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German Pages 209 [210] Year 1974
Vertriebswirtschaftliche Abhandlungen Heft 16
Neuere Ansätze der Marketingtheorie Festschrift zum 80. Geburtstag von Otto R. Schnutenhaus
Herausgegeben von
Peter Hammann Werner Kroeber-Riel Carl W. Meyer
Duncker & Humblot · Berlin
NEUERE ANSÄTZE DER MARKETINGTHEORIE
Vertriebs wirtschaftliche
Abhandlungen
(vormale des Instituts für industrielle Verbraucheforechun g und Vertriebemethoden an der Technischen Universität Berlin begründet von Prof. Dr. Otto R. Schnutenhaue)
Herauegegeben von
Prof. Dr. h. c. Dr. Otto B. Schnutenhaus und
Prof. Dr. Peter Hammann
Heft 16
Neuere Ansätze der Marketingtheorie Festschrift zum 80. Geburtstag von Otto R. Schnutenhaus
Herausgegeben von
Professor Dr. Peter Hammann Professor Dr. Werner Kroeber-Riel Professor Dr. Carl W. Meyer
DUNCKER
& HUMBLOT/
BERLIN
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1974 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03137 7
Inhalt Otto R. Schnutenhaus — 80 Jahre V o n Carl W. Meyer
9
Erster
Teil
Marktforschung und Planung Marktforschung u n d Wirtschaftsforschung V o n Paul W. Meyer
17
Prognose u n d Unternehmungsplanung V o n Dietger H a h n
27
Zweiter
Teil
Informationsverarbeitung i m Marketing Stärken u n d Schwächen der Anwendung des „Operations dargestellt am Beispiel M a r k e t i n g
Research",
V o n Hans B l o h m Die Lösung absatzpolitischer Informations-Systemen
45 Probleme
mit Hilfe
von
Management-
V o n Bernhard H a r t m a n n
57
Organisatorische u n d führungsmäßige A u s w i r k u n g e n des EDV-Einsatzes im Marketing V o n Carl W. Meyer
67
Dritter
Teil
Absatzpolitische Instrumente und Konsumentenverhalten Interpretation u n d Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes V o n Heribert Meffert
85
Sekundärleistungspolitik als absatzpolitisches Instrument Von Peter H a m m a n n
135
Inhalt
6
Grundlagen u n d Technik der emotionalen Werbung V o n Werner Kroeber-Riel
155
Z u r Frage der Manipulierbarkeit der Käufer i m Rahmen der Absatzpolitik V o n Walter Märzen
171
Vierter
Teil
Dienstleistungsmarketing Verwenderreaktionen gegenüber Neuerungen. — Eine empirische Modellüberprüfung i m Bereich des Dienstleistungsmarketing V o n W i l h e l m H. Bierfelder
187
Bibliographie Verzeichnis der Veröffentlichungen von O. R. Schnutenhaus
201
Verzeichnis der Herausgeber und Mitarbeiter Professor Dr. Wilhelm H. Bierfelder Betriebswirtschaftliches I n s t i t u t der Universität Stuttgart stuhl I I
(TH), L e h r -
Professor Dr.-Ing. Hans Blohm Leiter des Instituts f ü r Angewandte Betriebswirtschaftslehre u n d U n t e r nehmensführung, Universität Karlsruhe (TH) Professor Dr. Dietger Hahn Lehrstuhl f ü r Betriebswirtschaftslehre I V , Gießen
Justus
Liebig-Universität
Professor Dr. Peter Hammann Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre u n d schaftslehre des Handels, Technische Universität B e r l i n
Betriebswirt-
Professor Dr. Dr. Bernhard Hartmann Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre u n d schaftslehre der Industrie, Technische Universität B e r l i n
Betriebswirt-
Professor Dr. Werner Kroeber-Riel Lehrstuhl f ü r Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Absatz- u n d K o n sumforschung, Universität des Saarlandes, Saarbrücken o. Univ.-Professor Dr. Walter Märzen I n s t i t u t f ü r Betriebswirtschaftslehre u n d Unternehmenspolitik, Universität Innsbruck Professor Dr. Heribert Meffert Direktor des I n s t i t u t f ü r M a r k e t i n g der Universität Münster Professor Dr. Carl W. Meyer Vorstand des Instituts für Wirtschaftsprüfung u n d Beratungswesen der Universität Würzburg Professor Dr. Paul W. Meyer Lehrstuhl f ü r MikroÖkonomie, Universität Augsburg
Otto R. Schnutenhaus — 80 Jahre Von Carl W. Meyer A m 24. Juni 1974 kann Otto R. Schnutenhaus nicht nur auf acht Lebensjahrzehnte, sondern auch auf rund sechs Jahrzehnte erfolgreicher Tätigkeit i n Wirtschaftspraxis und wirtschaftlicher Forschung und Lehre zurückblicken. Daraus hebt sich vor allem das von i h m geleistete wissenschaftliche Werk hervor, welches einerseits durch die i n seinem spezifischen Werdegang und Wirken begründete enge Verbindung von Theorie und Praxis sowie andererseits durch frühzeitiges Erkennen und systematisches Durchdringen betriebswirtschaftlicher Problemstellungen, verbunden m i t der Erarbeitung prägnanter, neue Wege weisender Lösungen, gekennzeichnet ist. Die ersten Kontakte m i t der kaufmännischen Praxis gewann Schnutenhaus bereits während der Schulzeit i m väterlichen Betrieb. Er konnte sie, nachdem er i m ersten Weltkrieg eine schwere Verwundung erlitten hatte, i m Rahmen der i h m nach seiner Genesung übertragenen Aufgaben i n der Wirtschaftssektion des Großen Generalstabes fortsetzen und m i t einem Studium an der Handelshochschule Berlin verbinden, an der er 1917 den Grad eines Diplom-Kaufmannes erwarb. Er dehnte seine Studien bis zur Promotion zum Dr. phil. an der Universität Erlangen (1919) auf die Gebiete der Volkswirtschaftslehre, des Rechts, der Philosophie und Psychologie aus, u m sich anschließend der Revisions-, Verwaltungs- und Rechnungswesenspraxis, zuletzt als Handlungsbevollmächtigter, zu w i d men. 1924 kehrte er i n seine Geburtsstadt San Francisco/Kalifornien zurück, arbeitete dort als Handelsvertreter und Sales Manager, studierte gleichzeitig die amerikanische Wirtschaftsliteratur und brachte das Werk „Die Absatztechnik der amerikanischen industriellen Unternehmung" hervor. Neben der danach i n Deutschland von 1927 bis 1933 i m Revisionswesen, nun zuletzt als Prokurist, fortgesetzten praktischen Arbeit habilitierte er sich aufgrund der genannten Schrift 1929 an der Technischen Hochschule Braunschweig und begann damit seine Lehrtätigkeit, nachdem er bis dahin bereits m i t zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen und A u f sätzen hervorgetreten war. Er blieb jedoch weiter m i t der Praxis verbunden und leitete von 1933 bis 1939 als Vorstand die zum Leitz-Konzern gehörende Grünewald-Registrator AG. Während dieser Zeit wurde er zum nichtbeamteten a. o. Professor an der Technischen Hochschule
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Laudatio
Braunschweig ernannt und 1938 i n gleicher Eigenschaft an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg berufen. E i n 1942 erhaltenes Berufungsangebot an die Handelshochschule Leipzig nahm er aus kriegsbedingten Gründen nicht an, nachdem er inzwischen wieder i n das Prüfungsfach übergewechselt und als Vorstandsmitglied einer Revisionsgesellschaft tätig war. Nach 1945 widmete sich Schnutenhaus der freiberuflichen Arbeit als Betriebsorganisator und Mitarbeiter von Wirtschaftsprüfungsfirmen. Er nutzte diese Zeit auch, u m seine praktischen Erfahrungen theoretisch zu verarbeiten und i n zwei Büchern niederzulegen (Neue Grundlagen der „Feste"-Kostenrechnung, Berlin 1948; Allgemeine Organisationslehre, Berlin 1951). Weiterhin übernahm er Lehraufträge für Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin (1948 - 1950) und am Hochschulinstitut für Wirtschaftskunde Berlin (1948 - 1968) und legte schließlich noch erfolgreich das Wirtschaftsprüferexamen ab. Das folgende A n gebot, i n den Vorstand einer Revisionsgesellschaft einzutreten, lehnte er ebenso wie einen Ruf an die Technische Hochschule München-Weihenstephan ab. Er folgte jedoch einem Ruf an die Technische Universität Berlin, an der er 1954 den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre des Handels als Nachfolger von Waldemar Koch und gleichzeitig als Prüfungsausschußvorsitzender die Betreuung der Fachschaft Wirtschaftsingenieurwesen übernahm. 1957 gründete er an der T U das Institut für industrielle Verbrauchsforschung und Vertriebsmethoden, dessen Direktor er wurde. Nach seiner Wahl zum Prorektor der T U Berlin i m Jahre 1958 wurde er für das akademische Jahr 1959/60 zum Rektor dieser Universität gewählt, an der er 1960/61 nochmals als Prorektor amtierte. Darüber hinaus schuf er i n dieser Zeit das Werk „Absatzpolitik und Unternehmensführung" (Freiburg/Br. 1961), wie überhaupt die Jahre seit 1948 von intensiver literarischer Arbeit i n Form zahlreicher Publikationen zeugen. Neben Forschung, Lehre und Einsatz für den Ausbau des W i r t schaftsingenieurstudiums setzte er auch seine Revisions-, Beratungsund Gutachtertätigkeit fort und erhielt so die laufende Verbindung zur Praxis aufrecht, was sich i n zeit- und lebensnaher Gestaltung seiner Lehre niederschlug. Die i m Jahre 1963 erfolgte Emeritierung beendete nur mehr oder weniger formal einen Abschnitt seiner beruflichen Laufbahn, denn er stellte sich auch weiterhin der Universität und der Praxis m i t seinem Wissen zur Verfügung. Es gestattete i h m aber, sich vermehrt der literarischen Arbeit zuzuwenden, insbesondere weitere Bücher herauszubringen (Schwachpunkte der Vertriebsorganisation, 2. Aufl., HamburgBerlin-Düsseldorf 1964; Praktische Absatztechnik mittelgroßer Industriebetriebe, Herne-Berlin 1964; Planung und Planungsrechnung bei L U C I A
Laudatio Lüneburger Mechanische Strickerei — gemeinsam m i t C. W. Meyer — Berlin-Köln-Frankfurt/M. 1964; Die Entscheidimgsanalyse der Unternehmensführung für das systematische Gewinnmachen i m Markt und die Typologie der Unternehmung, Herne-Berlin 1969). Angesichts eines solchen, sicher nur selten anzutreffenden Werdeganges als Hochschullehrer ist es nicht verwunderlich, daß Schnutenhaus die aktuellen Probleme der Praxis sehr früh auftauchen sah und schon rechtzeitig Lösungen dafür bieten konnte. Es ist auch naheliegend, daß er die Probleme, wie überhaupt die Betriebswirtschaftslehre i m ganzen, vom Standpunkt der Unternehmensführung und i n ihren interdisziplinären Zusammenhängen betrachtete und i n Angriff nahm. So hat Schnutenhaus i m Rahmen der Absatzlehre m i t seinem ersten Buch — noch bevor dieses Gebiet Ende der zwanziger Jahre praktisch sowie wissenschaftlich aktuell wurde — neue Wege i m Sinne des heutigen Marketing aufgrund der i n der amerikanischen Praxis gegebenen Verhältnisse aufzeigt, was auch von der immer mehr gängigen, manchmal sogar kritiklosen Übernahme amerikanischer Lehren abhebt. Das zeigt ebenfalls das am Beginn der deutschen Marketing-Welle verfaßte und den Führungsstandpunkt betonende Werk „Absatzpolitik und Unternehmensführung" m i t den damals noch nicht so wie heute aktuellen, von i h m besonders herausgestellten abnehmer- und verbraucherbezogenen Aspekten, die er insbesondere i n Theorien des festen Kundenstammes und ihrer Erklärungsbedürftigkeit von Waren erfaßte. Hinsichtlich der zielbewußten Führung und der Rationalisierungsnotwendigkeit des Vertriebs hat er bereits vor fast fünf Jahrzehnten relevante, i n der Gegenwart noch gültige Problemstellungen behandelt und Lösungen gebracht, so i n bezug auf Vertriebskosten (1928), Vertretereinsatz (1930) und Vertriebsaufbau (1937), die immer noch verwertbar sind und i n seinen Publikationen der fünfziger und sechziger Jahre weiter ausgebaut und vertieft wurden. Ebenfalls zunächst aus der amerikanischen Praxis heraus entwickelte er seine Arbeiten auf dem Gebiet der Revision und zeigte erstmals die amerikanischen Besonderheiten i m Rechnungswesen auf, die heute von noch größerer Bedeutung sind (1927, 1928). Ebenso wie er weiterhin die Revision als Instrument der Prüfung und der Führung von Unternehmen sah, so stand auch seine Organisationslehre unter diesen Gesichtspunkten. I n ihrer Ausrichtung auf die Sicherung von Wirkzusammenhängen lagen Möglichkeiten, die i n den seither vergangenen über 20 Jahren immer mehr genutzt werden konnten und heute vor allem auch i n Verbindung m i t den Umweltbeziehungen der Unternehmen relevant sind. Aus dem Zusammenwirken von Revisions-, Organisations- und Führungserfahrungen ergab sich für i h n fast zwangsläufig eine Kostenbetrachtung, m i t der eine Abkehr von herkömmlichen Kostenauffassungen einsetzte. Seine
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Laudatio
Strukturkostenlehre bietet die Ansatzpunkte und Grundlagen für eine unternehmerische Kostendisposition, wie sie heute noch relativ unvollkommen aufgrund der Deckungsbeitragsrechnung zum Ausdruck kommen kann, und zwar vor allem i m Hinblick auf die Preispolitik. So sind Revision, Organisation und Rechnungswesen bei i h m Instrumente der Steuerung des Unternehmens, die i n gegenseitiger Verknüpfung einzusetzen und auf die gegebenen Verhältnisse abzustimmen sind — ein Tatbestand, der jetzt noch nicht immer Beachtung findet. Nicht zuletzt verdienen Schnutenhaus' Arbeiten auf dem Gebiet der Unternehmensführung besondere Hervorhebung. Noch lange vor dem Entstehen einer betriebswirtschaftlich fundierten Managementlehre vermittelte er Grundlagen dafür (1952). Er betonte vor allem auch die qualitativen Aspekte, wies auf die geistig-schöpferische Seite und auf die psychologischen Zusammenhänge hin (1957, 1963), was er dann 1969 i n seinem Buch über die Entscheidungsanalyse der Unternehmensführung verstärkt zum Ausdruck brachte. Auch sein neuester Aufsatz über „Kreativität und Intuition" (Ende 1972) war i n dieser Hinsicht wieder richtungweisend und sollte erneut darauf aufmerksam machen, daß i n Zukunft unternehmerische Entscheidungen weniger der rechenhaften Modelle, als vielmehr der fundierten Kenntnis gesellschaftlicher, soziopsychologischer Grundlagen und i n erster Linie des Einsatzes schöpferischer Kräfte bedürfen. Naturgemäß wurde von i h m auch nicht übersehen, daß zur Entwicklung von Theorien wissenschaftliche Methoden i n diesem Sinne heranzuziehen sind (1959,1963) und unter gleichen Aspekten die Wirtschaftsberatung der Unternehmensführung dient (1955,1966). I n diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß Schnutenhaus schon früh (1934, 1936) und erneut später (1955,1957, 1962,1966) auf die entsprechenden lehrmäßigen Voraussetzungen einer Führungslehre i m Rahmen des betriebswirtschaftlichen Studiums hingewiesen hat, was heute noch i n verstärktem Maße gilt. Das von Schnutenhaus geschaffene Werk hat der Betriebswirtschaftslehre ebenso wie der Praxis zahlreiche neue Grundlagen und Impulse vermittelt. Auch wenn es nicht immer i n Form von Zitaten zum Ausdurck gebracht wurde, so schlug es sich doch i n zahlreichen Ehrungen, die i h m zuteil wurden, nieder. Von der Deutschen Gesellschaft für Betriebswirtschaft erhielt er 1962 die Silberne Friedrich Schär-Plakette; 1965 wurde er m i t dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet; 1966 überreichte i h m die Gesellschaft für Konsumforschung die Wilhelm-Vershofen-Gedächtnismedaille; 1971 wurde i h m vom R K W die Carl Friedrich von Siemens-Plakette für Verdienste auf dem Gebiet der Rationalisierung verliehen. Darüber hinaus nahmen i h n zahlreiche Vereinigungen, u. a. der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, als Ehrenmitglied auf. Schließlich erfuhr
Laudatio er akademische Ehrungen durch die Ernennung zum Ehrensenator der Technischen Universität Berlin i m Jahre 1965 und durch die Verleihung der Würde eines Dr. rer. oec. h. c. seitens der Universität Innsbruck i m Jahre 1966, nicht zuletzt noch i n Form der zu seinem 65. und 75. Geburtstage erschienenen Festschriften. Sie zeugen auch von den menschlichen Kontakten, die er aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner Verständnisbereitschaft und Objektivität, der Offenheit und Warmherzigkeit seines Wesens zu Kollegen und Freunden, Mitarbeitern und Schülern stets schaffen konnte. Verbunden m i t der vorliegenden Schrift werden von ihnen Otto R. Schnutenhaus alle guten Wünsche für das neue Lebensjahrzehnt übermittelt, das i h m vor allem Gesundheit, die erfolgreiche Fortsetzung seines Wirkens und weitere Anerkennung bringen möge.
ERSTER TEIL
Marktforschung und Planung
Marktforschung und Wirtschaftsforschung Von Paul W. Meyer Begriffe, das Handwerkszeug wissenschaftlicher Arbeit, gehen häufig eigenartige Wege. Schnutenhaus berichtet i n seinem Werk „Absatzpolitik und Unternehmensführung" m i t sanfter Ironie vom Werdegang des von i h m formulierten Begriffspaars „erklärungsbedürftige — nicht erklärungsbedürftige Güter". Als ich am 28. 3. 1958 während eines Referats vor dem 1. Kongreß für Vertrieb und Marketing i n Düsseldorf — Schnutenhaus zitierend — darüber sprach und die „nicht erklärungsbedürftigen Güter" m i t dem Ausdruck „problemlose Güter" zu erklären suchte, machte sich diese Formulierung alsbald selbständig. A u f der Strecke blieben zunächst die „erklärungsbedürftigen" Objekte und die Tatsache, daß der Witz der Schnutenhaus'schen Definition gerade i n diesem Gegensatz begründet war. Es wäre reizvoll, eine Satire über Entstehung und Anwendung von Begriffen i n den Wirtschaftswissenschaften zu schreiben; manches Monument würde erheblich geschädigt daraus hervorgehen. Ob wohl die Naturwissenschaften so weit gekommen wären, wenn sie die gleiche Einstellung zu Begriffen an den Tag gelegt hätten? Ein anderes, aber damit zusammenhängendes Merkmal für den Umgang m i t Begriffen verbindet sich m i t dem Thema, mit Markt- und W i r t schaftsforschung also. Beide stehen stellvertretend für eine Vielzahl von Wortverbindungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich die folgenden Wortschöpfungen anführen: Absatzforschung Distributionsforschung Einkaufsforschung Empirische Wirtschaftsforschung Handelsforschung Imageforschung K o n j u n k t u r f orschung Konsumforschung Konzeptionsforschung Kundenforschung Mediaforschung Produktforschung Prognoseforschung Verbrauchsforschung 2 Festschrift für O. R. Schnutenhaus
Verkaufsforschung Verpackungsforschung Vertriebsforschung Werbeforschung Werbemittelforschung Werbeträgerforschung Zielgruppenforschung Absatzmarktforschung Arbeitsmarktforschung Beschaffungsmarktforschung Exportmarktforschung Finanzmarktforschung Gebrauchsgütermarktforschung
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Paul W. Meyer
Investitionsgütermarktforschung Konsumgütermarktforschung Personalmarktforschung Betriebliche Marktforschung Institutionelle Marktforschung Verbandsmarktforschung Wissenschaftliche Marktforschung Demoskopische Marktforschung
Experimentelle Forschung Marktanalyse (Zeitpunkt-Forschung) Marktbeobachtung (ZeitraumForschung) ökoskopische Marktforschung Panelforschung Psychologische Marktforschung Schreibtischforschung Umfrageforschung Verhaltensforschung
Eine gewisse Gliederung wurde dieser Aufzählung unterlegt. Die erste Gruppe orientiert sich an den Zielsetzungen; die zweite stellt Markt- und Objektarten heraus. Die Durchführenden werden von der dritten Begriff sgruppe hervorgehoben; Methoden und Verfahren bestimmen die Bezeichnungen der letzten Gruppe. So weit, so gut. Was aber, so ist zu fragen, sagen diese vielen Begriffe eigentlich mehr aus als daß es eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten und -bereichen, von Durchführenden und von Verfahren gibt? Da etliche der angeführten Wortverbindungen den Markt als zentrales K r i terium herausstellen, soll der Versuch unternommen werden, von dort her die begriffliche Vielfalt anzugehen. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand läßt sich Markt als ein äußerst komplexes System begreifen, das dem friedlichen Austausch von Objekten zwischen i m Prinzip gleichwertigen Partnern dient. Die unmittelbar beteiligten Marktsubjekte (natürliche und juristische Personen aller Art) treten zunächst als Anbieter und Nachfrager miteinander i n Verbindung. Dabei spielen sie eine Doppelrolle, die beim Naturaltausch (Kompensationsgeschäft) deutlicher w i r d als beim Tausch mit Hilfe des Geldes: jede anbietende Einzelwirtschaft ist zugleich Nachfrager, jede nachfragende zugleich Anbieter. Beim Naturaltausch müssen diese Rollen i n einem konkreten Markt zur Deckung gebracht werden, wenn der gegenseitige Austausch funktionieren soll. Beim Tausch mit Hilfe des Geldes verliert diese Doppelrolle an Transparenz: Anbieter i m Markt A sind Nachfrager i n prinzipiell anderen Märkten, Nachfrager i m M a r k t A ebenso Anbieter i n anderen Märkten. I m Marktablauf findet weiterhin ein Rollenwechsel statt. Wenn Anbieter und Nachfrager Bedeutungen ausgetauscht haben (zweiseitige Marktkommunikation), kann ein Abschluß i n Form eines gegenseitigen Vertrags (Marktvertrag: Kauf, Miete, Pacht usw.) zustande kommen. Es handelt sich also u m einen stochastischen Prozeß. Uber den Vertragsabschluß werden die vormaligen Anbieter und Nachfrager zu Vertragspartnern, die unter gewissen Kautelen gehalten sind, die getroffenen Vereinbarungen zu erfüllen. Diese Rollen verdeutlichen die Begriffe Absetzer und
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Beschaffer. Auch hier gilt die erwähnte Doppelrolle. Absetzer eines Marktes sind zugleich Beschaffer, Beschaffer zugleich Absetzer, wenn Naturalien ausgetauscht werden. Sie spielen dagegen ihre Zweitrolle i n jeweils anderen Märkten, wenn Objekte gegen Geld eingetauscht werden. Da der Prozeß bis zum Abschluß des Marktvertrages unter Risiko steht, müssen Anbieter nicht zwingend Absetzer, Nachfrager nicht zwingend Beschaffer werden. Weder die — häufig unterbewußte — Doppelrolle noch der Rollenwechsel sind ohne die Objekte, u m die es dabei geht, zureichend erklärbar. Der Markt, als ein abgrenzbares wirtschaftliches Versorgungssystem, bewerkstelligt den Austausch keineswegs nur m i t den häufig i m Vordergrund stehenden Waren allein: Dienste, als Leistungsfähigkeiten von Menschen, wirtschaftliche Chancen, als m i t Waren und Diensten verbundene, sie aber dominierende Nutzungs- und Verfügungsrechte und Objekt-Systeme, als Kombination von mindestens zwei der genannten Objekte, spiegeln die Realität wider. Alle genannten Objekte haben grundsätzlich zwei Erscheinungsformen: als Objekte privater oder öffentlicher Versorgung (öffentliche Güter). A m gegenseitigen Leistungsaustausch sind regelmäßig, jedoch nicht immer, andere Marktsubjekte mittelbar beteiligt: die Marktbeeinflusser. Sie treten i n konkreten Märkten als Anbieter/Absetzer besonderer A r t auf: ihre Nachfrager/Beschaf fer sind Marktpartner eines Marktes A und sie bieten als Objekt ihre Dienste zur Mithilfe bei der Abwicklung des gesamten Marktprozesses an. Dies t r i f f t für die Gruppe der Markthelfer ohne Einschränkung zu. Werbeagenturen als Markthelfer für Marktkommunikation, Rechtskundige und Notare als Mitwirkende beim Abschluß der Marktverträge, Transport- und Speditionsbetriebe, Banken und Versicherungen als Helfer i n der Phase der Realisierung. Die anderen Gruppen, die fachlich ausgewiesenen Marktberater, die Meinungsbildner (opinion-leader) und die Referenzgeber sind insoweit i n derselben Lage, wenn sie sich ihre Dienste bezahlen lassen. Unter ihnen finden sich aber auch Personen und Institutionen, die kostenlos tätig werden (Wohnberatung, Preis- und Qualitätsüberwachung, Verbraucherverbände, soziale Institutionen, Regierungsmitglieder). M i t dieser Analyse der Marktteilnehmer sind gleichzeitig die Phasen des gegenseitigen Leistungsaustausches aufgezeigt worden: die Marktkommunikation, der Abschluß von Verträgen und die Realisierung. Den Rahmen für diese Abläufe setzt die Marktbehörde mit zahlreichen allgemeinen und speziellen Spielregeln. Insofern gehören zur Betrachtung der Märkte auch die gesetzlichen Vorschriften. Ein Problem wurde bisher ausgeklammert. Was, so ist jetzt zu fragen, bewegt denn eigentlich Anbieter/Absetzer und Nachfrager/Beschaffer zu 2·
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ihren Aktivitäten? Wieder ist es der Naturaltausch, wie er beispielsweise zwischen nationalen Währungen derzeit besteht, der die Antriebskräfte deutlich werden läßt. Wenn zwei Partner D M gegen Dollar tauschen, dann versprechen sich beide einen Nutzen davon. Dieser Nutzen kann rechnerisch bestimmbar sein, etwa durch unterschiedliche Kaufkraft gegenüber dem Tauschkurs, er kann aber auch spekulativ sein. Das aber heißt, daß keineswegs der rationale Nutzen zur Erklärung ausreicht, sondern daß emotionale und irrationale Nutzenserwartungen die Abläufe m i t i n Gang bringen. Die Tatsache, daß die über den Grund- oder Zwecknutzen hinausreichenden, persönlich, sozial oder magisch bestimmten Nutzenserwartungen nicht i n gleicher Weise faßbar sind wie der rechenhafte Ertrag, ist kein zureichender Grund, auf ihre Erwähnung — und Erforschung — zu verzichten. Der Wunsch nach Optimierung aller Nutzensarten motiviert die Marktteilnehmer. Zielbereiche der Marktforschung (A) Erforschung der Marktteilnehmer u n d der Marktobjekte: (I) Die unmittelbar beteiligten Anbieter/Absetzer u n d Nachfrager/Beschaff er unter Beachtung ihrer Doppelrolle; (II) Die mittelbar beteiligten Marktbeeinflusser unter Beachtung ihrer Doppelrolle (einschl. Marktbehörden); ( I I I ) Die Marktobjekte. (B) Marktprozeßforschung: (I) Die zweiseitige K o m m u n i k a t i o n zwischen Anbieter u n d Nachfrager; (II) Der Abschluß von Marktverträgen („Kaufprozeßforschung") ; (III) Die Realisierung der Vereinbarungen zwischen Absetzer u n d Beschaffer. (C) Motivations- u n d Nutzensforschung.
M i t diesen aus dem Marktmodell abgeleiteten Forschungsobjekten ist ein Teil der eingangs erwähnten Begriffe abgedeckt und systematisiert. Weitere Klärungen bringt die Verknüpfung der Einzelwirtschaft m i t ihren Märkten. Die Funktionen der Einzelwirtschaft sind Entsprechungen ihrer Marktverknüpfung. Sie ist als Anbieter/Absetzer i n Absatzmärkten, als Nachfrager/Beschaffer i n Beschaffungsmärkten tätig. Demzufolge sind Absatz und Beschaffung zwei Hauptfunktionen jeder Einzelwirtschaft. Aber die Einzelwirtschaft w i r k t auch als Ganzes nach außen, sie ist nicht nur m i t Märkten, sondern auch m i t der gesellschaftlichen Umwelt, m i t der Öffentlichkeit verbunden. Die Vertretung der Einzelwirtschaft gegenüber der Öffentlichkeit ist eine Teilfunktion der Leitung. Die Leistungserstellung als letzte Hauptfunktion hat keine direkte Außenbeziehung; deswegen kann sie hier außer acht bleiben. Die
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wechselseitige Beeinflussung der externen und internen Funktionsbereiche ist allerdings nicht zu bestreiten. Die Außenfunktionen lassen sich, ebenso wie die interne Funktion der Leistungserstellung, i n Teilbereiche gliedern: Vorbereitung, Einleitung, Abschlußentscheidung, Realisierung. Innerhalb der Vorbereitung der Marktteilnahme, sei es für die gesamte Einzelwirtschaft, sei es für Beschaffungs- und Absatzmärkte, ist der funktionale Ort der einzelwirtschaftlichen Marktforschung. Sie beschafft, verarbeitet und interpretiert Daten aller A r t und gibt damit die Grundlage für die Erstellung eines Programms der Marktteilnahme sowie der Beziehungen zur Öffentlichkeit. Funktionen sind eine Seite, die Abläufe zur Verwirklichung dieser Aufgaben die andere. Vier Ablaufphasen lassen sich i m Grunde für die reale Umsetzung jeder Funktion erkennen: Konzeption (Ziele und Motivation), Planung, Durchführung, Kontrolle. Aus ihrer funktionalen Einordnung heraus ist Marktforschung ein Hilfsmittel bei der Erstellung von Konzeptionen, bei der Planung und bei der Kontrolle. Wenn dies zutrifft, wenn einzelwirtschaftliche Marktforschung als Teilfunktion der Vorbereitung der Beziehungen zu den Märkten und zur Öffentlichkeit einzuordnen ist und wenn sie i n den Entscheidungsphasen Konzeption, Planung und Kontrolle realisiert wird, dann gehört sie organisatorisch als Stabsstelle zur Leitung der Einzelwirtschaft. Die Tatsache, daß betriebliche Marktforschungsabteilungen häufig dem Marketing, das i n der Regel ein Absatzmarketing ist, oder den Verkaufsoder Vertriebsleitungen zugeordnet sind, kann nicht als Gegenbeweis dienen. Die i n naher Zukunft zunehmend schwieriger werdenden Rohstoffmärkte werden bald das Beschaffungsmarketing und damit die Beschaffungsmarktforschung an Bedeutung zunehmen lassen, die öffentliche Reaktion auf bestimmte Arten der Einzelwirtschaften, wie ζ. B. die kapitalistischen Unternehmungen, die Wichtigkeit gekonnter Öffentlichkeitsarbeit unterstreichen. Anders gesagt: Reale Marktsituationen, wie Käufer- und Verkäufermärkte und Veränderungen der Gewichte i m Zeitverlauf, sich änderndes Selbstverständnis der Gesellschaft und bewußtwerdende neue Faktoren können nicht Grundlage wissenschaftlicher Analyse sein. Wirtschaftswissenschaft sollte — was sie lange genug war — kein Handlanger konkreter Herrschaft sein, sondern den Durchbruch zu allgemein gültigen Erkenntnissen schaffen. Deren Anpassung an gegebene Wirklichkeit ist etwas anderes als die Hinnahme wechselnder politischer Kräfte als Richtschnur wissenschaftlichen Denkens. Die vorgeschlagene Systematisierung umfaßt noch nicht alle der anfangs beispielhaft angeführten Begriffe. Wo ist die Verbrauchsforschung, die Konsumforschung einzuordnen?
