allmählig

gewöhnten sich die Deutschen an römische Sprache und Sitten; Burgen

im Lande erbaut erhielten und erzwangen Gehorsam; viele der Edelsten wurden durch den Reiz des Reum, den Glanz der Frmndschaft mit dem mächtigen Kaiser gewonnen; wer nicht gehorchen wollte, zog sich

in des Landes Innere zmück; die Uebrigen wmden Verbündete und

Die Hermannsschlacht.

263

Schützlinge der Römer, dienten bei ihren Heeren und wanderten in

Schaaren nach Rom, wo sie zum Kampfe für ihre Unterdrücker ge­ bildet, auch belohnt und geehrt wurden. August nahm aus dm kräftigen Jünglingen seine Leibwache; Deutschland schien fiir immer­ besiegt, und Land- Himmel und Menschen allmählig milder zu werden

durch die Bildung, welche die Fremdlinge verbreiteten. Während aber Rom seine Herrschaft durch die Künste verbreitete,

durch welche jedes gebildete Volk allmählig über daS rohe siegt, drohte ihnen plötzlich ein gefährlicher Feind in Deutschland's Mitte.

Marbod, ein edler Jüngling aus dem weitverbreiteten Stamme der Sueven, war lange Zeit in Rom gewesen, geachtet und ausgezeichnet und wurde, als er wieder nach Deutschland zurückkehrte, zum Führer

in seinem Volke gewählt; da unternahm er eS, durch gemeinsame Verbindung der umwohnenden Stämme, erfahren in der Kriegskunst der Römer, sich diesen zu widersetzen und vielleicht dann selbst dauernde

Oberherrschaft über die Deutschen zu gründen. So sammelte er die von Drusuö gedrängten Stämme zwischen dem Main und Neckar, führte sie gegen Morgen, vertrieb die gallischen Bojen, welche am linken Donau-Ufer bisher noch immer gehauset, auS ihren Sitzen und hoffte nun in dem bergumschlossenen Lande leicht sich zum Kampfe zu rüsten und die beginnende Herrschaft zn sichern.

Bald wurde der Häuptling der Verbimdeten, die sich Markmannen nannten, wahrer Fürst; übte gleich den Römem seine Soldaten; ge­ währte römischen Kaufleuten und Flüchtlingen Aufnahme und Schutz; und schon bildete sich um seinen Sitz eine Stadt, deren Name selbst

ehemals den Deutschen verhaßt gewesen. Aber noch schmeichelte er den Römern, nannte sich ihren Bundesgenossen und Schützling, heuchelte Treue und wagte nur allmählig gegen Tiberius Stolz und Hoheit zu zeigen. Da ahnete dieser den Entschluß Marbod's, und heimlich ward der Kampf gegen ihn beschlossen und bereitet; er sollte von Mittag

und Mitternacht her zugleich angegriffen werben; schon hatte sich Tiberius an der Donau gelagert, um mit des Frühlings Anfänge ihn zu überfallen, als ihn Unruhen nach Pannonien riefen, wo die römi­ schen Beamten so grausam walteten, daß die allgemeine Verzweiflung die Besiegten und Gebeugten zu den Waffen rief. Dies verzögerte den Krieg gegen die Markmannep; Tiberius bot gefällig, um nicht

tm Rücken überfallen zu werden und größere Verbindung zu hindem, dem Marbod Frieden an, und dieser gewährte ihn.

264

Rom.

Beinahe zur selben Zeit aber hatte sich nordwärts der Bund der

Cherusker

gebildet,

um die

alte Freiheit

wieder zu

erringen.

Tief

empört über das Walten des geldsüchtigen Quintilius Varus, der als Statthalter in jenen

bezwungenen

Gegenden

nach

Rom's

Gesetzen

Recht sprach, plötzlich deutsche Sitte und Sprache vertilgen und selbst Schätze für sich und den Kaiser erpressen wollte, beredeten sich heimlich

mehrere Stämme mit einander; ein kühner Jüngling, Sigmars, des Cherusker-Fürsten Sohn, der in Rom selbst der Feinde Art und Weise

kennen gelernt und von ihnen selbst geehrt war, wurde zum Anführer gewählt, und für alle Zukunft dauert sein Name „Hermann."

Alle

kleineren Völkerschaften am Westufer der Weser schlossen sich an den Bund, unter ihnen die Vornehmsten: Cherusken, an der Lippe Brukteren, Marsen (Münsterland) und Chatten (Hessen); Zeit, Ort und

Plan des Angriffes wurden bestimmt, und Varus, durch geheuchelte Huldigung so sicher gemacht, daß er nicht einmal dem Schwiegervater

Hermann's, dem Segest, glaubte, als ihm dieser den ganzen Plan enthüllte, oder den Rath im Gefühle seiner Macht und seines Ueber-

muthes verachtete.

Als der bestimmte Tag erschienen, empörte sich,

der Verabredung gemäß,

ein

fiel mordend auf die Römer.

an der Ems wohnender Stamm und Varus beschließt sogleich

auf dem kür­

zesten, aber ganz ungebahnten Wege durch Wald und Sumpf gegen denselben aufzubrechen, und beurlaubt bei dem nächtlichen Gastmahle den Hermann mit seinen Genossen, aufbiete und ihm folge.

daß er den deutschen Heerbann

Vergebens warnt Segest, vergebens fordert

er selbst seine und der Uebrigcn Verhaftung, bis Alles entdeckt wäre: über Varus unv Deutschland waltet das Schicksal; er glaubt Nichts

oder verachtet Alles, Hermann scheidet von ihm, sammelt die Genossen, ermordet die zurückgelassenen Römer und eilt dann auf näheren Wegen

dem Varus nach. Mühsam

war dieser unterdessen im langen Zuge mit Packwagen,

Lastthieren, Weibern und Kindern in der Wildniß fortgezogen (9 n. Chr.). Mit jedem Augenblick hoffte er das Ende, wächst die Unordnung: da, da sieht er plötzlich von allen Seiten die Feinde auf sich eindringen.

Vergebens wagte er in der fremden,

mit Sumpf, Berg und Wald

durchschnittenen Gegend die Künste des Krieges, sucht vergebens sich im festen Lager zu sichern: dazu war weder Zeit, noch Raum; der

dichte Wald hemmt die Eile, der Feinde nahes Geschrei vermehrt den Schrecken; leicht bewaffnet dringen sie von allen Seiten heran, eilen

265

Die Hermannsschlacht. zurück,

und

erscheinen

an einer andern Stelle wieder.

schnell

In­

zwischen löst häufiger Regen und Sturm das Erdreich auf, zerbricht die Bäume und macht jeden Schritt unsicher.

Mit großem Verluste,

immer umschwärmt und gedrängt, zieht er fort und kommt endlich am Ende des Tages an einen freiern Platz;

da befiehlt

er alles Ent­

behrliche zu verbrennen, um den Zug zu erleichtern und bricht am fol­

genden Tage auf, besser geordnet, aber wieder durch Wald und Moor, Den Ermüdeten bringt die

verfolgt und geängstigt von allen Seiten.

Nacht und ein unsicheres Lager auf offenem Gefilde nur kurze Ruhe; der Morgen des

dritten Tages naht entscheidend.

Heftiger dringen

die Deutschen an, ihre Schaaren mehren sich mit jedem Augenblicke; die Verzweiflung der Römer wächst,

ihre Reihen werden gesprengt,

zwei Adler genommen; vergebens sucht Varus, selbst verwundet, mit der Reiterei sich durchzuschlageu; es gelingt weder Furcht, noch Wider­

stand; die Meisten von ihnen gingen durch Wunden ermattet oder in Wildnissen

und

Sümpfen

zu

Grunde,

fortzieht.

immer kämpfend langsam

während

Als

endlich

das Fußvolk

noch

alle Hoffnung der

Rettung verloren, stürzt sich Varus in sein Schwert,

und verzweif­

lungsvoll ergiebt sich darauf, wer noch übrig, den Deutschen.

Und

geschlachtet fielen durch diese die Edelsten der Römer an den Altären,

unter grausamen Martern

aber

endeten

die Geschäftsleute

für

ihre

Missethaten; ganze Geschlechter, welche des Ruhmes und der Schätze wegen, nach Deutschland gekommen, gingen dahin oder dienten noch

lange als Sklaven; dann wurden an Bäumen die Köpfe der erschla­

genen Pferde und die gewonnenen Adler als Siegeszeichen aufgehangen, die herrliche Beute an Waffen, Geschmeide und Gefangenen vertheilt. Des Varus Haupt sandten sie an Marbod, der es nach Rom schickte. Mit Schrecken erfuhr man in Rom die entsetzliche Nachricht, drei Legionen, die tapfersten,

waren an der Weser gefallen;

laut klagte

der alte Kaiser in seinem Pallaste, entließ in Angst die Deutschen auS

seinem Dienste und aus Italien und rüstete mit Macht gegen Ueber-

fall; denn er glaubte die Sieger schon über dem Rhein, ja über den Alpen.

Aber diese hatten sich, als sie die fremde Herrschaft gebrochen,

die Burgen zerstört und die Römer aus ihrem Lande verjagt, ruhig wieder zu ihrer alten Lebensweise gewendet, und begehrten keine Er­ oberung; sie haderten nicht einmal mit ihren Stammverwandten, den

Chauken an der Nordsee, welche der Römer Freunde blieben und Be­ satzung in ihrem Lande duldeten.

266

Rom.

Aber die Völker waren nun doch einmal aufgeregt, und die Häupt­

linge waren zunächst Ursache des fortdauernden Kampfes.

Hermann

und Segest waren Feinde; doch liebt Jener dessen Tochter Thusnelda und entführt sie, da sie ihm der Vater versagt; schnell sammelt Dieser seine Freunde und Genossen, überfällt und fesselt den' Hermann, den

bald darauf seine Anhänger wieder befreien; ja ihr Zwist endet nicht

einmal,

wieder nach Gallien kommt, die Rheinvesten

als Tiberius

verstärkt und über den Strom geht; doch kehrt er, ohne zu schlagen,

und auch in den folgenden Jahren wagt und

nach Gallien zurück,

leistet er bei wiederholten Zügen nichts Denkwürdiges.

Als er aber Gallien dem tapfern Sohne des Drusus, Germanicus, übertrug und nach Italien ging, um nach dem Tode des Augustus

über das große Reich zu herrschen: nahte für Deutschland, das noch

in Zwiespalt mit seinen Häuptlingen lag, große Gefahr (12—17 n. Chr.).

Unvermuthet ging Germanicus über den Rhein, überfiel die sorglosen Marsen bei einem Feste, verbrannte den heiligen Hain und verwüstete

ihr ganzes Gebiet, dann das der Chatten.

Und als er siegreich und

glücklich selbst aus den Nachstellungen der Bmkteren und Ustpeten zu­

rückkehrte, kam Botschaft von Segest, der von Hermann'S Kraft und Macht gedrückt, nur im Bunde

mit den Römern

wenn auch abhängige, zu erringen hoffte.

neue Herrschaft,

Da wandte sich Germa­

nicus schnell dem Flehenden zu Hülfe und befreite ihn mit den Seinen;

nnter diesen war auch Thusnelde, die im edlen Stolz und würdig eines

Als Hermann den

bessern Looses mit ihrem Sohne gefangen blieb.

Verrath Segest's und die Gefangenschaft seiner Gattin erfuhr, rief er

von Gau zu Gau zum erneuerten Kampfe, und bald stand er den Römern zwischen Ems und Weser gegenüber. darauf zogen sich die Römer zurück,

ein Theil

Hier ward geschlagen, erlitt aber auf dem

Wege beinahe das Schicksal des Varus, nur die Klugheit und List

deS Cäcinna, der die Schaaren fichrte, brachte Rettung, da die Deutfthen allzuheftig und voreilig anstürmten.

Im folgenden Jahre erschien Germanicus mit einem zahlreicheren

Heere,

durch

gleich Drusus,

die Mündung

an den Küsten der Nordsee

der Weser in

das Land

hinsegelnd

hereindringend,

und selbst

unterstützt von Friesen und Chauken. — Da begegnete ihm wieder

Hermann mit den Seinen ; hemmt« den Kampf;

da

noch trennte der Fluß die Gegner und

begehrte Hermann seinen Bruder Flavius

zu sprechen, der noch im Heere der Römer war»

Er begrüßte den

267

Die Hermannsschlacht.

Kommendm fteudig und rief ihn zurück inS Vaterland zu den Freun­ Wie aber dieser der

den und Verwandten und zur alten freien Sitte.

Römer Größe, Macht und Dienst pries und erwähnte, wie er für feine Treue und Tapferkeit mit Geld, Ehrenzeichen, Hauptschmuck und

anderen Kriegsgeschenken belohnt worden, und den Bruder rieth, von» Kampfe abzustehen,

entbrannte dieser im Zorn und rief heftiger zur

Schlacht. Diese ward

am

folgenden Tage geliefert;

die Bataven

kämpften

mit den Römern gegen ihre deutschen Brüder; Uebermacht und größere Kriegskunst entriß diesen den Sieg; Hermann selbst ward verwundet und entkam, eingeschloffen im dichten Gedränge, nur durch die Schnellig-

keit seines Pferdes, und weil er mit Blut fein Antlitz unkenntlich ge­ rn acht.

Bis in die späte Nacht wüthete der Kampf; die Deutschen

wurden zerstreut, und die Römer errichteten auf dem Wahlplatze ein

Siegeszeichen, kehrten aber doch zurück, und schon wagten die Deut­ schen sie wieder zu verfolgen; das SiegeSmal ward zerstört und der

Feind von allen Seiten angefallen.

Heftiger drohte der Kampf, heim­

lich war Alles zum entscheidenden Ueberfalle verabredet;

waren verloren:

da

entdeckte Verrath

die Römer

dem Germanicus den Plan,

und dieser erkannte nun, daß der Krieg nimmer enden würde, so lange

das deutsche Volk bestände und befahl darum, Niemanden in Zukunft mehr zu schonen,

sondern Alle

zu

vernichten.

So

erlitten

sie eine

harte Niederlage; doch wagten es die Römer nicht, an die Elbe vor­ zudringen;

sie kehrten auf dem Meere, das ihnen im Sturme viele

Schiffe zerschellte und versenkte, an den Rhein zurück, gesonnen, im folgenden Jahre mit verstärkter Kraft zu kommen; aber das Schicksal

wollte

es

anders.

Tiberius,

eifersüchtig

auf das

Glück und die

Thaten seines Neffen, wollte den Krieg gegen die Deutschen geendet wissen und ries den Jüngling: der Rache wäre genug, das klebrige würden die barbarischen Deutschen im Kampfe

vollenden.

gegen

einander selbst

Germanicus gehorchte und zog triumphirend in Rom ein;

vor dem Siegeswagen wurden in Bildern die besiegten Völker und verheerten Landschaften Deutschland's

zur Schau

kamen die Vomehmsten der Gefangenen,

getragen;

auch Tusnelde

darauf

mit ihrem

Bmder Sigmund und ihrem Söhnlein, das sie in der Gefangenschaft

geboren, dann andere Edle;

Segest aber schaut« von einem Ehren­

plätze herab den Triumphzug über sein Vaterland und seine Kinder. Der Sohn Hermann's, vielleicht

auch Thusnelde,

ward nach Ra-

268

Rom.

venna gebracht; aber Niemand weiß von ihrem ferneren Leben oder Tode. —

Das innere große Deutschland war also von den Römern frei; nur einige Gränzvölker blieben mit ihnen und den Galliern im Bunde; aber nun erhob sich, wie es Tiberius vorausgesehen, der Kampf der

Stämme und der Gefolge selbst gegen einander.

Frei hatte der Che-

rusken-Bund den Hermann zu seinem Führer im großen Kampfe um

die Freiheit gewählt; Marbod aber hatte vermittelst seines GesolgeS die Benachbarten in sein Bündniß thanen, denn als

gezwungen,

freie Genossen behandelt,

sie mehr als Unter­

und sein Streben nach

Herrschaft und sein Verachten heimischer Sitte durch Begünstigung der

Römer und klug berechnete Unthätigkeit während des Freiheitkampfes deutlich gezeigt.

