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German Pages 279 Year 2010
Beiträge zum Parlamentsrecht
Band 67
Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages Eine Untersuchung möglicher Regelungsinstrumente unter vergleichender Berücksichtigung der Besonderheiten der drei Staatsgewalten
Von
Anne Käßner
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANNE KÄSSNER
Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages
Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von
Ulrich Karpen, Heinrich Oberreuter, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang Heyde, Joachim Linck Georg-Berndt Oschatz, Hans-Peter Schneider
Band 67
Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages Eine Untersuchung möglicher Regelungsinstrumente unter vergleichender Berücksichtigung der Besonderheiten der drei Staatsgewalten
Von
Anne Käßner
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Process Media Consult GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 978-3-428-13099-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meiner Mutter
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Ihr liegt der Gesetzes- und Literaturstand bis einschließlich März 2008 zugrunde. Mein großer Dank gilt zunächst Prof. Dr. Ute Mager für die engagierte Betreuung dieser Arbeit. Prof. Dr. Ekkehart Reimer danke ich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp für die wertvolle und lehrreiche Zeit, die ich an seinem Lehrstuhl verbringen durfte. Dem Präsidenten des Deutschen Bundestages gebührt großer Dank für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Diese Arbeit wäre im Übrigen nicht gelungen ohne die stete Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde. Vor allem meiner Mutter Barbara Käßner-Fittger und meiner Schwester Dr. Julia Stemper verdanke ich mehr als man es je benennen könnte. Dr. Anne Barbara Lungstras danke ich für unsere gemeinsame Doktorandenzeit im dritten Stock und darüber hinaus. Ihr, Uwe Wusterhausen und Dr. Thomas Seibert gilt zudem herzlicher Dank für das geduldige Korrekturlesen innerhalb kurzer Zeit. Den lieben Menschen meiner Mittwochs-Mittags-Runde verdanke ich viele fröhliche Stunden und tausend menschliche und fachliche Ratschläge, die mir oft weitergeholfen haben. Heidelberg, im Juni 2009
Anne Käßner
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Einführung in die Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Begriffsbestimmung: Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Die Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Träger hoheitlicher Gewalt nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Legislative: Abgeordnete des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Keine „wirtschaftlichen“ Inkompatibilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Regelungen von Nebentätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Mandat als Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Exkurs: Die Wandlung des Abgeordnetenmandats – Vom Honoratioren- zum Berufsparlament? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Anzeige- und Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 aa) Anzeige von Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 bb) Anzeige von Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 cc) Fristen und Drittschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 dd) Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ee) Verfahren bei Verstoß gegen die Verhaltenspflichten und Geltendmachung des Ordnungsgeldes iSd § 44a IV 2 AbgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Hinweisverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Die Behandlung „reiner“ Nebeneinkünfte nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . 39 a) Verbot sog. „Interessentenzahlungen“ sowie „arbeitslosen Einkommens“ bzw. der sog. „unechten Beraterverträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Die Zuführung unzulässiger Einkünfte an den Bundeshaushalt . . . . . . . . . . . . 40 c) Spenden an Abgeordnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 d) Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Zur Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
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Inhaltsverzeichnis bb) Zum Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) § 108e StGB als „symbolische Gesetzgebung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Exkurs: Die Bestechung von Mitgliedern ausländischer Gesetzgebungsorgane nach Art. 2 § 2 IntBestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. Befangenheitsvorschriften bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache . . . . . . . 51 a) Bestehende bundesrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Ungeschriebene Mitwirkungsverbote auf Bundesebene? . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Landesrechtliche Mitwirkungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung und Gemeinderatsmitglieder . 56 1. Beamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Nebentätigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Bundesbeamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (1) Genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (b) Voraussetzungen der Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (c) Die einzelnen Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (d) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (2) Genehmigungsfreie Nebentätigkeiten und Anzeigepflichten . . . . . . . . 63 cc) Landesbeamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 dd) Hochschullehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ee) Zusammenfassende Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Reine Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Beamtenrechtliches Verbot reiner Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Strafrechtliches Verbot reiner Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Die §§ 331 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (2) Wesentliche Unterschiede zu § 108e StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Befangenheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Ausschluss nach § 20 BVwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Besorgnis der Befangenheit nach § 21 BVwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Kein förmliches Ablehnungsrecht der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Unparteilichkeit und Zurückhaltung als allgemeine Dienstpflicht . . . . . . . . . . 76
Inhaltsverzeichnis
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2. Mitglieder der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Wirtschaftliche Inkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Gemeinderatsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Die Pflicht zur uneigennützigen Geschäftsführung gemäß § 17 I GemO BW . 82 c) Befangenheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Verfahren und Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 d) Hinderungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 e) Das Vertretungsverbot des § 17 III GemO BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 f) Das strafrechtliche Verbot reiner Nebeneinkünfte: § 108e StGB vs. §§ 331 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Judikative: Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Richter der allgemeinen Gerichtsbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Nebentätigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Reine Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Befangenheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Ausschließung von Richtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Ablehnung von Richtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Die Zurückhaltungspflicht gemäß § 39 DRiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Bundesverfassungsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Nebentätigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Reine Nebeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Befangenheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Ausschließung von Bundesverfassungsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) § 18 I Nr. 1, II BVerfGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) § 18 I Nr. 2, III BVerfGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 d) Zurückhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Richter der Landesverfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
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Inhaltsverzeichnis 4. Strafrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
IV. Zusammenfassung und Gegenüberstellung der Schwerpunkte der einzelnen Gewalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Rechtliche Lösung der Interessenkollisionen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Dahinterstehende Verfassungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Rechtliche Lösung der Interessenkollisionen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Dahinterstehende Verfassungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Rechtliche Lösung der Interessenkollisionen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Dahinterstehende Verfassungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 C. Die durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages betroffenen Verfassungsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes: Repräsentativer Parlamentarismus . . . 120 II. Das freie Mandat, Art. 38 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Das „erweiterte Gewaltenteilungsprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV. Der Anspruch auf angemessene und gleiche Abgeordnetenentschädigung nach Art. 48 III 1 GG iVm dem Prinzip der formalisierten Gleichheit der Abgeordneten. 131 V. Prinzip demokratischer Gleichheit der Bürger: Grundsatz der gleichen Möglichkeit, die Legislative zu beeinflussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung von durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte hervorgerufenen Interessenkonflikten bei Mitgliedern des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Das Mandat als Mittelpunkt der Tätigkeit: Der neue Grundsatz in § 44a I 1 AbgG . 137 1. Die Diskussion während des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Die Ansicht Waldhoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Die Ansicht Meyers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Das bundesverfassungsgerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Die die Entscheidung tragenden vier Richterinnen und Richter . . . . . . . . . . . . 142 b) Das abweichende Votum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Inhaltsverzeichnis
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3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten: Das derzeitige System auf dem Prüfstand 151 1. Sinn und Zweck der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Unterschied zu den für Beamte und Richter geltenden Anzeigepflichten . . . . . . . 153 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Grundrechte der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Die Nichtbehandlung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht . 157 bb) Die Ansicht Meyers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Weitere Aspekte und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Staatsorganisationsrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Das freie Mandat nach Art. 38 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Einbeziehung grundrechtlicher Aspekte als Maßstab des Art. 38 I 2 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (2) Freiheit und Unabhängigkeit der Mandatsführung . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (3) Öffentlichkeit als Beeinträchtigung der Mandatsfreiheit? . . . . . . . . . . 166 bb) Gleichheit der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Die Repräsentationsfähigkeit des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) Das Behinderungsverbot nach Art. 48 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Betroffene Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 d) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Verbot von Interessentenzahlungen und anderem „arbeitslosen Einkommen“ . . . . . 183 1. Maßstab für die Angemessenheit der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Abführung verbotener Zuwendungen an den Bundeshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Spenden an Abgeordnete: Ignorierter Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Hohe Mindestbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Personeller Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Das Fehlen effektiver Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
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Inhaltsverzeichnis 4. Schwierigkeiten einer klaren Abgrenzung von Spenden zu den nach § 44 II AbgG verbotenen Interessentenzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5. Problematische Abgrenzung von Abgeordnetenspende und Parteispende . . . . . . 193 6. Verbot von Direktspenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 V. Erweiterung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung durch Neufassung des § 108e StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Notwendigkeit einer umfassenderen Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Die üblichsten Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Erweiterung durch Anpassung des § 108e StGB an die §§ 331 ff. StGB? . . . . . . 206 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
VI. Genehmigungspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten? . . . . . . . . . 210 1. Wirtschaftliche Inkompatibilitäten für Mitglieder von Verfassungsorganen als Grundsatz? – Vergleich mit Bundesministern und Bundesverfassungsrichtern . . 213 2. Bedenken gegen Unvereinbarkeitsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Passives Wahlrecht: Art. 38 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Bestimmtheit der Inkompatibilitätstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 cc) Kein Verstoß gegen Art. 9 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 dd) Repräsentationsfähigkeit des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 ee) Das freie Mandat: Art. 38 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 ff) Art. 48 II GG und die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung . . . . . . 226 b) Verfassungspolitische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Berufliche Wiedereingliederung nach dem Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Positiver Bezug zur Berufswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache (Mitwirkungsverbote)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Gleichbehandlung der drei Gewalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Richter und Abgeordnete: Wesensimmanente Unparteilichkeit? . . . . . . . . . . . 233 b) Beamte und Abgeordnete: Die Ungleichheit von Amt und Mandat . . . . . . . . . 235
Inhaltsverzeichnis
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c) Gemeinderäte und Abgeordnete: Ein hinkender Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Die Bedeutung von Art. 84 BremVerf und § 135 GOLTag Bay für die bundesrechtliche Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Befangenheitsvorschriften mit umfassenden Mitwirkungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Die verfassungsrechtlich garantierten Mitwirkungsrechte des Abgeordneten . 243 b) Funktionsfähigkeit der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Vermehrte Unsicherheit über formelle Rechtmäßigkeit von Gesetzen . . . . . . . 247 d) Verschiebung der parlamentarischen Kräfteverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Anforderungen an die Ausgestaltung und den Umfang eines Mitwirkungsverbots de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 E. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
A. Einleitung I. Einführung in die Thematik Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Mitgliedern des Deutschen Bundestages bilden seit den Anfängen des Grundgesetzes Anlass für eine immer wieder aufflammende verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Diskussion um das grundgesetzliche Abgeordnetenbild. Hierfür boten Meldungen über lukrative Tätigkeiten von Abgeordneten neben ihrem Mandat und über Geldsummen, die unter dem Deckmantel eines „Beratervertrages“ an einzelne Abgeordnete geflossenen sind, stets tagesaktuelle Anlässe.1 Doch worin liegt die eigentliche Problematik dieser Vorgänge? Bundestagsabgeordnete sind Inhaber eines besonderen öffentlichen Amtes: der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag.2 Sie sind Träger eigener Wahrnehmungszuständigkeiten und Teil dieses Verfassungsorgans.3 Als solche nehmen sie staatliche Aufgaben wahr, indem sie insbesondere an der Ausübung der legislativen Staatsgewalt teilhaben. Hierfür wird ihnen durch unmittelbare Wahlen ein demokratisches Mandat erteilt. Als Vertreter des Volkes üben sie dieses Mandat zwar eigenverantwortlich aus; ihnen obliegt es jedoch als Hoheitsträger, die Interessen des Gemeinwohls herauszubilden und zu verwirklichen. Nimmt ein Abgeordneter neben diesen hoheitlichen Aufgaben noch andere Tätigkeiten außerhalb der staatlichen Sphäre wahr oder empfängt er neben der nach Art. 48 III 1 GG garantierten Abgeordneten1
Bereits im Jahr 1951 bestanden dahingehende Anhaltspunkte, dass vor der parlamentarischen Abstimmung über die „Hauptstadt-Frage“ einige Abgeordnete Bestechungsgelder erhalten hatten (vgl. hierzu Szmula, Eine „Ehrenordnung“ für den Deutschen Bundestag, Paderborner Studien 1975, S. 43). Weitere Beispiele lieferten im Laufe der Geschichte des Grundgesetzes die Vorgänge um den FDP-Abgeordneten Geldner, dessen Fraktionswechsel zur CSU-Fraktion von hochdotierten Beraterverträgen begleitet worden sein soll (vgl. hierzu Schindler, Umstrittene „Ehrenordnung“ für den Deutschen Bundestag, ZParl 3 (1972), 140), und der sog. Flick-Skandal, während dessen zahlreiche unlautere Barzahlungen an Abgeordnete bekannt wurden. Jüngst brachten die Vorgänge um Laurenz Meyer und Hermann-Josef Arentz, die von ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein monatliches Gehalt bezogen haben sollen, ohne hierfür eine entsprechende Arbeitsleistung zu erbringen, die Diskussion erneut in Gang; Ähnliches gilt auch für die niedersächsischen Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und HansHermann Wendhausen, die sich auf der Gehaltsliste eines Autokonzerns wiederfanden, ohne hierfür entsprechende Gegenleistungen erbracht zu haben; zu letzteren Fällen vgl. Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266. 2 Stern, Staatsrecht I, § 24 I 4, S. 1051 f. 3 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 1; Pohl, Drittzuwendungen an Abgeordnete, ZParl 26 (1995), 385.
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A. Einleitung
entschädigung weitere finanzielle Zuwendungen, kommt in der Öffentlichkeit schnell Skepsis darüber auf, ob er seine ihm vom Grundgesetz zugedachten Aufgaben als Mandatsträger noch sachgerecht erfüllen kann. Eine verfassungsrechtliche Dimension erhält diese Skepsis, wenn man sich verdeutlicht, dass Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte stets auf Eigeninteressen des Abgeordneten beruhen. Dies kann zwar nicht pauschal beanstandet werden. Wenn die Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte jedoch eine gewisse Nähe zu der parlamentarischen Arbeit aufweisen, besteht die Gefahr, dass die in ihnen begründeten Eigeninteressen mit den Gemeinwohlinteressen kollidieren. Zudem liegen Befürchtungen nahe, dass der Abgeordnete in Abhängigkeitsverhältnisse gerät, die die freie Mandatsausübung behindern, und privatwirtschaftliche Mächte auf die parlamentarische Willensbildung einen grundgesetzlich nicht vorgesehenen Einfluss nehmen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass er gar selbst sein Mandat und die daraus folgende herausgehobene Stellung zur Verfolgung privater Interessen ausnutzt.4 Durch diese Konflikte können Verfassungsgüter wie das grundgesetzliche Demokratieprinzip, das freie Mandat nach Art. 38 I 2 GG, das Prinzip der demokratischen Gleichheit und der – über den klassischen Sinn hinaus erweiterte – Gewaltenteilungsgedanke beeinträchtigt sein. Das Anliegen dieser Arbeit ist es, diese Konflikte, die durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten mit den Normen des Grundgesetzes entstehen können, zu beleuchten und hierfür bestehende Lösungsansätze zu untersuchen. Sie soll kein neues „Leitbild“ vom Bundestagsabgeordneten schaffen. Vielmehr werden anhand konkreter Regelungsinstrumente die wesentlichen verfassungsrechtlichen Aspekte erörtert und die jeweiligen Regelungsmöglichkeiten und -grenzen aufgezeigt, die zur Bewältigung der auf Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften beruhenden verfassungsrechtlichen Problematik bestehen. Dafür werden zunächst die derzeit geltenden Vorschriften herangezogen und verfassungsrechtlich geprüft und gewürdigt. Besondere Beachtung finden dabei die zuletzt im Jahr 2005 neugefassten Regelungen des Abgeordnetengesetzes (AbgG)5 und der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages (VerhR)6 in Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT)7.
4 Kromarek/Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 (464). 5 Das 26. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. 08. 2005 (BGBl. I 2005, S. 2482) ist mit Zusammentritt des 16. Deutschen Bundestages am 18. 10. 2005 in Kraft getreten (Bekanntmachung in: BGBl. I 2005, S. 3007). 6 Die parallel zur Änderung des Abgeordnetengesetzes erfolgten Änderungen der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages laut Bekanntmachung vom 12. 07. 2005 (BGBl. I 2005, S. 2512) wurden durch Übernahme der Neufassung der Geschäftsordnung durch Beschluss des 16. Deutschen Bundestages in seiner konstituierenden Sitzung am 18. 10. 2005 wirksam (Bekanntmachung in: BGBl. I 2005, S. 3094). 7 In der Fassung der Bekanntmachung vom 02. 07. 1980 (BGBl. I, S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 26. 09. 2006 (BGBl. I, S. 2210).
II. Begriffsbestimmung: Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte
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Die Möglichkeiten zur Bewältigung der Interessenkonflikte im legislativen Bereich wurden bisher stets in einem von den anderen Staatsgewalten losgelösten Kontext gesucht. Ähnliche Interessenkonflikte entstehen jedoch auch in den Bereichen der Exekutive und der Judikative, wenn die ihnen angehörenden Hoheitsträger privatwirtschaftlichen Nebentätigkeiten nachgehen oder anderweitig Einkünfte erzielen. Die Ähnlichkeit der Konfliktlage fordert dazu auf, die für diese Gewalten wesentlichen Normen zur Bewältigung der Nebentätigkeits- und Nebeneinkunftsproblematik aufzugreifen und in die Beantwortung der Frage nach den möglichen Regelungsinstrumenten für die Legislative einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund wird die Arbeit untersuchen, ob und inwieweit die für die Exekutive und die Judikative wesentlichen Regelungsmechanismen auch für die Legislative herangezogen werden können. Hierfür kommt es entscheidend auf die den Gewalten zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Grundprinzipien an.
II. Begriffsbestimmung: Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte Vorab ist klarzustellen, was für die vorliegende Untersuchung unter den Begriffen „Nebentätigkeiten“ und „Nebeneinkünfte“ zu verstehen ist. Dies ermöglicht es, bereits vor dem eigentlichen Einstieg in die Untersuchung verfassungsrechtlich unproblematische Ausprägungen der Nebentätigkeiten oder Nebeneinkünfte heraus zu kristallisieren und von der Untersuchung auszunehmen. Dadurch wird die Konzentration auf die wirklich problematischen Fälle erleichtert. Nebentätigkeiten im Sinne dieser Arbeit sind solche Tätigkeiten, die neben dem staatlichen Amt bzw. Mandat durch den Amts- bzw. Mandatsträger wahrgenommen werden. Für die Bedeutung des Begriffs kommt es hier nicht darauf an, wie viel Zeit eine Tätigkeit in Anspruch nimmt, insbesondere nicht, ob die Tätigkeit realistisch im quantitativen Sinne als eine Nebentätigkeit erscheint oder ob der einzelne Amts-/ Mandatsträger dieser Tätigkeit mehr Zeit widmet, so dass sich die außeramtliche bzw. außermandatliche Tätigkeit gar als die eigentliche Haupttätigkeit darstellt und die staatliche Funktion faktisch als die Nebentätigkeit. Da sich die Arbeit mit den Interessenkonflikten beschäftigen wird, die aus der gleichzeitigen Ausübung einer staatlichen Funktion und einer weiteren, privaten Tätigkeit resultieren, ist jede dieser weiteren Tätigkeiten eine Nebentätigkeit im Sinne der folgenden Untersuchung. Vom Begriff der Nebentätigkeiten umfasst sind zunächst auch solche Tätigkeiten, die nicht zum Hauptamt bzw. Mandat als solchem gehören, aber gleichsam die Wahrnehmung staatlicher Funktionen oder Ämter bedeuten, beispielsweise das sog. Nebenamt eines Beamten oder die Regierungstätigkeit eines Bundestagsabgeordneten. Diese öffentlichen Nebentätigkeiten werden an einigen Stellen der Arbeit benannt, bilden aber nicht den Gegenstand der Untersuchung. Ebenso bleiben Nebentätigkeiten in Parteifunktionen weitestgehend außer Betracht. Untersucht werden allein die privaten Nebentätigkeiten, die außerhalb der Staatsorganisation im gesellschaftli-
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A. Einleitung
chen Raum stattfinden und solche, die wegen des besonderen Interesses des privaten Vertrags- oder Geschäftspartners in den staatlichen Bereich hineinwirken. Im Vordergrund stehen stets die Interessenkonflikte, die aus der Kumulation von staatlichem Amt/Mandat mit privatwirtschaftlicher Tätigkeit entstehen können. Als konfliktbehaftete Nebentätigkeiten kommen eine Vielzahl von Konstellationen in Betracht: die Fortführung oder Aufnahme eines privaten Berufs, die Beratung privater Unternehmen durch die besondere fachliche oder politische Kompetenz eines Amts- oder Mandatsträgers, die Beschaffung von „Insider-Wissen“, die Teilnahme an Veranstaltungen als Redner oder „VIP“, das Herstellen von Kontakten, die Tätigkeit für einen Interessenverband etc. Der Zusammenhang zur staatlichen oder politischen Arbeit eines Hoheitsträgers ist bei den Nebentätigkeiten unterschiedlich stark ausgeprägt, ebenso die Gefahr, die von ihnen ausgehen kann. Stets bergen sie jedoch die Gefahr, dass verfassungsrechtlich nicht gewollte und nicht hinnehmbare Einflüsse auf die staatliche Willensbildung entstehen oder der Amts-/Mandatsträger in sonstiger Weise in seiner staatlichen Funktion beeinträchtigt wird. Ebenso problematisch kann es sein, wenn im Rahmen der Nebentätigkeit der Hoheitsträger seine besondere Stellung oder sein besonderes Wissen gewinnbringend ausnutzt und so sein Amt quasi vermarktet. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen entgeltliche Nebentätigkeiten, da bei diesen das Konfliktpotenzial am höchsten einzustufen ist. Entgeltlich meint dabei nicht allein die Verknüpfung mit einer monetären Gegenleistung, sondern jedwede Erkenntlichkeit für eine Tätigkeit. Nebeneinkünfte im Sinne dieser Arbeit sind alle vermögensrechtlich relevanten Zuflüsse an einen Hoheitsträger, die ihm nicht aus der Staatskasse für die Wahrnehmung seines Amtes bzw. Mandates gewährt werden. Soweit es sich dabei um Entgelte für im Rahmen einer Nebentätigkeit erbrachte Leistungen handelt, bilden Nebeneinkünfte und Nebentätigkeiten einen einheitlichen Problemkreis. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Arten der „reinen“ Nebeneinkünfte, die ohne Gegenleistung erzielt werden und die eigene verfassungsrechtliche Fragestellungen aufwerfen. Als solche reine Nebeneinkünfte sind beispielsweise Spenden, Interessentenzahlungen und Bestechungsgelder anzusehen. Mit Interessentenzahlungen sind dabei solche Zuwendungen gemeint, die dem Abgeordneten zumindest auch mit der Intention gewährt werden, dass dieser bestimmte Interessen im staatlichen Willensbildungsprozess wahrnimmt. All diese Arten der Nebeneinkünfte bergen ebenso wie die Nebentätigkeiten Gefahren der Einflussnahme auf die staatliche Willensbildung. Nicht von der Untersuchung erfasst werden dagegen solche Einkünfte, die ersichtlich keinen Mandatsbezug aufweisen, wie zum Beispiel Erbschaften oder sozialadäquate Schenkungen unter Verwandten.8 Als unbedenklich können auch Einkünfte aus Vermietungen und Verpachtungen eingestuft werden, soweit sich diese im Rahmen der üblichen Verwaltung eigenen Vermögens halten. Durch sie ist nicht in beachtenswertem Um-
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von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 150.
III. Gang der Untersuchung
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fang mit mandatsrelevanten Interessenverknüpfungen zu rechnen,9 so dass auch sie für die Untersuchung außer Betracht bleiben.
III. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt mit dem geltenden Recht. Es wird dargestellt, wie die Rechtsordnung de lege lata mit Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften von staatlichen Hoheitsträgern umgeht. Die Darstellung folgt einer Unterteilung in die drei Staatsgewalten: Legislative, Exekutive und Judikative. Hierbei werden jeweils die bestehenden Regelungsinstrumente erörtert und der Gesetzeszweck bestimmt. Schließlich werden die Regelungen des geltenden Rechts auf die Grundprinzipien des Grundgesetzes zurückgeführt und ein direkter Vergleich der Gewalten und der für sie geltenden Regelungen und Grundprinzipien erzielt. Anschließend erfolgt eine Konkretisierung der im legislativen Bereich von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften der Mandatsträger betroffenen Verfassungsgüter. Auf Grundlage der daraus folgenden Erkenntnisse befasst sich der dritte Teil der Arbeit mit den Möglichkeiten und Grenzen der für die Legislative denkbaren Regelungsinstrumente zur Bewältigung der durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte auftretenden verfassungsrechtlichen Probleme. Zunächst werden die bereits bestehenden Regelungen herangezogen und sowohl auf ihre Verfassungsmäßigkeit als auch ihr Verbesserungsbedürftigkeit untersucht. Daraufhin werden weitere für die Exekutive und die Judikative wesentliche Regelungsinstrumente aufgegriffen. Es wird untersucht, ob diese auch für die Legislative verfassungsrechtlich realisierbar sind. Stets gilt es dabei, Parallelen und Unterschiede zu den für die Exekutive und Judikative geltenden Regelungen und die hinter diesen stehenden Grundprinzipien aufzuzeigen. Sofern landesrechtliche Regelungen untersucht werden, wird grundsätzlich auf das baden-württembergische Landesrecht zurückgegriffen. Besonderheiten anderer Bundesländer finden an manchen Stellen Beachtung.
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BVerfGE 118, 277 (365).
B. Die Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Träger hoheitlicher Gewalt nach geltendem Recht Die gesetzliche Behandlung von Interessenkonflikten bei Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften staatlicher Machtträger folgt innerhalb der drei Staatsgewalten verschiedenen Ansätzen. Zum einen gibt es Normen, die sich direkt mit eben diesen Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften befassen, sie einschränken oder anderweitig regulieren. Ein anderer Ansatzpunkt besteht darin, den Folgen der Interessenkonflikte zu begegnen, die durch die Tätigkeiten und Einkünfte entstehen können, indem die konkrete Befangenheit von Amtsträgern im Einzelfall geregelt wird. Um Interessenkonflikte aufgrund von Nebentätigkeiten gänzlich zu vermeiden und die Amts- bzw. Mandatstätigkeit gegen wirtschaftliche Einflüsse von außen abzuschirmen, werden diese zum Teil auch gänzlich durch ein Verbot ausgeschlossen. Hieran zeigt sich, dass das Recht zur Bewältigung von Interessenkollisionen sowohl bereits im Vorfeld wirkende Instrumente zur Vermeidung von Interessenkonflikten bereithält, als auch solche zur Beseitigung bereits entstandener Interessenkollisionen.1 Welchen dieser Ansätze das geltende Recht für die Amtsträger der drei Gewalten vorsieht, soll im Folgenden dargestellt werden. Dabei wird die beachtliche Normenvielfalt in einen systematischen Zusammenhang gebracht. Um anschließend eine sinnvolle Gegenüberstellung der Gewalten zu ermöglichen, ist aber nicht nur von Interesse, welche Instrumente das aktuelle Recht zur Bewältigung der Interessenkonflikte bereithält. Bedeutend ist auch die Definition des Schutzzwecks jeder konfliktbewältigenden Norm. Differieren die Schutzzwecke zwischen den unterschiedlichen Gewalten, so ist auch ein Unterschied in der Art und Weise der Kollisionsbewältigung nachvollziehbar. Daher wird bei der Darstellung der geltenden Rechtslage im Folgenden stets auf die Schutzgedanken der jeweiligen Regelungen hingewiesen.
1 So unterscheidet auch Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Einleitung A. III., Manuskript S. 46 f. unter dem Oberbegriff „Kollisionsbewältigung“ zwischen „Kollisionsvermeidung“ und „Kollisionsbeseitigung“.
I. Legislative: Abgeordnete des Deutschen Bundestages
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I. Legislative: Abgeordnete des Deutschen Bundestages 1. Keine „wirtschaftlichen“ Inkompatibilitäten Die einschneidendsten Maßnahmen, die außerparlamentarische Nebentätigkeiten von Abgeordneten gänzlich verbieten, sind Inkompatibilitäten. Durch ein Verbot von bestimmten Funktionshäufungen können sie einen Widerstreit verschiedener Funktionen und Interessen – seien diese staatlicher oder wirtschaftlicher Natur – von vorneherein bereits in seiner Entstehung verhindern. Im Grundgesetz finden sich für Abgeordnete ausdrückliche Inkompatibilitäten im Hinblick auf die Unvereinbarkeit mit dem Amt des Bundespräsidenten (Art. 55 I GG) und dem der Bundesverfassungsrichter (Art. 94 I 3 GG iVm § 3 III 1 BVerfGG). Auch das einfache Recht und das Geschäftsordnungsrecht enthalten Inkompatibilitäten, die die Kumulation von Mandat und verschiedenen anderen staatlichen Funktionen verbieten. Als Beispiele lassen sich die in § 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates (GOBRat)2 erklärte Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft im Bundesrat und im Bundestag sowie die Unvereinbarkeit eines parlamentarischen Mandats mit dem Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages nach Art. 45b GG iVm § 14 III des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages und mit dem Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz nach § 23 II 1 BDatSchG anführen.3 Für diese Arbeit stellt sich jedoch in erster Linie die Frage nach Inkompatibilitäten, die die Fortführung einer beruflichen Tätigkeit des Abgeordneten verhindern. Hierfür enthält das Grundgesetz allein in Art. 137 I GG4 eine Regelung, die auf Inkompatibilität hindeutet. Danach können (einfach-)gesetzliche Wählbarkeitsbeschränkungen für Angehörige des öffentlichen Dienstes sowie Richter und Soldaten beschlossen werden. Davon hat der Bundesgesetzgeber durch die §§ 5 – 9 AbgG, § 4 I DRiG und § 46 II Nr. 5 SoldG Gebrauch gemacht, nach denen die Rechte und Pflichten dieser Amtsträger aus dem Dienstverhältnis während der Parlamentsmitgliedschaft ruhen, die Dienstbezüge während dieser Zeit nicht gezahlt werden, aber nach Beendigung des Mandats ein Anspruch auf Wiederverwendung im Dienst besteht. Durch diese Regelungen hat sich der Gesetzgeber gegen eine strikte Unwählbarkeit (Ineligibilität) entschieden und lediglich die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat zum gleichen Zeitpunkt festgestellt (Inkompatibilität) und damit den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zwar die Übernahme eines Parlamentsmandats ermöglicht, die gleichzeitige Fortführung ihres Berufes im öffentlichen Dienst während 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 26. 11. 1993 (BGBl. I, S. 2007), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 08. 06. 2007 (BGBl. I, S. 1057). 3 Siehe zu einzelnen parlamentarischen Inkompatibilitäten auch Stern, Staatsrecht I, § 24 I 6, S. 1056 sowie Tsatsos, Unvereinbarkeiten zwischen Mandat und anderen Funktionen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 5 ff. S. 702 ff. 4 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 137 I GG Tsatsos, Unvereinbarkeiten zwischen Mandat und anderen Funktionen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der BRD, Rn 12 ff. S. 704 ff.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
des Mandats jedoch untersagt.5 Auch diese Regelungen dienen aber zuvorderst dem klassischen Gewaltenteilungsgedanken im Sinne der personellen Trennung der einzelnen staatlichen Funktionen. Geht es dagegen um eine erweiterte Gewaltenteilung im Sinne der Trennung staatlicher Funktionen von wirtschaftlichen/gesellschaftlichen Machtpositionen, stellt sich für Abgeordnete gegenwärtig ein anderes Bild dar. Das Grundgesetz sieht hierfür keinen ausdrücklichen Hinweis auf Inkompatibilitätsregelungen vor. Ebenso wenig lässt sich eine solche sogenannte wirtschaftliche Inkompatibilität aus anerkannten Verfassungsgütern herleiten. Für ungeschriebene Unvereinbarkeiten lässt die Rechtsordnung keinen Raum.6 Das Verfassungsrecht verbietet daher die Ausübung eines Berufes oder anderer wirtschaftlicher Tätigkeiten sowie die Innehabung privatwirtschaftlicher „Ämter“ neben dem Mandat derzeit nicht.7 Im Gegenteil wurde einfachgesetzlich sogar durch das 26. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes in § 44a I 2 AbgG n.F. – im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Lage – ausdrücklich klargestellt, dass Tätigkeiten neben dem Mandat grundsätzlich zulässig sind. Zudem wird bisweilen darauf verwiesen, dass Art. 48 GG unübersehbar von einem Nebeneinander von Mandat und Beruf ausgehe.8 Auch aus dem sog. Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts ist nichts anderes zu entnehmen. Das Gericht hat diesbezüglich ausdrücklich geäußert, dass es sich bei dem Bundestagsmandat zwar faktisch um einen „Full-Time-Job“ handele, diese Feststellung jedoch grundsätzlich nicht die Frage der Fortführung oder Begründung eines Berufes neben der Mandatstätigkeit berühre.9 Damit bleibt festzustellen, dass nach geltender Rechtslage keine wirtschaftliche Inkompatibilität für Abgeordnete des Bundestages besteht. Sie dürfen grundsätzlich neben dem Mandat anderen Tätigkeiten nachgehen.
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Weniger stark wirkt die Beschränkung allerdings für Hochschullehrer, die nach § 9 II AbgG Tätigkeiten in Forschung und Lehre fortführen dürfen. Hierzu ausführlich Evers, Hochschullehreramt und Abgeordnetenmandat, S. 18 ff. 6 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 26. 7 von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 48; Kretschmer, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG, Art. 48 Rn 7; Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 69 S. 511; zur Vereinbarkeit des Mandats mit dem Beruf eines Rechtsanwalts siehe BGHZ 72, 70 ff. mit Anmerkung Zuck, DÖV 1979, 444 ff. 8 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 95; Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 105; von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NVwZ 2006, 249 (250); anders noch ders., in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 48; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 142. 9 BVerfGE 40, 296 (314, 318 f.); zustimmend Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (120).
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2. Regelungen von Nebentätigkeiten Die Feststellung, dass Abgeordneten Nebentätigkeiten gestattet sind, bedeutet nicht, dass diese keinen anderen Regulierungen unterliegen. So finden sich zahlreiche Vorschriften, die sich konkret mit den Nebentätigkeiten beschäftigen, um die Gefahren, die von ihnen ausgehen, einzudämmen. Diese Regelungen finden sich auf drei unterschiedlichen Regelungsebenen, die sich gegenseitig ergänzen und konkretisieren: die §§ 44a, 44b AbgG, die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages in Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sowie die vom Bundestagspräsidenten erlassenen Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln. In diesen ineinander greifenden Regelungswerken werden Verhaltenspflichten für die Abgeordneten aufgestellt, die in ihren Schwerpunkten die Pflicht zur Anzeige und Veröffentlichung von Nebentätigkeiten und daraus erzielten Einkünften enthalten. Zentrale Norm bildet § 44a AbgG, der durch das 26. Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz eine gänzlich neue Gestalt angenommen hat. Während sich in der alten Fassung hier die einfachgesetzliche Grundlage für die Verhaltensregeln fand, befasst sich § 44a AbgG n.F. mit Grundsätzen zur Ausübung des Mandats. Diese Grundsätze werden insbesondere für Nebentätigkeiten des Abgeordneten relevant. Als zweiter Regelungskomplex sind die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages von Bedeutung. Diese finden nunmehr ihre einfachgesetzliche Rechtsgrundlage in § 44b AbgG n.F.10, in der die inhaltlichen Mindestanforderungen11 an die Verhaltensregeln aufgestellt sind. Die Verhaltensregeln als solche sind als Anlage 1 der GOBT ausformuliert und werden durch § 18 GOBT zum Bestandteil der Geschäftsordnung erklärt.12 Durch die Verhaltensregeln werden vor allem die in § 44a AbgG enthaltenen Pflichten des Abgeordneten konkretisiert. Beide Normenkomplexe – Abgeordnetengesetz und Verhaltensregeln – wurden zuletzt im Jahr 2005 im Rahmen des 26. Änderungsgesetzes zum Abgeordnetengesetz in dem Bestreben nach größerer Transparenz möglicher Interessenkonflikte umfassend geändert.13 Der Gesetz- und Geschäftsordnungsgeber hat dabei die Verhaltenspflichten insgesamt verschärft Vor Inkrafttreten des 26. Änderungsgesetzes zum AbgG enthielt § 44a AbgG die gesetzliche Grundlage für die Verhaltensregeln. Die „Verschiebung“ nach § 44b AbgG ging einher mit inhaltlichen Änderungen der Norm, auf die an gegebener Stelle noch einzugehen sein wird. 11 „[…] insbesondere […] enthalten müssen […]“. 12 Zur umstrittenen Rechtsnatur der Verhaltensregeln als Anlage 1 der GOBT siehe Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 130 ff.; Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 406 ff.; Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 10 ff.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 55 f.; Roll, Verhaltensregeln für Abgeordnete, ZRP 1984, 9 (11); ders., Verhaltensregeln, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 21 S. 615; ders., in: Troßmann/Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages – Ergänzungsband, § 18 Rn 4; Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 3. 13 Vgl. bereits die Ausführungen zum 26. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. 08. 2005 und den parallelen Änderungen der Verhaltensregeln in Fn 5, 6 unter A. 10
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und lange geforderte gesetzliche Grundlagen für die einzelnen Pflichten geschaffen sowie die bestehenden konkretisiert. Weitere Konkretisierung erfahren die Regelungen durch die vom Bundestagspräsidenten erlassenen Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln. In diesen kann der Präsident – nachdem er dem Präsidium und den Fraktionsvorsitzenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat – gemäß § 1 IV der VerhR unter anderem Inhalt und Umfang der Anzeigepflichten ausgestalten. Für die laufende 16. Legislaturperiode ist Bundestagspräsident Lammert diesem Regelungsauftrag mit Wirkung zum 30. Dezember 2005 nachgekommen.14 Im Folgenden werden die im Hinblick auf Interessenkonflikte von Abgeordneten durch ihre Nebentätigkeiten und die daraus erzielten Einkünfte relevanten Regelungen im Einzelnen dargestellt und erläutert. An gegebener Stelle wird auf die wichtigsten Neuerungen sowie auf die dahinterstehenden Konzepte des Gesetz-/Geschäftsordnungsgebers hingewiesen. a) Mandat als Mittelpunkt Erstmals wird in § 44a I 1 AbgG n.F. ausdrücklich geregelt, dass die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages steht. Dennoch erklärt § 44a I 2 AbgG berufliche Tätigkeiten oder solche anderer Art neben der Verpflichtung aus Satz 1 für grundsätzlich zulässig. Als markante Beispiele für solch zulässige Nebentätigkeiten werden in der Gesetzesbegründung die Übernahme eines Regierungsamtes oder des Amtes eines Parlamentarischen Staatssekretärs genannt. Diese Ämter seien Teil des mit dem Mandat verbundenen öffentlichen Amtes eines Abgeordneten und hätten sich daher entsprechend der überwiegend anerkannten bisherigen Staatspraxis bewährt.15 Auch die Wahrnehmung parteipolitischer Aufgaben stehe aufgrund der Funktionsverschränkungen zwischen Partei und Parlament der Parlamentsmitgliedschaft nicht entgegen.16 Von der Gesetzesbegründung genannt werden damit relativ eindeutige Fälle anerkannter Kumulation verschiedener Funktionen in einer Person. Die aber für diese Untersuchung relevante Situation der Wahrnehmung einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit neben dem Mandat wird nicht ausdrücklich aufgeführt, ist aber vom Wortlaut des § 44a I 2 AbgG eindeutig erfasst; denn mit „beruflich“ kann kaum allein die Innehabung eines Regierungs- oder Parteiamtes gemeint sein, wie es die Gesetzesbegründung durch die einseitige Beispielsnennung suggerieren mag. Die Mittelpunktregelung ändert daher nichts an der grundsätzlichen Zulässigkeit privatwirtschaftlicher Tätigkeiten neben dem Mandat. Der Grundsatz – „Mandat als Mittelpunkt“ – ist die auffallendste Neuerung der Gesetzesänderung. Er soll die Wertigkeit verdeutlichen, die der Vertretung des Volkes 14 15 16
BGBl. I 2006, S. 10. BT-Drs. 15/5671, S. 5. BT-Drs. 15/5671, S. 5.
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durch die Abgeordneten zukommt.17 Die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments soll ausdrücklichen Vorrang vor mandatsfremden Individualinteressen einzelner Abgeordneter haben.18 Nebentätigkeiten des Abgeordneten treten dabei in den Hintergrund. Die Feststellung, dass dennoch andere Tätigkeiten neben dem Mandat grundsätzlich zulässig sind, entspricht zwar der vorherigen wie derzeitigen Rechtslage, findet aber erstmalig eine ausdrückliche gesetzliche Verankerung. Exkurs: Die Wandlung des Abgeordnetenmandats – Vom Honoratioren- zum Berufsparlament? Die gesetzliche Aussage des § 44a I 1 AbgG, die Ausübung des Mandats stehe im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten, ist logische Konsequenz aus der fortwährenden Entwicklung des Abgeordnetenmandats. Das Mandat hat sich im Laufe der Zeit an die Erfordernisse der modernen Gesellschaft angepasst. Der historische Wandel führte stets auch zu einer Fortentwicklung des Abgeordnetenentschädigungsrechts. Zu Beginn des frühen aufblühenden Parlamentarismus Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts19 war das Abgeordnetenmandat ein gesellschaftliches Ehrenamt.20 Es wurde nebenberuflich und unentgeltlich ausgeübt. Die Abgeordneten erhielten allenfalls eine Entschädigung in Form von Tagegeldern,21 die sogenannten Diäten. Diese sollten nicht als finanzielle Lebensgrundlage der Abgeordneten dienen, sondern lediglich den durch das Mandat anfallenden Mehraufwand abdecken.22 Daher war es selbstverständlich, dass die Mandatsträger beruflichen Tätigkeiten nachgingen oder sich aus anderen privaten Geldquellen finanzierten. Während dies in den parlamentarischen Geburtsstunden aufgrund der vergleichsweise niedrigen zeitlichen Belastung durch das Mandat eine verständliche Situation war, wuchsen mit der Zeit die Aufgaben der Parlamente an. Die damit verbundene wachsende Arbeitsbelastung der Abgeordneten verschob das Verhältnis zwischen Mandats- und privater Berufstätigkeit zugunsten des Mandats. Allein finanziell abgesicherte Persönlichkeiten, mithin Wohlhabende oder durch staatliche Alimentation abgesicherte Beamte, 17
Siehe auch hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/5671, S. 5. BVerfGE 118, 277 (336). 19 Zeitlich anzusetzen ist hier spätestens mit dem deutschen Parlamentarismus ab der Frankfurter Nationalversammlung 1848. Erwähnt werden muss aber auch der süddeutsche Konstitutionalismus des Vormärz, der bereits ehrenamtlich tätig werdende Abgeordnete aufwies, vgl. Boldt, Die Stellung des Abgeordneten im historischen Wandel, Zur Sache 1/79, S. 17 ff.; von Waldthausen, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und öffentliche Kontrolle im Verfahren zur Festsetzung der Abgeordnetenentschädigung, S. 31 ff. 20 Tatarin-Tarnheyden, § 38 Die Rechtsstellung der Abgeordneten, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des dt. Staatsrechts, S. 415. 21 von Waldthausen, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und öffentliche Kontrolle im Verfahren zur Festsetzung der Abgeordnetenentschädigung, S. 36. 22 von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 56. 18
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konnten es sich daher überhaupt leisten, das ehrenamtliche Abgeordnetenmandat auszuüben. Man sprach von einem „Honoratiorenparlament“ und vom „Beamtenparlamentarismus“. Diese Situation fand ihren Höhepunkt in der Reichsverfassung von 1871, die in ihrem Art. 32 ein absolutes Diätenverbot enthielt23 und es damit zum einen finanziell Minderbemittelten unmöglich machte, ein Mandat zu übernehmen, und zum anderen die Lebensfinanzierung der Abgeordneten aus beruflichen Tätigkeiten neben dem Mandat und entsprechenden mandatsunabhängigen Einkünften bewusst voraussetzte. Erst im Jahre 1906 wurde den vermehrten Aufgabenstellungen des Parlaments Rechnung getragen und eine Abgeordnetenentschädigung als pauschale Aufwandsentschädigung verfassungsrechtlich verankert.24 Betont wurde dabei ausdrücklich, dass es sich keinesfalls um eine „Besoldung“ des Abgeordneten handele. Die Weimarer Reichsverfassung hielt an diesen Grundsätzen fest. Sie enthielt zwar kein ausdrückliches Verbot einer Besoldung mehr, jedoch entsprach es allgemeiner Auffassung, dass die nach Art. 40 WRV zu gewährende Entschädigung weder Besoldung noch ein Entgelt für parlamentarische Tätigkeit darstellte.25 Die Ausübung eines bürgerlichen Berufs durch Abgeordnete galt auch zu diesem Zeitpunkt noch als selbstverständlich. Die begriffliche Unterscheidung zwischen Entschädigung und Besoldung setzt sich bis heute fort: Auch das Grundgesetz spricht in seinem Art. 48 III 1 von einer dem Abgeordneten zu gewährenden „Entschädigung“, scheint damit zunächst also auch nicht von dem Leitbild eines „hauptamtlichen Abgeordneten“ ausgegangen zu sein. Beachtlich ist hier jedoch der Zusatz, dass es sich um eine die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung handeln muss. Dies steht im Zusammenhang mit der Entwicklung hin zu einer „egalitären Demokratie“, in der es im Sinne des Repräsentationsgedankens nicht bei einem Parlament finanziell gut situierter Honoratioren und Beamten bleiben konnte. Zudem verblasste mit der zunehmenden Aufgabenfülle der Abgeordneten in der parlamentarischen Realität das Bild vom ehrenamtlichen Mandat als Nebentätigkeit. Das zu bewältigende Aufgabenfeld des Parlaments im modernen Staat wurde größer und komplizierter (Stichwort „Arbeitsparlament“). Das Abgeordnetenmandat entwickelte sich daher unter dem Grundgesetz rein faktisch hin zu einem Full-Time-Job, der die ganze Arbeitskraft des Abgeordneten fordern kann (und in der Regel auch fordert)26 und es allenfalls unter günstigen Umstän-
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Art. 32 RV 1871: „Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung erhalten.“; vgl. von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 58. 24 Art. 32 RV lautete nunmehr: „Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes.“; siehe hierzu von Waldthausen, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und öffentliche Kontrolle im Verfahren zur Festsetzung der Abgeordnetenentschädigung, S. 41. 25 Vgl. hierzu auch die Ausführungen im Sondervotum der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung über die Mittelpunktregelung, BVerfGE 118, 277 (342 f.). 26 Zur zeitlichen Belastung der Abgeordneten siehe Lückhoff, Das „freie Mandat“ des Abgeordneten, APuZ 1989, B 5, S. 17 (23).