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Verbrauch i.w.S. (Konsumtion) ist die „Vernichtung" der Versorgungsobjekte. Diese A r t der Verwendung, letztes Ziel auch des Versorgungssystems Markt, läßt sich differenzieren. Verbrauch i.e.S. bezeichnet die kurzfristige, Gebrauch, früher Produktiv-Verbrauch genannt, die längerfristige Verwendung. I n der Tat können alle Versorgungsobjekte der sofortigen oder längerfristigen „Vernichtung" zugeführt werden. Z w i schen einem Haushaltherd und einer petrochemischen Anlage bestehen alle möglichen Unterschiede, i m Kern aber dienen sie beide demselben Zweck: der längerfristigen Nutzung zum Zwecke der Erstellung anderer Versorgungsobjekte (produzierte Produktionsmittel). Und ob das Beschaffungsamt der Bundeswehr als Nachfrager/Beschaffer nach Treibstoff auftritt oder der Halter eines privat genutzten Personenwagens, ändert — trotz aller Besonderheiten — am Prinzip nichts. Das aber heißt, daß Verbrauch und Gebrauch keine Endstationen sind, wie der Terminus „letzter Verbraucher" vermuten läßt. Die Objekte werden verwendet, u m daraus direkt oder indirekt andere Objekte zu erstellen. Dabei können diese Objekte unmittelbar i n neu erstellten untergehen, wie ζ. B. Kunststoffgranulat über den Spritzguß i n Haushaltwaren oder die Chemikalien, die entsprechend komponiert ein Waschmittel bilden, sie können mittelbare Hilfsdienste bei der Erstellung neuer Objekte leisten, wie z. B. der Treibstoff für die Dienstwagen einer Behörde oder die Klimaanlage für einen Produktionsbetrieb. Auch der private Haushalt, der gemeinhin nicht als Einzelwirtschaft begriffen wird, obwohl er es (auch) ist, kann Beispiele geben: die Leistungserstellung der Ernährung für die Familienmitglieder schließt direkt i n das Essen eingehende Objekte ebenso ein wie Objekte, die dazu Hilfe geben. Insgesamt dient der sog. private Verbrauch direkt der Erhaltung der Leistungsfähigkeiten, die dann von einzelnen Familienmitgliedern beispielsweise als Nutzungsrechte an Diensten auf begrenzte Zeit i m Arbeitsmarkt angeboten und vermietet werden. Die Sphäre der Verwendung legt sich also wie ein Raster über das Versorgungssystem Markt. Alle Einzelwirtschaften sind auch letzte Verwender. Da diese Sphäre aber das letzte Ziel des Versorgungssystems M a r k t ist, muß sie von i h m abgegrenzt werden. Der einschlägige Begriff ist die Marktentnahme. Wer als Nachfrager/Beschaffer, und das sind alle, dem System Objekte entnimmt, führt sie dem Bereich der Verwendung zu, es sei denn, er bietet sie ohne Veränderung i n neuer Kombination anderen Nachfragern/Beschaffern wieder an, wie dies der Handel tut. Versorgungssystem M a r k t und der Bereich der Verwendung sind m i t einander verknüpft, aber nicht einander ebenbürtig. Die Notwendigkeit, Versorgungsobjekte zur Verwendung zur Verfügung zu haben, ist existentiell bedingt. Folglich ist die Verwendung ein natürliches System, i m
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Gegensatz zum gemachten System des Leistungsaustausches. Und folglich steht die Verwenderforschung (Ver- und Gebrauchsforschung) der Marktforschung mit dem Anspruch der Priorität gegenüber. Zielbereiche der Verwenderforschung (A) Erforschung der Verwender u n d der benötigten Objekte (privat u n d öffentlich genutzte Objekte). (B) Erforschung der Verwendungsprozesse: (I) Direkte u n d indirekte Verwendung; (II) K u r z - u n d längerfristige Verwendung. (C) Erforschung des Verwendungsnutzens u n d der -mühe (Motivationen der Verwendung).
Wiederum: die Tatsache, daß die 1934 aus wissenschaftlicher Neugierde i n Deutschland entstandene Verbrauchsforschung i n der eigentlichen Phase ihres Aufbaus nach 1948 zunächst vorzugsweise für Anbieter/Absetzer i m Marktsystem tätig wurde und alsbald die hier abgegrenzte Marktforschung einbezog, ist kein Gegenbeweis. Als Forschungsspezialität i n einem systematisch abgrenzbaren Gebiet steht die Verwenderforschung allen zur Verfügung, die mit der Verwendung zu t u n haben, wie z. B. der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände oder Wirtschaftsbehörden. Die theoretische Bedeutung der Verwenderforschung unterstreicht eine weitere Überlegung. Bisher wurde der gegenseitige, M a r k t genannte Leistungsaustausch als ein Versorgungssystem begriffen. Der Verwendung aber dienen weitere Versorgungssysteme, an deren Realität die Dominanz eines Systems, wie ihn der Begriff Marktwirtschaft behauptet, nichts ändert. Es sind dies die Versorgungssysteme der Selbstversorgung, der Zuwendung (Transfer, Subvention, Geschenk, Erbschaft) und der Zuteilung (Plan-, Staats-, VerwaltungsWirtschaft). Die nicht bestreitbare Tatsache, daß die Versorgungssysteme Zuteilung und Leistungsaustausch, polarisiert und ideologisch verbrämt, immer wieder diskutiert werden, ändert nichts daran, daß sie einmal nicht die einzigen sind und zum anderen als wertfreie, machbare Versorgungssysteme mit bestimmten Ansätzen, Antrieben und meßbarer Effizienz verstanden werden können. Eine Ausnahme bildet auf den ersten Blick die Selbstversorgung. Sie ist als totale Selbstversorgung nur i n der Gruppe möglich und durch die Identität der Versorger und Versorgten gekennzeichnet. I n entfalteten Wirtschaftssystemen bleibt sie als Teil-Selbstversorgung (Do i t yourself/ Heimwerk) erhalten. Alle vier Versorgungssysteme dienen letztlich der Verwendung. Ein modernes Wirtschaftssystem ist demnach eine bislang unterbewußt ge-
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staltete Kombination dieser vier Systeme zum Zwecke der Versorgung der Menschen m i t Objekten. Wer glaubt, der empirischen Wirtschaftsforschung oder der Konjunkturforschung oder der amtlichen Statistik, als politischer Institution zur Datenbeschaffung und -Verarbeitung, Unterlagen darüber entnehmen zu können, geht i n die Irre. Dies ist verständlich: so lange die Wirtschaftswissenschaften den Wirtschaftssystemen relativ hilflos gegenüberstehen, w i r d sich daran auch nichts ändern. Die Aufgaben der gesamtwirtschaftlichen Forschung sind Abhängige des jeweils herrschenden Erkenntnisstandes. Bezogen auf Versorgungssysteme lassen sie sich etwa so formulieren: Zeilbereiche der Wirtschaftsforschung (A) Verwenderforschung (s. o.). (B) Systemforschung: (I) Anteile der einzelnen Versorgungssysteme; (II) Die Abläufe der Versorgungsprozesse; ( I I I ) Vergleich der Effizienz der Systeme untereinander u n d bezogen auf die Versorgung der Verwendung; (IV) Projektion der Systeme u n d ihrer vorhersehbaren Entwicklung an H a n d systemkonformer Zeit-Daten.
Das Fehlen gesamtwirtschaftlicher Ansätze ist ein Handicap der empirischen, zumeist national-staatlichen Wirtschaftsforschung. Ein anderes sind die angewandten Methoden und Verfahren. Hier hat die einzelwirtschaftliche M a r k t - und Verwenderforschung einen bemerkenswerten Erfahrungsvorsprung. Schnutenhaus sagt i n der Einleitung seines erwähnten Buches zu Recht, daß die Geisteswissenschaften den Naturwissenschaften eine Methode, nämlich die der Befragung voraus haben. Die unter den Methoden der Beobachtung, der Befragung, des Experiments subsumierbaren Verfahren und dazu die Kombinationen, wurden durch die einzelwirtschaftliche Forschung, an deren Anfang i n den 30er Jahren Werbefachleute und die Markenartikelindustrie standen, zu einer Perfektion entwickelt, die Beachtung verdient. Die Anwendung auf die verschiedenen Möglichkeiten der Wahrscheinlichkeitsauswahl repräsentativer Querschnitte bringt Ergebnisse, die den amtlichen Vollerhebungen sowohl inhaltlich als auch zeitlich weit überlegen sind. Darauf dürfte das paradoxe Ergebnis zurückzuführen sein, daß Einzelwirtschaften, vorzugsweise Unternehmungen und Verbände, die diese Forschungen allein oder m i t Hilfe von freien Forschungsinstituten betreiben, m i t ihren Marktpartnern und ihren Verwendern i m Schnitt doch recht gut zurecht kommen, während die staatliche Wirtschafts- und Fi-
Marktforschung und Wirtsaftsforschung
25
nanzpolitik eher das Ergebnis von Zufällen zu sein scheint, auf alle Fälle aber über höchst mangelhafte Entscheidungsgrundlagen verfügt. Forschung ist immer M i t t e l zum Zweck. Die allmählich zurückgehende Differenzierung nach zweckfreier und Zweck-Forschung war eher ein M i t t e l der Diffamierung. Als ob Forschungsmittel, die der jeweilige Staat zur Verfügung stellt, etwas „Besseres" wären als M i t t e l aus anderen Quellen. Schließlich ist der Nationalstaat Interessent wie jedes andere Wirtschaftssubjekt auch. Die Unabhängigkeit des Forschers hat m i t der Herkunft der M i t t e l nichts, aber alles m i t seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis zu tun. Marktforschung und Wirtschaftsforschung wurden unter diesem Aspekt kritisch analysiert. Z u kurz gekommen ist die Anwendung dieser Möglichkeiten der Forschung i n anderen Versorgungssystemen, wo sie natürlich genau so als M i t t e l für übergeordnete Zwecke eingesetzt werden kann und auch wird. Ein Ergebnis ist die Priorität der Verwenderforschung und die Notwendigkeit, einzel- und gesamtwirtschaftlich sowohl die Erforschung der verschiedenen Versorgungssysteme als auch ihrer Verknüpfung m i t dem Bereich der Verwendung mit allen derzeit zur Verfügung stehenden modernen Methoden i n Angriff zu nehmen. Der größere Nachholbedarf liegt dabei weniger bei der einzelwirtschaftlichen Forschung als bei der gesamtwirtschaftlichen, der sogenannten empirischen Wirtschafts- und Konjunkturforschung. Wirtschaftsforschung ist ein Gesamtprojekt; unterschiedliche Entwicklung einzelner Teilbereiche verlangt nach sach- und zweckgerechter Koordination. Sie steht als A u f gabe an, wenn die äußerst komplexen, kombinierten Wirtschaftssysteme der entfalteten Gesellschaft nicht an mangelnder Transparenz scheitern sollen.
Prognose und Unternehmungsplanung Von Dietger Hahn A . Grundsätzliches zur Unternehmungsplanung und Prognose
Prognosen und Prognoseverfahren sowie Prozeß und System der Unternehmungsplanung bilden Kernfragen der Unternehmungsführung und sind wiederholt i m betriebswirtschaftlichen Schrifttum behandelt worden. Hierauf aufbauend sei i m folgenden versucht zu skizzieren, welche Bedeutung spezifische qualitative und quantitative Prognosen für die wichtigsten Planungskomplexe i m Plansystem der Unternehmung besitzen, wobei als Planungskomplexe die generelle Zielplanung, die strategische Planung, die operative Planung und die gesamtunternehmungsbezogene Ergebnis- und Finanzplanung betrachtet werden. I . Planung in der Unternehmung
Planung interpretiert als Entscheidungsprozeß beinhaltet die Vorwegnahme künftigen Geschehens durch zielorientierte Suche, Beurteilung und Auswahl von Entscheidungs-ZHandlungsalternativen 1 . Resultat dieses Informationsverarbeitungsprozesses sind Sollgrößen, die sich i n Plänen niederschlagen. Die Steuerung — die detaillierte Festlegung und Veranlassung der Durchführung des Entscheidungsresultats — sowie die Durchführung dienen der Realisation der Planung. Resultat der Durchführung sind Istgrößen, die sich i n Berichten niederschlagen und aus Vergleichsgründen oft m i t i n Plänen aufgenommen werden. Die Kontrolle ist Ergänzung der Planung und folgt der Durchführung bzw. begleitet diese. Sie beinhaltet i m K e r n das Vergleichen von Sollgrößen (Entscheidungsresultaten) und Istgrößen (Durchführungsresultaten) (vgl. Abb. 1). Der Entscheidungsprozeß kann bei detaillierter Betrachtungsweise innerhalb jeder Phase des Prozesses ablaufen. Vielfach finden Rückkoppelungen zwischen einzelnen Phasen bzw. Operationen statt 2 . Der Entschei1 Vgl. zu den Phasen des Entscheidungsprozesses z . B . Schnutenhaus, O. R.: Die Entscheidungsanalyse der Unternehmungsführung f ü r das systematische Gewinnmachen i m M a r k t u n d die Typologie der Unternehmung, Herne - B e r l i n 1969, S. 99 ff. 2 Vgl. Keinen, E.: Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden 1966, S. 26ff.; Ulrich, H.: Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern 1968, S. 204 f.
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Tätigkeiten der Rückinformation (Ist) Unternehmung·führung Vgl. Hahn, D.: Führung des Systems Unternehmung, in: ZfO 1971, S. 163.
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Abbildung 1: Planung, Steuerung und Kontrolle als Führungstätigkeiten in der Unternehmungsa
28
Prognose und Unternehmungsplanung
29
dungsprozeß ist ferner sachlich und zeitlich verkettet m i t anderen vor-, nach- und parallelgelagerten Entscheidungsprozessen. Gegenstand des Entscheidungs- bzw. Planungsprozesses sind Ziele und Zielerreichungsmöglichkeiten. Interpretiert man das dynamische System Unternehmung als Aktionszentrum 3 , i n dem Ziele durch Aktionen an Aktionsobjekten (Informationen, Sachgütern, Geld) auf der Basis von Potentialen verwirklicht werden, und betrachtet man den bewerteten Input, Prozeß (Throughput) und Output gesondert, so lassen sich vom Planungsgegenstand her vier Hauptplanungskomplexe i n der Unternehmung unterscheiden: — Generelle Zielplanung — Produktprogramm- und Potentialplanung = strategische Planung — Produktprogramm- und Aktionsplanung = operative Planung — Gesamtunternehmungsbezogene Ergebnis- und Finanzplanung. Diese Planungen und deren Resultate (Pläne) bezogen auf Teile des Umsystems (Märkte), das System Unternehmung und dessen Subsysteme sowie auf Projekte, bilden das Planungs- bzw. Piansystem einer Unternehmung (vgl. Abb. 2), das bezüglich der sich wiederholenden Planungen als rollende, kurz-, mittel- und langfristige Planung durchzuführen ist. Eine Detaillierung der genannten Hauptplanungskomplexe ist ζ. B. i m Rahmen der generellen Zielplanung nach der A r t der Ziele i n Sozial-, Wert- und Produktziele möglich. I m Rahmen der strategischen Planung können Produktplanung und Produktprogramm-/ und Potentialplanung (Investitions-/Desinvestitionsplanung) sowie Organisations- m i t Informationssystemplanung und Rechtsformplanung unterschieden werden. I m Rahmen der operativen Planung sind ausgehend vom Produktprogramm für alle Funktionsbereiche Programme (Zielbündel) und Aktionen zu planen. Die Ergebnis- und Finanzplanung sind das erfolgs- und liquiditätsrechnerische Spiegelbild der vorab genannten Hauptplanungskomplexe; als gesamtunternehmungsbezogene Planung werden durch sie die oberen monetären Ziele ausgedrückt. Das Zahlenwerk dieses vierten Hauptplanungskomplexes beruht auf den Wertkategorien des Rechnungsund Finanzwesens, die eine ergebnis- und liquiditätsorientierte A b b i l dung und Gestaltung des Unternehmungsgeschehens ermöglichen (vgl. Abb. 2).
8 Vgl. Kosiol, E.: Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, Reinbek b. Hamburg 1966.
30
Dietger Hahn Abbildung 2: Planungssystem einer Unternehmung (mit verrichtungsorientierter Aufbauorganisation)3a
* Produktplanung, Produktprogramm- und Potentialplanung, Kapitalstrukturplanung, Aufbauorganisationsplanung mit Rechtsstruktur- und Informationssystemplanung.
Voraussetzung für die Durchführung der Planung von Zielen und Maßnahmen (zielorientierten Aktionen m i t oder ohne Potentialänderungen) sind Informationen über das Geschehen i n der Unternehmung und i n der Umwelt ex ante und ex post. Voraussetzung für die i m rollenden Planungssystem sukzessiv oder bei Einsatzmöglichkeit entsprechender Gesamtunternehmungsmodelle simultan durchzuführenden Planungen sind Sa Hahn, D.: Integrierte ergebnis- und liquiditätsorientierte Planungs- u n d Kontrollrechnung als Führungsinstrument, Wiesbaden 1974.
Prognose und Unternehmungsplanung
31
damit zum einen Analysen und Beobachtungen und zum anderen Prognosen jeweils i m Hinblick auf Unternehmung und Umwelt. Allerdings sind Umweltinformationen direkt nur für die marktbezogenen und öffentlichkeitsbezogenen Führungstätigkeiten Voraussetzung.
I I . Prognose und Prognoseverfahren
Jede Prognose ist eine informative Behauptung über künftige Zustände und Ereignisse 4 , eine Aussage über die künftige Entwicklung bestimmter Variablen (Erscheinungen, Objekte) — soweit möglich unter Angabe der Wahrscheinlichkeit des Eintreffens des Voraussageinhaltes 5 . I n Abhängigkeit davon, ob quantifizierbare oder nicht quantifizierbare Variable als Objekte der Prognose betrachtet werden, kann zwischen quantativen und qualitativen Prognosen — und auch Prognoseverfahren — unterschieden werden. I n Abhängigkeit davon, ob die zu prognostizierenden Variablen primär auf Prozessen i n der eigenen Unternehmung oder aber primär auf Prozessen (auch) anderer Unternehmungen/Entscheidungsträger i n der Umwelt beruhen, kann zwischen Unternehmungsprognosen (ζ. B. Verkaufsprognose oder Forschungs- und Entwicklungsprognose für bestimmte Produkte der Unternehmung) und Umweltprognosen (ζ. B. Bruttosozialproduktprognose, Branchenumsatzprognose oder technologische Verfahrensprognose einer Branche) unterschieden werden. Hierbei kann bei den Umweltprognosen, die oft allein als Prognosen angesehen werden 6 , i n Abhängigkeit vom Umfang des zugrunde gelegten Wirtschaftsraumes und vom sachlichen Detaillierungsgrad der zu prognostizierenden Variablen von generellen und speziellen Prognosen gesprochen werden. Bei den Unternehmungsprognosen handelt es sich stets u m spezielle Prognosen (vgl. Abb. 3). Als Verfahren für generelle und spezielle qualitative Prognosen bieten sich primär Befragungsmethoden an. Es kommen hier einstufige Befragungen und mehrstufige Befragungen — insbesondere auch als Expertenbefragung m i t informationeller Rückkoppelung (Delphi-Methode) — i n 4
Wild, J.: Unternehmerische Entscheidungen, Prognosen u n d Wahrscheinlichkeit, i n : ZfB, 39. Jg., Ergänzungsheft 2,1969, S. 66 f. 5 Vgl. ähnlich bei Haustein, H.-D.: Prognoseverfahren, B e r l i n (Ost) 1970, S. 359; Bonhoeffer, F. O.: Langfristige Branchenprojektionen, B e r l i n - München 1963; Mellerowicz, K . : Planung und Plankostenrechnung, Bd. I, Freiburg i. Br. 1961, S. 76; Weiskam, J.: Methoden der Voraussage als Grundlage betrieblicher Planung, Diss. B e r l i n 1963, S. 10. β Vgl. ζ. B. Kneschaurek, F.: Umweltprognosen u n d Unternehmungsplanung, i n : Grundprobleme der Unternehmungsplanung, hrsg. v. Institut f ü r Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen f ü r Wirtschafte- u n d Sozialwissenschaften, Bern 1968, S. 40.
Dietger Hahn
32
Abbildung
ν.
Art des Bezugsfeides
3: Qualitative und quantitative, generelle
Generelle Umweltprognosen
Art des Verfahrens
Qualitative (einstufige oder m e h r stufige) Prognosen (Prognoseverfahren)
— Supranationale, nationale u n d regionale gesellschafts-, ordnungs-, sozial- u n d wirtschaftspolitische Gesamtentwicklung — Entwicklungen der außen- und wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen Wirtschaftsräumen — Entwicklung der gesellschaftspolitischen und bildungspolitischen Strömungen i n den einzelnen Wirtschaftsräumen — Entwicklung der Sozialgesetzgebung i n den einzelnen Wirtschaftsräumen — Entwicklung der Ordnungs- und 1 Wirtschaftspolitik i n den einzelnen Wrrtschaftsräumen — Handels-, Gesellschafts- u n d Eigentumsrecht — Kartellrecht — Mitbestimmungsrecht — Steuerrecht — Umweltschutzrecht — Entwicklung auf dem K a p i t a l m a r k t (Anbieter/Nachfrager) — E n t w i c k l u n g auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere — Erwerbstätigenza'hl — Alters- u n d Bildungsstruktur der Erwerbstätigen — Angebot an Arbeitnehmer (Inland/Ausland) — Nachfrage nach Arbeitnehmern (Inland/Ausland) — E n t w i c k l u n g der Technologie, insbesondere — Verkehrstechnik — Energietechnik — Verfahrens-/(Werk-)Stofftechnik
— E n t w i c k l u n g der Bevölkerung u n d - s t r u k t u r
Quantitative (univariable oder m u l t i variable) Prognosen (Prognoseverfahren)
— E n t w i c k l u n g des Bruttosozialprodvt-i>vt-2--yt-tù
Wichtige Verfahren bei dieser Auswertung sind i m Hinblick auf univariable Prognosen die Trendrechnung und die Methode der exponentiellen Glättung. Den multivariablen Prognosen liegt die Annahme eines kausalen Zusammenhanges zwischen der zu prognostizierenden Variablen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen zugrunde: y = /(*)
y = f (χ, u, ν, w ...)
Hier ist als wichtiges Auswertungsverfahren die Regressionsanalyse zu nennen. I m einfachen Fall linearer Verhaltensgleichungen lautet die mathematische Funktion bei multivariablen Prognosen ζ. B.: y = a + bx
I m komplexen Fall nicht linearer Verhaltensgleichungen lautet die Funktion ζ. B.: y = α + bxi 4- CX2 2 + dx 3 2 + βχβ
Nach Berechnung der Modellkoeffizienten (bei den multivariablen Prognosen auch anschaulich „Reaktionskoeffizienten" genannt) können konkrete Zahlenwerte i n die Funktionen eingesetzt und kann die zu prognostizierende Variable y berechnet werden. 7 Vgl. zu den qualitativen Prognoseverfahren ζ. B. Albach, H.: Informationsgewinnung durch strukturierte Gruppenbefragung — Die Delphi-Methode —, i n : Z f B 40. Jg., Ergänzungsheft, 1970, S. 1 0 - 2 6 ; Brockhoff, K . : Probleme u n d Methoden technologischer Vorhersagen, i n : ZfB, 39. Jg., Ergänzungsheft 2, 1969, S. 1 - 2 4 ; Schöllhammer, H.: Die Delphi-Methode als betriebliches Prognose- u n d Planungsverfahren, i n : ZfbF, 22. Jg., Heft 2, 1970, S. 128 - 137; W i i mot, P. D.: A Comparison of the Methods of Technological Forecasting, i n : I n dustrial Marketing Management, No. 1,1971, S. 95 - 102. 8 Vgl. Mertens, P. (Hrsg.) : Prognoserechnung, Würzburg - Wien 1973; Müller Merbach, H.: Operations Research, 2. Aufl., München 1971, S. 437 ff.
Prognose und Unternehmungsplanung
35
B. Bedeutung der Prognosen für die Planung in der Unternehmung Betrachtet man den allgemeinen Planungsprozeß, so w i r d deutlich, daß Prognoseinformationen unabdingbare Voraussetzungen des zukunftsorientierten Entscheidungsprozesses sind, zumindest i m Hinblick auf die Problemstellungsphase sowie insbesondere die Such- und Beurteilungsphase9. Für das Erkennen, Definieren und Gewichten eines Problems, für das Auffinden und die Auswahl von näher zu untersuchenden Alternativen und ganz offensichtlich für die Voraussage der Wirkungen von Alternativen bedarf es entsprechender Prognosen. Fragt man, welche Verfahren der Prognose i m Hinblick auf Planungen m i t unterschiedlicher zeitlicher Reichweite besonders geeignet sind, ist zunächst festzustellen, daß die qualitativen Verfahren primär für langfristige Prognosen i n Betracht kommen und nur i n Einzelfällen für kurzfristige Prognosen angewendet werden. Bei den quantitativen Verfahren haben sich die multivariablen Methoden insbesondere für mittel- und langfristige Prognosen bewährt, bei denen die zu prognostizierende Variable (ζ. B. Nahrungsmittelverbrauch) über nur wenige oder nur eine gesamtwirtschaftliche Bezugsgröße (z.B. reales Sozialprodukt) m i t jeweils nur einem Reaktionskoeffizienten verknüpft werden kann. Univariable Methoden lassen „sich i n der Regel nur für kurzfristige Prognosen m i t einer zeitlichen Reichweite von weniger als 1 Jahr und für w i r t schaftliche Größen verwenden, deren Entwicklung sich durch ausgeprägte Monats-, Wochen-, Tages- oder Stundenrhythmen" 1 0 charakterisieren läßt. Fragt man, welche Prognosen i n der Regel für die Hauptplanungskomplexe vornehmlich erforderlich sind, so lassen sich zumindest bezüglich der generellen Umweltprognosen einige allgemeingültige Aussagen treffen. I . Prognosen für die generelle Zielplanung und die strategische Planung
I m Rahmen der generellen Zielplanung interessieren zunächst Prognosen für die Sozialzielplanung. Hier sind für die Festlegung von generellen Verhaltensgrundsätzen gegenüber unternehmungsinternen Personen, den Mitarbeitern, sowie gegenüber externen Personen, insbesondere den Marktpartnern, Informationen über gesellschafts- und sozialpolitische Strömungen, Entwicklungen der Sozialgesetzgebung, des Gesellschafts• Vgl. Freese, E.: Prognose u n d Anpassung, ZfB, 38. Jg., Heft 1, 1968, S. 33 f.; Wild, J.: Unternehmerische Entscheidungen . . . 10 Vgl. zur Bedeutung der Umweltprognose f ü r die strategische Planung ζ. B. Aurich, W. u n d Schroeder, H.-U.: System der Wachstumsplanung i m Unternehmen, München 1972, S. 111 f.
3·
Dietger Hahn
36
rechts, des Mitbestimmungsrechts sowie der Bildungspolitik und B i l dungsstruktur erforderlich. Für die Planung der generellen Wertziele ist für die Festlegung von Umsatz- und Ergebniszielen die Kenntnis der voraussichtlichen Entwicklung des Bruttosozialproduktes eine wichtige Voraussetzung. Zudem interessieren globale Nachfrage- und Angebotsentwicklungen auf bestimmten Märkten für bestimmte Produktgruppen nach A r t , Menge und Wert (Preis). Für die Sicherstellung des Ziels Liquiditätssicherung ist von den finanzwirtschaftlichen Einflüssen her die Kenntnis der voraussichtlichen Entwicklung auf dem Kapitalmarkt von besonderer Bedeutung. Neben Voraussagen über die Entwicklung des Zinsniveaus sind für import- und/oder exportabhängige Unternehmungen Voraussagen über künftige Wechselkursänderungen sowie zu erwartende außenwirtschaftliche Regelungen bezüglich des Kapitalverkehrs besonders wichtig. Das künftige Sachziel, d. h. das Tätigkeitsfeld der Unternehmung auf der Basis bestimmter Produktgruppen i m Hinblick auf bestimmte Märkte, kann nur auf der Grundlage von Aussagen über die Entwicklung der wichtigsten Technologien sowie der wichtigsten natürlichen Ressourcen erfolgen. Bei der heutigen internationalen Wirtschaftsverflechtung bedarf es einer weltweiten Prognose der technologischen Entwicklungen und der Ressourcen. Dies gilt bei Ressourcen insbesondere bezüglich der Arbeitskräfte, der Rohstoffe und der Energie. I m Rahmen der strategischen Planung, die grundsätzlich langfristigen Charakter hat, sind für die Produkt- sowie Produktprogramm- und Potentialplanung die vorab für die Wertzielplanung und Sachzieplanung genannten Prognosen ebenfalls relevant. Zusätzlich zu den genannten Variablen ist die Entwicklung des Umweltschutzrechts hier besonders wichtig. Ferner sind die generellen Umweltprognosen problembezogen durch spezielle Umwelt- und Unternehmungsprognosen zu ergänzen 11 . So bilden Aussagen über die voraussichtliche künftige Entwicklung der Struktur und der A r t der Aktivitäten sowie der hieraus zu erwartenden Wirkungen anderer Marktteilnehmer wichtige Planungsgrundlagen. Es gilt, bezüglich anderer Marktpartner Aktionen und Reaktionen auf der Basis verschiedener Verhaltenshypothesen vorauszusagen. Bei derartigen Prämissen sind unter Zugrundelegung bestimmter eigener Aktivitäten letztlich periodische Absatzmarktprognosen und Lebenszyklusschätzungen für Produkte oder Produktgruppen vorzunehmen. Für die Organisationsplanung sind gesellschafts- und bildungspolitische Strömungen m i t zu erwartenden entsprechenden rechtlichen Regelungen maßgebend. Für die Planung der Rechtsform und Rechtsstruktur einer 11
Kneschaurek,
F.: Umweltprognosen . . S . 47.