Vielen mißfiel seine Art, und als die Cherusken jetzt den größten Streit ruhmvoll und siegreich vollendet, wagten es Einige,

sich der

Botmäßigkeit Marbod'S zu entziehen, und Longobarden und Semnonen, suevische Völker, schlossen sich zuerst an den freien Bund der Cherusken.

Bald darauf begann der Kampf um die Erhaltung der inneren Frei­ heit und des freien Bestehens der einzelnen Stämme; und hier zeigt

sich deutlich, wie aus der Genossenschaft allmählig Herrschaft, zuerst Vieler, dann des Einen erwachsen kann.

Die Stämme waren bei­

nahe alle für Hermann und die Freiheit, die Gefolge aber für Mar­ bod,

von dem

sie Geschenke und bei Eroberungen herrscher-üppiges

Leben erwarteten; sie kämpften nur für ihn und dieses.

Eine Schlacht

sollte zwischen den Beiden entscheiden, ob jetzt schon Einer allgewaltig

herrschen oder die alte Verfassung noch länger dauern würde.

Neidisch

auf Hermann's Ruhm trat sein eigener Oheim, Jnguiomer, der bis­

her treu zu ihm gehalten, mit seinem Gefolge zu Marbod über, den aber während der Schlacht einige seiner Reihen verließen, um für die

Cherusken zu kämpfen;

er zog sich während der Nacht zurück,

dies

galt für Flucht, nun verließen ihn Mehrere und er kehrte in sein ge-

birgumschlossenes Land zurück, dort seine Herrschaft zu behaupten und in der Folge weiter zu verbreiten; dazu, und zur Unterdrückung Her­ mann's suchte er jetzt selbst der Römer Hülfe,

immer, wie er behauptete, gewesen.

deren Frelind er ja

Diese aber freuten sich über die

Uneinigkeit der Deutschen, wie über den schönsten Sieg; Tiber sandte

feinen Sohn Drusus an die Donau, um für Rom zu wirken, und plötzlich erhob sich, wahrscheinlich mit römischen Gelde und Beistand,

269

Die Hermannsschlacht.

Katwald, ein edler Gothe, als Häuptling gegen Marbod, von dem

Er gewann die Edelsten der Markmannen,

er früher vertrieben war.

Hrach mit seinem Gefolge in das Land und bemächtigte

sich

schnell

der Hauptstadt, der Burg und der seit langen Zeiten dort aufgehäuf­ ten Schätze der Sueven.

Verlassen von all den Seinen, welchen er

Nichts mehr gewähren konnte, wandte sich Marbod an die Römer;

diese

sicherten

ihm

einen Zufluchtsort in Ravenna,

wollte, wieder freien Abzug.

und,

wenn

er

Dort lebte er noch achtzehn Jahre un­

rühmlich, von den Römern wie ein Schreckbild gegen die Sueven ge­ nährt, wenn sie etwa zu mächtig würden.

Drusuö aber wurde wie

ein Sieger in Rom empfangen, weil er den alten, listigen Feind ge­ fangen.

Auch Katwald

genoß seines Glückes und seiner Herrschaft

nicht lange; er ward von den Hermunduren bekriegt und geschlagen

und flüchtete zu den Römern. Dem Gefolge Beider ward ein Landstrich an der Donau angewiesen,

und ihm als Häuptling Vannius, ein Quade, gegeben; dort lebten

sie als Freunde der Römer. Nicht lange nachher traf auch Hermann der Haß, der beinahe alle großen Männer verdirbt; man sprach, auch er strebe nach Alleinherr­

schaft; und so fiel er vielleicht durch Römerränke (21 n. Chr.) von

seinen eigenen Verwandten gemordet, siebenunddreißig Jahre alt, wahr­ haft der Rächer und Gründer der deutschen Freiheit, da er den Rö­

mern zur Zeit ihrer größten Macht siegreich widerstanden und bewirkt, daß von allen Ländern, welche sie zu erobern unternommen, Deutsch­

land allein unerobert blieb. Liedern gefeiert.

Sein Ruhm ward noch lange Zeit in

(Söltl.)

16. Lob des Germaniens, Sohn des Tiberius. Am Ende des Jahres (770 seit Erb. d. St.) ward ein Triumph­

bogen beim Saturnustempel errichtet wegen der mit Vanis verlorenen,

dann unter Germanicus Anführung in Tiberius Namen wiedergewon­

nenen Feldzeichen, und den 26. Mai hielt GermanicuS Cäsar seinen Triumph über die Cherusker, Catten, Angrivarier und andere Völker­

schaften bis an die Elbe hin.

ES wurden Siegeszeichen, Gefangene,

Abbildungen von Bergen, Flüssen, Schlachten aufgeführt; der Krieg, den man ihn gehindert hatte zu beendigen, ward für beendigt ange­

nommen.

Die Augen der Zuschauer weideten sich an der herrlichen

270

Rom.

Gestalt des

Germanicus

Kinder fuhren.

und

an dem Wagen,

worauf seine

fünf

Aber heimliche Bangigkeit regte sich bei dem Gedanke«^

die allgemeine Gunst sei für seinen Vater Drusus nicht heilbringend, gewesen; sein Oheim Marcellus sei der heißen Liebe der Bürger im

Jünglingsalter entrissen worden. Uebrigens schenkte Tiberius in Germanicus Namen dem Volke drei­

hundert Sestertien aus den Mann, und bestimmte sich ihn zu seinem AmtS-

genossen im Consulat.

Dennoch glaubte Niemand an seine aufrichtige

Zuneigung gegen denselben,

und so

beschloß er,

den jungen Mann

unter ehrenvollem Scheine zu entfernen, wozu er Vorwände schuf oder

die dargebotenen ergriff.

Der König Archelaus

regierte seit fünfzig

Jahren über Cappadocien, gehaßt von Tiberius, weil er ihn während seines Aufenthalts in Rhodus keiner Aufmerksamkeit gewürdigt hatte.

Archelaus hatte es nicht aus Hochmuth unterlassen, sondern gewarnt

von August's Vertrauten; denn bei Casus Cäsar's Lebzeiten und wäh­ rend

seiner Sendung inS Morgenland

schaft für bedenklich angesehen.

wurde des Tiberius Freund­

Als Dieser nach Erlöschung des Cä­

sarischen Stammes zum Thron gelangte, lockte er Archelaus durch ein

Schreiben

der Mutter zu sich, welche,

ohne des Sohnes Groll zu

verhehlen, ihm Begnadigung anbot, wenn er mit Bitten vor ihn träte.

Jener, die Hinterlist nicht ahnend, oder wenn er sie zu merken schiene, Gewaltthätigkeit fürchtend, eilt in die Stadt.

Vom Fürsten ungnädig

empfangen, dann im Senat angeklagt, endete er bald sein Leben, nicht wegen Verbrechen, da diese bloß erdichtet waren, sondern aus Angst, zugleich von Alter erschöpft',

und weil Könige sich in Gleichstellung

mit Andern, geschweige in Herabsetzung, nicht finden können, entweder

durch freiwilligen oder natürlichen Tod.

Sein Reich wurde zur Pro­

vinz gemacht; der Cäsar erklärte, mit den Einkünften derselben könne

man die Auflage deS Eins vom Hundert erleichtern, und setzte sie für die Zukunft auf die Hälfte herab.

Um dieselbe Zeit starb Antiochus,

König von Commagene, und Philopator, König von Cilicien, wodurch diese Völker in Bewegung geriethen, da der größere Theil Vereinigung

mit dem römischen Reich, Andere ein eigenes Königthum verlangten.

Die Provinzen Syrien und Judäa, von Lasten gedrückt, flehten um Erleichterung der Abgaben.

Diese Vorfälle erörterte er im Senat: „Einzig durch Germanicus

Weisheit könne die Bewegung deö Morgenlandes gedämpft werden ; denn sein Alter neige sich, daS des DrusuS fei noch nicht hinlänglich

Tod des Germanicus.

271

gereift." Nun wurden durch der Väter Schluß dem Germamcus die Provinzen jenseit des Meers übertragen, und zwar, wo er irgend hin­

käme, mit größerer Vollmacht, als die durchs Loos oder durch Er­

nennung des Fürsten Abgeordneten erhielten. Allein Tiberius hatte aus Syrien den Creticus Silanuö abgerufen, der mit Germanicus in verwandtschaftlicher Verbindung stand, indem SilanuS Tochter mit Nero, dem ältesten seiner Söhne verlobt war, und zum Nachfolger Cneus Piso gesetzt, einen heftigen, der Unterwürfigkeit ungewohnten Kopf, voll angeerbten Trotzes von seinem Vater Piso her, welcher im Bürgerkriege die in Afrika wieder auslebende Partei deS Pompejus aufs Eifrigste gegen Cäsar unterstützte, dann auf BrutuS und Cassius Seite trat, und nach bewilligter Rückkehr sich aller Bewerbung um

Ehrenstellen enthielt, bis er selbst angesprochen wurde, das von Augustus

ihm angetragene Consulat anzunehmen. — Allein den angestammten Stolz entflammte noch die Herkunft und der Reichthum seiner Gattin Kaum erkannte er den Tiberius über sich, dessen Kinder achtete er weit unter sich. Auch zweifelte er nicht, er sei zum Statt­ halter Syrien'ö auSersehen worden, um des Germanicus Absichten Plancina.

entgegen zu arbeiten. Einige glaubten, Tiberius habe ihm sogar ge­ heime Aufträge ertheilt. Ungezweiselt ist, daß Plancina von Augusta

angewiesen wurde,

Agrippina mit weiblicher Eifersucht zu verfolgen,

denn der Hof war getheilt und uneinig zwischen heimlichen Parteien

für Drusus oder Germanicus. Tiberius begünstigte den Drusus als leiblichen Sohn aus eigenem Geblüte; die Liebe der Uebrigen zum Germanicus ward gesteigert durch deS Oheims Abneigung gegen ihn, so wie durch seine vornehmere Abkunft von mütterlicher Seite, indem er Marcus Antonius zum Großvater, Augustus zum Großoheim hatte, da hingegen deS Drusus Urgroßvater, der Ritter Pomponius Atticus, die Ahnenbilder der Claudier zu verunehren schien. Auch zeichnete sich

des Germanicus Gemahlin Agrippina an Fruchtbarkeit und gutem Ruse vor der Livia, des Drusus Gattin, aus. Doch die Brüder waren musterhaft einig, und von den Streitigkeiten ihrer Umgebung unerschüttert. Im folgenden Jahre war Tiberius zum drittenmal, Germanicus zum zweitenmal Eonsul. Allein Germanicus trat diese Würde bei Nicopoliö, einer Stadt in Achaja, an, wohin er durch das illyrische Küstenland gekommen war, nachdem er seinen in Dalmatien weilenden Bruder besucht hatte. Von da kam er nach Athen, für welche alte,

272

Rom.

befreundete Bundesstadt er die Rücksicht nahm, daß er nur mit Einem

Lictor austrat.

Die Griechen empfingen ihn mit den ausgesuchtesten

Ehren, wobei sie die Worte und Werke ihrer Altvordern hervorhoben,

um der Schmeichelei mehr Glanz zu leihen. Cneus Piso

aber, um desto eiliger seine Bestimmung

anzutreten,

hielt eiuen trotzigen Einzug in die Stadt der Athener und schalt sie

in einer heftigen Rede, mit Seitenhieben auf Germanicus, als habe

er, der Würde des römischen Namens zuwider, nicht jene Athener, die durch so viele Niederlagen bereits vertilget seien, sondern dieses Ge­ misch

von Völkerschaften

mit allzugroßer Herablassung

beehrt.

Sie

seien die Bundesgenossen des Mithridates gegen Sulla, des Antonins

gegen den vergötterten Augustus.

Auch Veraltetes rückte er ihnen vor,

wie sie unglücklich gegen ihre Mitbürger gewesen.

Zudem war er per­

sönlich wider die Stadt erbittert, weil sie einen gewissen vom Areopag wegen Verfälschung frei gaben.

verurtheilten

Theophilus

auf seine

Bitten nicht

Von da durch die Cycladcn in schneller Fahrt auf kürze­

stem Wege schiffend, erreichte er bei der Insel Rhoduö den Germaniens,

dem nicht unbekannt war, welche Fallstricke man ihm bereite; allein er betrug sich mit solchem Edelmuth, daß er, als ein Sturm Jenen

auf Felsengrund schleuderte, und dcS Feindes Untergang dem Zufall angerechnct werden konnte, Galeeren aussandte, durch deren Hülfe er

Doch Piso, auch dadurch nicht besänftigt

der Gefahr entrissen wurde.

und kaum den Verzug Eines Tages aushaltend, verließ Germanicus und

eilte ihm zuvor.

In Syrien und bei den Legionen angelangt,

trieb er mit Bestechungen, Schmeicheleien und Beförderung der niedrig­

sten Soldaten, indem er die alteir Centurionen und die strengen Tri­ bunen absetzte, und ihre Stellen seinen Clienten oder den verworfensten Leuten zutheilte, Müßiggang im Lager, Zügellosigkeit in den Städten, herumschweifendes,

ausgelassenes Leben auf dem Lande

zuließ,

daö

Verderbniß so weit, daß der gemeine Haufe ihn „Vater der Legionen" nannte.

Auch Planem« hielt sich nicht inner dem Anstand ihres Ge­

schlechts, sondern wohnte den Uebungen der Reiterei, den Musterungen der

Cohorten

bei,

gegen

Agrippina,

gegen

Germanicus

warf sie

Schmähworte hin; selbst einige gutgesinnte Solvaten leisteten ihr wil­ ligen Gehorsam im Bösen, weil ein heimliches Gerücht ging, es ge­

schehe solches nicht ohne deS Imperators Willen. DieS wußte Germanicus, Armenien zu eilen.

allein

es

lag

ihm mehr daran,

nach

Von Alters her war dieses Volk unzuverlässig

273

Tod des Germaniens.

wegen des Charakters der Einwohner und der Lage des Landes, in­

dem es weit all unsern Provinzen hinlaufend sich tief nach Medien hin erstreckt.

Unter den Consuln Marcus Silanus und Lucius Norbanus reifete Germanicus nach Aegypten zur Erforschung des Alterthums, schützte

aber Geschäfte in der Provinz vor.

Er milderte durch Ausschließung

der Kornspeicher den Getreidepreis und richtete sich

dem Volkswillen; ohne Wache ging er umher,

in Vielem nach

ohne Fußbekleidung,

im Anzuge den Griechen ähnlich, nach dem Vorgänge des Publius Scipio,

wie man weiß, dasselbe in Sicilien that, obgleich der

der,

Krieg mit den Pönern noch wüthete.

Germanicus fand bei seiner Rückkehr aus Aegypten Alles, waS er für

linD Städte

die Legionen

angeordnet hatte,

abgeschafft oder im

Daher heftige Ausfälle gegen Piso, und eben

Gegensinn ausgeführt.

so bittere Vorkehrungen von Diesem

gegen den Cäsar.

Hierauf be­

schloß Piso, Syriell zu verlassen, ward aber alsobald durch Krankheit

des Germanicus zurückgehalten; als er dessen Genesung vernahm, und Gelübde für seine Herstellung gelös't wurden, treibt er durch Lictoren

die herbeigeführten Opferthiere, die priesterlichen Aufzüge und das fest­ lich geschmückte Volk Antiochiens aus einander.

Dann bcgiebt er sich

nach Seleucia, die Krankheit abwartend, die neuerdings Germanicus befallen

Die

hatte.

unbändige

Heftigkeit des

und in den Wänden des

Uebels

verstärkte der

Auch sand man im Boden

Glaube an beigebrachtes Gift von Piso.

von Germanicus bewohnten Hauses aus­

gegrabene Ueberreste menschlicher Leichname, Beschwörungsformeln, Ver­

wünschungen

und

Namen

Germanicus

Tafeln

auf bleiernen

einge­

graben, ferner halb verbranntes und blutbeflecktes Gebein und andere

wodurch

Zaubermittel,

weihen wähnt.

man

Seelen

den

unterirdischen

Mächten

zu

Zugleich wurden Abgeordnete des Piso beschuldigt, als

lauerten sie aus Verschlimmerung der Krankheit.

Germanicus vernahm Solches nicht weniger mit Grimm, als mit Besorgniß.

„Wenn

man

seine

Schwelle

belagere,

wenn er unter

Feindesaugen den Geist aufgeben müsse, wie werde es erst seiner un­

glücklichen Gattin,

wie

seinen

unmündigen Kindern ergehen?