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den zeitlich erlaubt, neben der Abgeordnetentätigkeit einem Beruf nachzugehen.27 Konsequenz hieraus musste es schließlich auch sein, die Abgeordnetenentschädigung in einer solchen Höhe anzusetzen, dass sie dem einzelnen Abgeordneten und seiner Familie als Lebensgrundlage dienen kann.28 Dass sich das Mandat in aller Regel als Vollzeitbeschäftigung darstellt, hat zur Folge, dass nunmehr jede andere – auch berufliche – Tätigkeit des Abgeordneten begrifflich und faktisch eine Nebentätigkeit ist. Zum Teil wird daher sogar von dem Abgeordnetenmandat als „Beruf“ gesprochen.29 Von der Wahrnehmung eines reinen Ehrenamtes kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein.30 Im Zusammenhang dieses historischen Wandels des Abgeordnetenmandats muss die Neufassung des § 44a I 1 AbgG gesehen werden. „Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages.“ Nebentätigkeiten treten damit als buchstäbliche Nebensache in den Hintergrund – so zumindest die gesetzliche Vorgabe durch § 44a I AbgG. Dies kann einerseits als Tatsachenfeststellung gewertet werden; denn bei der weit überwiegenden Zahl der Abgeordneten ist das Mandat faktisch inzwischen ohnehin tatsächlicher Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten. Ob § 44a I 1 AbgG aber auch darüber hinaus Wirkung entfalten, also den Abgeordneten zu einer bestimmten Intensität oder Art und Weise der Mandatsausübung verpflichten kann, wird an späterer Stelle zu erörtern sein.31 b) Anzeige- und Veröffentlichungspflichten § 44a IV AbgG statuiert eine gesetzliche Anzeige- und Veröffentlichungspflicht für Tätigkeiten, die vor dem Mandat ausgeübt wurden, sowie für Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat, die auf eine für die Mandatsausübung bedeutsame Interessenverknüpfung hinweisen können. Die Anzeige und Veröffentlichung erfolgt nach Maßgabe der Verhaltensregeln, die in § 44b AbgG gesetzlich verankert sind. Durch diese und die Ausführungsvorschriften werden die Umstände konkretisiert, die Hinweise auf bedeutsame Interessenverknüpfungen im Sinne des § 44a IV AbgG geben können. Hierbei wird auf objektive Kriterien abgestellt, ohne dass es auf eine tatsäch-
27 Vgl. hierzu die Ausführungen im sog. Diätenurteil BVerfGE 40, 296 (312 ff.); zustimmend – jedenfalls für solche Parlamentarier, die die Tätigkeit als Abgeordnete verantwortungsbewusst betreiben – Kissel, Vom gerechten Lohn des Bundestagsabgeordneten, in: FS Zeuner, S. 79 (81); kritisch dagegen zu der Frage, ob die vollzeitige Inanspruchnahme auch auf Abgeordnete der Landtage zutrifft oder lediglich für Bundestagsabgeordnete gelten kann, Menger, Zur Kontrollbefugnis des Bundesverfassungsgerichts bei Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsnormen – zum Diätenurteil des BVerfG vom 5. 11. 1975, VerwArch 67 (1976), 303 (312). 28 BVerfGE 40, 296 (315 f.). 29 Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 59; Conradi spricht vom „Beruf auf Zeit“, vgl. Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (114). 30 Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (114). 31 Vgl. hierzu unten die Ausführungen zu der Mittelpunktregelung unter D. I.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
liche Interessenverknüpfung im Einzelfall ankommt. Abgestellt wird auf die abstrakte Gefahr.32 Bei Verstoß gegen diese Pflichten kann der Bundestagspräsident durch Verwaltungsakt ein Ordnungsgeld festsetzen, wobei auch hier das Nähere durch die Verhaltensregeln bestimmt wird. Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten sollen mögliche Mehrfachbelastungen und Interessenverflechtungen der Abgeordneten offen legen und dadurch Transparenz des demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses schaffen.33 Dabei könne die Höhe der Nebeneinkünfte über wirtschaftliche Abhängigkeiten bei der Wahrnehmung des Mandats Aufschluss geben.34 Gleichzeitig könnten Mutmaßungen über unzulässige Interessenverknüpfungen oder unzulässige Zuwendungen auch ausgeräumt werden.35 Anzeige- und Veröffentlichungspflichten als solche sind nicht neu. Gemäß § 44a II AbgG a.F. mussten bereits nach alter Gesetzeslage die Verhaltensregeln Bestimmungen über die Anzeige und Veröffentlichung bestimmter Tätigkeiten und Einkünfte enthalten. Allerdings wurde die Pflicht der Abgeordneten hierzu erst in den Verhaltensregeln, konkret in § 1 der Verhaltensregeln in Anlage 1 der GOBT a.F., aufgestellt. Dies wurde zurecht teilweise als unzureichende gesetzliche Grundlage und als die Transparenz nicht gerade fördernde Konstruktion empfunden.36 Dementsprechend sollte mit § 44a IVAbgG n.F. eine gesetzliche Grundlage für die Rechtspflicht der Abgeordneten zur Offenlegung geschaffen werden. Gänzlich neu ist die Möglichkeit des Präsidenten, als Sanktion für Pflichtverstöße ein Ordnungsgeld einzufordern. Die Verschärfung der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten ging mit einer großen Kontroverse über das verfassungsrechtliche Leitbild des Bundestagsabgeordneten einher. Diese aufgreifend leiteten neun Mitglieder des Bundestags bald nach Inkrafttreten der Neuregelungen und der Aufforderung durch den Bundestagspräsidenten, die nunmehr erforderlichen Anzeigen vorzunehmen, ein Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Obwohl einem solchen Verfahren keine aufschiebende Wirkung zu32
BVerfGE 118, 277 (362). Roll, in: Troßmann/Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages – Ergänzungsband, § 18 Rn 1; Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 2. 34 BT-Drs. 15/5671, S. 5. 35 BT-Drs. 15/5671, S. 5. 36 Vgl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 57 ff., der die Pflichten aus den Verhaltensregeln deshalb als verfassungswidrig ansah; Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 3; Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 168 ff.; Troßmann, Der Abgeordnete und sein Status im Bundestag, JÖR N.F. 28 (1979), 93 (104); Troltsch, Der Verhaltenskodex von Abgeordneten in westlichen Demokratien, APuZ 1985, B 24 – 25, S. 3 (15); kritisch auch van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 65 (2005), 407 (432); anklingend auch bei Braun/Jantsch/ Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 7; anders hingegen Roll, in: Troßmann/Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages – Ergänzungsband, § 18 Rn 5. 33
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kommt, setzte der Bundestagspräsident die Veröffentlichung der Angaben bis zur bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung über die Anträge einstweilen aus.37 Am Tag nach Verkündung des Urteils, durch das die Regelungen nicht für verfassungswidrig erklärt wurden, stellte er sodann die ihm angezeigten Daten der Öffentlichkeit auf den Internetseiten des Bundestages zur Verfügung,38 auf denen sie seither von Jedermann eingesehen werden können. Im Folgenden sollen die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten in ihrer konkreten Ausgestaltung durch die Verhaltensregeln und die Ausführungsbestimmungen des Bundestagspräsidenten beleuchtet werden. aa) Anzeige von Tätigkeiten § 44b Nr. 1 AbgG greift die in § 44a IV 1 AbgG statuierte Pflicht auf, Tätigkeiten vor und neben dem Mandat, die auf für die Mandatsausübung bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können, anzuzeigen. Demzufolge müssen die Verhaltensregeln Bestimmungen enthalten, die die Fälle einer Anzeigepflicht von Tätigkeiten des Abgeordneten vor und neben der Mitgliedschaft im Bundestag detailliert bezeichnen. Diese Vorgabe wurde in § 1 I, II VerhR umgesetzt, wobei Absatz 1 diejenigen anzuzeigenden Tätigkeiten bestimmt, die vor der Mitgliedschaft im Bundestag ausgeübt wurden, während Absatz 2 die anzuzeigenden Tätigkeiten neben dem Mandat festlegt. Die Anzeige erfolgt gegenüber dem Bundestagspräsidenten. Aus der Zeit vor der Mitgliedschaft im Bundestag sind dem Präsidenten die zuletzt ausgeübte Beruftätigkeit (§ 1 I Nr. 1 VerhR),39 Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichts- oder Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in anderer Rechtsform betriebenen Unternehmens (Nr. 2), sowie Tätigkeiten als Mitglied eines Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts (Nr. 3) schriftlich anzuzeigen. Gemäß § 1 II VerhR besteht eine weitergehende Anzeigepflicht des Abgeordneten für bestimmte Tätigkeiten und Verträge, die während des Mandats ausgeübt oder aufgenommen werden. Anzuzeigen sind: • nach Nr. 1 entgeltliche Tätigkeiten (sowohl selbstständige als auch unselbstständige) neben dem Mandat, wobei hierfür beispielhaft die Fortsetzung einer zuvor 37 Vgl. Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 10. 03. 2006; zu diesem Vorgehen von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (901). 38 Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (386). 39 Zu den konkreten Anzeigemodalitäten siehe Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 30. 12. 2005, die Bundestagspräsident Lammert gemäß § 1 IV VerhR erlassen hat. Danach sind z. B. bei unselbstständigen Tätigkeiten Arbeitgeber und Art der Tätigkeit, bei selbstständiger Tätigkeit Art des Gewerbes sowie Name und Sitz der Firma anzugeben.
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ausgeübten Berufstätigkeit sowie Beratungs-, Vertretungs-, Gutachter-, publizistische und Vortragstätigkeiten benannt werden; die Anzeigepflicht hinsichtlich der drei letztgenannten Tätigkeiten besteht allerdings nur, wenn die jeweils vereinbarten Einkünfte mehr als 1.000 E im Monat oder 10.000 E im Jahr betragen; • nach Nr. 2 Tätigkeiten als Mitglied eines Gremiums eines Unternehmens; • nach Nr. 3 Tätigkeiten als Mitglied eines Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts; • nach Nr. 4 Tätigkeiten als Mitglied eines leitenden oder beratenden Gremiums eines Vereins, Verbandes oder einer ähnlichen Organisation sowie einer Stiftung mit nicht ausschließlich lokaler Bedeutung; • nach Nr. 5 das Bestehen bzw. der Abschluss von Vereinbarungen, wonach dem Abgeordneten während oder nach Beendigung der Mitgliedschaft im Bundestag bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögenswerte zugewendet werden sollen, wobei hierbei gemäß Nr. 6 der Ausführungsbestimmungen der wesentliche Inhalt der Vereinbarung anzuzeigen ist; • nach Nr. 6 Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften, wenn dadurch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird; hierfür legt der Bundestagspräsident in den Ausführungsbestimmungen im Sinne des § 1 IV VerhR die Grenzen der Anzeigepflicht fest. Nach Nr. 7 der daraufhin erlassenen Ausführungsbestimmungen bezieht sich die Anzeigepflicht nur auf Gesellschaftsbeteiligungen, deren Zweck auf die Betreibung eines Unternehmens gerichtet ist, d. h. einer organisatorischen Einheit, in der mit Gewinnerzielungsabsicht Güter oder Dienstleistungen erstellt werden. Ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss ist nach den Ausführungsbestimmungen dann anzunehmen, wenn dem Abgeordneten mehr als 25 % der Stimmrechte zustehen. Gemäß Nr. 3 der Ausführungsbestimmungen sind bezüglich der nach § 1 I Nr. 2 und 3 VerhR sowie nach § 1 II Nr. 1 – 4 VerhR anzuzeigenden Tätigkeiten jeweils die Art der Tätigkeit und Name und Sitz des Vertragspartners, des Unternehmens oder der Organisation mitzuteilen, für die die Tätigkeit erfolgt. Festzustellen ist damit insgesamt eine deutlich umfassendere Anzeigepflicht durch die Neufassung der Verhaltensregeln. Insbesondere in Hinblick auf die Beschäftigungen neben dem Mandat ist zu betonen, dass die frühere Unterscheidung zwischen beruflichen und sonstigen Nebentätigkeiten entfallen ist, indem nunmehr sämtliche einzelne Tätigkeiten während des Mandats der Anzeigepflicht unterliegen.40 Dadurch entfällt die schwierige und unterschiedlichen Bewertungen zugängliche Grenzziehung zwischen beruflichen und nichtberuflichen Tätigkeiten. Die aus der zuvor leicht erkennbaren Regelungslücke resultierende Umgehungsgefahr ist damit zumindest teilweise gebannt.
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Vgl. hierzu § 1 II Nr. 1 VerhR a.F.; BT-Drs. 15/5698, S. 4.
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Ergänzend zu § 1 I, II VerhR müssen nach § 2 VerhR Abgeordnete, die gegen Entgelt gerichtlich oder außergerichtlich für die Bundesrepublik Deutschland auftreten (Abs. 1) oder entgeltlich zur Besorgung fremder Angelegenheiten gerichtlich oder außergerichtlich gegen die Bundesrepublik auftreten (Abs. 2), auch die Übernahme dieser Vertretung dem Präsidenten anzeigen, wenn das Honorar den vom Präsident festgelegten Mindestbetrag von derzeit 1.000 E41 übersteigt. Nach § 2 III VerhR gilt dies entsprechend für das Auftreten für und gegen eine bundesunmittelbare Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts. Diese Anzeigepflicht des § 2 VerhR betrifft in erster Linie, aber nicht – obwohl die Überschrift der Vorschrift dies suggerieren mag – ausschließlich,42 die Rechtsanwälte unter den Abgeordneten. Nach Nr. 9 der Ausführungsbestimmungen besteht keine Anzeigepflicht, wenn die Vertretung nicht persönlich übernommen wird. Dies betrifft den Fall, in dem der betreffende Abgeordnete Teil einer mit der Vertretung beauftragten anwaltlichen Sozietät ist, die konkrete Vertretung jedoch von einem Kollegen ausgeübt wird; denn grundsätzlich gilt der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Klienten nicht allein gegenüber dem mit der Sache befassten Rechtsanwalt, sondern gegenüber allen der Sozietät angehörenden Anwälten43 und wäre demnach grundsätzlich nach § 2 VerhR anzeigepflichtig. Die Vorschrift des § 2 VerhR dient ebenso wie andere Anzeigepflichten dazu, Interessenkonflikte erkennbar zu machen, wenngleich sich hier die Konfliktsituation etwas anders darstellt. § 2 VerhR betrifft Konfliktsituationen, die sich dann ergeben können, wenn Abgeordnete als Teil eines staatlichen Organs für oder gegen eben diesen Staat gerichtlich oder außergerichtlich für andere auftreten. Die Art des möglichen Interessenkonfliktes ist anders gelagert als bei anderen Nebentätigkeiten. Die Anzeigepflicht soll nicht mögliche finanzielle Einflüsse von außen auf den legislativen Willensbildungsprozess oder den Entscheidungsprozess dominierende Eigeninteressen der Abgeordneten transparent werden lassen, sondern solche Interessenkonflikte erkennbar machen, die sich naturgemäß ergeben, wenn auf Seiten des Staates stehende Personen in anderem Zusammenhang zusätzlich für oder gegen den Staat tätig werden. Wenn sich schon „die Katze in den Schwanz beißt“, dann soll dies zumindest durch die Anzeigepflicht nach § 2 VerhR offengelegt werden. Zudem besteht bei der Vertretung von Drittinteressen durch Mandatsträger stets die Gefahr, dass sich der politische Einfluss des Abgeordneten zunutze gemacht werden soll. Auch dieser Gefahr kann die Offenlegung entgegenwirken.
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Vgl. Nr. 9 der Ausführungsbestimmungen. Siehe hierzu die Ausführungen bei Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 99. Danach können von der Regelung z. B. auch Rechtslehrer deutscher Hochschulen betroffen sein, die als Prozessvertreter auftreten können, vgl. u. a. § 67 I 1 VwGO und § 22 I 1 BVerfGG. Zurecht fordert Herbertz daher eine neutralere Fassung der Überschrift des § 2 VerhR. 43 BGHZ 56, 355 (356, 359). 42
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
bb) Anzeige von Einkünften § 44b Nr. 2 AbgG fordert den Erlass von Bestimmungen über eine Anzeigepflicht im Hinblick auf Art und Höhe der Einkünfte neben dem Mandat,44 die festgelegte Mindestbeträge überschreiten. Dies wird in § 1 III der VerhR aufgegriffen. Danach ist die Höhe der Einkünfte aus nach § 1 II Nr. 1 – 5 VerhR anzeigepflichtigen Tätigkeiten und Verträgen ebenso anzeigepflichtig wie die Tätigkeit bzw. der Vertrag selbst, sofern die Einkünfte bei Zugrundlegung der Bruttobeträge den Mindestbetrag von 1.000 E im Monat oder 10.000 E im Jahr übersteigen. Als Brutto-Einkünfte gelten nach Nr. 3 der Ausführungsbestimmungen alle Zuflüsse an Geld- und Sachleistungen. Während vor den umfassenden Neuregelungen der Bundestagspräsident auch die Mindestgrenze der anzeigepflichtigen Einkünfte in den Ausführungsbestimmungen festlegte, wurde diese Festlegung in dem Bestreben nach konkreteren Rechtsgrundlagen nunmehr vom Geschäftsordnungsgeber selbst getroffen. Damit wurde auch den häufig geäußerten Bedenken an der Delegation der Festsetzungsbefugnis an den Bundestagspräsidenten45 Rechnung getragen. Da als anzeigepflichtig lediglich auf die Einkünfte aus § 1 II Nr. 1 – 5 VerhR verwiesen wird, sind Einkünfte aus der Beteiligung an Kapital- oder Personengesellschaften im Sinne des § 1 II Nr. 6 VerhR nicht anzeigepflichtig. Grund dafür ist, dass bei reinen Gesellschaftsbeteiligungen der Schwerpunkt in der Verwaltung und Nutznießung des eigenen Vermögens liegt. Gemäß Nr. 4 der Ausführungsbestimmungen gilt die Verwaltung eigenen Vermögens ausdrücklich nicht als Berufstätigkeit oder entgeltliche Tätigkeit im Sinne der Verhaltensregeln. Die Gefahr der von dieser Art von Einkommen ausgehenden Einflüsse auf den Abgeordneten und die parlamentarische Willensbildung und die Notwendigkeit der Transparenz hierfür wurde vom Geschäftsordnungsgeber als nicht so schwerwiegend eingeschätzt, als dass es aus seiner Sicht auch der Anzeige der Höhe der Einkünfte aus den Beteiligungen bedurft hätte. cc) Fristen und Drittschutz § 1 VI VerhR enthält eine Fristenregelung: Danach sind die verlangten Anzeigen innerhalb von drei Monaten nach Erwerb der Mitgliedschaft im Bundestag sowie nach Eintritt von Änderungen oder Ergänzungen während der Wahlperiode dem Präsidenten einzureichen. Gemäß Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen beginnt diese Frist für die Mitteilung anzeigepflichtiger Einkünfte spätestens mit dem Tage des Zuflusses der Einkünfte.
44 Auch hier wird die Grundsatznorm § 44a AbgG zur Ausübung des Mandats aufgegriffen, nach dessen Absatz 4 neben den Tätigkeiten auch die Einkünfte anzuzeigen sind, die eine Interessenverknüpfung erkennen lassen könnten. 45 Vgl. u. a. Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (473); van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 65 (2005), 407 (432 Fn 136).
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Nach § 1 V VerhR umfasst die Anzeigepflicht nicht die Mitteilung von Tatsachen über Dritte, für die der Abgeordnete gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten geltend machen kann.46 In diesen Fällen kann der Präsident in den Ausführungsbestimmungen festlegen, dass die Anzeigepflichten so zu erfüllen sind, dass diese Rechte nicht verletzt werden. Dies kann nach § 1 V 3 VerhR zum Beispiel dadurch erfolgen, dass statt des konkreten Auftraggebers eine Branchenbezeichnung anzugeben ist. Der Bundestagspräsident hat daraufhin in Nr. 8 der Ausführungsbestimmungen bei Vorliegen eines gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrechts oder einer gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflicht die Angaben über den Vertragspartner bzw. den Auftraggeber für entbehrlich erklärt. Hierdurch wird die Kollision zweier Pflichten des einzelnen Abgeordneten – namentlich der Anzeige- und der Verschwiegenheitspflichten – verhindert. Insoweit genügt hier die Angabe der Art der Tätigkeit in den einzelnen Vertrags- oder Mandatsverhältnissen. Mandanten von Rechtsanwälten und Steuerberatern oder Patienten von Ärzten, die zugleich Mitglieder des Bundestages sind, müssen also nicht befürchten, dass ihre Namen oder andere der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Details durch die Einkommensanzeige des Abgeordneten preisgegeben werden.47 dd) Veröffentlichungspflichten Neben den beschriebenen Anzeigepflichten unterliegen bestimmte Angaben auch einer Veröffentlichungspflicht. § 44a IV 1 AbgG erhebt die Veröffentlichungspflicht zum Grundsatz der Mandatsausübung. Die daher nach § 44b Nr. 4 AbgG einfachgesetzlich geforderten Vorschriften in den Verhaltensregeln zur Veröffentlichung von Angaben im Amtlichen Handbuch und im Internet finden sich in § 3 VerhR. Demzufolge werden die aufgrund der Anzeigepflicht nach § 1 I Nr. 1 VerhR gemachten Angaben über die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit vor dem Mandat sowie die Angaben über die Tätigkeiten und Verträge während des Mandats nach § 1 II Nr. 1 – 6 VerhR im Amtlichen Handbuch und – seit der Neufassung der Verhaltensregeln auch – auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Ebenso sind erstmals auch die nach § 1 III VerhR gemachten Angaben über Einkünfte zu veröffentlichen. Dies erfolgt durch Ausweisung einer von drei – in Satz 3 der Norm beschriebenen – Einkommensstufen für jede veröffentlichte Angabe. Einkommensstufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte in Höhe von 1.000 – 3.500 E, Stufe 2 solche bis 7.000 E, Stufe 3 Einkünfte über 7.000 E. Regelmäßige Monatseinkünfte sind als solche zu kennzeichnen (§ 3 S. 4 VerhR). Bei unregelmäßigen Einkünften durch
46 Beispielsweise aus §§ 204, 203 I StGB, § 43a II BRAO, § 18 I BNotO, § 43 WiPrO, § 57 StBerG, § 9 MBO Ärzte, § 4 I MBO Tierärzte, § 7 MBO Zahnärzte etc. Auch die unbefugte Preisgabe von Namen der Mandanten, Patienten etc. ist von der Verschwiegenheitspflicht erfasst. 47 Zu dieser Problematik schon Scholz, Parlamentsreform seit 1969. Eine Bilanz ihrer Wirkungen im Deutschen Bundestag, ZParl 12 (1981), 273 (280).
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
eine Tätigkeit wird die Jahressumme gebildet und die Einkommensstufe mit der Jahreszahl veröffentlicht (§ 3 S. 5 VerhR). Die neue Pflicht der Abgeordneten, nun auch ihre Einkünfte zu veröffentlichen, soll öffentlich erkennbar machen, ob der Abgeordnete durch wirtschaftliche Abhängigkeiten beeinflusst wird. Zudem erhalten Bürger nur durch eine umfassende Veröffentlichung hinreichende Informationen darüber, ob und wie der Abgeordnete den Wählerauftrag umsetzt.48 Dies wurde durch eine – vor den Änderungen den gesetzlichen Anforderungen genügende – bloße Anzeige der Einkünfte an den Bundestagspräsidenten nicht ermöglicht.49 Allein durch größtmögliche Transparenz können (verbotene und legitime) Einflussnahmen und Interessenverquickungen aufgedeckt werden.50 Die Veröffentlichung in Einkommensstufen sei nach der Gesetzesbegründung dagegen notwendig, um die Verletzung besonderer Rechte und schutzwürdiger Interessen einzelner Abgeordneter bzw. spezieller Berufsgruppen zu vermeiden.51 ee) Verfahren bei Verstoß gegen die Verhaltenspflichten und Geltendmachung des Ordnungsgeldes iSd § 44a IV 2 AbgG Verstößt ein Abgeordneter gegen die dargelegten Verhaltenspflichten, so muss dies Konsequenzen haben. Ansonsten würde den aufgestellten Pflichten allein eine symbolische Bedeutung zukommen. Daher gibt es bereits seit 1972 ein Verfahren, das die Verletzung der Verhaltenspflichten zum Gegenstand hat. Als absolutes Novum ist die Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 44a IV 2 AbgG bei Verstoß speziell gegen die Anzeigepflichten hinzugetreten. Wie schon § 44a IV 5 AbgG klarstellt, sollen die Verhaltensregeln gemäß § 44b Nr. 5 AbgG Regelungen über das Verfahren und die Zuständigkeiten des Präsidiums und des Präsidenten des Bundestages bei Entscheidungen über die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 44a IV 2 AbgG enthalten. Die daraufhin erlassenen Verfahrensregeln sollen hier kurz skizziert werden: Verletzt ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten aus den Verhaltensregeln, richtet sich das Verfahren, das bei Verletzung der Anzeigepflichten zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes führen kann, nach § 8 I – IV VerhR. Bestehen Anhaltspunkte für eine Nichtbefolgung der Verhaltenspflichten, holt der Präsident zunächst eine Stellungnahme des betreffenden Abgeordneten ein und prüft den Sachverhalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Von dem Abgeordneten kann er ergänzende 48 BT-Drs. 15/5671, S. 5; Kromarek/Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 (464). 49 Meessen, Beraterverträge und freies Mandat, in: FS Scheuner S. 431 (452); Kromarek/ Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 (464). 50 van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (435); Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (121). 51 BT-Drs. 15/5698, S. 5.
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Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und den Fraktionsvorsitzenden, dessen Fraktion der Abgeordnete angehört, um Stellungnahme bitten. Ergeben die Untersuchungen nach der Überzeugung des Präsidenten, dass ein minder schwerer Fall oder nur leichte Fahrlässigkeit bei der Pflichtverletzung vorliegt,52 endet das Verfahren mit einer Ermahnung des betreffenden Abgeordneten. Anderenfalls teilt der Präsident das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und den Fraktionsvorsitzenden mit. Das Präsidium hört daraufhin den Abgeordneten erneut an und stellt schließlich fest, ob ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln vorliegt. Diese Feststellung wird unbeschadet weiterer Sanktionen als Drucksache veröffentlicht, gegebenenfalls ebenso auf Wunsch des Abgeordneten die Feststellung, dass keine Verletzung vorliegt. Ergeben die Untersuchungen, dass der Abgeordnete speziell seine Anzeigepflichten verletzt hat,53 kann das Präsidium nach erneuter Anhörung ein Ordnungsgeld festsetzen, dessen Höhe sich nach der Schwere des Einzelfalls und nach dem Grad des Verschuldens bemisst, allerdings nicht die Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung übersteigen darf. Die Höchstgrenze des Ordnungsgeldes soll sicherstellen, dass dem Abgeordneten ausreichend finanzielle Mittel zur Erfüllung seiner Pflichten als Repräsentant des ganzen Volkes verbleiben; denn jede Sanktionierung finde ihre Grenze in der Beeinträchtigung der freien Mandatsausübung – so die Gesetzesbegründung.54 Der Präsident führt die Festsetzung aus, indem er nach § 44a IV AbgG das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend macht.55 Bestehen Anhaltpunkte für eine Pflichtverletzung gegen ein Mitglied des Präsidiums oder einen Fraktionsvorsitzenden, so nimmt der Betreffende gemäß § 8 III VerhR an Sitzungen im Rahmen des ihn betreffenden Verfahrens nicht teil. Anstelle eines Fraktionsvorsitzenden wird sein Stellvertreter angehört und unterrichtet. Bei Anhaltspunkten einer Verletzung der Verhaltenspflichten durch den Präsidenten hat sein Stellvertreter das Verfahren durchzuführen. Die Möglichkeit, ein Ordnungsgeld zu verhängen, ist als Sanktionsmechanismus erst mit den jüngsten Änderungen hinzugetreten. Zuvor setzte man allein auf die „Prangerwirkung“56 einer Veröffentlichung des Pflichtenverstoßes. Die Publikation 52 § 8 II 1 VerhR nennt hier als Beispiel eines minder schweren Falls die bloße Überschreitung von Anzeigefristen. 53 Zur Klarstellung: Bei anderen Verletzungen der Verhaltenregeln endet das Verfahren mit der Öffentlichmachung des Verstoßes bzw. Nichtverstoßes, vgl. hierzu den Wortlaut des § 44 a IV AbgG, der das Ordnungsgeld allein für Verstöße gegen die Anzeigepflichten vorsieht. 54 BT-Drs. 15/5671, S. 6; ähnlich Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (274). 55 Einzelne Zahlungsmodalitäten werden in § 8 IV 5, 6 VerhR erläutert, bedürfen hier jedoch keiner weiteren Erörterung. 56 Vgl. Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 26; van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 65 (2005), 407 (437).
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
eines Pflichtenverstoßes konnte immerhin nicht zu unterschätzende politische Folgen nach sich ziehen. Der aus der Publizierung resultierende Druck der Öffentlichkeit hätte betroffene Abgeordnete zum Mandatsverzicht veranlassen oder auch eine Wiederaufstellung durch die Partei bei der nächsten Wahl verhindern können.57 Zudem versprach man sich bereits von den alten Regelungen eine präventive Wirkung auf das Verhalten der Abgeordneten. Dennoch wurde die alleinige Veröffentlichung des Pflichtenverstoßes durch einen Abgeordneten überwiegend als unzureichende rechtliche Sanktion angesehen.58 Mit der Einführung des Ordnungsgeldes wird den Verhaltenspflichten nunmehr ein höherer Stellenwert zugeschrieben. Das Ordnungsgeld bewirkt eine stärkere Verrechtlichung der Verhaltenspflichten. Klarzustellen ist jedoch, dass das Untersuchungs- und Sanktionsverfahren nur bei der Verletzung der Pflichten aus den Verhaltensregeln, insbesondere der Anzeigepflichten, Anwendung findet. Die sonstigen Mandatsgrundsätze, namentlich vor allem die Mittelpunktregelung nach § 44a I AbgG, können nicht Gegenstand des Verfahrens sein. Bei Uneinigkeiten über Maßnahmen und Entscheidungen nach § 44a AbgG und den Verhaltensregeln im Einzelfall kann der Abgeordnete eine verwaltungsgerichtliche Klage erheben. Hierfür ist nach § 50 I Nr. 5 VwGO die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als erster und letzter Rechtszug begründet.59 c) Hinweisverbot In Bezug auf Nebentätigkeiten wird zudem § 5 VerhR relevant, der von den umfassenden Änderungen der Verhaltensregeln unberührt blieb. Danach sind Hinweise auf die Mitgliedschaft im Bundestag in beruflichen und geschäftlichen Angelegenheiten unzulässig. Dieses Verbot basiert auf der Überlegung, dass die Abgeordneteneigenschaft aufgrund der durch das Mandat verliehenen Autorität berufliche Vorteile bewirken kann. Solchen persönlichen Zwecken soll das Mandat jedoch gerade nicht dienen. Verboten ist daher insbesondere die geschäftliche Verwendung von Briefköpfen mit Bundesadler.60 Aber auch andere (mündliche) Hinweise auf die Parlamentsmitgliedschaft in geschäftlichen Angelegenheiten sind unzulässig.
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Klatt, Rechtliche Möglichkeiten gegen Mandatsmissbrauch, ZParl 10 (1979), 445 (450). Siehe beispielhaft van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VNKonvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (437 f.); Kromarek/Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 (463); Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 914 (915). 59 Zu den Einzelheiten siehe Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 50 Rn 16. 60 Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 24. 58
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3. Die Behandlung „reiner“ Nebeneinkünfte nach geltendem Recht a) Verbot sog. „Interessentenzahlungen“ sowie „arbeitslosen Einkommens“ bzw. der sog. „unechten Beraterverträge“ Nach § 44a II 1 AbgG darf ein Abgeordneter für die Ausübung seines Mandats keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen annehmen, insbesondere nicht solche, die gewährt werden, um dafür die Vertretung oder Durchsetzung bestimmter Interessen des Leistenden im Bundestag zu erreichen (Satz 2). Unabhängig von einer konkreten Interessenvertretung sind nach Satz 3 auch Zuwendungen unzulässig, die ohne angemessene Gegenleistung des Parlamentariers gezahlt werden, wobei die Annahme von Spenden davon unberührt bleibt (Satz 4). § 44a II AbgG ist als Grundsatz zur Ausübung des Mandats ausgestaltet und soll rein finanzielle Einflussnahmen auf die Abgeordneten verhindern. Betont wird dabei die Unzulässigkeit von Zahlungen, die auf die Vertretung oder Durchsetzung besonderer Interessen zielen, sog. „Interessentenzahlungen“. Derartige Zahlungen wurden in der Vergangenheit häufig durch den Abschluss sog. „Beraterverträge“ getarnt, durch die Abgeordnete als Gegenleistung für die Zahlungen vermeintliche Beratertätigkeiten boten. Diese Beratertätigkeit bestand jedoch zumeist darin, im Interesse des Auftraggebers durch parlamentsinterne Lobbyismustätigkeit auf den parlamentarischen Entscheidungsprozess einzuwirken.61 Dass solche „unechten Beraterverträge“ nicht dem verfassungsrechtlich vorgesehenen parlamentarischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess und dem unabhängigen Status der Abgeordneten entsprechen, liegt auf der Hand. Daher forderte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem „Diätenurteil“ Vorkehrungen gegen derartige Zahlungen: „Art. 48 III GG in Verbindung mit Art. 38 I 2 GG und der formalisierte Gleichheitssatz berühren die Frage der Begründung und Fortführung eines Berufes neben der Parlamentstätigkeit und das daraus erzielte Einkommen grundsätzlich nicht. Allerdings verlangen sie gesetzliche Vorkehrungen dagegen, dass Abgeordnete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sog. Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Einkünfte dieser Art sind mit dem unabhängigen Status der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar. Die nähere Regelung entsprechend diesen aus Art. 48 III 1 GG entwickelten Grundsätzen ist Sache des Gesetzgebers.“62
Diese Vorgaben des Gerichts hat der Gesetzgeber durch § 44a II AbgG aufgegriffen. Klargestellt ist darüber hinaus jedoch, dass auch ohne die Vereinbarung einer bestimmten Interessenvertretung bei Zuwendungen an den Abgeordneten ohne Gegenleistung seinerseits ein Interesseneinfluss nahe liegt und daher auch solche unzulässig 61 62
Pohl, Drittzuwendungen an Bundestagsabgeordnete, ZParl 26 (1995), 385 (389). BVerfGE 40, 296 (318 f.).
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
sind.63 Gleiches gilt nunmehr auch für Fälle, in denen mit der Zuwendung keine angemessene Gegenleistung korrespondiert. Die Unzulässigkeit von Zuwendungen an den Abgeordneten war vor den Änderungen des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln bereits in § 44a II Nr. 4 AbgG a.F. iVm § 9 I VerhR a.F. geregelt. Die neue Gesetzesfassung enthält das Verbot dieser Zahlungen dagegen vollständig in § 44a II AbgG, namentlich einem formellen und materiellen Gesetz, ohne dass nunmehr eine Hinzuziehung der Verhaltensregeln nötig ist. Neu ist der Aspekt der Angemessenheit der Gegenleistung als Maßstab, ob es sich um zulässiges oder unzulässiges Einkommen handelt.
b) Die Zuführung unzulässiger Einkünfte an den Bundeshaushalt Eine für das Bundesrecht64 gänzlich neue Regelung enthält § 44a III AbgG: Danach sind unzulässige Zuwendungen iSd Absatzes 2 dem Haushalt des Bundes zuzuführen. Der Präsident wird gesetzlich befugt, diesen Zuführungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen.65 Detailregelungen des Verfahrens und die Zuständigkeiten des Präsidiums und des Präsidenten des Bundestages bei Entscheidungen über diese Zuführung an den Bundeshaushalt sollen gemäß § 44a III 4 AbgG iVm § 44b Nr. 5 AbgG die Verhaltensregeln enthalten. Dieser Forderung wurde mit § 8 V VerhR nachgekommen. Danach leitet der Präsident nach Anhörung des betreffenden Abgeordneten eine tatsächliche und rechtliche Prüfung des Sachverhalts ein, wobei Gegenstand dieser Untersuchung nur solche Zuwendungen und Vermögensvorteile sein dürfen, die nicht länger als drei Jahre zurückliegen. Für die Prüfung des Vorliegens einer angemessenen Gegenleistung iSd § 44a II 3 AbgG ist die Verkehrsüblichkeit entscheidend, hilfsweise ob Leistung und Gegenleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen. Maßstab muss damit sein, welcher Betrag einem NichtParlamentarier für die gleichen Tätigkeiten gezahlt worden wäre. Vom Abgeordneten können ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangt werden; der Fraktionsvorsitzende, dessen Fraktion der Abgeordnete angehört, kann um Stellungnahme ersucht werden. Ergibt sich nach Überzeugung des Präsidenten, dass eine unzulässige Zuwendung iSd § 44a II AbgG vorliegt, teilt er dies dem 63
BT-Drs. 15/5671, S. 5. Vgl. dagegen die schon seit 1978 bestehende entsprechende Regelung Niedersachsens, § 27 IV Niedersächsisches Abgeordnetengesetz in der Fassung vom 20. 06. 2000 (Nds. GVBl. S. 129), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. 04. 2007 (Nds. GVBl. S. 160); die ursprüngliche Fassung vom 03. 02. 1978 (Nds. GVBl. S. 101) war unmittelbare Reaktion des niedersächsischen Gesetzgebers auf das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05. 11. 1975, BVerfGE 40, 296 ff.; vgl. hierzu jüngst VG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55 (57) und Nieders. OVG, Urteil vom 13.03.2008 – 8 LC 1/07, DVBl. 2008, 871 f. 65 Weiterhin werden in § 44a III AbgG bereits verschiedene Modalitäten des Zahlungsverfahrens genannt, die durch § 8 V VerhR ergänzt werden; siehe daher die beide Regelungskomplexe berücksichtigende Darstellung des Verfahrens im Einzelnen unter B. I. 3. b). 64
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Präsidium und allen Fraktionsvorsitzenden mit. Das Präsidium hat daraufhin den Abgeordneten erneut anzuhören und schließlich festzustellen, ob ein Verstoß gegen § 44a II AbgG vorliegt. Wird festgestellt, dass der Abgeordnete unzulässige Zuwendungen erhalten hat, macht der Präsident den Zuführungsanspruch an den Bundeshaushalt aus § 44a III 1 AbgG durch Verwaltungsakt geltend.66 Unabhängig davon wird die Feststellung des Verstoßes als Drucksache veröffentlicht; wird kein Verstoß festgestellt, ist auch hier auf Wunsch des Abgeordneten diese Feststellung zu veröffentlichen. Ebenso gilt – aufgrund des Verweises in § 8 V 10 VerhR – für dieses Verfahren § 8 III VerhR. Auch hier darf ein Mitglied des Präsidiums oder ein Fraktionsvorsitzender, gegen das Anhaltspunkte einer Pflichtverletzung bestehen, an Sitzungen im Rahmen des ihn betreffenden Verfahrens nicht teilnehmen. An seine Stelle tritt im Verfahren jeweils sein Stellvertreter. Der Verwaltungsakt des Bundestagspräsidenten kann ebenso nach § 50 I Nr. 5 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. c) Spenden an Abgeordnete Auch Spenden an Abgeordnete können eine maßgebliche Einflussnahme auf dessen politische Arbeit bedeuten. Als Spenden in diesem Sinne sind einmalige Geldgeschenke und geldwerte Zuwendungen aller Art anzusehen, die dem Abgeordneten für seine politische Tätigkeit ohne konkrete Gegenleistung seinerseits gemacht werden.67 Wegen dieser möglichen Einflussnahme verlangt § 44b Nr. 3 AbgG für die Verhaltensregeln Bestimmungen über die Pflicht zur Rechnungsführung und zur Anzeige von Spenden an Abgeordnete oberhalb bestimmter Mindestbeträge. Zusätzlich sind Annahmeverbote und Ablieferungspflichten zu regeln. Diese gesetzliche Vorgabe wird durch § 4 VerhR erfüllt, der durch die jüngste Reform des Verhaltensrechts unverändert blieb. Festzuhalten ist an dieser Stelle zunächst, dass das geltende Recht Abgeordneten die Annahme von Spenden im Grundsatz erlaubt.68 Gemäß § 4 I VerhR hat jeder Abgeordnete über Geldspenden und jedwede geldwerte Zuwendungen,69 die ihm für seine politische Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden, gesondert Rechnung zu führen. Eine gesonderte Rechnungsführung erfor66 Nach dem Urteil des VG Braunschweig vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55 (55 Ls. 3, 62) ist bei der Höhe des abzuführenden Betrages der vom Abgeordneten erhaltene Bruttobetrag zugrunde zu legen. 67 von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NVwZ 2006, 249 (252); zum Begriff der „Spende“ siehe Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 102 ff. 68 Pohl, Drittzuwendungen an Bundestagsabgeordnete, ZParl 26 (1995), 385 (390). 69 Zur klarstellenden Ergänzung der „geldwerten Zuwendungen aller Art“ siehe BTDrs. 13/834, sowie BVerfGE 85, 264 (320 f.).
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
dert, dass Spenden getrennt von anderen Einnahmen zu verzeichnen sind.70 Nach Absatz 2 ist eine Spende, die im Kalenderjahr den Wert von 5.000 E übersteigt, unter Angabe von Name und Anschrift des Spenders sowie der Gesamthöhe der Spende dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen. Übersteigt der Spendengesamtwert eines Spenders im Jahr 10.000 E, sind diese Spenden vom Präsidenten unter Angabe ihrer Höhe und Herkunft zu veröffentlichen (§ 4 III VerhR). Durch diese Pflichten wird den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem sogenannten Parteispenden-Urteil entsprochen.71 Sie dienen, ebenso wie andere Anzeige- und Veröffentlichungspflichten, dem Zweck, finanzielle Einflüsse auf die politische Willensbildung offen zu legen und damit durchschaubar zu machen.72 Zu beachten ist diesbezüglich auch Nr. 10 der Ausführungsbestimmungen des Bundestagspräsidenten zu den Verhaltensregeln. Diese Bestimmung erklärt, dass solche Spenden, die der Abgeordnete als Parteispende entgegennimmt und an seine Partei weiterleitet, nicht der Anzeigepflicht gemäß den Verhaltensregeln unterliegen. Die Rechenschaftspflicht der jeweiligen Partei nach Art. 21 I 4 GG iVm § 25 des Gesetzes über die politischen Parteien73 (ParteiG) bleibt davon unberührt. Klargestellt wird damit, dass die Verhaltensregeln nur solche Zuwendungen erfassen, die beim Abgeordneten selbst verbleiben und über deren Verwendung eben dieser Abgeordnete selbst entscheidet.74 Das Parteispendenrecht besteht hierzu parallel. Nach § 4 IV VerhR findet für Geldspenden an Abgeordnete § 25 II und IV ParteiG entsprechende Anwendung. Danach ist die Annahme bestimmter Spenden durch Abgeordnete – und zwar unabhängig davon, ob die einzelne Spende den anzeigepflichtigen Schwellenwert von 5.000 E erreicht oder nicht – verboten, namentlich solcher,
70
Vgl. Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 268. 71 BVerfGE 85, 264 (325): „Erreicht jedoch eine einem Abgeordneten zugewendete Spende einen Wert, aufgrund dessen sie, flösse sie der Partei zu, von dieser nach Maßgabe jener Vorschrift in ihrem Rechenschaftsbericht nach ihrer Herkunft zu bezeichnen wäre, und wird sie von dem Empfänger zum Vorteil (auch) der Partei verwendet, so verlangt Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Unabhängigkeit des Abgeordneten gewährleistet, schon im Blick auf Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG, dessen Umgehung sonst Vorschub geleistet würde, die auch öffentliche Benennung des Spenders. Der durch die Zuwendung von Geld oder geldwerten Leistungen ausgeübte Einfluss auf die Parteien, der nach Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG offengelegt und dadurch durchschaubar gemacht werden soll, kann auch durch entsprechende Zuwendungen an die Inhaber eines politischen Mandats ausgeübt werden, sei es mit, oder ohne Wissen der Partei, der er angehört.“; vgl. hierzu Koch, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451 (453); Küstermann, Das Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG und seine Ausgestaltung durch das Parteiengesetz, S. 125. 72 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 122. 73 In der Fassung der Bekanntmachung vom 31. 1. 1994 (BGBl. I, S. 149), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. 12. 2004 (BGBl. I, S. 3673). 74 Zur Abgrenzung der Abgeordnetenspenden von Parteispenden siehe unten D. IV. 5.
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die auch einer Partei nicht zugewendet werden dürfen.75 Verboten ist daher z. B. die Annahme von Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, von Fraktionen oder Gruppen der einzelnen Volksvertretungen und von politischen und sozialen Stiftungen, damit neben der staatlichen Parteienfinanzierung bzw. der staatlichen Abgeordnetenentschädigung nicht über Umwege weitere, hierfür nicht vorgesehene d. h. zweckfremde, staatliche Mittel an den Abgeordneten fließen.76 Im Grundsatz ist zudem die Annahme von Spenden verboten, die von Spendern gezahlt werden, die sich außerhalb des Geltungsbereiches des Parteiengesetzes befinden (zu beachten sind hier allerdings die detailliert beschriebenen Ausnahmen in § 25 II Nr. 3 a) – c) ParteiG). Letztgenanntes Verbot soll als Ausdruck der Volkssouveränität gewährleisten, dass die politische Einflussnahme, die durch private Zuwendungen erfolgen kann, allein dem deutschen Volk vorbehalten bleibt.77 Ausgeschlossen sind zudem an die Partei weiterzuleitende Spenden von Berufsverbänden, Spenden von Unternehmen der öffentlichen Hand und Spenden, die 500 E übersteigen und deren tatsächlicher Spender nicht festgestellt werden kann bzw. über eine dritte Person zugeleitet werden, namentlich anonyme Spenden. Zur Feststellung, wann es sich um eine anonyme Spende handelt, wird nach teilweise vertretener Ansicht auf die Kenntnis des die Zahlung empfangenden Abgeordneten abgestellt.78 Demnach wäre eine Zuwendung durch einen Spender, der dem Abgeordneten bekannt ist, aber sonst anonym bleiben möchte, nicht von dem Verbot erfasst. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass das Verbot der Annahme anonymer Spenden den Wissensbedarf der Öffentlichkeit und – im Falle einer Parteispende – der zuständigen Parteigremien schützen soll.79 Dieser Schutz würde unterlaufen, wenn lediglich der unmittelbare Empfänger der Zuwendung die Person des Spenders kennen müsste. Unter das Verbot fallen daher alle Spenden, deren Spender der Öffentlichkeit unbekannt bleiben will. Ausdrücklich sind auch solche Spenden untersagt, die erkennbar in der Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden, sog. Bestechungsspenden (vgl. § 25 II Nr. 7 ParteiG). Unzulässigerweise angenommene Spenden sind gemäß § 25 IV ParteiG an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weiterzuleiten. § 4 V VerhR stellt klar, dass auch geldwerte Zuwendungen grundsätzlich wie Geldspenden zu behandeln sind. Allerdings gelten solche Zuwendungen nicht als 75
Einzelheiten zu den Spendenannahmeverboten finden sich bei Küstermann, Das Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG und seine Ausgestaltung durch das Parteiengesetz, S. 144 ff. 76 Speziell zu Fraktionsspenden siehe Müller/Albrecht, Fraktionen und Parteien: Getrennt durch den Spendenbegriff ?, DVBl. 2000, 1315 (1320). 77 Morlok, Spenden – Rechenschaft – Sanktionen, NJW 2000, 761 (763); vgl. auch BVerfGE 83, 37 (51 f.). 78 Kersten, Parteispende oder Abgeordnetenspende?, JA 2005, 360 (362); in Bezug auf Parteispenden auch Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 100. 79 Morlok, Gutachten BT-Drs. 14/6711, S. 68 f.; Küstermann, Das Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG und seine Ausgestaltung durch das Parteiengesetz, S. 153.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Spenden im Sinne dieser Vorschrift, die der Abgeordnete aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer oder internationaler Beziehungen oder zur Teilnahme an Veranstaltungen zur Darstellung der Standpunkte des Bundestages oder seiner Fraktionen erhält. Diese sind lediglich dem Präsidenten anzuzeigen. Damit soll die politisch erwünschte Außenrepräsentation des Bundestages möglich bleiben,80 ohne dass das Verbot für Auslandsspenden nach § 4 II VerhR iVm § 25 II Nr. 3 ParteiG eingreift. Als geldwerte Zuwendungen in diesem Sinne wird vor allem die Übernahme von Reise- und Aufenthaltskosten durch Dritte relevant.81 Geldwerte Zuwendungen, die ein Abgeordneter als Gastgeschenk in Bezug auf sein Mandat erhält, muss er dem Präsidenten gemäß § 4 V b) VerhR anzeigen und aushändigen, sofern ihr materieller Wert 200 E übersteigt, vgl. Nr. 11 der Ausführungsbestimmungen des Präsidenten. Der Abgeordnete kann beantragen, das Geschenk gegen Bezahlung des Gegenwertes an die Bundeskasse zu behalten. Maßgeblich ist hierfür gemäß Nr. 11 der Ausführungsbestimmungen der vom Präsidenten festzustellende Verkehrswert abzüglich des Betrages von 200 E. Die grundsätzliche Ablieferungspflicht ist angelehnt an die vergleichbare – für Mitglieder der Bundesregierung geltende – Bestimmung des § 5 III BMinG.82 Sie basiert auf der Überlegung, dass die Abgeordneten die Gelegenheit zur Durchführung von Reisen im Rahmen ihres Mandats und zum Erhalt von Gastgeschenken nur aufgrund ihrer Parlamentsmitgliedschaft erhalten.83 Dementsprechend soll auch der Bundestag bzw. der Präsident als höchster Repräsentant des Parlaments über die Verwendung des Geschenkes entscheiden. Nach § 4 VI VerhR entscheidet der Präsident im Benehmen mit dem Präsidium über die Verwendung angezeigter Gastgeschenke und rechtswidrig angenommener Spenden. Bei Verstoß gegen diese Regeln über die Abgeordnetenspenden steht das oben erörterte Sanktionsverfahren nach § 8 I–IV der Verhaltensregeln zur Verfügung. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass Spenden an Abgeordnete grundsätzlich zulässig sind. Sie unterliegen einer weitgehenden Anzeige- und Veröffentlichungspflicht. Die Unzulässigkeit bestimmter Spenden ist angelehnt an das Parteispendenrecht geregelt. d) Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB Nicht unerwähnt bleiben soll im Hinblick auf Nebeneinkünfte die strafrechtliche Bestimmung des § 108e I StGB, die sog. Abgeordnetenbestechung, durch die die aktive und passive Bestechung von Mandatsträgern unter Strafe gestellt ist. Danach wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unter80 81 82 83
Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 21. BT-Drs. 13/834, S. 5. Siehe dazu im Einzelnen unten B. II. 2. b). BT-Drs. 13/834, S. 6; Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 21.