Prognose und Unternehmungsplanung
37
Unternehmung bedarf es der Vorhersage wichtiger Änderungen i m Handels· und Gesellschaftsrecht, Mitbestimmungsrecht sowie auch i m K a r tellrecht und Steuerrecht. I I . Prognosen für die operative Planung und gesamtunternehmungsbezogene Ergebnis- und Finanzplanung
I m Rahmen der operativen Planung, die grundsätzlich mittel- und kurzfristig ist, erhalten die Unternehmungsprognosen besonderes Gewicht. Da die Planung der Ziele und Maßnahmen hier einen höheren Detaillierungsgrad erfahren muß, interessieren insbesondere die mittel- und kurzfristig zu erwartenden Aktivitäten anderer Unternehmungen bzw. Entscheidungsträger. Es bedarf der Voraussage der zu erwartenden A k tionen und Reaktionen der Anbieter und Nachfrager auf dem Absatzmarkt, dem Sachgüterbeschaffungsmarkt, dem Arbeitsmarkt sowie dem Kapitalmarkt. Ebenfalls sind die Wirkungen eigener möglicher künftiger Aktionen und Reaktionen i n diesem Zusammenhang als Grundlage für die Aufstellung und Beurteilung von Planalternativen zu prognostizieren. Ferner sind für die operativen Planungen Kenntnisse über saisonale Entwicklungen von Input- und Outputgrößen sowie über mittel- und kurzfristig zu erwartende Rechtsvorschriften oder Rechtsänderungen wichtige Planungsgrundlagen. I m Rahmen der gesamtunternehmungsbezogenen Ergebnis- und Finanzplanung, die lang-, mittel- und kurzfristigen Charakter hat, sind Aussagen über zu erwartende Änderungen des Steuerrechts sowie Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt von besonderer Bedeutung. Auch können hier auf der Basis von Gesamtunternehmungsmodellen (Bilanz- und Finanzplanungsmodellen) die voraussichtlichen Wirkungen von zu erwartenden Preisänderungen auf dem Sachgüterbeschaffungsmarkt, dem Energiemarkt, dem Arbeitskräftemarkt sowie dem Absatzmarkt bzw. den Absatzmärkten auf der Basis entsprechender Prognoseangaben i n ihrer Wirkung auf Ergebnisse und sonstige monetäre Ziele künftiger Perioden verdeutlicht werden. Prognostiziert man hier und i n den anderen Hauptkomplexen der Unternehmungsplanung i n Frage kommende Alternativen und deren Wirkungen, so w i r d deutlich, daß die Grenzen zwischen Prognose und Planung fließend sind. I I I . Auswahlkriterien für Prognoseverfahren
Ausgehend von der Tatsache, daß die Aufgabe der Unternehmungsplanung nur dann mit Erfolg gelöst werden kann, wenn entsprechende prognostizierte Daten vorliegen, stellt sich immer wieder die Frage, welche Verfahren innerhalb der Hauptplanungskomplexe bei der Lösung spezi-
Dietger Hahn
38 Prognosemethoden
Quantitative Glättungsmethoden W) fi Φ
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Auswahlkriterien
Zeithorizont der Prognose
sehr kurzfristig (weniger als 1 Monat) kurzfristig ( 1 - 3 Monate) mittelfristig (3 Monate bis 2 Jahre) langfristig (länger als 2 Jahre)
selbstnichtselbstnichttrendmäßig selbstsaisonal nichtselbstzyklisch nichtMindestmenge verfügbarer Daten
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univariable Zeitreihe multivariables Eri n der Ver- klärungsmodell statistisches Erklägangenheit beorungsmodell bachteter nicht-statistisches Modelltyp Erklärungsmodell gemischtes Erklärungsmodell
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Relative Genauigkeit
Relative Einfachheit
Programmierungskosten Kosten der DatenSpeicher. Kosten der Programmspeich. Kosten des Programmdurchlaufs Exaktheit der prognostizierten Daten Prognose von Wendepunkten Benutzerfreundlichkeit des Verfahrens Komplexität des Verfahrens und interpretierbarkeit der Ergebnisse
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Explorative M.
Sonstige Methoden
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0
40
Dietger Hahn
fischer Prognoseprobleme angewandt werden sollen. Ausgehend von den bekannten Prognoseverfahren sind hierbei für die Auswahl des einzusetzenden Prognoseverfahrens bzw. der einzusetzenden Prognoseverfahren folgende Auswahlkriterien zu beachten: 1. Für welchen Zeithorizont sollen die Daten prognostiziert werden? 2. Welche Entwicklung der zu prognostizierenden Variablen konnte in der Vergangenheit beobachtet werden? 3. M i t welchem Modell konnte in der Vergangenheit die Entwicklung der Daten beschrieben werden? 4. Welche Relevanz w i r d dem jeweiligen Prognoseproblem unter dem Aspekt der Kosten der einzelnen Methoden zugeordnet? 5. Welche Genauigkeit w i r d i m Hinblick auf das spezifische Prognoseproblem verlangt? 6. Welchen Grad der Benutzerfreundlichkeit und der Komplexität besitzt das jeweilige Prognose verfahren? Eine Gegenüberstellung der verschiedenen Prognoseverfahren i m Hinblick auf die Teilfragen und damit ein Anhalt für die Wahl des einzusetzenden Prognoseverfahrens bei einem gegebenen Problem ist i n Abbildung 4 wiedergegeben 12 . Zweifellos kann eine derartige Übersicht, die zahlreiche Wertungen enthält, eine systematische Untersuchung zur Klärung der Frage der einzusetzenden Prognoseverfahren i m konkreten Anwendungsfall nicht ersetzen, wähl aber erleichtern. I V . Ersteller von Prognosen
Prognosen können unternehmungsintern und unternehmungsextern erstellt werden. Entscheidend dafür, welche Vorgehensweise zum Tragen kommt, sind vornehmlich Aspekte der Wirtschaftlichkeit, Praktikabilität und ζ. T. auch der Vertraulichkeit. Generelle Umweltprognosen werden von den Unternehmungen i n der Hegel über Fachverbände bezogen oder aus Veröffentlichungen von Institutionen wie der Bundesbank sowie von einschlägigen Instituten wie dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (München) und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin) gewonnen. Allenfalls spezielle Umweltprognosen werden i n Großunternehmungen direkt erstellt, 12 Die Übersichtsdarstellung findet sich bei: Makridakis, S. u n d Wheelwright, S.: Integrating Forcasting and Planning, i n : Long Range Planning, September 1973, S. 54, ferner zur W a h l der Prognoseverfahren: Chambers, J., Mullick, S. K., Smith, D. D.: H o w to choose the right forecasting technique, i n : HBR, July/Augujît 1971, S. 45 - 74.
Prognose und Unternehmungsplanung
41
meist werden derartige Prognosen jedoch an entsprechende Institute, die ζ. T. einer Universität angeschlossen sind, als Auftragsforschung übertragen. Diese Institute verfügen über Fachkräfte, die sich permanent mit der Erstellung von Prognosen beschäftigen, vielfach hohe Verfahrenskenntnisse besitzen und auch schnellen Zugang zu einschlägigen Veröffentlichungen haben. Unternehmungsprognosen werden i m Rahmen der Planungsarbeiten meist direkt von den am Planungsprozeß Beteiligten oder von zur Vorbereitung eingeschalteten Stabsabteilungen erarbeitet. Vielfach geschieht das auch durch Teamarbeit, sofern ζ. B. periodische Absatzvoraussagen oder Lebenszykluskurvenvoraussagen für Produkte bei Zugrundelegung bestimmter Umweltprognosen, Konkurrenzverhältnisse sowie A k t i v i t ä ten der Konkurrenten und der eigenen Unternehmung durchgeführt werden. Solchen internen Prognoseteams gehören neben Vertretern der Marktforschung und des Vertriebs ζ. B. auch Mitglieder der Forschung und Entwicklung, des Einkaufs und der oberen Leitung an. Zum Teil w i r d auch mit Prognoseteams gearbeitet, denen unternehmungsinterne und unternehmungsexterne Fachkräfte bzw. Experten angehören.
ZWEITER TEIL
Informationsverarbeitung im Marketing
Stärken und Schwächen der Anwendung des „Operations Research" dargestellt am Beispiel Marketing Von Hans Blohm A. Problemstellung Die Entwicklung des neueren Instrumentariums der Betriebswirtschaftslehre unterliegt sehr weit gestreuten, unterschiedlichen Beurteilungen. Die Streuung dürfte m. E. das übliche Maß differenzierter Betrachtungen, die sich i n jeder Disziplin aus unterschiedlichen Standorten und auf den verschiedenen Grundlagen mehr oder weniger fest vorgeprägter Auffassungen ergeben, erheblich übertreffen. So sind dies durchaus keine einsamen Extrempositionen, wenn einige Fachvertreter mit der Einführung modelltheoretisch-formaler Ansätze, sowie mit der Zuwendung zu psychologisch und soziologisch orientierten Forschungsgebieten und zur Systemtheorie besorgt die Vorstellung eines nahen Endes der Betriebswirtschaftslehre verbinden, andere m i t nicht geringerer Kompetenz i n der gleichen Entwicklung den Eintritt einer noch von unwissenschaftlicher Betrachtungsweise geprägten Kunstlehre i n den Tempel echter („exakter"?) Wissenschaften erblicken. Es sollen hier einige Tatsachen und Gedanken zur Anregung einer selbständigen Beurteilung der potentiellen Rolle des Operations Research für die Realisierung des Marketing-Konzeptes vermittelt werden. Die Verfahren des Operations Research werden dabei als repräsentativ für die neuere Entwicklung des formalen Instrumentariums, Marketing als ein repräsentativer Bereich der Betriebswirtschaftslehre angesehen. I m Marketing ist eine für diese Untersuchung vom Verfasser als wesentlich erachtete Aufgabe der Wissenschaft, gesicherte Grundlagen für praktisches Handeln zu vermitteln, besonders deutlich und unabdingbar. Auch ist der Marketingbereich dem klassischen Wirken und Denken des „Kauf- bzw. Handelsmannes", was für die Schaffung einer Betriebswirtschaftslehre einmal maßgeblich war, noch näher als manche anderen Bereiche, die bereits stärker administrativ oder technologisch orientiert und damit stärker determiniert sind als das stets probabilistische Tätigkeitsfeld des Kaufmannes.
46
Hans Blohm
I n Anlehnung an die Laudatio für einen Betrieb (Esser KG) anläßlich der Verleihung des Deutschen Marketing-Preises 1973 seitens der Deutschen Marketing Vereinigung soll das Ziel des Marketing-Konzeptes zur Gewinnung eines Beurteilungsmaßstabes für den möglichen Beitrag des 0.R. wie folgt skizziert werden: 1. Schöpferisch-gestaltende Markterschließung. 2. Be wußte Absatz- und Kundenorientierung aller Unternehmensbereiche. 3. Denken i n Systemzusammenhängen. 4. Verwirklichung des Prinzips der differenzierten Marktbearbeitung m i t den übergeordneten Zielen der dauerhaften Befriedigung der Kundenbedürfnisse und des kontinuierlichen Wachstums der Unternehmung. Die Frage, zu deren Beantwortung hier ein Beitrag geleistet werden soll, lautet dementsprechend: Was kann von dem neuen Instrumentarium an praktikablen, wissenschaftlich gesicherten Grundlagen zur methodischen Realisierung von Zielen, wie den oben genannten, erwartet werden? Welche Gefahren sind andererseits mit der Anwendung des Instrumentariums verbunden? B. Operations Research als Beitrag zu treffsicheren Entscheidungen Der Entwicklungsschwerpunkt wissenschaftlicher Unternehmensführung verlagerte sich i n den letzten Jahren immer mehr auf das Bestimmen des Weges zu treffsicheren Entscheidungen. Dabei w i r d i m Regelfall unterstellt, daß Entscheidungen „rational" zustande kommen müssen, u m den Anforderungen gegenwärtiger Unternehmensführung zu entsprechen. A u f das Wesen der Rationalität sei hier nicht weiter eingegangen; es genügt, auf die einschlägige Literatur zu verweisen 1 . I m Sinne des Themas soll lediglich eine unverzichtbare Eigenschaft rationaler Entscheidungen herausgestellt werden, die Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozesses. Das bedeutet, die Ziele werden angegeben und die Wege, die bei der Wahl eines Zieles und der M i t t e l zu seiner Erreichung maßgebend sind, sind methodisch zu entwickeln. I n der Regel w i r d dabei eine optimale Lösung angestrebt; das ist diejenige Lösung unter mehreren alternativen Möglichkeiten, die eine formalisierte Zielbestimmung (Zielfunktion) erfüllt: Zum Beispiel die größten Gewinne verspricht, die 1 Vgl. hierzu z. B.: Schnutenhaus, O. R.: Die Entscheidungsanalyse der U n t e r nehmensführung f ü r das systematische Gewinnmachen i m M a r k t u n d die T y p o logie der Unternehmung, Verlag Neue Wirtschaftsbriefe, Herne/Berlin 1969, 5. 14 ff., dort a u d i weitere Literaturhinweise.
Stärken und Schwächen der Anwendung des „Operations Research"
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niedrigsten Kosten erwarten läßt oder den Punktwert einer Bewertungstabelle (Zielfigur) maximiert oder minimiert. Es w i r d hier von „treffsicheren" Entscheidungen gesprochen, da sich der Entscheidungsprozeß, soweit er mit Marktgegebenheiten zusammenhängt, stets unter Ungewißheit vollzieht; das heißt, er stützt sich auf Erwartungen, für deren Eintreten allenfalls eine objektive oder subjektive Wahrscheinlichkeit angegeben werden kann. Entschieden w i r d stets für die Zukunft, und diese kann nur i n Ausnahmefällen als sicher angenommen werden. Ohne damit eine bestimmte zeitliche Reihenfolge als allein möglich oder allein zweckmäßig anzusehen, was neuere Untersuchungen — insbesondere von Witte 2 — nahelegen, können folgende Teilprozesse der rationalen Entscheidung unterschieden werden: 1. Aufgrund bestimmter Informationen — i n der Regel Soll-Ist-Vergleiche (Auslöser) — werden die für einen bestimmten Bereich verantwortlichen Führungskräfte auf das Anstehen einer Entscheidung aufmerksam gemacht. 2. Die Zielvorstellungen werden entwickelt und formuliert oder aus bereits bestehenden Zielfiguren für das bestimmte Entscheidungsproblem abgeleitet und präzisiert. So w i r d ζ. B. für einen optimalen Transportplan gefordert, daß die Gesamtkosten so niedrig wie möglich sein sollen, das entspricht dem übergeordneten Wirtschaftlichkeitsprinzip. 3. Die möglichen Alternativen zum Erreichen der Ziele werden aufgestellt und dabei Nebenbedingungen formuliert, denen die Alternativen genügen müssen. Es gilt der Satz, daß ein Optimum grundsätzlich nur bei vollständigen Alternativen bestimmbar ist. 4. Die Alternativen werden bewertet. I m Falle der Ermittlung des optimalen Transportplanes ζ. B. werden für mehrere oder alle möglichen Pläne die Transportkosten errechnet. 5. Es folgt die Auswahl der optimalen Alternative, das wäre i m vorliegenden Beispiel diejenige, die das Zielkriterium minimiert, also die vergleichbar geringsten Gesamttransportkosten aufweist. Für den Fall, daß hier alle Zielkriterien eindeutig quantifizierbar wären und die Auswahl nur nach diesen Kriterien erfolgte, wäre die Auswahl der optimalen Alternative nur noch ein rein formaler A k t , ja Bestandteil der Folge von Rechenschritten. Schon wenn nicht eindeutig quantifi2 Witte, E.: a) Die Organisation komplexer Entscheidungsverläufe, ein Forschungsbericht; b) Phasen-Theorem u n d Organisation komplexer Entscheidungsverläufe. Zeitschrift f ü r betriebswirtschaftliche Forschung, 20 (1968) 9, S. 581 ff. u n d 10, S. 625 ff.
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Hans Blohm zierbare Kriterien eine Rolle spielen, ist i n der Auswahl ein Entscheidungsspielraum, der von dem Entscheidungsgremium auszufüllen ist. Die Lösung, die ein Modell — z. B. m i t Hilfe des Operations Research — nahelegt, ist dann nur eine der Entscheidungsgrundlagen. I n der Regel sind die eingegebenen Daten auch des rechenbaren Teiles unsicher. A n die Durchführung der Rechnung muß sich deshalb eine „postoptimale Betrachtung" anschließen, i n der die Eingabedaten variiert, deren Auswirkungen studiert und die nicht rechenbaren K r i t e rien erörtert werden.
6. Nun folgt die Durchsetzung der Entscheidung. Das ist i n erster Linie ein „Führungsproblem"; i n vielen Fällen geht es dabei darum, Widerstände i m psychischen Bereich zu überwinden beziehungsweise die Mitarbeiter entsprechend zu motivieren. Diese Phase t r i t t unmittelbar i n das Gesichtsfeld der Kunden; sie ist deshalb i m Marketing-Konzept besonders wichtig, w i r d aber von O. R. nur insofern berührt, als möglicherweise die Entscheidungen auf objektivierter Grundlage i n höherem Maße gegenüber den Mitarbeitern motivierend wirken. 7. Die Überwachung schließt sich an. Sie soll durch Kontrollen, die i n den Arbeitsablauf eingeschaltet werden oder durch nachträgliche Revisionshandlungen von Organen, die dem zu überwachenden Bereich nicht angehören, feststellen, ob die bei der Entscheidung zugrunde gelegten Erwartungen auch tatsächlich eingetreten sind. Die Überwachung beinhaltet einen Soll-Ist-Vergleich, der wieder als Auslöser für neue Entscheidungen dienen kann. Damit ist der Kreis geschlossen. Je komplexer ein System ist, desto wichtiger w i r d die schrittweise Annäherung an Optima durch geschlossene Kreisprozesse. Auch diese Phase ist also für das Marketing-Konzept bedeutsam. Der Entscheidungsprozeß ist hier zum Hervorheben des Wesentlichen bewußt auf eine einfache Formel gebracht worden, und es sei noch einmal betont, daß die Aufzählung der einzelnen Teilprozesse (Phasen) nicht die allein zweckmäßige oder die normale zeitliche Folge darstellt. Für die Themenstellung dieser Arbeit ist festzustellen, daß Operations Research (O.R.) als eine auf die rationale Entscheidung angewandte Mathematik ihren Schwerpunkt i n der Phase 4 (Bewertung der Alternativen) hat. Dieser Tatbestand ist entscheidend, wenn die Bedeutung des Operations Research für den Marketing-Bereich gewertet werden soll. Bevor diese Feststellung ausgewertet werden kann, muß auf das Wesen des O.R. noch näher eingegangen werden. Operations Research i m Sinne einer Optimierungslehre 3 bedeutet immer Anwendung der Mathematik, wobei 3 I n das Operations Research m i t Betonung praktischer Modelle führen ein: Müller-Merbach, H.: Operation-Research, 2. Aufl., Verlag Franz Vahlen, F r a n k f u r t u n d B e r l i n 1971 (mit ausführlichem Literaturverzeichnis); Koller, H.: Si-
Stärken und Schwächen der Anwendung des „Operations Research"
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Verfahren der mathematischen Programmierung zur Lösung großer Gleichungssysteme an hervorragender Stelle stehen. Man kann die analytischen Verfahren von den Simulationsverfahren und den Näherungsverfahren unterscheiden. Erstere weisen i m Modell eine Zielfunktion auf und ergeben mittels einer Folge von Rechenschritten (Algorithmen) eine oder mehrere exakte optimale Modellösungen des Problems. Die Simulation beruht auf dem Durchprobieren von Lösungsmöglichkeiten (im Grenzfall aller Möglichkeiten — totale Enumeration) m i t der Auswahl der günstigsten Lösung unter Beachtung von Nebenbedingungen. I m Regelfalle w i r d nur ein Teil der Möglichkeiten durchgerechnet (partielle Enumeration), möglicherweise i n Gestalt einer nach statistischen Gesetzmäßigkeiten gezogenen Stichprobe. Näherungsverfahren ergeben m i t einfachen — oft manuell vollziehbaren — Rechenschritten befriedigende — nur i n Ausnahmefällen optimale — Lösungen. Die mathematisch anspruchlose Simulation m i t vollständiger Enumeration scheitert i n der Regel an der sehr großen Zahl von Lösungsmöglichkeiten. So hat zum Beispiel ein einfaches „Rundreiseproblem" („Travelling-Salesman-Problem"), bei dem insgesamt zehn Orte je einmal von einem Ort A beginnend und bei A wieder endend zu berühren sind, folgende Anzahl von Möglichkeiten der Reihenfolge: Pw = ( n - 1 ) ! P ( 1 0 ) = ( I Q - 1 ) ! ^ 3,6-105.
Auch wenn man bedenkt, daß sich die Operationsgeschwindigkeit der Computer etwa alle 6 bis 8 Jahre verzehnfacht, so w i r d man es doch i n absehbarer Zeit nicht als möglich ansehen können, praxisnahe Aufgaben dieses oder ähnlichen Typs durch vollständige Enumeration zu lösen. Das gilt auch deshalb, w e i l die Steigerung der praktischen Arbeitsgeschwindigkeit der Computer weit hinter der Steigerung der Operationsgeschwindigkeit zurückbleibt. Gute Chancen, sich gegenüber den mathematisch anspruchsvolleren analytischen Verfahren zu behaupten, haben m. E. Näherungsverfahren i n Verbindung m i t der Simulation auf dem Wege partieller Enumeration. Eine Übersicht über die mittels OR-Verfahren insbesondere i m Marketing-Bereich lösbaren Probleme vermittelt Tabelle 1. Es w i r d hier die Breite der Palette aber auch die Begrenzung der Wirkungstiefe sichtbar, auf die anschließend bei Behandlung möglicher Ableitungen näher eingegangen werden soll. mulation als Methode i n der Betriebswirtschaft, Zeitschrift f ü r Betriebswirtschaft, 36 (1966), S. 94 ff.; Mertens, P.: Simulation, Poeschel Verlag, Stuttgart 1970. 4 Festschrift für O. R. Schnutenhaus
— Wie groß ist die durchschnittliche Schlangenlänge? — Wie groß ist die durchschnittliche Wartezeit? — Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Objekt länger als eine bestimmte Zeitspanne warten muß? — Wie lange lind die Abfertigungsstellen durchschnittlich ohne Beschäftigung? Die zentrale Problemstellung ist: Optimale Dimensionierung von Engpässen! Lösung i. d. R. mit Hilfe von Simulatioristechniiken
Strategien
Untersuchung von Warteschlangensituationen. Warteschlangen Dimensionierung von Engpässen bilden sich, wenn Personen- oder Güterströme einen oder meh- (Abfertigungsstellen der verschierere Engpässe passieren müssen und die Ankünfte und oder die densten Art, wie Kassen usw.) Abfertigungszeiten Wahrscheinlichkeitsverteilungen unterliegen. Ablaufplanung bei nicht determiMit Hilfe der Warteschlangentheorie lassen sich folgende Frage- nierten Vorgängen Stellungen behandeln: Beurteilung von Bedienungs-
II. Theorie der Warteschlangen (vgl. „Simulation")
Einzelfälle sind: 1. Lineare Programmierung 2. Nichtlineare Programmierung 3. Stochastisdie Einige oder alle Größen unterliegen WahrscheinlichkeitsverteiProgrammiehingen. rung 4. Dynamische Rechentechnik zur Lösung insbesondere komplexer nichtlinearer ProgrammieProgramme. Die Optimierung erfolgt nicht für alle Variablen rung gleichzeitig, sondern in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten. 5. Ganzzahligie Beschränkung auf ganzzahlige Lösungswerte, z. B. : InvestitionsProgrammieantrag angenommen (x,· = 1) oder Investitionsantrag abgelehnt rung (X; = 0).
Transportplanung Standortbestimmung von Niederlassungen Mix der Absatzmengen Verkaufsplanung Absatzwege Mlix der Ziele und Nebenbedingungen sind als lineare Funktionen darge- Mediaselektion stellt; sämtliche Größen besitzen feste Werte, d.h. sie sind nicht Reihenfolgeprobleme stochastischer, zufallsbedingter Art. (wie Travelling Salesman) Die funktionalen Abhängigkeiten der einzelnen Größen sind Zuordnung von Aufgaben an nicht linear. Personen und Institutionen
Anwendungen
Charakteristische Merkmale
Maximierung oder Minimierung einer Zielfunktion, wobei gewisse Nebenbedingungen eingehalten werden müssen. Die Nebenbedingungen werden i. d. R. in Form von Ungleichungen angegeben. Ein allgemeines Lösungsverfahren gibt es noch nicht. Am bekanntesten ist das Simplex-Verfahren.
Verfahren
I. Mathematische Programmierung
Tabelle 1 Repräsentative Anwendungsmöglichkeiten des Operations Research im Marketing-Bereich
50 Hans Blohm
VII. Sonstige Verfahren
Entscheidungsbaum-Analyse Risikoanalyse
Entscheidungen über Entwicklungsvorhaben, neue Produkte, Absatzwege, Preise usw.
Marktanteils-Prognose Opt. Werbestrategien
Exponentielle Glättung Markov-Prognosen
VI. PrognoseVerfahre n
V. Simulation mittels komplexer Modelle im MarketingBereich
Methode zur Planung komplizierter Projekte, bei welchen zahl- Entwicklung neuer Produkte und reiche Einzelprozesse zu koordinieren sind. Als prinzipielle Pha- deren Einführung sen der Netzwerktechnik sind zu unterscheiden: Errichtung von Verkaufsbüros 1. Strukturanalyse Zerlegung des Projekts in die einzelnen Ar- plan(ung von Werbungs- und Verund nPlanung: beitsgänge und Darstellung des gesamten kaufsforderungsmaßnahmen Arbeitsablaufes in einem Netzwerkdia- Me+sse" xmd Ausstellungsvorbegramm, dessen Elemente „Ereignisse" und reitungen „Tätigkeiten" sind. Umorganisation des Außendienstes ο Ζ - m ·/ . j j. , , __ ., Vorbereitung von Marktstudien 2. Zeitanalyse Fur jede Tätigkeit wird die erwartete Zeitund -Planung: dauer geplant (bestimmter Erwartungswert •beim CPM-Verfahren, Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen beim PERT-Verfahren). Erweiterungen insbesondere durch Einbeziehung von Kostenüberlegungen (ζ. B. PERT/COST), Kapazitätsplanung und simultane Multiprojektplanung. Simulationsmodelle sind Modelle, deren Lösung durch Berech- Planung von Strategien nung oder „Durchspielen" einer größeren Zahl alternativer EinPreisveränderungen zelfälle erfolgt. Siefinden Anwendung, wenn komplexe Modelle Investitionsvorhaben mit Hilfe mathematisch-analytischer Methoden nicht bzw. un- Kombination des Marketing-MIX wirtschaftlich gelöst werden können. Insb. Warteschlangenpro- Lagerhaltungsprobleme bleme werden häufig mittels Simulation gelöst. System-Dynamics-Modelle.
IV. Netzplantechnik
III. Theorie der Verfahren zur Ermittlung optimaler Verhaltensweisen (Strate- Preisplanung Spiele gien) in bestimmten Konfliktsituationen. Ein Spiel (eine Kon- Sortimentsplanung fliktsituation) umfaßt mindestens zwei Personen bzw. Personen- Standortplanung gruppen, die unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Zielsetzungen verfolgen. Das Ergebnis eines Spieles hängt sowohl von der eigenen Verhaltensweise als auch von derjenigen der Gegenspieler ab.
Stärken und Schwächen1 der Anwendung dfes „Operations Research" 51
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Hans Blohm C. Ein Beispiel möglicher Ableitungen
Aus den getroffenen Feststellungen w i l l ich einige praktische Ableitungen versuchen; i m Interesse einer objektiven Betrachtung w i l l ich diese lediglich als ein Beispiel möglicher Schlußfolgerungen ansehen. Wie klar geworden sein dürfte, kann Operations Research eine beachtliche Bereicherung des Marketing-Instrumentariums sein; folgende Punkte sollten allerdings bei der Anwendung berücksichtigt werden. 1. O.R. ist ein Hilfsmittel bei der Auswahl zwischen gegebenen, alternativen Teilzielen und möglichen Wegen zur Realisierung der Ziele. Die wesentliche Entscheidungsphase i m Marketing liegt davor, sie erfordert die Kreativität der verantwortlichen Menschen. O.R. kann nur Alternativen bewerten und die Auswahl objektivieren. Die wichtigste, die kreative Phase des Entscheidungsprozesses w i r d also von O.R. nicht direkt berührt. Erwähnt sei allerdings, daß zu den neueren Methoden der Betriebswirtschaftslehre auch ein differenziertes Instrumentarium der Kreativitätsförderung gehört, auf das hier nur verwiesen werden kann 4 . O.R. selbst ist auch für den i m Marketing entscheidenden schöpferischen Teil der Aufgabe, der Hervorbringung von Alternativen, keineswegs wertlos. So kann bei simultan verlaufenden Zielbildungs-, Bewertungs- und Auswahlprozessen mittels O.R.-Verfahren eine realistische Begrenzung der Alternativen und auch eine schrittweise Hinführung zu weiteren Möglichkeiten erfolgen. Den Simulationsverfahren dürfte dabei besondere Bedeutung zukommen. 2. Die Methoden des O.R. dürfen nicht allein unter dem Aspekt der Komplettierung eines bestimmten Methoden- und Modellsystems weiterentwickelt werden, vielmehr ist eine Wechselwirkung von Forschung und praktischer Anwendung i m Sinne eines Systems vermaschter Regelkreise anzustreben. Die praktische Realisierbarkeit muß dabei gegenüber der formalen Eleganz der Verfahren ein mindestens gleichberechtigtes Anliegen sein. Die Theorie muß dem Praktiker verständlich gemacht werden und umgekehrt; die Kommunikation muß also erleichtert und nicht durch neue Fachsprachen mehr als unbedingt notwendig erschwert werden. 3. Selbst wenn man i n den Ergebnissen von Optimierungskalkülen mittels O.R. nicht mehr als eine Hilfe bei einigen Phasen des Entscheidungsprozesses sieht, so trägt doch schon eine Diskussion auf der Basis
4 z.B.: Ulmann, G.: Kreativität. Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes, Weinheim - B e r l i n 1968.