Gift

sei Jenem zu langsam; das sei ein Eilen und Drängen, um die Pro­

vinz, um die Legionen allein zu haben.

Aber noch sei Germanicus

nicht so ganz entkräftet, und der Lohn des Mordes werde dem Mör­ der nicht bleiben. Histor. Lesebuch. 1.

Er setzte nun ein Schreiben auf, worin er ihm die 18

274

Rom.

Freundschaft aufkündete. fohlen, die Provinz

Die Meisten fugen hinzu, er habe ihm be­

zu verlassen.

Auch lichtete Piso

ohne ferneres

Weilen die Anker, verzögerte jedoch den Lauf, um aus der Nähe zu­ rückzukehren, wenn des Germaniens Tod ihm Syrien geöffnet haben

würde. — Der Fürst schöpfte einige Hoffnung,

dann ermattete

er,

und als

sein Ende herannahete, redete er die umstehenden Freunde folgender­ maßen an: „Wenn ich dem Schicksal erläge, so wäre mein Schmerz

selbst gegen die Götter gerecht, daß sie mich den-Eltern, den Kindern, dem Vaterland im Jugendalter durch frühzeitigen Tod entreißen.

Nun

aber durch Piso's und Plancina's Frevel hingerafft, lege ich die letzten Bitten in Eure Brust nieder.

Meldet dem Vater und Bruder, durch

welche Kränkungen gemartert, mit welchen Nachstellungen umringt ich

ein höchst

elendes Leben mit dem

kläglichsten Tode geendigt habe.

Wem ich wegen meiner Aussichten, wegen meiner Blutsverwandtschaft, wem ich sogar aus Neid im Leben wichtig war, der wird es beklagen,

daß der einst Hochbeglückte und aus so vielen Kriegen Gerettete durch

Weibertücke gefallen sei.

Ihr werdet Anlaß

Senat, zur Anrufung der Gesetze.

geschäft,

mit feiger Klage

seines Willens

zu gedenken,

finden

zur Klage beim

Nicht das ist der Freunde Haupt­

dem Verblichenen nachzuweinen,

seine Aufträge

zu

vollziehen.

sondern

Weinen

über Germaniens werden auch Unbekannte; rächen werdet Ihr mich,

wofern Ihr mehr mich, als mein Glück liebet.

Zeiget dem römischen

Volke des vergötterten Augustus Enkelin, in ihr zählet ihm unsere sechs Kinder auf.

meine Gemahlin;

Das Mitleid wird den Anklägern

zur Seite stehen; und erdichtet man verbrecherische Aufträge, so werden die Menschen sie nicht glauben oder nicht verzeihen."

Die Freunde,

des Sterbenden Hand ergreifend, schwuren, eher den Geist, als die Rache aufzugeben.

Hierauf zur Gattin gewandt, beschwor er sie bei seinem Andenken,

bei ihren gemeinschaftlichen Kindern,

den Trotz

abzulegen, vor den

Schlägen des Schicksals ihren Muth zu beugen und nach Zurückkehr

in die Stadt nicht durch Wetteifer um Herrschaft die Mächtigern zu reizen.

Dieses sprach er laut, Anderes heimlich, wodurch er, wie man

glaubte, Besorgniß vor Tiberius andeutete.

Nicht lange nachher ver­

schied er zu ungemeinem Leid der Provinz und der umliegenden Völker.

Ihn betrauerten auswärtige Stämme und Könige; so groß war seine

Leutseligkeit gegen Bundesgenossen, seine Milde gegen Feinde.

In Ge-

275

Tod des Germanicus.

stakt und Rede gleich ehrwürdig, wußte er die Größe und daS Uebergewicht des höchsten Ranges zu behaupten, Neid und Anmaßung zu

vermeiden. Sein Leichenbegängniß, ohne Ahnenbilder und Gepränge, war feier­

lich durch Lobeserhebungen und das Andenken seiner Tugenden. — Manche verglichen ihn nach

Körperwuchs,

Alker,

Todesart, zum

Theil wegen der Nähe des Orts, wo er starb, mit Alexander dem Großen und seinem Schicksal. Denn Beide, von schönem Körperbau,

von hoher Abstammung, nicht viel über dreißig Jahre alt, seien durch Hinterlist der Ihrigen in fremdem Lande umgekommen; allein Dieser, liebreich gegen Freunde, mäßig in Genüssen, habe mit Einer Gattin bei rechtmäßigen Kindern gelebt; auch als Kriegsmann sei er nicht geringer, wiewohl nicht tollkühn, wie Jener, gewesen; und daß er daö durch so viele Siege geschwächte Germanien nicht völlig unter­

worfen habe, sei Anderer Schuld. Wäre er Alleinherrscher gewesen, mit königlichem Titel und Vorrecht, er hätte um so schneller kriegeri­ schen Ruhm erlangt, als er an Leutseligkeit, Mäßigung und andern

Ehe sein Leich­ nam verbrannt wurde, ward er auf dem Forum zu Antiochia, dem erwählten Bestattungsorte, entblößt ausgestellt. Ob er Spuren des Giftes an sich getragen, ist nicht auögemittelt, denn so wie Einer mehr zum Mitleide gegen Germanicus und zu vorgefaßtem Argwohn schönen Eigenschaften über Jenen hervorgeragt habe.

oder zu Begünstigung Piso's sich hinneigte, legte man es auf ver­

schiedene Weise aus.

Agrippina inzwischen, wiewohl von Trauer erschöpft und körperlich krank, doch ungeduldig jeder Verzögerung der Rache, geht mit des Germanicus Asche und ihren Kindern zu Schiffe, unter allgemeinem

Wehklagen, daß eine Frau vom ersten Range, noch kürzlich durch die sthönste Verbindung beglückt, gewohnt, sich verehrt und angebetet zu sehen, nun Leichenreste am Busen trage, unsicher der Rache, bange

für ihre Person, und durch unselige Fruchtbarkeit dem Schicksal so vielfach bloßgestellt. Inzwischen erreicht den Piso bei der Insel Eos die Botschaft, Germanicus sei gestorben. Außer sich vor Vergnügen ob der Nachricht schlachtet er Opferthiere, besucht die Tempel. Er weiß sich in der Freude nicht zu mäßigen, aber noch unbändiger be­ nimmt sich Plancina, welche die Trauer über eine verstorbene Schwester

nun erst mit heiterem Gewände vertauscht. . \ Als zu Rom des Germanicus Krankheit ruchbar und aus der 18*

276

Rom.

Ferne alle Nachrichten ins Schlimmere vergrößert wurden, erhob sich Schmerz und Zorn; laut brachen die Klagen aus: „Darum also sei

er in fremde Länder verwiesen, darum die Provinz an Piso übertragen worden; daS hätten jene geheime Unterredungen der Augusta mit Plan­ tina bezweckt! Wohl hätten die Alten Recht gehabt, wegen Drusus zu sagen, den Herrschern sei der volksthümliche Geist an den Söhnen

mißfällig; nur deshalb seien sie weggerafft worden, weil sie gestrebt hätten, dem römischen Volke nach wievergegebener Freiheit, Gleichheit

der Rechte cinznräumcn."

Diese Aeußerungen der Menge sachte die

Todesbolschaft so sehr an, daß man vor dem obrigkeitlichen Befehl und vor dem Schluffe dcö Senats eigenmächtig die Traucrferien be­ gann, die öffentlichen Plätze verließ, die Wohnungen verschloß. Ueberall Schweigen und Seufzer; keine prunkenden Anstalten; zwar sah man auch Zeichen von Leidtragenden, doch tiefer hastete der Schmerz in den

Gemüthern.

Zufällig brachten Kaufleute, die noch beim Leben des

Germaniens aus Syrien abgercist waren, frohere Kunde von seinem Zustand;

alsbald wurde sie geglaubt und

ausgebreitet.

Wer dem

Andern begegnete, theilte ihm das oberflächlich Gehörte, und Dieser

Mehrern in freudiger Vergrößerung mit.

Man rennt durch die Stadt,

man erbricht die Tempelpforten. Den Glaube» bestärkte die Nacht und das dreistere Behaupten in der Dunkelheit. Tiberius ließ dem Irrthum seinen Lauf, bis er mit der Zeit von selbst erlöschen würde,

und das Volk betrauerte den gleichsam zweimal Entrissene» sehr. Ohne die winterliche Meerfahrt zu unterbrechen landet Agrippina bei der Insel Corcyra, der calabrischen Küste gegenüber. Angegriffen von Kummer und des Duldens ungewohnt verweilte sie einige Tage

viijuuft, um Hp Gemüth zu fassen.

Inzwischen waren auf die Nach­

richt ihrer Ankunft die vertrautesten

Freunde alle, die meisten der gedient hatten, und selbst viele

Kricgsleute, die unter Germanicus

Unbekannte auö den benachbarten Landstädten, ein Theil in der Mei­

nung, dadurch dem Fürsten gefällig zu sein, Manche um nur auch mitzugehen, nach der Stadt Brnndisium geeilt, wo die Schiffende den

nächsten und sichersten Landungsplatz sand. Flotte erschien,

Sobald aus der Höhe die

füllt sich nicht blos der Seehafen und die nächste

Meeresküste, sondern

auch die Stadtmauern und

Dächer, und wo

immer eine weite Aussicht sich darbot, mit Schaaren von Trauernden an, die unter sich fragten, ob man sie beim Aussteigen mit Stille oder

mit Zuruf empfangen solle.

Noch war man nicht einig, was den

Tod des Germaniens.

Umständen angemessener sei, als nicht wie gewöhnlich

Traurigkeit versenkt.

277

allmählig die Flotte herannahete,

mit munterem Ruderschlag, sondern Alles in Als sie mit zwei Kindern, Julia und Casus,

die Todtenurne im Arm, auS dem Schiffe steigend die Augen auf­ ertönte Ein allgemeiner Seufzer. Nicht Verwandte, nicht

schlug,

Freunde, nicht der Männer oder der Frauen Wehklagen konnte man

unterscheiden, nur daß die Herbeigckommencn im frischen Schmerz lauter weinten, als das durch langen Jammer ermüdete Gefolge der Agrippina. Der Cäsar hatte zwei prätorische Kohorten entgegen gesandt, mit Befehl an die Obrigkeiten Calabrien's, Apulien's und Campanien's,

dem Andenken seines Sohnes die letzte Ehre zu erweisen. trugen Tribunen und Centurionen die Asche auf ihren

Deshalb Schultern;

voran gingen schmucklose Feldzeichen, niedergcsenkte Stäbe; wo der Weg durch Colonien führte, erschien das Volk schwarzgekleidet, die

Ritter im Feiergewand; nach jedes Orts Vermögen verbrannte man Stoffe, Weihrauch, und was sonst bei Leichenzügen gebräuchlich ist. Selbst die Bewohner abgelegener Ortschaften kamen dennoch herbei,

weiheten Opferthiere und Alkärc den Göttern der Unterwelt, nnd be­ zeugten mit Thränen und Klagegeschrei ihre» Schmerz. Drusus kam bis nach Terracina entgegen mit seinem Bruder Claudius und den Kindern des Germanicus, die in der Stadt sich aushielten. Die Gon# fuln Marcus Valerius und Casus Aurelius (denn schon hatten diese

das Amt angetreten), der Senat und eine große Volksmenge erfüllte die Straße, zerstreut und weinend, wie Jedem das Herz eingab; denn

Schmeichelei war ferne;

wußte doch Jedermann, wie übel TiberiuS

es verberge, daß des Germanicus Tod ihn freue. Tiberius nnd Augusta erschienen nicht öffentlich, weil sie eS unter ihrer Würde achteten, ihre Trauer sehen zu lassen, oder damit nicht, wenn Aller Augen ihre Miene ausforschten, die Verstellung durchblickt würde.

Von der Mutter Antonia findet man weder bei den Geschicht­

schreibern, noch in den Tagebüchern (dies war die römische Staats­ zeitung), daß sie an irgend einer Feierlichkeit besondern Antheil ge­

nommen habe, da doch außer Agrippina nnd Drusus und Claudius auch die übrigen Blutsverwandten namentlich aufgesührt sind; sey es, daß Krankheit sie hinderte, oder daß ihr von Kummer überwältigtes Gemüth die Größe des Verlustes mit Augen anzuschauen nicht ertrug.

Eher könnte man glauben, TiberiuS und Augusta, die nicht von

278

Rom.

Hause gingen, hätten es ihr gewehrt, damit es scheine, ihr Gram sei eben so groß und der Mutter Beispiel habe auch Großmutter und

Oheim zu Hause festgehalten. Der Tag, an welchem die Ueberreste in Augustus Gmft beigesetzt

wurden,

war bald schauerlich öde,

bald unruhig

vom Klagegeschrei,

die Straßen der Stadt mit Menschen angefiillt, lodernde Fackeln auf

dem Marsselde, die Krieger in Waffenaufzug, die Magistrate ohne amtlichen Schmuck, das

Volk bezirkweise abgetheilt.

Der Ausruf:

„Gefallen sei der Staat, jede Hoffnung dahin," erscholl lebhafter und

ungescheuter, als daß man glauben könnte, sie dächten an die Macht­

haber.

Doch Nichts ging dem Tiberius so nahe ans Herz, als der

feurige Eifer für Agrippina, da man sie des Vaterlandes Zierde, ein­ zigen Sprößling August's, alleiniges Muster der Vorzeit nannte, dann zum Himmel und zu den Göttern gewandt eine gesegnete, keiner Bos­ heit unterliegende Nachkommenschaft für sie erflehte.

Einige vermißten den Pomp eines Leichenbegängnisses und verglichen, was Augustus für des Germaniens Vater, Drusus, Ehrenvolles und

Glänzendes veranstaltet hatte.

„Er selbst nämlich

sei zur rauhesten

Winterzeit bis nach Ticinum (Pavia) entgegengereiset und ohne von

der Leiche zu weichen mit ihr in die Stadt eingezogen; der Sarg um­ stellt von den Bildnissen der Claudier und Julier; er auf dem Forum

beweint, gepriesen von der Rednerbühne herab; Alles insgesammt sei

gethan worden, was die Alten ausgedacht oder die Neuem hinzuge­ fügt hätten.

Dem Germanicus hingegen seien nicht einmal die jedem

Manne von Stande

gebührenden Ehren

zu Theil geworden;

aller­

dings habe man wegen weiter Reise den auf fremder Erde Verblichenen irgendwie verbrannt; allein desto größere Auszeichnung sei hernach zu beobachten gewesen, da ihm das Schicksal die erste versagt habe.

Der

Bmder sei nur eine Tagereise weit, der Oheim nicht einmal bis ans

Thor entgegen gegangen.

Wo seien die Verordnungen der Voreltem?

Das Bildniß aus dem Prachtbette, die zum Andenken seiner Tugend

aufgesetzten Lieder, die Lobreden und Thränen

oder wenigstens das

Scheinbild des Schmerzes."

Dieses erfuhr Tiberius und um das Gerede des Volkes niederzu­ schlagen, erließ er einen Befehl des Inhalts: „Viele vornehme Römer

seien für das Gemeinwesen gestorben, Keiner mit so heißer Sehnsucht

gefeiert worden.

Dies sei ihm und Jedermann ganz recht,

die Schranke beobachtet werde.

wofem

Denn nicht das Nämliche schicke sich

Tod des Germanicus.

279

für fürstliche Personen und herrschende Nationen, wie für beschränkte

Familien oder Staaten.

Beim frischen Verlust habe sich geziemt zu

trauten und aus Thränen Trost zu schöpfen; aber nun müsse man sich zur Stärke wieder aufraffen, gleichwie einst der vergötterte Julius nach Verlust der einzigen Tochter, der vergötterte Augustus nach dem Hintritte der Enkel ihren Gram zurückgedrängt. Unnöthig fei, ältere Beispiele anzuführen, wie oft das römische Volk Niederlage von Kriegs­ heeren, Untergang von Feldherren, gänzliches Erlöschen edler Familien standhaft ertragen habe. Fürsten seien sterblich, das Gemeinwesen ewig.