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nimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände84 eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen. Nach § 108e II StGB kann das Gericht bei einer verhängten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten das Wahlrecht und die Wählbarkeit bei öffentlichen Wahlen aberkennen. Ein Bundestagsabgeordneter kann damit sein Mandat verlieren, allerdings nach § 45 IV StGB iVm § 47 I Nr. 3 Bundeswahlgesetz (BWahlG) erst, wenn der Ältestenrat des Bundestages hierzu seine Zustimmung erklärt hat. Der Verfassungsgrundsatz der Indemnität des Abgeordneten nach Art. 46 I GG steht einer Strafbarkeit des Abgeordneten nach § 108e StGB nicht entgegen. Die Indemnität gewährleistet als persönlicher Strafausschließungsgrund,85 dass der Abgeordnete zu keiner Zeit wegen einer Stimmabgabe oder einer Äußerung in Ausübung seines Mandats gerichtlich, dienstlich oder sonst außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden kann. Mit § 108e StGB wird jedoch nicht die (gekaufte) Stimmabgabe als solche unter Strafe gestellt, sondern die der möglichen Abstimmung vorausgehende „korrumpierende Beeinflussung des Willensbildungsverfahrens“ im Vorfeld,86 so dass hiervon die Indemnität nicht beeinträchtigt wird. Soll es allerdings zur tatsächlichen Strafverfolgung eines Abgeordneten durch die zuständigen Strafverfolgungsorgane kommen, muss zunächst seine Immunität nach Art. 46 II GG aufgehoben werden. aa) Zur Entstehungsgeschichte Die Abgeordnetenbestechung als Straftatbestand in § 108e StGB wurde erst mit dem 28. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. 01. 1994 in das StGB eingefügt.87 Voran ging eine über 40 Jahre währende Straflosigkeit, die im Jahre 1953 durch Änderung des damaligen § 109 StGB einsetzte.88 Nach § 109 StGB a.F. in seiner Fassung von 1871 wurde mit Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren und Verlust der „bürgerlichen Ehrenrechte“ bestraft, wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kaufte oder verkaufte. Der Begriff der „öffentlichen Angelegenheit“ wurde weit ausgelegt und erfasste nach herrschender Ansicht die Abgeordnetenbeste-
84 Bei den Volksvertretungen der Gemeinden ist allerdings allein die legislative Tätigkeit der Gemeinderäte von § 108e StGB erfasst, nicht jedoch Tätigkeiten im Bereich kommunaler Verwaltung (Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 8); siehe hierzu auch die Ausführungen zu den §§ 331 ff. StGB unten B. II. 1. b) bb); B. II. 3. f). 85 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 46 Rn 1, 8; Frotscher, Der Status des Abgeordneten, JuS 1987, L 81 (83); Fischer, StGB, § 36 Rn 2. 86 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 1, 11a; BT-Drs. 12/5927, S. 4; hierzu auch Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 152; Heisz, Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB, S. 37; Schlüchter, Zur (Un-)Lauterkeit in den Volksvertretungen, in: FS Geerds, S. 713 (723). Siehe ferner die weiteren Erläuterungen zum Tatbestand sogleich B. I 3. d) bb). 87 BGBl. I 1994, S. 84; das Gesetz ist am 22. 1. 1994 in Kraft getreten. 88 Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. 8. 1953 BGBl. I, S. 735 (740).
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chung.89 Obwohl sich noch 1951 der Bundestag ausdrücklich für eine umfassende Regelung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung aussprach,90 wurde durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 04. 08. 1953 der Anwendungsbereich der §§ 107 ff. StGB auf Wahlen und Abstimmungen zu den Volksvertretungen durch das Volk, sog. Wählerbestechungen, beschränkt. Die zuvor – zumindest in gewissem Umfang – erfasste Abgeordnetenbestechung in Bezug auf Entscheidungen in den Parlamenten wurde damit straflos.91 Zwar wurde diese Straflosigkeit ausdrücklich als provisorisch angesehen und damit begründet, dass die Abgeordnetenbestechung einer besonderen und ausdrücklichen Regelung bedürfe.92 Aufgrund der Komplexität der Materie sollten aber angesichts der Kürze der Zeit keine übereilten Regelungen getroffen werden. Obwohl man sich über die grundsätzliche Strafwürdigkeit der Abgeordnetenbestechung einig war, bereitete die exakte Bestimmung des strafwürdigen Verhaltens gegenüber dem politisch Erlaubten erhebliche Schwierigkeiten. Zudem wurde vorgebracht, dass eine Regelung der Abgeordnetenbestechung innerhalb der allgemeinen Wahldelikte der besonderen Stellung der Abgeordneten und ihrer Aufgaben nicht gerecht werde.93 Das „vorübergehende“ Offenlassen der Bestechungsproblematik bei Abgeordneten führte dazu, dass, trotz einiger vielversprechender Gesetzesinitiativen in der Zwischenzeit,94 erst 1994 mit der Einführung des heutigen § 108e StGB die Straflosigkeit 89 Schulze, Zur Frage der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, JR 1973, 485 (486) m.w.N. Zur Auslegung der weiteren Tatbestandsmerkmale des damaligen § 109 StGB siehe z. B. Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 6 ff.; sowie Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 8 ff. Beachtenswert ist, dass das Reichsgericht in RGSt 62, 6 (7) die Anwendbarkeit des damaligen § 109 RStGB nicht allein auf Wahlen im eigentlichen Sinne – die Auswahl einer Person unter mehreren – beschränkte, wie man es aus dem Wortlaut der Norm hätte schließen können und es auch weitläufiger Ansicht in der Literatur entsprach (vgl. die entsprechenden Nachweise bei Epp, Die Abgeordnetenbestechung – § 108e StGB, S. 41), sondern Abstimmungen über sachliche Fragen den Wahlen ausdrücklich durch Analogie gleichstellte. Mit dem heutigen grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 II GG) ist eine solch weitgehende Auslegung allerdings nicht zu vereinbaren, so dass zumindest seit Gültigkeit des Grundgesetzes 1949 aufgrund des Analogieverbotes zulasten des Täters allein von der Strafbarkeit der Bestechung in Bezug auf Wahlen auszugehen war. Hierzu Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 7; ebenso Kühne, Die Abgeordnetenbestechung, S. 30; Dürr, Lücken oder Sackgasse – Strafvorschriften gegen Fehlverhalten von Abgeordneten?, ZRP 1979, 264. 90 BT-Protokoll der 149. Sitzung der 1. Wahlperiode, S. 5963; BT-Drs. I/2319. 91 Dreher, Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz, JZ 1953, 421 (427); Schulze, Zur Frage der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, JR 1973, 485; Hartmann, Zur Straflosigkeit der Abgeordnetenbestechung, DVBl. 1964, 615; zu den weiteren Hintergründen siehe Römer, Das strafrechtliche Problem der Abgeordnetenbestechung, S. 48 ff. 92 BT-Protokoll der 265. Sitzung der 1. Wahlperiode, S. 12995; vgl. auch die Erläuterungen bei Dreher, Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz, JZ 1953, 421 (427). 93 Vgl. die historischen Ausführungen in BT-Drs. 12/5927, S. 3. 94 Vgl. hierzu die anschaulichen Ausführungen bei Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 12 – 23; Heisz, Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB, S. 4 ff.; Epp, Die Abgeordnetenbestechung – § 108e StGB, S. 47 – 51; Möhrenschlager, Die
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endete. In der langen dazwischen liegenden Periode bestand die zurecht als äußerst unbefriedigend und gar beunruhigend95 empfundene Rechtslage, dass Beamte oder Richter wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) oder Bestechlichkeit (§ 332 StGB) bei kleinsten Verstößen strafrechtlich belangt werden konnten, während sogar die gröbsten Bestechungsversuche im legislativen Bereich unverfolgbar blieben.96 Vielfach wurde hierin nicht nur eine ungerechtfertigte Privilegierung von Mandatsträgern gesehen, sondern die Straffreiheit sogar als Anreiz gewertet, auf parlamentarische Entscheidungen in unlauterer Weise Einfluss zu nehmen97 bzw. umgekehrt das eigene Mandat materiell „auszuschlachten“. bb) Zum Tatbestand Der Tatbestand des § 108e StGB ist vergleichsweise eng gefasst. Tathandlung ist das vorsätzliche Kaufen oder Verkaufen einer Stimme für eine Wahl oder Abstimmung in einer der abschließend genannten Volksvertretungen. Dies setzt eine über die allgemeine Kontaktpflege hinausgehende Absprache über den unsachlichen kommerzialisierenden Gebrauch des Stimmrechts in einer noch bevorstehenden konkreten Angelegenheit, also eine hinreichend konkretisierte Unrechtsvereinbarung, voraus.98 Nicht ausreichend hierfür ist das Erkaufen eines allgemeinen Wohlwollens bzw. das, was allseits als die „Pflege der politischen Landschaft“ bekannt ist und als sozialadäquat und politisch üblich betrachtet wird.99 Erforderlich ist ein finaler Kausalzusammenhang zwischen Zuwendung und Stimmabgabe.100 Da es sich bei § 108e StGB um ein Unternehmensdelikt handelt, ist es bereits erfüllt, wenn ein Angebot zum Stimmenkauf/-verkauf gemacht, d. h. zur Unrechtsvereinbarung unmittelbar angesetzt wird. Zu einer tatsächlichen Vorteilsgewährung oder gar einer dadurch beeinflussten Stimmabgabe braucht es nicht zu kommen.101 Umstritten ist, ob sich der Struktur des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung auf dem Prüfstand – Historisches und Künftiges, in: FS Weber, S. 217 (220 ff.). 95 Erdsiek, Umwelt und Recht, NJW 1959, 25 (26). 96 Diese Situation heftig anmahnend von Arnim, Abgeordnetenkorruption, JZ 1990, 1014; siehe auch Klein, Straflosigkeit der Abgeordnetenbestechung – Einer Strafrechtslücke zum 25jährigen Bestehen, ZRP 1979, 174. 97 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 12/5927, S. 3 f.; Schulze, Zur Frage der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, JR 1973, 485 (486); Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334). Dagegen prognostizierte Henkel eine voraussichtliche Wirkungslosigkeit eines Straftatbestandes gegen unerwünschte Einflussnahmen auf die Mandatsausübung, vgl. Henkel, Das Abgeordnetengesetz des Bundestages, DÖV 1977, 350 (356). 98 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 9; Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 11. 99 Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 12, 14; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 46 ff. fordert daher als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die „Verwerflichkeit“ der Verhaltensweise. 100 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 9; BT-Drs. 12/5927, S. 5. 101 Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 13.
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Tatbestand lediglich auf Abstimmungen und Wahlen im Plenum der Volksvertretung bezieht, oder auch solche in ihren Teileinheiten, z. B. in Ausschüssen, Arbeitsgruppen, Fraktionen, erfasst sind. Größtenteils wird davon ausgegangen, dass es sich bei Abstimmungen in Ausschüssen und vergleichbaren parlamentarischen Gremien noch um eine Abstimmung „in“ einer Volksvertretung handelt; denn hier werden die wesentlichen Richtungsweisungen und Vorentscheidungen des Gesamtparlaments getroffen.102 Dagegen sind Abstimmungen und Wahlen in den einzelnen Fraktionen vom Wortlaut des § 108e StGB eindeutig nicht erfasst.103 Zwar ist auch die Willensbildung in den Fraktionen von erheblicher politischer und praktischer Bedeutung, jedoch sind diese stark parteipolitisch geprägt. Als gesamtparlamentarische Willensbildung kann dies jedenfalls nicht angesehen werden, mithin auch nicht als Abstimmung bzw. Wahl „in“ der jeweiligen Volksvertretung.104 Entsprechendes gilt für die Arbeitskreise der Fraktionen. Die vergleichsweise enge Fassung des § 108e StGB hat zur Folge, dass lediglich die krassen Formen der Abgeordnetenbestechung unter Strafe gestellt sind. Einige möglicherweise ebenso für strafwürdig zu erachtende Verhaltensweisen werden nicht erfasst.105 Nicht von § 108e StGB erfasst ist beispielsweise – anders als bei Amtsträgern nach den §§ 331 ff. StGB – die nachträgliche „Belohnung“ für ein in der Vergangenheit liegendes Stimmverhalten sowie die Zuwendung immaterieller Vergünstigungen und Zuwendungen an Dritte. Unlautere Verhaltensweisen im Vorfeld von parlamentarischen Abstimmungen, z. B. Abstimmungen in Fraktionen und Arbeitskreisen, denen teilweise eine richtungsweisendere Rolle zukommt als der letztlichen Abstimmung im Plenum, sind ebenso wenig strafbar wie die Käuflichkeit als solche, so dass Beeinflussungen, die sich nicht auf eine bestimmte Stimmabgabe beziehen sondern nur auf eine allgemeine Interessenwahrnehmung zielen, weiterhin straflos sind. Nicht erfasst ist in der Regel zudem das typische „Zuschanzen“ lukrativer Nebentätigkeiten oder Beraterverträge, da diese kaum mit einem konkreten
102 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 4; Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 9; Heisz, Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB – Schließung einer Regelungslücke?, S. 11 f.; Kerner/Rixen, Ist Korruption ein Strafrechtsproblem?, GA 1996, 355 (387); van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (425); ausführlich auch Epp, Die Abgeordnetenbestechung – § 108e StGB, S. 393 ff.; dagegen Schaupensteiner, Bekämpfung von Korruptionsdelinquenz, Kriminalistik 1994, 514 (523); zweifelnd auch Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098 (1100 Fn 28). 103 So auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 12/5927, S. 6; Überhofen, Korruption und Bestechungsdelikte im staatlichen Bereich, S. 199. 104 Vgl. hierzu Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 4; Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 31. Häufig ist von einer „Zwitterstellung“ der Fraktionen zwischen parteipolitischer und gesamtparlamentarischer Willensbildung die Rede, vgl. u. a. van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (425). 105 Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 2; vgl. zum Folgenden Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098 (1099).
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Stimmverhalten in Verbindung gebracht werden können.106 Gleiches gilt für problematische Abhängigkeitsverhältnisse von Abgeordneten zu Interessengruppen, die sich über lange Zeit entwickeln bzw. erstrecken können ohne eine ganz bestimmte Stimmabgabe zu betreffen. Erfasst sind auch nicht schlichte Zuwendungen an Abgeordnete, die die Zuneigung des Abgeordneten sichern sollen, oder die entgeltliche Weitergabe von parlamentarisch erworbenem Insiderwissen. cc) § 108e StGB als „symbolische Gesetzgebung“ Durch die enge Fassung des Straftatbestandes des § 108e StGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass politisch übliches und sozialadäquates Verhalten nicht der Strafbarkeit unterfällt.107 Schließlich sei nicht jede Ausrichtung des Abstimmungsverhaltens an eigennützigen Interessen des Abgeordneten oder bestimmter Dritter strafwürdig. In der Tat wird zuzugeben sein, dass es angesichts des Bestimmtheitsgebotes schwierig ist, handhabbare Maßstäbe zu setzen, anhand derer strafwürdiges korruptives bzw. verwerfliches Verhalten zuverlässig von solchen Einflussnahmen abgegrenzt werden kann, die sich in einer repräsentativen Demokratie im Rahmen des politisch Adäquaten bewegen.108 Dennoch wird der Vorschrift des § 108e StGB zu Recht überwiegend Kritik entgegengehalten. Aufgrund ihres sehr engen Anwendungsbereiches wird sie kaum je zu einer Verurteilung führen, da sie nur „ausgesprochen krude, krasse und simple Formen der Bestechung erfasst“.109 Beweisschwierigkeiten insbesondere im Hinblick auf die konkrete Unrechtsvereinbarung sind immanent. Daher wird dem Gesetzgeber verbreitet vorgeworfen, § 108e StGB komme allenfalls eine symbolische Bedeutung zu und sei leicht zu umgehen.110 Symbolische Strafrechtsnormen bergen die Gefahr, kontraproduktiv zu wirken, wenn die in sie gesetzten Erwartungen enttäuscht werden.111 § 108e StGB sollte einen wirksa106 Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (879); Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 8. 107 BT-Drs. 12/5927, S. 4 f. Laut der Gesetzesbegründung sei es eher hinnehmbar, dass einzelne strafwürdige Verhaltensweisen nicht erfasst werden, als dass anerkannte Tätigkeiten des Abgeordneten der Gefahr der Strafbarkeit ausgesetzt werden (S. 5). 108 So auch Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 108e Rn 1. 109 Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098 (1100). 110 Vgl. u. a. Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098, (1100); Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 1; Tröndle, StGB, § 108e Rn 1; von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NStZ 2006, 249 (252); Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 39; mit abgeschwächter Kritik dagegen Fischer, StGB, § 108e Rn 2; Pohl, Drittzuwendungen an Bundestagsabgeordnete, ZParl 26 (1995), 385 (390); eine positivere Beurteilung des § 108e StGB findet sich bei de With, Zwischen Lobbyismus und politischer Korruption, Kriminalistik 1997, 400 (401). 111 Rudolphi, in: SK, StGB, § 108e Rn 7; Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze
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men Beitrag zur „politischen Hygiene“ leisten und Korruption im parlamentarischen Bereich effektiv bekämpfen. Da er aber die wahrscheinlicheren Formen subtiler, weniger plumpen Korruption wegen des engen Tatbestandes gerade nicht erfasst, täusche das Vorhandensein des Tatbestandes den Schutz vor Korruption vor, ohne ihn tatsächlich zu bewirken.112 Aufgrund des scheinbaren Schutzes seien Anstrengungen um eine effektivere Regelung rar, so dass die symbolische Gesetzgebung der tatsächlichen Bewältigung des Problems eher im Wege stehe. Dass das Vorhandensein des § 108e StGB allerdings die Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich tatsächlich behindert, lässt sich nicht ohne weiteres bestätigen. Auch seit Einführung des § 108e StGB flammte die Diskussion um Korruptionsbekämpfung immer wieder auf. Lösungen wurden hierbei jedoch in erster Linie außerhalb des Strafrechts gesucht, wie zum Beispiel durch die Neuregelungen des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln. Jüngste Ansätze seitens des Bundesjustizministeriums zur Ausweitung der Strafbarkeit, insbesondere vor dem Hintergrund internationaler Abkommen,113 verliefen bislang im Sande. Festzustellen bleibt damit, dass es sich bei § 108e StGB zwar um symbolisches Strafrecht handelt, das wegen seiner engen Fassung kaum je zur Anwendung kommen wird; es steht aber weiteren Bemühungen um Abhilfe nicht im Wege, mögen diese auch außerhalb des Strafrechts angesiedelt sein.114 Exkurs: Die Bestechung von Mitgliedern ausländischer Gesetzgebungsorgane nach Art. 2 § 2 IntBestG Deutlich umfassender unter Strafe gestellt als die Bestechung deutscher Mandatsträger nach § 108e StGB ist die Bestechung ausländischer Abgeordneter. Mit dem Gesetz zum Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (IntBestG)115 hat der Gesetzgeber die Bestechung von Mitgliedern ausländischer Gesetzgebungsorgane in einem eigens erschaffenen Straftatbestand (Art. 2 § 2 IntBestG) für strafbar erklärt. Als Tathandlung wird hier das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils als Gegenleistung für die künftige Vornahme einer mit dem Mandat oder den Aufgaben des Mandatsträgers zusammenhängenden Handlung oder Unterlassung sanktioniert, sofern dies in der Absicht erfolgt, sich oder einem Dritten einen Auftrag oder einen under Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 39; allgemein zum „symbolischen Strafrecht“ Hassemer, Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz, NStZ 1989, 553 ff. 112 Vgl. zu diesem Aspekt Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098 (1100). 113 Siehe hierzu im Einzelnen unten D. V. 1. 114 So auch Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 54. 115 Gesetz vom 10. 9. 1998 (BGBl. II 1998, S. 2327). Das Gesetz diente der Umsetzung des von der OECD erarbeiteten Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr; abgedruckt mit amtlicher Übersetzung in BT-Drs. 13/10428, S. 9 ff.
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billigen Vorteil im internationalen geschäftlichen Verkehr zu verschaffen oder zu sichern.116 Obwohl der Tatbestand durch das Merkmal „im geschäftlichen Verkehr“ eingeengt und nur die aktive Bestechung erfasst ist,117 ist der Anwendungsbereich doch deutlich größer als der des § 108e StGB; denn es wird nicht allein der Stimmenkauf als Tathandlung erfasst, sondern jede Art der Vorteilsgewährung für jede Art der mit dem Mandat zusammenhängenden Tätigkeiten. Ob diese Strafbarkeitsunterschiede hingenommen werden können, wird an späterer Stelle zu erörtern sein.118 4. Befangenheitsvorschriften bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache Nebentätigkeiten bzw. -einkünfte bergen die Gefahr, dass wirtschaftliche Eigeninteressen der Abgeordneten oder hinter ihnen stehender Dritter mit der Verpflichtung auf das Gemeinwohl verquickt werden. So kommt es leicht zu Interessenkonflikten bei der Behandlung konkreter Sachthemen im Parlament. Dennoch sind ausdrücklich weder im Grundgesetz noch im einfachen Recht grundlegende Befangenheitsvorschriften für Abgeordnete bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache enthalten, die solchen Interessenkonflikten entgegen wirken könnten, indem sie die Mitwirkung des Betreffenden bei Vorliegen eines Konfliktfalles ausschließen. a) Bestehende bundesrechtliche Vorschriften Einzig in § 17 WahlprüfungsG lässt sich ein ausdrückliches Mitwirkungsverbot im Rang des einfachen Gesetzes finden, durch das derjenige Abgeordnete von der Beratung und Beschlussfassung im Wahlprüfungsverfahren ausgeschlossen ist, dessen Wahl zur Prüfung steht.119 Die Beschlüsse im Wahlprüfungsverfahren sind jedoch zuvorderst judikativer Natur,120 indem durch sie über das Bestehen oder Nichtbestehen 116
Wortlaut des Art. 2 § 2 IntBestG Bestechung ausländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichen Verkehr: (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen Auftrag oder einen unbilligen Vorteil im internationalen geschäftlichen Verkehr zu verschaffen oder zu sichern, einem Mitglied eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates oder einem Mitglied einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation einen Vorteil für dieses oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass es eine mit seinem Mandat oder seinen Aufgaben zusammenhängende Handlung oder Unterlassung künftig vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Zur Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale siehe Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, S. 36 ff. 117 Gänßle, Das Antikorruptionsstrafrecht, NStZ 1999, 543 (544). 118 Vgl. hierzu unten D. V. 1. 119 Der Ausschluss greift allerdings gemäß § 17 II WahlprüfungsG bereits dann nicht, wenn die Wahl von zehn oder mehr Abgeordneten zur Prüfung steht. 120 So auch Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 29, der die Beschlüsse im Wahlprüfungsverfahren anschaulich als „Akte materieller Justiz“ bezeichnet; ebenso Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter unter be-
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des Abgeordnetenstatus entschieden wird. Dass es sich bei dem Mitwirkungsverbot also um ein echtes Mitwirkungsverbot im legislativen Bereich handelt, kann daher – obwohl es ausschließlich die Mitwirkung bzw. Nichtmitwirkung von Parlamentsabgeordneten regelt – nicht festgestellt werden. Entsprechendes gilt zudem für den Ausschluss eines Mitglieds des Bundestagspräsidiums oder eines Fraktionsvorsitzenden nach § 8 III VerhR. Wie bereits erörtert,121 nehmen diese an Sitzungen im Rahmen eines sie selbst betreffenden Sanktionsverfahrens wegen Verletzung der Verhaltenspflichten nicht teil, sondern werden durch ihre jeweiligen Stellvertreter ersetzt. Hierbei handelt es sich zwar auch um ein ausdrückliches Mitwirkungsverbot, das die legislative Sphäre betrifft; allerdings besteht dieses Verbot zum einen bloß als untergesetzliche Norm im Rahmen der Verhaltensregeln, und zum anderen überwiegen auch hier die judikativen Elemente des Verfahrens, von dem der Betroffene ausgeschlossen wird. Ähnlich verhält es sich mit der auf § 107 II GOBT beruhenden Regelung Nr. 3 der Anlage 6 zur GOBT. In dieser werden Grundsätze zu Immunitätsangelegenheiten aufgestellt, durch die die Handhabung der nach Art. 46 II, III GG erforderlichen Genehmigung des Bundestages zur Strafverfolgung eines Abgeordneten ausgestaltet wird.122 Nach Nr. 3 der Anlage 6 soll das betroffene Mitglied, um dessen Aufhebung der Immunität entschieden wird, das Wort zur Sache nicht erhalten. Dies wird bisweilen damit begründet, dass es ansonsten zu „unerfreulichen Rechtfertigungsreden“ komme, die dem Ansehen der Volksvertretung nicht gerecht würden.123 Ob der betreffende Abgeordnete in der folgenden parlamentarischen Entscheidung stimmberechtigt ist, ist umstritten.124 Jedenfalls aber findet sich hierzu keine ausdrückliche Normierung eines Mitwirkungsverbotes. Ein solches könnte in diesem Zusammenhang allenfalls aus einem allgemeinen Grundsatz des Parlamentsrechts hergeleitet werden.125 sonderer Berücksichtigung ihrer Stellung als gewählte Volksvertreter, S. 26; vgl. auch KnebelPfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 115; Isensee, Zwischen Amtsethos und Parteibindung – Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZParl 31 (2000), 402 (420). 121 Vgl. die Ausführungen oben B. I. 2. b) ee). 122 Zur Rechtsqualität dieser vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung aufgestellten Grundsätze siehe Butzer, Die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten im Rechtsquellenkanon des Parlamentsrechts, ZParl 24 (1993), 384 (387 ff.). 123 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 114. 124 Verneinend: Achterberg, Parlamentsrecht, S. 245; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 114 f.; Magiera, in: BK, GG, Art. 46 (Zweitbearbeitung) Rn 93. Bejahend: Jarass/Pieroth, GG, Art. 46 Rn 8; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 46 Rn 36. Ott konstatiert, dass der betroffene Abgeordnete jedenfalls in der Praxis auch an der Schlussabstimmung über die Aufhebung seiner Immunität nicht mitwirkt, vgl. Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 255 Fn 13; exakt das Gegenteil mit Verweis auf die ständige Praxis des Bundestages behauptet Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 473. 125 So Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 114 f.
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Selbst wenn man ein allumfassendes Mitwirkungsverbot in Immunitätsangelegenheiten anerkennen wollte, so bleibt es dennoch bei der Feststellung, dass es sich hierbei um eine seltene Ausnahme im geltenden Parlamentsrecht handelt. Die Ausnahmen betreffen nicht die Mitwirkungsbefugnis des Abgeordneten bei Sachfragen. Auf ein weiterreichendes Mitwirkungsverbot kann daher nicht geschlossen werden, schon gar nicht im Hinblick auf die hier zu untersuchenden Interessenkonflikte durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte. Im Übrigen betrifft ein Abstimmungsverbot bei Immunitätsfragen ebenso wenig die typisch legislative Tätigkeit wie die Mitwirkungsverbote im Rahmen des § 17 WahlprüfungsG und des § 8 III VerhR, so dass dessen Bedeutung für den Zweck dieser Arbeit vernachlässigt werden kann. In die Richtung einer für die vorliegende Thematik relevanten Befangenheitsregelung geht allenfalls § 6 VerhR. Dieser sieht vor, dass ein Ausschussmitglied, das entgeltlich126 mit einem Gegenstand beschäftigt ist, der im Ausschuss beraten wird, eine Interessenverknüpfung offen zu legen hat. Damit wird bezweckt, dass Diskussionsbeiträge des betroffenen Abgeordneten und sein Abstimmungsverhalten von den anderen Mitgliedern des Ausschusses im Lichte der Interessenverknüpfung gewürdigt werden können.127 Weitergehende Folgen ergeben sich hieraus jedoch nicht. So ist der betreffende Abgeordnete gerade nicht von der Beschlussfassung im Ausschuss ausgeschlossen. Für die Willensbildung im Plenum gibt es keinerlei vergleichbare Regelung. Abgesehen von diesen wenigen Regelungen hat sich der bundesdeutsche Gesetzgeber nicht des Instruments der Befangenheitsvorschriften in Form von Mitwirkungsverboten für Abgeordnete bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache bedient. .
b) Ungeschriebene Mitwirkungsverbote auf Bundesebene? Einige Autoren gehen allerdings davon aus, dass eine ungeschriebene Rechtspflicht der Abgeordneten bestehe, sich bei Vorliegen einer Interessenkollision der Mitwirkung bei Beratungen und Abstimmungen im Parlament zu enthalten.128 Diese Pflicht ergebe sich aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Prozessund Verwaltungsrechts, der auch im Parlamentsrecht Geltung beanspruche.129 Dem-
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Bis zum 18. 10. 2006 geltender Wortlaut: „… beruflich oder auf Honorarbasis …“. Roll, Verhaltensregeln, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 12 S. 612. 128 Becher, Die persönliche Rechtsstellung des Gemeindevertreters im Verhältnis zu der des Parlamentariers, S. 53; Krüger, Die Diäten der Bundestagsabgeordneten, DVBl. 1964, 220 (221); Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 178 für Fälle gravierender Ausnahmesituationen; ähnlich auch Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913 (914, 920) für Fälle eines eindeutigen Mandatsmissbrauchs. 129 Becher, Die persönliche Rechtsstellung des Gemeindevertreters im Verhältnis zu der des Parlamentariers, S. 53. 127
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
nach bestünden trotz Fehlens ausdrücklicher Befangenheitsvorschriften grundlegende Mitwirkungsverbote für Parlamentarier. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.130 Der rechtsstaatliche Grundsatz, dass niemand Richter seiner eigenen Sache sein kann, gilt nicht ohne weiteres für den legislativen Staatsbereich in der Art, als dass man von einem der gesamten Rechtsordnung immanenten Prinzip sprechen könnte, das ein ungeschriebenes Mitwirkungsverbot statuiert.131 Unabhängig von der an späterer Stelle zu klärenden Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig oder gar geboten oder auch nur rechtspolitisch sinnvoll ist, gesetzliche Befangenheitsvorschriften für Abgeordnete des Bundestages einzuführen, bedarf es hierzu jedenfalls einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung,132 durch die der Gesetzgeber die Modalitäten der Mitwirkungsverbote ausgestaltet. Es stehen sich kollidierende Verfassungsgüter – namentlich unter anderem das Mitwirkungsrecht als mitgliedschaftliche Kompetenz des einzelnen Parlamentariers einerseits und das Demokratieprinzip und das Prinzip der Gemeinwohlorientiertheit allen staatlichen Handelns andererseits – gegenüber, die das Grundgesetz selbst nicht in eindeutigen Ausgleich bringt. Es wäre Sache des Gesetzgebers, diese Kollision zulasten des Mitwirkungsrechts durch Befangenheitsvorschriften zu lösen und somit die grundgesetzlichen Normen zu konkretisieren. Dies hat er, abgesehen von den erörterten Ausnahmen, bislang bewusst unterlassen. Für ungeschriebene Rechtsgrundsätze, aus denen ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage Mitwirkungsverbote hergeleitet werden, ist daher kein Raum. De lege lata bleibt es daher bei der Feststellung, dass es keine grundlegenden Mitwirkungsverbote für Abgeordnete des Bundestages gibt. c) Landesrechtliche Mitwirkungsverbote Allein in zwei Bundesländern finden sich parlamentarische Mitwirkungsverbote: Zum einen enthält die Verfassung Bremens in ihrem Art. 84 Mitwirkungsverbote wegen Befangenheit für die Legislative. Danach darf ein Mitglied der Bürgerschaft Bremens nicht bei Beratungen oder Entscheidungen mitwirken, die ihm selbst oder einer ihm nahestehenden Person einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kön130 Ablehnend auch Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn 61; Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 32; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 38 Rn 60; Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334); Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 79; ablehnend auch schon TatarinTarnheyden, § 38 Die Rechtsstellung der Abgeordneten, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des dt. Staatsrechts, S. 427; Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 3 C.IV.2., Manuskript S. 336. 131 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (518 f.), der auch für die Judikative und die Exekutive Bereiche aufzeigt, in denen Entscheidungen in eigener Sache getroffen werden dürfen (522 f.). 132 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (523).
I. Legislative: Abgeordnete des Deutschen Bundestages
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nen. Auch eine Vorbefasstheit mit der Sache, beispielsweise durch Erstattung eines Gutachtens führt zum Verbot für das betreffende Mitglied, an der Entscheidung teilzunehmen, ebenso wenn es gegen Entgelt bei jemandem beschäftigt ist, der an der Erledigung der Angelegenheit ein persönliches oder wirtschaftliches Sonderinteresse hat. Diese Mitwirkungsverbote gelten nicht, wenn das Bürgerschaftsmitglied nur wegen der Zugehörigkeit zu einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe betroffen ist. Bereits auf den ersten Blick fallen die Ähnlichkeiten dieser Befangenheitsregeln zu den kommunalrechtlichen Regelungen auf.133 Ein weiteres parlamentarisches Mitwirkungsverbot findet sich in § 135134 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags. Danach ist von der parlamentarischen Abstimmung ein Mitglied des Landtags ausgeschlossen, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die allein und unmittelbar ihn betreffen. Die anstehende Angelegenheit muss in direktem und unmittelbarem Zusammenhang zur Person des Abgeordneten stehen.135 Gegen die Verweigerung der Zulassung zur Abstimmung besteht nach Absatz 2 der Vorschrift die Möglichkeit eines Einspruches, über den der Ältestenrat des Landtags entscheidet. Dieser hat dem Einspruch abzuhelfen, wenn nicht mindestens zwei Drittel seiner anwesenden Mitglieder widersprechen. Das Erfordernis der ZweiDrittel-Mehrheit sichert das Stimmrecht der Landtagsabgeordneten gegenüber Ausschlüssen aus parteipolitischen Erwägungen ab.136 Zudem ist der Ausschlusstatbestand mit der Formulierung „allein und unmittelbar ihn betreffen“ sehr eng gefasst, so dass die Vorschrift nur in seltenen, sich aufdrängenden Fällen angewendet werden kann.137 Allgemein ist ein Mitwirkungsverbot im untergesetzlichen Range des Geschäftsordnungsrechts verfassungsrechtlich bedenklich. Hierauf wird noch an späterer Stelle einzugehen sein.138
133 Preuß, in: Kröning/Pottschmidt/Preuß/Rinken, Handbuch der Bremischen Verfassung, S. 316; Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 77. Hierzu im Übrigen unten D. VIII. 2. 134 Die Paragraphenzahlen der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags haben sich im Laufe der Jahrzehnte des Öfteren verändert. Das Mitwirkungsverbot fand sich in früheren Fassungen z. B. in § 146 I bzw. in § 88, § 143 I oder § 141 I der Geschäftsordnung. Den folgenden Ausführungen liegt die Geschäftsordnung vom 9. Juli 2003 in ihrer Fassung der Bekanntmachung vom 17. März 2004 (GVBl., S. 168) zugrunde. 135 Schmid, Die Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag, S. 149. 136 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 112. 137 Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 476; Knebel-Pfuhl konstatiert gar, dass die Vorschrift in der parlamentarischen Praxis in Vergessenheit geraten sei, vgl. Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 113. 138 Vgl. die Ausführungen unter D. VIII. 2.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung und Gemeinderatsmitglieder Im Bereich der Exekutive stellt sich eine vergleichbare Problematik der Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte: Auch hier üben Amtsträger staatliche Funktionen aus, die frei von wirtschaftlichen Einflüssen von außen sein sollten. Im Folgenden wird daher dargestellt, wie das geltende Recht diesem Problemkreis im Bereich der Exekutive begegnet. Dabei wird insbesondere auf das Nebentätigkeitsrecht als Teilbereich des Beamtenrechts einzugehen sein. Aber auch die Behandlung von Nebentätigkeiten/-einkünften auf der Ebene der exekutiven Verfassungsorgane soll beleuchtet werden. Von besonderem Interesse sind im Hinblick auf den später zu ziehenden Vergleich mit den Abgeordneten auch die Regelungen für Mitglieder der Gemeindevertretungen. 1. Beamte a) Nebentätigkeitsrecht Für Beamte hält die geltende Rechtslage ein detailliert geregeltes Nebentätigkeitsrecht bereit, das die Tätigkeiten des Beamten neben seiner Diensttätigkeit begrenzt und reguliert. Es ist die Konsequenz aus einem immerwährenden Interessenkonflikt im Verhältnis des Beamten zum Dienstherrn. Auf der einen Seite steht der Anspruch des Beamten als Staatsbürger auf grundrechtlichen Schutz der Verwertung seiner Arbeitskraft,139 auf der anderen Seite das legitime staatliche Interesse an einem unparteilichen, zügig und effizient arbeitenden Beamten,140 den allein die Verwirklichung des Gemeinwohls in seinem Handeln leiten soll und der nach den Grundgedanken des Beamtenrechts seine volle Arbeitszeit seinem Dienstherrn und seine Freizeit vorrangig der Erholung zu widmen hat.141 Jede Beschränkung von Nebentätigkeiten eines Beamten tangiert dessen Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 I GG in seiner Ausprägung als Recht auf entgeltliche Verwertung der eigenen Arbeitskraft.142 Zudem können 139
BVerwGE 31, 241 (248); 35, 201 (205); 60, 254 (255 f.); Noftz, Fragen zum Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1974, 209 (210); zur Geltung der Grundrechte im Beamtenverhältnis vor dem Hintergrund der Diskussion um das sog. „besondere Gewaltverhältnis“ siehe Jansen, Nebentätigkeit im Beamtenrecht, S. 25 ff. 140 Jansen, Nebentätigkeit im Beamtenrecht, S. 24. 141 Zu diesem Konflikt auch Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65; zum Zweck der Freizeit des Beamten zur Erholung und Regeneration Bieler, Zur Problematik der Kontrolle von Nebenbeschäftigungen und Nebentätigkeiten, DÖD 1978, 215 (218). 142 Battis, Begrenzung und Kontrolle von Nebentätigkeiten, in: FS Fürst, S. 45 (48): „Anzeige- und Auskunftspflichten greifen tief in die Privatsphäre ein.“; siehe zudem Ule, Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bemerkungen zum Nebentätigkeitsrecht, in: FS Weber, S. 609 (610); Summer, Rechtes Augenmaß – rechtes Verfassungsmaß – eine Studie zum
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung, Gemeinderatsmitglieder
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Grundrechte wie die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG143 oder die Wissenschafts- und Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG betroffen sein. Dem stehen nach Art. 33 V GG jedoch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gegenüber, die als Schranke Eingriffe in die Grundrechte der Beamten zu rechtfertigen vermögen.144 Das gesetzgeberische Gestaltungsermessen bei der konkreten Ausgestaltung dieser Grundrechtsschranke ist allerdings durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, der einer übermäßigen Einschränkung außerdienstlicher Nebentätigkeit ohne dienstlichen Grund entgegensteht.145 Dennoch sind nach allgemeiner Ansicht Begrenzungen der Nebentätigkeiten von Beamten erforderlich, um Missbrauch vorzubeugen und vor allem das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Staates und seiner Beschäftigten, in deren Unbefangenheit und Unparteilichkeit zu festigen.146 Zudem wurde als Begründung für das 2. Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz vom 09.09.1997147 die Stärkung der Leistungskraft der Verwaltung herangezogen.148 Auch soll die vielseitige Verwendbarkeit des Beamten als beamtenrechtlicher Grundsatz erhalten bleiben.149 Ferner muss der Beamte Beschränkungen seiner Rechte anhand der Grundsätze des Berufsbeamtentums auch vor dem Hintergrund hinnehmen, dass er sich durch freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis diesen Grundsätzen aus freien Stücken unterworfen hat.150 . . . neuen Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1988, 1 (3); dagegen Wiese, Der Staatsdienst in der Bundesrepublik Deutschland, S. 120 f., der von einer freiwilligen „Selbstbindung“ des Beamten spricht und daher eine Beeinträchtigung der freien Persönlichkeitsentfaltung verneint. 143 Noftz, Fragen zum Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1974, 209 (210), der klarstellt, dass auch Nebentätigkeiten den Schutz des Art. 12 I GG genießen können, sofern sie berufsmäßig betrieben werden. 144 Battis, Begrenzung und Kontrolle von Nebentätigkeiten, in: FS Fürst, S. 45; ders., Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 5; Ule, Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bemerkungen zum Nebentätigkeitsrecht, in: FS Weber, S. 609 (611). 145 BVerwGE 35, 201 (205); Battis, Begrenzung und Kontrolle von Nebentätigkeiten, in: FS Fürst, S. 45 (46); ders., Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 5 ff.; Fürst, Zum Entwurf einer Nebentätigkeitsverordnung des Landes Schleswig-Holstein, ZBR 1990, 305 (306). 146 BT-Drs. 13/8079, S. 14; Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65 (66); Beispiele für Missstände, die die negative Meinung in der Öffentlichkeit verstärkten, finden sich bei Battis, Begrenzung und Kontrolle von Nebentätigkeiten, in: FS Fürst, S. 45 (48). 147 BGBl. I, S. 2294. 148 BT-Drs. 13/8079, S. 14. 149 Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65. 150 BVerwGE 31, 241 (244); Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Regelungen zu verstehen: aa) Begriffsbestimmung Für das Beamtenrecht findet sich eine gesetzliche Definition des Begriffes „Nebentätigkeit“ in § 64 Bundesbeamtengesetz (BBG)151 sowie in § 1 I der auf Grundlage des § 69 BBG erlassenen Bundesnebentätigkeitsverordnung (BNV)152. Danach ist Nebentätigkeit eines Beamten die Ausübung eines Nebenamtes oder einer Nebenbeschäftigung. Nebenamt ist dabei nach § 1 II BNVein nicht zum Hauptamt gehörender Kreis von Aufgaben, der auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses wahrgenommen wird. Dies umfasst nur solche Aufgaben, die ein Dienstherr einem Beamten im Rahmen seiner Organisationsgewalt übertragen kann.153 Nebenbeschäftigung ist dagegen gemäß § 1 III BNV jede sonstige Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes, die nicht zum Hauptamt gehört. Für die vorliegende Arbeit, die sich mit Beeinträchtigungen der Staatsgewalten durch wirtschaftliche Faktoren „von außen“ beschäftigt, sind ausschließlich solche Nebentätigkeiten von Interesse, die nicht auf Grund eines öffentlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses wahrgenommen werden, d. h. zivilrechtlich geordnete oder außerhalb unmittelbar normativer Regelung ausgeübte Betätigung.154 Folglich sind allein die Nebenbeschäftigungen als Unterfall der Nebentätigkeiten im beamtenrechtlichen Sinne betroffen, die außerhalb des öffentlichen Dienstes auf privatrechtlicher Grundlage wahrgenommen werden. Die Nebenämter werden daher für die weiteren Erörterungen außer Acht gelassen. bb) Bundesbeamte Regelungen hinsichtlich Nebentätigkeiten von Bundesbeamten155 finden sich in den §§ 64 ff. BBG sowie in der BNV. Zu unterscheiden ist zwischen genehmigungspflichtigen (§ 65 BBG) und nicht genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten (§ 66 BBG).
151 In der Fassung der Bekanntmachung vom 31. 03. 1999 (BGBl. I, S. 675), zuletzt geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 26. 02. 2008 (BGBl. I, S. 215). 152 In der Fassung der Bekanntmachung vom 12. 11. 1987 (BGBl. I, S. 2376), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 03. 12. 2001 (BGBl. I, S. 3306). 153 Battis, BBG, § 64 Rn 8; zur Abgrenzung auch Noftz, Fragen zum Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1974, 209 (210). 154 Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78. 155 Der Übersichtlichkeit halber beschränkt sich die Darstellung auf aktive Beamte, die vollzeitbeschäftigt und nicht Ehrenbeamte sind; zu den weitestgehend entsprechenden Vorschriften für Soldaten siehe § 20 SoldG, der teilweise das Nebentätigkeitsrecht für Soldaten selbst regelt, im Übrigen aber in seinem Absatz 7 auf die Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes verweist.
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(1) Genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten (a) Grundsätzliches § 65 I 1 BBG statuiert als Ausgangspunkt, dass grundsätzlich jede Nebentätigkeit, zu deren Übernahme der Beamte nicht nach § 64 BBG verpflichtet ist, einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt. Dabei gelten von vornherein nach § 65 I 2 BBG die Wahrnehmung öffentlicher Ehrenämter156 und die unentgeltliche Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft eines Angehörigen nicht als eine Nebentätigkeit in diesem Sinne.157 Die Genehmigung für Nebenbeschäftigungen geringen Umfangs (bis 100 E pro Monat), die außerhalb der Dienstzeit ausgeübt werden, ein Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreiten und für die kein gesetzlicher Versagungsgrund vorliegt, gilt nach § 5 I 1, 2 BNV als erteilt (Genehmigungsfiktion). Die Nebenbeschäftigung ist dann – sofern es sich nicht um eine einmalige Beschäftigung handelt – lediglich anzuzeigen (§ 5 I 3 BNV). Sie kann allerdings nach § 5 II BNV durch den Dienstherrn untersagt werden, wenn sie dienstliche Interessen beeinträchtigt. Nebentätigkeiten darf ein Beamter grundsätzlich nur außerhalb seiner Arbeitszeit ausüben, § 65 III 1 BBG. Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn dürfen für die Nebentätigkeit gemäß § 65 V BBG grundsätzlich nur bei Vorliegen eines öffentlichen oder wissenschaftlichen Interesses und einer Genehmigung des Dienstherrn gegen ein angemessenes Entgelt in Anspruch genommen werden.158 (b) Voraussetzungen der Genehmigung Genehmigungen werden auf schriftlichen Antrag159 von der obersten Dienstbehörde (§ 65 IV 1 BBG) für längstens fünf Jahre (§ 65 II 5 BBG) erteilt, sofern kein Versagungsgrund nach § 65 II BBG vorliegt. Dabei muss der Antragsteller Nachweise unter anderem über Art und Umfang und auch über die zu erwartenden Entgelte und geldwerten Vorteile erbringen (§ 65 VI 2 BBG). 160
Bei der Entscheidung über die Genehmigung steht der Behörde kein Ermessen zu.161 Die Genehmigung muss nach § 65 II 1 BBG versagt werden, wenn zu besorgen 156 Als öffentliches Ehrenamt gilt z. B. die Mitgliedschaft in kommunalen Vertretungen, die ehrenamtliche Tätigkeit als Mitglied von Organen der Sozialversicherungsträger, die Tätigkeit in Wahlausschüssen oder als ehrenamtlicher Richter. Für weitere Beispiele siehe Battis, BBG, § 65 Rn 4. 157 Diese müssen nach § 65 I 2 2. Halbsatz BBG lediglich vor ihrer Übernahme schriftlich angezeigt werden. 158 Die genaueren Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus den §§ 9 ff. BNV. 159 Hinsichtlich der weiteren formellen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Antrags siehe § 65 VI BBG. 160 Sofern diese ihre Befugnisse nicht auf eine nachgeordnete Behörde delegiert hat, § 65 IV 2 BBG. 161 BVerwGE 60, 254 (255); von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 39.