Stärken und Schwächen der Anwendung des „Operations Research"
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formaler Modelle wesentlich zur Objektivierung der Wahlakte zwischen Alternativen bei. Es zeigt i m Regelfall die Einflußfaktoren nach ihrer A r t und ihrem Gewicht, ermöglicht den Nachvollzug des Entscheidungsprozesses und die bessere Zuordnung von Verantwortlichkeiten selbst i n mehrköpfigen Entscheidungsinstanzen. Die Gefahr liegt allerdings darin, daß nur noch das gelten könnte, was quantifizierbar und Modellelement ist. I m Marketing könnten gerade dadurch wesentliche Faktoren vernachlässigt werden. 4. Menschliche Aktivitäten sollen nur ersetzt werden, soweit die computermäßige Bearbeitung von Modellen der Maschine Teilaufgaben zuordnet, für die sie besser geeignet ist; das sind vor allem Speicherund Rechenaufgaben komplexer und äußerst komplexer A r t . 5. Das Denken i n Systemzusammenhängen w i r d durch O.R. zweifellos gefördert, da die Erarbeitung von Modellen die Erforschung aller vertikalen und horizontalen Zusammenhänge i m Betrieb sowie zwischen Betrieb und Umwelt voraussetzt. Die Systemtheorie ist i n der Reihe der neueren Methoden das Anschlußglied, auf das hier zu verweisen ist«. 6. Differenzierte Marktbearbeitung und Wachstum sind Ergebnisse planerischen Gestaltens. Die Aufstellung mittel- und kurzfristiger Pläne w i r d durch geeignete Prognosetechniken und i n bezug auf O.R. durch Simulation verschiedener Möglichkeiten entsprechend den Erwartungen und Handlungsalternativen erleichtert, ebenso die Konzeption alternativer Strategien. 7. Optimale Bedingungen i m Vollzugsbereich wie optimale Transportwege, Standorte, Mediaselektion usw. sind nur eine Seite der dauerhaften Befriedigung der Kundenbedürfnisse, nämlich soweit sie über die Beeinflussung der Kosten- und/oder Ertragsseite die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß sich m i t der Verbreitung der O.R.-Techniken das Anspruchsniveau allgemein heben dürfte, so daß für wenige Nachzügler Marktnachteile, für die übrigen aber keine entscheidende Abhebung gegenüber der Konkurrenz erreicht werden kann. Das ist i m wesentlichen nur i n den Phasen „vor" und „nach" O.R. möglich: Bei der Hervorbringung der Alternativen, bei der Durchsetzung der Entscheidungen und dem Auswerten der Erfahrungen i n nachvollziehbaren Lernprozessen. Für den letztgenannten Vorgang gilt i m Prinzip auch das für O.R. Gesagte.
5
ζ. B.: Blohm, H.: Die Gestaltung des betrieblichen Berichtswesens als Problem der Leitungsorganisation, Verlag Neue Wirtschaftsbriefe, Herne/Berlin 1970.
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Hans Blohm D. Ergebnis
Operations Research w i r k t durch Objektivierung der „Bewertung" der Alternativen positiv auf die Treffsicherheit der Entscheidungen, bei gegebenen Alternativen. Für das Durchsetzen der Entscheidung und das Überwachen der Ergebnisse ist O.R. auch wirksam einzusetzen; denn schon die Möglichkeit, auf der Grundlage eines formalen Modells zu argumentieren, erleichtert das Durchsetzen und vermittelt eine klare Sollvorstellung für die Prüfung und Kontrolle als Teil der Überwachungsfunktion. Andererseits ergibt sich die gerade für das Marketing ernst zu nehmende Gefahr, daß man nur noch das Quantifizierbare gelten lassen könnte. Entscheidungen, die auf transparenten Prozessen beruhen, wobei insbesondere die Wertvorstellung sichtbar gemacht und die Ziele klar formuliert wurden, tragen zu einer Objektivierung aller Phasen der betrieblichen Arbeit — Planung, Vollzug, Überwachung — bei; sie werden leichter akzeptiert; sie ermöglichen einen Lernprozeß, der zu immer besseren Entscheidungen führt. Ein Lernprozeß setzt nachvollziehbare Entscheidungen unbedingt voraus. Die schöpferische Komponente, die gerade i m Marketing-Konzept entscheidend ist, w i r d durch O.R. allenfalls indirekt gefördert. Auch das umfangreiche Instrumentarium der Kreativitätsförderung dürfte für diejenigen, die sich ohnehin durch Ideen auszeichnen, nur noch eine geringe Hilfe sein. So w i r d deutlich, daß der Ausbau des Instrumentariums i n eine Richtung einen Engpaß an anderer Stelle bewirken kann; die organische Gesamtschau w i r d m i t der Perfektionierung einzelner Methoden wichtiger denn je zuvor; letztlich entscheiden für die Stellung i m Markt — so paradox das zunächst klingen mag — mit der Ausbreitung mathematisch-formaler Methoden immer mehr die über den formalen Apparat hinausgehenden menschlichen Qualitäten.
Die Lösung absatzpolitischer Probleme mit Hilfe von Management-Informations-Systemen Von Bernhard Hartmann I. Grundlagen Absatzpolitik bedeutet, von den Unternehmenszielen abgeleitete grundlegende Zielsetzungen für den Absatzbereich zu formulieren und die Wege zur Zielerreichung zu analysieren, um den jeweils bestmöglichen Weg zu ermitteln 1 . Ferner sollen die Grundsätze für die tägliche Arbeit vorgegeben und ihre Einhaltung überwacht werden. Wichtigstes M i t t e l der unternehmerischen Politik ist stets die Planung. Bei der Planung eines einzelnen betrieblichen Teilbereiches t r i t t jedoch das Problem auf, daß wechselseitige Abhängigkeiten m i t anderen Teilbereichen zu berücksichtigen sind. Die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten können nur bei simultaner Planung des gesamten Unternehmens vermieden werden. Hierzu ist es aber erforderlich, sämtliche Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens zu erfassen und ihre Konsequenzen auf die Zielerreichung — unter Berücksichtigung der Interdependenzen unter den Alternativen — zu quantifizieren. Die Anwendung eines auf diese Weise aufgestellten Unternehmensmodells w i r d jedoch nicht erst durch das Fehlen entsprechender Algorithmen 2 , die rechtzeitige Lösungen bei vertretbaren Rechenkosten ermöglichen, sondern schon durch die Schwierigkeit der vollständigen Erfassung aller Handlungsalternativen verhindert. Erst recht ist ihre Analyse kaum vollständig bezüglich ihrer gesamtbetrieblichen Wirkungen und Abhängigkeiten durchführbar. Damit ergibt sich für die Praxis die Notwendigkeit, die betriebliche Planung innerhalb überschaubarer Teilbereiche vorzunehmen. Die Ergebnisse dieser Partialplanungen müssen aufeinander abgestimmt werden 3 . Stellt man die theoretischen und 1 Vgl. zum Begriff der Absatzpolitik (Vertriebspolitik) auch Mellerowicz, Konrad: Unternehmenspolitik, Band I I , Freiburg i. Br. 1963, S. 14. 2 Vgl. Kilger, Wolf gang: Planungsrechnung u n d Entscheidungsmodelle des Operations Research, i n : Unternehmensplanung als Instrument der Unternehmensführung, Hrsg. A G P L A N , Wiesbaden 1965, S. 55 - 7 5 ; hier S. 57. 3 Z u m Problem vgl. Kilger, Wolfgang: Optimale (Produktion®- u n d Absatzplanung, Opladen 1973, S. 17 f.; Z u r A b s t i m m u n g u n d Verknüpfung betrieblicher Teilpläne vgl. Marettek, Alexander: Bestimmung des Abstimmungsgra-
Bernhard Hartmann
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praktischen Schwierigkeiten einer Totalplanung i n Rechnung, so kann man das über Partialplanungen und deren Abstimmung Erreichbare als das betriebswirtschaftliche Optimum bezeichnen. Die Planung der betrieblichen Teilbereiche erfolgt üblicherweise m i t der Zielsetzung der Gewinnmaximierung oder einem mit dieser korrespondierenden Ziel. Darüber hinaus können nicht-monetäre Ziele zu berücksichtigen sein 4 , wie i m Absatzbereich Prestigegesichtspunkte bezüglich des Marktanteils oder der Wunsch, bestimmte Produkte ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Gewinnbeitrages anzubieten. I n mathematischen Entscheidungsmodellen können derartige Aspekte ζ. T. als Nebenbedingungen erf aßt werden. Die Handlungsalternativen des Absatzbereiches lassen sich folgenden Gruppen absatzpolitischer Instrumente zuordnen 5 : — Produktpolitik (Absatzprogramm, Produktgestaltung) — Preispolitik — Distributionspolitik — Werbepolitik Auch die Aktionsvariablen, die Inhalt der einzelnen Gruppierungen sind, sind nicht von denen der anderen Gruppierungen unabhängig. Darüber hinaus sind meist auch Interdependenzen innerhalb der Alternativenarten jeder Gruppierung i n die Analyse einzubeziehen.
I I . Modellentwicklung Die Komplexität der Beziehungen soll an einem einfachen Modell aufgezeigt werden, das stufenweise um die Problematik der Planung des Absatzbereiches erweitert wird. I m einfachsten Falle könnte ein unabhängiger Absatzbereich die Maximierung des Umsatzes anstreben: (1)
Σ
· Pi = m a x (!) i ζ I χ ρ
Produktarten Absatzmenge Produktpreis
des betrieblicher Teilbereiche als spezifisches Managementproblem, i n : Beiträge zur Unternehmensführung und Unternehmensforschung, Hrsg. Schwinn, Rolf, Würzburg/Wien 1972, S. 101 - 130; insbes. S. 116 f. 4 Vgl. hierzu Vischer, Peter: Simultane Produktions- u n d Absatzplanung, Wiesbaden 1967, S. 28. 5 Vgl. Bidlingmaier, Johannes: Marketing 1, Reinbek 1973, S. 155. Ä h n l i c h Gutenberg , Erich: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Zweiter Band: Der Absatz, 14. Auflage, Berlin/Heidelberg/New Y o r k 1973, S. 48 f.
Die Lösung absatzpolitischer Probleme
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Doch läßt sich nicht unterstellen, daß die Deckungsbeiträge aller Produkte positiv sind. Somit wandelt sich die Zielsetzung zur Maximierung der Deckungsbeitragssumme: (2)
Σ x r < P i - k j ) = max(!) k
Einzelkosten pro Stück
Erweitert man (2) u m die Gemeinkosten des Absatzbereiches, so erhält man: (3)
Σ x î-(Pi-k i)-K A
= max(!) KA
Gemeinkosten des Absatzbereiches
Einzubeziehen sind Nebenbedingungen, die Beschränkungen i n der Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren ausdrücken: (4)
1
Σ €1
j Ç J Faktorarten a Produktionskoeffizient b maximale Faktormenge
Üblicherweise werden i n derartigen Modellen darüber hinaus Absatzbeschränkungen erfaßt. Unter dem Gesichtspunkt der Absatzpolitik kann es jedoch generell keine konstanten Absatzhöchstmengen geben. Stattdessen ist eine Beziehung zwischen Preis und Absatzmenge festzustellen. Lediglich Absatzmindestmengen kommen als Nebenbedingungen i n Betracht: (5)
*i>*i:min
(* € f )
**:min>0
(i € D
mit
(«)
Dann muß man die scheinbaren Konstanten des Modells (3); (4); (5); (6); auf ihre Konstanz überprüfen. Es war bereits festzuhalten: (7)
Pi = Pi(*i)
(i€I)
Ein von der Absatzmenge unabhängiger Preis wäre nur unter den Modellvoraussetzungen der vollständigen Konkurrenz denkbar: Es handelt sich u m ein technisch homogenes Produkt bei völliger Markttransparenz; räumliche, zeitliche und persönliche Präferenzen bestehen nicht. Diese Voraussetzungen sind i n der Realität nicht gegeben. Selbst i n den relativ wenigen Fällen technisch homogener Güter wie denen der Grundproduktion treffen die übrigen Kriterien der vollständigen Konkurrenz
58
Bernhard Hartmann
zumindest nicht insgesamt zu; perönliche Präferenzen — unter den Bedingungen der technischen Funktionen sowie bei konkurrenzfähigen Preisen — zu erzeugen, ist geradezu ein Hauptziel der Absatzpolitik. Es bestehen daher Beziehungen zwischen den Einsatzgrößen des absatzpolitischen Instrumentariums und den Absatzmengen. Bezeichnet man die innerhalb der Produktgestaltung, der Distributionspolitik und der Werbepolitik gewählte Alternativenkombination m i t G bzw. D bzw. W und bezieht man auch die Einflüsse des eigenen Absatzprogramms I, der Preise Ρ eigener komplementärer und substitutiver Güter sowie des gegebenen Konkurrenz Verhaltens C ein, so gilt:
Die Alternativen des absatzpolitischen Instrumentariums bestimmen die Gemeinkosten des Absatzbereiches und beeinflussen darüber hinaus (möglicherweise) die Einzelkosten der Produkte. Damit kann an die Stelle von (3) folgender Ausdruck gesetzt werden 6 : (9)
.Σ Xi (:Pi; Ρ; I; G; D; W; C) · [Vi (xù — fc 4 (G; D; W)] — K
A
(G; D ; W ) = m a x (!)
Dieser Ausdruck ist durch die Erörterung weiterer zwischen den angesprochenen Größen zu ergänzen.
Beziehungen
I I I . Die absatzpolitischen Instrumente Der Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums steht weitgehend unter dem Aspekt der Erzielung spezifischer Produktheterogenität, die i n der meist anzutreffenden Situation unvollständiger Konkurrenz die Grundlage des Absatzerfolges bildet 7 . Unter Produktheterogenität w i r d die Unterschiedlichkeit gegenüber ähnlichen Gütern gleicher Verwendbarkeit verstanden. Es kommt darauf an, spezifische Eigenschaften des Produktes — sofern sie objektiv feststellbar sind — hervorzuheben oder — sofern sie nur von subjektiver Bedeutung sein können — zu erzeugen. 6 Veränderungen des Fertigfabrikatelagers sind hier nicht explizit erfaßt. Z u r Erweiterung i n dieser Hinsicht zu einem mehrperiodischen Planungsmodell vgl. etwa den Ansatz simultaner Absatz-, Produktions- u n d Investitionsplanung von Mentzel, Klaus / Scholz, Michael: Integrierte Verkaufs-, Produktions- u n d Investitionsplanung, A b l a u f - u n d Planungsforschung 12 (1971), S. 1 bis 15. Vgl. zu diesem Ansatz auch Mertens, Peter I Griese, Joachim: I n d u strielle Datenverarbeitung, Band I I : Informations- u n d Planungssysteme, Wiesbaden 1972, S. 222 f. 7 Vgl. hierzu auch Hartmann, Bernhard: Die Analyse der A b s t i m m u n g v o n Absatz- u n d Produktionspolitik als Teilaufgabe der Betriebsanalyse, i n : Dienstleistungen i n Theorie u n d Praxis, Hrsg. Linhardt, Hanns / Penzkofer, Peter / Scherpf, Peter, Stuttgart 1970, S. 201 - 226; hier S. 203 f. Vgl. ferner Mellerowicz, Konrad: Unternehmenspolitik, Band I I , S. 68.
Die Lösung absatzpolitischer Probleme
59
Als das primäre M i t t e l zur Realisierung von Produktheterogenität läßt sich die Werbung bezeichnen. A n ihrer Seite stehen diesbezüglich die Alternativen der Produktgestaltung; Variationsbreiten bestehen hier insbesondere hinsichtlich der Verwendungsmöglichkeit, Lebensdauer und Qualität, Form und Farbe sowie der Verpackung 8 . Meist bedürfen die Maßnahmen der Produktgestaltung der Werbung, u m dem Kreis der potentiellen Nachfrager bekannt zu werden. Hieraus werden Interdependenzen zwischen Werbepolitik und Produktpolitik deutlich. Die Beziehungen gehen nicht nur von der Produktpolitik aus; so kann eine erfolgreiche Werbepolitik oft auch kostspielige Maßnahmen der Produktgestaltung vermeiden. Gemeinsam m i t dem Produkt i n seiner materiellen Gestalt kauft der Abnehmer — soweit dies von der Sache her i n Frage kommt — die potentiellen Leistungen des Kundendienstes. Materielle Gestalt und K u n dendienst bestimmen zusammen den ökonomischen Charakter eines Produktes 9 . Daher lassen sich Aufbau und Einsatz des Kundendienstes als eine Form der Produktgestaltung verstehen. Eine Abstimmung dieser Form ist zunächst m i t der Qualitätspolitik erforderlich. I m übrigen bestehen die gleichen Beziehungen zur Werbepolitik wie bei den anderen Formen der Produktgestaltung. Bei störungsanfälligen, erklärungs- und servicebedürftigen Erzeugnissen ist der Kundendienst eines der wesentlichen M i t t e l zur Schaffung von Produktheterogenität; bei hochtechnisierten Produkten wie ζ. B. denen der Computerindustrie kann die m i t angebotene Serviceleistung sogar weitgehend bestimmend für die Kaufentscheidung sein. Hinzuweisen ist auf Verbindungen m i t der Lagerpolitik, da ein schneller und leistungsfähiger Kundendienst die Haltung ausreichender Ersatzteilläger voraussetzt. Die Festlegung der Konditionen für die Kundendienstleistungen — ohne Gegenleistung (Garantie, Kulanz), m i t Kostenbeteiligung, m i t Kostenübernahme oder nach dem Gewinn orientiert — sollte i n Abstimmung m i t der Preispolitik erfolgen. Auch die anderen Maßnahmen der Produktgestaltung müssen m i t den Möglichkeiten der Preispolitik i n Einklang stehen. Für die zweite Komponente der Produktpolitik, die Festlegung des Absatzprogramms, bestehen ähnliche Wechselbeziehungen zur Werbepolitik wie für die Produktgestaltung. Hier ist zu berücksichtigen, daß der Nachfrager ein Produkt häufig nicht isoliert, sondern i m Verbund des Gesamtangebotes des Herstellers sieht, beispielsweise wenn dieses unter einer Handelsmarke auftritt. Zum einen führt das Ansehen, das ein Teil der Erzeugnisse genießt, zu einer Werbewirkung zugunsten der 8 Vgl. hierzu Schnutenhaus, Otto R.: Absatzpolitik u n d Unternehmensführung, Freiburg i. Br. 1961, S. 171 f. 9 Vgl. auch Sundhoff, Edmund: Absatzorganisation, Wiesbaden 1958, S. 17 f.
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Bernhard Hartmann
übrigen Produkte 1 0 ; zum anderen kann der Absatz eines Teiles oder aller Produkte durch Komplementaritätsbeziehungen gefördert werden. Hier ist nicht nur an technisch begründete Komplementarität wie bei Zubehörund Ergänzungsartikeln zu denken. Von einer Komplementarität i m weiteren Sinne kann gesprochen werden, wenn es zu einer Vergrößerung des Geschäftsumfanges u m nicht technisch komplementäre Güter kommt und dies auf die Bequemlichkeiten eines einheitlichen Geschäftsabschlusses und/oder einer einheitlichen Geschäftsabwicklung zurückzuführen ist. Allerdings läßt sich dieser Komplementaritätseffekt i n der Praxis nicht vom Werbeeffekt des gesamten Absatzprogramms trennen. Die Alternativen der Distributionspolitik bestehen relativ unabhängig von den anderen Instrumenten der Absatzpolitik. Allerdings sind auch hier über die Verschiedenheit der Kosten der einzelnen Alternativen Verbindungen zur Preispolitik anzutreffen, und Änderungen i m Distributionssystem können m i t der Werbepolitik abzustimmen sein. Besonders starke Wechselbeziehungen sind zwischen Werbepolitik und Preispolitik gegeben. Preissenkungen werden kaum ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht durch Werbemaßnahmen dem potentiellen Nachfrager zur Kenntnis gelangen ; andererseits ermöglicht die Werbung oft erst Preissenkungen, wenn der Mengeneffekt zur schnelleren Abdeckung der fixen Kosten führt. Sie ermöglicht aber auch Preiserhöhungen, indem sie eine entsprechende Qualitätsvorstellung erweckt. Die Gestaltung der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen ist als Teil der Preispolitik anzusehen 1 1 , dessen Beziehungen zur Werbepolitik i m Einzelfall ebenfalls eng sein können. Die Auswirkungen des Einsatzes der absatzpolitischen Aktionsparameter auf den Absatzerfolg können meist nicht hinreichend genau abgeschätzt werden. Die höchst ungenaue Kenntnis der Preisabsatzfunktionen des Betriebes birgt schon größte Unsicherheit i n sich bei der Frage, ob die Preispolitik optimal eingesetzt ist. Erst recht ist das Abschätzen der Werbewirkung alternativer Maßnahmen problematisch 12 , das eine Vorstellung von den veränderten Preisabsatzfunktionen voraussetzt. Die Unsicherheit über Reaktionen der Konkurrenz auf absatzpolitische Entscheidungen steigert noch die Schwierigkeit des optimalen Vorgehens. 10 Vgl. auch Schnutenhaus, Otto R.: Die Problematik der Werbung i n der E n t scheidung der Unternehmensführung, i n : Betriebswirtschaft u n d M a r k t p o l i t i k , Hrsg. Kosiol, Erich / Sundhoff, Edmund, Köln/Opladen 1968, S. 459-468; hier S.465. 11 Vgl. auch Mellerouncz, Konrad: Betriebswirtschaftslehre der Industrie, 6. Auflage, Band I I , Freiburg i. Br. 1968, S. 590. 12 Z u m Problem vgl. Kilger, Wolfgang: Optimale Produktions- u n d Absatzplanung, S. 552 f. Vgl. auch die Darstellung mathematischer Methoden als Grundlage der Werbeplanung bei Junk , Hermann: Optimale Werbeprogrammplanung — Grundlagen u n d Entscheidungsmodelle, Essen 1971; insbes. S. 169 f.
Die Lösung aibsatzpolitischer Probleme
61
IV. Das Management-Informationssystem als absatzpolitisches Hilfsmittel Die Berücksichtigung der Interdependenzen unter den Absatzinstrumenten sowie die Abstimmung der Absatzpolitik mit den anderen betrieblichen Teilpolitiken, insbesondere m i t der Produktionspolitik 1 3 kann infolge der Komplexität der Zusammenhänge optimal nur bei Verwendung eines Management-Informations-Systems einer hohen Integrationsstufe erreicht werden. Schon i n Betrieben mittlerer Größenordnung ist hierzu ein hochentwickeltes EDV-System erforderlich. Der Integrationsumf ang, der i n der Praxis bis zur Mitte der 70er Jahre realisiert sein dürfte, w i r d von Diebold sinngemäß wie folgt skizziert 1 4 :
Abbildung 1 18 Vgl. hierzu Mellerowicz, Konrad: Unternehmenspolitik, Band I, Freiburg i. Br. 1963, S. 96 f. 14 Diebold, John: Business Decisions and Technological Change, New Y o r k / Washingthn / London 1970, Vorsatz.
62
Bernhard Hartmann
Den für etwa 1985 zu erwartenden Endzustand der Integrierung aller Unternehmensfunktionen i n ein vollkommenes Informationssystem stellt Diebold etwa folgendermaßen dar:
Abbildung 2
Es sind gegenüber den von Diebold 1970 geschätzten Entwicklungen für 1975 und für 1985 zeitliche Verschiebungen sowohl vorwärts als auch rückwärts möglich. Vorgezogene Entwicklungen zeigen sich ζ. B. bei einigen hochspezialisierten Lösungen i n westeuropäischen und nordamerikanischen Rechenzentren. Eine bemerkenswert frühzeitige Lösung wurde i n der japanischen Stahlindustrie realisiert 1 5 . Das Charakteristikum der neuen Planungstechnik besteht vor allem i n der Integration der Prozeßsteuerungscomputer i m Fertigungsbereich m i t den Computersystemen der Verwaltungsbereiche, was i n der Stahlindustrie über ein mehrstufiges Verfahren erreicht worden ist. 15 Vgl. hierzu Hartmann, Bernhard: Unternehmensführung m i t Hilfe integrierter EDV-Organisationssysteme, Freiburg i. Br. 1973, S. 40 f.
Die Lösung absatzpolitischer Probleme
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Die gegenwärtig geplanten und die wenigen ganz oder teilweise laufenden hochentwickelten EDV-Systeme sind dadurch gekennzeichnet, Planungssysteme mehr oder weniger mathematisiert i n Schwerpunkten zu praktizieren, ζ. B. i n der Beschaffung und Lagerhaltung oder i n Teilbereichen der Fertigung. Die von Diebold für 1985 erwarteten komplexen EDV-Systeme besitzen eine Struktur, i n der sämtliche internen und externen Daten verschiedener betrieblicher Funktionen i n beliebigen und nahezu unendlichen Kombinationsmöglichkeiten durch den Integrationsprozeß miteinander verbunden werden. Integration ist nicht als bloße Koordination verschiedener Aufgaben und Vereinigung der Aufgabenlösungen zu verstehen, sondern bedeutet Zusammenfassung der Aufgabenbewältigung i n einheitlichen (menschlichen und/oder maschinellen) Funktionsträgern 1 6 . Es lassen sich mehrere Stufen der Integration unterscheiden 17 . I n der unteren Stufe werden Datenverarbeitungs-Teilfunktionen für eng umgrenzte Anwendungsbereiche, ζ. B. unter Einsatz von Lochkartenmaschinen, integriert. Bei zunehmender Einbeziehung traditionell getrennt behandelter Datenverarbeitungsaufgaben kann von Management-Informationssystemen (MIS) gesprochen werden. Der Begriff „integrated management information system" (IMIS) ist so zu verstehen, daß die Management-Information gegenüber dem MIS noch stärker automatisiert ist. Die höchste Stufe ist erreicht, wenn ein I M I S m i t kybernetischen Gestaltungsformen verbunden wird, so daß ein vollautomatischer Ablauf der Betriebsprozesse erreicht wird. Solche vollautomatisierten betrieblichen Verwaltungssysteme können als Total Business Systems (TBS) bezeichnet werden 1 8 . Diese letzte Entwicklungsstufe — von Diebold als Corporate Planning bezeichnet — w i r d selbstverständlich begrenzt durch die überaus diffizile Auswahl der betriebswirtschaftlich relevanten Datenkombinationen. I n einer Reihe von Industriesparten, ζ. B. der Stahlindustrie, kann eine kybernetische Unternehmensplanung und -Steuerung durch die on-line-real-time-Kopplung von technischen Prozeßrechnern an das kommerzielle EDV-System erreicht werden.
16 Vgl. Hartmann, Bernhard unter Mitarbeit von Hellfors, Sven: Organisationssysteme der betriebswirtschaftlichen Elektronischen Datenverarbeitung, Freiburg i. Br. 1971, S. 19. 17 Vgl. ebenda, S. 22. 18 Vgl. hierzu Hartmann, Bernhard: Total Business Systems — Grundlagen f ü r ein neues organisatorisches Ganzheitsdenken beim Einsatz elektronischer Datenverarbeitungsanlagen i m Betrieb, i n : Gegenwartsfragen der Unternehmensführung, Hrsg. Engeleiter, Hans Joachim, B e r l i n 1966, S. 167 f.
64
Bernhard Hartmann V. Beurteilung der Praktikabilität
Wie bereits angedeutet, dürfte die Praxis noch einer Reihe von Jahren zur Realisierung von integrierten Management-Informationssystemen, die alle Unternehmensfunktionen umfassen, und von Total Business Systems benötigen. Beachtliche Anwendungen bezüglich mehrerer breiter Teilbereiche, auch unter Einbeziehung der technischen Prozeßsteuerung, liegen jedoch bereits i n den USA und i n Japan vor 1 9 . Integrierte Management-Informationssysteme arbeiten unter Einbeziehung von Operations-Research-Modellen. Daraus ergibt sich, daß die Grenzen der vorliegenden Modelle auch die Möglichkeiten der Informationssysteme beschränken. W i l l man ζ. B. die Substituierbarkeit verschiedener absatzpolitischer Instrumente berücksichtigen und diese kostenmindernd einsetzen 20 , so führen Optimierungsrechnungen i n der Praxis nicht zum Optimum, w e i l die Substituierbarkeit kaum formelmäßig exakt zu erfassen ist. Die auf den Einsatz der einzelnen Alternativen beruhenden Umsatzsteigerungen zu quantifizieren, ist schon bei Konstanz der jeweils nicht betrachteten Absatzinstrumente problematisch. Bei der Integration des Absatzbereiches i n ein Management- Informationssystem ist zwischen kurzfristigen und langfristigen Instrumenten zu unterscheiden. Innerhalb der langfristigen Absatzplanung sind das Sortiment und — zumindest i n seiner Grundstruktur — die Produktgestaltung, ferner die Modalitäten der Distribution festzulegen. Einbeziehung dieser Instrumente bedeutet systematische Erfassung der jeweils möglichen Alternativen und Ermittlung der für die einzelnen Alternativen zu erwartenden Absatzmengen- und Kosteneffekte; hierbei sind — über die Marktforschung — neu zu beschaffende Daten gemeinsam mit bereits vorhandenen Daten zu verarbeiten. Entsprechendes gilt, jedoch auf die kurzfristige Planung bezogen, für den Einsatz der Werbe- und Preispolitik und möglicherweise auch für Modifikationen i n der Produktgestaltung 21 . Die praktischen Möglichkeiten der Preispolitik sind jedoch bei unvollständiger Konkurrenz beschränkt. W i r d eine Preisveränderung vorgenommen, so bedeutet dies für die Konkurrenz i n der Regel ein Signal, 19 Vgl. die Darstellungen bei Massey, R. G.: Computers i n a new steelwork, The Computer Journal 5 (1962/63), S. 271 f. (ohne Verfasserangabe), T w o years' progress at Spencer Works, Control 9 (1965), S. 83 f.; Hartmann, Bernhard: U n ternehmensführung m i t Hilfe integrierter EDV-Organisationssysteme, S. 38 f. 20 Etwa nach dem von Gutenberg angeführten Modell; vgl. Gutenberg, Erich, S. 496 f. Z u neueren Ansätzen vgl. die Diskussion bei Little, John D. C. / Lodisch, Leonard M.: A Media Planning Calculus; Operations Research 16 (1969), S. 1 - 35. 21 Z u letzteren vgl. Kilger, Wolf gang: Optimale Produktions- u n d Absatzplanung, S. 27.