So sollten sie denn ihre Beschäftigung wieder vornehmen, und

(da gerade die Feier der megalesischen Spiele bevorstand) auch die Be­ lustigungen wiederum ergreifen." Nun kehrte man nach beendigten Trauerferien zu den Geschäften zu­ rück, und Drusus reifete zu den illyrischen Heeren ab, indeß alle Ge­ müther auf die Rache an Piso gespannt waren, unter häufiger Klage, daß er inzwischen in den anmuthigen Landschaften Asien's und Achaja's umherschlendernd mit trotziger und heimtückischer Zögerung die Beweise seiner Abscheulichkeit vernichte. Denn es ging das Gerücht, die von Sentius, wie schon bemerkt, hergelieferte Giftmischerin Martina sei zu

Brundusium eines plötzlichen Todes gestorben, in einem Knoten ihres Haupthaares sei Gift versteckt gewesen, aber keine Spur von Selbstentleibung an ihrem Leichnam gefunden worden. Piso, der inzwischen seinen Sohn mit Aufträgen zur Besänftigung

des Fürsten in die Stadt vorausgesandt hatte, reifete zu Drusus, von dem er hoffte, er werde weniger über des Bruders Tod aufgebracht, als über die Wegräumung des Nebenbuhlers froh sein. Tiberius, um die Unbefangenheit seines Urtheils zur Schau zu stellen, nahm den Jüngling freundlich auf und beschenkte ihn mit seiner gegen adelige Familiensöhne gewohnten Freigebigkeit. Drusus antwortete dem Piso: „Wenn wahr fei, was man ausstreue, so habe vorzüglich er Ursache zur Betrübniß; allein er wünsche, daß es falsch und grundlos sei, auch des Germanicus Tod Niemanden verderblich werde." Diese Aeußerung geschah öffentlich mit Vermeidung jeder geheimen Unter­ redung. Man zweifelte nicht, Tiberius habe es so vorgeschrieben, da der sonst ungewandte und offenherzige junge Mann sich damals alt­ kluger Künste bediente. Als Piso in Rom angekommen, forderte Fulcinius Trio (eine be­ rüchtigte Angeberseele) den Piso vor die Consuln. Dagegen behaupteten

280

Rom.

Vitellius und Veraniuö und die Uebrigen aus Germanicus Gefolge, dies sei durchaus nicht Trio's Sache; auch kämen sie nicht als An­

kläger,

sondern

als Hinterbringer von Thatsachen und

ab,

als Zeugen

Jener stand von Eingabe dieser Sache

aus Auftrag des GermanicuS.

erhielt aber die Bewilligung,

über

sein früheres Leben klagend

einzukommen, und der Fürst wurde gebeten, die Untersuchung zu über­ nehmen, was selbst der Beklagte sich nicht verbat, weil er die Auf­

regung des Volks und Senats fürchtete; „Tiberius hingegen sei stark

genug, das VolkSgerede zu verachten und in die Mitwiffenschaft seiner Mutter verflochten;

Wahres und böswillig Uebertriebcnes könne ein

Richter leichter unterscheiden,

die Oberhand."

Tiberius

bei der Menge gewinne Haß und Neid

verkannte

nicht

das Lästige dieser Unter­

suchung, und wie er selbst dabei in Übeln Ruf kommen werde.

vernahm also,

Er

die Angriffe der

mit Zuziehung weniger Vertrauten,

Kläger, andererseits die Fürsprache, und überwies die Sache unent­

schieden dem Senat. Am Tage des Senats hielt der Fürst eine Rede voll überdachter

Abgemessenheit: „Schon seines Vaters Legat und Freund sei Piso ge­

wesen, und er selbst habe ihn auf Antrag des Senats dem Germa­ nicus als Gehülfen zur Beilegung der Angelegenheiten des Orients

zugegeben.

Ob er daselbst durch Trotz und Widerspruch den jungen

Mann erbittert und über seinen Tod gefrohlockt, oder ob er ihn mör­

derisch auö dem Wege geräumt habe, müsse mit unbefangenem Gemüth untersucht werden.

Denn

hat der Legat die Schranken der Pflicht

und den Gehorsam gegen den Feldherrn verletzt, hat er über desselben Tod und meinen Kummer gefrohlockt, so werde ich

aus meinem Hause entfernen, fürstlicher Gewalt zu rächen.

bestraft werden müßte,

ihn hassen und

ohne die persönliche Beleidigung

Kommt ein Frevel

mit

an den Tag, der

wer auch immer der Ermordete

wäre,

nun

dann, so möget Ihr den Kindern des Germanicus und uns Eltern den gebührenden Trost verschaffen.

Erwäget zugleich den Umstand, ob

Piso die Heere zu Unruhe und Meuterei aufgewicgclt, durch Umtriebe der Soldaten Gunst gesucht und mit bewaffneter Macht in die Pro­ vinz wieder einzudringen gestrebt habe, oder ob eö falsche und über­

triebene Gerüchte der Ankläger seien, über deren ungezügelten Eifer ich mit Recht ungehalten bin.

Denn wozu führte es, den Leichnam zu

entblößen, ihn von den Augen des PöbelS betasten zu lassen, und so­ gar bei den Ausländern auszustrcuen,

als wäre er durch Gift hin-

281

Tod des Germaniens.

gerafft worden,, wenn dieses noch ungewiß und erst zu untersuchen ist? Zwar ich beweine meinen Sohn und werde ihn stets beweinen-, allein auch dem Beklagten wehre ich nicht, Alles vorzubringen, wodurch seine Unschuld hervorgehoben, oder, wenn auf GermanicuS Seite ein Un­

recht statt sand, dasselbe erwiesen werde, und Euch bitte ich, daß Ihr nicht, well die Sache mit meinem Schmerz in Verbindung steht, vor­ geworfene Verbrechen als

erwiesene annehmet.

Haben Bande des

Sachwalter gegeben, so

BlutS oder persönliche Anhänglichkeit ihm

wende Jeder alle Beredsamkeit und Sorgfalt an, dem Gefährdeten

beizustehen. Zu derselben Anstrengung, zu derselben Beharrlichkeit er­ mahne ich die Ankläger. Dieses Einzige wollen wir dem GermanicuS über die Gesetze hinaus eingeräumt haben, daß lieber in der Curie, als auf dem Forum, beim Senat, als vor Gericht, sein Tod unter­

sucht werde. Alles Uebrige werde in den gewohnten Schranken be­ handelt, wie wenn Germanicus ein Privatmann wäre. Niemand berücksichtige des Drusus Thränen, Niemand meine Trauer, noch was etwa Nachtheiliges gegen uns erdichtet wird." Die Vertheidigung des Piso war schwach, denn weder das Buhlen um Soldatengunst, noch das Preisgeben der Provinz an die schlech­

testen Leute, nicht einmal die Kränkungen gegen den Imperator konnte er ableugnen; nur die Schuld der Vergiftung schien er abgewälzt zu haben, zumal die Ankläger selbst sie nicht genügend bewiesen, indem

sie ihm vorwarfen, bei einem Gastmahl des Germanicus, wo Piso

über ihm saß, habe er mit den Händen dessen Speisen vergiftet. Man fand es nämlich ungereimt, daß er solches vor ftemden Sklaven und unter den Augen so vieler Umstehenden, sogar in Gegenwart des Germanicus gewagt haben sollte. Auch erbot der Beklagte seine

Haussklaven und forderte die Aufwärter zur Folterung. Allein die Richter waren aus verschiedenen Ursachen unversöhnlich, der Fürst wegen feindlichen Anfalls der Provinz, der Senat, weil er nie recht glaubte, Germanicus sei ohne Tücke umgekommen. Zugleich wurden Stimmen des Volks vor der Curie gehört, sie würden Gewalt brauchen, wenn er dem Urtheil der Väter entrönne.

Schon hatten sie Piso'S

Bildnisse in die Gemonirn geschleppt und wollten sie zertrümmern, hätte nicht ein Befehl des Fürsten sie geschützt und wieder aufgestellt. Nun ward er in eine Sänfte gesetzt und von dem Tribun einer prä­ torischen Cohorte abgeföhrt, unter mannigfaltigem Gerede, ob dieser als Schutzwächter oder als Vollzieher deö Todesurtheils mitgehe.

282

Rom.

Eben so verhaßt war Plancina, aber mehr begünstigt, daher die Meinung schwankte, wie viel sich der Fürst in Rücksicht ihrer erlauben

würde.

Sie selbst verhieß, so lange Piso noch

ziemliche Hoffnung

hatte, sie werde jedes Schicksal mit ihm theilen, und wenn der Fall

einträte, ihm in den Tod folgen.

Als sie auf geheime Fürbitte der

Augusta Verzeihung erhielt, trennte sie sich allmählig von dem Gatten und schied ihre Vertheidigung von der seinigen. Der Beklagte, hierin

seinen Untergang erblickend, schwankt, ob er noch weitere Versuche machen sollte; doch auf Zureden seiner Söhne stählt er den Muth und geht wieder in den Senat.

Hier hatte er erneuerte Anklage,

feindselige Worte der Väter, lauten Widerstand und Härte zu erdulden,

allermeist aber crschrack er darüber, daß er den Tiberius ohne Mitleid,

ohne Entrüstung, starr und verschlossen sah, um ja in keinerlei Ge­ müthsregung auszubrechen. Rach Hause zurückgebracht, schreibt er Etwas, als überdächte er seine Vertheidigung auf den folgenden Tag, versiegelt es und übergiebt eö einem Freigelassenen. Hierauf verrichtet

er das Gewöhnliche zur Pflege des Körpers, dann nach Mitternacht, als die Gattin aus dem Schlasgemache getreten war, ließ er die Thüre zuschließen, und bei Tagesanbruch ward er mit durchbohrter Kehle, das Schwert auf dem Boden liegend, gefunden. Es wird berichtet, daß man ost in Piso's Händen eine Schrift ge­ sehen habe, die er selbst nie bekannt gemacht, aber seine Freunde hätten wiederholt geäußert, sie habe schriftliche Aufträge von Tiberius wider Germanicus enthalten; Jener sei entschlossen gewesen, sie den Vätern vorzulegen und den Fürsten zu überweisen, hätte nicht Sejanus ihn mit leeren Versprechungen getäuscht, auch sei er nicht durch eigene

Hand umgekommen, sondern durch einen gedungenen Mörder. Keines von Beiden kann man behaupten. Der Cäsar, sein Gesicht in Trauer­ falten legend, klagte beim Senat: „Ihn habe man durch solchen Tod verhaßt machen wollen."

Mit häufigen Fragen forscht er, wie Piso

den letzten Lebenstag und die Nacht zugebracht habe.

Als der Frei­

gelassen des Piso in Mehrerem verständig, in Einigem unbesonnen geant­

wortet, liest er Piso's Schrift ungefähr folgenden Inhalts vor: „Der Verschwörung meiner Feinde und der Gehässigkeit falscher Beschuldi­

gung unterliegend, weil die Wahrheit und meine Unschuld nirgends Eingang findet, bezeuge ich bei den unsterblichen Göttern, daß ich in Treue gegen Dich, Cäsar, und in gleicher Ergebenheit gegen Deine

Mutter gelebt habe.

Euch bitte ich nun, nehmt Euch meiner Kinder

283

Tod des Germaniens.

an.

Von diesen ist Cneus Piso mit meinem Schicksal, wie es auch

falle, nicht verflochten, da er diese ganze Zeit über in der Stadt sich aufhielt; Marcus Piso hat mich von der Rückkehr nach Syrien ab­

gemahnt;

und

o daß ich vielmehr dem jungen Sohn,

als er dem

Um so dringender bitte ich, daß nicht der

alten Vater gefolgt hätte.

Unschuldige für meine Verkehrtheit büße.

Durch sünfundvierzigjährigen

Dienst, durch Antheil am Consulate einst der Gunst des vergötterten Augustus, Deines Vaters und Deiner Freundschaft gewürdigt, trage ich Dir,

als

letzte Bitte in meinem Leben,

um Rettung

die Bitte

meines unglücklichen Sohnes vor." Ueber Plancina fügte er nichts hinzu.

Hierauf sprach Tiberius den

jungen Mann von der Schuld des Bürgerkrieges frei;

des Vaters

Befehle habe ja der Sohn nicht ablehnen können; zugleich bedauerte er das edle Haus und den schweren, wenn auch verdienten, Sturz des

Mannes.

Für

Plancina

sprach

er zu

eigener

und

Schmach

Schande, der Mutter Bitten vorschützend, gegen welche die trefflichsten

Männer nur desto mehr in heimliche Klagen auSbrachen: „Das also

dürfe die Großmutter

sich

herauönehmen,

des Enkels Mörderin

sehen, zu sprechen, dem Senate zu entreißen?

zu

Was allen Bürgern

die Gesetze gewähren, sei einzig dem Gcrmanicus nicht zu Theil ge­ worden.

Durch den Mund des Vitellins sei der Fürst betrauert; vom

Kaiser und von Augusta sei Plancina in Schutz genommen worden.

Möge sie demgemäß das so

glücklich erprobte Gift und ihre Ränke

gegen Agrippina und deren Kinder wenden und die treffliche Groß­

mutter sammt dem Oheime mit dem Blute des unseligen Hauses ersättigen."

Dieser Sache wegen wurden zwei Tage mit dem Schatten­

bild einer Untersuchung hingebracht, wobei Tiberius in Piso's Kinder

drang, sich ihrer Mutter anzunehmen; und da die Ankläger und Zeugen im Reden wetteiferten," ohne daß Jemand entgegnete, so gewann das

Mitleiden über den Haß die Oberhand. Als unter verschiedenen Anträgen Messalinus vorgeschlagen,

man

solle an Tiberius, Augusta, Antonia, Agrippina und Drusus für des Germanicus Ehrenrettung Dank abstatten, hatte er unterlassen,

Claudius zu erwähnen.

des

Wirklich fragte Lucius Asprenas Jenen vor

dem Senat, ob er ihn absichtlich übergangen hätte?

und dann erst

ward Claudius (des späteren Kaisers) Name hinzugesetzt.

Je mehr

ich die neuern oder ältern Vorfälle überdenke, desto mehr kommt mir

vor,

es

walte ob den menschlichen Dingen ein Spiel;

denn durch

284

Rom.

Ruf, Aussicht, Achtung waren alle Andere eher zur Herrschaft be­ stimmt, als Derjenige, den daS Schicksal zum künftigen Fürsten im

Verborgenen aufsparte. Wenige Tage darauf machte der Cäsar beim Senate den Antrag, mehreren Freunden des Germanictis

die Priesterwürde zu verleihen.

Dem Angeber Fulcinius verhieß er seine Stimme zu Ehrenstellen, mit der Warnung, seine Beredsamkeit nicht durch Ungestüm' zu überstürzen.

Hiermit endigte die Rache für Germanicus Tod.

(Tacitus.)

17. Stete. Schon als ein zarter, junger Knabe spielte er auf dem Circus oft und mit vielem Beifall das Trojaspiel mit.

In seinem cilften Jahre

ward er vom Claudius adoptirt und bekam den Seneca, der schon damals Senator war, zum Lehrer. Man erzählt, Seneca habe die Nacht darauf geträumt, Cajus Cäsar wäre sein Lehrling geworden;

welchen Traum auch Nero bald erfüllte, und seine grausame Gemüths­ art durch frühe Proben an den Tag legte. Als ihn Britanniens aus Gewohnheit noch nach der Adoption Aenobarbus genannt hatte, ver­ droß ihn dies so sehr, daß er ihn suchte bei seinem Vater für eilt untergeschobenes Kind auszugeben. Gegen seine Muhme Lepida trat er bei deren Anklage in eigener Person als Zeuge auf, um seiner Mutter, die Jene verfolgte, gefällig zu sein.

Am Tage seines Tirociniums beschenkte er die Soldaten und daS Volk, und bei einer Uebung der Garde im Laufen führte er gleichsam dieselbe mit dem Schilde in der Hand an und hielt darauf im Senat an seinen Vater. So hielt er unter dessen Consulate auch eine Rede in seiner Muttersprache für die Bononier

eine Danksagungsrede

und eine griechische für die Rhodier und Jlier. ' Da Nero als Präfect der Stadt in den lateinischen Ferien auch seine Gerichtsbarkeit ausüben wollte, so legten ihm die berühmtesten Advocatcn, nicht, wie sonst üblich, gewöhnliche und kurze, sondern, dem Verbot des Claudius ganz zuwider, sehr weitläufige Rechtshändel und zwar in Menge mit einer Art von Zudringlichkeit zur Entschei­ dung vor.