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ist, dass dienstliche Interessen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt werden. Umgekehrt muss sie erteilt werden, wenn ein Versagungsgrund nicht vorliegt.162 Der Beamte hat daher einen Rechtsanspruch auf die Genehmigungserteilung.163 Zu besorgen ist die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen, wenn bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen wahrscheinlich ist,164 wenn also ein vernünftiger Grund besteht anzunehmen, dass eine Beeinträchtigung voraussichtlich eintreten wird.165 Die darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe sind gerichtlich voll überprüfbar.166 Entscheidend ist die Betrachtung des konkreten Einzelfalls,167 bei der jedoch die Verwendung bestimmter Erfahrungssätze nicht ausgeschlossen ist.168 (c) Die einzelnen Versagungsgründe Wann die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen im Raume steht, wird exemplarisch, d. h. nicht abschließend,169 in § 65 II 2 BBG erläutert.170 Nach Nr. 1 des § 65 II 2 BBG ist die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen anzunehmen, wenn nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark durch die Nebentätigkeit in Anspruch genommen wird, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann; dies gilt nach § 65 II a BBG in der Regel als erfüllt, wenn die zeitliche Beanspruchung mehr als ein Fünftel der regelmäßigen Wochenarbeitszeit beträgt (sog. Fünftelvermutung171). Diese Regelung steht vor dem Hintergrund, dass nach § 54 S. 1 BBG der Beamte grundsätzlich seine volle Arbeitskraft seinem Dienst zu widmen hat. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Verpflichtung des Beamten, sich mit voller Hingabe dem Amt zu widmen, von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 39; Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78 (80); Noftz, Fragen zum Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1974, 209 (212 f.); Battis, BBG, § 65 Rn 5 spricht insofern von einem „verfassungsrechtlich fundierten (Art. 2 I, 12 GG) Rechtsanspruch auf Genehmigung“. 163 Battis, Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 4. 164 BVerwGE 60, 254 (256 f.). 165 Battis, BBG, § 65 Rn 6. 166 Battis, BBG, § 65 Rn 6. 167 Noftz, Fragen zum Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1974, 209 (213); Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65. 168 Günther, Nebentätigkeitsrecht in der Praxis, ZBR 1989, 164 (168). 169 Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78 (80); von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 40. 170 Für eine ausführliche Darstellung der einzelnen benannten Versagungstatbestände des § 65 II 2 BBG siehe Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78 (83 – 91). 171 Summer, Rechtes Augenmaß – rechtes Verfassungsmaß – eine Studie zum neuen Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1988, 1 (6). 162
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nicht etwa die Pflicht zur totalen Aufopferung bedeutet, sondern lediglich als Erfordernis der optimalen Diensterfüllung im Rahmen der geltenden Arbeitszeitbestimmungen zu verstehen ist.172 Der Versagungsgrund nach § 65 II 2 Nr. 1 BBG kann also nur eingreifen, wenn tatsächlich die erforderliche Intensität der Diensterfüllung durch den nebentätigen Beamten gefährdet ist. Einerseits ist dabei die individuelle Belastbarkeit des jeweiligen Beamten zu berücksichtigen,173 andererseits die natürliche Begrenzung menschlicher Leistungsfähigkeit.174 Der private Einsatz der Arbeitskraft darf nicht zulasten der Leistungsfähigkeit des Beamten im Hauptamt gehen. Gemäß Nr. 2 liegt ein Versagungsgrund vor, wenn die Nebentätigkeit den Beamten in Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen kann. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Beamte interne Kenntnisse zum Nachteil der Verwaltung verwertet,175 aber auch dann, wenn die notwendige Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Beamten iSd §§ 52 I, 54 S. 2 BBG gefährdet ist;176 denn zu den dienstlichen Interessen einer Behörde gehört es auch, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unbefangenheit und Unparteilichkeit der Verwaltung gewahrt wird.177 Nach Nr. 3 darf die Nebentätigkeit nicht eine Angelegenheit betreffen, in der die Behörde, der der Beamte angehört, tätig wird oder tätig werden kann. Damit soll eine Überschneidung mit Amtsaufgaben verhindert werden, um denkbaren Konflikten zwischen kollegialer Rücksichtnahme und unparteilicher Amtswahrnehmung vorzubeugen.178 Zudem sichert die Regelung die uneingeschränkte Loyalität des Beamten zu seinem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn.179 Nimmt ein Beamter eine Nebentätigkeit im Aufgabenbereich „seiner“ Behörde wahr, so entsteht zudem leicht der Eindruck, dass die Beauftragung des Beamten als Privaten im Rahmen seiner Nebentätigkeit auch wegen seiner dienstlichen Beziehungen erfolgt, um so Aussichten auf eine günstige Bearbeitung eines Anliegens durch die Behörde sicherzustellen.180 172 Battis, Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 4. 173 BVerwG ZBR 1977, 27 (28); Schnellenbach, Die Neuregelung des Nebentätigkeitsrechts der Beamten, NVwZ 1985, 327 (328). 174 BVerwG ZBR 1973, 309 (310); Noftz, Fragen zum Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1974, 209 (214); anklingend auch bei Bieler, Zur Problematik der Kontrolle von Nebenbeschäftigungen und Nebentätigkeiten, DÖD 1978, 215 (218). 175 So in BVerwGE 60, 254 (259). 176 Battis, BBG, § 65 Rn 9. 177 Battis, Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 7. 178 Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78 (87); ders., Nebentätigkeitsrecht in der Praxis, ZBR 1989,164 (168); Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65 (66). 179 Battis, BBG, § 65 Rn 10. 180 VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 16.03.1982 – 4 S 900/81 mit Anmerkung Schwerdtner, Die Nebentätigkeit von Beamten als Rechtsproblem, RiA 1983, 65 (66).
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Diese Art der Ausnutzung der Stellung des Beamten sowie bereits der diesbezügliche Eindruck müssen vermieden werden. Zusätzlich besteht gemäß Nr. 4 ein ausdrücklicher Versagungsgrund, wenn die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflusst werden kann. Dabei genügt bereits die bloße Möglichkeit der Beeinflussung181 bzw. der bloße Anschein der Voreingenommenheit und nicht erst eine konkret eingetretene reale Befangenheit.182 Eine Beeinflussung ist anzunehmen, wenn dienstliche und private Interessen miteinander verquickt werden und dadurch eine objektive, gerechte und sachliche Erledigung der Dienstgeschäfte nicht mehr gewährleistet ist.183 Die Beeinträchtigung eines dienstlichen Interesses, das zur Versagung der Genehmigung führt, liegt nach Nr. 5 auch dann vor, wenn die Nebentätigkeit zu einer Reduktion der künftigen dienstlichen Verwendbarkeit des Beamten führen kann. Damit sichert der Gesetzgeber die für das Berufsbeamtentum typische breite Verwendungsfähigkeit eines Beamten innerhalb seiner Laufbahn.184 Nach Nr. 6 ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Nebentätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann.185 Dieser Versagungsgrund trägt der Pflicht eines Beamten nach § 54 S. 3 BBG Rechnung, durch sein Verhalten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen, die sein Beruf erfordern, gerecht zu werden. Darüber hinaus liegt gemäß § 65 II 3 BBG ein Versagungsgrund in der Regel auch vor, wenn sich die Nebentätigkeit als Ausübung eines Zweitberufs darstellt. Indizien hierfür sind die gewerbsmäßige Dienst- und Arbeitsleistung sowie Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit der Nebentätigkeit, dies jedoch unabhängig von der sog. Fünftelvermutung des § 65 II 4 BBG.186 Hinter dieser Regelung steht die Befürchtung, dass ein Zweitberuf die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nehmen würde, dass er die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindern und damit dem Grundsatz der Hauptberuflichkeit des Berufsbeamtentums zuwiderlaufen würde.187 Kein Versagungsgrund stellen dagegen arbeitsmarktpolitische Gründe dar.188 Die Sonderrechtsbeziehung von Beamten zum Staat bewirkt keine soziale Mitverant181
Battis, BBG, § 65 Rn 11. Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78 (88). 183 BVerwGE 60, 254 (260 f.). 184 Battis, BBG, § 65 Rn 12. 185 Zahlreiche Beispiele finden sich bei Battis, BBG, § 65 Rn 13. 186 von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 42. 187 Battis, BBG, § 65 Rn 14. 188 BVerwGE 84, 299 (303); OVG Berlin ZBR 1990, 58; Thieme, Öffentliches Dienstrecht und Arbeitsmarktpolitik, JZ 1985, 1024 (1026); Papier, Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, DÖV 1984, 536 (539 f.); Ossenbühl/Cornils, Nebentätigkeit und Grundrechtsschutz, S. 81 m.w.N.; von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öf182
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wortlichkeit des Beamten bei der Eindämmung der Arbeitslosigkeit.189 Beschäftigungspolitische Erwägungen gehören nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 35 V GG und vermögen daher nicht das grundrechtlich geschützte Recht, einer Nebentätigkeit nachgehen zu können, einzuschränken. (d) Widerruf Sofern sich eine (tatsächliche) Beeinträchtigung dienstlicher Interessen erst nach Erteilung der Genehmigung ergibt, ist diese gemäß § 65 II 7 BBG zu widerrufen. Auch hier besteht kein behördliches Ermessen des Dienstherrn.190 (2) Genehmigungsfreie Nebentätigkeiten und Anzeigepflichten Bestimmte Nebentätigkeiten unterliegen keiner Genehmigungspflicht. Diese sind in § 66 I BBG abschließend191 aufgeführt. Genehmigungsfrei sind Nebentätigkeiten, bei denen typischerweise Kollisionen mit dienstlichen Pflichten nicht zu erwarten sind bzw. solche, die als Grundrechtsausübung der Kunst-, Wissenschafts- und Lehrfreiheit sowie der Koalitionsfreiheit privilegiert sind.192 Im Sinne des erstgenannten Ansatzes bestimmt § 66 I Nr. 1 BBG die grundsätzliche Genehmigungsfreiheit von unentgeltlichen Nebentätigkeiten; denn eine unentgeltliche Tätigkeit gilt als deutlich weniger geeignet, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen.193 Als Ausnahmen von diesem Grundsatz nennen die Unterpunkte a)–c) Genehmigungspflichten trotz Unentgeltlichkeit. So muss die Übernahme eines Nebenamtes sowie einer Testamentsvollstreckung zuvor genehmigt werden, sofern es sich nicht um die Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft eines Angehörigen handelt. Ebenso unterliegt die unentgeltliche Übernahme einer gewerblichen Tätigkeit, die unentgeltliche Ausübung eines freien Berufs oder die Mitarbeit daran der
fentlichen Dienst, S. 43; den entgegengesetzten Eindruck erweckt allerdings die Tatsache, dass die Beschränkung von Nebentätigkeiten vom Gesetzgeber stets auch auf arbeitsmarktpolitische Gründe gestützt wurde (siehe z. B. BT-Drs. 10/2542, S. 3; BT-Drs. 13/8079, S. 14) und im politischen Raum auch immer wieder Vorstöße dieser Art zu verzeichnen sind; siehe dazu die Ausführungen bei Battis, Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 2 f., 13 f., der einen Verlust der Glaubwürdigkeit der Politik anmahnt; dazu auch Schnellenbach, Die Neuregelung des Nebentätigkeitsrechts der Beamten, NVwZ 1985, 327 (328). 189 Battis, Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 13. 190 Günther, Unterbinden von Nebenbeschäftigungen bei Kollision mit dienstlichen Interessen, DÖD 1988, 78 (91). 191 Battis, BBG, § 66 Rn 1. 192 Battis, BBG, § 66 Rn 2. 193 Ule, Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bemerkungen zum Nebentätigkeitsrecht, in: FS Weber, S. 609 (617).
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Genehmigungspflicht. Gleiches gilt für Tätigkeiten in einem Organ eines (wirtschaftlichen) Unternehmens und die Übernahme einer Treuhänderschaft. Unabhängig von einer Unentgeltlichkeit sind nach den Nrn. 2 – 5 folgende Tätigkeiten genehmigungsfrei: die Verwaltung eigenen und der Nutznießung unterliegenden Vermögens (Nr. 2); schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische und Vortragstätigkeit des Beamten (Nr. 3);194 selbstständige Gutachtertätigkeiten von Hochschullehrern sowie Beamten an wissenschaftlichen Instituten und Anstalten, die mit ihren Lehr- und Forschungsaufgaben zusammenhängen (Nr. 4); Tätigkeiten zur Wahrung von Berufsinteressen in Gewerkschaften, Berufsverbänden oder in Selbsthilfeeinrichtungen der Beamten (Nr. 5). Trotz der grundsätzlichen Genehmigungsfreiheit unterliegen gemäß § 66 II 1 BBG schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische, Vortrags- und Gutachtertätigkeiten sowie Tätigkeiten in Selbsthilfeeinrichtungen der Beamten einer schriftlichen Anzeigepflicht, sofern der Beamte für diese Tätigkeit ein Entgelt oder einen geldwerten Vorteil erhält. Vor Beginn der Tätigkeit sind Art und Umfang der Tätigkeit und die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen.195 Ebenso hat der Beamte jede Änderung hieran unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Bei begründetem konkreten196 Anlass kann die Dienstbehörde im Übrigen nach § 66 II 2 BBG Auskunft über eine ausgeübte genehmigungsfreie Nebentätigkeit verlangen. Dieses Auskunftsrecht ermöglicht eine Missbrauchskontrolle. Die Dienstbehörde kann dann die genehmigungsfreie Nebentätigkeit nach § 66 II 3 BBG ganz oder teilweise untersagen, wenn der Beamte bei ihrer Ausübung dienstliche Pflichten verletzt.197 cc) Landesbeamte Für Landesbeamte ergeben sich die Regelungen über die Nebentätigkeiten grundsätzlich aus den jeweiligen Landesbeamtengesetzen.198 Diese wurden jedoch weitge194
Dabei ist zu beachten, dass die Genehmigungsfreiheit den Beamten nicht von seinen Dienstpflichten entbindet. So unterliegt er auch bei diesen Tätigkeiten der Mäßigungspflicht (§ 53 BBG), der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 61 BBG) etc., vgl. Battis, BBG, § 66 Rn 6, 8. 195 Schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese weitreichende Anzeigepflicht insbesondere der Höhe der Einkünfte und vor allem im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit erheben Ossenbühl/Cornils, Nebentätigkeit und Grundrechtsschutz, S. 117, 121; Battis, Nebentätigkeit als Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/ 1999, S. 7 ff.; Duttge, Diu rehte mz – auch bei der Bekämpfung der Korruption!, ZRP 1997, 72 (75 f.) und Engelken, Vorzensur für schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische und Vortrags-Nebentätigkeiten?, ZRP 1998, 50 (53); siehe zudem die Stellungnahme des Bundesrates zum 2. Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz BT-Drs. 13/6424, S. 5. 196 Battis, BBG, § 66 Rn 17. 197 von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 55. 198 Vgl. für Baden-Württemberg die §§ 82 ff. Landesbeamtengesetz iVm der Landesnebentätigkeitsverordnung.
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hend durch eine detaillierte Rahmengesetzgebung des Bundes, namentlich durch § 42 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG)199, auf Grundlage der vormaligen Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes aus dem früheren Art. 75 I 1 Nr. 1 GG vorgeprägt.200 Nach § 1 BRRG mussten die Länder ihr Beamtenrecht nach den vorgegebenen Rahmenvorschriften erlassen und dabei die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und die gemeinsamen Interessen von Bund und Ländern berücksichtigen. Bedenkt man zusätzlich, dass jegliche Beschränkung der Freiheitsrechte der Landesbeamten ebenso an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen ist und zudem die Regelungen des BRRG eventuell abweichendem Landesrecht gemäß Art. 31 GG vorgingen, so konnten sich keine weitreichenden Abweichungen der landesrechtlichen Beamtengesetze voneinander und von den bundesrechtlichen Regelungen ergeben. § 42 BRRG unterscheidet ebenso wie das BBG zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Nebentätigkeiten. Die diesbezüglichen Regelungen über Versagungsgründe, Widerruf einer Genehmigung, Auskunftspflichten etc. entsprechen weitestgehend den bereits erörterten Regelungen der §§ 65, 66 BBG. Zusätzlich eröffnet § 42 I 4 BRRG dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit, auch für genehmigungsfreie Nebentätigkeiten eine weitergehende gesetzliche Anzeigepflicht vorzusehen. Von einer darüber hinausgehenden detaillierten Darstellung der für Landesbeamte geltenden Regelungen wird an dieser Stelle abgesehen, da sie von den Grundprinzipien her mit den bundesrechtlichen Regelungen übereinstimmen und damit für den Zweck der weiteren Untersuchungen keine eigene entscheidende Rolle spielen. Allerdings ist anzumerken, dass im Zuge der sog. Föderalismusreform und der damit zusammenhängenden Umstrukturierung der Gesetzgebungskompetenzen im Grundgesetz die Rahmengesetzgebungskompetenz insgesamt und somit auch Art. 75 I 1 Nr. 1 GG, auf dem das BRRG beruhte, abgeschafft wurde.201 Der Bund hat nunmehr lediglich eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Statusrechte und -pflichten der Landesbeamten aus Art. 74 I Nr. 27 GG n.F. Anlässlich dieser Kompetenzänderung betreibt der Bund derzeit ein Gesetzgebungsverfahren für ein neues Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), das das Beamtenrechtsrahmengesetz weitgehend ersetzen soll. Der Bundestag hat das Gesetz bereits in seiner 133. Sitzung am 13. 12. 2007 beschlossen.202 Auf Betreiben des Bundesrates ist derzeit der Vermittlungsausschuss tätig.203 Als § 41 BeamtenStG ist eine generelle An199 In der Fassung der Bekanntmachung vom 31. 03. 1999 (BGBl. I, S. 654), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 05. 12. 2006 (BGBl. I, S. 2748, 2755). 200 Mirbach, Der Umfang der Auskunftspflicht des Beamten bei genehmigungsfreien Nebentätigkeiten, ZBR 1995, 64. 201 Die aufgrund der Kompetenzen aus Art. 75 GG a.F. erlassenen Gesetze gelten bis zu einer ausdrücklichen Aufhebung durch den Bund oder bis zu ihrer Ersetzung durch die Länder gemäß Art. 125a I GG fort – so zunächst auch das BRRG. 202 BR-Drs. 59/08, S. 1; Grundlage war ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung, vgl. BTDrs. 16/4027. 203 Pressemitteilung Bundesrat Nr. 10/2008 vom 15.02.2008.
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zeigepflicht für Nebentätigkeiten vorgesehen. Zudem werden die Länder verpflichtet, die Nebentätigkeiten unter Erlaubnis- oder Verbotsvorbehalt zu stellen, soweit sie geeignet sind, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen. Obwohl den Ländern hierdurch ein deutlich weiterer Spielraum zur Ausgestaltung des Nebentätigkeitsrechts gelassen wird, indem der Bund nur noch die statusrelevanten Grundsätze normiert, ist nicht zu erwarten, dass die Länder ihre bestehenden und an den Vorgaben des BBRG ausgerichteten Regelungen wesentlich verändern werden. dd) Hochschullehrer Nach § 176a V BBG gelten für beamtete Professoren und andere Hochschullehrer die Vorschriften des BBG entsprechend, und damit auch die Regelungen zur Nebentätigkeit. Für Hochschullehrer der Länder folgt aus § 105 BRRG eine entsprechende Anwendbarkeit des § 42 BRRG, der durch Landesgesetzgebung umgesetzt wurde. Baden-Württemberg hat darüber hinaus durch § 84 II 1 LBG BW von der nach § 42 I 4 BRRG bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Anzeigepflicht für nichtgenehmigungspflichtige Nebentätigkeiten auch auf schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische sowie Vortrags- und Gutachtertätigkeiten zu erstrecken, die gegen Vergütung geleistet werden. Diese umfassende Anzeigepflicht betrifft insbesondere die Hochschullehrer unter den Beamten.204 Die erhöhte Anzeigepflicht für Professoren ist damit zu begründen, dass sie ihre Aufgaben entsprechend § 43 Hochschulrahmengesetz (HRG)205 selbstständig wahrnehmen und zudem nach § 50 I 3 HRG nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden sind. Dadurch ist es dem Dienstherrn ohne eine Anzeige möglichst aller Tätigkeiten kaum möglich, die Verletzung dienstlicher Pflichten zu erkennen206 oder überhaupt das Hauptamt von der Nebentätigkeit zu unterscheiden.207
204 Die erhöhte Anzeigepflicht ergab sich früher bereist aus dem bis zum 31. 12. 2004 geltenden bundesrechtlichen § 52 Hochschulrahmengesetz. Diese Vorschrift wurde mit Gesetz vom 27. 12. 2004 (BGBl. I, S. 3835) ersatzlos aufgehoben. Für eine bundesrechtliche Regelung der Anzeigepflicht für genehmigungsfreie Nebentätigkeiten wurde kein Bedarf mehr gesehen, vgl. hierzu BT-Drs. 15/4132, S. 16. 205 In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 01. 1999 (BGBl. I, S. 18), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. 04. 2007 (BGBl. I, S. 506). Da im Rahmen der sog. Föderalismusreform des Grundgesetzes die Bundeskompetenz zur Regelung der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens entfallen ist, soll das Hochschulrahmengesetz aufgehoben werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6122) befindet sich derzeit in Beratung. 206 von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 100. 207 Engelken, Vorzensur für schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische und Vortrags- Nebentätigkeiten?, ZRP 1998, 50 (52); zur Schwierigkeit der Abgrenzung von Amt und Nebentätigkeit bei Hochschullehrern vgl. Dieterich, Das Nebentätigkeitsrecht für das wissenschaftliche und künstlerische Hochschulpersonal in Baden-Württemberg, S. 80.
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Zu beachten ist, dass Beschränkungen von Nebentätigkeiten wissenschaftlicher Art stets in einem Spannungsverhältnis zu Art. 5 III GG stehen.208 Auch darüber hinaus wird die weitgehende Anzeige- und Genehmigungspflichtigkeit von Nebentätigkeiten bei Hochschullehrern zum Teil sehr kritisch beurteilt. Es sei in der Praxis schwer nachzuvollziehen, dass Wissenschaftler an Hochschulen einerseits zu engerer Kooperation mit der Wirtschaft aufgefordert werden, um den Praxisbezug der Lehre zu gewährleisten, sie dadurch andererseits aber in den Ruch des Korruptionsverdachts geraten und durch bürokratische Verfahren behindert werden.209 Nebentätigkeiten könnten im Fall der Hochschullehrer nämlich durchaus auch dem Gemeinwohl zugute kommen. ee) Zusammenfassende Schlussbemerkung Das beamtenrechtliche Nebentätigkeitsrecht ist geprägt von dem Grundsatz der Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten der (Bundes- und Landes-)Beamten. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn kein Versagungsgrund in Form der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besteht. Im Gegenzug ist sie zu versagen, wenn eine solche Beeinträchtigung zu besorgen ist. Ein behördliches Ermessen besteht nicht. Genehmigungsfrei sind Tätigkeiten, bei denen typischerweise nicht davon auszugehen ist, dass sie mit dienstlichen Interessen kollidieren. Allerdings unterliegen auch diese genehmigungsfreien Tätigkeiten zum großen Teil einer Anzeigepflicht. Abschließend lässt sich feststellen, dass Nebentätigkeiten eines Beamten gesetzlich stark reguliert sind. Durch die grundsätzliche Genehmigungspflicht und die im Übrigen bestehenden Anzeigepflichten stehen Nebentätigkeiten weitestgehend unter der Kontrolle des Dienstherrn. Zwar besteht für ihn kein Ermessen bei der Genehmigungsentscheidung, jedoch sind die gesetzlichen Voraussetzungen einer Versagung – Beeinträchtigung dienstlicher Interessen, konkretisiert durch die ausdrücklich genannten Versagungsgründe – sehr weit gefasst, so dass die Möglichkeit eines Beamten, neben seinem Amt anderen Tätigkeiten nachzugehen, insgesamt sehr eingeschränkt ist. b) Reine Nebeneinkünfte Neben entgeltlichen Nebentätigkeiten eines Beamten ist es auch denkbar, dass dieser ohne Gegenleistung seinerseits finanzielle Zuwendungen von außerhalb der staatlichen Verwaltung erhält. Wie bei Abgeordneten besteht auch bei Beamten die erhöhte Gefahr, dass sie sich hierdurch in ihren Entscheidungen beeinflussen lassen. Um noch nicht einmal den Verdacht der Befangenheit oder Bestechlichkeit aufkommen zu lassen und die Uneigennützigkeit staatlichen Handelns zu gewährleisten, werden Zuwendungen an Beamte, die irgendeinen Bezug zu ihrem Amt aufweisen können, gesetzlich untersagt. Anders als bei Abgeordneten, die nach geltendem Recht zumindest Spenden für ihre politische Arbeit empfangen dürfen, ist es Beamten in keiner 208 209
Vgl. hierzu Scheven, Professorenamt und Nebentätigkeit, MittHV 1986, 75 ff. Battis, Gemeinwohlverwirklichung und Grundrechtsausübung, VuL 37/1999, S. 11.
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Weise gestattet, Geld oder andere materielle oder immaterielle Vorteile in Bezug auf ihre Tätigkeit als Amtsträger anzunehmen. Das geltende Recht setzt dieses Verbot in zwei verschiedenen Regelungsgebieten um: zum einen durch beamtenrechtliche Regelungen wie § 70 BBG, zum anderen durch die Strafrechtsnormen der §§ 331 ff. StGB. aa) Beamtenrechtliches Verbot reiner Nebeneinkünfte Nach § 70 BBG sowie § 43 BRRG210 darf ein Beamter keine Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf sein Amt annehmen, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht. Ausnahmen von diesem grundlegenden Verbot bedürfen der Zustimmung des gegenwärtigen oder letzten Dienstherrn. Das Verbot soll die Pflicht des Beamten zu unparteiischer, gerechter und uneigennütziger Amtsführung gewährleisten.211 Hinzu kommt, dass speziell im Beamtenrecht die Vorstellung, ein Beamter könnte aus einer konkreten dienstlichen Tätigkeit oder aus seiner allgemeinen Amtsstellung persönliche Vorteile ziehen, auf Unbehagen stößt. Schließlich ist der Lebensunterhalt des Beamten seit jeher durch die Verpflichtung des Dienstherrn zur angemessenen Alimentation gesichert.212 Selbst um seine Altersversorgung braucht der Beamte sich grundsätzlich nicht zu sorgen. Die Begriffe „Belohnungen“ und „Geschenke“ meinen jeden wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Vorteil, der dem Beamten unmittelbar oder mittelbar zugewendet wird und auf den der Beamte keinen Anspruch hat.213 Von dem Verbot erfasst sind damit auch solche Zuwendungen, bei denen der Anschein der Beeinflussbarkeit und Eigennützigkeit des Beamten zunächst nicht ersichtlich ist.214 Für derartige Zuwendungen kann allerdings die Zustimmung durch den Dienstherrn nach § 70 S. 2 BBG erteilt werden.215 Voraussetzung des Verbots ist im Übrigen, dass die Zuwendung „in Bezug auf das Amt“ gewährt wird. Diese Amtsbezogenheit setzt voraus, dass sich nach den konkreten Umständen des Falles der Zuwendende davon leiten lassen muss, dass der Beamte Träger eines Amtes ist oder war.216 Ein darüber hinausgehendes Beziehungsverhältnis im Sinne einer Unrechtsvereinbarung ist dagegen nicht erforderlich, um den Verbotstatbestand zu erfüllen.217 Dem Verbot unterfallen ferner auch vertragliche Leistungen, bei denen Leistung und Gegenleistung außer Verhältnis 210
Für Baden-Württemberg siehe § 89 LBG. Battis, BBG, § 70 Rn 2. 212 Duttge, „Diu rehte mz“ – auch bei der Bekämpfung der Korruption!, ZRP 1997, 72 (73). 213 Battis, BBG, § 70 Rn 3. 214 Kritisch dazu und mit einigen Beispielen, bei denen ein ausnahmsloses Verbot eigenartig anmutet Duttge, „Diu rehte mz“ – auch bei der Bekämpfung der Korruption!, ZRP 1997, 72 (76). Duttge beschreibt dies als „Rechtspflicht zur Unhöflichkeit“ und plädiert für eine teleologische Auslegung der Norm. 215 Zu den Voraussetzungen einer Zustimmung durch den Dienstherrn siehe Schaller, Neue Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung, RiA 1998, 9 (13). 216 Battis, BBG, § 70 Rn 3. 217 Hettinger, Das Strafrecht als Büttel?, NJW 1996, 2263 (2270). 211
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zueinander stehen, so zum Beispiel bei überhöhten Vergütungen für Nebentätigkeiten.218 Hierbei ist die Parallele zu § 44a II 3 AbgG, nach dem auch bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen, unverkennbar. Die Vermutung, dass durch die erhöhte Gegenleistung auf die Amts- bzw. die Mandatsausübung unlauterer Einfluss genommen werden soll, liegt in beiden Fällen nahe. Der Verstoß gegen das Annahmeverbot ist ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 I BBG. Der Beamte muss mit dienstrechtlichen Konsequenzen nach dem Bundesdisziplinargesetz (BDG) rechnen. bb) Strafrechtliches Verbot reiner Nebeneinkünfte Darüber hinaus werden die beamtenrechtlichen Verbotsnormen durch Strafvorschriften flankiert.219 Die Annahme bestimmter Vorteile kann auch strafrechtliche Folgen haben und damit nicht nur das oben beschriebene beamtenrechtliche Disziplinarunrecht, sondern gleichsam Kriminalunrecht verkörpern.220 Die relevanten Straftatbestände finden sich in den §§ 331 ff. StGB. (1) Die §§ 331 ff. StGB Die sogenannten Bestechungstatbestände der §§ 331 ff. StGB unterscheiden zwischen der aktiven und der passiven Seite der Zuwendung. Die §§ 331, 332 StGB stellen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit eines Amtsträgers unter Strafe. Sie sind damit Sonderdelikte in Form echter Amtsdelikte, nach denen sich nur Amtsträger iSd § 11 I Nr. 2 StGB oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete iSd § 11 I Nr. 4 StGB strafbar machen können.221 Spiegelbildlich hierzu sanktionieren
218
Battis, BBG, § 70 Rn 3. Zum Verhältnis des beamtenrechtlichen und des strafrechtlichen Verbots siehe Hettinger, Das Strafrecht als Büttel?, NJW 1996, 2263 (2269 ff.); zur verbreiteten Skepsis im Hinblick auf das Verbot der Mehrfachbestrafung nach Art. 103 III GG, einen Verstoß dagegen jedoch verneinend Rudolphi/Stein, in: SK, StGB, Vor § 331 Rn 9 m.w.N. Nach letzteren seien allenfalls Zweifel im Hinblick auf Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK anzumelden, das von Deutschland allerdings nicht ratifiziert wurde. 220 Vgl. Rudolphi/Stein, in: SK, StGB, Vor § 331 Rn 8; zum Rechtsgut der Bestechungsdelikte umfassend Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, S. 239 ff. 221 Hierzu ausführlich Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, Berlin 2001; zur Ausdehnung der Bestechungsdelikte auf ausländische Amtsträger siehe das Gesetz zum Protokoll vom 27. 09. 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 10. 09. 1998 (EuBestG), BGBl. II 1998, S. 2340, sowie das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17. 12. 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 10. 09. 1998 (IntBestG), BGBl. II 1998, S. 2327; zu diesen ausführlich Gänßle, Das Antikorruptionsstrafrecht, NStZ 1999, 543 (543 ff., 546 ff.); zum IntBestG im Zusammenhang mit der Bestechung von ausländischen Abgeordneten siehe bereits oben den Exkurs nach B. I. 3. d) cc). 219
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die §§ 333, 334 StGB die aktive Seite der Vorteilsgewährung und der Bestechung. Täter dieser Tatbestände kann jedermann sein. Ein Amtsträger kann nach § 331 I StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wenn er für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Spiegelbildlich hierzu macht sich der Vorteilsgewährende nach § 333 I StGB durch das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils strafbar. Der Vorteilsbegriff ist hier wie beim beamtenrechtlichen Verbotstatbestand sehr weit zu verstehen. Als Vorteil in diesem Sinne gilt jede Zuwendung materieller oder immaterieller Art, die den Beamten oder den Dritten wirtschaftlich, rechtlich oder persönlich besser stellt und auf die er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat.222 Eine Vergütung, auf die der Beamte für eine genehmigte oder genehmigungsfreie Nebentätigkeit einen Anspruch hat, fällt damit nicht unter den Vorteilsbegriff. Bei überhöhten Entgelten muss genau abgegrenzt werden, welcher Teil des Entgelts eine angemessene Vergütung für die erbrachte Nebentätigkeit bildet und welcher Teil als unrechtmäßiger Vorteil iSd § 331 StGB anzusehen ist. Das Merkmal „für die Dienstausübung“ ist Relikt der früher als Kern der Bestechungsdelikte geltenden Unrechtsvereinbarung.223 Durch Änderung des Wortlauts der Norm ist nunmehr lediglich ein Beziehungsverhältnis in dem Sinne erforderlich, dass der Vorteil dem Empfänger im Hinblick auf die Dienstausübung des Amtsträgers zugute kommen soll. Damit werden auch solche Fälle erfasst, bei denen eine hinreichend bestimmte Diensthandlung als konkrete Gegenleistung nicht nachzuweisen ist.224 In den strafbaren Bereich fallen damit auch Zuwendungen als nachträgliches „Dankeschön“ und solche zur allgemeinen „Klimapflege“.225 Vorausgesetzt ist lediglich eine gewisse inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung und eine wenigstens stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten hierüber.226 Nicht in den Tatbestand fallen sozialadäquate Leistungen, bei denen der Unrechtszusammenhang zwischen Dienstausübung und Zuwendung fehlt, weil sie der Höflichkeit oder Gefälligkeit entsprechen und gewohnheitsrechtlich verankert sind, wie beispielsweise geringwertige Aufmerksamkeiten zu Jubiläen.227 Die Strafbarkeit entfällt nach § 331 III StGB bzw. § 333 III StGB, wenn die zuständige Behörde der Annahme des Vorteils zustimmt.228 222
Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn 17. Vgl. BGHSt 39, 45 (46). Das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung galt wegen der erheblichen Beweisschwierigkeiten als „normative Schwachstelle“ der Bestechungsdelikte, vgl. Schaupensteiner, Gesamtkonzept zur Eindämmung der Korruption, NStZ 1996, 409 (412). 224 Lackner/Kühl, StGB, § 331 Rn 10a; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn 7. 225 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT 1, Rn 1109 S. 329. 226 Fischer, StGB, § 331 Rn 21, 23. 227 Fischer, StGB, § 331 Rn 25. 228 Dogmatisch wird dabei der vorher erteilten Zustimmung überwiegend eine rechtfertigende Wirkung zugemessen, während die nachträgliche Genehmigung allenfalls als Strafaufhebungsgrund angesehen wird; vgl. hierzu Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn 46, 50. 223
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Als Qualifikation zu § 331 I StGB229 wird nach § 332 I StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer einen Vorteil als Gegenleistung für eine künftige oder bereits vorgenommene Diensthandlung230 fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, die seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde. Auch hier besteht die spiegelbildliche Strafbarkeit des Zuwendenden nach § 334 I StGB. Die erschwerte Strafbarkeit besteht zum einen darin, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine bestimmte Handlung dient. Dies erfordert ein direktes Beziehungsverhältnis im Sinne eines Äquivalenzverhältnisses zwischen Zuwendung und Diensthandlung in Form der sog. Unrechtsvereinbarung. Zum anderen ist qualifizierende Voraussetzung, dass es sich um eine pflichtwidrige Diensthandlung handeln muss. (2) Wesentliche Unterschiede zu § 108e StGB Anders als § 108e StGB erfassen die §§ 331 ff. StGB auch immaterielle Vergünstigungen. Zwar ist umstritten, ob immaterielle Vorteile zumindest einen objektiv messbaren Inhalt aufweisen müssen,231 jedoch ergibt sich unabhängig von einer Entscheidung dieses Streits ein ersichtlich weiterer Anwendungsbereich der Bestechungstatbestände nach den §§ 331 ff. StGB gegenüber der Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB. Ferner werden von den §§ 331 ff. StGB nicht allein Einflussnahmen auf konkrete Entscheidungsfindungen pönalisiert, sondern jegliche Vorteilsannahme in Bezug auf jegliche Amtstätigkeit. § 108e StGB erfasst dagegen allein den Stimmenkauf und ist damit wesentlich enger. In den strafbaren Bereich der §§ 331 ff. StGB fallen zudem auch nachträgliche Zuwendungen, d. h. solche, die der Amtsträger als „Dankeschön“ im Nachhinein erhält. Hiermit wird der kriminalpolitischen Erwägung Rechnung getragen, dass es der allgemeinen Natur des Menschen entspricht, dass nachträgliche Belohnungen für eine bestimmte Handlung auch das zukünftige Verhalten des Amtsträgers gegenüber dem Geber beeinflussen kann232 – eine Überlegung, die auch auf Parlamentsabgeordnete zutreffen dürfte. Durch die §§ 331 ff. StGB werden insgesamt also deutlich mehr korruptive und für strafwürdig erachtete Verhaltensweisen erfasst als von § 108e StGB. Der Strafverfolgung kommt damit im exekutiven – und, wie an späterer Stelle noch festzustellen sein wird, auch im judikativen233 – Bereich eine erheblich größere Bedeutung zu als der strafrechtlichen Verfolgung unlauteren Verhaltens im parlamentarischen Umfeld. 229
Lackner/Kühl, StGB, § 332 Rn 2. Der Vornahme einer Diensthandlung steht nach § 336 StGB das Unterlassen einer Diensthandlung gleich. 231 So Kaiser, Spenden an politische Parteien und strafbare Vorteilsannahme, NJW 1981, 321 (322); diese Einschränkung ablehnend Scheu, Parteispenden und Vorteilsannahme, NJW 1981, 1195, der daher auch die Befriedigung des Ehrgeizes, der Eitelkeit und des Geltungsbedürfnisses genügen lassen will; kritisch gegenüber der Einschränkung auch Fischer, StGB, § 331 Rn 11c. 232 Hartmann, Zur Straflosigkeit der Abgeordnetenbestechung, DVBl. 1964, 615 (616). 233 Vgl. hierzu unten B. III. 4. 230
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
c) Befangenheitsvorschriften Regelungen über die Befangenheit von Beamten im konkreten Einzelfall finden sich in zweierlei Hinsicht. Zum einen sieht § 59 I BBG allgemein vor, dass ein Beamter von Amtshandlungen zu befreien ist, von denen er selbst oder ein Angehöriger betroffen ist.234 Hierbei handelt es sich um eine lediglich im beamtenrechtlichen Innenverhältnis zwischen Beamten und ihrem Dienstherrn geltende Vorschrift,235 nach der der Beamte seine Befreiung von der Bearbeitung einer ihn selbst betreffenden Sache als eigenes Recht verlangen kann236 und die allenfalls mittelbare Wirkungen im Außenverhältnis zum Bürger entfaltet.237 Daneben finden sich in den Gesetzen über das Verwaltungsverfahren238 für das Außenverhältnis zwischen Verwaltung und Bürger Befangenheitsregelungen, die – ähnlich wie die an späterer Stelle zu erörternden für das gerichtliche Verfahren geltenden Regelungen239 – die Mitwirkung eines Amtswalters am Verwaltungsverfahren für bestimmte Fälle verhindern240 und bei Missachtung zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns führen können.241 Beide Regelungskomplexe dienen dem Gebot des unbefangenen Verwaltens. Dieses ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und gehört zudem als Dienstpflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn zu den hergebrachten Grundsätzen des Be-
234 Vgl. hierzu im Einzelnen Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch 66 (1975), 370 (382); Battis, BBG, § 59 Rn 2. Für BadenWürttemberg findet sich die entsprechende landesgesetzliche Regelung in § 77 LBG. 235 Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 57. 236 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn 2. 237 Zur Außenwirkung der Norm vgl. Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 57 f.; Baltes, Die Neutralität des Berufsbeamtentums, S. 44; Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 3 C. III. 2. b., Manuskript S. 302. 238 Die folgenden Ausführungen orientieren sich am Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes, wobei die Landesverwaltungsverfahrensgesetze hierzu kaum Abweichungen enthalten; zur Rechtslage vor Schaffung des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Jahre 1976 (BGBl. I, S. 1253 ff.) vgl. Wimmer, Der befangene Amtsträger im behördlichen Verfahren, MDR 1962, 11 ff.; Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 49 ff.; Marr, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 24 ff.; Scheuing, Der Amtskonflikt als Ausschlussgrund im Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 1982, 487 (488); Haueisen, Die Bedeutung der Interessenkollision im Verwaltungsrecht, DVBl. 1950, 774 ff.; Wenzel, Amtsausübung und Interessenkollision, DÖV 1976, 411 ff. 239 Vgl. hierzu unten B. III. 1. c). 240 Vgl. etwa die §§ 20, 21, 71 III BVwVfG; aber z. B. auch in den §§ 82, 83 AO, §§ 16, 17 SGB X, § 48 BDG, § 16 BNotO, § 3 BeurkG finden sich vergleichbare Regelungen. 241 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 21 Rn 12; zu den Auswirkungen des verbotenen Tätigwerdens auch Scheuing, Der Amtskonflikt als Ausschlussgrund im Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 1982, 487 (489).
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rufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 V GG.242 Auch hier soll bereits der böse Anschein, dass persönliche Beweggründe oder andere Parteilichkeit die Verwaltungsentscheidung beeinflussen könnten, vermieden und so das Ansehen der Verwaltung und das darauf aufbauende Vertrauen der Öffentlichkeit erhalten werden. Die verwaltungsrechtlichen Befangenheitsvorschriften sollen im Interesse einer optimalen Aufgabenerfüllung und des Rechtsschutzes des Bürgers das Verwaltungsverfahren von sachfremden Einflüssen freihalten und so ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren gewährleisten sowie den Amtsträger vor Gewissenskonflikten bewahren.243 Nicht zuletzt dienen die Vorschriften daher auch dem Schutz des einzelnen Amtswalters, der sich des Vorwurfs der Befangenheit ausgesetzt sieht bzw. tatsächlich einem inneren Konflikt unterliegt und der durch die Befangenheitsvorschriften von konfliktsträchtigen Entscheidungen befreit wird.244 Im Folgenden werden die zentralen Befangenheitsvorschriften des BVwVfG exemplarisch skizziert.245 aa) Ausschluss nach § 20 BVwVfG § 20 I BVwVfG enthält von Amts wegen zu berücksichtigende Ausschlussgründe. Für die genannten Personen vermutet der Gesetzgeber unwiderleglich, dass eine typische Interessenkollision vorliegt und sie daher nicht unvoreingenommen am Verwaltungsverfahren mitwirken können.246 Auf eine tatsächliche Befangenheit kommt es nicht an.247 Nach § 20 I 1 BVwVfG dürfen folgende Personen nicht auf Seiten einer Behörde in einem Verwaltungsverfahren tätig werden:248 diejenigen, die selbst Beteiligte iSd § 13 I BVwVfG sind (Nr. 1) oder deren Angehörige249 am Verfahren beteiligt sind (Nr. 2); Vertreter eines Beteiligten (Nr. 3) und Angehörige eines Vertreters eines Be242
Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch 66 (1975), 370 (374); Dagtoglou, Befangenheit und Funktionenhäufung in der Verwaltung, in: Festg. Forsthoff, S. 65 (70); Besche, Die Besorgnis der Befangenheit im Verwaltungsverfahren – insbesondere im Prüfungswesen, DÖV 1972, 636 (637). 243 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn 2; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 1. 244 Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 40. 245 Zum Anwendungsbereich der §§ 20, 21 BVwVfG siehe Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 3 C. III. 2. a., Manuskript S. 297 f. 246 Scheuing, Der Amtskonflikt als Ausschlussgrund im Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 1982, 487. 247 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn 3; Scheuing, Der Amtskonflikt als Ausschlussgrund im Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 1982, 487 (489). 248 Zur Auslegung der einzelnen Ausschlussgründe siehe ausführlich Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 90 ff.; Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 53 ff. 249 Wen das Gesetz hier als Angehörigen ansieht, ergibt sich enumerativ aus § 20 V BVwVfG.
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teiligten (Nr. 4); Personen, die bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt sind oder bei einem Beteiligten als Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats oder eines ähnlichen Organs tätig sind (Nr. 5);250 Personen, die außerhalb ihrer amtlichen Eigenschaft in derselben Angelegenheit ein Gutachten erstattet haben oder auf sonstige Weise tätig geworden sind (Nr. 6). Dem Beteiligten wird nach § 20 I 2 BVwVfG ausdrücklich jeder gleichgestellt, der durch die Verwaltungstätigkeit oder die -entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann, sofern nicht der Vor- oder Nachteil allein auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufs- oder Bevölkerungsgruppe beruht, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden, vgl. § 20 I 3 BVwVfG. Der Vor- oder Nachteil kann rechtlicher, wirtschaftlicher, ideeller, immaterieller, familiärer, privater oder sonstiger Natur sein.251 Das Unmittelbarkeitskriterium verlangt, dass sich bei wertender Betrachtungsweise ein individuelles Sonderinteresse am Ausgang des Verfahrens herauskristallisiert.252 Das Vorliegen eines der abschließend aufgeführten Gründe führt zum Ausschluss der betreffenden Person kraft Gesetzes, ohne dass hierüber eine ausdrückliche Behördenentscheidung erfolgen muss.253 Allerdings darf bei Gefahr im Verzug selbst ein ausgeschlossener Amtswalter gemäß § 20 III BVwVfG unaufschiebbare Maßnahmen treffen, wenn nicht rechtzeitig für eine Vertretung gesorgt werden kann. Durch diese Vorschrift verleiht der Gesetzgeber eine Notkompetenz zur Sicherung der Verwaltungseffektivität und der ständigen Funktionsfähigkeit der Verwaltung254 und gibt somit diesem Anliegen in besonderen Situationen den Vorrang gegenüber der zu schützenden Objektivität der Verwaltung.255 Grundsätzlich dürfen die getroffenen Maßnahmen jedoch nur vorläufigen Charakter haben.256 Im Übrigen darf der Betref-
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Dieser Ausschlussgrund gilt ausdrücklich nicht für Personen, deren Anstellungskörperschaft Beteiligte ist; ausführlich zum Ausschlussgrund nach Nr. 5 vgl. Wais, Gefahr von Interessenkollisionen bei gleichzeitiger Wahrnehmung eines öffentlichen Amts und eines Aufsichtsratsmandats?, NJW 1982, 1263 ff. 251 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn 19. 252 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 35; zu den verschiedenen Ansichten zur Auslegung der Unmittelbarkeit siehe die übersichtliche Darstellung bei Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 58 f.; vgl. im Übrigen zum entsprechenden Unmittelbarkeitsbegriff der kommunalrechtlichen Befangenheitstatbestände unten B. II. 3. c) aa). 253 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 1, 3. 254 Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 210; Dagtoglou beschreibt dies als „öffentliches Bedürfnis nach der Arbeitsfähigkeit eines jeden Verwaltungsorgans“, vgl. Dagtoglou, Befangenheit und Funktionenhäufung in der Verwaltung, in: Festg. Forsthoff, S. 65 (79). 255 Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn 51; Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 69; Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 210. 256 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 49; zustimmend Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 213.