Die Lösung absatzpolitischer Probleme
65
ihre eigene Preispolitik zu überprüfen und unter Umständen ihr akquisitorisches Potential zu aktivieren 2 2 . Aufgrund dieser Erscheinung besteht eine gewisse Tendenz zur Abstinenz i n der Preispolitik. Umso größer ist meist der Erscheinungsspielraum der Werbepolitik. Uber die i n der langfristigen Absatzplanung eingesetzten Werbekostenbeträge ist kurzfristig aufgrund der Marktsituation über die zu verwendenden Werbemittel und die besonders zu fördernden Produkte zu entscheiden. Die Unsicherheiten von Werbeerfolgsanalysen 23 können durch die Möglichkeiten eines Management-Informationssystems zwar nicht beseitigt, aber doch wesentlich gemildert werden; i n dieses müssen analytische Untersuchungen der Konkurrenzwerbung und des eigenen Werbeerfolgs i n der Vergangenheit sowie die Ergebnisse einer zukunftsbezogenen Marktforschung eingehen. Für die Abstimmung der Absatzplanung m i t der Produktionsplanung 2 4 ist ein Management-Informationssystem von besonderem Wert. I m Idealfall lassen sich anstelle der Abstimmung simultane Planungsmodelle verwenden. I n der Praxis scheitert deren Anwendung jedoch oft am Fehlen von Prämissen oder an der Vernachlässigung von Teilproblemen wie der Maschinenbelegungsplanung 25 . Daher w i r d das Management-Informationssystem zur Abstimmung und Ergänzung benötigt. Unter Verwendung der Absatzdaten der Vergangenheit läßt sich automatisch ein vorläufiger Absatzplan unter Angabe der einzelnen benötigten Kapazitäten aufstellen, der i n der Verkaufsabteilung korrigiert und ergänzt werden kann. Der abgeänderte Absatzplan ist den Produktionsmöglichkeiten und den Lagerbeständen gegenüberzustellen. Insbesondere bei Einzelfertigung besteht das Problem der Ermittlung und Zusage realistischer Liefertermine. Zur Lösung dieser Aufgabe ist ein integriertes betriebliches Informationssystem besonders geeignet 26 . Die Daten eines potentiellen Kundenauftrages werden i n das System eingegeben, wo die Kapazitäten der einzelnen Maschinen und bereits fest vorgegebene Kapazitätsbelastungen gespeichert sind, so daß durch Fort22
Vgl. auch Hartmann, Bernhard: Die Analyse . . . , S. 206 f. Z u m Problem vgl. Schnutenhaus, Otto R.: Absatzpolitik . . . , S. 348 f.; Kilger, Wolf gang: Optimale Produktions- u n d Absatzplanung, S. 552 f. Vgl. auch die Darstellung mathematischer Methoden als Grundlage der Werbeplanung bei Junk, Hermann, insbes. S. 169 f. 24 Vgl. hierzu insbesondere die detaillierten Erörterungen von Schwarz, Horst: Grundfragen der A b s t i m m u n g von Materialbeschaffung, Fertigung u n d V e r trieb, Freiburg i. Br. 1959, S. 92 f. Z u einem Beispiel praktizierter kombinierter Absatz- u n d Produktionsplanung vgl. Morton, Michael S. Scott: Management Decision Systems, Boston 1971 (Management-Entscheidungen i m Bildschirmdialog, Essen 1972) ; vgl. auch dessen Beschreibung bei Mertens / Griese, S. 146 f. 25 Z u Grenzen u n d Erweiterungsmöglichkeiten des Standardmodells der simultanen Produktions- u n d Absatzplanung vgl. Kilger, Wolf gang: Optimale Produktions- u n d Absatzplanung, S. 159 f. 26 Vgl. hierzu Hartmann, Bernhard: Organisationssysteme..., S. 152 f. 23
5 Festschrift für O. R. Schnutenhaus
66
Bernhard Hartmann
Schreibung der bereits erfolgten Belegungen der frühestmögliche Liefertermin ermittelt wird. Bei diesem Vorgehen genießt der betrachtete Auftrag keine Priorität; andernfalls ist das Verfahren aufwendiger und muß Ausdrucke der abgeänderten Liefertermine anderer Aufträge enthalten, die auf ihre Konsequenzen zu untersuchen sind. Nach der endgültigen Entscheidung über den Auftrag w i r d auf gleiche Weise die tatsächliche Kapazitätsbelegung ergänzt. M i t diesem Verfahren w i r d allerdings höchstens zufällig die optimale Maschinenbelegung erreicht. Theoretisch lassen sich entsprechende Operations-Research-Algorithmen i n das Management-Informationssystem einfügen. Die optimale Lösung zu erreichen, ist jedoch überaus aufwendig und meist wirtschaftlich nicht vertretbar 2 7 , so daß i n der Praxis auf Prioritätsregeln zurückgegriffen wird. Stellen sich später Verspätungen i m Auftragsfortschritt aufgrund i r gendwelcher Störungen heraus, kann das EDV-System selbstregelnd, etwa durch Abänderung der Prioritätsziffer, eingreifen. A u f diese Weise läßt sich — bei hohen Ansprüchen an die technische und organisatorische Leistungsfähigkeit des Unternehmens — die Abstimmung zwischen Produktionsbereich und Absatzbereich weitgehend automatisieren. Die Vorteile eines solchen Systems für die Beziehungen zu den Kunden, die sofort und genau über den Fertigungsstand ihrer Aufträge informiert werden können, sind beträchtlich 28 . M i t einem integrierten Planungs- und Informationssystem auf EDVBasis läßt sich ferner eine drohende Unterbeschäftigung, die insbesondere bei Maschinen m i t hoher Fixkostenbelastung Abhilfe erfordert, frühzeitig feststellen, indem die jeweiligen durch Warteschlangen gekennzeichneten Auftragspolster überwacht werden. Das EDV-System läßt sich so programmieren, daß es selbsttätig zur Ausfüllung i n Betracht kommende Produkte und Kunden ermittelt und ausdruckt 29 .
27 Vgl. hierzu u. a. Siegel, Theodor: Das Reihenfolgeproblem der Maschinenbelegungsplanung u n d ein graphischer Branch-and-Bound-Algorithmus zu seiner Lösung, Dissertation T U B e r l i n 1973. 28 Vgl. auch Hartmann, Bernhard: Unternehmensführung . . . , S. 46 f. 29 Vgl. Mertens / Griese, S. 143 f.
Organisatorische und führungsmäßige Auswirkungen des EDV-Einsatzes im Marketing Von Carl W. Meyer Der Einsatz der EDV für Zwecke des Marketing kann auf operativer Ebene, d. h. für Ablaufsysteme wie Order-Entry- und Physical Distribution-Systeme, auf informativer Ebene, d. h. für Marketing-InformationsSysteme m i t entsprechenden Daten- und Methodenbanken, Berichts- und Kontrollsystemen, und auf dispositiver Ebene, d. h. für Steuerungssysteme i n Form von Planungs-, Entscheidungs- und Budgetierungssystemen, verbunden m i t einer mehr oder weniger großen Integration dieser Ebenen, erfolgen*. I n jedem Falle zieht dies bestimmte Auswirkungen nach sich, von welchen insbesondere die organisatorischen und führungsmäßigen besonderer Beachtung bedürfen und bereits vor oder spätestens m i t der Installation solcher Systeme Berücksichtigung finden sollten. Die organisatorischen Auswirkungen hängen zunächst davon ab, wie der EDV-Bereich selbst organisiert und i n das Gesamtunternehmen eingegliedert ist. Beides zeitigt Rückwirkungen auf den Marketingbereich, dessen Organisation naturgemäß durch die Übertragung von Aufgaben auf EDV auch direkt berührt wird. Führungsmäßige Auswirkungen zeigen sich insofern, als bei der Einführung von EDV-, insbesondere von Informations- und Steuerungssystemen, i n aller Regel eine Anpassung der davon betroffenen bzw. darin einbezogenen Führungskräfte an das System erfolgen und weiter für eine Verwertung der vom System gelieferten Ergebnisse durch diese Kräfte gesorgt werden muß. Außerdem treten Führungsfragen i m Hinblick auf die Steuerung der Systeme neu hinzu. Diese Führungsprobleme stehen i n enger Verbindung m i t den organisatorischen Auswirkungen, wie sich i m folgenden zeigen wird. A. Organisatorische Auswirkungen I . Zur Organisation des EDV-Bereichs und seiner Eingliederung in das Unternehmen
Der Einsatz der EDV verlangt naturgemäß den Aufbau einer entsprechenden Abteilung oder diesbezüglicher Stellen. I m Falle des Auf* Siehe hierzu Meyer, Carl W.: Wo nutzt E D V dem Marketing? MarketingJournal, 6. Jg. 1973.
5·
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Carl W. Meyer
baues von Informations- und Steuerungssystemen können weitere damit befaßte Organisationseinheiten hinzutreten. Das gilt vor allem bei eigenen Anlagen, aber auch bei gemeinschaftlicher oder fremder Datenverarbeitung, dann nur i n — je nach Verhältnissen — geringerem Umfang. Diese EDV-bezogenen Abteilungen und Stellen seien unter der Bezeichnung EDV-Bereich zusammengef aßt. Hinsichtlich der Auswirkungen, welche die Verwendung der EDV für Marketingzwecke auf den Marketingbereich zeitigt, ist — wie gesagt — die Organisation des EDV-Bereiches selbst schon von Bedeutung. Er kann i n funktionaler Hinsicht dezentralisiert oder zentralisiert sein, also entweder i n einzelne Abteilungen bzw. Stellen aufgespalten sein, wie ζ. B. i n Datenverarbeitung ( = Anlage), Programmierabteilung, Operations Research-Abteilung, Informationsabteilung, ohne einheitliche Leitung dieser Stellen, oder eine i n sich geschlossene Abteilung darstellen, i n welcher die genannten Funktionen zusammengefaßt sind. Es dürfte sich die letztgenannte Möglichkeit als zweckmäßig erweisen. Liegt ein solcher Fall vor, so ist eine Untergliederung dieser Abteilung i n ähnliche Stellen, wie bei dezentraler Organisation naheliegend und denkbar. Doch dies erscheint weniger empfehlenswert. Es sollte hier vielmehr eine Unterteilung nach Aufgabenkomplexen stattfinden, und zwar entweder nach Hardware-Einsatz, Software-Einsatz und Systemeinsatz, wobei noch Systementwicklung und -kontrolle hinzutreten können, oder nach Hardware-Einsatz ( = maschinelle Anlagen und ihre Bedienung bzw. Betreuung), System-Unterhaltung ( = Bedienung und Betreuung bestehender Systeme) und System-Entwicklung ( = Entwicklung, Planung und Einführung neuer Systeme). Besonders bei den letztgenannten Möglichkeiten läßt sich die bei EDV-Einsatz gegebene Notwendigkeit, Teams aus verschiedenen Fachleuten zusammenzustellen, gut realisieren. Das gilt vor allem hinsichtlich der System-Unterhaltung und Systementwicklung, i n deren Rahmen Teams aus Organisatoren, Mathematikern, Systemanalytikern und Programmierern — auch m i t gegenseitiger Austauschmöglichkeit und Schwerpunktbildung — jeweils problem- und anwendungsorientiert eingesetzt werden können. Damit läßt sich der stufenweise Ausbau der genannten EDV-Anwendungssysteme leichter bewerkstelligen, ζ. B. aber auch die Übernahme von Lohnaufträgen für Dritte und die Verselbständigung des EDV-Bereiches i m Sinne eines Profit-Centers oder als ausgegliedertes Unternehmen. Die grundsätzlichen verschiedenen Organisationsmöglichkeiten des EDV-Bereichs spiegelt Schaubild 1 nochmals wider. Neben der inneren Organisation des EDV-Bereiches ist die A r t und Weise seiner Eingliederung i n das Unternehmen für die Auswirkungen auf den Marketingbereich von Bedeutung.
Auswirkungen des EDV-Einsatzes -im Marketing
69
Die Eingliederung der genannten Abteilungen hängt von der Organisationsstruktur des Gesamtunternehmens ab, d. h. davon, ob eine herkömmliche Stab-Linienorganisation, eine Divisionsorganisation, eine Matrixorganisation oder eine noch andere Organisationsform gegeben ist. Bei dezentraler Organisation des EDV-Bereiches ist es durchaus möglich, daß die einzelnen Abteilungen bzw. Stellen auf verschiedenen Ebenen der Unternehmensorganisation, i n verschiedenen Bereichen oder verschiedenen Stabsstellen zu finden sind, so ζ. B. die Datenverarbeitung (Hardware) i m Rahmen des Rechnungswesens, die Operations ResearchAbteilung bei der Forschung und Entwicklung, die Programmierabteilung i m Organisationsbereich, die Informationsabteilung i m Rahmen der Planung und/oder eines Geschäftsbereichs. Auch bei einer Zentralisierung kann die Stellung i m Gesamtunternehmen unterschiedlich sein. Es dürfte sich empfehlen, eine zentralisierte EDV-Abteilung als Stabsstelle der Geschäftsleitung (im Stabsliniensystem), oberhalb der Divisionen (bei divisionaler Organisation) bzw. auf der obersten horizontalen Ebene (bei Matrixorganisation) einzugliedern. Dies steht ebenfalls unter dem Gesichtspunkt, eine möglichst starke Teamarbeit, hier m i t den Anwendungsbereichen und i n Verbindung m i t der Geschäftsleitung, zu ermöglichen. Es gilt noch mehr, wenn — wie bei größeren Unternehmen — innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche oder — bei herkömmlicher Organisation — innerhalb verschiedener Betriebsstätten jeweils ebenfalls EDV-Anlagen eingesetzt sind. Eine weitere Frage ist in diesem Zusammenhang die der Koordination des EDV-Bereiches m i t den anwendenden Bereichen und Abteilungen. Oft ist auf diesem Gebiet i n der Praxis eine — manchmal sogar tiefe — K l u f t zwischen der EDV und ihren Nutzern festzustellen. U m dies zu vermeiden, ist es angebracht, zumindest einen Koordinations- oder Informationsausschuß zu bilden, dem außer dem Leiter des EDV-Bereiches die Leiter der anderen betroffenen Bereiche bzw. Abteilungen oder wenigstens Vertreter davon angehören. Noch zweckmäßiger ist — bei entsprechender Unternehmensgröße — die Einsetzung von EDV-Mitarbeitern als Koordinatoren bei den betroffenen Bereichen bzw. Abteilungen oder mindestens die Heranziehung von Kontaktleuten aus diesen A b teilungen. So können die Koordinatoren m i t den Problemen ihrer A b teilung vertraut, die Kontaktleute m i t den Möglichkeiten der EDV bekannt werden, was eine engere Zusammenarbeit ermöglicht. Drei verschiedene Möglichkeiten der Eingliederung des EDV-Bereichs i n das Unternehmen bei divisionaler Organisation gibt Schaubild 2 wieder.
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70 Carl W. Meyer
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Auswirkungen des EDV-Einsatzes im Marketing 71
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Auswirkungen des EDV-Einsatzes i m Marketing 73
74
Carl W. Meyer I I . Organisatorische Rückwirkungen des EDV-Bereichs auf den Marketingbereich
Die Anwendung der EDV für Zwecke des Marketing und die dadurch auftretenden Wirkzusammenhänge zwischen EDV und Marketingbereich machen es zunächst notwendig, die sich aus der spezifischen Organisation des EDV-Bereichs ergebenden Rückwirkungen zu beachten. Es geht besonders darum, die Kompetenzverteilung und die organisatorischen Verbindungswege zwischen EDV und Marketing zu klären und festzulegen. Für dieses Vorhaben ist naturgemäß ebenfalls die gegebene Organisation des Marketingbereiches und seine Eingliederung i n das Unternehmen von Bedeutung. Sie kann durchaus verschieden sein. So ist es möglich, und gar nicht so selten, daß die Marketingfunktionen von verschiedenen Abteilungen oder Stellen wahrgenommen werden und keine einheitliche Marketingleitung besteht, und das darüber hinaus diese Teilfunktionen i n verschiedene Unternehmensbereiche und -ebenen eingeordnet wurden. Die Zusammenfassung aller Marketingfunktionen i n einem geschlossenen Bereich ist nicht so häufig zu finden, jedoch zweckmäßiger. Schließlich können auch bestimmte, insbesondere Verkaufsund Auftragserledigungsfunktionen i m Rahmen von Divisionen bzw. i m Zuge der vertikalen Gliederung vorzufinden sein, die übrigen auf Stabsbzw. horizontaler Ebene, was, vor allem bei divisionaler Organisation, ebenfalls durchaus angebracht sein kann, sofern eine jeweilige Zentralisierung gegeben ist. Unabhängig davon, wie die Organisation beider Bereiche aussieht, gilt es zur Berücksichtigung der Rückwirkungen des EDV- auf den Marketingbereich als erstes, die Befugnisse und dementsprechend die Verantwortungen für die Planung, Durchführung und Kontrolle von Marketingfunktionen klar abzugrenzen und einem der beiden Bereiche bzw. einer der darin enthaltenen Abteilungen oder Stellen zuzuweisen, soweit es sich u m Funktionen handelt, die von der EDV übernommen oder dadurch betroffen wurden. Als zweites müssen die organisatorischen Verbindungswege, vor allem die Informationswege zwischen und innerhalb beider Bereiche i n Zusammenhang m i t den durch EDV bearbeiteten Marketingfunktionen festgelegt werden. Wie das i m konkreten Fall aussieht, hängt selbstverständlich von der gegebenen Organisation beider Seiten ab. Es läßt sich hier jedoch soviel sagen, daß bei einer dezentralen Organisation des EDV-Bereiches mehr Befugnisse i m Marketingbereich verbleiben werden, weniger hingegen bei Zentralisierung der EDV auf oberer Ebene. I m letzten Fall werden auch die organisatorischen Verbindungswege klarer zu bestimmen sein. Beides gilt i m Zuge der operativen über die informative bis hin zur dis-
Auswirkungen des EDV-insatzes im Marketing
75
positiven Anwendung der EDV i n immer größerem Maße. Das bedeutet wiederum, daß i m Verlauf dieser Entwicklung ständig mehr Verfahrensund Entscheidungsregeln aufgestellt werden müssen, um die Wirkzusammenhänge zwischen EDV und Marketing zu sichern. Eine wertvolle Grundlage für die vorzunehmenden Regelungen bilden Aufgaben- und Integrationsanalysen i n allen betroffenen Abteilungen und Stellen. Es kommt hier nicht so sehr darauf an, wer was m i t welchen Befugnissen zu übernehmen hat, sondern vielmehr darauf, daß dies klar festgelegt ist und die daraus resultierenden notwendigen Verbindungen zwischen den Betroffenen sichergestellt werden. I n dieser Hinsicht erweist sich der Einsatz der bereits erwähnten Koordinatoren ebenso wie ein zentralisierter EDV-Bereich als sehr förderlich. Weiter sei auf die i m späteren Abschnitt angesprochenen Maßnahmen zur Steuerung des EDVEinsatzes hingewiesen, die eine Berücksichtigung der Auswirkungen der EDV i n organisatorischer Hinsicht m i t einschließen sollten. I I I . Organisatorische Konsequenzen der EDV-Anwendung innerhalb des Marketingbereichs
Die Übertragung von Aufgaben des Marketing an die EDV bedeutet Ausgliederung von Funktionen aus dem Marketingbereich. Das w i r d eine entsprechende Reorganisation i m Marketingbereich verlangen. Eine solche Funktionsausgliederung w i r d bei operativer Anwendung der EDV besonders deutlich. Welche Funktionen wegfallen, hängt davon ab, welche Ablaufaufgaben von der EDV übernommen werden. Es sind i n jedem Falle die für den Marketingbereich sich ergebenden Konsequenzen aus der Funktionsausgliederung zu untersuchen und die verbleibenden Funktionen neu zu gliedern. I n der Regel werden als Konsequenzen an die Stelle ausgegliederter Funktionen Informationen über deren Durchführung und deren Ergebnisse seitens der EDV treten. Hier ist festzulegen, welcher Stelle i m Marketingbereich diese zugehen sollen, also der Verbindungsweg zu bestimmen, und zu untersuchen, inwieweit daraus für diese Stelle neue Befugnisse resultieren. Hinsichtlich der verbleibenden Funktionen sollte das Augenmerk darauf gerichtet werden, inwieweit gleichartige Funktionen zusammengefaßt werden können, also eine Abteilungs- bzw. Stellenbildung neu vorzunehmen ist, und inwieweit solche Funktionen bereits bestehenden A b teilungen bzw. Stellen zugewiesen werden können. Auch daraus können neue Verbindungswege innerhalb des Marketingbereichs resultieren. I m allgemeinen w i r d sich i m Marketingbereich dadurch — obwohl Befugnisse an die EDV zu übertragen sind — eine Ausweitung von Befugnissen einzelner Stellen und Abteilungen ergeben, und zwar von Befugnissen, die eine höhere Stufe, als die an die EDV übertragenen, besitzen. Hin-
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sichtlich der Abteilungs- und Stellenbildung dürfte sich zeigen, daß eine größere Zusammenfassung von Funktionen i n Leitungs- und Stabsstellen auf höherer Ebene erfolgen, so ζ. B. eine Verlegung von der Divisionsauf die Stabsebene stattfinden kann. Bei informativer und dispositiver Anwendung der EDV geht es allerdings nicht nur um Funktionsausgliederung. Hier entsteht i n der Regel die Notwendigkeit zur Übernahme neuer Funktionen i m Marketingbereich. Die Installierung von Informationssystemen verlangt Lieferung der Daten, aus welchen sich die vom System bereitgestellten Informationen zusammensetzen. Wenn auch ein großer Teil dieser Daten aus den Ablaufsystemen heraus anfällt, so ist doch für eine Gewinnung der übrigen Daten zu sorgen. I n der Regel muß dies i m Rahmen des Marketingbereiches erfolgen. Das macht die Einrichtung entsprechender Stellen, die Erweiterung der Aufgaben vorhandener Stellen, die Vergabe diesbezüglicher Befugnisse und Neueinrichtung von Verbindungswegen erforderlich. Davon sind i n erster Linie die m i t marketingbezogener Forschung, Planung und Kontrolle betrauten Stellen betroffen, aber auch Linienstellen, wie die Verkaufsleitung. Ähnlich verhält es sich bei Einführung von Steuerungssystemen. Hier geht es weniger u m die Datengewinnung, sondern vielmehr u m die Verarbeitungsmethoden, aber ebenfalls u m Verwertungsmethoden. Das w i r d i m allgemeinen zu einer Ausdehnung der Aufgaben vorhandener Stellen führen, oder aber zu neuen Stellen, wie i m Falle der schon genannten Koordinatoren. Abgesehen von den der EDV übertragenen Systemen an sich, ist noch i n organisatorischer Hinsicht die Integration innerhalb und zwischen den Systemen zu berücksichtigen. Diese Integration verlangt die dementsprechende Integration von Abteilungen und Stellen des Marketingbereiches. Es ist darauf zu achten und dafür zu sorgen, daß nicht jede Abteilung und Stelle für sich arbeitet, sondern integriert w i r d m i t den anderen Stellen, m i t denen sie aufgabenmäßig zusammenhängt. Das muß organisatorisch durch Schaffung entsprechender Einheiten wie Arbeitsteams und demgemäßer Befugnisverteilung, wie Befugnis zu gemeinsamer Beratung oder gemeinsamer Entscheidung abgesichert werden. Hierzu geben die Aufgaben- und Integrationsanalysen wieder wesentliche Grundlagen ab. Es greift außerdem bereits über i n das i m folgenden Abschnitt angesprochene Gebiet der führungsmäßigen Auswirkungen der EDV. B. Führungsmäßige Auswirkungen I . Anpassung des Management an das System
Die Einstellung des Management — nicht nur i m Marketingbereich — zur EDV ist äußerst unterschiedlich. Sie kann von glatter Ablehnung
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über eine gesunde Skepsis bis zu großer Mitwirkungsfreudigkeit gehen. Diese große Spanne, und nicht zuletzt die dadurch verursachten Spannungen, abzugleichen i m Sinne der sachlichen M i t w i r k u n g aller Beteiligten ist eine Angelegenheit der Schulung und der Motivierung des Managements. Es muß davon überzeugt werden, daß die EDV nicht nur für das Unternehmen, sondern vor allem auch für seine eigene Arbeit von Nutzen ist, und zwar die EDV i m allgemeinen, als auch die i m Unternehmen angewandten Systeme i m besonderen. Die aufgrund der Auswirkungen der EDV zu ergreifenden organisatorischen Maßnahmen müssen deshalb zunächst eine Ergänzung durch Schulung des Management finden, u m die Führungskräfte dem EDVSystem anzupassen. I n diesem Rahmen sollten sie zunächst m i t den Möglichkeiten, welche die EDV überhaupt bietet, vertraut gemacht werden, und dann m i t den Systemen, welche i m Unternehmen Anwendung finden bzw. deren Einsatz vorgesehen ist. Damit sollte nicht beabsichtigt werden, die Manager selbst zu EDV-Fachleuten auszubilden, sondern es ist darauf abzuzielen, daß ihnen verständlich wird, welche Vorgänge sich i m Rahmen des EDV-Einsatzes abspielen, welche Zwecke damit verfolgt werden können und auf welchen Voraussetzungen eine optimale Nutzung der EDV beruhen muß. Vor allem sollte auch hervorgehoben werden, daß nicht nur die Kostenseite, die sie unter Umständen — je nach Verrechnung i m Unternehmen — belasten kann, zu betrachten ist, sondern i n erster Linie der sich ergebende Nutzeffekt, d. h. die Unterstützung, die sie zur Erreichung ihrer Ziele durch die EDV erfahren. Das verlangt selbstverständlich, daß die angewandten Systeme dem auch gerecht werden. Daher sollten die Manager an ihrer Entwicklung m i t beteiligt sein, wenn sie i n ihrer Tätigkeit davon betroffen werden. Neben Schulung und Mitbeteiligung der Manager am EDV-Einsatz kann auch der schon mehrfach erwähnte, als Koordinator abgestellte EDV-Fachmann sehr i m Sinne der Anpassung des Management an das System wirken, indem er vor allem nachweist, was aus der EDV-Anwendung i n der betreffenden Abteilung zu gewinnen ist. Diese verschiedenen Anpassungsmaßnahmen sollten bereits bei der Durchführung von Aufgaben- und Integrationsanalysen beginnen, also m i t den Vorarbeiten für die Systeme, und deren weitere Entwicklung, die Einführung und den Ausbau laufend begleiten. I m Zeitablauf gesehen ist also für eine Koordinierung der sukzessiven Ausdehnung der EDVAnwendung und der entsprechenden Anpassung des Management zu sorgen. Gerade die EDV kann und sollte nicht von heute auf morgen, sondern i n einem gut geplanten Ablauf allmählich eingeführt werden. Die technische Entwicklung auf diesem Gebiet schreitet so rasch voran, daß bereits das Mithalten seitens des EDV-Personals Probleme auf-
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w i r f t , das Mithalten des Management naturgemäß noch viel mehr. Dabei ist auch daran zu denken, daß die Einstellung gegenüber der EDV nicht so sehr vom Lebensalter, als vielmehr vom Menschentyp abhängt. I n Verbindung m i t den organisatorischen Maßnahmen sollte außerdem nicht der Kompetenzenentzug sondern die Kompetenzerweiterung und die Verbesserung i n ihrer Ausübung zur Anpassung des Management an das System beitragen. I I . Verwertung des Systems durch das Management
Vom Grad der erreichten Anpasung des Management an das System hängt i n den meisten Fällen auch die Verwertung des Systems durch das Management ab. Diese w i r d erst dann stattfinden, wenn der betroffene Manager vom Nutzen des Systems überzeugt ist. Das betrifft i n erster Linie die Anwendung der EDV für Informations- und Steuerungssysteme. Sowohl die Informations-, als auch die Steuerungssysteme sind zweckbedingt, d. h. der Inhalt der Informationen und Berichte sowie der Planungs-, Entscheidungs- und Regelungsvorgänge hängt jeweils vom damit verfolgten Zweck ab. Die optimale Verwertung der Systeme setzt deshalb deren zweckentsprechende Gestaltung voraus und diese wiederum die Bekanntgabe und Fixierung der Zwecke durch die jeweils betroffenen Manager. Die Verwertung beginnt also bereits bei der Entwicklung dieser Systeme, was wieder auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen und bereitwilligen M i t w i r k u n g der Manager hinweist. Es ist jedoch auch daran zu denken, daß sich die Zwecke ändern können, was dann entsprechende Änderungen i n den Systemen nach sich ziehen muß. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist weiter darauf zu achten, daß das System alles für die jeweiligen Zwecke Notwendige zeitgerecht, i m entsprechenden Umfang und i n verständlicher Form liefert. Das Zeitproblem w i r d i m allgemeinen nicht so relevant sein, da die EDV ja gerade durch besondere Schnelligkeit ausgezeichnet ist. Doch während üblicherweise nach zu später Unterrichtung zu fragen ist, kann hier i m Gegensatz dazu die Frage auftreten, ob tatsächlich i n jedem Fall die Ergebnisse sehr schnell, d. h. sofort, geliefert werden müssen, oder ob nicht eine größere Zeitspanne den Zwecken genügt. Das steht nicht nur i n Verbindung m i t den Kosten der EDV, sondern auch mit dem zweiten Punkt des Volumens der anfallenden Ergebnisse. Es kommt nicht darauf an, viel zu liefern, so daß die Manager einen Wust von Informationen zu bewältigen haben, sondern das unbedingt Erforderliche, was der Manager vor allem zum Ergreifen seiner Maßnahmen braucht. Muß er sich das erst herausarbeiten, so w i r d die Verwertung i n vielen Fällen bereits erheblich zurückgehen, da der Betroffene es
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dann u. U. lieber läßt und bei seinem gewohnten Verfahren bleibt. Das t r i f f t u m so mehr zu, je höher die Managementebene ist. Die Verständlichkeit der vom System gelieferten Ergebnisse hängt eng damit zusammen. Sie bezieht sich sowohl auf die Verwertung, als auch überhaupt auf den Verkehr zwischen Manager und System. Setzt das letzte spezifische EDVKenntnisse voraus, wie ζ. B. eine bestimmte Sprache, so hemmt es ebenfalls die Verwertung. Hier müssen deshalb die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, die es dem Manager ermöglichen, i n relativ einfacher Form die Ergebnisse des Systems zu erhalten und für seine Zwecke zu verwerten. Die genannten Punkte können zunächst wiederum durch entsprechende Schulung der Manager geklärt werden. Diese Schulung sollte auch das Verständnis hinsichtlich der Verwertungsmöglichkeiten von systemimmanenten Methoden, wie ζ. Β von Operations-Research-Verfahren, fördern, was nicht nur das Herausstellen möglicher Vorteile, sondern vor allem die Abgrenzung und Kennzeichnung der Voraussetzungen für eine sinnvolle Verwertung verlangt. Neben den Schulungsmaßnahmen sind es wieder die Koordinatoren, die hier i n besonderem Maße ein W i r kungsfeld haben. Sie können ein nützliches Bindeglied zwischen Manager und System darstellen und vermögen i n manchen Fällen überhaupt erst eine sinnvolle Handhabung und Verwertung seiner Ergebnisse zu gewährleisten. Nicht zuletzt muß daran gedacht werden, daß nicht nur die Verwertung der Systeme an sich, sondern darüber hinaus auch die Ergebnisse dieser Verwertung von Interesse sind, denn erst durch sie w i r d die volle Zweckerfüllung erreicht. Daher sollten die auf der Grundlage der EDV erreichten Verbesserungen i n der Wirksamkeit der Maßnahmen der Manager erfaßt werden. Derartige Verbesserungen, die i n der Regel nicht finanziell meßbar sind, seien als Infomations- und Dispositionserträge bezeichnet. Beide hängen sehr eng zusammen. Informationserträge sind die Auswirkungen einer schnelleren und besseren Unterrichtung der Mitarbeiter. Sie kommen i m allgemeinen als Zeitersparnis und Wissensmehrung zum Ausdruck, dienen i m letzten Fall also auch i m gewissen Grade den darauf beruhenden Dispositionen. Dispositionserträge sind die Auswirkungen der schnelleren und besseren Dispositionen, die durch die EDV-Systeme selbst zustande kommen. Daraus ergibt sich meist eine Vermeidung bzw. Minderung von Fehldispositionen und eine Förderung bzw. Mehrung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Unternehmens. Die kostenmäßige Ermittlung solcher Erträge ist höchstens aufgrund der Zeiteinsparungen i m Rahmen der Informationserträge möglich, jedoch nur i n sehr begrenztem Umfang. Daher muß hier nach anderen Ausdrucksformen der Erträge gesucht werden.