Bald nachher vermählte er sich mit Octavien und

gab

als eine Art von Gelübde für das Leben des Claudius Circensische

Spiele und ein Thiergefecht. Nero, der nunmehr im siebenzehnten Jahre war, ging, sobald man

285

Nero.

des Claudius Tod bekannt zu machen für gut befunden, zwischen sechs

und sieben Uhr zur Wache im Pallast, weil die schlimme Witterung nicht eher erlaubt hatte, von der Regierung Besitz zu nehmen.

Kaum

befand er sich an den Stufen des Pallastes, als man ihn zum Kaiser

ausrief; hierauf ließ er sich in einer Sänfte inS Lager und von da im Gefolge des in der Eile versammelten Kriegsvolks auf das Rath­ haus tragen, woher er erst am Abeird wieder in den Pallast zurück­ kam, überhäuft mit Titeln und Ehrenbezeugungen, von welchen allen

er seiner Jugend wegen sich den Titel eines „Vater des Vaterlandes" verbeten hatte.

Den Anfang seiner Regierung bezeichnete er durch die Beobachtung

seiner kindlichen Pflichten, veranstaltete dem Claudius ein sehr präch­ tiges Leichenbcgängniß, und hielt ihm bei seiner Apotheose eine Lobrede.

Dem Andenken seines Vaters Domitius erwieS er die größte Ehre; überließ seiner Mutter die Herrschaft in Staats- und häuslichen An­ gelegenheiten, gab am ersten Tage seiner Regierung dem die Wache

habenden Tribun die Parole: „Die beste Mutter," und ließ sich in

der Folge öfters mit ihr in der Sänfte tragen.

In Antium stiftete

er eine Colonie von Veteranen der Leibgarde und den reichsten Pri-

mipilaren, die ihre Wohnung dahin verlegen mußten, und legte daselbst einen sehr prächtigen Hafen an.

Auch gab er viele und mancherlei Schauspiele, z. B. Juvenalien, Circensische,

Schau- und Fechterspiele.

Bei den Juvenalien ließ er

auch betagte Eonsularcn und Matronen mitspielen.

spielen wies er den Rittern eigene,

Bei den Circus­

vom übrigen Volke abgesonderte

Plätze an, und ließ mit Kameelen bespannte Quadrigen beim Wett­ rennen erscheinen.

Bei den für die ewige Dauer deS Reichs veran­

stalteten, von ihm mit dem Namen der „Größten" belegten Spielen übernahmen Personen beiderlei Geschlechts von den beiden vornehmsten Ständen lustige Rollen.

Ein sehr bekannter römischer Ritter ritt auf

einem Elephanten von der ausgespannten Seile herunter.

obern Gallerie

deS Theaters auf einem

Man spielte auch des AsraniuS römische

Komödie, der Brand betitelt, und gab den spielenden Personen den

Hauörath des brennenden Hauses

preis.

Auch

wurden jeden Tag

allerlei Geschenke unter das Volk ausgeworfen, und zwar jeden Tag

tausend Stück, z. B. eine Menge von allerlei Geflügel, Täfelchen mit

Anweisungen auf Getteide, auf Kleidungsstücke, Gold, Silber, Edel-

286

Rom.

gesteine,

Perlen, Gemälde, Sklaven, Lastthiere und zahm gemachte

wilde Thiere, zuletzt auch auf Schiffe, Häuser und Ländereien. Diesen Spielen sah Nero oben auf der Vorbühne zu.

Fechterspiele,

das

er

auf einem

Bei einem

Jahresftift unweit

innerhalb

dem

Maröfelde erbauten hölzernen Amphitheater gab, durfte Niemand, nicht

einmal

ein Vcrurtheilter,

getodtct

Er ließ aber bei diesem

werden.

sechshundert römische Ritter

und

Fechterspiele vierhundert Senatoren

mit austreten, und von beiden Ständen außerdein noch Viele, deren

Einige weder durch Armuth, noch verdiente Schande so tief gesunken waren,

mit wilden Thieren kämpfen und

Kampfplatz besorgen.

andere Geschäfte aus dem

Auch hielt er ein Seegefecht, wo man auf dem

aus der See geführten Canal Meer-Ungeheuer schwimmen sah.

Des­

gleichen stellte er verschiedene Waffentänze mit jungen Leuten an, denen

er nachher das römische Bürgerrecht schriftlich schenkte.

Die Herrschaft des römischen Volks

hatte er

weiter auszubreiten,

eben so wenig Neigung, als Hoffnung, und war deswegen sogar der Meinung, die Armee aus Brittannien zu ziehen,

und nur die Be-

sorgniß, seines Vaters Ruhm dadurch zu kränken, hielt ihn davon ab.

Er begnügte sich, das ihm von Polemon abgetretene Königreich Pontus, und, das alpische Gebiet des Cottius, nach dem Tode desselben, zu

römischen Provinzen zu machen. Seine Neigung zur Ausschweifung,

hunger

und

Grausamkeit

er

äußerte

Schwelgerei,

Wollust,

Geld­

nur unvermerkt und

anfangs

heimlich, als jugendlichen Leichtsinn; doch hielt schon damals Jeder­ mann alles dies mehr für einen Fehler seines Charakters, als seines

Alters.

die

Gleich nach der Abenddämmerung lief er schon verkleidet in

Garküchen

und

verübte

allerlei

wobei Manche zu Schaden kamen,

Muthwillen

auf

den

Straßen,

indem er Personen, welche vom

Abeitdessen nach Hause gingen, prügelte, die, so sich zur Wehr setzten, verwundete oder gar tödtete und in die Kloaken werfen ließ.

Auch

pflegte er die Krämerbuden aufzubrechen, auszurauben, und dann in seinem Pallaste, Beute

wo er eine Quintane angelegt hatte,

an die Meistbietenden zu

verkaufen,

Geld mit seinen Cameraden zu verschmausen.

und

das

die gemachte

dafür

gelöste

Bei dergleichen Raufe­

reien kam er öfters übel ab und in Gefahr, ein Auge oder gar das

Leben zu verlieren; wie er denn von einem Senator, dessen Gemahlin er hatte nothzüchtigen wollen, fast bis auf den Tod war geschlagen

287

Nero.

worden.

Weshalb er dann auch später niemals um diese Zeit anders,

als in Begleitung der Garde-Tribunen sich auf die Straße wagte,

die ihm von ferne und in der Stille nachfolgten. Bei Tage ließ er sich heimlich in einem Tragsessel aufs Theater bringen, wo er oben von der Vorbühne den Zänkereien des Volks über die Pantomimen als Zeuge und Anstifter zusah.

Kam es bei dieser Gelegenheit zum

Handgemenge, und griff man zu Steinen und zerbrochenen Bänken,

so warf er selbst mit unter das Volk; wodurch er einmal den Prätor selbst am Kopf verwundete. Unvermerkt nahmen seine Ausschweifungen überhand, und nicht zu­

frieden, seine tückischen Streiche im Verborgenen auszuüben, beging er,

mit Beiseitsctzung aller Verstellung, ungescheut die größten Bosheiten. Seine Schmausereien dauerten von Mittag bis zur Mitternacht, wäh­

rend welcher Zeit er sich öfters in warmen Teichen, die er im Sommer mit Schnee abkühlen ließ, erfrischte. Zuweilen speisete er auch öffent­ lich, entweder in der mit Schranken umgebenen Naumachie oder auf dem Marsfelde oder im großen Circus, wobei ihn die Freudenmädchen von ganz Rom und die syrischen Tänzerinnen bedienen mußten.

So

oft er auf der Tiber nach Ostia fuhr oder am bajanischeu Meerbusen vorbeischiffte, wurden an dem Ufer und Gestade eine Menge von Schenken errichtet, worin die größte Unzucht gctriebenw urde. Zuweilen bat er sich bei seinen Freunden selbst zu Gaste, deren

Einer aus die aus Nardenblättern und Seidcnzeuge verfertigten Kränze vier Millionen Scsterzien, ein Anderer auf dergleichen aus Rosen­

blättern verfertigte noch mehr verwendete. Außer der Octavia nahm er in der Folge noch zwei Gemahlinnen, nämlich die Poppäa Sabina, die Tochter eines gewesenen Quästors, die vorher schon mit einem römischen Ritter war vermählt gewesen; und darnach die Statilia Messalina, die Urenkelin des Taurus, der zweimal die Ehre des Consulatö und des Triumphs genossen hatte.

Um Letztere zu erhalten, ließ er ihren Mann, den Consul Atticus

Der Octavia ward er bald überdrüssig und sagte zu seinen Vertrauten, die ihn deshalb Vestinuö, während seines Consulats ermorden.

tadelten: „Sie könne mit dem Schmuck einer Kaiserin zufrieden sein." Oesters fiel ihm ein, sie erdrosseln zu lassen; zuletzt schied er sich unter

dem Vorwande der Unfruchtbarkeit von ihr.

Da das Volk darüber

murrte und ohne Unterlaß auf ihn schimpfte, verwies er sie anfangs

aus Rom, ließ sie endlich gar hinrichten, und zwar wegen der ihr

288

Rom.

schuldgegebenen Untreue, welche Beschuldigung so unverschämt und un­ gegründet war, daß, da alle durch die Folter erpreßten Aussagen ihre

Unschuld bewiesen, endlich sein gewesener Hofmeister Anicet sich durch

große Versprechungen zur Aussage bewegen ließ, daß er sich Octavien's Genuß auf eine listige Art zu verschaffen gewußt hätte.

Zwölf

Tage nach Octavien's Verstoßung vermählte er sich mit der Poppäa, die ihn außerordentlich doch selbst ihr Mörder,

zu

Dem ungeachtet ward er

wußte.

fesseln

indem

er ihr,

da sie krank und schwanger

war, und weil er vom Wagenrennen sehr spät nach Hause kam, dar­

über ihr Mißvergnügen äußerte, einen Stoß mit dem Fuße gegeben.

Durch sie ward er Vater von einer Tochter, Claudia Augusta,

die

aber sehr jung starb. Kein Grad von Verwandtschaft konnte gegen seine Mordlust, sichern.

Des Claudius Tochter, Antonia, die ihm nach Poppäen's Tode ihre Hand verweigerte, ließ er als eine für die Ruhe des Staats gefähr­

liche Person hinrichten, und so alle Uebn'gen, die entweder mit ihm oder Blutsverwandte waren;

verschwägert

unter diesen

den jungen

Aulus Plautius, den er vor seinem Tode mit Gewalt aus eine un­

züchtige Art besudelte, dann sagte: „Jetzt mag meine Mutter kommen und

und dabei vorgab,

meinen Nachfolger küssen,"

es

wäre seiner

Mutter Liebhaber gewesen, die ihn habe auf den Thron erheben wollen.

Seinen Stiefsohn von der Poppäa, RufuS Crispinuö,

ließ er noch

als einen Knaben und zwar deswegen, weil, wie man sagte, er nur

Kaiser und Könige

zu

spielen

pflegte,

während daß er am Meere

fischte, von seinen eigenen Sklaven ersäufen.

Den Sohn seiner Amme,

Tuscus, verwies er, weil derselbe, als Statthalter von Aegypten, sich

in den

daselbst für den erwarteten Kaiser erbauten Bädern gebadet

hatte.

Seinen Lehrer,

nehmen,

ungeachtet

den Seneca,

zwang er,

er denselben öfters,

sich

das Leben

zu

wenn er sich von Hof mit

Abtretung seines ganzen Vermögens beurlauben wollte, aufs Heiligste zugeschworen: „Seine Furcht wäre ungegründet, und er wollte selbst lieber sterben, Leibwache,

als

ihm

etwas

dem Burrhus, dem

versprochen, schickte er Gift.

ihm

anfangs

zur Adoption

zu Leide

er

thun."

Dem General der

ein Mittel gegen

das Halsweh

Die reichen und alten Freigelassenen, die

und

nachher

zur Regierung

verholfen

hatten, auch seine Rathgeber gewesen waren, räumte er ebenfalls ins­

gesammt mit Gift aus dem Wege, das er ihnen im Essen und Trinken hatte beibringen lassen.

289

Nero.

Des Volks und der Stadt Rom schonte

Jemand sägte

im Gespräche:

er aber eben so wenig.

„Nach meinem Tode

mag .Feuer, die

„Ja,"

erwiederte er, „schon bei meinem Leben."

Und so handelte er auch.

Denn er ließ unter dem Vorwande, daß

Erde verwüsten."

ihm die Unregelmäßigkeit der alten Gebäude und die alten, und krumder Stadt mißfielen,

men Straßen

Rom

ganz

öffentlich- in Brand

stecken, so daß viele Consnlaren seine Bedienten mit Werg und Fackeln

in ihren Hänsern antrasen, aber nicht Hand an sie zu legen wagten,

und verschiedene an seinen goldenen Pallast anstoßende Fruchtmagazine, deren Plätze er

Quadersteinen

gar zu

gerne

haben wollte,

und in Brand stecken.

ließ er,

weil sie von

durch Kriegsmaschinen niederreißen

aufgcführt waren,

Diese Feuersbrunst dauerte sechs Tage und

sieben Nächte-, während welcher Zeit das Volk zu den Monumenten

und

Grabstätten

feine Zuflucht

nehmen

Außer unzähligen

mußte.

Gebäuden gingen die mit der feindlichen Beute noch prangenden Palläste der alten Kriegshelden, die von den Königen und in der Folge in den panischen und gallischen Kriegen gelobten und erbauten Tempel,

und überhaupt Alles- was aus dem Alterthume denk- und sehens­ würdig war, in Rauch auf. Er selbst sah vom Thurme des Mäcens dem Brande zu, freute sich, wie er sagte, über die Schönheit der

Flammen und besang indessen, in seiner theatralischen Kleidung, die Eroberung (den Brand) von Troja.

Und um auch bei dieser Gelegen­

heit seine Raubbegierde zu befriedigen, versprach er zwar den Schutt und die Leichname auf seine Kosten wegzuschaffen, erlaubte aber Nie­ mand,

sich

seiner Brandstätte, zu

nähern und

erschöpfte außerdem

durch die ihm nicht allein angebotenen, sondern von ihm auch ausge­ schriebenen Beisteuern sowohl Privatpersonen, als ganze Provinzen.

Unter diesem Ungeheuer von einem Kaiser mußte der Erdkreis bei­ nahe vierzehn Jahre lang seufzen, da er endlich davon befreit ward.

Den Anfang machten die. Gallier unter Anführung des Julius Binder, der damals als Proprätor in dieser Provinz war. Schon längst war dem Nero von den Astrologen vorhergcsagt worden,

werde

vom Thron gestoßen werden,

welches

denn

daß er einstens

jenen

bekannten

Ausspruch desselben veranlaßte: „Die Kunst findet überall ihren Unter­ halt," und . ihn um so mehr zu rechtfertigen schien, wenn er auf der

Harfe ein Virtuos zu werden suchte, weil dieses ihm als Regenten

so -angenehme Talent ihm, seiner Meinung nach, im Privatstande sehr nöthig sein könnte. Histor. Lesebuch.

I.

Unterdessen hatten ihm doch einige dieser Wahr-

19

290

Rom

sager nach

seiner etwanigen Entfernung die Herrschaft deS Orients

zugesichert, verschiedene, namentlich die Herrschaft

meisten aber seine völlige Wiederherstellung.

zu Jerusalem,

die

Voll von dieser Hoffnung

glaubte er, nach der Wiedereroberung Armenien's und Brittannien's,

nunmehr sein widriges Schicksal überstanden zu haben.

Da ihn aber

der delphische Apoll, auf sein Befragen, vor dem dreiundsiebenzigsten

Jahre gewarnt hatte, so glaubte er, ohne an den Galba zu denken,

daß dies sein Todesjahr sein würde, und versprach sich so zuversicht­

lich ein hohes Alter und eine ununterbrochene Glückseligkeit, daß, als er durch einen Schiffbruch viele Kostbarkeiten verloren hatte, er ohne

alles Bedenken zu seinen Freunden sagte: „Diese werden mir selbst die Fische wiederbringen."