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fende nicht mehr an der behördlichen Entscheidung mitwirken und ist anhand der behördeninternen Vertretungsregeln zu ersetzen. bb) Besorgnis der Befangenheit nach § 21 BVwVfG Neben dem Ausschluss kraft Gesetzes sieht § 21 BVwVfG als Auffangtatbestand257 ein behördeninternes Prüfungsverfahren vor, das bei Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Amtswalters in Gang gesetzt werden kann. So hat der betreffende Beamte aus eigenem Antrieb oder auf Betreiben eines Verfahrensbeteiligten, der das Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit substantiiert behauptet, den Behördenleiter über die Umstände zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Der Amtswalter kann sodann ohne Weiteres durch dienstliche Weisung ausgewechselt werden. Ein subjektives Recht auf den „gesetzlichen Verwaltungsbeamten“ entsprechend dem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 I 2 GG gibt es grundsätzlich nicht.258 Das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit setzt objektiv feststellbare konkrete Tatsachen voraus, aufgrund derer im besonderen Einzelfall die subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis nicht auszuschließen ist, dass ein bestimmter Amtsträger nicht unvoreingenommen entscheiden kann.259 Bloße subjektive Befürchtungen oder Vermutungen genügen nicht.260 Andererseits ist auch hier keine tatsächliche Befangenheit des Amtsträgers erforderlich;261 der „böse Schein“ ist hinreichend.262 Der über die Auswechslung entscheidende Behördenleiter hat bei seiner Entscheidung über die Befangenheit weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum.263 Bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes nach § 21 BVwVfG muss er die Nichtmitwirkung des Betreffenden veranlassen.264 Ist der Behördenleiter selbst betroffen, so entscheidet nach § 21 I 2 BVwVfG die Aufsichtsbehörde über seine Ersetzung, wenn er sich nicht bereits von sich aus der Mitwirkung enthält.
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Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 203. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn 5; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101 Rn 18; Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten?, S. 9 ff., 31, der allenfalls ein Recht auf die gesetzliche Verwaltungsbehörde anerkennen will. 259 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn 13; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 21 Rn 5; zur Kasuistik der Erscheinungsformen der Befangenheit vgl. Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 260 ff. 260 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn 14; Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 65. 261 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 21 Rn 5. 262 Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 21 Rn 9; Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 65. 263 Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 327. 264 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn 20; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 21 Rn 10. 258
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cc) Kein förmliches Ablehnungsrecht der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens Während die prozessrechtlichen Befangenheitsvorschriften neben dem Ausschluss kraft Gesetzes ein subjektives Ablehnungsrecht der Parteien wegen Besorgnis der Befangenheit vorsehen,265 ist für das allgemeine Verwaltungsverfahren ein förmliches Ablehnungsrecht der Beteiligten nicht vorgesehen.266 Ein solches ergibt sich auch nicht aus § 21 BVwVfG. Zugunsten der Verwaltungseffizienz soll die Möglichkeit der missbräuchlichen Verfahrensverschleppung soweit wie möglich eingedämmt sein.267 Die Beteiligten können und sollten jedoch bei Kenntnis um einen Befangenheitsgrund diesen gegenüber der Behörde rechtzeitig268 geltend machen und die behördeninterne Prüfung nach § 21 BVwVfG anregen. Teilweise wird dies angesichts dessen, dass die Entscheidung des Behördenleiters keine Ermessensentscheidung ist, als „informelles Ablehnungsrecht“ bezeichnet.269 d) Unparteilichkeit und Zurückhaltung als allgemeine Dienstpflicht Das Gebot der Unparteilichkeit findet sich auch in den allgemeinen Anforderungen an die Amtsführung der Beamten nach den §§ 52 ff. BBG,270 durch die das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis auf Grundlage des Art. 33 V GG einfachgesetzlich ausgestaltet wird.271 Danach dient der Beamte uneigennützig dem ganzen Volk. Er hat nach § 52 I 2 BBG seine Aufgaben unparteiisch zu erfüllen, wobei er auf Gerechtigkeit und das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen hat und nicht
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Vgl. hierzu die Ausführungen unten B. III. 1. c) bb). Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 3, 56, § 21 Rn 2; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn 3, § 21 Rn 2; Maier, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 79 f.; so auch schon BVerwGE 29, 70 (71); anders ist es dagegen im förmlichen Verfahren nach § 65 I 2 BVwVfG gegenüber Sachverständigen und nach § 71 III BVwVfG gegenüber Mitgliedern eines Ausschusses; von einem förmlichen Ablehnungsrecht nach alter Rechtlage ausgehend Ule, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1957, 597 (602). 267 Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 21 Rn 4; Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 35. 268 Zur diesbezüglichen Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten und zur Folge der Präklusion bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung siehe Clausen, in: Knack, VwVfG, § 21 Rn 4; Kopp, Die Ablehnung befangener Amtsträger im Verwaltungsverfahrensrecht, BayVBl. 1994, 109; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn 3 spricht hier von einer „Obliegenheit“ der Geltendmachung der Befangenheitsgründe. 269 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn 4; Kopp, Die Ablehnung befangener Amtsträger im Verwaltungsverfahrensrecht, BayVBl. 1994, 109 spricht angesichts der drohenden Verwirkung bei verspäteter Geltendmachung des Befangenheitsgrundes durch die Beteiligten anschaulich von einer „Ablehnungslast“. 270 Vgl. die quasi identische Vorschrift des § 35 I BRRG sowie für Baden-Württemberg die §§ 70, 72, 73 LBG. 271 Battis, BBG, § 52 Rn 2. 266
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einzelne Gruppeninteressen vertreten darf.272 Hinzu kommt die in § 53 BBG enthaltene Zurückhaltungspflicht bei politischer Betätigung. Ergänzend wird die Uneigennützigkeit der Amtsverwaltung in § 54 S. 2 BBG als allgemeine Beamtenpflicht aufgestellt. Der Beamte hat sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes an der allgemeinen Achtung und das seinem Beruf entgegen gebrachte Vertrauen zu orientieren (§ 54 S. 3 BBG). Uneigennützigkeit verbietet es, dienstliche Aufgaben mit privaten Interessen zu verknüpfen.273 Bei diesen allgemeinen Dienstpflichten handelt es sich um Auffang- und Generalklauseln, die die Gemeinwohlverpflichtung und parteipolitische Neutralität des Beamten absichern sollen.274 Sie dienen als „Richtschnur für das Amtsethos des Beamten“.275 Während die Befangenheitsvorschriften Rechte der Bürger auf die Nichtbeteiligung eines konkreten Beamten beschreiben, dessen Unbefangenheit in Frage steht, handelt es sich bei den §§ 52 ff. BBG um Pflichten des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn. Er hat schon den Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden und sich vor Interessenkollisionen zu bewahren, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine rechtsstaatliche Verwaltung zu wahren. Mag die allgemeine Zurückhaltungs- und Mäßigungspflicht auch grundsätzlich nur im Verhältnis zum Dienstherrn rechtlichen Bestand haben, so ist die faktische Außenwirkung nicht zu unterschätzen. Auch sie erbringt ihren Beitrag dazu, das Vertrauen der Bürger in die Gemeinwohlorientiertheit der Verwaltung zu stärken.276 In der Person des Beamten kann sie darüber hinaus Art und Umfang der von ihm ausgeübten Nebentätigkeiten beeinflussen. 2. Mitglieder der Bundesregierung277 a) Wirtschaftliche Inkompatibilität Für die Mitglieder der Bundesregierung (Bundeskanzler, Bundesminister) findet sich für Tätigkeiten neben ihrem Regierungsamt eine ausdrückliche Regelung im Grundgesetz. Gemäß Art. 66 GG besteht ein Berufs- und Gewerbeverbot,278 das 272
Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 26. Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 260. 274 Battis, BBG, § 52 Rn 1, 3. 275 Battis, BBG, § 52 Rn 5. 276 Baltes, Die Neutralität des Berufsbeamtentums, S. 44. 277 Zu entsprechenden Regelungen für Regierungsmitglieder der Länder siehe Tsatsos, Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Regierungsmitgliedern, VerwArch 58 (1967), 360 (363) und Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, 3. Teil B. II. 3., Manuskript S. 204 ff. 278 Für den Bundespräsidenten gelten nach Art. 55 II GG vergleichbare Verbote, ebenso nach § 14 III WBeauftrG für den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages und nach § 23 II 1 BDSG für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, wobei für diese keine Ausnahmeregelung mit Genehmigungsmöglichkeit besteht. Auf eine ausführliche Darstellung der Inkompatibilitätsnormen für diese Ämter wird verzichtet. 273
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auch einfachgesetzlich in § 5 I des Bundesministergesetzes279 (BMinG) verankert ist. Danach dürfen Mitglieder der Bundesregierung neben ihrem Amt weder ein anderes besoldetes Amt, ein Gewerbe oder einen Beruf ausüben, noch der Leitung, dem Vorstand, dem Aufsichts- oder Verwaltungsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.280 Zusätzlich zur grundgesetzlichen Regelung sieht § 5 I 2 BMinG vor, dass auch eine Tätigkeit als entgeltlicher Schiedsrichter oder außergerichtlicher Gutachter nicht gestattet ist. Im Übrigen sollen nach § 5 II BMinG die Mitglieder der Bundesregierung während ihrer Amtszeit auch keine öffentlichen Ehrenämter bekleiden. Von dem grundsätzlichen Verbot der Zugehörigkeit zu einem Aufsichts- oder Verwaltungsrat eines Erwerbsunternehmens kann mit Zustimmung des Bundestages abgewichen werden.281 Dies soll speziell die Interessenwahrung des Bundes in Unternehmen ermöglichen, in denen der Bund einen überwiegenden Einfluss hat.282 Diese Interessenwahrnehmung geschieht durch den jeweiligen Bundesminister dann allerdings allein im Namen, zugunsten und im Interesse des Bundesstaates und gerade nicht zur Förderung von Eigeninteressen des jeweiligen Regierungsmitglieds. Diese Art der Interessenwahrnehmung gehört zu den natürlichen Aufgaben der Bundesregierung – die Repräsentation der Staatsinteressen in allen, und daher auch in wirtschaftlichen, Belangen. Im Hinblick auf Nebentätigkeiten lässt sich damit eine umfangreiche wirtschaftliche Inkompatibilität283 feststellen. Für Mitglieder der Bundesregierung besteht ein umfassendes Berufs- und Gewerbeverbot,284 das jede Art individueller Erwerbstätig279 In der Fassung vom 27. 07. 1971 (BGBl. I, S. 1166), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 15. 12. 2004 (BGBl. I, S. 3390); die Regelungen gelten gemäß § 7 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG) vom 24. 07. 1974 (BGBl. I, S. 1538) entsprechend für diese. 280 Beachte den unterschiedlichen Wortlaut der Normen: Art. 66 GG nennt lediglich die Leitung und das Angehören des Aufsichtsrates eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens, während § 5 I BMinG das Angehören eines Vorstandes, Aufsichts- oder Verwaltungsrates untersagt. Letztere Vorschrift ist dabei als sachliche Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben anzusehen, vgl. Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amtsund Mandatsträgern, 3. Teil B. II. 2., Manuskript S. 202. 281 Zu den Voraussetzungen der Ausnahmegenehmigung siehe Nebendahl, Inkompatibilität zwischen Ministeramt und Aufsichtsratsmandat, DÖV 1988, 961 (962 ff.). 282 Meyn, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 66 Rn 1; Tsatsos, Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Regierungsmitgliedern, VerwArch 58 (1967), 360 (370); hierzu und zu entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen auch Meier, Inkompatibilität und Interessenwiderstreit von Verwaltungsangehörigen in Aufsichtsräten, NZG 2003, 54 (56). 283 Zum Begriff der „wirtschaftlichen Inkompatibilität“ als terminus technicus siehe Tsatsos, Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Regierungsmitgliedern, VerwArch 58 (1967), 360 (361); Weber, Der Ausschluss wirtschaftlicher Unternehmer vom Parlamentsmandat, in: Rechtswissenschaftliche Beiträge zum 25jährigen Bestehen der Handels-Hochschule Berlin, S. 113 (116 f.). 284 Das Verbot, ein anderes besoldetes Amt auszuüben, betrifft die Trennung der verschiedenen Zweige staatlicher Tätigkeit, „die klassische“ Gewaltenteilung, und soll daher hier
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keit erfasst,285 und sich damit als umfassendes Nebentätigkeitsverbot darstellt.286 Dies soll zum einen gewährleisten, dass die Mitglieder der Bundesregierung ihre ganze Arbeitskraft ihrem Regierungsamt widmen.287 Zum anderen kommt darin das Bestreben zum Ausdruck, eine Kollision von Amtspflichten und Privatinteressen bereits in ihren Anfängen zu vermeiden, um eine „saubere“ Amtsführung sicherzustellen.288 Auch hier gilt es, bereits den „bösen Schein“ einer Abhängigkeit oder Beeinflussung des Ministers sowie einer Ausnutzung des Regierungsamtes zu eigenen Zwecken zu vermeiden.289 Gesellschaftliche, vor allem aber wirtschaftliche Interessen sollen von der Ausübung der Regierungsämter grundlegend ferngehalten werden;290 die Ministertätigkeit soll sich allein am Gemeinwohl orientieren und mit der nötigen Distanz zu privaten Interessen wahrgenommen werden.291 Die Vorschriften dienen damit der persönlichen Unabhängigkeit und wirken gegen einen Missbrauch der politischen Stellung für wirtschaftliche Interessen sowie umgekehrt gegen eine unerwünschte Einflussnahme privater Interessen auf die Regierungsmitglieder. Im Sinne des Gewaltenteilungsgedankens soll vermieden werden, dass zuviel Macht und Einfluss politischer und wirtschaftlicher Art in einer Person vereint werden.292 Im Hinblick auf Mitglieder der Regierung sind dabei besonders strenge Vorschriften für Nebentätigkeiten gewählt worden. Während die Rechtsordnung Nebentätigkeiten von Beamten als zwar anzeige- bzw. genehmigungsbedürftig, aber im Grundsatz zulässig erachtet, sind sie den Ministern im Grundsatz von Verfassungs wegen verboten.293 Dies rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass Minister einen besonders hohen Einfluss auf das politische, wirtschaftliche und organisatorische Geschehen in der Bundesrepublik haben und somit die Verquickung privater und amtlicher Inausgeklammert werden. In dieser Arbeit soll allein die Vermeidung der Kumulation von öffentlich-rechtlichen und privaten/wirtschaftlichen Machtpositionen beleuchtet werden. 285 Tsatsos, Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Regierungsmitgliedern, VerwArch 58 (1967), 360 (366). 286 Zu den Gründen der strengen Auslegung des Verbots siehe Morlok/Krüper, Ministertätigkeit im Spannungsfeld von Privatinteresse und Gemeinwohl, NVwZ 2003, 573 (575); zur praktischen Umsetzung des Verbots vgl. Busse, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 66 Rn 7, 13 ff. 287 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 66 Rn 5; Sturm, Die Inkompatibilität, S. 91; Willand, Besoldungs- und Versorgungsstrukturen des Ministeramtes, S. 127. 288 Sturm, Die Inkompatibilität, S. 91. 289 Morlok/Krüper, Ministertätigkeit im Spannungsfeld von Privatinteresse und Gemeinwohl, NVwZ 2003, 573 (574). 290 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 66 Rn 3; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 30. 291 Vgl. Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 245, der den Distanzgedanken besonders hervorhebt. 292 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 66 Rn 4. 293 Willand, Besoldungs- und Versorgungsstrukturen des Ministeramtes, S. 126; Tsatsos, Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Regierungsmitgliedern, VerwArch 58 (1967), 360 (364).
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teressen besonders kritisch erscheinen.294 Die hohe Verantwortung, die ein Regierungsamt mit sich bringt, macht es zudem erforderlich, dass sich Minister ganz ihrem Amt widmen.295 Im Übrigen findet ihre Arbeit nicht gleichermaßen in der Öffentlichkeit statt, wie es z. B. bei den Abgeordneten durch die Öffentlichkeit der Plenar- und vieler Ausschusssitzungen der Fall ist, so dass die Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit hier nicht als das einzige Korrektiv fungieren kann.296 Um zudem bereits dem bösen Anschein der externen Beeinflussbarkeit entgegenzuwirken, wird das strenge Nebentätigkeitsverbot für die Mitglieder der Bundesregierung als geradezu zwingend angesehen. b) Nebeneinkünfte In Bezug auf Nebeneinkünfte ist zum einen § 5 III BMinG zu nennen. Danach haben sowohl aktuelle als auch ehemalige Minister über Geschenke, die sie in Bezug auf ihr Amt erhalten, Mitteilung zu machen, woraufhin die Bundesregierung – als Kollegialorgan – über deren Verwendung entscheidet.297 Diese Regelung ist mit der Geschenkeregelung des § 4 V b) VerhR vergleichbar; denn auch dem § 5 III BMinG liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Geschenk, das ein Minister allein wegen seines Regierungsamtes erhalten hat, nicht ihm persönlich zusteht, sondern der Körperschaft, von der er seine amtlichen Befugnisse ableitet. Im Übrigen gelten für die Regierungsmitglieder ebenso die Straftatbestände der §§ 331 ff. StGB. Sie stehen nach Aussage des § 1 BMinG in einem „öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis“ und sind damit nach § 11 I Nr. 2 b) StGB unter den Begriff des Amtsträgers zu subsumieren.298 c) Befangenheit Auch für Mitglieder der Bundesregierung gelten beim Gesetzesvollzug die verwaltungsverfahrensrechtlichen Befangenheitsvorschriften, namentlich die §§ 20, 21 BVwVfG.299 Darüber hinausgehende Mitwirkungsverbote oder Enthaltungspflichten, beispielsweise im Rahmen der Kabinettsverhandlungen und -abstimmungen, bestehen nicht.300 Allerdings wird sich wegen der weitgehenden wirtschaftlichen 294 Morlok/Krüper, Ministertätigkeit im Spannungsfeld von Privatinteresse und Gemeinwohl, NVwZ 2003, 573 (574). 295 Busse, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 66 Rn 4. 296 Morlok/Krüper, Ministertätigkeit im Spannungsfeld von Privatinteresse und Gemeinwohl, NVwZ 2003, 573 (574). 297 Zum hierbei angewendeten Verfahren siehe Krienke, Interessenkonflikte der Regierungsmitglieder des Bundes und der Länder, S. 68. 298 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn 20; Radtke, in: MüKo, StGB, § 11 Rn 28. 299 Hierzu Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 3 C. II. 2., Manuskript S. 292 f.; Krienke, Interessenkonflikte der Regierungsmitglieder des Bundes und der Länder, S. 87. 300 Dies als bedenkliche Lücke kritisierend Krienke, Interessenkonflikte der Regierungsmitglieder des Bundes und der Länder, S. 97.
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Inkompatibilität für Bundesminister das Problem der Interessenkonflikte, die auf Nebentätigkeiten beruhen, kaum stellen.301
3. Gemeinderatsmitglieder a) Grundsätzliches Dem exekutiven Bereich werden auch die Gemeinden zugeordnet. Sie sind zwar als Träger der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG Teil der sog. mittelbaren Staatsverwaltung302 und insofern aus der staatlichen Verwaltungshierarchie ausgegliedert.303 Sie nehmen aber Verwaltungsaufgaben wahr und müssen daher grundsätzlich der exekutiven Gewalt zugeordnet werden.304 Dies gilt auch für den Gemeinderat. Der Gemeinderat ist Hauptorgan der Gemeinde (vgl. § 24 II 1 GemO BW) und die aus Wahlen hervorgehende Vertretung der Bürgerschaft. Obwohl ihm durch seine unmittelbare demokratische Legitimation und wegen der materielles Recht schaffenden Satzungsbefugnis sowie angesichts des auch den Gemeinderatsmitgliedern nach § 32 III GemO BW garantierten freien Mandats305 parlamentstypische Elemente und eine gewisse Nähe zur Legislative nicht abgesprochen werden können, ist auch der Gemeinderat ein Verwaltungsorgan, vgl. § 23 GemO BW.306 Diese grundsätzliche Einordnung in die Exekutive bedeutet indes nicht, dass sich zwischen der Stellung der Gemeinderatsmitglieder und der der Parlamentsabgeordneten nicht Parallelen ziehen ließen, die für die Lösung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte ähnliche Ansätze in die Diskussion bringen können; dies insbesondere, weil der Gemeinderat eine politisch gewählte Volksvertretung ist, die nicht allein verwaltend tätig wird, sondern in vielfacher Hinsicht politische Gestaltungsaufgaben wahrnimmt.307 Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Bedeutung der direktdemokratisch gewählten Gemeindevertretung für die Verwirklichung des Demokratieprinzips. Indem auch im lokalen Bereich dem Gemeindevolk die Partizipation an den Entscheidungsvorgängen ermöglicht wird, wird eine 301
Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 29. Kritisch zu diesem Begriff Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn 34. 303 Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (872). 304 BVerfGE 78, 344 (348); Jarass/Pieroth, GG, Art. 28 Rn 10. 305 Siehe hierzu Frowein, Das freie Mandat der Gemeindevertreter, DÖV 1976, 44 ff.; Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (874 ff.); zur Zwangsläufigkeit des Bestehens des freien Mandats auch auf kommunaler Ebene im Hinblick auf das Demokratieprinzip iVm dem Homogenitätsgebot nach Art. 28 I 1 GG vgl. BVerfGE 78, 344 (348), BVerwG NVwZ-RR 1993, 209. 306 Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 162 S. 157. 307 Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 217; freilich beschränken sich die politischen Gestaltungsaufgaben der Gemeinderäte auf rein örtliche Angelegenheiten, während sie von der allgemein-politischen Staatswillensbildung ausgeschlossen bleiben, vgl. von Ungern-Sternberg, Gemeinderat als „Kommunalparlament“?, Jura 2007, 256. 302
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
zusätzliche demokratische Ebene geschaffen, die parlamentsähnliche Funktionen ausübt.308 Auch hieraus kann sich eine gewisse Vergleichbarkeit der Rechtsstellung der Parlamentarier mit der der Gemeindevertretungsmitglieder ergeben, die für die Bewertung der Interessenkonflikte von Bedeutung sein kann. Hierbei ist jedoch stets zu beachten, dass es sich bei Gemeinderatsmitgliedern grundsätzlich um ehrenamtlich tätig werdende Bürger handelt, die neben ihrer Mitgliedschaft selbstverständlich ihren eigentlichen Berufen nachgehen können und müssen. Diese Notwendigkeit ergibt sich allein schon aus dem im Vergleich zum Berufsbeamtentum und zur Bundestagsmitgliedschaft deutlich geringeren Zeitaufwand für die Wahrnehmung dieses Wahlamtes. Zudem erhalten Mitglieder eines Gemeinderates keine staatliche Alimentation oder gar Diäten, sondern allenfalls eine Entschädigung,309 die weder dafür bestimmt noch dazu geeignet ist, den Lebensunterhalt des Amtsträgers zu sichern.310 Diesen müssen sie auf andere Weise bestreiten. Wenn Nebentätigkeiten (im Sinne einer Tätigkeit neben der Mitgliedschaft im Gemeinderat, d. h. auch der Hauptberuf) bei Gemeinderatsmitgliedern auch als notwendig und selbstverständlich anzusehen sind, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die private Stellung des Mitglieds in beruflicher, finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht auch in Gemeinderäten die Gefahr der Einflussnahme von außen besteht. Zudem sind leicht Fälle denkbar, in denen Mitglieder der Gemeinderäte aufgrund ihrer anderen Tätigkeiten einer Sache nicht neutral gegenüber stehen. Als Konsequenz enthalten alle Gemeindeordnungen der Länder ausdrückliche Befangenheitstatbestände für Gemeinderäte.311 Zum Teil lassen sich auch Inkompatibilitätsvorschriften ausmachen, die das Zusammenfallen von Gemeinderatstätigkeit mit bestimmten anderen Tätigkeiten oder Eigenschaften in einer Person verhindern sollen. Diese Normen sollen beispielhaft anhand der baden-württembergischen Gemeindeordnung312 erörtert werden. Hinzu kommt auch für Gemeinderäte ein strafrechtliches Verbot der Annahme bestimmter Zuwendungen. b) Die Pflicht zur uneigennützigen Geschäftsführung gemäß § 17 I GemO BW Bevor auf die konkreten Vorschriften zur Verhinderung oder Bewältigung der Interessenkonflikte der Gemeinderatsmitglieder eingegangen werden kann, ist zunächst auf die allgemeine Pflicht der Gemeinderatsmitglieder zur uneigennützigen Geschäftsführung nach § 17 I GemO BW hinzuweisen. Diese Pflicht dient als ab308
Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (872 f.). Vgl. § 19 GemO BW. 310 Grasser, „Freiwilliger Ehrenkodex“ für ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder, BayVBl. 1991, 360. 311 Vgl. z. B. § 18 GemO BW; Art. 49 BayGO; § 38 II iVm § 28 GOBbg; § 25 HessGO; § 24 MeckVorpGO; § 39 III iVm § 26 NdsGO; § 43 II iVm § 31 GO NRW; § 22 GemO RP; § 27 KSVG Saarl; § 20 SächsGemO; § 31 GO LSA; § 22 GO SH; § 38 ThürKO. 312 In der Fassung von 24. 07. 2000 (GBl. S. 581, ber. 698), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. 02. 2006 (GBl. S. 20) m.W.v. 18.02.2006. 309
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung, Gemeinderatsmitglieder
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strakte Leitlinie, die jedes Handeln der ehrenamtlich Tätigen prägen soll. Uneigennützigkeit ist dabei als die Orientierung am Wohl der Allgemeinheit unter Zurückstellung jeglicher eigener persönlicher, ideeller und wirtschaftlicher Vor- und Nachteile zu verstehen.313 Die Gemeindevertreter müssen ihre Individualinteressen hintan stellen und gewisse Opfer für die Gemeinde bringen.314 Ein gröblicher Verstoß gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit kann nach § 17 IV iVm § 16 III GemO BW sogar durch den Gemeinderat mit einem Ordnungsgeld sanktioniert werden. c) Befangenheitsvorschriften Bei der Bewältigung von Interessenkonflikten stehen bei Gemeinderäten die Befangenheitsvorschriften im Vordergrund.315 Sie sollen die Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der Gemeindeverwaltung und deren Ansehen in der Öffentlichkeit sichern und eine Ausrichtung der zu treffenden Entscheidungen an den Interessen der Gemeinde unter Einbeziehung möglichst vieler Sachgesichtspunkte bei gleichzeitigem weitest möglichem Ausschluss von Sonderinteressen gewährleisten.316 Die kommunalrechtlichen Befangenheitsvorschriften gehen denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor und können durch diese auch nicht ergänzt werden.317 aa) Ausschlussgründe Nach § 18 GemO BW können ehrenamtlich tätige Bürger – namentlich vor allem die Gemeinderatsmitglieder – von der Mitwirkung an Beratungen und Entscheidungen bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes in ihrer Person ausgeschlossen werden.318 313
Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 313 S. 258. Vgl. Becher, Die persönliche Rechtsstellung des Gemeindevertreters im Verhältnis zu der des Parlamentariers, S. 47, 49. 315 Zu den unterschiedlichen Details der Regelungen der einzelnen Bundesländer siehe Siebler, Die Rechtsstellung der Gemeindevertreter in den Gemeindeordnungen der Bundesrepublik, S. 64 ff. 316 Vgl. Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zu § 18 GemO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. 12. 1985 (GABl. S. 1113), geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 17. 05. 1988 (GABl. S. 530) und vom 24. 11. 1989 (GABl. S. 1276)); Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272). 317 Vgl. Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zu § 18 GemO; Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 18 Rn 2; Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272), der jedoch angesichts der häufigen Wortgleichheit zur Auslegung der kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbote auf die Rechtsprechung und das Schrifttum zu den verwaltungsrechtlichen Befangenheitsvorschriften zurückgreifen möchte. Zu kommunalrechtlichen Befangenheitsvorschriften allgemein siehe Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, Göttingen 1995. 318 Nach § 52 GemO BW finden die Vorschriften über den Ausschluss wegen Befangenheit nach § 18 GemO BW auf den Bürgermeister und die Beigeordneten entsprechende Anwendung. 314
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Ein solcher Befangenheitsgrund liegt nach § 18 I, II Nr. 1 – 3 GemO BW vor, wenn die zur Entscheidung anstehende Angelegenheit dem Gemeinderatsmitglied selbst oder einer ihm nahestehenden oder von ihm vertretenen Person319 oder einem ihm in wirtschaftlicher oder geschäftsmäßiger Hinsicht eng verbundenen Dritten320 einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Nach dem Wortlaut genügt bereits die Möglichkeit des unmittelbaren Vor- bzw. Nachteils, die jedoch zumindest konkret und hinreichend wahrscheinlich sein und eine reale Grundlage haben muss.321 Um schon den bösen Schein der Interessenverquickung zu vermeiden,322 greift der Befangenheitsgrund also bereits ein, wenn konkrete äußere Umstände vorliegen, die eine daraus folgende Interessenkollision nahe legen.323 Auf den Nachweis einer tatsächlichen Befangenheit hat der Gesetzgeber verzichtet. Die Möglichkeit eines unmittelbaren Vor- oder Nachteils liegt nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württembergs dann vor, wenn ein materielles oder ideelles Sonderinteresse rechtlicher, wirtschaftlicher oder anderer Art für das Gemeinderatsmitglied oder eine der in § 18 I GemO BW aufgeführten Personen besteht, das von der Beratung oder Entscheidung gezielt betroffen wird324 oder das zu einer Interessenkollision führen kann und die Besorgnis der Befangenheit in dem Sinne rechtfertigt, dass die betreffende Person nicht mehr uneigennützig und zum ausschließlichen Wohl der Gemeinde handeln könnte.325 Die Unmittelbarkeit des Vorteils bzw. Nachteils setzt voraus, dass die zu treffende Entscheidung einen unmittelbar auf die Person bezogenen, besonderen Vor- oder Nachteil bringen kann, die über den allgemeinen Nutzen oder die allgemeine Belastung hinausgeht. Es muss ein individuelles Sonderinteresse tangiert werden, durch das die Entscheidung sich derart auf die persönlichen Belange zuspitzt, dass die Person als eigentlicher Adressat der Entscheidung erscheint326 319 Welche Personen hiermit genau gemeint sind, ist in § 18 I GemO BW enumerativ aufgeführt: Ehegatten und Lebenspartner nach § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (Nr. 1); Verwandte in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (Nr. 2); Verschwägerte oder als verschwägert Geltende in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad, solange die die Schwägerschaft begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft besteht (Nr. 3); von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretene Personen (Nr. 4). 320 § 18 II GemO BW nennt hierfür solche Dritte, bei denen das Gemeinderatsmitglied entgeltlich beschäftigt ist, sofern die Umstände der Beschäftigung nicht jeden Interessenwiderstreit ausschließen (Nr. 1), Handelsgesellschaften oder andere rechtlich selbstständige Unternehmen, deren Gesellschafter oder Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglied das betreffende Gemeinderatsmitglied ist (Nr. 2), juristische Personen des öffentlichen Rechts, deren Organ(en) das Gemeinderatsmitglied angehört (Nr. 3). 321 VGH Baden-Württemberg VBlBW 1987, 24 (25); Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 18 Rn 3. 322 VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 1998, 325. 323 Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 276 S. 232. 324 VGH Baden-Württemberg VBlBW 1985, 21. 325 VGH Baden-Württemberg VBlBW 1989, 458 (459); zum Ganzen siehe Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 276 S. 232. 326 Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 18 Rn 9; Waibel, Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg, Rn 188; VGH Baden-Württemberg
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung, Gemeinderatsmitglieder
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und daher zu befürchten ist, dass bei seiner Entscheidung das Gemeinwohl in den Hintergrund gerät. Während die bisher erörterten Ausschlussgründe die personenbezogene Befangenheit betreffen, knüpft § 18 II Nr. 4 GemO BW an eine sachliche Befangenheit an. Danach ist ein Gemeinderatsmitglied ausgeschlossen, das in der Angelegenheit bereits in anderer als öffentlicher Eigenschaft tätig geworden ist, und zwar unabhängig davon, ob ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil im Raume steht. Der Gemeindeordnungsgeber ist hierbei davon ausgegangen, dass durch eine private Vorbefassung mit dem Entscheidungsgegenstand der Betreffende schon per se zu festgelegt ist, um noch eine am Gemeinwohl orientierte Entscheidung zu treffen.327 Allerdings ist, um die ausufernde Anwendung dieses Ausschlussgrundes zu vermeiden, eine hinreichend enge sachliche Übereinstimmung der früheren Angelegenheit mit der gegenwärtigen zu fordern, die eine Vorfestlegung des Gemeinderatsmitglieds nahe legt.328 Bei der Beurteilung, ob ein Ausschlussgrund vorliegt oder nicht, ist § 18 III GemO BW zu beachten. Dieser normiert als begrenzendes Korrektiv zur Sicherung der Mitwirkungsrechte der Gemeinderatsmitglieder einen Ausschlusstatbestand für die Ausschlussgründe. Danach gelten die genannten Ausschlussgründe nicht, wenn die Entscheidung nur die gemeinsamen Interessen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe berührt, d. h. es sich um kollektive Interessen von Personenmehrheiten dreht, die nicht von vornherein bekannt und namensmäßig aufzählbar sind, sondern sich vielmehr nach örtlichen, beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gesichtspunkten abgrenzen.329 Hierdurch wird betont, dass nur das individuelle Interesse Grundlage eines Ausschlusses wegen Befangenheit bilden soll, nicht dagegen kollektive Interessen.330 Gerade auf Gemeindeebene setzt ein demokratischer Interessenausgleich die Repräsentation der vorhandenen Gruppeninteressen voraus.331 Auch für Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit sind die Ausschlussgründe nicht anwendbar. NVwZ-RR 1993, 97 (98); OVG Niedersachsen NVwZ 1982, 44; Borchmann, Interessenkollisionen im Gemeinderecht, NVwZ 1982, 17 ff.; Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (273); Röhl, Das kommunale Mitwirkungsverbot, Jura 2006, 725 (728); anders noch VGH Baden-Württemberg DVBl. 1966, 827; VGH Hessen, NVwZ 1982, 44 (45), nach denen es für die Unmittelbarkeit auf das Kausalverhältnis zwischen Entscheidung des Gemeinderats und Eintritt des Vor- oder Nachteils ankommt. Dazwischen dürften keine weiteren Handlungen zwischengeschaltet sein. Weitere Nachweise hierzu bei Hager, Grundfragen zur Befangenheit von Gemeinderäten, VBlBW 1994, 263 (264) Fn 21. 327 Röhl, Das kommunale Mitwirkungsverbot, Jura 2006, 725 (731); Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (273 f.) mit weiteren Einzelheiten zur nötigen Qualität der Vorbefassung und übrigen Auslegung dieser Befangenheitsvorschrift. 328 VGH Baden-Württemberg VBlBW 1989, 458 (460); Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (273 f.). 329 Das sog. „Gruppenprivileg“; zur Auslegung siehe Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (274). 330 Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 18 Rn 18. 331 Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 220 f.
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Die erörterten Befangenheitsvorschriften beschreiben durch objektive Kriterien Situationen, in denen typischerweise ein Interessenkonflikt entsteht. Sie greifen als klassisches Mitwirkungsverbot das Verbot der Entscheidung in eigener Sache bzw. in Angelegenheiten persönlich oder wirtschaftlich Nahestehender auf.332 Dies wird durch § 18 II Nr. 4 GemO BW ergänzt, der ein Mitwirkungsverbot bei Vorbefassung mit derselben Angelegenheit ausspricht. Auch diese Art von Mitwirkungsverbot ist nicht unüblich, wie die im Verwaltungs- und in den Gerichtsverfahren geltenden Befangenheitsvorschriften zeigen. Auf ein Mitwirkungsverbot, das an den Eindruck eines konkreten Neutralitätsverlustes und die konkrete Besorgnis der Befangenheit anknüpft, hat der Gemeindeordnungsgeber verzichtet. Damit wird dem politischen Prozess in der Kommune Rechnung getragen.333 Politische Diskussionen sind beinahe stets damit verbunden, dass sich die Entscheidungsträger für eine Sache nachdrücklich stark machen und sich insofern zu einem gewissen Grade vorfestlegen. Würde man hieran ein Mitwirkungsverbot knüpfen, so wären der offene Diskurs und die politische Willensbildung in der Gemeinde erheblich verzerrt. Die kommunalen Mitwirkungsverbote bewirken dennoch den Schutz der Gemeinwohlorientierung, die Beachtung von Gesetz und Recht bei der Willensbildung durch den Gemeinderat, insbesondere wenn es um dessen zahlreiche Gestaltungsaufgaben geht. Diese Absicherung der kommunalen Entscheidungsprozesse ist zum einen rechtsstaatlich begründet, zugleich aber auch durch das Demokratieprinzip gefordert;334 denn die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk im Sinne des Art. 20 II GG iVm Art. 28 I 2 GG beinhaltet, dass sie durch die Vertreter auch für das Volk ausgeübt wird und nicht nur in deren Individualinteresse. bb) Verfahren und Folgen Nach § 18 IV 1 GemO BW hat das Gemeinderatsmitglied das Vorliegen eines Tatbestandes, der zu seiner Befangenheit führen kann, vor der Beratung über den Gegenstand anzuzeigen. In Zweifelsfällen entscheidet der Gemeinderat in Abwesenheit des Betroffenen über den Ausschluss.335 Der wegen Befangenheit Ausgeschlossene darf an der Beratung und Entscheidung nicht mitwirken und muss die Gemeinderatssitzung verlassen (vgl. § 18 V GemO BW). Ein Verstoß gegen die Befangenheitsvorschriften hat gemäß § 18 VI 1 GemO BW die Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses zur Folge, wobei ein Verstoß sowohl in der Mitwirkung eines befangenen Gemeinderatsmitglieds zu sehen ist, als auch im Ausschluss eines in Wirklichkeit nicht befangenen Mitglieds. Die Rechtswidrigkeit ist 332
Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272). Hager, Grundfragen zur Befangenheit von Gemeinderäten, VBlBW 1994, 263 (264); Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272, 273). 334 Röhl, Das kommunale Mitwirkungsverbot, Jura 2006, 725 (726). 335 Dieser Beschluss ist eine organschaftliche Entscheidung, die der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegt und durch das betroffene Mitglied im Kommunalverfassungsstreitverfahren anfechtbar ist, vgl. Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 281 S. 236. 333
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung, Gemeinderatsmitglieder
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dagegen nicht anzunehmen, wenn ein Gemeinderatsmitglied selbst irrig von dem Vorliegen eines Befangenheitsgrundes ausgeht und von sich aus unter dieser Annahme die Sitzung verlässt, ohne dass es zu einer Ausschlussentscheidung gekommen ist.336 Ein eigentlich rechtswidriger Ratsbeschluss gilt allerdings ein Jahr nach der Beschlussfassung bzw. seiner öffentlichen Bekanntmachung als von Anfang an gültig zustande gekommen, wenn nicht der Bürgermeister widerspricht oder die Rechtsaufsichtsbehörde den Beschluss beanstandet. Diese Form der Heilung tritt nicht gegenüber denjenigen ein, die vor Ablauf der Jahresfrist einen förmlichen Rechtsbehelf eingelegt haben, in dessen Verfahren die Rechtsverletzung festgestellt wird (vgl. § 18 VI 3 GemO BW). d) Hinderungsgründe Inkompatibilitäten für Gemeinderäte ergeben sich aus § 29 GemO BW, der diese als „Hinderungsgründe“ bezeichnet.337 Hiermit werden auch im Kommunalrecht typischerweise entstehende Interessenkollisionen bereits an ihrer Entstehung vermieden, um größtmögliche Objektivität der Willensbildung des Gemeinderates zu erreichen. Wie auch andere Inkompatibilitäten schließen die kommunalrechtlichen Hinderungsgründe nicht die Wählbarkeit als solche aus, sondern wirken erst nach der Wahl bei der Frage, ob ein Eintritt in den Gemeinderat möglich ist oder zunächst die Einstellung einer anderen Tätigkeit des Gewählten erfordert.338 Nach § 29 I GemO BW dürfen Gemeinderäte zur Zeit ihrer Mitgliedschaft im Gemeinderat nicht Beamte oder Angestellte der Gemeinde, eines Gemeindeverwaltungsverbandes, eines Nachbarschaftsverbandes sowie bestimmter Zweckverbände und Verwaltungsgemeinschaften sein (Nr. 1 a), b)). Auch mit der Stellung eines leitenden Beamten und leitenden Angestellten339 einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eines Unternehmens in der Rechtsform des privaten Rechts wird die Mitgliedschaft im Gemeinderat für unvereinbar erklärt, wenn die Gemeinde bei ersterer mehr als die Hälfte der Stimmrechte besitzt bzw. bei letzterem mit mehr als 50 % an dem Unternehmen beteiligt ist (Nr. 1 c)).340 Gleiches gilt für die Stellung 336 VGH Baden-Württemberg NVwZ 1987, 1103; Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 283 S. 237. 337 Zur Vereinbarkeit von kommunalen Wahlhinderungsgründen mit der Wahlrechtsgleichheit iSd Art. 28 I 2 GG durch Art. 137 I GG siehe BVerfGE 48, 64 ff. Zu einzelnen kommunalverfassungsrechtlichen Inkompatibilitätsregeln siehe Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 60 ff. 338 Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 176 S. 168; Engelken, Verfassungsmaßstäbe für Unvereinbarkeits- und andere Hinderungsvorschriften bei kommunalen Mandaten, DÖV 1996, 853 (855); Waibel, Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg, Rn 253. 339 Mit „leitender“ Beamter bzw. Angestellter sind Personen gemeint, die „als Leiter einer organisatorischen Einheit der Behörde eigene Entscheidungsbefugnisse im Sinne leistungsbezogener Verantwortlichkeit“ inne haben, vgl. Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 176 S. 169. 340 Von der Inkompatibilität der leitenden Angestellten privater Unternehmen wird nicht erfasst, dass ein Gemeinderat als Vertreter der Gemeinde in Organen des jeweiligen Unter-
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
als Beamter oder Angestellter einer Stiftung des öffentlichen Rechts, die von der Gemeinde verwaltet wird (Nr. 1 d)), sowie für Beamte und Angestellte der Rechtsaufsichtsbehörden, die unmittelbar mit der Ausübung der Rechtsaufsicht befasst sind, und leitende Beamte und Angestellte der Gemeindeprüfungsanstalt (Nr. 2). Diese Hinderungsgründe des § 29 I GemO BW finden ihre Grundlage in Art. 137 GG341 und stellen auf besondere exekutivische Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse der betreffenden Personen ab. Bezweckt wird mit diesen Unvereinbarkeiten in erster Linie eine organisatorische und funktionale Trennung von Gemeinderat und Verwaltung,342 von „Mandat“ und Amt, im Sinne einer klassischen personellen Teilung staatlicher Macht. Erst dies ermöglicht die gegenseitige Kontrolle der kommunalen Verantwortungsträger.343 Im Übrigen können die Unvereinbarkeiten dazu beitragen, das Ansehen des Gemeinderates zu wahren und den von der Öffentlichkeit nicht selten gemachten Vorwurf der Klüngelei und des Zuschacherns lukrativer Posten zu entkräften.344 Für die in dieser Arbeit zentrale Problematik der Nebentätigkeiten der Amtsträger spielen die Hinderungsgründe des § 29 I GemO BW allerdings keine entscheidende Rolle. Die Vorschrift stellt die klassische Gewaltenteilung in den Vordergrund, nicht die hinter der aufgeworfenen Fragestellung stehende „erweiterte“ Gewaltenteilung zwischen staatlichen und privaten Machtpositionen. Auch aus der neuen Fassung des § 29 I Nr. 1 c) GemO BW, durch den nunmehr auch leitende Angestellte privater Unternehmen von der Inkompatibilität erfasst werden,345 ergibt sich nichts anderes; denn durch diese Ergänzung wurde in erster Linie dem Umstand Rechnung getragen, dass zunehmend gemeindliche Unternehmen in privaten Rechtsformen organisiert sind346 und damit die leitenden Angestellten trotz der privatrechtlichen Organisationsform einer vergleichbaren Interessensituation unterliegen wie die unmittelbar zur Gemeinde gehörenden Beamten und Angestellten.347 Demnach handelt es sich auch hierbei vorwiegend um eine Vorschrift zur Sicherung der „klassischen“ Gewaltenteilung und nicht um eine wirtschaftliche Inkompatibilität, die die staatliche Willensbildung vor Einflüssen von außen schützen soll. Dass der Gemeindeordnungsgeber im Übrigen hier auf eine weitergehende wirtschaftliche Inkompanehmens die Interessen der Gemeinde wahrnimmt. Diese Art der Interessenvertretung zugunsten der Gemeinde ist notwendig und bleibt ohne Weiteres möglich; zur Frage des Umgangs mit einer Vergütung aus einer solchen Tätigkeit vgl. § 32 V GemO BW. 341 Vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 137 Rn 6; Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 243. 342 Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 176 S. 168; Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 42. 343 Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (879). 344 Thiele, Zur Problematik der Inkompatibilität im kommunalen Bereich, DVBl. 1969, 825 f. 345 Geändert durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 28. 07. 2005, GBl., S. 578. 346 Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung der Landesregierung in LTag-Drs. BW 13/4385. 347 Dementsprechende Forderungen hatte z. B. schon vor Jahrzehnten Thiele, Zur Problematik der Inkompatibilität im kommunalen Bereich, DVBl. 1969, 825 ff. erhoben.