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Als solche bietet sich zunächst die Produktivität, d. h. das Verhältnis von Einsatz- zu Ausbringungsmengen an. Es w i r d vielfach festzustellen sein, inwieweit sich die Leistungsmenge je Zeiteinheit (output per man/ hour) durch den Einsatz der EDV verändert, ζ. B. die Zahl der pro Tag bearbeiteten Aufträge, die Zahl der Versandeinheiten pro Woche, die Auslastung des Fuhrparks, die Zahl der Besuche von Verkäufern usw. Beim Einsatz der EDV für Marketingzwecke kann als weitere Ausdrucksform der Informations- und Dispositionserträge die Steigerung der Umsatzleistung angesehen werden. Hierzu sind zunächst die eventuellen wert- und mengenmäßigen Umsatzerhöhungen zu nennen, die auf die EDV-Anwendung zurückzuführen sind, aber auch das Ausmaß der dadurch möglichen Bewältigung höherer Umsätze m i t einem gleichbleibenden Apparat. Weiter gehören dazu die Verbesserungen i n der Umsatzhäufigkeit und -geschwindigkeit, die aufgrund der Umschlagzahlen, so für Lager- und Debitorenbestände, ersichtlich werden, und die Verbesserungen i n der Warenverteilung, die sich durch Feststellung des Grades der Termineinhaltung oder Terminverkürzung und der Vorratsergänzung bei Abnehmern (Rückgang von Fehlverkäufen und Belieferungsreklamationen) erhärten läßt. Eine dritte Ausdrucksform auf Marketinggebiet ist die als Informations- und Dispositionserträge anzusehende Erhöhung der Marktdurchdringung und -ausnutzung, d. h. der Marktbearbeitung. Zu ihrer Ermittlung können ζ. B. Kundenzahlen, Marktanteile, das Ausmaß der ImageErhöhung oder die Verbesserung der Einstellung der Abnehmer zum Unternehmen dienen, soweit sich dies alles auf die EDV-Anwendung zurückführen läßt. Hierher gehört auch die Feststellung des Grades der A n passung an Bestimmungsfaktoren der EDV und des Marketing (Multifaktorenanalyse) und die Ermittlung des Grades der Erreichung verschiedener Zielsetzungen durch den EDV-Einsatz (Nutzwertanalyse). Es dürfte auf der Hand liegen, daß die Ermittlung der Informationsund Dispositionserträge von der Produktivitätserhöhung über die Steigerung der Umsatzleistung bis hin zur besseren Marktbearbeitung immer schwieriger wird. Doch sollten nichtsdestoweniger Analysen durchgeführt werden, die diese mehr oder weniger qualitativen Auswirkungen der EDV auf den Erfolg entsprechend den Gegebenheiten i m Unternehmen untersuchen und sie i n etwa erfaßbar machen. Die festgestellten Verbesserungen sind zweckmäßigerweise i n Form von Prozentzahlen auszudrücken, wie Schaubild 3 beispielhaft zeigen soll. Auch hier empfiehlt es sich, die verschiedenen Möglichkeiten zu ergreifen und die eventuellen Grenzen der Erkenntnisgewinnung besonders zu beachten. Vor allem ist daran zu denken, daß die Verwertbarkeit einerseits und die tatsächliche Verwertung der Ergebnisse der EDV-Anwendung durch das Management
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andererseits dabei eine große Rolle spielt. Trotz der Relativität der gewonnenen Erkenntnisse w i r d sich aber doch ein abgerundetes B i l d über die Informations- und Dispositionserträge der EDV abzeichnen. Nicht zuletzt ist hervorzuheben, daß gerade diese Untersuchungen sich gegebenenfalls i m Hinblick auf eine Um- und Fortgestaltung der Systeme auswerten lassen. Schaubild 3 Ermittlung der Informations- und Dispositionserträge A. Produktivitätserhöhung 1. 2. 3. 4. 5
%
Auftragsbearbeitung Versand Transport Verkauf usw.
B. Steigerung der Umsatzleistung 1. 2. 3. 4. 5
%
Umsatzerhöhung Erhöhung Lagerumschlag Senkung Liefertermine Erhöhung Liefersicherheit usw.
C. Verbesserung der Marktbearbeitung
%
1. Kundenzahlerhöhung 2. Marktanteilserhöhung 3. Prestigeerhöhung 4 usw.
Ι Π . Steuerung des E D V - und Systemeinsatzes
Die dritte Gruppe führungsmäßiger Auswirkungen bezieht sich darauf, den Einsatz der EDV und der von i h r bewältigten Systeme zu steuern, d. h. über Entwicklung, Anwendung und Ausbau zu entscheiden und die entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen. Diese Steuerungsmaßnahmen werden i n der Regel, soweit es sich u m grundsätzliche Fragen m i t erheblichen Auswirkungen für das Unternehmen handelt, von der obersten Geschäftsleitung wahrgenommen und i m übrigen vielfach dem Leiter des EDV-Bereiches übertragen. Dem EDVLeiter bleibt es dann oft auch überlassen, sich gegenüber den anderen Unternehmensbereichen selbst durchzusetzen und sich m i t ihnen bei der 6 Festschrift für O. R. Schnutenhaus
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Realisation der Maßnahmen zu arrangieren. I n solchen Fällen kann es geschehen, daß zunächst schon die Geschäftsleitung selbst nicht so sehr vom Nutzen der EDV überzeugt ist, sie mehr oder weniger als notwendiges Übel oder ihr Vorhandensein gar als Prestigefrage betrachtet. Den Mitarbeitern i n den Bereichen des Unternehmens, die vom EDV-Einsatz betroffen werden, bleibt dann nichts weiter, als sich m i t der Entscheidung der obersten Geschäftsleitung abzufinden und auf ihre Weise m i t der EDV zurechtzukommen. Ein solches Vorgehen, auch wenn es i n abgemilderter Form erfolgen sollte, zieht häufig Spannungen und vor allem eine ungenügende Nutzung der doch m i t relativ hohem Kosteneinsatz verbundenen EDV nach sich. Es dürfte zweckmäßiger sein, für die Steuerung des EDV- und Systemeinsatzes i m Unternehmen eine andere Vorgehensweise zu finden und zu akzeptieren. Als solche bietet sich eine Steuerung an, die dem Projektmanagement nahekommt. Es sollte also eine Steuerungsgruppe gebildet werden. Das gilt umsomehr, je mehr die Anwendung der EDV von der operativen zur dispositiven Ebene hin ausgebaut und integriert wird, und zwar nicht nur i m Marketingbereich. Den K e r n dieser Steuerungsgruppe sollte eine ständige Organisationseinheit bilden, die sich ζ. B. aus einem Mitglied der obersten Geschäftsleitung, dem Finanzchef und dem Leiter der EDV zusammensetzt. Die Entscheidungen wären dann jedoch nicht von dieser Gruppe allein, sondern jeweils gemeinsam mit den fallweise hinzugezogenen Leitern der von der Entscheidung betroffenen Bereiche bzw. Abteilungen zu fällen. Ebenso wären gemeinsam m i t ihnen die zur Realisation notwendigen Maßnahmen zu bestimmen. A u f diese Weise w i r d soweit wie möglich sichergestellt, daß auch auf Seiten der Anwender und Nutzer der EDV die entsprechende Ausrichtung auf den EDV-Bereich erfolgt und eine Zusammenarbeit stattfindet. Gerade bei einem Instrument wie die EDV, welches erhebliche finanzielle, materielle und organisatorische Auswirkungen, vor allem auch langfristiger Natur, i m gesamten Unternehmen hat, sollte eine solche verstärkte Teamarbeit an erster Stelle stehen. Je mehr i n diesem Sinne vorgegangen wird, desto mehr dürfte sich die EDV positiv auf den Erfolg des Unternehmens auswirken.
DRITTER TEIL
Absatzpolitische Instrumente und Konsumentenverhalten
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes Von Heribert Meff ert* A. Das Produktlebenszyklus-Konzept als absatzpolitisches Problem Auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Absatztheorie hat sich seit geraumer Zeit ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Die zentrale Frage „Wer vermarktet was an wen?" w i r d heute i n erster Linie unter Entscheidungs- und Führungsgesichtspunkten untersucht. Das Interesse der i n den Mittelpunkt gerückten Marketing-Theorie gilt Fragen der Planung, Koordination und Kontrolle aller marktgerichteten Unternehmensaktivitäten unter besonderer Berücksichtigung der Käuferbedürfnisse. Es ist das besondere Verdienst von Schnutenhaus, diese Neuorientierung der Absatzpolitik durch eine konsequente führungsbezogene Betrachtungsweise i m deutschen Sprachraum maßgeblich gefördert zu haben 1 . I m Zuge dieses Wandels wurde eine Reihe älterer Konzeptionen der betriebswirtschaftlichen Absatztheorie unter dem Vorwurf des „Modellplatonismus" 2 aufgegeben bzw. i n den Hintergrund gedrängt. Hierzu gehören vor allem die auf der Hypothese einer vollständigen Rationalität der Käufer basierende Haushaltstheorie und die an der neoklassischen Gleichgewichtskonzeption orientierten Modelle der Preispolitik. Stattdessen rückten unter dem Einfluß der angelsächsischen Marketing-Theo· rie neue Begriffe, Modellvorstellungen und Konzeptionen i n den Vordergrund. Hierzu zählt auch das sog. Lebenszykluskonzept. Das Lebenszykluskonzept beruht i n seiner allgemeinsten Form auf der Vorstellung, daß — i n Analogie zum Leben natürlicher Organismen — auch künstlich geschaffene Systeme dem Gesetz des Werdens und Ver* Meinen Mitarbeitern danke ich f ü r die kritische Diskussion des M a n u s k r i p tes, insbesondere jedoch H e r r n D i p l . - K f m . P. Rohlmann u n d H e r r n D i p l . - K f m . P. Stahl f ü r die Unterstützung bei der Literaturauswertung u n d Quelleninterpretation. 1 Vgl. Schnutenhaus, O. R.: Absatzpolitik u n d Unternehmensführung, Freiburg 1961; derselbe, Die Entscheidungsanalyse der Unternehmensführung f ü r das systematische Gewinnmachen i m M a r k t u n d die Typologie der Unternehmung, Herne/Berlin 1969. 2 Vgl. Albert, H.: Marktsoziologie u n d Entscheidungslogik, Soziologische Texte, Bd. 36, Hrsg. H. Maus u n d F. Fürstenberg, Neuwied 1967, S. 355 ff.
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gehens unterliegen und dabei bestimmte Entwicklungsstadien durchlaufen. I n diesem Sinne w i r d der Begriff des Lebenszyklus i m absatzwirtschaftlichen Bereich vor allem auf Branchen, Betriebsformen, Produkte, Ideen und Marken bezogen. I n den Lehrbüchern der management-orientierten Richtung der Marketing-Theorie ist vor allem das Produktlebenszyklus-Konzept weit verbreitet 3 . Anhand bestimmter Maßgrößen (Absatz, Umsatz, Deckungsbeitrag) w i r d damit die Entwicklung eines Produktes während seiner Lebensdauer beschrieben. Stellt man den Sachverhalt i n einer Grafik dar, so spiegelt sich i n „Lebenszykluskurven" die Gesamtheit der Markttransaktionen bestimmter Produkte während ihrer Marktperiode wider. Je nach der besonderen Betonung der Angebotsoder Nachfrageseite spricht man auch vom „Angebotszyklus" oder vom „ Akzeptationszyklus" von Produkten. Ordnet man die Konzeption des Lebenszyklus von Produkten i n den größeren Zusammenhang der „Absatzpolitik und Unternehmensführung" von Schnutenhaus ein, so handelt es sich u m ein Problem der Einbeziehung von Modellen i n die Absatzvorbereitung. Das Lebenszykluskonzept kann als spezielles Problem der Produktanalyse interpretiert werden 4 . I n diesem Sinn w i r d i n nahezu allen Lehrbüchern das Lebenszykluskonzept als Informationsgrundlage für die Produkt- und Sortimentspolit i k einer Unternehmung aufgefaßt 5 . Auffallend ist, daß trotz weitgehender Akzeptanz der Konzeption als solcher die Urteile über ihre Anwendbarkeit recht geteilt sind. Eine erste Gruppe von Autoren sieht i n der Lebenszyklusanalyse ein „idealtypisches Konzept" 6 für die Beschreibung 8
Vgl. Albrecht, B.: M a r k e t i n g — Die Konzeption f ü r jede marktorientierte Unternehmensführung, Düsseldorf und Wien 1971, S. 114 ff.; Hill, W.: M a r keting, Bd. I I , 2. Auflage, Bern u n d Stuttgart 1972, S. 21 ff.; Kilger, W.: Optimale Produktions- u n d Absatzplanung, Entscheidungsmodelle f ü r den Produktionsu n d Absatzbereich industrieller Betriebe, Opladen 1973, S. 24 f.; Kotler, P.: Marketing Management: Analysis, Planning, and Control, 2nd. ed., Englewood Cliffs 1972, S. 429 ff.; Nagtegaal , Η . : Grundlagen des Marketing. E i n Handbuch f ü r Marketingfachleute m i t zahlreichen Aufgaben u n d Fallstudien, Wiesbaden 1972, S. 227 ff.; Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H.: Marketing. E i n entscheidungstheoretischer Ansatz, 5. Auflage, B e r l i n 1972, S. 170 ff.; Taylor, W. J. u n d Shaw Jr., R. T.: Marketing. A n Integrated, A n a l y t i c a l Approach, 2nd ed., Cincinnati 1969, S. 556 ff. 4 Vgl. Schnutenhaus, Ο. R.: Absatzpolitik u n d Unternehmensführung, S. 162 f. 5 Vgl. Booz, Allen & Hamilton, Management of New Products, New Y o r k 1968, S. 4 f.; Dichtl, E.: Die Beurteilung der Erfolgsträchtigkeit eines Produktes als Grundlage der Gestaltung des Produktionsprogramms, Betriebswirtschaftliche Schriften, Heft 42, B e r l i n 1970, S. 52 ff.; Freudenmann, H.: Planung neuer Produkte. Betriebswirtschaftliche Abhandlungen. Neue Folge, Bd. 9, Stuttgart 1965, S. 7 ff.; Grosche, K . : Das Produktionsprogramm. Seine Änderungen u n d Ergänzungen, Abhandlungen aus dem Industrieseminar der Universität zu K ö l n , Heft 24, Hrsg. Th. Beste, B e r l i n 1967, S. 114 ff.; Kotler, P.: Competitive Strategies for New Product M a r k e t i n g over the Life Cycle, i n : Management Science, Vol. 12, No. 4 (December 1965), S. 20. β Hansen, U., Leitherer, E.: Produktgestaltung, Stuttgart 1972, S. 20.
Interpretation u n d Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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der P r o d u k t e n t w i c k l u n g i m M a r k t oder e i n „ b e q u e m e s V e h i k e l z u r D i s k u s s i o n des W e r d e n s u n d V e r g e h e n s v o n P r o d u k t e n " 7 . A n d e r e A u t o r e n bezeichnen das L e b e n s z y k l u s k o n z e p t als eine A r t „technische K r ü c k e " 8 oder als „ w e r t v o l l e s b e g r i f f l i c h e s I n s t r u m e n t " 9 f ü r p r o d u k t p o l i t i s c h e Entscheidungen. E i n e d r i t t e große G r u p p e schließlich e r b l i c k t i m L e b e n s z y k l u s k o n z e p t eine „ G r u n d l a g e f ü r die Prognose der A b s a t z e n t w i c k l u n g v o n P r o d u k t e n " 1 0 u n d eine „ w i c h t i g e H i l f e f ü r d e n E n t w u r f des s t r a t e gischen u n d t a k t i s c h e n M a r k e t i n g - M i x " 1 1 . E r s t a u n l i c h e r w e i s e finden sich gerade b e i der l e t z t e n G r u p p e v o n A u t o r e n o f t A u s f ü h r u n g e n , die eine U n s i c h e r h e i t , Skepsis u n d scheinbar W i dersprüche ü b e r die B e d e u t u n g des L e b e n s z y k l u s k o n z e p t e s z u m A u s d r u c k b r i n g e n . E i n e j ü n g e r e S t u d i e ü b e r d e n P r a x i s w e r t der L e b e n s z y k l u s k o n z e p t i o n b e l e g t diesen S a c h v e r h a l t e x e m p l a r i s c h : „ I n den Reihen amerikanischer Fachleute w i r d nicht selten die Meinung vertreten, dem Vorhandensein dieser Konzeption komme i m Sektor Marketing eine ähnliche oder vergleichbare Bedeutung zu wie der periodischen Tabelle chemischer Elemente i m chemisch-physikalischen Bereich. Hier w i e dort sei es eben dieses Rüstzeug, das eine Gruppierung i n Kategorien, Familien u n d Stämme erlaube, es ergo erst zulasse, daß man mögliche u n d wahrscheinliche Reaktionen auf verschiedene S t i m u l i prognostizieren könne Beim,Parallelfall Marketing' [handelt es sich] unter anderem darum, m i t Hilfe der Konzeption Produkt-Lebenszyklus Akzeptierungsgrad i n den Vertriebswegen, erforderlichen Werbeaufwand etc. zu bestimmen^." A n a n d e r e r S t e l l e h e i ß t es jedoch: „Diese F o r m der Produktklassifizierung nach Lebensphasen bzw. Akzeptierungsstadien ist weit eher m i t einer ,Kunst', denn m i t einer ,exakten Wissenschaft' vergleichbar, w e i l eine wirkliche Genauigkeit, wenn überhaupt, höchstens durch Z u f a l l erreichbar wäre. Aber trotz der Tatsache, daß hinsichtlich Exaktheit v i e l zu wünschen übrig bleibt, so sind doch allein die Möglichkeiten einer derartigen Klassifizierung f ü r Planungsaktionen i m gegebenen Rahmen von erheblichem W e r t 1 3 . " Z i e l des v o r l i e g e n d e n B e i t r a g s ist es, die R o l l e des L e b e n s z y k l u s k o n zeptes v o n P r o d u k t e n i m R a h m e n einer e n t s c h e i d u n g s o r i e n t i e r t e n M a r 7
Ansoff , I. H.: Corporate Strategy. A n A n a l y t i c a l Approach to Business Policy for G r o w t h and Expansion, New Y o r k usw., 1965, S. 70. 8 Ο. V.: Welchen Praxiswert hat der Produktlebenszyklus? GfK-Sonderdienst, Nr. 7 (Juli 1973), S. 387. 9 Lipson, Η . Α., Darling, J. R.: Introduction to Marketing: A n Administrative Approach, New Y o r k usw., 1971, S. 617. 10 Smallwood, J. R.: The Product Life Cycle: A K e y to Strategie M a r k e t i n g Planning, i n : M S U Business Topics, Vol. 21, No. 1 (Winter 1973), S. 32. 11 Boyd Jr., H. W., Massy, W. F.: Marketing Management, New Y o r k usw., 1972, S. 326. 12 Ο. V.: Welchen Praxiswert hat der Produktlebenszyklus? S. 387 f.; vgl. auch die Ausführungen bei Smallwood, J. E., S. 29. 13 Ο. V.: Welchen Praxiswert hat der Produktlebenszyklus? S. 396.
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Heribert Meffert
keting-Theorie kritisch zu überprüfen. Als anwendbare Theorie strebt diese letztlich Empfehlungen für eine „richtige" oder „optimale" Absatzpolitik der Unternehmung an. Aus diesem Grunde steht der Aussagewert des Konzeptes für praktische Entscheidungen i m Mittelpunkt. Ein Blick i n die Literatur zeigt, daß ein nicht unerheblicher Teil der divergierenden Darstellungen auf unterschiedliche Interpretationen des Konzeptes zurückzuführen ist. Aus diesem Grunde werden zunächst der Modellcharakter des Lebenszykluskonzeptes dargestellt und die wichtigsten i n der Literatur verfolgten Modellzwecke analysiert. Darauf aufbauend w i r d i m Hinblick auf relevante Beurteilungsmaßstäbe anhand der wichtigsten empirischen Untersuchungen die Gültigkeit und Anwendbarkeit des Lebenszykluskonzeptes diskutiert. Dabei interessiert insbesondere die Frage, ob und inwieweit das Lebenszykluskonzept für eine Unternehmung, die ein neues Produkt am M a r k t eingeführt hat oder einführen w i l l , eine Prognosehilfe darstellt und Grundlage für die Bestimmung des phasenoptimalen Marketing-Mix sein kann. B. Darstellung und Interpretation des Produktlebenszyklus-Konzeptes Das Lebenszykluskonzept von Produkten kann als ein spezielles betriebswirtschaftliches Modell, d. h. ein abstraktes System charakterisiert werden, welches bestimmte reale Sachverhalte i n vereinfachter Form abbildet. Es erfüllt die besonderen Merkmale eines partiellen Wachstumsund Schrumpfungsmodells der Unternehmung. Die Eigenschaften dieses Modells lassen sich m i t Hilfe der üblicherweise i m Rahmen von Modellanalysen verwendeten Überlegungen genauer darlegen 14 . 1. G r u n d s t r u k t u r 1.2. Allgemeine
des M o d e l l s Aussagen
Das Lebenszyklusmodell beruht auf der generellen Hypothese, daß sich der Absatz eines Produktes über die Zeit nach einer Gesetzmäßigkeit oder „gewissen Regelmäßigkeit" (Heinen) entwickelt, die durch einen typischen Verlauf von Veränderungsraten bestimmter Zielgrößen beschrieben wird. Albach bemerkt zu Recht, daß die i m Produktlebenszyklus beschriebene Hypothese „nicht aus einer geschlossenen Theorie 14
Vgl. Kosiol, E.: Modellanalyse als Grundlage unternehmerischer Entscheidungen, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung, Neue Folge, 13. Jg., 1961, S. 319 ff.; Grochla, E.: Modelle als Instrumente der Unternehmensführung, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung, Neue Folge, 21. Jg., 1969, S. 382 ff.; Heinen, E.: Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1968, S. 14 ff.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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folgt, sondern eigentlich nur empirische Beobachtungen verallgemeinert" 1 5 . Meistens w i r d ein Kurven verlauf dargestellt, der dem ertragsgesetzlichen (s-förmigen) Verlauf der Produktionsfunktion entspricht und als typisch apostrophiert, aber kaum näher begründet wird. Abbildung 1 zeigt den i n aller Regel unterstellten modellmäßigen Zusammenhang zwischen den wichtigsten abhängigen Variablen und der Zeit vor und nach der Einführung eines neuen Produktes 16 . E i n besonderes Problem besteht bezüglich der verwendeten Maßgrößen, anhand derer die E n t w i c k l u n g der Produkte verfolgt werden soll. Z u den relevanten Variablen gehören Umsatz, Absatz, Marktanteil, Nettogewinn u n d Deckungsbeitrag. Es darf nicht verkannt werden, daß gerade die Verwendung von monetären Größen w i e ζ. B. Gewinn u n d Umsatz wegen der Schwierigkeit der Isolierung der Preiseinflüsse nicht unproblematisch ist. Meist ist dam i t bereits das Instrument „Preispolitik" als unabhängige Variable zur Beeinflussung des Lebenszyklus i n der Analyse aufgegeben. Andererseits schränkt ein Verzicht auf solche Wertmaßstäbe, die als wesentlich für die E r reichung der Unternehmungsziele Wachstum u n d Sicherheit anzusehen sind, die Aussagefähigkeit der Untersuchung ein. Dies gilt vor allem f ü r Vergleiche des Lebenszyklus einzelner Produkte m i t Lebenszyklen von Produktgruppen. M i t der Abgrenzung des Produktbegriffes ist ein weiteres Kernproblem der Modellanalyse angesprochen. A l s Voraussetzung w i r d grundsätzlich die Identität einer exakt abgegrenzten Produktleistung während der gesamten Betrachtungsperiode unterstellt. Diese Voraussetzung scheint u m so eher gewährleistet, je allgemeiner der Produktbegriff gefaßt w i r d . Grundsätzlich sind drei Bezugsgrößen denkbar: (1) Produktklassen (ζ. B. elektrische Geräte), (2) Produktgruppen (ζ. B. Farbfernsehgeräte), (3) Produkte bzw. M a r k e n (ζ. B. Farbfernsehgerät der M a r k e x).
I m folgenden sollen — soweit nicht anderes gesagt w i r d — grundsätzlich Produkte bzw. Marken einer Unternehmung betrachtet werden. Als Wachstumsmaße werden Umsatzzahlen einzelner Produkte verwendet. Entsprechend den vorherrschenden Interpretationen w i r d ausschließlich die Zeit als dominanter Einflußfaktor der Veränderungsraten des Umsatzes angesehen. Die Zeit steht damit stellvertretend als Verursachungsfaktor für eine Vielzahl kontrollierter und nichtkontrollierter Variablen der Absatzpolitik. Eine der Grundaussagen des Lebenszyklusmodells besteht darin, daß jedes Produkt nur über eine begrenzte Lebenszeit verfügt und irgendwann wieder vom M a r k t verschwindet. Ferner erzielt jedes Produkt i n der Regel — unabhängig von seinem spezifischen Umsatzverlauf — zunächst steigende und dann sinkende Grenzumsätze i n der Zeit. Schließ15 Albach, H.: Ansätze zu einer empirischen Theorie der Unternehmung, i n : Wissenschaftsprogramm u n d Ausbildungslehre, Hrsg. G. v. Kortzfleisch, B e r l i n 1971, S. 151.
" Vgl. Grosche, K., S. 255.
Interpretation .und Aussagewert des Pr oduktlebenszyklus-Konzeptes
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lieh durchläuft jedes Erzeugnis bestimmte Phasen während seiner Lebensdauer — unabhängig davon, ob die absolute Lebensdauer eines Produktes Jahrzehnte (ζ. B. Flugzeuge), einige Jahre (ζ. B. Kraftfahrzeuge) oder nur wenige Monate (ζ. B. Modeartikel) beträgt. 1.2. Phasenverläufe Die Phaseneinteilung des Produktlebenszyklus w i r d ohne oder mit teilweisem Rückgriff auf mathematische Charakteristika des Kurvenverlaufs mehr oder weniger willkürlich vorgenommen. Obwohl i n der Literatur die Unterschiede mehr formaler Natur sind (Anzahl und Benennung der Phasen), läßt sich doch eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung des Entwicklungsmusters und des begrifflichen Rahmens feststellen 17 . So werden ζ. B. die folgenden fünf Phasen zugrunde gelegt: 1. 2. 3. 4. 5.
Einführung (product introduction) Wachstum (market growth) Reife (market maturity) Sättigung (saturation) Degeneration bzw. Verfall (sales decline)
Unter gewissen Bedingungen kann sich eine sechste Phase der Versteinerung (petrification) mit nahezu konstantem Umsatzverlauf i m Bereich kleiner Absatzmengen anschließen. Abbildung 2 illustriert i n „idealtypischer" Weise am Beispiel einer weitgehend normalverteilten Umsatzkurve die „kritischen" Punkte zur Phaseneinteilung 18 . I m folgenden sollen die wichtigsten i n der Literatur angeführten Begründungen für den Phasenverlauf eines kurzlebigen Konsumgutes skizziert werden. 1.2.1. Einführungsphase Den Abschluß des Neuproduktplanungsprozesses 19 bildet die Markteinführung, d. h. das Produkt beginnt seinen Lebenszyklus. Die Kurven17 Vgl. Freudenmann, H., S. 8; Grosche, K., S. 145; Booz, Allen & Hamilton, S. 4; Scheuing, Ε . E.: Gezielter Einsatz i m Produkt-Leben, i n : M a r k e t i n g Journal, 4. Jg., Heft 4, 1971, S. 292 f.; Z u r abweichenden Phasengliederung vgl. Forrester, J.: Industrial Dynamics, Cambridge, New York, London 1961, S. 317; Brockhoff, K . : A Test for the Product Life Cycle, i n : Econometrica, Vol. 35, No. 3 - 4 (July - October 1967), S. 472; Cox Jr., W. E.: Product L i f e Cycles as Marketing Models, i n : Journal of Business, Vol. 40, No. 4 (October 1967), S. 375. 18 Vgl. Freudenmann, H., S. 8. 19 Vgl. hierzu ζ. B. Meffert, Η . : Marketing, i n : Management — Enzyklopädie, Bd. 4, München 1971, S. 395; derselbe: Der Prozeß der Neuproduktplanung (II), i n : Das Wirtschaftsstudium — WISU, 2. Jg., Nr. 3 (März 1973), S. 104; Schmitt-Grohé, J.: Produktinnovation, Verfahren u n d Organisation der Neuproduktplanung, Bd. 3 der Schriftenreihe Unternehmensführung u n d M a r k e ting, Hrsg. H. Meffert, Wiesbaden 1972, S. 55; Säbel, H.: Produktpolitik i n absatzwirtschaftlicher Sicht, Wiesbaden 1971, S. 54 ff.