Die Nachricht von der Empörung in Gallien

bekam er zu Neapolis am nämlichen Tage, da er seine Mutter er­

morden lassen: war aber dabei so ruhig und gelassen, daß man fast hätte denken sollen, als freuete er sich darüber, als über eine Gelegen­

heit, diese

so

reichen Provinzen

Krieg ansplündcrn zn können.

unter dem Schein des Rechts

im

Unmittelbar darauf ging er ins Gymna­

sium und sah mit der größten Theilnehmnng den Hebungen der Kämpfer zu.

Als er aber bei der Tafel des Abends neue Berichte von größer»

Unruhen erhielt, brach sein Zorn endlich in Drohungen gegen die Em­

pörer aus.

Ganzer acht Tage konnte er sich nicht überwinden, an

Jemand in dieser Sache schriftliche oder mündliche Befehle und Auf­ träge zu ertheilen, sondern beobachtete darüber ein tiefes Stillschweigen.

Endlich bewogen ihn die häufigen und beschimpfenden Ediete des

Binder den Senat schriftlich

aufzufordern,

ihn und

den Staat zu

rächen, und er entschuldigte seine Abwesenheit mit einer ihm zugestoße­

nen Heiserkeit.

Nichts schmerzte ihn aber mehr, als daß ihn Binder

in diesen Edicten einen Stümper aus der Harfe und statt Nero, Aeno-

barbus

genannt hatte.

Doch erklärte er sich,

Geschlechtsnamen, den man ihm,

daß er diesen seinen

um ihn zu beschimpfen, beigelegt,

wieder annehmen, und den durch die Adoption erhaltenen nicht weiter führen würde.

Die übrigen ihm gemachten Vorwürfe wußte er aber

durch weiter nichts von sich abzulehnen, als daß er solche der Un­ wissenheit des Binder in einer von ihm zu einer so hohen Stufe der

Vollkommenheit

gebrachten Kunst zuschrieb

und

bald

Diesen,

bald

Jenen fragte: „Ob sie wohl einen größern Virtuosen, als ihn, keuu-

ten?"

Als aber eine böse Post auf die andere folgte, so kehrte er

endlich

voll banger Furcht nach Rom zurück.

Auf dieser Rückreise

291

Nero. machte ihm ein sehr unbedeutendes Vorzeichen wiederum Muth.

Er

bemerkte nämlich einen auf einem Grabmal abgebildeten erlegten Gal­ lier, den sein Sieger, ein römischer Ritter, an den Haaren schleifte,

bei welchem Anblick er vor Freude hüpfte und dem Himmel mit auf­

gehobenen Händen dankte.

Aber auch nach seiner Ankunft in Rom

erschien er weder im Senat,

noch vor dem Volk,

Einige der Vornehmsten in seinen Pallast kommen. mit denselben gehaltenen Berathschlagung

brachte

sondern ließ nur

Nach einer kurzen er die übrige Zeit

des Tages mit einer neuen, ganz unbekannten Art von Wasserorgel

zu, die er ihnen Stück vor Stück zeigte und sie von ihrer Beschaffen­ heit und künstlichen Einrichtung unterhielt, mit der Versicherung, daß

er auch nächstens, wofern ihn Binder nicht darin hindere, aus dem Theater einen Versuch damit anstellen werde.

Nachdem er aber darauf auch von des Galba Empörung in Spa­

nien benachrichtigt wurde, fiel er vor Schrecken zu Boden und blieb muthloS ohne Sprache unv halbtodt lange liegen. wieder zu

sich

gekommen,

zerriß er sein Kleid,

Stirn und rief laut: „Ich bin verloren." zu

trösten,

ihm vorstcllte,

daß

Nachdem er endlich

schlug

sich vor die

Seine Amme, die, um ihn

andern Regenten

ähnliche Schicksale

widerfahren wären, antwortete er: „Mein Unglück ist ohne Beispiel,

denn ich verliere meinen Thron eher, als mein Leben."

Dem Allen

ungeachtet blieb er unverändert bei seiner gewöhnlichen schwelgerischen Unthätigkeit,

stellte

sogar, da

einige

günstige

Nachrichten

aus

den

Provinzen einliefen, ein prächtiges Gastmahl an, sang bei der Tafel allerhand scherzhafte und muthwillige Verse auf die Urheber der Em­ pörungen und machte dabei allerhand Grimassen.

Auch ließ er einen

Schauspieler, der auf dem Theater, wohin er sich heimlich hatte bringen lassen, stärker» Beifall erhalten, sagen:

„Daß er sich seine jetzigen

vielen Beschäftigungen wohl zu Nutze zu machen wisse." Gleich beim Ausbruche der Empörung soll er verschiedene sehr grau­ same, seinem Naturell angemessene Entwürfe gemacht haben.

Er war

nämlich gesonnen, die Befehlshaber der Armee'n und Statthalter der

Provinzen, weil sie,

wie er glaubte, nach einer allgemeinen Verab­

redung sich empört hätten, alle insgesammt ablösen und durch Meuchel­

mörder aus dem Wege räumen, und alle Verwiesene an allen Orten,

sammt allen in Rom befindlichen Galliern ermorden zu lassen; Jene, damit sie sich nicht zu den Empörern

schlagen möchten, Diese aber,

weil sie an ihrer Landsleute Empörung Theil nehmen und solche be19*

292

Nom.

günstigen würden: ferner die Provinzen Galliens den Soldaten zur Plünderung Preis zu geben, den gesammten Senat bei der Tafel mit Gift hiüzurichten, die Stadt anzustecken, und wilde Thiere auf das Volk loszulassen, um dasselbe dadurch am Löschen zu hindern.

Doch

entsagte er allen diesen Entwürfen, nicht etwa, weil er sie verabscheute, sondern weil ihre Ausführung ihm unmöglich schien, entschloß sich zu einem Feldzug, den er für nothwendig hielt, und ließ den Consuln

ihre Stelle vor der Zeit niederlegen, welche er allein übernahm, gleich als sollten die Gallier, nach dem Schlüsse des Schicksals, nur von

einem Consul besiegt werden.

er nach übernommenem Consulat

Da

in Begleitung seiner Vertrauten,

auf deren Schultern er sich lehnte,

aus dem Speisesaal von Tafel ging, erklärte er ihnen: „Daß er bei dem ersten Eintritte in die Provinz sich ganz unbewaffnet der Armee

darstellen und nur durch Seufzer und Thränen sie zu rühren suchen

werde: und wenn er dann die Empörer dadurch zur Reue würde gebracht haben, so wolle er den folgenden Tag bei einem fröhlichen Schmause Siegeslieder vorsingen, welche er jetzt verfertigen müßte."

Bei der Zurüstung zu diesem Feldzüge war seine erste Sorge, Fuhr­

werke für seine musikalische Instrumente anzuschaffen, und seine Bei­ schläferinnen, die er mit sich nehmen wollte, nach Männerart scheeren

und mit Streitäxten und amazonischen Schilden versehen

zu

lassen.

Darauf forderte er die Tribus in der Stadt auf, zur Fahne zu schwö­

ren, und weil keine dienstfähigen Leute sich stellten, so forderte er von

den Herren eine bestimmte Anzahl von Sklaven und nahm aus jedenr Hause die besten, selbst die Haushälter und Schreiber nicht ausge­ nommen.

Er befahl sogar allen Ständen einen Beitrag von ihrem

Vermögen

zu liefern und nöthigte

noch überdies die Bewohner von

Privathäusern ihre jährliche Miethe an die Schatzkammer voraus zu

bezahlen.

Zugleich verlangte er noch

mit der größten Strenge und

äußersten Genauigkeit lauter neugeprägte Kupfer-, die feinsten Silber­

und probehaltigen Goldmünzen.

Weswegen ihm dann die Meisten

jede Art von Beitrag öffentlich verweigerten, und ihn einstimmig an seine Angeber verwiesen, denen er alle ihnen zu Theil gewordene Be­

lohnungen mit weit größerem Rechte wieder abfordern könnte. Noch mehr stieg der Haß gegen ihn durch die Getreidetheuerung, mit der das Volk zu kämpfen hatte, besonders da man vernahm, daß

ein alexandrinisches Schiff bei dieser

allgemeinen Hungersnoth, statt

Getreide, vielmehr Sand für die Ringer von Hof geladen habe.

Dieö

293

Nero.

und man beschimpfte

erregte eine allgemeine Erbitterung gegen ihn, ihn auf alle mögliche Weise.

Oben an seiner Statüe befestigte man

einen kleinen Rennwagen mit der griechischen Aufschrift: „Jetzt ist es

An eine andere

Zeit zu kämpfen, jetzt mag er ihn einmal lenken."

von seinen Statüen band man einen ledernen Schlauch mit den Wor­

ten: „Ich habe ja nichts dafür gekonnt! Du aber hast das Säcken verdient."

Auch schrieb man an seine Bildsäulen: „Auch ihn haben

die Gallier (Hähne) durch ihren Gesang aufgeweckt."

Des Nachts

stellten sich Viele, als hätten sie Händel mit den Sklaven und riefen einmal über das andere nach dem Binder.

Sehr deutliche üble Vorbedeutungen alter und neuer Träume und Vorzeichen verdoppelten seine ängstliche Unruhe.

Erst nach seiner Mutter

Ermordung, denn vorher hatten ihn keine Träume beunruhigt, träumte ihm bald, daß ihm das Steuerruder des Schiffs, welches er regiere, mit Gewalt entrissm worden; bald, daß ihn seine Gemahlin Octavia

mit

sich

in

die dickste Finsterniß

fortschleppe;

bald bedeckte ihn im

Traume eine Menge geflügelter Ameisen, bald schienen ihn die beim Eingang des Theaters

des Pompejus

aufgestellten Standbilder der

Völker zu umringen und ihm den Eingang zu verwehren.

Sein astu­

rischer Zelter, dies sein Lieblingspfcrd, sah er im Traume, den Kopf

ausgenommen,

mit

Affen verwandelt.

selbst öffneten,

kam

welchem es Aus

dem

laut wieherte,

sonst ganz in einen

Mausoleum, dessen

eine Stimme hervor,

Thüren

sich

von

die ihn mit Namen rief.

Am ersten Januar, da man eben mit der Veranstaltung zum Opfer

beschäftigt war, sielen die geschmückten Laren zur Erde, und da er an diesem Tage die Auspicien befragte, machte ihm Sporus ein Geschenk mit einer Gemme, in welcher der Raub der Proserpina eingegraben war, so wie man denn auch an diesem Tage, da die öffentlichen Ge­ lübde (für den Staat und den Kaiser) abgelegt werden sollten, bei­ nahe die Schlüssel zum Capitol nicht gefunden hätte.

Als im Senat

aus seiner Rede wider den Binder die Worte vorgelesen wurden: „Die Aufrührer sollten bald gestraft werden und in Kurzem ihr verdientes

Ende nehmen," rief der ganze Senat einstimmig:

thun, Nero."

Man hat auch bemerkt,

„Dies

sollst Du

daß sein letztes Trauerspiel,

in dem er aufgetreten, Oedipus, der Verbannte, und der letzte Vers,

den er gesungen, dieser gewesen: „Meinen Tod fordern Gemahlin, Mutter und Vater."

294

Nom.

Mittlerweile bekam er, und zwar über Tafel,

auch

die übrigen Armee'n ihm den Gehorsam

die Nachricht,

daß

aufgekündigt hätten.

Dies brachte ihn dergestalt aus aller Fassung, daß er das Schreiben

zwei seiner liebsten Pocale, die,

in Stücken riß, die Tafel umwarf,

weil einige Homerischen Verse darauf gegraben waren, er die Homeri­

schen

zu

nennen

pflegte,

auf den Boden schmiß

und sich von der

Locusta Gift geben ließ, das er in ein goldenes Büchschen that, und sich darauf in die Servilianischen Gärten begab.

Von hier schickte er

seine ihm ergebensten Freigelassenen nach Ostia voraus, um dort die Flotte in Bereitschaft zu halten und suchte sodann die Tribunen und Centurionen der Leibwache zu bereden, mit ihm die Flucht zu nehmen. Da sie aber theils Ausflüchte suchten, theils

schlugen,

ihm solches nmd ab­

und Einer von ihnen gar in die Worte auöbrach:

„Ist

denn Sterben so was Entsetzliches?" so befand er sich in der größten

Unentschlossenheit.

Bald wollte er sich zu den Parthern flüchten, bald

sich dem Galba zu Füßen werfen, bald schwarz gekleidet öffentlich vor

dem Volke erscheinen und auf dem öffentlichen Rednerplatz wegen dcö

Vergangenen auf das Wehmüthigste um Verzeihung, und, wenn man ihm den Thron nicht würde lassen wollen, wenigstens um die Statt­

halterschaft Aegypten's

bitten.

Und

wirklich

fand

man hernach in

seinem Schreibpulte eine in dieser Absicht abgefaßte Rede. Unentschlossenheit

ging er zu Bette,

In dieser

erwachte aber um Mitternacht,

sprang auf die Nachricht, daß ihn seine Garde verlassen habe, aus

dem Bette und schickte nach seinen Günstlingen: da ihm aber Niemand eine Antwort brachte, so ging er selbst mit einem kleinen Gefolge zu

den Zimmern derselben im Pallast. schlossen, Niemand antwortete ihm.

Allein alle Thüren fand er ver­

Er ging also in fein Schlafgemach

zurück, sand dasselbe aber von der Wache verlassen, die nicht nur sein

Bette, sondern auch die Giftdose mit sich forlgenommen hatte.

Da

suchte er sogleich den Fechter Spicillus oder den Ersten, den Besten auf, der ihn tobten möchte.

Da er aber Niemand fand, sagte er:

„O so habe ich denn weder einen Freund, noch einen Feind!" und lief endlich fort, als wenn er sich in die Tiber stürzen wollte.

dem er sich aber eines andern besonnen, so einsamen Aufenthalte ein

wenig

zu

erholen.

Nach­

suchte er sich in einem In dieser Absicht bot

ihm sein Freigelassener, Phaon, sein ungefähr vier Meilensteine weit von der Stadt zwischen der Salarischen und Nomentanischcn Straße

gelegenes Landhaus an.

Er schwang sich also gleich, so wie er war,

mit bloßen Füßen, nur in der Tunica, über die er eine» alten abge­ schossenen Mantel warf, auf ein Pferd, verhüllte sein Gesicht, band vor den Mund sein Schweißtuch und eilte in Begleitung von nur vier Personen, unter denen sich auch Sporns befand, fort. Es währte aber nicht lange, so gerieth er durch ein Erdbeben und einen ihm ins Gesicht strahlenden Blitz in ein großes Schrecken, welches das Ge­ schrei der Soldaten aus dem ganz nahen Lager noch vermehrte, die, wie er horte, ihm alles Unglück, alles Glück aber dem Galba wünsch­ ten. Auch hörte er einen ihm begegnenden Reisenden sagen: „Diese suchen gewiß den Nero aus;" so wie ein Anderer sie fragte: „Nun was hört man Neues zu Rom vom Nero?" Da ihm aber wegen des Gestanks eines auf die Straße geworfenen Aases sein Pferd scheuete, und ihm dadurch das Tuch vom Gesichte gefallen war, er­ kannte und grüßte ihn ein entlassener Veteran von der Leibwache. Jetzt mußte man von der Straße ablenken, da man denn die Pferde zurückschickte, er selbst aber mußte zwischen den Gebüschen und Dornhecken mit vieler Miihe auf einem mit Schilf bewachsenen Fußpfade, wo man ihm öfters Kleider unterlegte, an die Hintere Mauer der Ville gelangen. Hier bat ihn Phaon sich einstweilen in eine Sand­ grube zu begeben. Er sagte aber: „Er wolle nicht bei lebendigen Leibe in der Erde begraben sein," wartete also hier ein wenig, bis ihm ein heimlicher Eingang in die Ville gemacht wordeir und trank aus der nächsten Pfütze mit hohler Hand mit den Worten: „Daö ist Nero's köstlicher abgesottener Trank!" Darnach zog er die von den Dornhecken in seinem Mantel steckenden Dornen heraus und kroch auf allen Vieren durch die gemachte enge Oeffnung in die nächste Kammer, wo er sich auf ein mit einem sehr mittelmäßigen Polster versehenes und mit einem alten Mantel bedecktes Bett niederlegte. Da ihn nun Hunger und Durst zu plagen anfing, schlug er zwar daö schlechte ihm angebotene Brod aus, trank aber ein wenig laues Wasser. Nunmehr, da man von allen Seiten in ihn drang, sich der ihm drohenden Schmach sobald, als möglich, durch freiwillige Entleibung zu entziehen, befahl er vor seinen Augen eine Grube nach dem genommcnen Maße seines Körpers zu macheil und solche mit Marmor­ plättchen, wenn sich deren fänden, auszulegen, auch Holz und Wasser in Bereitschaft zu halten, um bald bei Beerdigung seines Körpers davon Gebrauch zu machen, wobei er häufig Thränen vergoß und mehreremale sagte: „Welch ein Künstler stirbt mit mir!" In dieser

296

Nom.