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung, Gemeinderatsmitglieder
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tibilität verzichtet, ist indes keineswegs verwunderlich. Schließlich sind Gemeinderatsmitglieder ehrenamtlich tätige Bürger, die auf private Erwerbstätigkeit angewiesen sind. Allerdings ist anzumerken, dass für die Gemeindebeamten der Hinderungsgrund des § 29 I GemO BW faktisch wie eine Unwählbarkeit wirkt; denn in der Realität wird wohl kaum ein Beamter seine Erwerbsgrundlage aufgeben, um ein unentgeltliches kommunales Mandat zu übernehmen. Eine echte Wahlmöglichkeit besteht für sie damit nicht.348 Dies muss jedoch angesichts der besonderen Verhältnisse im kommunalen Bereich, wegen denen weder gänzlich auf Unvereinbarkeitsvorschriften verzichtet noch eine entgeltliche Mandatstätigkeit geschaffen werden kann,349 und des hohen Schutzgutes hingenommen werden.350 Eine besondere Form der Unvereinbarkeit ergibt sich zudem aus § 29 II und IV GemO BW: Hiernach können Personen, die als persönlich haftende Gesellschafter an derselben Handelsgesellschaft beteiligt sind, nicht gleichzeitig Gemeinderäte sein. Die gleichzeitige Mitgliedschaft ist in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern ebenso für miteinander verwandte Personen ausgeschlossen.351 Zudem dürfen nach Abs. 4 auch Personen, die in einem solchen Verwandtschafts- bzw. Gesellschaftsverhältnis zum Bürgermeister oder einem Beigeordneten stehen, nicht in den Gemeinderat eintreten. Unmittelbarer Hinderungsgrund ist hierbei nicht eine bestimmte Tätigkeit neben dem Mandat, sondern die persönliche – auf Verwandtschaft oder auf wirtschaftliche Zusammengehörigkeit beruhende – Nähebeziehung (mindestens) zweier Personen. Hiermit soll der Sippen-, Vettern- und Cliquenwirtschaft in den Gemeinden Einhalt geboten werden.352 Die gemeindliche Willensbildung soll nicht von einzelnen Familien oder einzelnen lokalen Unternehmen dominiert werden, da dadurch von vorneherein Misstrauen der Bürger gegenüber der Arbeit des Gemeinderates entsteht.353 Es sollen sich im Rat keine Interessengemeinschaften bilden, die allein auf familiärer oder gesellschaftlicher Verflechtung beruhen und wegen der persönlichen Verbindung und dem spezifischen Zusammenhalt die Entscheidungsfreiheit nach den eigenen Überzeugungen des Einzelnen beeinträchtigen können. Familiäre oder gesellschaftliche Belange sollen nicht durch eine gemeinsame Mitgliedschaft im Gemeinderat mit stärkerem Gewicht als andere Interessen
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Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 243. Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 243 f. 350 BVerfGE 48, 64 (89). 351 Hier verweist § 29 II GemO BW auf die in § 18 I Nr. 1 bis 3 GemO BW beschriebenen und die Befangenheit begründenden Verhältnisse; zu deren Einzelheiten vgl. die Ausführungen über die Befangenheitsvorschriften oben B. II. 3. c) aa); zur Vorrangsregelung bei gleichzeitiger Wahl siehe § 29 II 2, 3 GemO BW. 352 Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 29 Rn 8; BVerfGE 93, 373 (377); zweifelnd an der Effektivität der Regelungen zur Verhinderung von Protektionswirtschaft Stintzing, Zu Beschränkungen der Wahlrechtsgrundsätze nach der badenwürttembergischen Gemeindeordnung, VBlBW 1998, 46 (44 f.). 353 BVerfGE 93, 373 (377). 349
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
durchgesetzt werden können.354 Die Beschränkung erfolgt ihrem Grunde nach aber nicht allein zum Zwecke der Vermeidung von Interessenkollisionen bzw. der Einflüsse auf die gemeindliche Willensbildung, sondern auch zur Sicherung einer Meinungsvielfalt. e) Das Vertretungsverbot des § 17 III GemO BW Eine besondere Art der Interessenkollisionsnorm ergibt sich aus dem in § 17 III GemO BWenthaltenen Vertretungsverbot. Danach darf ein ehrenamtlich tätiger Bürger – mithin vor allem ein Gemeinderatsmitglied – nicht Ansprüche und Interessen eines anderen gegen die Gemeinde geltend machen.355 Die Geltendmachung von Ansprüchen erfasst jede schriftliche oder mündliche außergerichtliche oder gerichtliche parteiische Vertretung von direkt gegen die Gemeinde gerichteten Ansprüchen; die Geltendmachung von Interessen ist zu bejahen, wenn versucht wird, bei der Gemeinde etwas zu erreichen, ohne dass es um konkrete Ansprüche geht.356 Begründet wird dieses Verbot mit dem zwischen der Gemeinde und dem ehrenamtlich Tätigen bestehenden besonderen Treueverhältnis, das den Ehrenamtlichen dazu verpflichtet, vorrangig die Interessen der Gemeinde wahrzunehmen.357 Die gleichzeitige Wahrnehmung fremder Interessen würde eine mit dem Treueverhältnis nicht vereinbare Interessenkollision heraufbeschwören. Durch das grundlegende Verbot soll die Gemeinde vor sachfremden Einflüssen bewahrt werden. Ferner soll die besondere Stellung des Ehrenamtlichen in der Gemeinde es nicht ermöglichen, dass Dritte ihre Interessen mit mehr Durchschlagskraft aufgrund des politischen Einflusses ihres Vertreters durchsetzen können.358 Der Gemeindevertreter soll weder für sich selbst noch für Dritte aus seinem kommunalen Mandat einen persönlichen Vorteil ziehen können.359 Ein Verstoß gegen das Verbot kann durch den Gemeinderat gemäß § 17 IV iVm § 16 III GemO BW mit einem Ordnungsgeld sanktioniert werden Das kommunalrechtliche Vertretungsverbot ist eine sehr punktuelle Form der Inkompatibilität, durch das nur ganz bestimmte und vereinzelte Tätigkeiten für unver-
354 BVerfGE 93, 373 (378); hierzu auch Stintzing, Zu Beschränkungen der Wahlrechtsgrundsätze nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung, VBlBW 1998, 46 (47). 355 Eine Ausnahme hiervon macht § 17 III 1 a.E. GemO BW in Fällen der gesetzlichen Vertretung. Siehe im Übrigen zu den konkreten Rechtsfolgen des Vertretungsverbots von Mutius, Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das kommunale Vertretungsverbot, VerwArch 71 (1980), 191 ff. 356 Waibel, Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg, Rn 185. 357 Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 17 Rn 14; Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 315 S. 259; Siebler, Die Rechtsstellung der Gemeindevertreter in den Gemeindeordnungen der Bundesrepublik, S. 76; Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 259; Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 70. 358 BVerwG NJW 1984, 377; Bock, in: Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für BadenWürttemberg, § 17 Rn 14; Waibel, Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg, Rn 185. 359 Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 259.
II. Exekutive: Beamte, Mitglieder der Bundesregierung, Gemeinderatsmitglieder
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einbar mit dem kommunalen Mandat erklärt werden.360 Von dem Verbot betroffen werden in erster Linie Rechtsanwälte, die der Gemeindevertretung angehören.361 Eine Parallele muss hier zu der speziellen Anzeigepflicht der Bundestagsabgeordneten nach § 2 VerhR gezogen werden, nach der die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung für und gegen die Bundesrepublik einer herausgehobenen Anzeigepflicht unterliegt.362 Beide Vorschriften erkennen den Konflikt, der durch die Vertretung von Drittinteressen bzw. -ansprüchen gegenüber den jeweiligen Körperschaften (Bund und Gemeinde) entsteht, lösen diesen jedoch auf unterschiedliche Weise, namentlich auf kommunaler Ebene durch ein striktes Verbot, auf Bundesebene hingegen durch eine bloße Anzeigepflicht. Diese unterschiedliche Herangehensweise erklärt sich zum einen mit dem politischen Gestaltungsspielraum des Gemeindeordnungsbzw. Geschäftsordnungsgebers, zum anderen mit der unterschiedlichen Nähe zum potentiellen Verfahrensgegenstand. Auf Gemeindeebene steht das Gemeinderatsmitglied den konkreten Angelegenheiten persönlich, sachlich und örtlich in aller Regel erheblich näher als ein Bundestagsabgeordneter den gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten der Bundesrepublik. Die Möglichkeit der Einflussnahme durch politische Entscheidungsträger ist im kommunalen Bereich erhöht. Hier schlägt sich auch die grundsätzliche Einordnung des Gemeinderats in den Bereich der Exekutive nieder. Als Teil der Exekutive obliegen den Gemeindevertretern auch Verwaltungsaufgaben, die ein andersgelagertes Näheverhältnis zu den Angelegenheiten der Gemeinde schafft als es bei den ausschließlich legislativ tätig werdenden Bundestagsabgeordneten der Fall ist.
f) Das strafrechtliche Verbot reiner Nebeneinkünfte: § 108e StGB vs. §§ 331 ff. StGB In strafrechtlicher Hinsicht ist heftigst umstritten, ob Gemeinderatsmitglieder Amtsträger im Sinne des § 11 I Nr. 2 StGB sind oder nicht.363 Die Bezeichnung 360 Zur Verfassungsmäßigkeit des Vertretungsverbots insbesondere im Hinblick auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG siehe BVerfGE 52, 42 (53 ff.); BVerfG NJW 1988, 694 f.; Schoch, Verfassungsmäßigkeit und personeller Geltungsbereich des kommunalen Vertretungsverbots, JuS 1989, 531 ff.; Scholler/Broß, Ineligibilität, Inkompatibilität und Befangenheit – Verhältnis und Abgrenzung der Regelungsbereiche, VR 1978, 77 (82 ff.). 361 Becher, Die persönliche Rechtsstellung des Gemeindevertreters im Verhältnis zu der des Parlamentariers, S. 58. 362 Vgl. hierzu oben B. I. 2. b) aa). 363 Die Amtsträgereigenschaft bejahend LG Krefeld NJW 1994, 2036; LG Köln StV 2003, 597 ff.; LG Wuppertal, Urteil vom 11. 08. 2004, 26 Kls 835 Js 19/01 – 31/03 VI – juris; Rübenstahl, Die Angehörigen kommunaler „Parlamente“ als Amtsträger und ihre Strafbarkeit nach den Bestechungsdelikten, HRRS 2006/1, 23 (24, 27 ff.); grundsätzlich verneinend Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 ff.; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, S. 676 ff., wobei dieser eine Trennung der Tätigkeitsbereiche eines Gemeinderatsmitglieds anhand materieller Gesichtspunkte für möglich hält und darauf eine differenzierende Bewertung aufbaut; vergleichbar Deiters, Zur Frage der Strafbarkeit von Gemeinderäten wegen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit, NStZ 2003, 453 ff.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
der Gemeinderatsmitglieder als ehren„amt“lich Tätige durch § 32 I GemO BW spielt hierfür keine entscheidende Bedeutung, da hiermit keine Qualifizierung ihrer Tätigkeit bezweckt wird, sondern in erster Linie die Ehrenhaftigkeit und die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit für den Staat herausgestellt wird. Der Streit um die Einordnung resultiert aus der besonderen Qualität des Gemeinderates als Hauptorgan der Gemeindeverwaltung einerseits und als unmittelbar demokratisch legitimierte Bürgervertretung andererseits. Sie stehen im „Schnittpunkt unterschiedlicher Funktionszuweisungen“,364 und gerade dadurch wird die Beantwortung der Frage, ob sie Amtsträger iSd § 11 I Nr. 2 StGB sind, so diffizil. Von dieser hängt es jedoch ab, ob die Mitglieder sich durch die Annahme von Zuwendungen nach den §§ 331, 332 StGB strafbar machen oder ob sie allein taugliche Täter der Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB sein können.365 Dieser Diskussion hat der 5. Strafsenat des BGH mit seiner Entscheidung vom 09. Mai 2006366 jüngst einen (zumindest vorläufigen) Schlusspunkt gesetzt. Hiernach sind „kommunale Mandatsträger keine Amtsträger, es sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen.“367 Der Gesetzgeber habe sie ausdrücklich – durch Aufnahme in den personellen Anwendungsbereich des § 108e StGB – in strafrechtlicher Hinsicht den Parlamentsabgeordneten gleichgestellt und somit deutlich gemacht, dass sie strafrechtlich nicht wie Amtsträger zu behandeln seien.368 Zudem sei die kommunale Mandatsausübung strukturell derart unterschiedlich zu behördlicher Amtsausübung, dass eine differenzierte strafrechtliche Behandlung beider Handlungsformen geboten sei.369 Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass es bei den Mandatsträgern aufgrund ihres freien politischen Mandats an einer für Amtsverhältnisse typischen Eingliederung in die Behördenstruktur fehlt und sie ihr durch Wahl erworbenes Mandat frei und weisungsungebunden ausüben.370 Dies könne nur in den Fällen anders bewertet werden, in denen ein kommunaler Mandatsträger aufgrund seiner Gemeinderatsmitgliedschaft zusätzlich als Mitglied eines – vom Gemeinderat losgelösten – exekutiven oder beratenden Or-
364 Dahs/Müssig, Strafbarkeit kommunaler Mandatsträger als Amtsträger? – Eine Zwischenbilanz, NStZ 2006, 191 (192). 365 Hier erscheint die amtliche Überschrift des § 108e StGB mit „Abgeordnetenbestechung“ etwas unpassend, da gemeinläufig Gemeinderatsmitglieder nicht als „Abgeordnete“ bezeichnet werden sondern nur die Mitglieder der („echten“) Parlamente. Vom Wortlaut des § 108e StGB wird jedoch eindeutig auch der Stimmenkauf für Abstimmungen in den Gemeinderäten erfasst. 366 5 StR 453/05, veröffentlicht in BGHSt 51, 44 ff. 367 BGHSt 51, 44 Leitsatz 1a. 368 BGHSt 51, 44 (50 f.). 369 BGHSt 51, 44 (51). 370 BGHSt 51, 44 (52 f.).
III. Judikative: Richter
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gans der Kommunalverwaltung bestellt wird.371 Allein insoweit bliebe der Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte für Amtsträger weiterhin eröffnet. Als Indizien für die Amtsträgereigenschaft im Einzelfall könnten die Ersetzbarkeit der Entscheidungsträger und die Unabhängigkeit von (partei-)politischen Erwägungen herangezogen werden.372 Zudem erklärte der BGH die Vorschrift des § 108e StGB zu einer im Verhältnis zu den §§ 331 ff. StGB abschließenden Sonderregelung für sämtliche Vorteilszuwendungen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen in den Volksvertretungen.373 Sofern daher eine Strafbarkeit nur unter den sehr engen Voraussetzungen in Betracht kommt, wie sie der § 108e StGB aufstellt,374 sei dies vom Gesetzgeber gewollt. Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass zahlreiche Verhaltensweisen im Hinblick auf Vorteilszuwendungen an Gemeinderatsmitglieder wie auch bei den Abgeordneten nach geltendem Recht straflos sind. Wenn auch dogmatisch de lege lata richtig, so liegt hierin doch eine beunruhigende Strafbarkeitslücke.375 Dies hat auch zu Recht den 5. Strafsenat dazu veranlasst, hier ausdrücklich auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf – insbesondere für Korruption auf kommunaler Ebene – hinzuweisen.376
III. Judikative: Richter Als dritte Gewalt ist schließlich die Judikative in Augenschein zu nehmen. Auch bei Richtern besteht eine erhebliche Gefahr, dass sie in ihren Entscheidungen durch Tätigkeiten neben ihrem Richteramt und durch Gewährung nicht vorgesehener wirt371 So schon BGHSt 8, 21 (22 – 24); die Erfassung jedenfalls dieser Fälle durch die Bestechungsdelikte ist weitgehend anerkannt, vgl. Rübenstahl, Die Angehörigen kommunaler „Parlamente“ als Amtsträger und ihre Strafbarkeit nach den Bestechungsdelikten, HRRS 2006/ 1, 23 (24); Deiters, Zur Frage der Strafbarkeit von Gemeinderäten wegen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit, NStZ 2003, 453 (458). 372 BGHSt 51, 44 (59). 373 BGHSt 51, 44 Leitsatz 1b (55 ff.); so auch schon Dahs/Müssig, Strafbarkeit kommunaler Mandatsträger als Amtsträger? – Eine Zwischenbilanz, NStZ 2006, 191 (195); a.A. Rübenstahl, Die Angehörigen kommunaler „Parlamente“ als Amtsträger und ihre Strafbarkeit nach den Bestechungsdelikten, HRRS 2006/1, 23 (33), der allenfalls einen Anwendungsvorrang auf konkurrenzrechtlicher Ebene für möglich hält (35). 374 Siehe hierzu oben B. I. 3. d) bb). 375 So auch Feinendegen, Vorteilsannahme ohne Folgen – Freibrief für kommunale Mandatsträger durch den BGH?, NJW 2006, 2014 (2015), der auch auf die unmittelbaren Auswirkungen auf laufende Strafverfahren hinweist. 376 BGHSt 51, 44 (60); dagegen scheint sich Deiters, Zur Frage der Strafbarkeit von Gemeinderäten wegen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit, NStZ 2003, 453 (458) bedenklicherweise mit der Straflosigkeit kommunaler Mandatsträger in vielen Fällen abzufinden, indem er auf die finanzielle Situation der jeweiligen Personenkreise hinweist: Beamte und Richter seien schließlich durch die staatliche Alimentation abgesichert, während Gemeinderatsmitglieder lediglich ehrenamtlich wirkten, so dass sie auf Einnahmen angewiesen seien.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
schaftlicher Vorteile beeinflusst werden. Die daraus entstehenden Interessenkollisionen beeinträchtigen die nötige Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Richterbank (Art. 97 I GG) und damit das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 I 2 GG; denn nur ein unbefangener, unvoreingenommener und unparteilicher Richter ist ein gesetzlicher Richter im Sinne dieses grundrechtsgleichen Rechts.377 Tangiert wird auch Art. 103 I GG. Ein befangener Richter kann keine Gewähr für die korrekte Handhabung des rechtlichen Gehörs bieten. Unterliegt er kollidierenden Interessen, so besteht stets die Gefahr, dass er anzuhörenden Parteien eines Rechtsstreits nicht mehr zuhören kann oder will.378 Im Folgenden soll erörtert werden, wie das geltende Recht diesem Interessenkonflikt durch wirtschaftlichen Einfluss von außen auf die Judikative begegnet. Dabei liegt auch hier der Schwerpunkt auf dem Nebentätigkeitsrecht für Richter sowie auf Befangenheitsvorschriften. Ähnlich wie bei der Erörterung der für die Exekutive geltenden Regelungen muss auch hier zwischen „normalen“ Angehörigen dieser Staatsgewalt, namentlich den Richtern der in Art. 95 I GG genannten „allgemeinen Gerichtsbarkeiten“379, und den Mitgliedern eines Verfassungsorgans, namentlich den Bundesverfassungsrichtern, unterschieden werden.
1. Richter der allgemeinen Gerichtsbarkeiten380 a) Nebentätigkeitsrecht Das Deutsche Richtergesetz (DRiG)381 enthält keine abschließende Regelung des Nebentätigkeitsrechts für Richter.382 Lediglich in den §§ 40 – 42 DRiG383 finden sich 377
Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 63; Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 49 m.w.N.; Zuck, Was heißt das – der Richter ist unabhängig?, MDR 1991, 589 nennt dies die „innere Unabhängigkeit“. 378 Lamprecht, Karlsruher Befangenheits-Logik, NJW 1999, 2791 (2792). 379 Der Begriff der „allgemeinen Gerichtsbarkeiten“ soll für den Zweck dieser Arbeit angelehnt an Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 93 Rn 12 für die Gerichtsbarkeiten gelten, die nicht Verfassungsgerichtsbarkeiten sind. Verbreitet wir auch von den „Fachgerichtsbarkeiten“ gesprochen. Da es hier jedoch in erster Linie auf die Unterscheidung von der Verfassungsgerichtsbarkeit einerseits und allen anderen Gerichtsbarkeiten andererseits ankommt und nicht auf die einzelnen Fachrichtungen, erscheint der Begriff der „allgemeinen Gerichtsbarkeiten“ an dieser Stelle passender. 380 Im Folgenden werden die Richter dieser ordentlichen-, Verwaltungs-, Finanz-, Arbeitsund Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich allein mit dem Begriff „Richter“ bezeichnet. Im Gegensatz dazu werden Richter der Verfassungsgerichte grundsätzlich „Verfassungsrichter“ genannt. 381 In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 04. 1972 (BGBl. I, S. 713), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. 12. 2006 (BGBl. I, S. 3416). 382 von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 85. 383 Diese gelten auf Grund ihrer systematischen Stellung im Ersten Teil des DRiG sowohl für Richter im Bundes- als auch für solche im Landesdienst.
III. Judikative: Richter
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besondere Regelungen zu Nebentätigkeiten, die die spezifische Stellung eines Richters erfordern. Im Übrigen gilt auch für Richter das Nebentätigkeitsrecht der Beamten. Für Richter im Bundesdienst ergibt sich dies aus § 46 DRiG iVm §§ 64 ff. BBG, für Richter im Landesdienst aus § 71 I DRiG iVm § 42 BRRG und dem entsprechenden Landesbeamtenrecht. Ergänzend ist auf Bundesebene die aufgrund des § 46 DRiG ergangene Verordnung über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst (BRiNV) vom 15.10.1965384 anzuwenden. Ebenso kann die Bundesnebentätigkeitsverordnung durch § 46 DRiG iVm § 69 BBG ergänzend herangezogen werden.385 Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung dieser Regelungen sei auf die obigen Ausführungen zu den Beamten verwiesen.386 Im Folgenden sollen lediglich die Besonderheiten des Richterrechts aufgezeigt werden. Dabei werden auch hier solche Nebentätigkeiten ausgeblendet, die im dienstlichen Interesse von Richtern verlangt werden. Auch bei Nebentätigkeiten von Richtern, denen sie im eigenen Interesse außerhalb des öffentlichen Dienstes nachgehen, wird grundsätzlich zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Beschäftigungen unterschieden. Dafür finden sich in den §§ 4 ff. BRiNV zwar ausdrückliche auf die Genehmigung bezogene Regelungen, jedoch sind diese stark an das Beamtenrecht angelehnt, so dass sich hier eine erneute Darstellung erübrigt. Hingewiesen sei jedoch auf die richterspezifischen Versagungsgründe des § 5 BRiNV: Nach Nr. 1 ist die Genehmigung zu versagen, wenn das Vertrauen in die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Richters gefährdet oder die Nebentätigkeit sonst mit dem Ansehen des Richterstandes oder dem Wohle der Allgemeinheit unvereinbar ist.387 Nr. 2 normiert die übermäßige Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Richters als Versagungsgrund. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei Richtern eine Genehmigung nicht wegen der für Beamte geltenden Dienstzeiten versagt werden kann;388 denn diese sind nicht verpflichtet ihre Dienstgeschäfte innerhalb bestimmter Dienstzeiten oder in der Dienststelle zu erledigen.389 Gemäß Nr. 3 darf die Nebentätigkeit auch in anderer Weise nicht die Rechtspflege beeinträchtigen. Abweichend von den allgemeinen Regelungen kann einem Richter gemäß § 40 DRiG eine Nebentätigkeit als Schiedsrichter oder Schiedsgutachter nur unter bestimmten engen Voraussetzungen genehmigt werden. Zudem dürfen Richter nach § 41 I DRiG weder außerdienstlich Rechtsgutachten erstatten, noch entgeltlich Rechtsauskünfte erteilen. Handelt es sich bei dem Richter um einen beamteten Pro384
In der Fassung vom 15. 10. 1965 (BGBl. I, S. 1719), zuletzt geändert durch Artikel 209 II des Gesetzes vom 19. 04. 2006 (BGBl. I, S. 866) 385 Fürst, in: GKÖD, T vor § 40 Rn 1, § 46 Rn 13. 386 Vgl. oben B. II. 1. a). 387 In BVerwG NJW 1988, 1159 (1160) vertritt das BVerwG die Auffassung, dass die Nebentätigkeit eines Richters am Verwaltungsgericht als privater Repetitor nicht das Ansehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit beeinträchtigt und auch nicht den Wert der Ausbildung im Vorbereitungsdienst in Frage stellt. 388 von Zwehl, Nebentätigkeitsrecht im öffentlichen Dienst, S. 92. 389 BVerwG NJW 1988, 1159 (1160).
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
fessor, der das Richteramt nur als Nebentätigkeit wahrnimmt, so kann ihm nach § 41 II DRiG abweichend von dem Grundsatz in Absatz 1 eine Genehmigung erteilt werden, sofern dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt werden. Diese besonderen Regelungen für Richter rechtfertigen sich daraus, dass die richterliche Unabhängigkeit in solchen Verhältnissen besonders zu wahren ist, bei denen die Nebentätigkeiten der Richter auf ihrer richterlichen Qualifikation beruhen. Gerade solche Tätigkeiten bergen ein Risiko für die richterliche Integrität.390 b) Reine Nebeneinkünfte Richtern ist es ebenso wie Beamten sowohl strafrechtlich als auch dienstrechtlich verboten, Zuwendungen in Bezug auf ihr Amt anzunehmen. Zum strafrechtlichen Verbot, das sowohl für „normale“ Richter als auch für Bundesverfassungsrichter gilt, sei auf die Ausführungen am Ende dieses Abschnittes verwiesen.391 Die dienstrechtliche Beschränkung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 70 BBG nach § 46 DRiG. Die entsprechende Anwendung des § 70 BBG auf Richter kann allerdings nur mit der Maßgabe stattfinden, dass das dienstrechtliche Annahmeverbot absolute Geltung beanspruchen muss. Die nach Beamtenrecht die Zuwendung legitimierende Genehmigung durch eine höhere Dienstbehörde kann bei Richtern nicht stattfinden; denn dies würde der unabhängigen Stellung des Richters und der daraus folgenden eingeschränkten Dienstaufsicht widersprechen.392 Wie bei Beamten handelt es sich bei einer verbotenen Annahme von Zuwendungen um ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 I BBG iVm § 46 DRiG.393 Das Disziplinarverfahren richtet sich für Richter gemäß § 63 I DRiG in erster Linie nach den Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes. Vereinzelte Abweichungen ergeben sich aus den §§ 61 ff. DRiG. c) Befangenheitsvorschriften Geht ein Richter einer Nebentätigkeit nach oder erhält er von privaten Geldgebern finanzielle Zuwendungen, besteht dadurch die vermehrte – im Falle der reinen Nebeneinkünfte sogar eine hochwahrscheinliche – Möglichkeit, dass er in anhängigen Verfahren der Sache oder den Beteiligten nicht mehr mit der nötigen Distanz begegnen kann. Besteht ein derartiger Zweifel an der Neutralität des Richters, greifen die in allen Gerichtsordnungen enthaltenen Befangenheitsvorschriften394 ein, durch die im Wege der Ausschließung des betreffenden Richters kraft Gesetzes oder im Wege der 390
Fürst, in: GKÖD, T § 40 Rn 1. Vgl. unten B. III. 4. 392 Schmidt-Räntsch, DRiG, § 46 Rn 41. 393 Zur Geltung des § 77 BBG für Richter gemäß § 46 DRiG Schmidt-Räntsch, DRiG, Vor §§ 63, 64 Rn 3. 394 Vgl. die §§ 41 ff. ZPO, §§ 22 ff. StPO, § 49 ArbGG, § 54 VwGO, § 60 SGG, § 51 FGO, § 6 FGG, wobei in § 46 II ArbGG, § 54 I VwGO, § 60 I SGG und § 51 I FGO weitgehend auf die Regelungen der ZPO verwiesen wird. 391
III. Judikative: Richter
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Ablehnung durch einen Verfahrensbeteiligten seine Beteiligung an der Urteilsfindung verhindert werden kann. Wirkt ein Richter trotz Vorliegens eines Befangenheitsgrundes an der gerichtlichen Entscheidung mit, so liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, der die Entscheidung anfechtbar macht.395 Die Befangenheitsvorschriften gewährleisten die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Rechtsprechung. Die Objektivität der Gerichte ist Voraussetzung für sachlich richtige Entscheidungen und dient dem Vertrauen und der Akzeptanz der Rechtsprechung in der Öffentlichkeit und damit der Wahrung des Rechtsfriedens.396 Wie bei keiner anderen Staatsgewalt ist die Unparteilichkeit ihrer Amtsträger derart wesensimmanent.397 Neutralität der Richterbank ist oberstes rechtsstaatliches Gebot. Sie ist essentieller Bestandteil und Voraussetzung eines fairen Verfahrens. Die Systematik der Befangenheitstatbestände398 ist in den verschiedenen Gerichtsordnungen dieselbe. Der Übersichtlichkeit halber werden im Folgenden die Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) exemplarisch dargestellt. Auf wesentliche Unterschiede anderer Prozessordnungen wird hingewiesen, wobei die meisten zwar eigene verfahrensspezifische Ergänzungen der Befangenheitsregeln aufweisen, im Übrigen aber weitgehend auf die §§ 41 – 49 ZPO verweisen bzw. dieselben Grundprinzipien für die Ausschließungs- und Ablehnungsgründe aufweisen. aa) Ausschließung von Richtern Die Ausschließungsgründe sind jeweils abschließend399 im Verfahrensrecht enthalten und bewirken, dass ein Richter, für dessen Person ein Ausschließungsgrund besteht, kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts im betreffenden Rechtsstreit ausgeschlossen ist. Sie sind von Amts wegen zu berücksichtigen.400 Ein auf Feststellung des Ausschlusses gerichteter Gerichtsbeschluss hat allenfalls deklaratorische Bedeutung. Bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes wird die Befangenheit des Richters unwiderleglich vermutet. Ein Richter ist gemäß § 41 ZPO ausgeschlossen, wenn er selbst Partei des Verfahrens ist, zu einer Partei im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht (Nr. 1) oder Angehöriger einer Partei ist (Nrn. 2, 2a, 3). Ferner besteht ein Ausschlussgrund für Verfahren, in denen der Richter als Prozessbevollmächtigter, Beistand oder gesetzlicher Vertreter einer Partei fungiert oder fun395 Vgl. z. B. § 547 Nr. 2, Nr. 3 ZPO, § 338 Nr. 2, Nr. 3 StPO; ferner bilden Ausschluss und Ablehnung von Richtern Verfahrenswiederaufnahmegründe im Wege der Nichtigkeitsklage nach § 579 Nr. 2, Nr. 3 ZPO. 396 Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 24. 397 Vgl. BVerfGE 3, 377 (381). 398 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen der richterlichen Befangenheit Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633 (1636 ff.). 399 Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 41 Rn 1. 400 Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 41 Rn 2.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
giert hat (Nr. 4) und in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist (Nr. 5). Ausgeschlossen ist ein Richter zudem nach Nr. 6, wenn er bereits mit der Entscheidung derselben Sache in einem früheren Rechtszug oder im schiedsgerichtlichen Verfahren – nicht nur als beauftragter oder ersuchter Richter – befasst war. Als Besonderheit sehen andere Verfahrensordnungen zusätzlich die Mitwirkung an vorausgegangenen nicht gerichtlichen Verfahren als Ausschließungsgrund vor, so zum Beispiel die §§ 54 II VwGO, 60 II SGG, 51 II FGO in Bezug auf eine Vorbefassung im Verwaltungsverfahren oder im Strafverfahren nach § 22 Nr. 4 StPO bei vorheriger Tätigkeit in derselben Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger. Die strafprozessualen Regelungen ordnen zudem einen Richterausschluss an, wenn der Richter selbst Verletzter der zu beurteilenden Tat ist oder einem Verletzten nahe steht (vgl. § 22 Nrn. 1 – 3 StPO). Die Ausschlussgründe beruhen insgesamt auf objektivierbaren Kriterien, bei deren Vorliegen pauschal die mangelnde Neutralität des Richters angenommen wird. Hierzu gehört die eigene Beteiligung des Richters oder einer privat oder beruflich „in seinem Lager“ stehenden Person. Zudem greifen auch die richterlichen Befangenheitsvorschriften auf das Prinzip der Vorbefassung zurück.401 Dieses basiert im Rahmen der Judikative nicht nur auf der allgemeinen Überlegung, dass durch Vorbefassung eine gewisse Vorfestlegung nahe liegt. Heranzuziehen ist vielmehr auch die rechtsstaatliche Garantie des Rechtsmittelzuges durch einen „neuen“ Richter.402 Insgesamt wird bei den Ausschließungsgründen – wie auch bei den Mitwirkungsverboten im Verwaltungs- und Kommunalrecht – keinerlei Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Vielmehr knüpfen die Tatbestände an Situationen an, in denen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Befangenheit besteht.403 bb) Ablehnung von Richtern Die Möglichkeit der Ablehnung eines Richters auf Antrag eines Prozessbeteiligten besteht nach allen Prozessordnungen, wenn „ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen“, so beispielsweise die Formulierung in § 24 II StPO und § 42 II ZPO.404 Diese Besorgnis der Befangenheit ist aus Sicht des ablehnenden Prozessbeteiligten zu beurteilen.405 Dieser muss bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass haben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln.406 Demnach ist 401
Hierzu ausführlich Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 34 ff. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 41 Rn 5. 403 Benda, Befangenes zur Befangenheit, NJW 2000, 3620. 404 Kritisch zum vergleichsweise unpräzisen Gesetzeswortlaut Buschmann, Die Befangenheit des Richters, RiA 1986, 225. 405 Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 55 f. 406 BVerfGE 32, 288 (290). 402
III. Judikative: Richter
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auch hierfür nicht von Bedeutung, ob auch der betreffende Richter sich selbst für befangen hält oder ob er tatsächlich befangen ist.407 Allerdings müssen die Zweifel an der Objektivität des Richters „vernünftig“ sein, d. h. aus Sicht eines geistig gesunden Beteiligten bei voller Vernunft und nach zumutbarer ruhiger Prüfung der Sachlage nachvollziehbar sein.408 Nach den §§ 54 III VwGO, 51 III FGO, 60 III SGG ist die Besorgnis der Befangenheit für diese Verfahrensordnungen stets auch dann anzunehmen, wenn der Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Eine weitere Besonderheit bietet noch § 51 I 2 FGO, nach dem Gerichtspersonen auch abgelehnt werden können, wenn von ihrer Mitwirkung die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu besorgen ist. Die Ablehnung eines Richters muss rechtzeitig – gemäß § 43 ZPO vor der Sacheinlassung der Partei – geltend und glaubhaft (§ 44 II ZPO) gemacht werden. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (vgl. § 45 ZPO).409 Der ausschließende Beschluss führt zum Ausscheiden des Richters aus dem Prozess. Ohne Betreiben einer Partei besteht für einen Richter auch die Möglichkeit, von sich aus über Verhältnisse, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, Mitteilung zu machen – die sog. Selbstablehnung gemäß § 48 Hs. 1 ZPO. Hierdurch kann sich der Richter selbst von möglichen Interessenkonflikten befreien und Befangenheitsanträgen zuvorkommen. d) Die Zurückhaltungspflicht gemäß § 39 DRiG Daneben sei hier auch auf die allgemeine richterliche Zurückhaltungspflicht nach § 39 DRiG hingewiesen, die Art und Umfang der Nebentätigkeiten und -einkünfte von Richtern durchaus begrenzen kann. Nach § 39 DRiG hat sich jeder Richter410 innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Die Vorschrift verpflichtet den Richter alles zu unterlassen, was das öffentliche Vertrauen in seine innere Unabhängigkeit erschüttern könnte. Ihm wird ein Mäßigungsgebot auferlegt, dessen Grenzen im Einzelfall freilich nicht immer leicht zu ziehen sind.411 Entscheidend ist das äußere Erscheinungsbild.412 407 Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633 (1634); Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 56. 408 Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 55 f.; hierzu ferner umfassend Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633 (1634 ff.). 409 Zu Fallgruppen, in denen eine Besorgnis der Befangenheit bejaht wird vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn 11 ff.; Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 58 ff. 410 Aufgrund der Aufnahme dieser allgemeinen Richterpflicht in den Ersten Teil des DRiG, gilt sie gleichermaßen für Richter des Bundes und der Länder. 411 Pfeiffer, Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: FS Zeidler, S. 67 (76 ff.).
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
An der Auferlegung dieser Zurückhaltungspflicht an jeden einzelnen Richter wird die Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit deutlich. Diese wird Richtern nicht im Sinne eines subjektiven Rechts gewährt,413 sondern soll als wichtiger Teil des grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzips in erster Linie der Allgemeinheit zugute kommen. Daher kann der einzelne Richter auch nicht auf seine richterliche Unabhängigkeit verzichten, sondern ist ihr selbst verpflichtet.414 Die Zurückhaltungspflicht besteht ausdrücklich nicht nur bei Wahrnehmung seines richterlichen Amtes, sondern gerade auch für das politische, wirtschaftliche und soziale Leben des Richters;415 denn auch Verhalten außerhalb der staatlichen Sphäre kann das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unabhängigkeit der Richterschaft beschädigen. Die Pflichten aus dem Richteramt enden nicht mit Verlassen des Gerichtsgebäudes. Insofern müssen Richter zugunsten des Rechtsstaatsprinzips Einschränkungen ihrer Grundrechte als Privatleute in Kauf nehmen. § 39 DRiG ist daher als zulässige Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG und als die Meinungsfreiheit beschränkendes allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 II GG anzusehen. In Bezug auf Nebentätigkeiten bedeutet dies eine zusätzliche Zurückhaltung, für die der einzelne Richter über die beschriebenen Genehmigungspflichten und Annahmeverbote hinaus Sorge zu tragen hat. Mögen die Tätigkeiten auch in tatsächlicher Hinsicht nicht seine Unabhängigkeit beeinflussen, so ist der Richter dennoch verpflichtet auch den äußeren Eindruck des unabhängigen Richters zu bewahren.416 Die Verletzung der richterlichen Zurückhaltungspflicht bedeutet ein Dienstvergehen iSd § 77 BBG, § 46 DRiG und kann ein disziplinarrechtliches Verfahren nach sich ziehen. Die Verhaltensanforderungen an Richter aus der Zurückhaltungspflicht sind allerdings wenig konkret und spezifiziert,417 so dass ihr wohl nur eine Auffangwirkung zugesprochen werden kann. 2. Bundesverfassungsrichter Die Gefahr der Interessenkollisionen besteht ebenso bei Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Hier stellt sich die Rechtslage im Hinblick auf Nebentätigkeiten grundlegend anders dar. Die für sie geltenden Sonderregelungen rechtfertigen sich aus ihrer besonderen Stellung innerhalb der Judikative und des Verfassungsgefüges. Im Übrigen gelten im Verfassungsprozessrecht auch besondere Befangenheitsvorschriften, die zwar die Zweiteilung der Verhinderungsgründe in Ausschließung
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Pfeiffer, Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: FS Zeidler, S. 67 (75). Schmidt-Räntsch, DRiG, § 39 Rn 4. 414 Sendler, Unabhängigkeit als Mythos?, NJW 1995, 2464 (2466). 415 Schmidt-Räntsch, DRiG, § 39 Rn 5. 416 Pfeiffer, Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: FS Zeidler, S. 67 (75 ff.). 417 Zur problematischen Grenzziehung Pfeiffer, Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: FS Zeidler, S. 67 (75 ff.). 413
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kraft Gesetzes und Ablehnung auf Antrag eines Prozessbeteiligten beibehalten, im Übrigen jedoch eigenständige418 Befangenheitstatbestände definieren. a) Nebentätigkeitsrecht Für Richter des Bundesverfassungsgerichts gelten gemäß § 69 DRiG die erörterten Regelungen für Richter in beschränktem Ausmaß, d. h. nur soweit sie mit der besonderen Stellung eines Bundesverfassungsrichters nach dem Grundgesetz und dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG)419 vereinbar sind. Dies meint insbesondere die Regelungen über die Rechtsstellung der Verfassungsrichter aus Art. 94 GG sowie den §§ 3 – 12, 98 – 105 BVerfGG. Aus § 3 IV 1 BVerfGG geht hervor, dass Bundesverfassungsrichter einer anderen beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen dürfen, mit Ausnahme der Tätigkeit als Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule.420 Durch diese Regelung sollen verdeckte Abhängigkeiten vermieden und damit die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter gestärkt werden.421 Insbesondere soll sie aber sicherstellen, dass bei der hohen Arbeitsbelastung des Bundesverfassungsgerichts die Arbeitskraft des Verfassungsrichters möglichst umfassend dem Gericht zugute kommt.422 Die Ausnahmeregelung für Hochschullehrer ermöglicht eine enge – und sinnvolle – Verzahnung von Verfassungsgerichtsbarkeit und Wissenschaft.423 Ob es sich über das Berufsausübungsverbot hinaus um ein umfassendes Nebentätigkeitsverbot handelt, hängt von der Bedeutung des Begriffs „andere berufliche Tätigkeit“ ab. Heinrichsmeier und Geck verweisen zur Definition dieses Begriffs auf den Berufsbegriff des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des Art. 12 I GG.424 Danach ist eine berufliche Tätigkeit jede auf Dauer berechnete Tätigkeit, die der
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BVerfGE 32, 288 (290 f.); 43, 126 (128); 47, 105 (107 f.). In der Fassung der Bekanntmachung vom 11. 08. 1993 (BGBl. I, S. 1473), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 23. 11. 2007 (BGBl. I, S. 2614). 420 Für Bundesverfassungsrichter ruhen die Pflichten aus ihrem Dienstverhältnis als Hochschullehrer, jedoch wegen des wissenschaftlichen Charakters dieser Tätigkeit nicht ihre Rechte, vgl. Stadler, Die richterliche Neutralität in den Verfahren nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, S. 17; vgl. zudem § 101 III 2 BVerfGG; für ein Verbot der Hochschullehrertätigkeit Mahrenholz, Zur Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts, ZRP 1997, 129 (133). 421 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 125; Sturm, Die Inkompatibilität, S. 79 nennt dies „Inkompatibilität der unpolitischen Sphäre“. 422 Heinrichsmeier, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 3 Rn 18; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 125; Epping, Selbstablehnung von Richtern am BVerfG, DVBl. 1994, 449 (454); Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 84; Stern, Staatsrecht II, § 32 V 3, S. 369. 423 Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 84. 424 Heinrichsmeier, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 3 Rn 18; Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 59; ebenso Epping, Selbstablehnung von Richtern am BVerfG, DVBl. 1994, 449 (454). 419
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zu dienen bestimmt ist.425 Nicht als berufliche Nebentätigkeit in diesem Sinne wird klassischerweise eine freie schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder vortragende Tätigkeit angesehen werden können.426 Auch Auftritte in Hörfunk und Fernsehen, sowie Herausgeberschaft und Redaktionsarbeit zugunsten einer Fachzeitschrift sind als Nebentätigkeiten erlaubt;427 allerdings müssen auch diese hinter der Haupttätigkeit als Bundesverfassungsrichter zurücktreten.428 Benda/Klein stellen dagegen ein Verbot jeder auf Erwerb gerichteten Tätigkeit fest.429 Richtigerweise ist davon auszugehen, dass (entgeltliche) Nebentätigkeiten nicht gänzlich durch § 3 IV BVerfGG ausgeschlossen werden,430 sofern sie nicht den Umfang einer beruflichen Tätigkeit im oben definierten Sinne aufweisen. Dies ergibt sich schon aus einem Vergleich mit der sprachlich deutlich weiter gefassten Regelung des § 5 I BMinG, der ein Verbot jeder Art von individueller Erwerbstätigkeit enthält.431 Das BVerfGG spricht hingegen lediglich von „beruflichen Tätigkeiten“ und kann daher nicht jegliche Nebentätigkeit meinen. Allerdings kann aufgrund der Bedeutung des höchsten Richteramtes von den Verfassungsrichtern eine besondere – ihre Unabhängigkeit wahrende – Zurückhaltung erwartet werden.432 Jedenfalls besteht für wie jede das Richteramt begleitende Tätigkeit der Vorbehalt, dass diese die richterliche Tätigkeit nicht beeinträchtigen darf.433 Zudem haben die Bundesverfassungsrichter hierbei die nach § 69 DRiG auch für sie geltende allgemeine richterliche Zurückhaltungspflicht des § 39 DRiG zu beachten,434 die die Möglichkeit von Nebentätigkeiten noch weiter einschränkt. 425
Vgl. z. B. BVerfGE 7, 377 (397 ff.); 68, 272 (281); 105, 252 (265). Fürst/Mühl/Arndt, Richtergesetz, § 69 Rn 3; Stadler, Die richterliche Neutralität in den Verfahren nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, S. 17; Lechner/Zuck, BVerfGG, § 3 Rn 10 verweisen in der 4. Auflage des Kommentars (1996) noch als Begründung hierfür zum einen auf die Rechtstradition und zum anderen auf eine entsprechende Anwendung der Rechtsgedanken des heutigen § 66 I Nr. 3 BBG. 427 Stadler, Die richterliche Neutralität in den Verfahren nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, S. 17. 428 Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 59. 429 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 125. 430 So auch Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 84; Stern, Staatsrecht II, § 32 V 3, S. 369. 431 Siehe dazu oben B. II. 2. a). 432 So auch schon Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, § 3 Rn 3; vgl. auch Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 59 f.; Stadler, Die richterliche Neutralität in den Verfahren nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, S. 17; Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 84; Lechner/Zuck, BVerfGG, § 3 Rn 10. 433 Heinrichsmeier, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 3 Rn 19. 434 Schmidt-Räntsch, DRiG, § 69 Rn 5; Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 94. 426
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Daneben sind ergänzend die Regelungen des DRiG zu beachten: Die Erstattung von Rechtsgutachten oder entgeltlichen Rechtsauskünften ist Verfassungsrichtern ebenso wie anderen Richtern nach § 41 I DRiG verboten, wobei die spezielle für Professoren geltende Genehmigungsmöglichkeit nach § 41 II DRiG bei Verfassungsrichtern nicht besteht, da das Amt des Bundesverfassungsrichters niemals eine Nebentätigkeit darstellt (vgl. § 3 IV 2 BVerfGG).435 Gleichermaßen sind Tätigkeiten als Schiedsrichter oder Schiedsgutachter nur unter den in § 40 DRiG genannten Voraussetzungen genehmigungsfähig,436 wobei der Forderung Schmidt-Räntschs an die Bundesverfassungsrichter zuzustimmen ist, diese sollten aufgrund der besonderen Stellung des Bundesverfassungsgerichts im Allgemeinen von der Übernahme einer solchen Tätigkeit absehen.437 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass das Nachgehen von Nebentätigkeiten durch Bundesverfassungsrichter zu Recht stark eingeschränkt ist. Zwar reichen die ausdrücklichen Regelungen nicht an die strikteren Verbote für Bundesminister heran, jedoch wirkt zusätzlich die verfassungsrichterliche Zurückhaltungspflicht nebentätigkeitsbeschränkend. b) Reine Nebeneinkünfte Auch für Bundesverfassungsrichter gilt ein absolutes Verbot, Zuwendungen von Seiten Dritter anzunehmen. Dieses ergibt sich zum einen aus den für alle Richter geltenden strafrechtlichen Normen der §§ 331 ff. StGB, auf die am Ende dieses Abschnitts zurückzukommen sein wird438 und zum anderen aus dem über § 69 DRiG anwendbaren dienstrechtlichen Annahmeverbot nach § 46 DRiG iVm § 70 BBG. Anders als bei „normalen“ Richtern besteht für die Bundesverfassungsrichter allerdings keine die Durchsetzung dieses Verbots überwachende Dienstaufsicht oder Disziplinargerichtsbarkeit.439 Das beamtenrechtliche Disziplinarrecht findet auf sie keine entsprechende Anwendung.440 Als Sanktionsmöglichkeit kommt allein eine Entlassung nach § 105 I Nr. 2 BVerfGG in Betracht, die allerdings auf eklatante Extremfälle beschränkt bleiben muss. c) Befangenheitsvorschriften Wird dennoch einer Nebentätigkeit nachgegangen, so besteht auch bei Bundesverfassungsrichtern die erhöhte Gefahr, dass sich durch ihre Tätigkeiten Befangenheiten 435
Fürst/Mühl/Arndt, Richtergesetz, § 69 Rn 3. Heinrichsmeier, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 3 Rn 19; a.A.: Fürst/Mühl/Arndt, Richtergesetz, § 69 Rn 3. 437 Schmidt-Räntsch, DRiG, § 69 Rn 5. 438 Vgl die Ausführungen unten B. III. 4. 439 Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 78. 440 Stern, Staatsrecht II, § 32 V 1, S. 367. 436
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
in Bezug auf anhängige Verfahren ergeben, die die nötige Neutralität und Distanz zur Sache beeinträchtigt bzw. sachfremde Erwägungen in die Entscheidung einfließen lässt. Gleiches gilt, wenn die Richter gesetzlich nicht vorgesehene – das heißt nichtstaatliche – Zuwendungen erhalten. Diesem muss gerade auch beim Bundesverfassungsgericht begegnet werden, da dessen Entscheidungen innerstaatlich nicht weiter anfechtbar sind.441 Zudem kommt den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts weitreichende Bedeutung zu:442 Gemäß § 31 I BVerfGG binden dessen Entscheidungen die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden; in einigen Fällen kommt den Entscheidungen nach § 31 II BVerfGG sogar Gesetzeskraft zu. Dem Bundesverfassungsgericht obliegt es als „Hüter der Verfassung“ das Grundgesetz verbindlich auszulegen und anzuwenden.443 Oft treffen die tatsächlichen Folgen einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht nur die jeweiligen Verfahrensbeteiligten, sondern haben weit darüber hinausreichende Auswirkungen auf eine Vielzahl von Personen und Sachverhalte.444 Daher muss gerade beim Bundesverfassungsgericht eine möglichst große Gewissheit bestehen, dass die Entscheidungen nicht von persönlich oder sachlich voreingenommenen Richtern getroffen werden. In §§ 18, 19 BVerfGG finden sich deshalb spezielle Befangenheitsvorschriften für Bundesverfassungsrichter,445 die vor Parteilichkeit der Richter schützen sollen. „Geschützt wird damit das Bemühen, das objektiv richtige Recht zu finden und das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zu sichern, die das konkrete Verfahren in einer den Rechtsfrieden wiederherstellenden und dadurch Rechtssicherheit begründenden Weise beenden soll.“446 Neben der Sicherung der Neutralität als essentielle Grundvoraussetzung richterlicher Tätigkeit, bewahren Befangenheitsvorschriften auch das richterliche Ansehen,447 sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die Unparteilichkeit der Rechtsprechung als essentielle Legitimationsgrundlage der staatlichen Rechts-
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Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 205; Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 73; Wassermann, Zur Richterablehnung in verfassungsgerichtlichen Verfahren, in: FS Hirsch, S. 465 (469). 442 Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 74. 443 Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 93 Rn 14; Sturm, in: Sachs, Art. 93 Rn 4; Piazolo, Das Bundesverfassungsgericht und die Beurteilung politischer Fragen, in: Piazolo (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht – Ein Gericht im Schnittpunkt von Recht und Politik, S. 243; kritisch zur Bezeichnung als „Hüter der Verfassung“ Jarass/Pieroth, GG, Art. 93 Rn 3. 444 Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 74. 445 Diese Regelungen sind für bundesverfassungsgerichtliche Verfahren abschließend, so dass nicht ergänzend auf anderes Prozessrecht zurückgegriffen werden kann, vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 205. 446 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 204. 447 Knöpfle, Besetzung der Richterbank, insbesondere Richterausschließung und Richterablehnung, in: Festg. BVerfG, S. 142 (148).