Heribert Meffert
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Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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Verläufe i n dieser Phase werden vor allem durch Neugierkäufe und die Anstrengungen des Marketing erklärt, das Produkt am M a r k t erfolgreich einzuführen. Die Einführungsphase w i r d aus marktstrategischen Erwägungen oft als die wichtigste Phase angesehen. Hier entscheidet es sich, ob eine ursprüngliche Produktidee i n ein „marktreifes" und akzeptiertes Produkt überführt worden ist. Wegen der oft aufwendigen Einführungsanstrengungen vor allem für den Aufbau einer Vertriebsorganisation und die Kommunikation (Einführungswerbung, Verkaufsförderung) bezeichnet man dieses Stadium auch als Phase der eigentlichen Marktinvestitionen 2 0 . Für die Unternehmung bedeuten diese Investitionen meist, daß sie anfangs Verluste hinnehmen muß. Das Ausmaß der Anfangsverluste hängt ebenso wie die Diffusion i m Markt unter anderem auch von der Preispolitik ab (ζ. B. Penetrations· oder Abschöpfungspreise). Negative Auswirkungen auf den Gewinn werden i n diesem Stadium auch durch mögliche Anlauf Schwierigkeiten (Mangel an Produktionserfahrung, Pannen i n der Vertriebsorganisation etc.) sowie verschiedene „Kinderkrankheiten" der Produkte (ζ. B. technische Probleme) hervorgerufen. Das Erreichen einer Gewinnschwelle w i r d durch die Kaufbereitschaft und das Umsatzwachstum bestimmt. Die Kompliziertheit und der Neuheitsgrad des Produktes nehmen darauf ebenso Einfluß wie der Grad der Übereinstimmung m i t den Konsumentenbedürfnissen und die Existenz substitutiver Produkte 2 1 . Nach Erreichen der, Gewinnschwelle treten die Erzeugnisse i n die Wachstumsphase ein. 1.2.2. Wachstumsphase Dem relativ steil ansteigenden Umsatzverlauf i n dieser Phase liegt die Hypothese zugrunde, daß die Marketing-Anstrengungen früherer Perioden v o l l zur Wirkung gelangen und daß das Produkt immer größeren Abnehmerkreisen bekannt wird. Neben solchen zeitlichen Ausstrahlungseffekten liegen die Ursachen für den überproportionalen Umsatzverlauf auch i n der „Flüsterpropaganda" zufriedener Kunden (Meinungsführer), Tests, Berichten i n Fachzeitschriften, die zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades beitragen 22 . Außerdem treten i n diesem Stadium auch Konkurrenzunternehmungen m i t Nachahmungen auf, die durch ihre MarketingAnstrengungen eine weitere Expansion des Marktes fördern. Sie differenzieren ihre Erzeugnisse i n der Form, der technischen Ausführung, der Qualität oder i m Preis und gewinnen auf diese Weise, bezogen auf die 20
Vgl. Grosche, K , S. 145. Vgl. ζ. B. Levitt , T.: Exploit the Product Life Cycle, i n : H a r v a r d Business Review, Vol. 43, No. 6 (November - December 1965), S. 82; Scheuing, Ε . E.: Das Marketing neuer Produkte, Wiesbaden 1970, S. 196. 21
22
Vgl. Grosche , K., S. 146 ; Dichtl, E., S. 64.
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Heribert Meffert
gesamte Produktgruppe, nicht aber auf das betrachtete Produkt, neue Käuferschichten. Nach überproportionalen Umsatzzuwächsen stabilisiert sich die Zuwachsrate nach einiger Zeit bei einem bestimmten Prozentsatz. Mathematisch gesehen ist dies i n der Abbildung 2 bei Erreichen des Wendepunktes der Umsatzkurve der Fall. Die Grenzumsatzkurve erreicht i n diesem Punkt ihr Maximum. Zugleich erreichen i m allgemeinen i n dieser Phase auch die Gewinne ihr Maximum, bedingt durch den Umsatzboom, die Überwindung der Anlaufschwierigkeiten, das Abklingen der aufwendigen Einführungswerbung, die kostenlose interpersonelle Kommunikation und den möglicherweise bei sehr kurzfristigen Gütern bereits i n dieser Phase auftretenden ersten Ersatzbedarf. Man nimmt daher i m allgemeinen an, daß an dieser Wendemarke auch die höchste Umsatzrendite und die niedrigsten Stückwerbekosten erreicht werden. 1.2.3. Reifephase Die Reifephase ist durch eine weitere absolute Marktausdehnung bei gleichzeitigem Absinken der Umsatzzuwachsraten und durch den Rückgang der Umsatzrentabilität gekennzeichnet. Die Schwierigkeit einer fortgesetzten Marktexpansion kommt i m degressiven Anstieg der Umsatzkurve zum Ausdruck. Die Beschränkung des Unternehmenswachstums durch die Konkurrenten, die zwar für die Expansion des Marktes sorgen, ist darauf zurückzuführen, daß sie mit Produktverbesserungen und niedrigeren Preisen auftreten, die die Wachstumsrate des ursprünglich innovativen Unternehmens schrumpfen lassen 23 . Durch Angebote der Konkurrenz nimmt der Wettbewerb i n dieser Phase relativ stark zu. Ferner erscheinen auch Nachzügler auf dem Markt, die ihre Chancen erst ziemlich spät erkannt haben 24 . Aufgrund dieser Aktivitäten i m Markt w i r d ein spürbarer Druck auf den Gewinn der Unternehmung ausgeübt, der zu einer Verminderung der Umsatzrendite führt. Das Ende der Reifezeit der Erzeugnisse ist erreicht, wenn der absolute Umsatzzuwachs allmählich aufhört. Die Grenze zur nachfolgenden Sättigungsphase läßt sich hier nicht genau ziehen, da ζ. B. wegen konjunktureller Überlagerungen eine Stagnation vorgetäuscht werden kann, obgleich bei einer längerfristigen Betrachtung eventuell noch m i t einer Marktausweitung zu rechnen ist. 1.2.4. Sättigungsphase A u f die Reifephase folgt eine Phase der Marktsättigung. Die Umsatzkurve erreicht i n diesem Stadium ihr Maximum; die Grenzumsätze wer28
Vgl. Levitt , T., S. 86. Vgl. Freudenmann, H., S. 11; Heuss spricht i n diesem Zusammenhang v o m „konservativen Unternehmer", Heuss, E.: Allgemeine Markttheorie, T ü b i n gen - Zürich 1965, S. 10. 24
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
95
den negativ. I n dieser Phase w i r d die Größe des Marktes fast ausschließlich durch den Ersatzbedarf bestimmt 2 5 , ansonsten ist nur noch ein Wachst u m entsprechend den Zuwachsraten der Bevölkerung und des Einkommens möglich 26 . Intensive Marketing-Anstrengungen sind i m Kampf u m Marktanteile erforderlich. Es w i r d nämlich i n der Regel davon ausgegangen, daß sich inzwischen die Marktsituation stabilisiert hat, die Unternehmungen sich profiliert haben und ihre Abnehmerkreise sich ihnen gegenüber loyal verhalten. Die sich dadurch erhöhenden Marketing-Kosten und der Einsatz des Preises als Wettbewerbsinstrument führen zu einer weiteren Gewinnverschlechterung. Vielfach werden jetzt zusätzliche Strategien und Aktionen seitens der Unternehmung geplant, u m den Verlauf der Umsatzkurve des Produktes aufrechtzuerhalten. Diese Verlängerungsstrategien können sich auf den laufenden Produktverbrauch sowie den unterschiedlichen Produktgebrauch bei bisherigen Kunden und durch Marktausweitung auf Neukäufer und neue Verwendungsmöglichkeiten für das Produkt beziehen 2 7 . Erste weitsichtige Unternehmer erkennen die beeinträchtigten Marktchancen, so daß sie das Produkt in seiner ursprünglichen A r t langsam auslaufen lassen. Häufig werden auch Substitutionsprozesse größeren Ausmaßes bei den Nachfragern erkennbar, die zu einer Verringerung der ursprünglichen Abnehmerzahl führen. Die Grenzen der Marktsättigung zu nachfolgenden Phasen sind allerdings recht flüssig. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Abgrenzung zur Degenerations- bzw. Versteinerungsphase. 1.2.5. Degenerations- bzw. Versteinerungsphase Die Degenerationsphase bildet meist den Abschluß des Produktlebenszyklus. Die Ursachen liegen darin, daß das Bedürfnis, für dessen Befriedigung das Produkt vorgesehen war, nun besser, billiger, rationeller und bequemer von anderen Gütern befriedigt w i r d 2 8 . Möglicherweise haben sich auch die Verbraucherwünsche dermaßen gewandelt, daß andere Bedürfnisse i n den Vordergrund treten und Priorität besitzen. Nichtausnutzung der vorhandenen Kapazitäten, fallende Preise, abnehmende Mengen, gesteigerte Ansprüche der Verbraucher an Qualität und Service kennzeichnen die aufkommenden Gefahren für die Gewinnlage. Trotz dieser Bedrohung der Ertragslage bleiben manche Produkte oft noch lange — wenn auch nur auf einem geringen Umsatzniveau — i m Markt (Rumpfmarkt). Die wichtigsten Gründe für eine derartige „Versteinerung" der Umsatzentwicklung sind die Verbundwirkungen des 25 26 27 28
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Dichtl, E., S. 66. Kotler, P.: M a r k e t i n g Management, S. 435. Levitt , T., S. 88. L e v i t t spricht von „stretching out the life". Freudenmann, H., S. 12; Grosche, K., S. 146; Dichtl, E., S. 67.
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Heribert Meffert
Produktes i m Absatzprogramm und ein relativ hohes Maß an emotionaler Verwenderloyalität 2 9 . Davon zeugt nicht zuletzt die relativ geringe Preiselastizität solcher Produkte. Die Phase des endgültigen „Absterbens" eines Produktes läßt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, insbesondere den technischen Fortschritt, die wirtschaftliche Überholung, aber auch auf gesetzliche und wirtschaftspolitische Maßnahmen. Besonders schnell t r i t t die Degeneration ein, wenn neben die natürliche eine künstliche Veralterung t r i t t , die bewußt durch neue, das alte Produkt substituierende Erzeugnisse geschaffen wird. Besonders ausgeprägt ist diese Erscheinung der „psychologischen Obsoleszenz" 30 bei modischen Artikeln. 2. M o d e l l t y p e n d e s
Lebenszyklus
Die mehr oder weniger kasuistisch angeführten Begründungen geben keine geschlossene, wissenschaftlich befriedigende Erklärung für einen spezifischen Funktionsverlauf des Lebenszyklus. Sie zeigen lediglich, daß der Umsatz neuer Produkte i m Zeitablauf sowohl vom Einsatz absatzpolitischer Instrumente als auch vom Verhalten der Umwelt (insbesondere der Käufer und der Konkurrenz) abhängt. Es ist deshalb zu prüfen, i n welcher Weise diese Variablen in der Modellbetrachtung Berücksichtigung finden. Dies führt zur Unterscheidung verschiedener Modelltypen. Die Mehrzahl der Autoren ist sich darin einig, daß das Lebenszykluskonzept als ein deterministisches und zeitraumbezogenes Marktreaktionsmodell interpretiert werden kann. Offen ist indes die Frage, ob es sich u m ein echt dynamisches, ein analytisches oder synthetisches Modell handelt 8 1 . Dynamische Modelle enthalten stets Relationen zwischen ökonomischen Größen, die sich auf verschiedene Zeitpunkte bzw. Zeiträume beziehen. Wenngleich ζ. B. der Umsatzanstieg i n der Wachstumsphase auf Ausstrahlungseffekte der Einführungswerbung zurückgeführt wird, finden sich i n den Lebenszyklusanalysen grundsätzlich keine explizit formulierten dynamischen Relationen. Vielmehr liegt eine kinetische Marktreaktions29 Vgl. Michael , G. C.: Product Petrification: A New Stage i n the L i f e Cycle Theory, i n : California Management Review, Vol. 14, F a l l 1971, S. 88 ff. 80 Packard , V.: Die große Verschwendung, Düsseldorf 1961, S. 73. 81 Vgl. die Diskussion der verschiedenen Modelltypen bei Schneider, E.: E i n führung i n die Wirtschaftstheorie, I I . Teil, 11. durchgesehene Auflage, Tübingen 1967, S. 348 ff.; Heinen, E., Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, S. 161 f.; derselbe: Betriebswirtschaftliche Kostenlehre. Kostentheorie u n d Kostenentscheidungen. 3. verbesserte Auflage, Wiesbaden 1970, S. 153 ff.; Meffert, H.: Beziehungen zwischen der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie u n d der K o stenrechnung, Diss., München 1964, S. 92 ff.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
97
funktion vor. I m Rahmen einer kinetischen Betrachtungsweise w i r d die Entwicklung bestimmter Absatzgrößen (Absatz, Umsatz) i m Zeitablauf betrachtet. Methodisch von größerer Bedeutung für die Interpretation des Lebenszykluskonzeptes ist die Unterscheidung zwischen einer analytischen und synthetischen Marktreaktionsfunktion. Analytische Marktreaktionsfunktionen beschreiben die Wirkung des absatzpolitischen Instrumentariums unter der ceteris-paribus-Klausel. Das bedeutet, daß trotz des Vorliegens einer Multikausalität jeweils nur ein verursachender Aktionsparameter variiert w i r d (ζ. B. Preis), während alle übrigen konstant gehalten werden. Die Veränderungen der Erwartungsvariablen lassen sich dann eindeutig auf die Veränderungen des variierten Aktionsparameters zurückführen. I n der Realität w i r k e n neben den unternehmensexternen, nicht kontrollierten Variablen meist alle absatzpolitischen Instrumente gleichzeitig. Diesen Sachverhalt berücksichtigen synthetische Funktionen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß die Bedingung der Konstanz einzelner Aktionsparameter nicht gesetzt wird. Damit w i r d sowohl der Multikausalität als auch den Interdependenzen zwischen den Einflußfaktoren Rechnung getragen. 2.1. Analytisches
Lebenszyklusmodell
Das analytische Lebenszyklusmodell beschreibt die Abhängigkeit des Umsatzes eines bestimmten Produktes unter der Annahme eines konstanten Einsatzes des absatzpolitischen Instrumentariums. Die Umsatzentwicklung w i r d ausschließlich von einer einmal gewählten Ausgangskombination des „produktbezogenen Marketing-Mix" und der zeitabhängigen Umweltsituationen determiniert. Unter diesen Bedingungen ergeben sich ζ. B. die i n Abbildung 3 a und 3 b wiedergegebenen Funktionsverläufe. Die Zeit steht dabei als stellvertretende Variable für die veränderlichen Umweltsituationen: (1)
U =
f(t,Ä)
Unter der Prämisse einer „Nicht-Anpassungsstrategie" 32 ergibt sich die sog. „natürliche Lebenszykluskurve" (Kotler) als reine Plausibilitätsüberlegung. I n den Abbildungen 3 a und 3 b sind vereinfacht zwei A k tivitätsniveaus des Marketing-Mix eingetragen. Ohne Kenntnis der i n jedem Zeitpunkt geltenden Marktreaktionsfunktion U = f (A) lassen sich dabei keine verbindlichen Aussagen über die Höhe des zu erwartenden 82 Vgl. Kotler, P.: Competitive Strategies, S. Β - 108; Meffert , H. u n d M i t a r beiter: Die Anwendung mathematischer Modelle i m Marketing, i n : Schriften zur Unternehmensführung, Bd. 14, Hrsg. H. Jacob, Wiesbaden 1971, S. 103 ff.
7 Festschrift für O. R. Schnutenhaus
Heribert Meffert
98 U À
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Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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Umsatzes bzw. die A r t des Funktionsverlaufes machen. Unterstellt man ein beliebiges Aktivitätsniveau AU so kann sich eine Funktion UI ergeben. Für ein höheres konstantes Aktivitätsniveau (A 2 ) erscheint eine steiler verlaufende Umsatzkurve (U 2 ) plausibel. Der Phasenverlauf des analytischen Lebenszyklusmodells w i r d i n der Kegel konsequenterweise ausschließlich durch das Aufkommen von Substitutionskonkurrenz erklärt. Allerdings widerspricht die Annahme der „Nicht-Anpassungsstrategie" jeder „vernünftigen" unternehmerischen Verhaltensweise. Für den Übergang auf konkurrenzgebundene Marktformen ist gerade die „zirkuläre Interdependenz" i m Absatzverhalten der Unternehmungen typisch. Das analytische Lebenszyklusmodell ist i n dieser Interpretation ein reines Lehrbuchmodell ohne empirischen Gehalt 3 3 . Es verbirgt sich dahinter allenfalls die triviale Feststellung, daß erfolgreiche Produktinnovationen durch bessere imitiert werden und i m Zeitablauf auf den Käufer ihre Anziehungskraft verlieren können. Da die ceteris-paribus-Bedingung nicht falsifizierbar ist, liegt ein typisches Beispiel für einen reinen Modellplatonismus vor. W i r d die Konstanzbedingung für den Einsatz absatzpolitischer Instrumente aufgehoben, so erhält man einen anderen Modelltyp. 2.2. Synthetisches
Lebenszyklusmodell
Der synthetische Modelltyp erfaßt zum einen die Wirkungen aller Marketing-Aktivitäten und zum anderen die Umweltwirkungen i n der Zeit als dominante Einflußfaktoren. Setzt man wiederum die Zeit als stellvertretende Größe für das Umweltverhalten ein, so läßt sich die Umsatzentwicklung grafisch nicht mehr durch vertikale, zur Achse parallele Schnitte durch das Funktionsgebirge, sondern nur noch durch Punkte auf der Oberfläche des Umsatzgebirges darstellen. Die Abbildungen 4 a und 4 b zeigen diesen Sachverhalt. Die Umsatzpunkte U i , . . . , Uq ergeben sich durch bestimmte Aktivitätsniveaus i n der jeweiligen Planperiode. Jedes Aktivitätsniveau setzt sich aus unterschiedlichen Ausprägungen der einzelnen Komponenten des Marketing-Mix zusammen. Die zeichnerische Verbindung der Umsatzpunkte dient lediglich zur Verdeutlichung ihrer zeitlichen Reihenfolge. I m Sinne dieses Modelltyps k a n n die Mehrzahl der sog. empirischen Lebenszykluskurven f ü r Produktmärkte interpretiert werden. A b b i l d u n g 5 zeigt beispielhaft die Umsatzentwicklung f ü r tiefgefrorenen Orangensaft von 1946 bis 1964 i n den U S A 3 4 . Das A k t i v i t ä t s n i v e a u w i r d dabei f ü r alle Unternehmungen 83 Anderer Ansicht ist Brockhoff, K : Produktlebenszyklen, i n : Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Hrsg. B. Tietz (im Druck). Zitiert nach Manuskript S. 1 ff. 34 Vgl. Scheuing , Ε . E.: Das M a r k e t i n g neuer Produkte, S. 214.
7*
100
Heribert Meffert
i n der Branche insgesamt erfaßt (z.B. Werbeausgaben). Die Preise stellen Durchschnittspreise dar.
Es ist zu betonen, daß mit dem hier dargestellten synthetischen Lebenszyklusmodell alle denkbaren Aktivitäten des Marketing-Mix, also auch die des Produkt-Mix, als variable Einflußfaktoren Berücksichtigung finden. Die i m Produkt-Mix zugelassene Variabilität stellt jedoch jede i m Zeitablauf konstante Bezugsbasis — gleich welcher Aggregationsstufe (Produkt, Produktgruppe, Produktklasse) — i n Frage. Je mehr Produktmerkmale i m Zeitablauf variiert werden, u m so mehr geht die Produktidentität verloren. I m Grenzfall werden mehrere i m Zeitablauf aufeinanderfolgende unterschiedliche Produkte mit demselben Kurvenverlauf erfaßt. Damit erscheint aber das i m Lebenszykluskonzept unterstellte Eintreten einer Degenerationsphase nicht mehr plausibel. Ein absteigender Verlauf legt hier vielmehr die Vermutung nahe, daß es die Unternehmensleitung versäumt hat, rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen i m ProduktM i x vorzunehmen. Ist ein angebotenes Produkt „nicht mehr zeitgemäß" — es entspricht nicht mehr den veränderten Umweltbedingungen —, so kann durch die Produktion und Vermarktung veränderter oder anderer Pro-
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
101
blemlösungen zumindest der Übergang von der Sättigungs- i n die Degenerationsphase vermieden werden. Auf der Basis des synthetischen Lebenszyklusmodells lassen sich also keine Angaben über den nach der Reife- und/oder Sättigungsphase zu erwartenden Kurvenverlauf machen. Möglicherweise finden empirisch beobachtete (atypische) Kurvenverläufe, insbesondere solche m i t einem unerwarteten Wiederanstieg des Umsatzes nach der Sättigungsphase, i m synthetischen Lebenszyklusmodell ihre Erklärung. Es erscheint jedoch äußerst problematisch, hier noch von einem Produfctlebenszyklus zu sprechen. Es fehlt die klar umrissene Bezugsgröße, die einem Werden und Vergehen unterworfen sein soll. Sowohl der „Lebenszyklus" von Produktgruppen als auch der „Lebenszyklus" eines einzelnen Produktes bzw. einer Marke kann durch die folgende Funktion (2)
U = f (t, A)
abgebildet werden. A ist darin der Vektor der Aktivitätsniveaus der einzelnen Instrumente des Marketing. Zur Konkretisierung des Kurvenverlaufs i m Rahmen synthetischer Nachfragemodelle des dargestellten Typs
102
Heribert Mef f ert
bedarf es für die Gestaltung des Marketing-Mix einer Reihe eingehender Verhaltensannahmen sowie einer Reihe von Annahmen zur Umweltentwicklung 3 5 . Stellt man die Betrachtung auf die einzelne Unternehmung ab, so ist selbst bei „normaler" Umweltentwicklung eine Vielzahl von absatzpolitischen Verhaltensweisen möglich. Man kann nun versuchen, durch eine erste grundlegende Verhaltensannahme die möglichen Umsatzentwicklungen auf gewisse Bandbreiten einzuengen. Eine solche Verhaltensannahme besagt z. B., daß es ein „branchenspezifisches" oder „produktspezifisches" Marketing-Mix gibt. Neuere, auf dem warenorientierten Ansatz beruhende Untersuchungen scheinen diesen Sachverhalt zu bestätigen. So beschreiben vor allem Lipson, Darling und Reynolds 36 ein heuristisches Verfahren, das auf der Hypothese beruht, daß die zur Befriedigung der Käuferwünsche eingesetzten Produktmerkmale und damit letztlich die Ausprägungen des Marketing-Mix eine Funktion der Wechselbeziehung zwischen Zielgruppe und Ware sind. Produktmerkmale sollen nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die Kunden-, die allgemeinen Umweltund Konkurrenzvariablen erfassen. F ü r die „grundlegenden" Ausprägungen des M a r k e t i n g - M i x k a n n z. B. folgender Katalog herangezogen werden: 1. die Wichtigkeit des Produkts f ü r den Käufer, 2. die Zeit u n d Mühe, die der Käufer f ü r den Kaufprozeß aufzubringen bereit ist, 3. die Häufigkeit modisch oder technisch bedingter Produktänderungen, 4. die technische Kompliziertheit des Produktes (aus der Sicht des Käufers), 5. die Notwendigkeit von Serviceleistungen vor und nach Kaufabschluß, 6. die K a u f - u n d Gebrauchshäufigkeit, 7. die Verbreitung des Produkts (Anzahl u n d Typen der Käufer sowie der verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten).
Selbst wenn man davon ausgeht, daß auf der Grundlage produktspezifischer Merkmale bestimmte Eigenschaften des Marketing-Mix vorgeprägt sind, verbleibt für die möglichen Kombinationen i m Zeitablauf ein breiter Spielraum. Ein eindeutig determinierter funktionaler Zusammenhang zwischen der Zeit und den möglichen Wirkungsgrößen kommt nur dann zustande, wenn auf bestimmte Ziele, unterstellte Situationen und 35
Vgl. Schnutenhaus, O. R.: Entscheidungsanalyse, S. 54. Vgl. Lipson, Η . Α., Darling , J. R., Reynolds , F. D.: A Two-Phase Interaction Process for M a r k e t i n g Model Construction, i n : M S U Business Topics, Vol. 18, No. 4 ( A u t u m n 1970), S. 34 ff.; Aspinwall, L.: The Characteristics of Goods and Parallel Systems Theories, i n : Managerial Marketing, Ed. by W. Lazer and E. J. Kelley. Homewood, 111. 1958, S. 434 ff.; Miracle , G. E.: Product Characteristics and M a r k e t i n g Strategy. Journal of Marketing, Vol. 29, No. 1 (January 1965), S. 18 ff.; vgl. zu dieser Interpretationsrichtung auch Meff ert, H.: M a r k e t i n g - M i x , Marketing-Modelle u n d Kommunikationsstrategien, i n : K o m m u n i k a t i o n u n d Wissenschaft, Karlsruhe 1973, S. 67 ff. 86
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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Verhaltensannahmen sowie bestimmte praktizierte Entscheidungsmethoden Bezug genommen wird. Die Annahme, daß die Unternehmungen i n jedem Zeitpunkt das gewinnmaximale Marketing-Mix realisieren, wäre für eine realistische Prognose ebenso problematisch wie die Unterstellung, daß beispielsweise moderne mehrstufige Entscheidungsmethoden zur Anwendung gelangen (ζ. B. Demon und Sprinter) 37. Damit w i r d die besondere theoretische Problematik synthetischer Lebenszykluskurven deutlich. 2.3. Mischtyp M i t dem analytischen Modelltyp erfolgt eine extrem starke Einengung bezüglich der zeitlichen Konstanz der Wirkungsdeterminante „Marketing-Mix". Demgegenüber ist m i t dem synthetischen Modell eine sehr hohe Variabilität i m M i x vorgesehen. M i t dem Mischtyp w i r d das Lebenszykluskonzept schließlich i n der Weise interpretiert, daß neben den Um-
E.H.-Umsatz 1000 Gall.
Werbe ausgaben %d.EH.Ums.
10
Abb. 5 : Tiefgefrorenes Orangensaftkonzentrat Umsatz, Preise u n d Werbeausgaben i n den USA 1946 - 1964 87 Vgl. Charnes, Α., Cooper, W. W., DeVoe, J. K . and Learner, D. B. D E M O N : A Management Model for Marketing New Products, i n : California Management Review, Vol. 11, No. 1 (Fall 1968), S. 31 ff.; Meffert, H. u n d Mitarbeiter, S. 45 ff.; Urban, G. L.: A New Product Analysis and Decision Model, i n : Management Science, Vol. 14, No. 8, Application ( A p r i l 1968), S. Β - 490 ff.; Schmitt-Grohé, J., S. 108 ff.
104
Heribert Mef f ert
Weitsituationen lediglich die nicht zum Produkt-Mix zählenden Marketing-Instrumente als Variablen i m Zeitablauf angesehen werden. Dieser Sachverhalt erscheint durchaus bei solchen Produkten eine gewisse Rolle zu spielen, deren kaufrelevante Merkmale „strategischen" Charakter besitzen. Produktqualität, Marke, Verpackung, Kundendienstsystem, allgemeiner: die Hardware- und Software-Elemente der Produktleistung werden konstant gehalten und lediglich die Ausprägungen des Kontrahierungs-Mix (Preise, Rabatte), des Kommunikations-Mix, (Werbung, persönlicher Verkauf, Verkaufsförderung) und des Distributions-Mix (Absatzkanäle, Distributionssysteme) geändert. I n einem solchen Fall t r i t t i m Bereich der Produktpolitik nur die Entscheidung über Produkteinführung und -elimination auf. Eine solche Vorstellung impliziert die Überlegung, daß der ursprünglich als optimal geplante strategische „Wachstumspfad" eines Produktes bei Einwirken nicht vorhersehbarer Umweltänderungen nicht mehr erreicht werden kann. Es ist dann lediglich eine Anpassung aller oder einiger nicht zum Produkt-Mix zählender Aktionsparameter möglich und erforderlich. Eine solche Interpretation des Produktlebenszyklus-Konzeptes vernachlässigt das Problem der Produktvariation. Es besitzt jedoch den theoretisch eindeutigen Vorzug, daß die Identität der Bezugsgröße, d. h. die Konstanz der Leistungsmerkmale eines Produktes i m Zeitablauf gewahrt bleibt. Von den angeführten drei Modelltypen erscheint der Mischtyp für die empirische Analyse am ehesten geeignet. I n analoger Weise könnte man bei konstanter Ausprägung jeweils eines Marketing-Instrumentes i m Zeitablauf vom Lebenszyklus der Werbung, des Vertriebsweges und evtl. des Konditionensystems sprechen. Die Darstellung des Lebenszyklus (Mischtyp) i n Form eines Funktionsgebirges entspricht grundsätzlich dem synthetischen Modelltyp, wenngleich die modifizierte Zusammensetzung des Einflußfaktors A ( = ä\ + 02) zu beachten ist. Der Funktionstyp, der den Produktlebenszyklus beschreiben kann, muß also einem Pfad auf dem Umsatzgebirge entsprechen. 2.4. Kritische Würdigung Die skizzierten Grundmodelle des Lebenszykluskonzeptes machen deutlich, daß die exakte theoretische Interpretation gewisse Schwierigkeiten bereitet. Dies liegt nicht zuletzt darin begründet, daß es sich bei synthetischen Umsatzfunktionen der beschriebenen A r t u m dimensional reduzierte Funktionen handelt, für die kein allgemeines Reduktionsverfahren angegeben wird. Die Zeit steht als erklärende Variable der Produktentwicklung nur stellvertretend für alle wirksamen Einflußgrößen. I n der grafischen Darstellung der Abbildungen 3 und 4 müßte deshalb
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
105
statt der Zeitachse eine Umweltsituationen-Achse eingetragen werden, welche die nicht von der Unternehmung kontrollierten Variablen enthält. Es liegt die Vermutung nahe, daß die Phaseneinteilung des Lebenszykluskonzeptes nichts anderes als eine grobe Abgrenzung umsatzbeeinflussender, sich wesentlich unterscheidender Umweltsituationen darstellt. Ein Verzicht auf die Zeit als „erklärende" Variable, die explizite Berücksichtigung der Umweltsituation und der Ausprägung des MarketingM i x führt dazu, daß der Umsatz Ut als Vektor von dem i n jedem Zeitpunkt geltenden Entscheidungsfeld explizit dargestellt werden kann. Auf die besondere Bedeutung dieses Sachverhaltes weist bislang lediglich Brockhoff hin: „Die explizite Berücksichtigung der den Lebenszyklus hervorrufenden wirtschaftlichen Aktionen und Verhaltensweisen außerhalb der Benutzung der Zeit als jSammelgröße' für die Darstellung von St (Umsatz, Absatz, Anm. d. Verf.) läßt bessere Anpassungen von beobachteten und errechneten Werten erwarten und gleichzeitig den Weg zur geplanten Beeinflussung von Lebenszyklen erkennen. Hier liegt auch der Schlüssel für die Benutzung des Lebenszykluskonzeptes bei Prognosen zur Marketing-Planung 3 8 ." Damit sind die verschiedenen mit Lebenszyklusmodellen verbundenen Zwecksetzungen angesprochen.