Unentschlossenheit erhielt er jetzt durch einen Eilboten vom Phaon ein Schreiben, welches er hastig erbrach und darin benachrichtigt ward, daß der Senat ihn für einen Feind erklärt, ihn nunmehr aussuchen lasse, um ihn nach Art der Vorfahren zu bestrafe». Als er auf die Frage: worin denn diese Strafe bestände? erfuhr, daß man den Vcrurthciltcn nackend, nachdem man ihm den Hals in die Strasgabcl gesteckt, so­ dann bis auf den Tod geißele; so gerieth er dadurch so in Angst, daß er die zwei Dolche, welche er bei sich führte, hervorholte, ihre Spitzen beiderseits probirte, sie aber wieder einsteckte, „weil," wie er vorgab, „seine Todesstunde noch nicht erschienen wäre." Nunmehr bat er bald den Sporns, zu wehklagen und sich aus die Brust zu schlage», bald die Umstehenden, daß doch Einer unter ihnen durch fein Beispiel ihn zum Selbstmord ermuntern möchte, bald verwies er sich selbst feine Feigheit mit den Worten: „Mir zum Schimpf, zur Schande lebe ich; wahrlich, dies schickt sich für einen Nero nicht! Muth ist jetzt nöthig! Wohlan, ermanne Dich." Mittlerweile hörte man die Reiter kommen, welche sich seiner lebendig bemächtigen sollten. So­ bald er sie merkte, sagte er mit zitternder Stimme: „Der schnellen Reiter Trab klirrt mir in die Ohren!" und durchstach sich hierauf mit Beihülfe seines Geheimfchrcibers EpaphrodituS die Kehle. Noch athmete er, als der Centurio inS Zimmer trat, der sich anstellte, als wäre er zu feinem Beistände gekommen und das Blut mit dem fest angedrückten Mantel zu stillen suchte. Nero sagte aber nichts weiter, als: „zu spät: heißt daö Treue?" Mit diesen Worten starb er, und feine Augen erstarrten und traten auf eine so fürchterliche Art ihm aus dem Kopfe, daß ihr Anblick bei Jedem Furcht und Grausen erweckte. Seine Gefährten hatte er um nichts dringender gebeten, als daß man seinen Kops nicht vom Rumpfe trennen oder seinen Feinden überlassen, sondern seinen Leichnam unverstümmclt verbrennen möchte, worin denn auch des Galba Freigelassener, Jeelus, willigte, welcher kurz zuvor aus dem Verhaft, in den er beim ersten Tumult gekommen, war ent­ lassen worden. Der Aufwand bei seinem Leichenbegängnisse, wo man ihn in seiner weißen, mit Gold durchwirkten Kleidung, die er am letzten NeujahrStage getragen hatte, verbrannte, betrug zwolstausend Gulden. Seine Asche sammelten seine beiden Säugammen, Eelogc und Alerandra, nebst seiner Beischläferin Stete, und brachten sie in daö Domieische Familienbegräbniß, das man vom Marsfeldc aus dem Gartenhügel

297

Nero.

sehen kann.

Sein Sarg war von porphyrähnlichem, rothen, der da­

bei stehende Altar von lunischem, und das Geländer von thasischem Marmor.

Er hatte fast die völlige Größe eines Mannes, aber einen fleckigten und häßlichen Körper, reizende Gestchtsbildung,

ein

gelbliches Haar,

Nacken, einen hängenden Bauch, hafte Gesundheit.

eine mehr schöne,

als

blaue und kurzsichtige Augen, einen dicken sehr dünne Beine und eine dauer­

Denn ungeachtet er ein ausschweifender Schwelger

war, bekam er doch innerhalb vierzehn Jahren nur dreimal einen An­

stoß, und zwar ohne daß er dabei sich hätte im Geringsten in Ansehung

des WcinS und seiner übrigen Diät einschränken müssen.

In seiner

Kleidung und dem äußerlichen Aufzug beobachtete er so wenig den ge­

hörigen Wohlstand, daß er sein Haar in Reihen von Locken srisiren,

und die Locken auf seiner achäischcn Reise sogar über den Rücken fliegen ließ und gewöhnlich nur in einem Taselklcide mit einem nm den Hals

gebundenen Taschentuche, ungegürtet und in Pantoffeln öffentlich erschien.

Bon allen Theilen der Gelehrsamkeit hatte er in seiner Jugend einen Vorgeschmack erhalten, nur nicht von der Philosophie, als von welcher,

als einer einein künftigen Regenten nachthciligcn Wissenschaft ihn seine

Mutter abgehalten, so wie dies Seneca in Ansehung deö Studiums

der alten Redner that, um seine Rcdnertalente desto länger bei ihm

in Ansehen zu erhalten.

Er fand daher am meisten Geschmack

an

der Dichtkunst, und die Poesie ward seine Lieblingsbeschäftigung, die ihm so wenig Mühe kostete, daß er gewiß nicht, wie Einige vorgeben,

fremde Gedichte fiir die seinigcn ansgcgebcn hat.

Auf die Maler- und Bildhauerkunst wandte er ebenfalls viel Fleiß, richtete

sich

aber dabei nach dem Geschmack deö Volks

und ahmte

Jedem, der desselben Beifall in irgend einer Art erhalten hatte, eifrig nach.

So hatte sich auch das Gerücht verbreitet,

daß er, mit den

auf der Bühne erhaltenen Sicgcskroncn nicht zufrieden, gesonnen ge­ wesen, beim nächsten Lnstrum auf dem Kampfplatz zu Olympia unter

den Athleten aufzutreten,

llnd wirklich übte er sich unaufhörlich im

Ringen; bei allen gymnischen Spielen in ganz Griechenland nahm er aber, so wie der Kampfrichter, jederzeit in dem Stadium seinen Sitz

auf der Erde und zog mit eigener Hand diejenigen Kämpfer, welche sich zu weit entfernt hatten,

an den gehörigen Ort wieder hervor.

Weil er aber im Singen den Apoll und im Fahren den Phöbus er­ reicht zu haben glaubte, so wollte er auch des Herkules Thaten nach-

298 ahmen.

Rom.

In dieser Absicht soll er sich haben einen Löwen in Bereit­

schaft halten lassen, um ihn vor den Augen des Volks nackend auf dem Kampfplatze deS Amphitheaters entweder mit der Keule zu erlegen

oder zwischen seinen Armen zu ersticken. Gegen das Ende seines Lebens that er das Gelübde, wenn ihn ferner das Glück begünstigen, und

den Sieg in den feierlichen

er

Spielen, die er anstellen wollte, erhalten würde, auf der Wasscrorgel,

auf der Flöte bei den Chören und auf dem Dudelsack sich öffentlich hören zu lassen, am letzten Tage aber als Schauspieler zu erscheinen

und Virgil's Turnus zu tanzen. Unsterblichkeit des Namens war sein größter Wunsch; thöricht aber der Weg, den er wählte.

In dieser Absicht vertauschte er viele Oerter

und anderer Sachen Namen mit dem seinigen, ließ z. B. den April den Neromonat nennen, und Rom selbst sollte Neropolis heißen.

Alle Religionen waren ihm lächerlich, die Verehrung der syrischen

Göttin ausgenommen.

Doch auch diese verachtete er in der Folge so

sehr, daß er ihre Bildsäule behanrete und ihren Dienst mit einem an­ dern Aberglauben verwechselte, dem er aus das Stärkste ergeben blieb.

Es hatte ihm nämlich ein gemeiner, unbekannter Mensch einen kleinen, weiblichen Talisman als ein besonders gegen Verschwörungen sichern­

des Mittel geschenkt, dem er, da gleich daraus die pisonische Ver­ schwörung entdeckt ward, von der Zeit an beständig als die höchste Gottheit, dreimal des Tages opferte, mit der Versicherung, daß ihm

derselbe die

Zukunft

offenbare.

Wenige

Monate

vor seinem

Tode

wohnte er auch der Eingeweidebeschauung bei; nie fiel aber ein Opfer

für ihn glücklich aus. Nero starb im zweiunddreißigsten Jahre seines Alters, am nämlichen

Tage, an welchem er ehedem hatte die Octavia ermorden lassen.

Sein

Tod verursachte eine allgemeine Freude, daß das Volk mit Hüten auf den Köpfen durch alle Straßen lief.

Doch fehlte eö auch nicht an

Personen, welche eine geraume Zeit hindurch sein Grabmal im Früh­

ling und Sommer mit Blumen schmückten und bald seine Büsten in

der Präterta auf dem Rednerplatz, bald seine Edicte vorzeigten, als lebe er noch und werde nächstens, um seine Feinde zu bestrafen, wieder erscheinen.

Ja, der Partherkönig Vologesuö drang durch seine wegen

Schließung eines Bündnisses mit den Römern abgeschickten Gesandten

sehr darauf, dem Andenken des Nero die schuldige Ehre zu erweisen,

und als zwanzig Jahre darauf ein unbekannter Mensch auftrat, der

299

Christenverfolgungen.

sich für den Nero auSgab,

fand er bei den Parthern unter diesem

Namen so viel Zuneigung, daß

sie ihn außerordentlich unterstützten,

und sich ihn auszuliefern kaum bewegen ließen.

»8. Ghrifkenverfotgungen. Es ist freilich noch kein Beweis für die Göttlichkeit und Wahrheit einer Ueberzeugung, wenn sie dem Menschen die Kraft verleiht, den

Tod zu verachten, denn auch der Rausch der Schwärmerei, der die

feineren menschlichen Empfindungen unterdrückt und das ganze Leben des Menschen nach einem bestimmten Punkte hinrichtet, ihn in gewisser Betäubung blindlings forttreibt; auch dieser Rausch der Schwärmerei

kann eine solche Wirkung wohl hervorbringen, da die gottverwandte

Natur deS Menschen der Begeisterung

für die Dinge

einer höher»

Welt empfänglich ist, und diese Empfänglichkeit daher auch durch täu­

schende Einwirkung irre geleitet werden kann.

Aber die Schwärmerei

kann sich, wie alle menschliche Kraft, ihrer Natur nach nicht immer

in demselben Schwünge erhalten.

Sie nimmt einen starken Anlauf,

wird durch den Widerstand, den sie findet, nur noch mehr erhitzt und gesteigert, aber fie läßt auch immer mehr von ihrer ersten Schnellkraft nach, und dies erfolgt desto eher, wenn sie eine zeitlang sich selbst

überlassen, keinen Widerstand von außen findet.

Aber das Christen­

thum sehen wir mit derselben den Tod besiegenden Begeistemng drei

Jahrhunderte hindurch kämpfen.

Nach

langen Zwischenräumen

der

Ruhe, in welchen allerdings ein Theil in sorglose Sicherheit und träge

Weltliebe sich einwiegen ließ (wie größtentheils die Zeit von Heliogabalus bis Trajanus Decius, 218—249, von Gallienus

bis

zum

Anfänge der Diocletianischen Verfolgung, 268—303), sehen wir doch das Christenthum mit neuer Kraft in dem Kampf auftreten, der nur

dazu diente, die bloßen Namen-Christen, welche sich in der Zeit des

Friedens in größerer Anzahl in die Kirche eingeschlichen hatten, von denen, die wahrhaft im Christenthum lebten, zu sondern.

Nicht allein

die ausgesuchtesten Martern, durch welche man Worte der Verleugnnng von den Christen zu erpressen suchte, konnten ihre durch göttliche

Kraft gestärkte Standhaftigkeit nicht erschüttern; sondern auch die lang­ samen Leiden schwerer Gefangenschaft mit Hunger und Durst, müh­ seliger, harter und ungewohnter Arbeiten in den Bergwerken, konnten ihre durch

den

Glauben

aufrecht erhaltene

Geduld nicht

ermüden.

300

Rom.

Auch die Vorstellungen menschenfteundlicher Statthalter, wie man doch

ihren Glauben ihnen gern lassen wolle, nur die vom Gesetze vorge­

schriebenen äußerlichen Handlungen von ihnen verlange — diese Vor­ stellungen, die eS ihnen so nahe legten, durch Klügeleien, wie sie dem Fleisch

willkommen,

ihr Gewissen zu beschwichsigen,

die zuredenden

theuren Freunde und Verwandten, die Bitten und Thränen geliebter

Väter,

Mütter und Kinder konnten das

weiche Herz der Christen

doch nicht vom Wege der Glaubenspflicht entfernen; sie überstanden

den schwersten Kampf, nicht

allein den Kampf mit der sinnlichen

Todesfurcht, auch den noch schwereren Kampf mit den feineren, der

sittlichen Natur des Menschen tief eingepflanzten Gefichlen, welche das Christenthum keineswegs unterdrückt, soüdern wie alles rein Mensch­

liche, steigert, verfeinert und verklärt.

Sie siegten in diesem Kampfe,

indem ihrem Herzen.die Worte des Heilandes tief eingeprägt waren: „So Jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter,

Weib,

Kinder,

Brüder,

Schwestern,

auch dazu sein eigenes Leben,

der kann nicht mein Jünger sein."'

Wir finden aber auch Beispiele,

daß Väter ihre Söhne,

Mütter

ihre Töchter, Jünglinge ihre Väter in der -Zuversicht des Glaubens

selbst zum Todeskamps ermunterten. merei,

Und sodann reißt die Schwär­

gleich einer Fieberhitze, den Menschen fort, läßt das Gefühl

der menschlichen Schwächen nicht aufkommen.

Vertrauen auf Gottes

Kraft, ruhige, besonnene Gottergebenheit bei dem Gefühl menschlicher

Schwäche, nüchtern wachen und beten, daß man nicht in Anfechtung falle, es dem Erlöser nachempfinden: der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach; und durch den Geist des verherrlichten Menschen­

sohnes

den Widerstand

des

schwachen

Fleisches

besiegen,

mit dem

Apostel Paulus sagen: „Wann ich schwach bin, dann bin ich stark,"

diese Denk- und Empfindungsweise

macht das

Eigenthümliche des

christlichen Märtyrers aus, und diese leuchtet aus Beispielen, die wir nachher betrachten wollen, uns entgegen.

Jene gottergebene Geduld,

welche Tertullian in einem besonderen Buche als die Seele des christ­

lichen Lebens geschildert, setzt derselbe, als aus der lebendigen, himm­

lischen

Lehre

hervorgehend,

entgegen jenem durch

menschliche Kunst

hervorgebrachten thierischen Gleichmuth, der auf gefühllosem Stumpf­

sinn beruhe.

Er stellt sie so dar: „Sie vollendet das Märtyrerthum,

sie tröstet den Armen, sie lehrt Mäßigung den Reichen, sie dehnt den Schwachen nicht über seine Kräfte aus, sie zehrt die Kraft deS Starken

301

Christenverfolgungen.

nicht auf,

sie

erfreut den Gläubigen,

macht den Knecht seinem Herrn und

sie

lockt den Heiden

an,

sie

den Herrn Gott wohlgefällig,

sie wird geliebt in dem Jüngling, verehrt in dem Greise/ sie ist schön Wir wollen uns ein Bild

in jedem Alter, jedem Geschlechte.

von

ihr machen: ruhig und sanft ist ihr Angesicht, offen ihre Stirn, durch keine Runzeln

oder des Zornes

der Trauer

zusammengezogen,

das

Auge nicht durch Betrübniß, sondern durch Demuth niedergeschlagen. Eine Gesichtsfarbe, wie sie bei dem Sorglosen und Unschuldigen zu

Wo Gott ist," da ist auch diese seine Pflegetochter.

sein pflegt.

also der Geist Gottes herabsteigt,

da

Kann

seine unzertrennliche Begleiterin.

Wo

ist diese gottergebene Geduld wohl

bleiben, wo sie nicht zugleich Aufnahme findet?

der

Geist immer da

Ohne seine Beglei­

terin und Dienerin muß er stets und überall im Gedränge sein.