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pflege.448 Auch diesem Zweck kommt im Hinblick auf das Bundesverfassungsgericht eine besondere Bedeutung zu, handelt es sich schließlich um ein oberstes Verfassungsorgan,449 dessen gutes Ansehen und das in ihn gesetzte Vertrauen Grundvoraussetzung für das Funktionieren eines demokratischen Rechtsstaates bildet. Die genannten Aspekte, auf denen die verfassungsgerichtlichen Befangenheitsvorschriften beruhen, sind kaum von denen der fachgerichtlichen Regelungen zu unterscheiden. Dennoch hat sich der Gesetzgeber mit den §§ 18, 19 BVerfGG für eigenständige, von den anderen Prozessordnungen losgelöste, Befangenheitsregelungen entschieden. Begründen lässt sich dies zum einen mit der bedeutenden Stellung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan und der einzelnen Bundesverfassungsrichter – in der Regel herausragende Persönlichkeiten, die auf besondere verfassungsrechtlich festgelegte Weise (Art. 94 I GG) gewählt wurden. Zum anderen spielen hier auch die Verfahrensgegenstände einer Rolle, über die das Verfassungsgericht zu befinden hat. Diese sind vor allem bei der Überprüfung von Gesetzen oft von sehr genereller und grundlegender Natur, so dass eine Anwendung allein der auf konkrete Einzelfallentscheidungen ausgerichteten fachgerichtlichen Befangenheitsbestimmungen der besonderen Aufgabe des Verfassungsgerichts nicht gerecht würde.450 Unterschieden wird allerdings wie in den fachgerichtlichen Verfahrensordnungen zwischen dem Richterausschluss nach § 18 BVerfGG, der tendenziell auf objektivierbare Tatsachen zurückgreift, und der Ablehnung von Richtern iSd § 19 BVerfGG, die sich auf die gesetzlich nicht näher definierte und daher stärker von Wertungen geprägte Besorgnis der Befangenheit stützt.451 aa) Ausschließung von Bundesverfassungsrichtern (1) § 18 I Nr. 1, II BVerfGG Kraft Gesetzes452 ist ein Bundesverfassungsrichter nach § 18 I Nr. 1 BVerfGG von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn er oder ein Verwandter an der Sache beteiligt ist. Eine Beteiligung ist zu bejahen, wenn eine besonders enge und
448 Wassermann, Zur Richterablehnung in verfassungsgerichtlichen Verfahren, in: FS Hirsch, S. 465 (467, 470). 449 Siehe hierzu die sog. „Status-Denkschrift“ Höpker-Aschoff, Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts – Die Stellung des Bundesverfassungsgerichts, JÖR N.F. 6 (1957), 144 ff.; BVerfGE 7, 1 (14); 65, 152 (154); vgl. auch die Vorschrift des § 1 BVerfGG. 450 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 7. 451 Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 63. 452 Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 73. „Kraft Gesetzes“ bedeutet einen automatischen Ausschluss, ohne dass es auf die Meinung der Verfahrensbeteiligten zur Befangenheit des Richters ankommt. Ein gerichtlicher Beschluss über die Ausschließung hat allenfalls deklaratorische Bedeutung.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
konkrete Beziehung des Richters zum Verfahrensgegenstand besteht.453 Ein bloß mittelbares Interesse am Gegenstand, etwa durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe, genügt nicht.454 Der Grad der Beteiligung wird durch § 18 II BVerfGG konkretisiert: Ausdrücklich gilt nicht schon als beteiligt, wer aufgrund seines Familienstandes, seines Berufes, seiner Abstammung, seiner Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder einem vergleichbaren Gesichtspunkt am Ausgang des Verfahrens interessiert ist. Auch hier gilt also ein aus anderen Befangenheitsvorschriften bekanntes „Gruppenprivileg“. Dagegen führt eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit aufgrund einer konkret-individuellen Sonderbeziehung zu einer Beteiligung iSd § 18 I Nr. 1 BVerfGG.455 Dann ist es wegen des deutlichen Interessenkonfliktes selbstverständlich, dass der Richter von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf Nebentätigkeiten von Bundesverfassungsrichtern ist es zwar denkbar, dass ein Richter wegen seiner Nebentätigkeit an einer anhängigen Sache unmittelbar beteiligt ist, jedoch wird sich die praktische Relevanz in Grenzen halten; denn zum einen sind Nebentätigkeiten ohnehin, wie soeben erörtert, stark beschränkt; zum anderen wird es wenig Fälle geben, in denen die Betroffenheit über ein durch die Nebentätigkeit bedingtes mittelbares Interesse des Richters am Verfahrensausgang hinausgeht. Im Hinblick auf Nebeneinkünfte kann an eine Betroffenheit gedacht werden, wenn ein Bundesverfassungsrichter Aktionär einer am verfassungsrechtlichen Verfahren beteiligten Aktiengesellschaft ist. Die finanziellen Interessen als Aktionär könnten dabei die verfassungsrichterliche Neutralität beeinträchtigen. Zumindest jedenfalls kann dieser Eindruck erweckt werden. Eine hinreichend unmittelbare Beteiligung, die zu einer Ausschließung führen würde, dürfte allerdings nur dann anzunehmen sein, wenn der betreffende Richter so viele Anteile an der Gesellschaft hält, dass er auf deren Willensbildung erheblichen Einfluss nehmen kann.456 Der bloße Besitz einiger Aktien zur privaten Vermögensanlage begründet dagegen keine hinreichend enge zur Ausschließung führende Beziehung zum Verfahrensgegenstand. (2) § 18 I Nr. 2, III BVerfGG Nach § 18 I Nr. 2 BVerfGG ist ein Verfassungsrichter ausgeschlossen, der in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist. Gemeint sind hiermit in erster Linie Tätigkeiten als Prozessvertreter oder Gutachter in früheren Sta453 So BVerfGE 47, 105 (108); Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 18 Rn 2. 454 Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 73. 455 Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 18 Rn 16. 456 So auch Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 77 f.; auch Geck spricht von einem notwendigen „größeren Aktienbesitz“, vgl. Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 73.
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dien des Verfahrens, als entscheidender Richter in vorangegangenen Rechtszügen, die Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung sind oder die frühere Tätigkeit innerhalb einer beteiligten Behörde.457 Als eine solche Tätigkeit ist gemäß § 18 III BVerfGG dagegen nicht die Mitwirkung des Richters im Gesetzgebungsverfahren – sei es als Abgeordneter, als Sachbearbeiter eines Bundesministeriums, als Gutachtenerstatter oder in ähnlicher Funktion458 – anzusehen. Ebenso gilt nicht die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer für das Verfahren möglicherweise bedeutsamen Rechtsfrage als Tätigkeit in diesem Sinne. Von Bundesverfassungsrichtern kann schließlich erwartet werden, dass sie auch bei einer früher gebildeten Meinung zu einer relevant werdenden Rechtsfrage unvoreingenommen an die Beurteilung einer anstehenden Sache herangehen. Im Übrigen wird es bei der Äußerung einer Ansicht meistens bereits an der Mitwirkung „in derselben Sache“ fehlen.459 Für ein Tätigwerden „in derselben Sache“ iSd § 18 I Nr. 2 BVerfGG genügt nicht eine Tätigkeit, die lediglich in irgendeinem Zusammenhang zu dem verfassungsgerichtlichen Verfahren steht.460 Vielmehr muss eine konkrete Vorbefassung im „verfahrensbezogenen Sinne“ stattgefunden haben.461 Angesichts dieses vergleichsweise engen Anwendungsbereichs der Ausschlussnorm ist fraglich, inwiefern § 18 I Nr. 2 BVerfGG für Befangenheiten durch Nebentätigkeiten von Verfassungsrichtern überhaupt relevant sein kann. Da die Fortführung eines Berufes während der Zeit als Bundesverfassungsrichter nach § 3 IV BVerfGG ausgeschlossen ist, kann § 18 I Nr. 2 BVerfGG lediglich eine solche berufliche Tätigkeit meinen, die vor der Berufung zum Bundesverfassungsrichter wahrgenommen wurde. Denkbar ist jedoch auch, in diesem Zusammenhang den Berufsbegriff weiter auszudehnen als in § 3 IV BVerfGG. Wie oben festgestellt schließt § 3 IV BVerfGG zwar die Fortführung eines Berufes aus, jedoch nicht jegliche Tätigkeit neben dem Amt als Bundesverfassungsrichter. Wenn aber der Richter sogar während seiner Zeit als Verfassungsrichter im Rahmen einer Nebentätigkeit in der anstehenden Sache tätig geworden ist, dann wird man erst recht einen Interessenkonflikt annehmen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt gebietet der Schutzzweck der Norm die Anwendung des § 18 I Nr. 2 BVerfGG auch für diesen Fall. Der praktische Anwendungsbereich wird dennoch gering sein. Dies folgt allein schon daraus, dass die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung durch § 18 III 457
Siehe Nachweise für die genannten Fallgruppen bei Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 208; Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 18 Rn 16. 458 Siehe die Beispiele für eine Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 18 Rn 30; kritisch Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 83 ff. 459 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 209. 460 Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 81. 461 BVerfGE 47, 105 (108); Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 18 Rn 20; Lechner/Zuck, BVerfGG, § 18 Rn 6; Klein, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 18 Rn 5.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Nr. 2 BVerfGG aus dem Anwendungsbereich des Richterausschlusses nach § 18 I Nr. 2 BVerfGG ohnehin ausgenommen ist und dies als „klassische“ Nebentätigkeit eines Bundesverfassungsrichters gilt. Im Übrigen ist die Erstattung von Gutachten neben der Tätigkeit als Verfassungsrichter nicht erlaubt. Wenn weiterhin die Richter die gebotene Zurückhaltung bei der Übernahme von Nebentätigkeiten berücksichtigen, dann dürfte es in der Praxis kaum vorkommen, dass ein Verfassungsrichter in derselben Sache tätig wird. Ein Ausschluss nach § 18 I Nr. 2 BVerfGG wegen einer Nebentätigkeit ist daher kaum denkbar. Die reinen Nebeneinkünfte spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle.
bb) Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern Im Hinblick auf Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte dürfte eher das Instrument der Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern nach § 19 BVerfGG von Bedeutung sein. Ein Bundesverfassungsrichter kann durch Verfahrensbeteiligte462 nach § 19 I BVerfGG wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Hierzu bedarf es eines Antrags durch einen Verfahrensbeteiligten sowie eines entsprechenden – konstitutiv wirkenden – Ablehnungsbeschlusses. Auch hier besteht nach § 19 III BVerfGG die Möglichkeit der Selbstablehnung.463 Entscheidende Voraussetzung für die Ablehnung eines Richters ist die Besorgnis der Befangenheit. Diese ist zunächst einmal dann gegeben, wenn „ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.“464 Ausschlaggebend ist auch hier, „ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln.“465 Ein Richter ist dann nicht mehr unvoreingenommen, wenn er in einer Sache schon so festgelegt ist, dass er Gegenargumenten nicht mehr ausreichend zugänglich ist und damit keine Möglichkeit mehr besteht, ihn durch bessere Argumente von einer anderen Sichtweise zu überzeugen.466 Dabei ist auf die objektivierte Sicht des betreffenden Verfahrensbeteiligten abzustellen, d. h. entscheidend ist auch hier nicht die tatsächliche Befangenheit des Richters, 462
Zum Begriff des „Verfahrensbeteiligten“ siehe Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 75. 463 Zur Selbstablehnung am Beispiel des sog. Herzog-Beschlusses siehe Epping, Die Selbstablehnung von Richtern am Bundesverfassungsgericht, DVBl. 1994, 449 ff.; Benda stellt hierzu die interessante These auf, die Selbstablehnung erfolge im Allgemeinen nicht etwa, weil sich der Richter für befangen halte, sondern vielmehr weil er sich die Bestätigung seiner Fähigkeit zu einem unbefangenen Urteil erhoffe, vgl. Benda, Befangenes zur Befangenheit, NJW 2000, 3620 (3621). 464 BVerfGE 20, 1 (5); 20, 9 (14); mangels eigener Definition des Begriffs der Befangenheitsbesorgnis im BVerfGG wird dieser Ansatz auf das allgemeine deutsche Verfahrensrecht gestützt, das in allen Verfahrensordnungen den gleichen Befangenheitsbegriff verwendet. 465 BVerfGE 20, 1 (5); 20, 9 (14); 20, 26 (29); 32, 288 (290); 43, 126 (127); 98, 134 (137); 102, 122 (125); st. Rspr. 466 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 212.
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sondern ob Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters aus Sicht des den Ablehnungsantrag stellenden Verfahrensbeteiligten berechtigt sind. Allerdings legt das Bundesverfassungsgericht seit jeher einen strengen Maßstab an diese Besorgnis der Befangenheit an, um nicht die subjektive Befangenheitsannahme der Verfahrenbeteiligten über die Zusammensetzung des Senats entscheiden zu lassen.467 Der anspruchsvollere Maßstab gegenüber den Richterbefangenheiten der allgemeinen Gerichtsbarkeiten wird mit den Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens, den besonderen Aufgaben und der Wahl der Bundesverfassungsrichter gerechtfertigt.468 Wissenschaftliche Äußerungen zu einer für das Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage stehen als solche einer Mitwirkung des äußernden Verfassungsrichters nicht entgegen.469 Um eine Befangenheit daraus zu begründen, müssen weitere Aspekte hinzukommen, wie zum Beispiel eine polemische oder diffamierende Form der Äußerung in unmittelbar zeitlicher Nähe zum Verfahren470 oder andere Aspekte, die nahe legen, dass der Betreffende Gegenargumenten nicht mehr zugänglich ist. Dies kann z. B. auch dann der Fall sein, wenn der Richter einer Organisation angehört, die eine spezielle Ansicht geradezu kämpferisch vertritt.471 Unzweifelhaft besteht auch und vor allem dann Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Richters, wenn es sich um ein Auftragsgutachten für einen Verfahrensbeteiligten handelte.472 Da jedoch den Bundesverfassungsrichtern wie allen Richtern die Erstattung von 467 Begründet wurde der strenge Maßstab zunächst damit, dass Verfahrensbeteiligte durch einfache Ablehnung einzelner Bundesverfassungsrichter bewusst die Gefahr der Beschlussunfähigkeit (§ 15 II 1 BVerfGG) eines Sentas verursachen könnten. Nunmehr bestehen in § 19 IV BVerfGG jedoch Vertretungsregeln, die diese Gefahr ausschließen. Dennoch wird an einem strengen Maßstab festgehalten (etwa in BVerfGE 73, 330 (335 f.)). Kritisch hierzu: Benda/ Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 215 f.; Benda, Befangenes zur Befangenheit, NJW 2000, 3620 (3622); Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 79 ff.; siehe zudem anschaulich Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 19 Rn 8 ff.; Lamprecht stellt in der Anwendungspraxis des Bundesverfassungsgerichts gar eine für ihn unbegreifliche „Beliebigkeit“ fest, mit der die Beschlüsse über Ablehnungsanträge zustande kämen, vgl. Lamprecht, Karlsruher Befangenheits-Logik, NJW 1999, 2791 (2793). 468 BVerfGE 35, 171 (172); 43, 126 (127 f.); 46, 14 (16); kritisch hierzu Wand, Zum Begriff „Besorgnis der Befangenheit“ in § 19 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht, in: Festg. Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 515 (517, 520 ff.), der sogar angesichts des besonderen Spannungsverhältnisses zu den anderen Staatsorganen eine besondere Gefährdung für die Unbefangenheit von Bundesverfassungsrichtern sieht (S. 524); vgl. auch ders. in seinem Sondervotum zu BVerfGE 35, 171 (175 ff.). 469 Zur Anwendbarkeit der § 18 II, III BVerfGG auf die Ablehnung eines Richters nach § 19 BVerfGG siehe Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 19 Rn 18 f. 470 Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 19 Rn 27; Wassermann, Zur Richterablehnung in verfassungsgerichtlichen Verfahren, in: FS Hirsch, S. 465 (484). 471 Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 75; Lamprecht, Karlsruher Befangenheits-Logik, NJW 1999, 2791 (2793). 472 BVerfGE 82, 30 (38 ff.); 98, 134 (138); Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn 213.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Rechtsgutachten neben dem Amt als Verfassungsrichter nach § 41 I DRiG verboten ist, ist eine Ablehnung wegen einer rechtsgutachterlichen Nebentätigkeit nicht denkbar. Gemeint können hier also nur solche Gutachten sein, die vor Übernahme des Bundesverfassungsrichteramtes erstattet wurden. d) Zurückhaltungspflicht Wie bereits angedeutet, ist gerade von den Bundesverfassungsrichtern eine besondere Zurückhaltung bei der Übernahme von Tätigkeiten neben dem Richteramt zu erwarten. Die herausgehobene Stellung des Bundesverfassungsgerichts als eines der Verfassungsorgane gebietet die Verfassungsrichter, sich so zu verhalten, dass kein Grund zur Besorgnis der Befangenheit gegeben wird.473 Für sie gilt nach § 69 DRiG ebenso die allgemeine richterliche Zurückhaltungspflicht aus § 39 DRiG, die den Richtern eine unabhängigkeitswahrende Zurückhaltung im dienstlichen und im privaten Bereich abverlangt. Eine dienstaufsichtliche Kontrollmöglichkeit besteht bei den Verfassungsrichtern, wie bereits festgestellt, jedoch nicht. Eine Entlassung nach § 105 I Nr. 2 BVerfGG muss auf eklatante Extremfälle beschränkt bleiben und ist daher schwerlich bei bloßer mangelnder Zurückhaltung eines Richters vorstellbar.474 Mag es sich bei der allgemeinen richterlichen Zurückhaltungspflicht also im Falle der Bundesverfassungsrichter zwar nicht um eine disziplinarisch durchsetzbare Pflicht handeln, so verbleibt die Zurückhaltungspflicht zumindest als Leitlinie des verfassungsrichterlichen Verhaltens.
3. Richter der Landesverfassungsgerichte Nicht unerwähnt bleiben sollen die Richter an den Landesverfassungsgerichten. Gemäß § 84 DRiG bestimmt das Landesrecht, wieweit die Regelungen des DRiG für Mitglieder des jeweiligen Landesverfassungsgerichts gelten. Für Baden-Württemberg ergibt sich aus dem Gesetz über den Staatsgerichtshof (StGHG)475 keine mit dem § 3 IV BVerfGG vergleichbare Unvereinbarkeitsvorschrift. Grund dafür ist, dass der Staatsgerichthof ganz anders aufgebaut ist als das Bundesverfassungsgericht. Auch die Arbeitsweise unterscheidet sich wesentlich. Nach § 7 I StGHG sind die Mitglieder des Staatsgerichtshofes lediglich ehrenamtlich tätig und erhalten eine bloße Aufwandsentschädigung.476 Somit kann von ihnen auch nicht verlangt werden, andere Tätigkeiten aufzugeben wie das bei den hauptamtlich und Vollzeit tätigen Bundesverfassungsrichtern der Fall ist. Allerdings ist zu beachten, dass nach 473
Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 19
Rn 17. 474 Kischel, § 69 Amt, Unbefangenheit und Wahl der Bundesverfassungsrichter, in: HdBdStR, Band III, Rn 78; Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 94. 475 Gesetz vom 13. 12. 1954 (GBl., S. 171), zuletzt geändert durch Gesetz vom 09. 03. 1976 (GBl., S. 310). 476 Hierzu Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1. Band, S. 425.
III. Judikative: Richter
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Art. 68 III 1 LVerf BW drei der neun Richter des Staatsgerichtshofs Berufsrichter sind. Diese unterliegen damit ohnehin den oben erörterten Anzeige- und Genehmigungspflichten, sowie der disziplinarisch durchsetzbaren richterrechtlichen Zurückhaltungspflicht. Die weiteren drei Mitglieder, die nach Art. 68 III 1 LVerf BW die Befähigung zum Richteramt haben müssen, rekrutieren sich häufig aus einem Kreis von Hochschullehrern und Beamten mit juristischer Ausbildung,477 so dass auch diese Gruppe zu einem großen Teil den erörterten amtsrechtlichen Pflichten unterliegt. Darüber hinaus gelten für das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof nach den §§ 11, 12 StGHG BW Befangenheitsvorschriften, die Ausschluss und Ablehnung von Mitgliedern ermöglichen und in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung stark an die entsprechenden Regelungen der §§ 18, 19 BVerfGG angelehnt sind. 4. Strafrechtliche Vorschriften In strafrechtlicher Hinsicht gelten auch für Richter – und zwar sowohl für die Richter der in Art. 95 I GG genannten Gerichtsbarkeiten, als auch für Verfassungsrichter – die Bestechungstatbestände der §§ 331 ff. StGB. Sie sind nach § 11 I Nr. 2a) StGB vom Begriff des Amtsträgers erfasst. Bei Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit für richterliche Handlungen gelten allerdings die Qualifizierungen der §§ 331 II, 332 II StGB,478 nach denen Richter und Schiedsrichter, die als Gegenleistung für eine begangene oder künftige richterliche Handlung Vorteile annehmen, fordern oder sich versprechen lassen, mit einem erhöhten Strafmaß von bis zu fünf Jahren rechnen müssen. Verletzt der Richter hierdurch zudem seine richterlichen Pflichten ist die Bestechlichkeit nach § 332 II 1 StGB sogar ein Verbrechen (§ 12 I StGB), das mit mindestens einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft wird. Der gegenüber den Grundtatbeständen deutlich erhöhte Strafrahmen wird damit gerechtfertigt, dass dem Schutz der neutralen und unabhängigen rechtsprechenden Gewalt eine noch höhere Bedeutung zukommt und daher das tatbestandliche Unrecht erhöht ist.479 Entscheidendes Merkmal für die Qualifikationen ist daher, dass es um eine „richterliche Handlung“ gehen muss. Darunter fällt jede durch die richterliche Unabhängigkeit geschützte und Rechtsgrundsätzen unterliegende Handlung.480 Andere Handlungen des Richters unterfallen den Qualifizierungen nicht, so zum Beispiel Tätigkeiten im Rahmen der Justizverwaltung. Hinsichtlich dieses Tätigkeitsbereichs, der im Sinne der drei voneinander zu unterscheidenden Staatsgewalten ohne477 Maurer, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, Rn 112 S. 62; unvereinbar mit der Mitgliedschaft beim Staatsgerichtshof sind lediglich bestimmte politische Ämter in Bund und Land, vgl. Art. 68 III 6 LVerf BW und § 2a I StGHG BW, nicht jedoch andere exekutive Funktionen. 478 Für die spiegelbildliche Strafbarkeit des Vorteilsgebers siehe die §§ 333 II und 334 II StGB. 479 Überhofen, Korruption und Bestechungsdelikte im staatlichen Bereich, S. 175 f., 179. 480 Fischer, StGB, § 331 Rn 29; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn 11b; anders noch Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 331 Rn 11.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
hin eher zur Exekutive gehört, kann zugunsten einer lückenlosen Strafbarkeit auf die Grundtatbestände zurückgegriffen werden.481 Festzustellen bleibt also, dass auch Richter einer erheblich weiter reichenden Strafbarkeit unterliegen als Abgeordnete.
IV. Zusammenfassung und Gegenüberstellung der Schwerpunkte der einzelnen Gewalten Um im weiteren Verlauf der Untersuchung einen Vergleich zwischen der Legislative und den anderen beiden Staatsgewalten anstellen zu können, erscheint es an dieser Stelle sinnvoll, noch einmal zusammenfassend die wesentlichen Regelungsschwerpunkte des geltenden Rechts im Hinblick auf die Interessenkonflikte, die durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Amtsträgern verursacht werden, gegenüberzustellen. Zudem sollen die Gewalten den Verfassungsgrundsätzen zugeordnet werden, die hinter den jeweiligen Regelungen als dominierende Schutzgüter stehen. Bereits daraus werden Unterschiede erkennbar, die möglicherweise eine unterschiedliche Behandlung der Gewalten in Fragen der Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte rechtfertigen oder sogar gebieten. Zur Veranschaulichung der Unterschiede von Judikative und Exekutive einerseits und Legislative andererseits, die den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, ist die Umkehrung der Reihenfolge in der Erörterung sinnvoll. 1. Judikative a) Rechtliche Lösung der Interessenkollisionen de lege lata Im Vordergrund stehen im Bereich der Judikative die umfassenden Befangenheitsvorschriften, die in jeder Gerichtsordnung enthalten sind und das Bild des unparteilichen Richters prägen. Für die Behandlung von Nebentätigkeiten von Richtern muss zwischen „normalen“ Richtern und Richtern des Bundesverfassungsgerichts unterschieden werden. Nebentätigkeiten der Richter der allgemeinen Gerichtsbarkeiten unterliegen, angelehnt an das beamtenrechtliche Nebentätigkeitsrecht, einer umfassenden Anzeige- und einer grundsätzlichen Genehmigungspflicht. Ergänzend zu den beamtenrechtlichen Regelungen existieren einige richterspezifische Versagungsgründe, die die besondere Aufgabe und Situation des Richteramtes aufgreifen. Beispielsweise dürfen keine außerdienstlichen Rechtsgutachten und keine entgeltlichen Rechtsauskünfte erstattet werden. Im Übrigen bleiben Nebentätigkeiten jedoch grundsätzlich möglich. Dagegen unterliegen Richter des Bundesverfassungsgerichts einem grundlegenden Verbot „beruflicher“ Nebentätigkeiten. Für alle Richter gilt im 481 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT 1, Rn 1099 S. 325; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn 11b; anders auch hier noch Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 331 Rn 11.
IV. Zusammenfassung und Gegenüberstellung der einzelnen Gewalten
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Übrigen die richterliche Zurückhaltungspflicht. Zudem ist es allen Richtern sowohl dienstrechtlich als auch strafrechtlich verboten, Zuwendungen Dritter anzunehmen. b) Dahinterstehende Verfassungsgrundsätze Innerhalb der Judikative spielt das Rechtsstaatsprinzip die überragende Rolle. Bereits hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer unparteilichen und unabhängigen Richterschaft.482 Der Grundsatz „nemo in iudex causa sua“ gilt im Prozessrecht unverrückbar. Die Unparteilichkeit ist der Judikative wesensimmanent.483 Ohne sie würde eine Rechtsprechung absurd. Neutralität der Richterbank ist oberstes rechtsstaatliches Gebot und essentieller Bestandteil und Voraussetzung eines fairen Verfahrens. Die richterliche Entscheidung hat, ohne Ansehung der Person oder besonderer Interessen, allein aufgrund der sachlichen Gegebenheiten des Einzelfalls und allein nach Recht und Gesetz zu erfolgen.484 Das allgemeine Vertrauen in die Unvoreingenommenheit der Richter ist wesentliche Voraussetzung für die innere und äußere Akzeptanz ihrer Entscheidungen durch die Betroffenen und die Allgemeinheit.485 Diese rechtsstaatlichen Grundsätze finden in weiteren einzelnen Grundgesetznormen ihre Verankerung. So kann man die Unparteilichkeit eines Richters als so wesentlich betrachten, dass sie bereits einen konstitutiven Bestandteil des Richterbegriffs des Art. 92 Hs. 1 GG bildet.486 Zur ausdrücklich in Art. 97 GG normierten Unabhängigkeit des Richters besteht ein untrennbarer Zusammenhang. In sachlicher Hinsicht meint die Unabhängigkeit iSd Art. 97 GG die Freiheit von Weisungen aller Art bei der richterlichen Tätigkeit.487 Hierdurch wird die Unparteilichkeit im Verfahren ermöglicht. Das Prinzip des unparteiischen Richters drückt sich auch in dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 I 2 GG aus. Das Prinzip des gesetzlichen Richters verlangt als Ausprägung der rechtsstaatlichen Rechtssicherheit488 und des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots489 nicht nur, dass der Richter anhand konkreter Zuständigkeitsrege482
Schmidt-Aßmann, § 26 Der Rechtsstaat, in: HdBdStR, Band II, Rn 25; Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters – Befangenheit und Parteilichkeit – im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht, S. 213. 483 BVerfGE 3, 377 (381); Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633; Isensee, Nemo iudex in causa sua – auch nicht das Parlament?, in: FS Schiedermair, S. 181 (184). 484 Hierzu umfassend Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters – Befangenheit und Parteilichkeit – im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht, S. 9 ff.; Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633. 485 Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633 (1634, 1638). 486 BVerfGE 26, 141 (154); 60, 175 (214); 103, 111 (140); Vollkommer, Der ablehnbare Richter, S. 8. 487 Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97 Rn 11; Pfeiffer, Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: FS Zeidler, S. 67. 488 BVerfGE 20, 336 (344 f.). 489 BVerfGE 82, 159 (194); Jarass/Pieroth, GG, Art. 101 Rn 1.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
lungen im Vorhinein gesetzlich vorbestimmt werden muss,490 sondern in seinem materiellen Gehalt auch, dass dieser unparteilich ist und Distanz und Neutralität wahrt.491 Ein Richter, der parteiisch ist, muss als ungesetzlich gelten. Das verfassungsrechtliche Postulat der Unparteilichkeit der Judikative ist darüber hinaus eine spezifische Ausprägung des grundgesetzlichen Gleichheitssatzes und somit verfassungsrechtlich auch in Art. 3 I GG verankert.492 Dieses gebietet es, dass Richter die vor ihnen stehenden Bürger gleich ansehen und ihnen durch gleiche Rechtsanwendung Gleichheit ermöglichen. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn richterliche Entscheidungen frei von sachfremden Erwägungen und auf ihnen fußende Bevorzugungen oder Benachteiligungen bleiben. 2. Exekutive a) Rechtliche Lösung der Interessenkollisionen de lege lata Für den Bereich der Exekutive nimmt das geltende Recht eine stärkere Unterscheidung zwischen den verschiedenen Amtsträgertypen vor. Für das Beamtentum gilt in Bezug auf Nebentätigkeiten der Grundsatz der Genehmigungspflicht. Die Genehmigung wird bei Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen versagt. Zwar gibt es auch genehmigungsfreie Nebentätigkeiten; diese unterliegen allerdings zum größten Teil zumindest einer Anzeigepflicht, so dass hier eine hohe Kontrolldichte durch den Dienstherrn besteht. Im Übrigen bestehen verwaltungsverfahrensrechtliche Befangenheitsvorschriften, die konkrete Interessenkonflikte auflösen. Allerdings sind diese Regelungen nicht so umfassend ausgeprägt wie im Bereich der Judikative. Beamte sind ferner dienstrechtlich zur Wahrung ihrer Unparteilichkeit und zur Zu490
Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 101 Rn 16. Grundlegend BVerfGE 21, 139 (146); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101 Rn 13; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 101 Rn 9; Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 18 Rn 3; Isensee, Zwischen Amtsethos und Parteibindung – Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZParl 31 (2000), 402 (404); Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 13 ff.; mit diesem Punkt werden vor allem die gerichtsverfahrensrechtlichen Befangenheitsvorschriften gerechtfertigt. Dagegen sehen u. a. Henkel, Der gesetzliche Richter, S. 12, 164 und Bettermann, Der gesetzliche Richter in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AÖR 94 (1969), 263 (269 f.) den Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 I 2 GG als reines Erfordernis einer normativen Zuständigkeitsordnung und Schutz vor Manipulation an: der befangene Richter sei ein gesetzlicher Richter, dem in konkreten Einzelfällen ausnahmsweise die Ausübung seines Richteramtes entzogen werden müsse. Hierzu auch Knöpfle, Besetzung der Richterbank, insbesondere Richterausschließung und Richterablehnung, in: Festg. BVerfG, S. 142 (143 f.), der jedenfalls einen starken Bezug zwischen Befangenheitsvorschriften und Art. 101 I 2 GG anerkennt, ansonsten aber keine eindeutige Stellung bezieht; vgl. zudem Art. 6 I 1 EMRK, der ausdrücklich ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht verlangt. 492 Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters – Befangenheit und Parteilichkeit – im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht, S. 14, 16; zustimmend Krekeler, Der befangene Richter, NJW 1981, 1633 Fn 1; anklingend auch bei Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Rn 383 ff. 491
IV. Zusammenfassung und Gegenüberstellung der einzelnen Gewalten
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rückhaltung verpflichtet. Weiterhin besteht sowohl ein dienstrechtliches als auch ein strafrechtliches Verbot der Annahme von Zuwendungen. Für die Mitglieder der Bundesregierung stellt sich ein gänzlich anderes Bild der geltenden Rechtslage dar. Zwar unterliegen auch sie den §§ 331 ff. StGB und – soweit sie konkret mit dem Gesetzesvollzug beschäftigt sind – den verwaltungsverfahrensrechtlichen Befangenheitsvorschriften. Im Übrigen jedoch besteht für die Regierungsmitglieder eine weitgehende wirtschaftliche Inkompatibilität, die private Nebentätigkeiten ausschließt. Eine besondere Stellung im Bereich der Exekutive nehmen die Mitglieder der Gemeindevertretungen ein. Da sie ehrenamtlich tätig sind, ist es bei ihnen selbstverständlich, dass sie neben der Gemeinderatstätigkeit einem gewinnbringenden Beruf nachgehen. Daher bestehen mit den sog. Hinderungsgründen nur vereinzelte Inkompatibilitäten, die sich auf das Wirtschaftsleben des Gemeinderatsmitglieds beziehen. Ausgeglichen wird dies mit den umfassenden Befangenheitsvorschriften, die die Arbeit der Gemeinderäte prägen. Zudem besteht eine ausdrücklich normierte Pflicht zur uneigennützigen Geschäftsführung. Hinsichtlich der Annahme von Zuwendungen sind die Gemeinderatsmitglieder weitgehend vom Anwendungsbereich der §§ 331 ff. StGB ausgenommen und den Parlamentariern gleichgestellt. b) Dahinterstehende Verfassungsgrundsätze Den Vorschriften für die Exekutive liegt zuvorderst das grundlegende Gebot der Unparteilichkeit der Verwaltung zugrunde.493 Dieses beruht maßgeblich auf dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip,494 konkret dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,495 vgl. Art. 1 III, 20 III GG. Der Amtswalter soll sich in seiner Tätigkeit allein durch das Gesetz und von rechtlich gebilligten Maßstäben leiten lassen.496 Dies wird bedingt durch den weitgehendsten Ausschluss persönlicher Eigeninteressen. „Verwalten ist Entscheiden in fremder Sache; der Befangene entscheidet in eigener Sache.“497 Das Entscheiden zugunsten eigener Interessen bedeutet indivi493
Zum Begriff der Unparteilichkeit und dessen Abgrenzung zum Begriff der Neutralität siehe Dagtoglou, Befangenheit und Funktionenhäufung in der Verwaltung, in: Festg. Forsthoff, S. 65 (66). 494 BVerwGE 69, 256 (270); Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 235; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 6; Besche, Die Besorgnis der Befangenheit im Verwaltungsverfahren – insbesondere im Prüfungswesen, DÖV 1972, 636 (637); Isensee, Zwischen Amtsethos und Parteibindung – Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZParl 31 (2000), 402 (404); ders., Nemo iudex in causa sua – auch nicht das Parlament?, in: FS Schiedermair, S. 181 (184); BVerwGE 29, 70 (71) bezeichnete die Unvoreingenommenheit als „Anliegen des Rechtsstaats“. 495 Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 45 f. 496 Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 235. 497 Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch 66 (1975), 370; hierzu auch Wenzel, Amtsausübung und Interessenkollision, DÖV
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
duelle Willkür, die rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht genügt und die Allgemeindienlichkeit staatlichen Handelns verfälscht.498 Der Amtswalter muss sein Verhalten positiv an den Zielen des Rechts ausrichten499 und die notwendige Distanz zur Sache wahren.500 Diese Grundsätze sind auch Teil der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ im Sinne des Art. 33 V GG.501 Daneben spielt auch das Demokratieprinzip eine gewichtige Rolle. Die repräsentative Demokratie des Grundgesetzes sieht die Schaffung von Gesetzen durch Mehrheiten vor, die oft aufgrund von Kompromissen und einem vorsichtigen Ausbalancieren der vielfältigen Ansichten zustande kommen. Die Respektierung dieses demokratischen Prozesses durch die Exekutive ist wesentlich für das Funktionieren des demokratischen Staates. Hierbei ist für sachfremde Individualinteressen des einzelnen Amtswalters kein Raum. Sein Handeln ist nur dann demokratisch legitimiert, wenn er sich allein an den Vorgaben des demokratisch zustande gekommenen Gesetzes orientiert.502 Dies gebietet Unparteilichkeit und alleinige Ausrichtung am Gemeinwohl.503 Ebenso fordert auch die materielle Seite des Demokratieprinzips die Ausrichtung des Verwaltungshandels an überindividuellen Kriterien zugunsten der Staatsgesamtheit.504 Teil der Verankerung findet sich auch im allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 I GG. Die Exekutive führt in Einzelentscheidungen die Gesetze aus. Diese sind nach dem Gleichheitsgrundsatz ohne Ansehen der Person anhand objektiver und vom Gesetz vorgegebenen Kriterien zu fällen.505 Diese Anforderungen erfüllt nur ein unparteilicher Amtswalter. Unterliegt er persönlichen Interessenkollisionen, aufgrund derer er einer bestimmten Entscheidungsmöglichkeit den Vorzug gibt, handelt es sich um willkürliche Differenzierungen. Es entstehen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen, die Art. 3 I GG zuwiderlaufen.506 1976, 411; Isensee, Nemo iudex in causa sua – auch nicht das Parlament?, in: FS Schiedermair, S. 181 (184). 498 Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch 66 (1975), 370 (377). 499 Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch 66 (1975), 370 (371). 500 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn 6. 501 Henke, Geld, Parteien, Parlamente, Der Staat 31 (1992), 98 (102); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn 71. 502 Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 236. 503 Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 48; zur Frage der parteipolitischen Neutralität vgl. Wagner, Neutralität und öffentlicher Dienst, DÖD 1987, 65 ff. 504 Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch 66 (1975), 370 (376). 505 Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 51; Püttner, Zur Neutralitätspflicht des Beamten, in: FS Ule, S. 383 (390 f.). 506 Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 236; zweifelnd Marr, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 44 f.
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Dass Nebentätigkeiten durch das geltende Beamtenrecht, das weitreichende Genehmigungs- und Anzeigepflichten vorsieht, so restriktiv gehandhabt werden, erklärt sich darüber hinaus mit beamtenrechtlichen Grundlagen. Das Beamtenrecht ist von seinen Ursprüngen her stark durch eine grundsätzlich unbegrenzte Hingabepflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn geprägt.507 Zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums iSd Art. 33 V GG gehört es, dass der Dienst als Beamter auf Lebenszeit und als Hauptberuf geleistet wird.508 Mag vor allem das Prinzip der Hingabepflicht in der heutigen Zeit stark aufgeweicht sein, so liegt dies dennoch dem Beamtentum als hergebrachter Grundsatz zugrunde und ist schließlich auch einfachgesetzlich als Prinzip in § 54 S. 1 BBG enthalten. Vor diesem Hintergrund erscheinen Nebentätigkeiten, die die Zeit und Arbeitskraft des Beamten beanspruchen und zudem seine berufliche Neutralität gefährden können, als „Fremdkörper des traditionellen Beamtenrechts“.509 Daraus erklärt sich das gesetzgeberische Bestreben, die Nebentätigkeiten durch Beamten soweit wie möglich zu beschränken. 3. Legislative a) Rechtliche Lösung der Interessenkollisionen de lege lata Im Hinblick auf Nebentätigkeiten und -einkünfte der Abgeordneten lassen sich zusammenfassend als wichtigste Regelungen festhalten: Das Mandat ist gesetzlich zum Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten erklärt worden. Nebentätigkeiten sind dennoch ausdrücklich gestattet. Diese unterliegen allerdings inzwischen weitreichenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten, ebenso die aus ihnen erzielten Einkünfte. Bei Verletzung dieser Pflichten droht dem Abgeordneten ein parlamentsinternes Verfahren mit anschließender Öffentlichmachung des Verstoßes und Auferlegung eines Ordnungsgeldes. Zuwendungen, die einem Abgeordneten im Hinblick auf die Wahrnehmung bestimmter Interessen im Parlament gezahlt werden, sind unzulässig. Unabhängig von einer konkreten Interessenvertretung sind auch Zuwendungen unzulässig, die ohne angemessene Gegenleistung gezahlt werden. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Verkehrsüblichkeit heranzuziehen, hilfsweise die Feststellung, ob Leistung und Gegenleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen. Unzulässigerweise an den Abgeordneten gezahlte Zuwendungen sind dem Bundeshaushalt zuzuführen. Durch die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln im Jahr 2005 sind die gesetzlichen Vorgaben konkretisiert und die einzelnen Pflichten der Abgeordneten verschärft worden. Zudem sind Bemühungen des Gesetzgebers zu erkennen, ernstere Konsequenzen aus Pflichtverstößen zu ziehen. 507 Jansen, Nebentätigkeit im Beamtenrecht, S. 1; Rohrmann, Die Abgrenzung von Hauptamt und Nebentätigkeit, S. 5 f. 508 Ule, Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bemerkungen zum Nebentätigkeitsrecht, in: FS Weber, S. 609; Summer, Rechtes Augenmaß – rechtes Verfassungsmaß – eine Studie zum neuen Nebentätigkeitsrecht, ZBR 1988, 1 (3). 509 Jansen, Nebentätigkeit im Beamtenrecht, S. 1.
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B. Behandlung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und -einkünfte
Zuwendungen an den Abgeordneten zum Zwecke des Stimmenkaufs sind nach § 108e StGB unter Strafe gestellt, wobei der Straftatbestand jedoch lediglich die krassen Formen der Bestechung erfasst. Spenden an Abgeordnete für ihre politische Tätigkeit sind grundsätzlich zulässig. Auch sie unterliegen der Anzeige- und Veröffentlichungspflicht. Wesentliche Befangenheitsvorschriften in Form von Mitwirkungsverboten gibt es im legislativen Bereich des Bundes nicht. b) Dahinterstehende Verfassungsgrundsätze Bei der Legislative bildet den wesentlichen Schwerpunkt das grundgesetzliche Demokratieprinzip.510 Der Bundestag ist das einzige direkt demokratisch legitimierte Organ auf Bundesebene und damit quasi Sinnbild der Demokratie in der Bundesrepublik. Daher stehen auch die interessenkollisionsbewältigenden Normen stets im Lichte dieses Verfassungsgrundsatzes. Dieser wird zwar auch durch rechtsstaatliche Aspekte flankiert, jedoch erfahren diese nicht eine derart starke Auswirkung wie bei den anderen Gewalten. Vom Abgeordneten wird nicht die Art von Neutralität erwartet wie von Richtern oder vom klassischen Angehörigen der Exekutive. Die Legislative ist zwar auch an Recht, Gesetz und Grundrechte gebunden; da sie jedoch zugleich Schöpfer der Gesetze ist, definiert sich diese Bindung gänzlich anders als für die Exekutive und die Judikative. Dies zeigt auch die Ausformulierung des Rechtsstaatsprinzips in Art. 20 III GG, wonach die Gesetzgebung ausdrücklich lediglich an „die verfassungsmäßige Ordnung“511 dagegen die beiden anderen Gewalten an „Gesetz und Recht“ gebunden werden. Die Rechtsstaatlichkeit hat in der Legislative mithin eine andere Bedeutung; die demokratischen Prinzipien drängen hier stärker in den Vordergrund. Die Legislative gestaltet das Recht auf Grundlage ihrer unmittelbaren Legitimation durch demokratische Mehrheiten. Dies bedeutet konkret: Für die Legislative gilt das rechtsstaatliche Prinzip des Verbots der Entscheidung in eigener Sache nicht in derselben Ausprägung wie für die beiden anderen Gewalten. Parlamentarische Entscheidungen erfordern nicht dieselbe Distanz zum Entscheidungsgegenstand.512 Die Durchsetzung von Gruppeninteressen und Parteinahme gehören zum politischen Parlamentarismus. Dennoch fordert das Grundgesetz auch von Angehörigen der Legislative die Orientierung am Gemeinwohl, die der Verfolgung von Eigeninteressen auch im parlamentarischen Bereich ihre Grenzen setzt. Die Parteinahme darf nur auf sachgerechten Kriterien beruhen. Zudem missbilligt das Grundgesetz die Ausnutzung des parlamentarischen Mandats zu eigenwirtschaftlichen Zwecken. 510 So auch Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (334). 511 Zum Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung in diesem Kontext vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn 101; Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn 42. 512 Isensee, Nemo iudex in causa sua – auch nicht das Parlament?, in: FS Schiedermair, S. 181 (184).
IV. Zusammenfassung und Gegenüberstellung der einzelnen Gewalten
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Allein ein allgemeiner Verweis auf das Demokratieprinzip als dominierender Verfassungsgrundsatz der Legislative befriedigt an dieser Stelle allerdings nicht. Da im Weiteren die Situation der Abgeordneten und die rechtlichen Möglichkeiten zur Bewältigung der durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte bewirkten Interessenkonflikte im legislativen Bereich genauer untersucht werden sollen, ist die Erkenntnis wichtig, welche Aspekte des Demokratieprinzips und anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte in der Legislative konkret beeinträchtigt werden. Nur anhand einer solchen detaillierten Untersuchung kann schließlich festgestellt werden, welche Möglichkeiten zur Vermeidung und Bewältigung der Konflikte ergriffen werden können. Zudem treten dadurch noch deutlicher die wesentlichen Unterschiede zu den anderen Gewalten zutage, die unterschiedliche Beurteilungen und Maßnahmen rechtfertigen.