3. Z w e c k s e t z u n g e n
von
Lebenszyklusmodellen
Nach dem Modellzweck kann man grundsätzlich zwischen Beschreibungs- (bzw. Klassifizierungs-), Erklärungs- (bzw. Prognose-) und Entscheidungsmodellen unterscheiden 89 . Beschreibungsmodelle geben Ausschnitte der Realität vereinfacht wieder. I n der speziellen Form von Klassifizierungsmodellen dienen sie der Ordnung von Erscheinungen i n realen Systemen. Erklärungsmodelle geben Auskunft über die Wirkungsweise eines Systems. Es w i r d eine funktionale Beziehung zwischen I n strumental« und Erwartungsvariablen gesucht, d. h. die erwarteten Konsequenzen von Entscheidungen gezeigt (nomologische Hypothesenbildung). Entscheidungsmodelle geben den für spezifische Ziele optimalen Einsatz der Instrumentalvariablen an. 38
Brockhoff, K . : Produktlebenszyklen, S. 3 f. Vgl. zum Überblick von Marketing-Modellen: Meffert, H.: M a r k e t i n g - I n formationsmodelle als Entscheidungshilfe, in: Systemtheorie — Forschung u n d Information, Bd. 12, Hrsg. R. Kurzrock, B e r l i n 1972, S. 178 ff.; derselbe: Computergestützte Marketing-Informationssysteme u n d Marketing-Modelle. A r beitspapiere des Instituts f ü r M a r k e t i n g der Universität Münster, Nr. 1, Hrsg. H. Meffert, Münster 1973, S. 41 ff.; Krautter, J.: Marketing-Entscheidungsmodelle, Wiesbaden 1973. 89
106
Heribert Mef f ert 3.2. Der Produktlebenszyklus als Beschreibungsund Klassifiizierungsmodell
Z u dieser Interpretationsrichtung zählen zunächst jene Autoren, die den Nutzen des Lebenszykluskonzeptes darin sehen, daß es das Phänomen des „Werdens und Vergehens" von Produkten i n anschaulicher, allgemein verständlicher Form beschreibt 40 . Letztlich w i r d damit dem Modell lediglich eine didaktische Funktion zuerkannt. Wesentlich weitergehend ist jene Auffassung, die i m Produktlebenszyklus ein allgemeines Schema der Produktklassifizierung erkennt. So behauptet Smallwood, daß das Konzept dazu verhilft, „Produkte i n homogene Klassen einzuteilen" 4 1 . Homogenität bedeutet dabei, daß die Produkte hinsichtlich ihrer jeweiligen Märkte sowie ihre aktuellen Positionen i n den einzelnen Lebensphasen gleich strukturiert sind bzw. zumindest gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Abbildung 6 verdeutlicht die Rolle des Lebenszykluskonzeptes als „taxonomisches" Modell 4 2 . Die A b b i l d u n g zeigt eine Einordnung verschiedener Produktfamilien i n die Phasen des Lebenszyklus einiger langlebiger Gebrauchsgüter. Die Koordinaten der A b b i l d u n g werden dabei anders als sonst üblich interpretiert. A u f der Ordinate werden skalierte Sättigungsgrade (z.B. die prozentuale Verwendungsdichte i n allen i n Frage kommenden Haushalten) abgetragen. Die Abszisse mißt die zeitliche Entwicklung der erfaßten langlebigen Gebrauchsgüter. Ihre Einstufung erfolgt jedoch nicht i n absoluten Zeiteinheiten, sondern nach deren jeweiliger Lebensphase. Die skalierten Sättigungsgrade werden dabei als grobe Anhaltspunkte für die Einstufung gewählt. Dabei ist jedes Produkt m i t den anderen unter Berücksichtigung qualitativer Merkmale zu vergleichen. Aus diesem Grunde ist es auch i n A b b i l d u n g 6 unerheblich, daß sich die tatsächlichen Sättigungsgrade der Produkte erheblich voneinander unterscheiden. Es ist lediglich abzulesen, daß z. B. Waschautomaten, deren geschätzter Sättigungsgrad i n USA-Haushalten bei 58 % liegt u n d R a u m k l i m a anlagen, deren Sättigungsgrad 30 % beträgt, sich i n der gleichen, nämlich der Wachstumsphase des Lebenszyklus befinden.
Die Bedeutung dieses gewiß mit methodischen Schwächen behafteten Konzeptes w i r d von Smallwood vor allem darin gesehen, daß gegebene Produkte einer Unternehmung den ihnen jeweils entsprechenden Akzeptierungsphasen eines gegebenen Produktlebenszyklus zugeordnet werden können. Ein solcher Vergleich liefert wertvolle Anregungs- bzw. Kontrollinformationen für absatzpolitische Entscheidungen. Letztlich liegt dieser Interpretationsrichtung — mehr oder weniger stillschweigend — 40
Vgl. Fußnote 6; Kotler , P.: Phasing Out Weak Products, i n : H a r v a r d Business Review, Vol. 43, No. 2 (March - A p r i l 1965), S. 108. 41 Smallwood , J. E., S. 31; ebenso ο. V., Welchen Praxiswert hat der P r o d u k t Lebenszyklus?, S.395. 42 Smallwood, J. E., S. 30; vgl. zum Begriff des „taxonomischen" Modells auch Krautter, J., S. 9.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
107
Es bedeutet: A = Compactor, Müllpresse f ü r den Haushalt
F = Tiefkühltruhen
Β = Spülmaschinen
G = Kühlschränke
C = Farbfernsehgeräte
H = Koch- und Backherde
D = Raumklimaanlagen
J = Fernsehgeräte s/w
E = Waschautomaten
Κ = Wäscheschleudern
Abb. 6: Plazierung bestimmter Produktkategorien i m Lebenszyklus (nach Smallwood)
die Vorstellung zugrunde, daß der Branchen- bzw. Produktzyklus ein „natürlicher" Zyklus sei (analytischer Modelltyp). Als Bezugs- oder Referenzlebenszyklus liefert er gewisse Ausgangspunkte bzw. Daten für die individuelle Planung. So könnte man aus diesem Modell etwa die Aussage ableiten, daß die Entwicklung und Einführung bestimmter Produkte erfolgsversprechend und die Eliminierung anderer Produkte evtl. angezeigt ist. I n die mehr klassifikatorische Interpretationsrichtung gehören auch all jene Betrachtungsweisen, welche auf den Aussagewert des sog. Pro-
108
Heribert Meffert
duktlebenszyklus-Mix für Programmstrukturanalysen verweisen 43 . Ein innerbetrieblicher Vergleich einzelner Produkte m i t dem durchschnittlichen Lebenszyklus eines Programms soll Anhaltspunkte für die Neuproduktplanung liefern. Programme werden ζ. B. als überaltert angesehen, wenn die Mehrzahl der Erzeugnisse älter ist als die halbe durchschnittliche Lebenszyklusdauer. Neben Anregungs- und Kontrollinformationen werden vom Produktlebenszyklus Informationen für die Zielplanung erwartet 4 4 . 3.2. Der Produktlebenszyklus als Erklärungs- und Prognosemodell Alle Entscheidungskonsequenzen über den Einsatz von Marketing- A k tivitäten müssen i m Hinblick auf die Zielerreichung prognostiziert werden. Erstrebenswert ist die theoretisch fundierte Prognose, d. h. eine Voraussage, die auf Gesetzesaussagen (nomologische Hypothesen) gestützt ist. Unter diesem Gesichtspunkt w i r d dem Lebenszykluskonzept gelegentlich die Rolle eines Erklärungs- bzw. Prognosemodells zugeschrieben. Unterliegt der Umsatzverlauf bestimmter Produkte bzw. Marken, Produktgruppen oder Produktklassen spezifischen Gesetzmäßigkeiten, w i r d die Wahl eines adäquaten Funktionstyps — eine besonders wichtige Information i m Entscheidungsprozeß — wesentlich erleichtert. Je nach der Betrachtungsweise ist dabei einmal der Aspekt der Entwicklungs- und zum anderen der der Wirkungsprognose von Bedeutung 45 . Bei allen Lebenszykluskurven steht „die Zeitgebundenheit des Marktdurchdringungsprozesses" (Dichtl) und damit die Entwicklungsprognose i m Vordergrund. Es werden Umsatz- oder Absatztrends ohne explizite Berücksichtigung der verursachenden Variablen dargestellt. Buzzell und Nourse behaupten, daß das generelle Lebenszyklusmodell i n der Lage sei, „Trends i n den Gesamtumsatzverläufen von Nahrungsmittelkategorien i n vernünftiger Weise anzunähern" 46 . Hansen und Leitherer betonen demgegenüber lediglich die allgemeine Bedeutung solcher Prognoseinformationen: „Die Erforschung typischer Lebenszyklen von Produktgattungen würde dem Hersteller bessere Prognosemöglichkeiten für das zu erwartende Schicksal seiner Produkte i n die Hand geben 47 ." 43 Vgl. Majer, W.: Uberreife Produkte sind oft faul. Lebenszyklusanalysen als Grundlage unternehmenspolitischer Entscheidungen, i n : Absatzwirtschaft, 10. Jg., 2. Oktoberausgabe 1967, S. 1147 ff.; derselbe: Programmbereinigung als unternehmenspolitisches Problem, Wiesbaden 1969, S. 118; Albrecht, B., S. 119. 44 Vgl. Dichtl, E., S. 69. 45 Vgl. zu diesen Unterscheidungen der Prognose: Meffert, H.: MarketingInformationssysteme u n d Marketing-Modelle, S. 42. 46 Buzzell, R. D. Nourse, R. Ε . M.: Product Innovation i n Food Processing 1954 - 1964, Boston 1967, S. 119. 47 Hansen, U., Leitherer, E.,S. 21.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
S = Servicepolitik ρ
=
Produktpolitik (-qualität)
^ = Preispolitik
=
Verpackung
ν
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W = Werbung
Abb. 7: Nachfrageelastizität der verschiedenen Marketinginstrumente i n den einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus (nach Mickwitz)
I n jedem Fall handelt es sich dabei um makroanalytische Prognosemodelle, die auf eine explizite Behandlung der Analyse des Verhaltens einzelner Käufer verzichten. Interessant sind Versuche, i n Abhängigkeit von den Phasen des Lebenszyklus Wirkungsprognosen für einzelne Marketing-Instrumente zu formulieren. Ein solcher Versuch w i r d von Mickwitz unternommen 4 8 . Es werden Hypothesen über die relative Elastizität verschiedener Marketing-Instrumente i n den Lebenszyklusphasen aufgestellt. Abbildung 7 zeigt die relativen, i m Zeitablauf sich ändernden Umsatz- bzw. Nachfrageelastizitäten des Preises, der Werbung, des Kundendienstes, der Produktqualität und Verpackung. I n A b b i l d u n g 7 w i r d auf die Zeitdimension verzichtet. Stattdessen messen die Koordinaten den Gesamtumsatz u n d das Aktivitätsniveau bzw. die Marketing-Budgets der einzelnen Instrumente. Die Funktionen i n jeder Phase des Lebenszyklus zeigen die Reaktion des Umsatzes i n Abhängigkeit von einer Budgeterhöhung f ü r die Marketing-Instrumente zu Beginn der jeweiligen Phase. Je mehr sich die Funktionen der Umsatzachse nähern, u m so größer ist der Einfluß der Änderung des Aktivitätsniveaus auf die Umsätze. I n der Einführungsphase postuliert Mickwitz den relativ größten Einfluß der Produktqualität auf die Umsätze. Demgegenüber üben Service u n d Preis 48 Vgl. Mickwitz, G.: Marketing and Competition, Helsingfors 1959, zitiert nach Kotler, P.: Marketing Decision M a k i n g — A Model B u i l d i n g Approach, New Y o r k u. a. 1971, S. 63.
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Heribert Meffert
einen vergleichsweise geringen Einfluß aus. I n der Wachstumsphase erhält die Werbung den höchsten Wirkungskoeffizienten. I n der Reifephase gewinnen Preiselastizitäten besondere Bedeutung. I n der Sättigungsphase dominiert die Verpackung und i n der Degenerationsphase wiederum die Werbung.
Empirische Untersuchungen zur Elastizitätsermittlung werden nicht angegeben. I m Grunde handelt es sich jedoch um den bedeutsamen Versuch, die zeitbezogene Analyse um Wirkungsaspekte zu ergänzen. Dennoch w i r d an der typischen Phaseneinteilung des ProduktlebenszyklusKonzeptes festgehalten. 3.3. Der Produktlebenszyklus
als Entscheidungsgrundlage
Kennt die Unternehmung die produktbezogene Marktreaktionsfunktion i n Abhängigkeit von der Zeit und/oder dem Einsatz einzelner M i x komponenten für einzelne Marktphasen, so besteht die Möglichkeit, eine zielgerechte Marketing-Strategie zu verfolgen. I n diesem Sinne w i r d die Bedeutung des Lebenszykluskonzeptes als Entscheidungsgrundlage herausgestellt. Die Identifikation der Position, die ein Produkt i n seiner Lebenskurve erreicht hat oder erreichen wird, lasse unmittelbar erkennen, welche Entscheidungen bezüglich des Marketing-Mix zu treffen sind 4 9 . Uber die reine Kontroll- und Prognosefunktion hinaus w i r d der normative Charakter betont und eine Reihe von Verhaltensempfehlungen für die Optimierung des absatzpolitischen Instrumentariums i n den einzelnen Phasen angestrebt. „Die Analyse des Entwicklungstrends dieser Kennziffern, die Analyse der jeweiligen Marktentwicklungsphasen eines Gutes bildet eine ausgezeichnete Grundlage für die Ausfall- und Einsatzintensität des absatzpolitischen Instrumentariums 5 0 ." Damit ist unmittelbar die Bedeutung des Lebenszykluskonzeptes als Lieferant von Informationen zur Entscheidungsfindung angesprochen. Downing spricht direkt von „Anhaltspunkten für die optimale Allokation der MarketingRessourcen und Marketing-Anstrengungen" 5 1 . Stellvertretend seien hier lediglich die Vorstellungen v o n Fisk u n d Kotler wiedergegeben. Fisk schlägt dominante Werbe- u n d Verkaufsstatistiken i n den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus v o r 5 2 . I n der Einführungsphase sollen die Werbebotschaften ausschließlich auf den primären Verwendernutzen abgestellt w e r den u n d der Verkauf sich „missionarischer" T a k t i k e n bedienen. I n der Reife49 Vgl. Bidlingmaier, J.: M a r k e t i n g 2, Reinbek bei H a m b u r g 1973, S. 257 ff.; Cox Jr., W. E., S. 380 f.; Grosche, K., S. 152; Kotler, P.: M a r k e t i n g Management, S. 432 ff. 50 Nagtegaal, H., S. 267. 51 Downing , G. D.: Basic Marketing. A Strategie Systems Approach, Columbus 1971, S.163. 52 Vgl. Fisk, G.: M a r k e t i n g Systems. A n Introductory Analysis, New York, Evanston and London 1967, S. 541 ff.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
111
phase soll sich die Werbung selektiver, differenzierender Aussagen bedienen u n d der Verkauf durch „kreatives Selling" Aufträge erlangen. I n der Degenerationsphase empfiehlt Fisk Erinnerungswerbung u n d routinemäßige A u f tragsabwicklung. Wesentlich allgemeiner, auf alle Marketing-Instrumente bezogen, diskutiert Kotler die verschiedenen Strategien i n den einzelnen Lebenszyklusphasen. Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der relevanten Ziele, Situationskomponenten u n d Maßnahmen 5 3 .
Weitergehende Differenzierungen werden gelegentlich i n Abhängigkeit von der Marktform und von Produktkategorien vorgenommen. H i n ter allen normativen Aussagen verbirgt sich dabei mehr oder weniger die Vorstellung, daß das Lebenszykluskonzept i n globaler Weise Empfehlungen für die Wahl von Strategien unter verschiedenen Umweltbedingunggen liefert. C. Gültigkeit und Anwendbarkeit des Produktlebenszyklus-Konzeptes 1. R e l e v a n t e und
Beurteilungsmaßstäbe Modelltypen
Versucht man den Aussagewert des Lebenszykluskonzeptes kritisch zu prüfen, so erweist sich eine Analyse des Informationsbedarfs für absatzpolitische Entscheidungen als geeigneter Ausgangspunkt. Das Lebenszyklusmodell besitzt nur dann einen Aussagewert, wenn es für eine oder mehrere Phasen des Marketing-Entscheidungsprozesses relevante Informationen liefern kann. Als Informationsarten sind hier i m einzelnen Informationen für die Anregung von Entscheidungsprozessen, die Beurteilung der Rahmenbedingungen absatzpolitischer Entscheidungen, insbesondere Marktdaten, die Prognose der Entscheidungskonsequenzen, die Bewertung der Ergebnisse und die Entscheidungsfindung sowie Informationen zur Kontrolle der Entscheidungen zu nennen. A n die i m Lebenszyklus enthaltenen Theorieaussagen sind bestimmte Anforderungen zu stellen, die zugleich als Beurteilungskriterien für die relative praktische Brauchbarkeit dienen 54 . Geht man von der Widerspruchsfreiheit der Aussagen als Grundvoraussetzung aus, so sind für realwissenschaftliche (empirische) Theorieaussagen insbesondere zu fordern, daß sie intersubjektiv an der Realität überprüfbar (falsifizierbar) sind und dabei durch umfangreiches und geeignetes Erfahrungsmaterial 53 Vgl. Kotler, P.: Neue Wege i m Marketing-Management, Unveröffentlichter Seminar-Vortrag, Frankfurt 1973, S. 25 f.; o.V.: K o t l e r was here, i n : A b s a t z w i r t schaft, 16. Jg., Dezember 1973, S. 56. 54 Vgl. hierzu v o r allem Popper, K . R.: L o g i k der Forschung, 3. vermehrte Auflage, Tübingen 1969, S. 31 ff.; Albert, H.: Probleme der Theorienbildung, i n : Theorie u n d Realität, Hrsg. H. Albert, Tübingen 1964, S. 3 ff.
Tabelle 1
Enorme Marketinganstrengungen
Geringer Integrationsgrad grad
Kapazitätserrichtung Weiterer Ausbau, für zukünftige Umaber mit einer gerinsätze zur Senkung geren Rate der variablen Kosten und Abschreckung der Wettbewerber
Langsames Ansteigen
Marketimgaktivitätsniveau
Vertikale Integration
Kapazität
Umsatz
Schnelles Wachstum
Stabilisierung
Abnahme
Einpendelung des Kapa- Abbau der Kapazität zitätsniveaus; aber Mo- durch Verkauf dernisierung der Anlagen
Höherer Integrations- Stabilisierung des InteAbnahme des Integragrationsgrades tionsgrades
Hohe MarketingAufrechterhaltung des Verminderung der Maraktivität hohen Niveaus, um hohe ketinganistrengungen Preise ZJU stützen
Schaffung der ProFortsetzung der Ein- Beibehaltung einer geVerminderung der Ausduktvorzugsstellung führungsstrategie wissen Produktiiberlegaben zur Erhaltung und Setzung eines genheit; dazu Produktder Vorzugsstellung höheren Preises diifferenzierung und höhere Preise
Verfall
Produktvorzugsstellung
Reife
Gemäßigter ProdukSicherung der Marktpo- Kontrollierte Abnahme tiomsausbau (Wenigsition und Verfolgung des Marktanteils. Einstens 15 %, möglichst des Rentabilitätsziels schränkung der Market3>5 % Marktanteil ingaktivitäten; Forcierung aussichtsreicherer Produkte
Wachstum
Möglichst schnelle Produktionsaufnahme; Rentabilität hat nur sekundäre Bedeutung nötig)
Einführung
Marktanteil
Strategie
Phasen
Marketing-Strategien und Charakteristika während der verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus
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Heribert Meff ert
Weiter hoch außer bei Verkaufsfördernde Uberkapazität oder niedrigen Konkurrenzpreisen
8 Festschrift für Ο. R. Schnutenhaus
Begrenztes Vertriebs- Suche nach stärkerer netz Ausweitung
Wenige
Ein- bestimmtes Produkt
Distribution
Anzahl der Konkurrenten
Produktstrategie
Viele
Markenförderung
Wenige Schrittweise Verminderung der Ausgaben
Massendistribution Ζ. T. Eliminierung des Produkts aus dem Sortiment
Markenförderung
Verbesserte Produkt- Suche nach' neuer VerQualität wendung, neuen EigenSchäften, neuen Käuferschichten
Mehrere
Selektivnachfrage
Primärnachfrage
Schwerpunkte der Promotion
rentable)
Senkung des offiziellen Preissetzung (PromoVerkaufspreises tionspreise)
Wenige (nur noch sehr
Loyale, markentreue Kunden
den Gewinn
Weiter hohe, aber Konkurrenzniveau mit Verringertes Budget fallende Quote gelegentlichen Eskalatio- für Werbung und Vernen; verhältnismäßig kaufsförderung mehr Verkaufsförderung als Werbung
Ausgaben-UmsatzVerhältnis am hochsten
Promotionsausgaben
Hoch
Mehrere
Preis
Einige mehr
Wenige
Massenmarkt
Zunehmender Druck auf
Anzahl der Produktlinien
Normal
Innovatoren und/oder Frühadopter und Käufer mit hohem frühe Mehrheit Einkommen
Hoch
Abnehmer
Gewinn Niedrig
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes 113
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Heribert Mef f ert
bestätigt werden (breite empirische Basis, hoher Bestätigungsgrad). Darüber hinaus ist zu fordern, daß sie möglichst eindeutig über die Empirie informieren (hoher Informationsgehalt und Operationalität) und daß sie ein bestimmtes Maß an Allgemeingültigkeit aufweisen. Unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsorientierung w i r d häufig die Operationalität i n den Vordergrund gestellt. I n diesem Sinne bezeichnet ζ. Β. H off mann das Produktlebenszyklus-Konzept dann als operational, „wenn die funktionalen Zusammenhänge der Einflußfaktoren i n dem Modell isomorph abgebildet werden können und die m i t dem Modell verfolgte Zielsetzung realisierbar und kontrollierbar ist" 5 5 . Bei dieser Betrachtung w i r d allerdings nicht auf verschiedene Modelltypen Bezug genommen. Bereits eine oberflächliche Betrachtung muß indes zu dem Ergebnis führen, daß weder das analytische noch das synthetische Lebenszyklusmodell den Kriterien der Prüfbarkeit und eines hohen Informationsgehaltes genügen. Die i m analytischen Modell postulierte Hypothese, vor allem die A r t des Funktionsverlaufes, erweist sich infolge der wirklichkeitsfremden ceteris-paribus-Klausel gegenüber Falsifizierungsversuchen als weitgehend immun. Die Bedingung der Konstanz des Einsatzes absatzpolitischer Instrumente i m Zeitablauf läßt sich allenfalls i n speziellen experimentellen Situationen herstellen. I m Gegensatz hierzu liefert der synthetische Modelltyp — bei Verzicht auf spezielle Prämissen — lediglich tautologische Leerformeln. Man interpretiert bestimmte Umsatz- und Absatzverläufe eines Produktes i m Verständnis des synthetischen Modelltyps als empirische Bestätigung des Lebenszykluskonzepts, ohne eine Analyse und Gewichtung der i m Zeitablauf wirksam gewordenen Einflußfaktoren vorzunehmen. Das Modell besagt lediglich, daß der Umsatz bzw. Absatz i m Zeitablauf von der Umwelt und den absatzpolitischen Instrumenten beeinflußt w i r d und dabei einen dem Lebenszykluskonzept entsprechenden Verlauf nehmen kann. Damit fehlt jeglicher empirischer Informationsgehalt. So verbleibt i m Grunde nur der Mischtyp als jenes Modell, das den skizzierten Anforderungen am ehesten genügen kann. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß ein System von Theorieaussagen für dieses Modell nicht vorliegt. Insofern erweist sich auch hier die Anwendung strenger wissenschaftstheoretischer Maßstäbe als wenig sinnvoll. Bei der folgenden Betrachtung soll lediglich auf die Kriterien Operationalität, Allgemeingültigkeit und Gesetzmäßigkeit Bezug genommen werden 5 6 . 55 66
Hoff mann, K . : Der Produktlebenszyklus, Freiburg 1972, S. 89. Vgl. Hoff mann, K., S. 88 ff.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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2. P h a s e n a b g r e n z u n g a l s P r o b l e m der Oper at i o n a l i t ä t Die wichtigste Voraussetzung für den Einsatz phasentypischer oder phasenoptimaler Marketing-Strategien ist eine eindeutige Phasenidentifikation bzw. operationale Phasenabgrenzung. Operationalität ist gegeben, wenn eindeutige Meßvorschriften für die Phasenabgrenzung vorliegen. Zur Abgrenzung der Phasen werden verschiedene Lösungsverfahren vorgeschlagen. Sie reichen von stark intuitiven Methoden bis zu konkret-rechnerischen Verfahren 5 7 . Eine weit verbreitete Methode, die sich als visuell-graphische Technik kennzeichnen läßt, bildet den Kurvenverlauf graphisch ab und nimmt dann anhand des Kurvenbildes w i l l k ü r l i c h eine Phasenabgrenzung vor. So führt von Stritzky aus: „bei einiger Aufmerksamkeit allerdings sind die Zeichen nicht zu übersehen" 58 . Andere Autoren berücksichtigen zur Phasenabgrenzung neben der Umsatz» und Gewinnentwicklung Zielgrößen wie Grenzumsätze bzw. Dekkungsbeiträge 59 . Kritisch anzumerken ist dabei, daß eine genaue Definition der Begriffe fehlt und eine exakte Bemessung der verwendeten Größen Schwierigkeiten bereiten kann. Es sei hier nur auf das Problem der Kostenzurechnung verwiesen. Forschungs- und Entwicklungskosten könnten berücksichtigt und müßten quantifiziert werden, auch bereiten variable Gemeinkosten bei der Ermittlung von Deckungsbeiträgen Schwierigkeiten 60 . Selbst wenn diese Probleme überwunden werden, ist eine objektive, willkürfreie Abgrenzung zwischen Reife-, Sättigungsund Degenerationsphase nicht möglich. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn statt eines s-förmigen Kurvenverlaufs ein exponentieller unterstellt wird, bei dem wegen des fehlenden Wendepunktes auch die Einführungsphase von der Wachstumsphase nach diesem K r i t e r i u m nicht abgegrenzt werden kann. Meßvorschriften sind letztlich stets Konventionen und können nicht aus dem Kurvenverlauf selbst abgeleitet werden. Ein relativ einfaches, aber wirksames Verfahren der Phasenabgrenzung schlagen Polli und Cook vor 6 1 . Als Maßgröße für die Zuordnung eines Produktes zu den 57
Vgl. v. Stritzky, O. O.: Produktpolitik — Strategie, T a k t i k u n d Kontrolle, München 1970, S. 129 ff.; Hoff mann, K., S. 31 ff.; Scheuing, E. E.: Das M a r k e t i n g neuer Produkte, S. 195 ff.; Cox Jr., W. E., S. 376 ff.; Polli , R. u n d Cook , V.: V a l i d i t y of the Product L i f e Cycle, i n : Journal of Business, Vol. 42, No. 4 (October 1969), S. 388 ff . 58 ν . Stritzky , O. O., S. 131. 59 Vgl. Scheuing , E. E.: Gezielter Einsatz, S. 293. E i n Beispiel zur E r k l ä r u n g der Zusammenhänge zwischen Erlösen, Kosten u n d Deckungsbeiträgen findet sich bei Majer, W.: Programmbereinigung, S. 115. M Vgl. Hoffmann, K., S. 21 f. 61 Vgl. Polli , R. u n d Cook, V.: V a l i d i t y , S. 385 ff. 8·
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Heribert Mef f ert
einzelnen Phasen des Lebenszyklus findet die Umsatzveränderungsrate Verwendung. Zunächst sind für möglichst alle Produkte einer Produktklasse i n einem genau abgegrenzten M a r k t Umsatzwerte für mindestens zwei Jahre zu ermitteln. Diese Werte werden hinsichtlich des Bevölkerungswachstums und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (Kaufkraft, Geldwert etc.) standardisiert. Für zwei aufeinanderfolgende Jahre werden für jedes Produkt die Umsatz Veränderungsraten ermittelt, die von — 100 °/o bis + °° °/o verteilt sein können. Die Veränderungsraten lassen eine asymmetrische Verteilung erwarten, die jedoch i m folgenden der Einfachheit wegen durch eine Normalverteilung approximiert werden soll. Es kann sich m i t h i n die i n Abbildung 8 wiedergegebene Verteilung der standardisierten Umsatzveränderungsraten aller Produkte einer Produktklasse ergeben.
Abb. 8: Verteilung der standardisierten Umsatzveränderungsraten aller Produkte einer Produktklasse (nach P o l l i u n d Cook)
Über ein Vielfaches der Standardabweichung ο w i r d die Fläche i n drei Abschnitte eingeteilt. Ergeben sich kleinere Umsatzveränderungsraten als μ — 0,5 so ist das Produkt der Verfallphase zuzuordnen. Liegt die Umsatzveränderungsrate zwischen μ + 0,5 ο und μ — 0,5 σ, so befindet sich das Produkt i n der Reifephase. Bei einer Umsatzveränderungsrate von größer als μ + 0,5 ο w i r d das Produkt der Wachstumsphase zugeordnet. Die Einführungsphase soll dann beendet sein, wenn die „standardisierten" Umsätze 5 °/o des geschätzten Umsatzmaximums erreicht haben.
Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes
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I n der folgenden Tabelle w i r d der oben dargestellte Sachverhalt wiedergegeben. Si
μ + 0,5 ο
Reifephase
(R)
μ — 0,5 ο < S+i < μ + 0,5 ο
Verfallphase
(V)
S\