Das

ist die Beschaffenheit, das sind die Werke der himmlischen und wahren,

das heißt der christlichen Geduld.

Es gab zwar Solche, die fortge­

rissen von der Muth ihres Eifers für das Bekenntniß des Evange­ liums, sich selbst unaufgefordert von den heidnischen Staatsbehörden als Christen ankündigten,

und

aber das Wort des Herrn,

sich

dadurch

Matth. 10,

dem Tode preisgeben;

23,

sein und der Apostel

Beispiel galten den Christen mehr, als die Stimme des augenblick­

lichen Gefühls.

Die christliche Kirche im Ganzen verwarf dieses sich

selbst dem Tode preisgeben immer als ein unevangelisches Betragen, ein verkehrtes Selbstvertrauen, einen Mangel an jener gottergebenen Demuth.

In dem Schreiben, durch welches die Gemeinde zu Smyrna

von der Verfolgung im Jahre 161, in welcher der Bischof Polykarpus

den Märtyrertod gestorben, Bericht erstattet, erwähnt sie eines Mannes, der aus diese Weise sich selbst preisgegeb'en, aber nachher, eine natür­ liche Folge seines kühnen Selbstvertrauens und seines mehr fleischlichen,

als göttlichen Eifers, nicht standhaft geblieben war.

Sie sagt dabei:

„Deshalb, liebe Brüder, loben wir diejenigen nicht, welche sich selbst

preisgeben,

denn so

lehrt das Evangelium

nicht."

Clemenes

von

Alcrandria sagt, daß die ächten Christen, wenn sie Gott wirklich ruft, sich freudig hingeben, und den Ruf Gottes eben dadurch bewähren,

daß sie sich keiner Verwegenheit bewußt sind.

von Karthago, der durch

Der Bischof Cyprianuö

seinen späteren Märtyrertod

bewies,

daß

Feigheit ihn nicht beherrschte, entfernte sich im Anfänge der decianischen

Verfolgung eine zeitlang von seiner Gemeinde, um die Ruhe derselben zu sichern, die Wuth der Heiden durch seine Gegenwart nicht

noch

302

Rom.

mehr zu reizen.

Und zu seinen Sorgen für seine Gemeinde während

seiner Abwesenheit gehörte nicht allein die Sorge, daß Alle im Glauben

standhaft blieben, sondern auch, daß christliche Mäßigung und Ordnung

beobachtet werde, daß sich nichts Schwärmerisches in den Eifer der

Gemeinde einmische.

Er verordnete

deshalb,

daß

die

Geistlichen,

welche die Bekenner Christi in ihren Gefängnissen besuchten und das

heilige Abendmahl ihnen reichten, mit einander abwechselten, um bei den Heiden keinen Verdacht zu erregen; daß die Christen nicht haufen­ weise hinströmten zu

ihren

gefangenen Brüdern,

zu denen sie

das

Feuer der Liebe trieb, damit ihnen nicht, wenn sie unersättlich Alles

haben wollten, zuletzt Alles versagt werde.

„Wir müssen in Allem,"

so schrieb er an seine Geistlichen, „sanft und demüthig sein; wie es den Knechten Gottes

Ruhe sorgen."

ziemt, uns

in

die Zeit

schicken und

für die

Er mißbilligte es sehr, wenn solche, die wegen ihres

Bekenntnisses zur Landesverweisung waren verurtheilt worden, nachher

eigenmächtig wieder in ihr Vaterland zurückkehrten, indem, wenn solche dann ergriffen und zum Tode verurtheilt würden, sie nicht als christ­

liche Märtyrer, sondern als Schuldige litten.

In seinem letzten Briefe,

da er dem Tode entgegen sah, schrieb er noch seiner Gemeinde: „Der

Lehre gemäß, theuerste Brüder, die Ihr nach der Vorschrift des Herrn immer von mir vernommen habt, haltet Ruhe, und Keiner von Euch

errege Unruhe unter den Brüdern oder gebe sich von selbst den Heiden preis.

Wenn er ergriffen und überliefert wird, dann muß er reden,

denn in jener Stunde redet aus uns der in unS wohnende Herr." Wir wollen nun an einzelnen Zügen betrachten,

wie die christliche

Begeisterung und der christliche Glaubensmuth unter den Verfolgungen

wirkten.

Einen neunzigjährigen Greis, den Bischof Polykarpus von Smyrna,

sehen wir mit gelassener Ruhe, nachdem er das Seine gethan, um sich der feiner bedürfenden Gemeinde länger zu erhalten, dem Rufe des Herrn, den er immer vor Augen hatte, folgen.

Der Wille des

Herrn geschehe, spricht er, da die Verfolger kommen. Mit der Freundlichkeit und Milde, die dem Bekenner eines sanft-

und demüthigen Herrn eigen ist, nimmt er sie auf.

Durch zweistün­

diges Gebet mit solcher Inbrunst, daß selbst die Heiden gerührt werden, bereitet er sich zu dem letzten Wege vor.

Mit Ehrerbietung spricht er

zu der, wenngleich heidnischen, doch vom Herrn eingesetzten Obrigkeit; er ist bereit, vor derselben von seinem Glauben Rechenschaft abzulegen.

303

Christenversolgungen.

Aber so demüthig er hier erscheint, so fest entschlossen ist er, nichts gegen sein Gewissen zu thun.

Mit dem Abscheu der einfachen kind­

lichen Liebe weiset er die Zumuthung

zurück, daß er seinen Herrn

und Heiland lästern sollte, um sein Leben zu retten.

Sechsundächtzig

Jahre diene ich ihm, und er hat mir nur Gutes erwiesen."

Nicht

selbstvertrauend sucht er den Tod, aber da ihn der Herr berufen hat,

weiß er auch, daß der ihn berufen, ihm die Kraft verleihen werde, das Feuer auszuhalten und in den Flammen fest zu stehen.

tritt er durch

Kreuz in die Herrlichkeit hinüber.

Mit Gebet

Die Verfolgung

des Kaisers Valerianus gegen die christliche Kirche (257) giebt uns das Beispiel mancher trefflicher Bischöfe, die mit väterlicher Sorgfalt

für ihre Heerden, von denen sie als treue Hirten keine Gewalt der

Erde trennen kann, mit christlicher Ruhe und Besonnenheit dem Tode entgegengehn. Wie es die Art der Menschen ist, daß sie in der Verblendung ihrer

vermeinten Klugheit den Unterschied zwischen dem, was Gottes Kraft wirkt und dem, was Menschenwerk ist, nicht erkennen, und daß sie

daher wähnen, durch die Anschläge ihrer Klugheit ein Werk auflösen zu können, das aus Gottes Kraft hervorgegangen, aus einem unwan­

delbaren Gmnde ruht,

den das Auge

des

nnerleuchteten Menschen

nicht zu ersehen vermag, so hatte sich dieser Kaiser einen Plan fein ausgedacht, um die christliche Kirche nach und nach ganz zu unter­ drücken.

Durch das Ansehen und die eifrige Thätigkeit der Geistlichen

und besonders der Bischöfe, dachte' er, wird die fremde Religion stets fortgepflanzt und verbreitet. daß

sie

ihren

Glauben

Gelingt es, Bischöfe dazu zu bewegen,

abschwören und

zur Staatöreligion

wieder

übergehen, so wird ihr Beispiel sonder Zweifel den größten Einfluß

auf das Volk haben, das immer mehr nach fremdem Ansehen, nach

eigener,

fester

Ueberzeugung

Gelingt dies nicht,

handelt.

als so

braucht man doch nur die hartnäckigen Bischöfe von ihren Gemeinden zu verbannen, und diese, ohne Vorsteher und Lehrer sich selbst über­

lassen, werden sich leicht in ihrem Glauben schwankend machen, zur

Beobachtung der

Staatsreligion zurücksühren

erging an

Reichs

der Befehl,

Als

Cyprianus,

lassen.

Diesem Plane

die Statthalter in den Provinzen des

gemäß

die Bischöfe vor ihren Richterstuhl

Bischof von

Karthago,

Proconsul erscheint und verhört wird, Christ und Bischof.

zum

römischen

zu fordern.

erstenmale

vor dem

antwortet er: „Ich bin ein

Ich kenne keinen Gott, außer dem Einen und

304

Nom.

Wahren, der Himmel und Erde und Wasser und Alles, was darin ist, geschaffen. Diesem Gott dienen wir Christen. Zu diesem beten wir Tag und Nacht für uns, für alle Menschen und das Wohl der Kaiser selbst." Aus die Frage des Proconsuls: „Und beharrst Du bei diesem Vorsatz?" antwortet er: „Unwandelbar ist ein auf Gotteserkenntniß gegründeter Vorsatz." Aufgefordert, seine Geistlichen zu nennen, antwortet er: „Eure Gesetze haben wohl und nützlich die Angeberei untersagt; unsere Religion verbietet, daß Jemand sich selbst angebe, aber, wenn Ihr selbst nachsucht, werdet Ihr sie finden." Cyprian wird, dem kaiserlichen Ediete zufolge, zum Eril verurtheilt. Als Dionysius, Bischof von Alerandria, vor dem Präfect Aemilianus von Aegypten erschien, und von diesem anfgcfordert wurde, die Götter zu verehren, welche die Regierung des Kaisers schützten, antwortete er: „Nicht Alle verehren dieselben Götter, Jeder verehrt diejenigen, an welche er nach seiner Ueberzeugung glaubt. Wir verehren mir den Einen Gott, der alles Daseins Schöpfer ist, der auch unserm Kaiser die Negierung anvcrtraut hat. Und zu diesem beten wir stets für die Ruhe seiner Regierung." Der Präfect erwiederte: „Nun, wer hindert Euch denn, auch diesen Gott, wenn cs wirklich Einer ist, mit den vaterländischen Göttern zugleich zu verehren? Der Kaiser gebietet Euch ja mir, die Götter zu verehren und zwar die Allen bekannten Götter." Der Statthalter wollte cS ihm nahe legen, daß er seine Religion nicht zu verleugnen brauche und doch die SiaatSreligion, worauf es allein ankomme, anerkennen könne; aber dem Bischof erlaubte sein Gewissen nicht, diese Auskunft anzunchmcn. Er antwortete kurz: „Wir können keinen andern verehren." Auch Dionysius wurde darauf zur Verban­ nung verurtheilt; zu seinem Verbannungsorte wurde ein entlegener Ort in Libyen, Kephro, wohin die Verkündigung dcS Evangeliums noch nicht gedrungen war, auöerschen. An den Orten der Verban­ nung suchten die Bischöfe für die Ausbreitung des Christenthums zu wirken, sic gewannen die Liebe der Einwohner, sie wurden von Mit­ gliedern ihrer Gemeinden häufig besucht und standen mit denselben in lebendiger Verbindung, dem Leibe nach getrennt, im Geiste bei ihnen. Der Bischof Dionysius erzählt selbst von seiner Verbannung: „Aber auch die sichtbare Gemeinschaft mit den Gläubigen im Herrn konnte man uns nicht nehmen. Die Brüder in der Stadt führte ich desto eifriger zur Gemeinschaft mit einander, zwar dem Leibe nach von

305

Christenverfolgungeu.

ihnen

getrennt,

aber

dem Geiste

nach bei ihnen (Dionysius schrieb

mitten unter der Verfolgung die Briefe, wodurch er seine Gemeinde nach gewohnter Art zur Feier der hohen Feste anfforderte und ihnen

dazu Segen wünschte),

und zu Kephro selbst versammelte sich

eine

große Gemeinde bei mir, da viele Brüder aus der Stadt mir nach­

und

folgten,

viele auS Aegypten zu mir kainen.

Auch

selbst that uns der Herr die Thüre des Wortes aus.

zu Kephro

Zuerst zwar

wurden wir von den dortigen Heiden verfolgt, sie warfen Steine nach

die Götzen und

uns, aber später verließen nicht Wenige von ihnen bekehrten sich zu Gott.

Durchaus wurde damals dort der erste Same

des Evangeliums ausgestrcut.

Und als ob Gott uns deshalb zu ihnen

in die Verbannung geführt hätte, führte er uns, nachdem wir diesen Beruf erfüllt hatten,

wieder von

dort

hinweg."

In dieselbe Zeit

mag der Hirtenbrief eines von seiner Gemeinde getrennten afrikanischen

Bischofs gehören, der so beginnt: „Was

kann Heilsameres

in der Gemeinde des Herrn

geschehen,

was dem Berufe des Bischofs angemessener sein, als daß die Gläu­ bigen von ihm durch llntcrricht in der göttlichen Lehre zum Himmel

Dieses tägliche, erwünschte Geschäft meines Berufs

geführt werden?

suche ich auch abwesend zu verrichten und durch Briefe meine Abwesen­

heit unter Euch zu ersetzen.

Ich suche Euch durch meine gewohnten

Anreden in dem Glauben zu befestigen, damit Ihr fest gegründet in

dem Evangelium stets gewaffnet seid gegen alle Angriffe des SatanS. Ich werde nicht glauben, von Euch abwesend zu fein, wenn ich in

Rücksicht Eurer sicher bin.

wir Euch vor,

Und nicht allein tragen

was wir aus der Quelle der heiligen Schrift schöpfen, sondern wir

verbinden zugleich mit den Worten deS Unterrichts Herrn,

daß Er sowohl unö,

als Euch,

das Gebet zum

die Schätze seiner heiligen

Wahrheit öffnen und Kräfte zur Ausübung des Erkannten verleihen

möge." Da nun der Kaiser sieht, daß er das Licht doch nicht unter den

Scheffel setzen kann, daß eS nicht leuchte, beschließt er, cs mit Gewalt zu unterdrücke!,.

werden neuen

Jahres

Alle Vorsteher und Lehrer der christlichen Gemeinden

znm Tode von Rom

(258)

seines Schicksals

Histor. Lestblich. I.

verurtheilt.

Cyprian

geschickten Proconsiils

nach zu

wird

bei

der Ankunft des

im Anfänge

Karthago

znrückgerufen,

erhalten.

Auf feinem Landsitze,

um

die

des

folgenden

Entscheidung

den er in der 20

306

Rom.

Gluth der ersten Liebe verkauft hatte, um mit dem Gelde den Armen zu helfen,

und den ihm die Anhänglichkeit seiner Gemeinde wieder

zurückgeschenkt, wartet er ruhig, was der Wille des himmlischen Vaters bestimmt.

Wenn er in der ersten Verfolgung sich entfernte, weil es

das Beste seiner Gemeinde forderte, weil er auch hoffen konnte, nach­ dem er die erste Hitze der blutigen Verfolgung überstanden, sich seiner Gemeinde zu erhalten, so können ihn jetzt hingegen die Bitten vieler

Freunde,

selbst angesehener Männer unter den Heiden,

welche ihm

einen Zufluchtsort anbieten, nicht bewegen, dem öffentlichen Bekennt­ nisse, zu dem er sich von dem Herrn berufen glaubt, auszuweichen.

Doch da er hörte, daß er nach der Stadt Utika, wohin sich damals der Proconsul begeben, geführt werden solle, um dort hingerichtet zu werden, entschloß er sich, nach dem Rathe der Freunde einstweilen sich

zurückzuziehen, da der Bischof vor Herr vorgesetzt,

der Gemeinde,

welcher

ihn der

Ihn bekennen müsse, um durch sein Bekenntniß die

ganze Gemeinde zu verherrlichen, denn was in jenem Augenblicke des

Bekenntnisses nach Eingebung Gottes der Bischof rede, das rede er mit dem Munde Aller.

Plötzlich wurde Cyprian von einer durch den Proconsul abgeschickten Wache

abgeholt;

weil aber der Proconsul sich auf seinem Landsitze

gerade ausruhte, sollte er noch nicht verhört und verurtheilt werden.

Er blieb die Nacht über in anständigem Gewahrsam und wurde auch freundlich

behandelt.

Ein

großer Theil der Gemeinde,

daß ihr geistlicher Vater hingerichtet werden sollte,

der

gehört,

war herbeigeeilt

und umlagerte die ganze Nacht das Haus, in welchem sich der ge­ liebte Hirt befand, damit ihm nicht etwas ohne ihr Wissen geschehe. Den Tod, dem er am andern Tage entgegengehen sollte, vor Augen,

hat er doch