C. Die durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages betroffenen Verfassungsgüter Wie bereits festgestellt, kann durch Nebentätigkeiten und -einkünfte von Abgeordneten insbesondere das grundgesetzliche Demokratieprinzip iSd Art. 20 II GG beeinträchtigt sein. Aspekte der demokratischen Legitimation, der Repräsentation und der demokratischen Transparenz spielen dabei die wesentlichen Rollen. Darüber hinaus können die Grundsätze des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG sowie der im Grundgesetz verankerte Gewaltenteilungsgedanke betroffen sein, letzterer jedoch nicht im Sinne der funktionalen Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Judikative und Legislative, sondern in der Hinsicht, dass politische, staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Macht sich personell nicht auf den Schultern einiger Weniger vereinen sollte. Im Übrigen können durch Nebeneinkünfte das Recht auf gleiche Abgeordnetenentschädigung nach Art. 48 III 1 GG und das Prinzip der demokratischen Gleichheit der Bürger betroffen sein. Im Folgenden sollen daher die genannten Verfassungsgüter und die Art und Weise ihrer Betroffenheit durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Abgeordneten eingehender untersucht werden. Die meisten Abhandlungen, die sich mit Fragen der Bewältigung der auf Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften beruhenden Interessenkonflikte beschäftigen, verbleiben bei der bloßen Benennung der betroffenen Verfassungsgüter und gehen sogleich in eine Güterabwägung über. Nur selten wird die Betroffenheit der Verfassungsgüter genauer beleuchtet, obwohl nur durch ihre Kenntnis die Frage nach den Regelungsmöglichkeiten sachgerecht beantwortet werden kann. Dabei soll an dieser Stelle lediglich auf die generelle Betroffenheit der jeweiligen Prinzipien eingegangen werden. Eine Beurteilung, ob diese Betroffenheiten sich möglicherweise rechtfertigen lassen oder in Kauf genommen werden müssen bzw. ob Eingriffe in andere Verfassungsgüter zugunsten der hier erörterten gerechtfertigt sein können, soll an dieser Stelle bewusst noch nicht vorgenommen werden.
I. Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes: Repräsentativer Parlamentarismus Das Demokratieprinzip des Art. 20 II GG wird im Grundgesetz als parlamentarische Demokratie ausgestaltet. Die Staatsgewalt geht in einer solchen repräsentativen
I. Demokratieprinzip des Grundgesetzes: Repräsentativer Parlamentarismus
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Demokratie vom Volk aus,1 wird jedoch in erster Linie durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Besonderer Bedeutung kommt hierbei dem Parlament zu:2 Die politische Willensbildung des Volkes wird durch die direkt gewählte und zur selbstständigen Entscheidung berufene Volksvertretung – den Bundestag – vermittelt.3 In diesem Zusammenhang ist Art. 38 I 2 GG hervorzuheben – „Sie [die Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, […]“ –, der die Grundlage für die repräsentative Stellung des Bundestages schafft.4 Die direkt demokratisch legitimierten Abgeordneten repräsentieren in ihrer Gesamtheit das Volk in dessen Gesamtheit5 und treffen für das Volk verbindlich die wesentlichen Entscheidungen des Staates.6 Prägendes Merkmal dieses Systems ist es, dass die Repräsentierenden sich in periodisch wiederkehrenden Wahlen demokratisch für ihr Handeln verantworten müssen und so stets die repräsentative Entscheidungsgewalt auf das Volk rückbezogen und damit demokratisch legitimiert wird.7 Es muss ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Wählerentscheidung und der Tätigkeit des Parlaments bestehen.8 Diese Grundprinzipien nehmen Schaden, wenn die wahren Entscheidungsträger der Legislative nicht die direkt demokratisch legitimierten und das Volk repräsentierenden Abgeordneten sind, sondern hinter ihnen stehende Geldgeber, die durch finanzielle Zuwendungen an Abgeordnete auf die parlamentarische Willensbildung Einfluss nehmen. Eine solche Verlagerung des Entscheidungsprozesses aus dem parla1
Als „Volk“ gilt hier die Aktivbürgerschaft als Gesamtheit aller wahlberechtigten Bürger deutscher Staatsangehörigkeit, vgl. Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn 18. 2 Anschaulich bezeichnet Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, 249 (253) das Parlament als das „Gravitationszentrum des demokratischen Verfassungsstaats“. 3 Badura, § 25 Die parlamentarische Demokratie, in: HdBdStR. Band II, Rn 34. 4 BVerfGE 104, 310 (329 f.); Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 38 Rn 3. 5 Zu dieser sog. Gesamtrepräsentation siehe BVerfGE 44, 308 (316); 70, 324 (367); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn 129; ders., Parlamentarisches Geschäftsordnungsrecht zwischen Abgeordnetenrechten und politischer Praxis, JZ 1989, 1035 (1038); Degenhart, Staatsrecht I, Rn 638 S. 237; Frotscher, Der Status des Abgeordneten, JuS 1987, L 81 (82); anders Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktionen, S. 84 ff. 6 Böckenförde, § 34 Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: HdBdStR, Band III, Rn 27 bezeichnet die unmittelbar gewählte Volksvertretung als „zentrales Repräsentativorgan“, über das sich wiederum der repräsentative Charakter der weiteren Regierungsorgane vermittelt; so auch Schmitt Glaeser, Das Ansehen des Politikers als Problem des parlamentarischen Regierungssystems, ZRP 2000, 95. 7 Böckenförde, § 34 Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: HdBdStR, Band III, Rn 16, 26; Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 83; Hofmann/ Dreier, § 5 Repräsentation, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 28 S. 178 f.; Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 29; Gusy, Demokratische Repräsentation, ZfP 1989, 264 (275). 8 Röhrich, Im Umgang mit der Macht: Das Prinzip der Repräsentation, in: FS von Arnim, S. 639 (648).
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C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
mentarischen heraus in Bereiche, die vom Grundgesetz nicht als Träger solcher Prozesse vorgesehen sind, läuft daher dem Prinzip parlamentarischer Demokratie zuwider.9 Finden die eigentlichen Entscheidungen außerhalb des Parlaments durch finanziellen oder sonstigen interessengebundenen Einfluss auf die Abgeordneten statt, so kann nicht mehr von einer demokratischen Legitimation der auf solche Art zustande kommenden Entscheidungen gesprochen werden. Außerparlamentarische Entscheidungsträger sind zum einen nicht dem Gemeinwohl verpflichtet und zum anderen nicht gegenüber der Öffentlichkeit – insbesondere nicht gegenüber dem Wahlvolk – rechenschaftspflichtig und können insofern auch nicht demokratisch zur Verantwortung gezogen werden.10 Eine Rückkopplung an den Willen des Volkes kann somit nicht stattfinden. Der Volkswille, von dem im Grundsatz schließlich alle Staatsgewalt ausgeht (Art. 20 II 1 GG), wird nicht mehr im Sinne der demokratischen Repräsentation, wie sie vom Grundgesetz in Art. 20 II GG und Art. 38 I 2 GG gefordert wird, vermittelt. Diese Beeinträchtigung ist nicht erst dann festzustellen, wenn die Entscheidungsträger tatsächlich außerhalb des Parlaments zu finden sind. Bereits der entsprechende Anschein schadet. „Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes.“11 Wird dieses Vertrauen nachhaltig enttäuscht – und dazu genügt bereits der nicht völlig aus der Luft gegriffene böse Schein –, verringert sich die Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen durch das Volk.12 Gleichsam verringert sich die Bereitschaft der Bevölkerung an einer aktiven Teilhabe am demokratischen System, die für dessen dauerhafte Existenz unerlässlich ist.13 Die Fundamente der grundgesetzlichen Demokratie geraten dadurch ins Wanken.14 Ebenso schädlich für die repräsentative Demokratie ist der Missbrauch der Repräsentationsstellung durch einzelne Abgeordnete und der damit erlangten legislativen und politischen Machtposition für eigene Zwecke. Das repräsentative Amt des Abgeordneten erfordert eine Ausrichtung der Amtstätigkeit an Erfordernissen der All-
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Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (331). Schmitt Glaeser, Das Ansehen des Politikers als Problem des parlamentarischen Regierungssystems, ZRP 2000, 95 (100); vgl. auch die entsprechenden Ausführungen zum verbreiteten – und ebenso nicht unproblematischen – Einfluss von Verbänden auf die parlamentarische Tätigkeit der Abgeordneten bei Richter, Lobbyismus und Abgeordnetenbestechung, S. 13. 11 BVerfGE 40, 296 (327). 12 Böckenförde, § 34 Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: HdBdStR, Band III, Rn 45; Patzelt, Das Volk und seine Vertreter: eine gestörte Beziehung, APuZ 1994, B 11, S. 14 ff. 13 Vgl. Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 16. In diesem Zusammenhang ist wohl der oft bemühte Begriff der „Politikverdrossenheit“ der Bürger zu nennen, deren Gefahr für die Demokratie nicht zu unterschätzen ist. 14 Ähnlich Schmitt Glaeser, Die Abhängigkeit der Politiker als Funktionsmangel der Demokratie, ZRP 2006, 10 (13). 10
I. Demokratieprinzip des Grundgesetzes: Repräsentativer Parlamentarismus
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gemeinheit und Belangen des repräsentierten Volkes.15 Bloß eigennütziges Verhalten läuft dem zuwider.16 Bereits der Anschein, die Stellung als Mandatsträger würde durch einzelne Abgeordnete für eigene wirtschaftliche Vorteile „ausgeschlachtet“, beeinträchtigt das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit der Volksvertretung als ganzer17 und damit auch das gesamte repräsentative System; denn zwischen dem Ansehen einzelner Abgeordneter und der Akzeptanz des repräsentativen Parlamentarismus des Grundgesetzes besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.18 Das Entstehen eines schlechten Anscheins kann durch entsprechend eigennützige Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Abgeordneten gefördert werden, insbesondere wenn sich die Möglichkeit, einer bestimmten Nebentätigkeit nachzugehen oder eine bestimmte Zuwendungen zu erhalten, nur deshalb stellt, weil der Abgeordnete eben diese besondere Stellung innerhalb der repräsentativen Demokratie einnimmt. Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte können also verbreitet zu verringertem Ansehen der Repräsentanten führen und so die Gefahr bergen, dass vermehrt das repräsentative System der grundgesetzlichen Demokratie in Frage gestellt wird.19 Weiterer zwingender Aspekt der repräsentativen Demokratie ist das Gebot der Öffentlichkeit des parlamentarischen Entscheidungsprozesses und der Offenlegung seiner Ergebnisse.20 Die freiheitlich demokratische Grundordnung setzt einen freien und offenen Meinungs- und Willensbildungsprozess des Volkes voraus.21 Die nichtöffentliche Einflussnahme auf die Entscheidungen der politisch Führenden etwa durch finanzielle Zuwendungen stellt einen direkten Widerspruch zu diesem weit gefassten Öffentlichkeitsprinzip dar.22 Das Demokratieprinzip fordert daher Transparenz. Dem Bürger muss es möglich sein, das Zustandekommen von Gesetzen, sowohl im Hinblick auf das Wie als auch das Warum, nachzuvollziehen.23 Dieses Transparenzgebot 15
Böckenförde, § 34 Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: HdBdStR, Band III, Rn 30; Scheuner, Das repräsentative Prinzip in der modernen Demokratie, in: FS Huber, S. 222 (231); Bohrer spricht anschaulich vom Abgeordneten als „Treuhänder“ des Staatsvolkes, vgl. Bohrer, Umwelt und Recht: Mandat oder Gewissen?, NJW 1968, 2093. 16 Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913 (920). 17 Dichgans, in: BT-Drs. VI/3829, S. 70; Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (325); vgl. auch die Ausführungen über notwendige Würde und Autorität der Repräsentanten bei Wiese, Das Amt des Abgeordneten, AÖR 101 (1976), 548 (561). 18 Schmitt Glaeser, Das Ansehen des Politikers als Problem des parlamentarischen Regierungssystems, ZRP 2000, 95 (95, 97) bezeichnet das Ansehen der gewählten Repräsentanten sogar als „Lebensgrundlage des demokratischen Staates“. 19 Schmitt Glaeser, Das Ansehen des Politikers als Problem des parlamentarischen Regierungssystems, ZRP 2000, 95 (97) sieht bereits den jetzigen Zustand als „bedrohlich“ an, da wegen des schwindenden Ansehens der Politiker Folgebereitschaft und Akzeptanz im Volk nicht mehr hinreichend ausgebildet seien. 20 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 148. 21 BVerfGE 20, 56 (97). 22 Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 108. 23 Mengel, Grundvoraussetzungen demokratischer Gesetzgebung, ZRP 1984, 153 (156).
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C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
erschöpft sich nicht allein in den im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Öffentlichkeitsgeboten (z. B. Art. 42 I 1, 44 I 1, 52 III 3 GG).24 Es bezieht sich nicht ausschließlich auf die parlamentarischen Verhandlungen und Vorgänge, sondern auch auf andere für die Wähler notwendigen Informationen, um eine qualifizierte Wahlentscheidung treffen zu können. Hierzu kann auch das Sichtbarmachen von Interessenverflechtungen und Abhängigkeiten der Abgeordneten und Wahlbewerber zählen.25 Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang vom „Grundsatz der Öffentlichkeit politischer Herrschaft“.26 Öffentlichkeit ermöglicht einen immerwährenden Diskurs zwischen den Repräsentanten und dem repräsentierten Volk,27 der die demokratische Legitimation des parlamentarischen Handelns immer wieder aktualisiert und eine ständige Kontrolle der Repräsentanten durch das repräsentierte Volk ermöglicht.28
II. Das freie Mandat, Art. 38 I 2 GG Nach Art. 38 I 2 GG sind Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes und als solche in ihren Entscheidungen nur ihrem Gewissen unterworfen. Diese Aussage wird als Grundsatzentscheidung für die parlamentarische Demokratie nach dem Prinzip der Repräsentation angesehen und gilt als Ausgestaltung des Demokratieprinzips aus Art. 20 I, II GG.29 Art. 38 I 2 GG statuiert das freie parlamentarische Mandat, das dem Abgeordneten kraft seines anvertrauten Amtes30 eine Rechts- und Pflichtenstellung auferlegt,31 durch die die Funktionsfähigkeit und die repräsentative Legitimation des Parlaments gewährleistet werden.32
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Dahingehend die dissentierenden Richter in BVerfGE 118, 277 (382 f.). BVerfGE 118, 277 (354); Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25); Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 92. 26 BVerfGE 118, 277 (353). 27 von Waldthausen, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und öffentliche Kontrolle im Verfahren zur Festsetzung der Abgeordnetenentschädigung, S. 185. 28 Gusy, Demokratische Repräsentation, ZfP 1989, 264 (277). 29 Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 9 S. 492. 30 Zur Bedeutung des Begriffes „Amt“ in diesem Zusammenhang siehe Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 59 S. 507; von Arnim, in: BK, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 49; Pohl, Drittzuwendungen an Bundestagsabgeordnete, ZParl 26 (1995), 385; Wiese, Das Amt des Abgeordneten, AÖR 62 (1976), 548 ff.; allgemein zum öffentlichen Amtsbegriff Leisner, Öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AÖR 93 (1968), 161 (166 ff.). 31 BVerfGE 76, 256 (341); zu den einzelnen Rechten eines Abgeordneten siehe Vonderbeck, Die Rechte eines Mitglieds des Deutschen Bundestages, ZParl 14 (1983), 311 ff. 32 Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 60 S. 508; Trachternach, Die Freiheit des Abgeordneten und die Ratlosigkeit des Juristen, DVBl. 1975, 85 (87). 25
II. Das freie Mandat, Art. 38 I 2 GG
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Dem Abgeordneten wird ein selbstständiger verfassungsrechtlicher Status verliehen, den er schützend gegenüber der öffentlichen Gewalt sowie gegenüber seiner Partei, seiner Fraktion und gegenüber Interessen- und Wählergruppen aller Art geltend machen kann.33 Jede Einflussnahme auf das parlamentarische Handeln des Abgeordneten, die ihn in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen könnte, ist durch Art. 38 I 2 GG verboten. Die Unabhängigkeit des Abgeordneten ist zentraler Bestandteil des freien Mandats. Daraus ergibt sich, dass Verträge und Absprachen, die das Abstimmungsverhalten eines Abgeordneten festlegen sollen, nichtig sind, also keinerlei bindende Wirkung für den Abgeordneten entfalten können.34 Enthalten ist im Sinne einer Pflichtenstellung aber auch ein gewisses Unabhängigkeitserfordernis an den Abgeordneten selbst. Der Abgeordnete soll unabhängig sein, nicht nur von Aufträgen der Wähler seines Wahlbezirkes, sondern auch und besonders gegenüber organisierten Interessen aller Art.35 Er ist Vertreter des ganzen Volkes. Sein Verhalten im Bundestag soll am Gesamtinteresse orientiert sein.36 Er soll ein „Gewissen für das Ganze“ haben,37 ein am Gemeinwohl orientiertes Gewissen.38 In diesem Sinne obliegt es dem einzelnen Abgeordneten seine – in aller Regel vorgeprägte – Meinung gegenüber anderen sachlichen Argumenten zugänglich zu halten und zu verhindern, dass seine Entscheidungen im Parlament sich an sachfremden Einflüssen oder allein an persönlichen Interessen orientieren.39 Vom einzelnen Abgeordneten kann ein entsprechendes freiheitswahrendes Verhalten erwartet werden.40 Diese Grundsätze schließen indes nicht aus, dass ein Abgeordneter trotz der erforderlichen Orientierung am Gemeinwohl in vielen Fällen letztlich auch Einzelinteressen verfolgt, weil er diese als richtig und daher als seine gemeinwohlorientierte Ge-
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Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 9 S. 492; Morlok, Parlamentarisches Geschäftsordnungsrecht zwischen Abgeordnetenrechten und politischer Praxis, JZ 1989, 1035 (1038). 34 Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn 87; Badura, in: BK, GG, Art. 38 (Zweitbearbeitung) Rn 60. 35 Badura, in: BK, GG, Art. 38 (Zweitbearbeitung) Rn 49. 36 Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 151; Klein bezeichnet dies als Pflicht zum „Dienst am Gemeinwohl“, vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 31. Reimer betont ein aus dem Demokratieprinzip nach Art. 20 I GG folgendes allgemeines „Gebot der Gemeinwohlrelevanz allen staatlichen Handelns“, vgl. Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Einleitung A. I. 3., Manuskript S. 39. 37 Häfele, Verbeamtung des Bundestages?, ZParl 3 (1972), 103 (104). 38 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (331); Heyen, Über Gewissen und Vertrauen des Abgeordneten, Der Staat 25 (1986), 35 (42). 39 In diesem Sinne auch Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (327); Peine leitet dies aus dem rechtsstaatlichen Sachlichkeitsprinzip und dem Gebot nach materialer Gerechtigkeit her, vgl. Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 914 (919 f.). 40 Tsatsos, Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik, S. 50.
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C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
wissensentscheidung ansieht.41 Die Verfolgung von Sonderinteressen durch Abgeordnete ist durch das Grundgesetz nicht ausgeschlossen.42 Im Gegenteil ist es sogar mehr als üblich – und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden –, dass Abgeordnete bereits vorgeprägte Ansichten zu bestimmten Themen haben, seien diese geprägt durch ihre Partei- und Fraktionszugehörigkeit, durch eine besondere Nähe zu bestimmten Gruppeninteressen oder zum jeweiligen Wahlkreis, durch ihren persönlichen Hintergrund oder durch nicht unübliche Wahlversprechungen.43 In einer pluralistischen Demokratie kann eine besondere Verbundenheit mit bestimmten Interessen gar erwünscht44 und dem Gemeinwohl dienlich sein, indem bestehende Sonderinteressen in die parlamentarische Willensbildung und die Gemeinwohlfindung einbezogen werden können.45 Von vorneherein verhindern lässt sich eine gewisse Verbundenheit jedenfalls nicht. Das freie Mandat bedeutet daher nicht, dass Abgeordnete völlig unvoreingenommen mit den im Parlament aktuell werdenden Themen umzugehen haben. Von ihnen wird keine völlige Neutralität verlangt. Allerdings ist die Situation dann problematisch, wenn ökonomische Eigeninteressen des Abgeordneten oder ihm beruflich oder sonst nahestehender Dritter in den Entscheidungsprozess einfließen. Dies kann gerade dann der Fall sein, wenn der Abgeordnete neben seinem Mandat noch anderen Tätigkeiten nachgeht oder ihm Gelder zufließen, die nicht nach Art. 48 III 1 GG verfassungsrechtlich als Entschädigung für die Abgeordnetentätigkeit vorgesehen sind. Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte bewirken eigene Loyalitäten, die zu beachten dem Abgeordneten neben der geforderten Gemeinwohlorientierung seines Mandats schwer fallen kann. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass die Entscheidung im Parlament „mandatsfremden“ Einflüssen ausgesetzt ist, so dass sich die berechtigte Frage stellt, inwiefern noch von Entscheidungen unabhängiger und am Gemeinwohl orientierter Abgeordneter die Rede sein kann. Mag das freie Mandat zwar nicht eine völlige Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Abgeordneten voraussetzen, so fordert es aber von sachfremden Einflüssen unabhängige Entscheidungen des Abgeordneten im parlamentarischen Willensbildungsprozess. Als sachfremd müssen in diesem Zusammenhang solche Entscheidungskriterien gelten, die der Abgeordnete aufgrund von eigenen finanziellen Interessen, die im Zusammenhang mit Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften stehen, seiner Entscheidung zugrunde legt. Der Träger des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG muss sich in seinem parlamentarischen Handeln vornehmlich von ob41 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 38 Rn 39; vgl. auch Kühne, Die Abgeordnetenbestechung, S. 45; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 158. 42 Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn 45; Stern, Staatsrecht I, § 24 I 6, S. 1071. 43 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (332 ff.). 44 van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (431). 45 Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 914 (920); Immesberger, Zur Problematik der Unabhängigkeit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag, S. 31.
III. Das „erweiterte Gewaltenteilungsprinzip“
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jektiven Kriterien leiten lassen. Das Ziel jeder seiner parlamentarischen Entscheidungen muss die Verwirklichung des Gemeinwohls sein.46 Dass dabei inhaltlich auch Sonderinteressen zum Tragen kommen können, ist nicht zu beanstanden, sofern diese nicht zum alleinigen oder überwiegenden Ziel erhoben werden. Bezweckt der Abgeordnete vorrangig eigene Vorteile oder Vorteile für bestimmte Dritte zu erreichen, mit denen er in wirtschaftlicher Verbindung steht, steht das Gemeinwohl als Ziel und als notwendige Motivation47 der parlamentarischen Willensbildung nicht mehr im Vordergrund. Gleiches gilt, wenn der Abgeordnete durch seine Tätigkeiten oder Einkünfte in Abhängigkeitsverhältnisse gerät. Der Abgeordnete kann dann nicht mehr als repräsentativer „Vertreter des ganzen Volkes“ gesehen werden. Ein weiterer Aspekt des freien Mandats ist die Glaubwürdigkeit staatlichen Handelns. Wie Tsatsos in seinem Werk über die Würde des Staates und die Glaubwürdigkeit der Politik48 eindrucksvoll herleitet, verwirklicht sich die grundgesetzliche Ordnung nicht nur über die abstrakte Akzeptanz der staatlichen Gewalt durch die Bevölkerung, sondern vor allem über die Glaubwürdigkeit der konkreten Politik aller, die am staatlichen Entscheidungsprozess mitwirken.49 Eine glaubwürdige Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats ist daher von hoher Bedeutung für die Legitimation der parlamentarischen Entscheidungen. Zu dieser Glaubwürdigkeit gehört, dass die Mandatsausübung frei von sachfremden Einflüssen bleibt. Die gleichzeitige Wahrnehmung von Tätigkeiten neben dem Mandat birgt daher auch für diesen Grundsatz Gefahren.
III. Das „erweiterte Gewaltenteilungsprinzip“50 Als weiterer betroffener Verfassungsgrundsatz ist das Gewaltenteilungsprinzip zu nennen. Das Prinzip der Trennung der Gewalten im Staat kommt in Art. 20 II 2 GG und Art. 1 III GG zum Ausdruck und gilt als „tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes“.51 Die Staatsgewalt soll danach durch besondere Organe der Gesetz46
Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 158 f. Zur Unterscheidung der Motivation parlamentarischen Handelns, die ausschließlich das Gemeinwohl sein darf, vom Inhalt der Entscheidungen, in den Sonderinteressen zur Gemeinwohlfindung durchaus einfließen dürfen siehe Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 158; ähnlich auch Wussow, Freiheit und Verfassungstreue der Abgeordneten, DÖD 1986, 82. 48 Tsatsos, Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik, Berlin 1987. 49 Tsatsos, Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik, S. 38 f., 48. 50 Der hier verwendete Begriff der „erweiterten Gewaltenteilung“ geht zurück auf Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334). 51 BVerfGE 3, 225 (247); 34, 52 (59); 67, 100 (130); kritisch zu dieser Einstufung Peters, Die Gewaltentrennung in moderner Sicht, in: Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, S. 78 ff.; zum Teil wird das Gewaltenteilungsprinzip als Unterfall des Rechtsstaatsprinzips (vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn 265 ff. S. 97 ff.), zum Teil im Rahmen des Demokratieprinzips (vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 20 Rn 55) behandelt; zur rechtsgeschichtlichen und -philosophischen Bedeutung und Entwicklung 47
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C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
gebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt werden. Diese klassische (sog. horizontale) Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative wird ergänzt durch anderweitige Aufteilungen der staatlichen Entscheidungsmacht. So gewährleisten zum Beispiel auch der Föderalismus und die kommunale Selbstverwaltung (sog. vertikale Gewaltenteilung) einen „Pluralismus von Entscheidungszentren“.52 Dieser grundsätzliche Pluralismus, der nicht allein durch die Trennung der drei klassischen Staatsgewalten erreicht wird, will Machthäufung und Funktionsverschränkungen verhindern und die Teilhabe Vieler an der Staatsgewalt ermöglichen.53 Er dient der Verhütung von Machtmissbrauch und der Freiheitssicherung in der rechtsstaatlichen Demokratie,54 indem er Macht mäßigt und an Kontrollmechanismen bindet.55 Zudem ermöglicht die Gewaltenteilung eine zweckmäßige Arbeitsteilung und damit eine effektive Erfüllung staatlicher Aufgaben durch jeweils sachlich kompetente und ausgestattete Organe.56 Das Grundgesetz verfolgt die Gewaltenteilung nicht in ihrer reinsten Form im Sinne einer absoluten Trennung der Gewalten, sondern lässt bestimmte Gewaltenverschränkungen im Sinne eines Ineinandergreifen der Staatsfunktionen bewusst zu.57 Gerade dadurch werden die verschiedenen Gewalten in eine bestimmte Balance gebracht, die eine gegenseitige Kontrolle und Mäßigung der Staatsmacht ermöglicht.58 Die Verteilung von Macht erfordert eine personelle Trennung bestimmter Funktionen. Durch Doppeltätigkeit eines Amtsträger bzw. Organwalters kann zum einen seine Arbeitskraft überfordert werden, was zwangsläufig zu einer Vernachlässigung der einen oder der anderen Funktion, oder sogar beider, führt.59 Vor allem aber würden Interessenkollisionen dadurch ausgelöst, dass Kontrollierender und Kontrollierter in
der Gewaltenteilung siehe Stern, Staatsrecht II, § 36 I, S. 513 ff., sowie Horn, Gewaltenteilige Demokratie, demokratische Gewaltenteilung, AÖR 127 (2002), 427 (431 ff.); umfassende Ausführungen zum Gewaltenteilungsprinzip finden sich im von Rausch herausgegebenen Sammelband „Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung“, Darmstadt 1969. 52 Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn 40. 53 Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn 39; von Arnauld, Gewaltenteilung jenseits der Gewaltentrennung, ZParl 32 (2001), 678. 54 Stern, Staatsrecht II, § 36 I 3, S. 549; Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV 1980, 545 (546). 55 von Arnauld, Gewaltenteilung jenseits der Gewaltentrennung, ZParl 32 (2001), 678 (679). 56 Maurer, Staatsrecht I, § 12 Rn 4. 57 Siehe zum Beispiel BVerfGE 1, 351 (369); 3, 225 (247); kritisch zu einer verstärkten Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, DÖV 1969, 405 (406). 58 Vgl. hierzu Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 20 Rn 55; Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn 24. Üblich ist die Umschreibung dieser Gewaltenverschränkung als „checks and balances“, vgl. Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn 40. 59 Achterberg, Die Rechtsstellung des Abgeordneten, JA 1983, 303 (305).
III. Das „erweiterte Gewaltenteilungsprinzip“
129
einer Person vereint würden.60 Verfassungsrechtlich vorgesehene Kontrollmechanismen würden geschwächt. Daher sind im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip Inkompatibilitäten bestimmter Staatsämter eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Die aktuelle – und für diese Arbeit relevante – Problematik liegt allerdings weniger im staatsinternen Bereich im Sinne einer Häufung der einzelnen staatlichen Ämter und Funktionen, als vielmehr in staatlich-gesellschaftlicher Machthäufung. Geht ein Amtsträger neben seinem Amt anderen Tätigkeiten nach, geraten amtliche und persönliche – insbesondere wirtschaftliche – Interessen in Widerstreit. Auch bloße finanzielle Zuwendungen an Amtsträger im Sinne von Nebeneinkünften verquicken staatliche und wirtschaftliche Macht. Sie lassen Einflüsse von außen auf den staatlichen Entscheidungsprozess vermuten und die Frage aufkommen, wer tatsächlicher Entscheidungsträger ist. Wirtschaftliche Herrschaft kann dabei erheblich auf politische bzw. staatliche Herrschaft einwirken, ohne dafür die demokratische Verantwortung zu übernehmen. Diese Phänomene können problematische Verflechtungen hervorbringen, die zum Teil weit stärkere Auswirkungen haben als die Verflechtungen im staatsinternen Bereich.61 Das Streben nach einer Vielfalt von Machtzentren im Sinne der Gewaltenteilung erfordert daher auch eine gewisse personelle Trennung staatlicher Funktionen von privatwirtschaftlichen Machtpositionen. Politische und wirtschaftliche Herrschaft dürfen nicht identisch sein, d. h. dieselben Personen sollen nicht die wesentlichen politischen und die wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen treffen.62 Untermauern lässt sich dieses Ergebnis durch den Grundsatz der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft.63 Diesem Dualismus liegt der Gedanke zugrunde, dass dem Einzelnen und der Gesellschaft als solcher ein vom Staat nicht beeinflusster Bereich zur Verfügung stehen muss. Hierdurch wird die Freiheit des Einzelnen verwirklicht, indem der Staat als regulierende Instanz und somit als Garant der individuellen 60
Achterberg, Die Rechtsstellung des Abgeordneten, JA 1983, 303 (305); ders., Probleme der Inkompatibilität, ZgStW 126 (1970), 344 (353). 61 Stern, Staatsrecht I, § 24 I 6, S. 1054. 62 Krause führt hierfür den hier aufgegriffenen Ausdruck des „erweiterten Gewaltenteilungsprinzips“ ein, vgl. Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334); anklingend auch bei Kägi, Von der klassischen Dreiteilung zur umfassenden Gewaltenteilung, in: FS Huber, S. 151 (170), der von „sozialer Gewaltenteilung“ spricht; ebenso bei Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV 1980, 545 (547), der darauf hinweist, dass man im Namen der Gewaltenteilung realpolitische Machtkonstellationen im außerstaatlichen Bereich nicht ignorieren dürfe. 63 Hierzu Stern, Staatsrecht II, § 36 I 2, S. 549 ff.; zum Ganzen auch grundlegend Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, S. 29; ders., Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: Festg. Hefermehl, S. 11 ff.; Hesse, Bemerkungen zur heutigen Problematik und Tragweite der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, DÖV 1975, 437 ff.; das Bedürfnis einer Unterscheidung von Staat und Gesellschaft bezweifelnd von Krockow, Staat, Gesellschaft, Freiheitswahrung, APuZ 1972, B 7, S. 3 ff.
130
C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
Freiheit der Gesellschaft gegenüber steht.64 Zwar handelt es sich auch hier nicht um eine strikte Trennung der Bereiche im Sinne eines beziehungslosen Nebeneinanders, sondern um eine notwendige Wechselbezüglichkeit von Staat und Gesellschaft,65 die namentlich durch die Bindung an Recht und Gesetz als Regulativ der individuellen Freiheit und umgekehrt durch die in einer Demokratie essentielle Möglichkeit, durch politische Mitwirkungsrechte – insbesondere das allgemeine Wahlrecht – auf die staatliche Willenbildung einzuwirken, geprägt ist. Letzteres findet beispielsweise Ausdruck in der Institution der politischen Parteien, durch die die Gesellschaft in den Staat hineinwirkt.66 Parteien sind daher vom Grundgesetz als Zwischenglied zwischen Staat und Gesellschaft vorgesehen,67 vgl. Art. 21 GG iVm § 1 II ParteiG. Sie verknüpfen den gesellschaftlichen mit dem staatlichen Bereich, indem sie zur politischen Willenbildung im Volk beitragen und diesen in den staatlichen Bereich einbringen.68 Daneben ist es jedoch trotz der notwendigen Interaktion der beiden Bereiche zur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft erforderlich, die wesentlichen Machtträger der Bereiche getrennt zu halten, sofern eine Verknüpfung nicht wie im Falle der Parteien vom Grundgesetz vorgesehen ist. Verfassungsrechtlich vorgesehen ist gerade nicht das Zusammenfallen von staatlicher und wirtschaftlicher Macht. Eben diese Kumulation beider Machtsphären kann durch Nebentätigkeiten von Abgeordneten vor allem in finanzstarken Großunternehmen oder einflussreichen Verbänden und durch finanzielle Zuwendungen an Abgeordnete mit dem Zweck einer Einflussnahme entstehen, so dass hierdurch die notwendige Unterscheidung von Staats- und Gesellschaftsmacht gefährdet wird. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass das hier vertretene erweiterte Verständnis des dem Grundgesetz zugrundeliegenden Gewaltenteilungsprinzips durch monetäre Einflüsse wirtschaftlicher Machtzentren auf den staatlichen Entscheidungsprozess, wie sie durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Abgeordneten entstehen können, beeinträchtigt ist und damit als Schutzgut einer entsprechenden Regelung gelten muss.
64
Hierzu Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 21 ff. Klein, Gefährdungen des Prinzips der Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland, APuZ 1974, B 50, S. 3 (8). Insofern ist es geboten begrifflich nicht von einer „Trennung“ von Staat und Gesellschaft auszugehen, sondern von einer schlichten „Unterscheidung“, vgl. Hesse, Bemerkungen zur heutigen Problematik und Tragweite der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, DÖV 1975, 437 (439), sowie Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: Festg. Hefermehl, S. 11 (16 ff.); ebenso Tsatsos, Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik, S. 28, der betont, dass zwar Staat und Gesellschaft nicht identisch sein dürfen, jedoch ebenso wenig eine strikte Trennung der beiden Bereiche erfolgen dürfe. 66 BVerfGE 20, 56 (100 f.); Stern, Staatsrecht II, § 36 I 2, S. 550; Tsatsos, Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik, S. 29. 67 Degenhart, Staatsrecht I, Rn 78 S. 33; BVerfGE 20, 56 (101); 44, 125 (145) bezeichnet Parteien als „Zwischenglieder“ zwischen Bürgern und Staatsorganen. 68 Degenhart, Staatsrecht I, Rn 78 S. 33. 65
IV. Anspruch auf angemessene und gleiche Abgeordnetenentschädigung
131
IV. Der Anspruch auf angemessene und gleiche Abgeordnetenentschädigung nach Art. 48 III 1 GG iVm dem Prinzip der formalisierten Gleichheit der Abgeordneten Auch Art. 48 III 1 GG ist als betroffene Verfassungsnorm zu nennen. Sie kann insbesondere durch Nebeneinkünfte von Abgeordneten beeinträchtigt sein. Nach Art. 48 III 1 GG hat jeder Abgeordnete Anspruch auf eine angemessene, seine Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Diese Regelung steht in engem systematischen Zusammenhang mit den Grundsätzen des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG,69 hierbei insbesondere mit dem Prinzip der formalisierten Gleichheit der Mandatsträger. Sie dient der Sicherung des freien Mandats, insbesondere im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Hinsichtlich der Angemessenheit der Entschädigung ist zu beachten, dass es einem Abgeordneten aufgrund der höher werdenden zeitlichen Belastung durch die Parlamentsarbeit regelmäßig nicht möglich ist, eine den Lebensunterhalt sichernde Beruftätigkeit neben dem Mandat auszuüben. Der Anreiz lukrativen und weniger zeitraubenden Nebentätigkeiten nachzugehen, die verfassungsrechtlich bedenkliche Abhängigkeiten begründen können, oder sog. Interessentenzahlungen anzunehmen, ist aufgrund dessen vergleichsweise hoch.70 Im Sinne der Unabhängigkeit der Abgeordneten71 muss die Entschädigung daher so bemessen sein, dass die wirtschaftliche Existenz der Abgeordneten und ihrer Familien durch eine Vollalimentation derart gesichert ist, dass nicht wegen Knappheit von Ressourcen ein Zwang besteht, dergleichen finanziell entlastende Interessenverbindungen oder andere Abhängigkeiten einzugehen.72 Damit werden Konfliktsituationen zwischen politischen Entscheidungen und wirtschaftlichen Interessen minimiert und somit auch dem Demokratieprinzip gedient.73 Zudem muss die Entschädigung der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und des diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden und eine dementsprechende Lebensführung ermöglichen.74 Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Abgeordneten gehört jedoch nicht nur positiv die Leistung dieser angemessenen Entschädigung durch den Fiskus, son69 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 22, der Art. 48 GG als „Ausführungsvorschrift“ zu Art. 38 I GG bezeichnet; ebenso von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 4 und Stern, Staatsrecht I, § 24 I 6, S. 1059. 70 Böckenförde, Die Rechtsstellung der Abgeordneten, RuG 1972, 198 (199). 71 Gemeint ist hier die Unabhängigkeit gegenüber „wem auch immer“, d. h. gegenüber drohenden Beeinträchtigungen vom Staat, von der Partei und – für diese Abhandlung von besonderer Bedeutung – von einflussreichen gesellschaftlichen Gruppen, vgl. Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 48 Rn 115 f. 72 Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn 21; Kissel, Vom gerechten Lohn des Bundestagsabgeordneten, in: FS Zeuner, S. 79 (85). 73 Umbach, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Mitarbeiterkommentar, Art. 48 Rn 23. 74 BVerfGE 40, 296 (315 f.).
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C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
dern spiegelbildlich auch die Verhinderung von abhängigkeitsbegründenden Zuwendungen Dritter.75 Das BVerfG hat daher richtigerweise aus Art. 48 III 1 GG iVm Art. 38 I 2 GG und dem formalisierten Gleichheitssatz, d. h. aus dem unabhängigen Status der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat, hergeleitet, dass Abgeordnete keine Bezüge ohne entsprechende Gegenleistung mit dem Ziel einer bestimmten Interessenvertretung erhalten dürfen und der Gesetzgeber entsprechende gesetzliche Vorkehrungen zu treffen hat.76 Damit werden sog. Beraterverträge und Interessentenzahlungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Dabei verbieten sich nicht bloß solche Zahlungen, die in der konkreten Absicht gezahlt werden, unzulässig auf den Abgeordneten einzuwirken,77 sondern bereits solche, die die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abgeordneten begründen. Eine solche Gefahr bergen Zahlungen ohne Gegenleistung des Abgeordneten schon typischerweise, da mit ihnen regelmäßig abhängigkeitsbegründende Erwartungen verbunden sind. Der Nachweis einer absichtlichen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abgeordneten ist damit nicht erforderlich.78 Aus der formalen Gleichstellung aller Abgeordneten ergibt sich zudem, dass die Entschädigung für jeden gleich sein muss.79 Gleiche Entschädigung für alle Abgeordnete bedeutet nicht nur, dass die Leistung staatlicher Mittel an sie jeweils gleich hoch sein muss, sondern auch, dass sie für ihre Mandatstätigkeit keine anderweitigen Einkommen erhalten dürfen. Gemeint sind damit Einkommen, die in der Erwartung gezahlt werden, dass der Abgeordnete sein parlamentarisches Verhalten entsprechend der Zahlung ausrichtet und solche, die ohne wirkliche Gegenleistung des Abgeordneten erbracht werden. Aus diesem Grund hat sich das Bundesverfassungsgericht zu Recht nicht nur gegen das sog. Beamtenprivileg ausgesprochen,80 nach dem beamteten Mandatsträgern während ihrer Zeit im Parlament ein Teil ihrer Beamten75
Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn 21. Sog. „Diätenurteil“ BVerfGE 40, 296 (319). 77 Eine solche Absicht fordert Henkel, Amt und Mandat, S. 83 f.; ders., Das Abgeordnetengesetz des Bundestages, DÖV 1977, 350 (355); dagegen von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 15; Pieroth, Das Verbot von Zuwendungen an Mitglieder des Landtages gem. § 16 Abs. 1 AbgG NRW – Rechtsgutachten, LTag-NRW Information 14/210, S. 11. 78 von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 150. 79 BVerfGE 40, 296 (317 f.) spricht von einer „privilegienfeindlichen Demokratie“ des Grundgesetzes und erkennt daher eine Ausnahme vom Grundsatz der gleichen Entschädigung für alle nur für den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter angesichts ihrer besonderen Stellung an der Spitze eines obersten Verfassungsorgans an; kritisch zu dieser engen Ausnahme Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn 25; Umbach, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Mitarbeiterkommentar, Art. 48 Rn 26; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 169; Linck, Die Rechtsstellung des Abgeordneten – Zum Diätenurteil und seinen Auswirkungen, JA 1976, 749 (752); sogar von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 123 spricht hier von einer „Diskriminierung von Trägern besonderer Funktionen“; zur Problematik sog. Funktionszulagen siehe zudem BVerfGE 102, 224 ff.; kritisch Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46. 80 BVerfGE 40, 296 (297 Ls. 4c, 322). 76
V. Prinzip demokratischer Gleichheit der Bürger
133
bezüge als Ruhegehalt weitergewährt worden war, während es ihnen gleichsam wegen Art. 137 I GG iVm den §§ 5 ff. AbgG unmöglich war, hierfür Dienste zu erbringen. Dem Gleichheitssatz laufen ebenso solche Einkommen zuwider, die der Abgeordnete von privater Seite erhält ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Zwar sind private Geldgeber dem Gleichheitssatz nicht verpflichtet, jedoch obliegt es dem Staat dieses Prinzip bestmöglich zu verwirklichen. Damit verlangt der Gleichheitssatz die staatliche Unterbindung arbeitslosen Abgeordneteneinkommens von privater Seite.81 Durch Nebeneinkünfte im Sinne von Einkünften ohne Gegenleistung bzw. Interessentenzahlungen aufgrund von „Beraterverträgen“ oder ähnlichem ist mithin auch die verfassungsrechtliche Norm des Art. 48 III 1 GG und das mit ihm eng verbundene Prinzip der formalen Gleichheit der Abgeordneten beeinträchtigt.
V. Prinzip demokratischer Gleichheit der Bürger: Grundsatz der gleichen Möglichkeit, die Legislative zu beeinflussen Als weiteres durch Nebeneinkünfte gefährdetes Verfassungsgut ist das Gebot der formalen demokratischen Gleichheit der Bürger zu nennen.82 Dieser aus Art. 20 II GG hergeleitete83 Gleichheitsgrundsatz besagt, dass bei der Ausübung ihrer politischen Rechte alle Staatsbürger gleich sind.84 Sie müssen formal die gleichen Möglichkeiten haben, auf die politische Willensbildung im Staat Einfluss zu nehmen. Die Demokratie des Grundgesetzes ist insoweit egalitär ausgerichtet. Dies erschöpft sich im legislativen Bereich nicht in der in Art. 38 I 1 GG verankerten Wahlrechtsgleichheit, sondern muss auch für andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf die parlamentarische Willensbildung gelten.85 Der politische Einfluss eines Bürgers darf grundsätzlich nicht von seiner Zahlungsfähigkeit abhängen. Geld darf nicht in politische Macht konvertierbar sein.86 „Die Beeinflussung der politischen Willensbildung durch Gewährung von wirtschaftlichen Vorteilen an Abgeordnete widerspricht dem Gebot demokratischer Gleichheit, insofern als der demokratische und soziale Rechtsstaat des Grundgesetzes (Art. 28 I GG) politischer Vormacht aufgrund wirtschaftlicher Machtstellung ablehnend gegenüber steht.“87 81
Hierzu von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 7; siehe auch Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 25. 82 Hierzu allgemein von Arnim, Der strenge und der formale Gleichheitssatz, DÖV 1984, 85 ff. 83 Vgl. Kühne, Die Abgeordnetenbestechung, S. 47. 84 BVerfGE 8, 51 (69). 85 Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 136; Epp, Die Abgeordnetenbestechung – § 108e StGB, S. 135. 86 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (328). 87 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (329); vgl. auch BVerfGE 8, 51 (69) sowie die Ausführungen bei Schaller, Strafrechtliche Probleme
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C. Die durch Nebentätigkeiten und -einkünfte betroffenen Verfassungsgüter
Nicht zu leugnen ist, dass Zuwendungen finanziell potenter Bürger an Abgeordnete – unabhängig davon, ob diese in Form von (zulässigen oder unzulässigen) Spenden, von sog. Interessentenzahlungen, als Arbeitsentgelt getarnt oder ähnlichem gewährt werden – eine politische Einflussnahme mit finanziellen Mitteln ermöglicht. Allein schon das Sich-Gehör-Verschaffen mit finanziellen Mitteln bewirkt eine verfassungsrechtlich ungewollte Besserstellung Bemittelter. Kühne und Schlosser verneinen dennoch eine Verletzung der demokratischen Gleichheit. Der Grundsatz könne lediglich das Handeln staatlicher Organe binden, nicht dagegen durch Zuwendungen Privater an Abgeordnete beeinträchtigt werden.88 Dieser Ansicht ist in der Aussage beizupflichten, dass die grundgesetzlichen Gleichheitsrechte unmittelbar nur den Staat binden und somit ein direktes Verbot gegenüber Privaten nicht enthalten können. Allerdings wird hier übersehen, dass die Abgeordneten als Teile des Bundestages bei der Ausübung ihrer parlamentarischen Rechte auf Seiten des Staates tätig werden. Daher sind sie bei ihrer Parlamentstätigkeit selbst an das demokratische Gleichheitsrecht gebunden. Sie haben als Konsequenz dafür Sorge zu tragen, dass ihre Entscheidungen gleichheitswahrend und nicht einseitig durch finanzstarke Einzelne beeinflusst werden. Mit anderen Worten: Zwar mag aus dem Prinzip demokratischer Gleichheit sich kein Gebot an die Bürger richten, finanzielle Einflussnahmen auf die Legislative zu unterlassen; aber es kann sich daraus ein entsprechendes Gebot an den Abgeordneten ergeben, die Annahme von Zuwendungen, die auf eine Einflussnahme zielen oder eine solche faktisch bewirken, zu unterlassen, um der demokratischen Gleichheit der Bürger zur bestmöglichen Entfaltung zu verhelfen. Im Übrigen lässt sich hier ein Vergleich zu den obigen Ausführungen zu Art. 48 III 1 GG ziehen. Aus Art. 48 III 1 GG iVm Art. 38 I 2 GG und der formalisierten Gleichheit der Abgeordneten wurde geschlossen, dass Vorkehrungen gegen Bezüge von Abgeordneten getroffen werden müssen, die ohne entsprechende Gegenleistung mit dem Ziel einer bestimmten Interessenvertretung von privater Seite gezahlt werden. Ebenso kann das Prinzip demokratischer Gleichheit der Bürger entsprechende Vorkehrungen erforderlich machen. Damit obliegt es sowohl dem Gesetzgeber als auch den einzelnen Abgeordneten, die politische Willensbildung im Parlament gegenüber finanziellen Einflüssen abzuschirmen, um faktische gesellschaftliche und finanzielle Ungleichheiten der Bürger nicht auch zu demokratischer Ungleichheit werden zu lassen.89 Das Prinzip der demokratischen Gleichheit muss darüber hinaus auch herangezogen werden, wenn man den Abgeordneten zunächst selbst als Bürger unter dem Grundgesetz betrachtet. Ihm wird erst durch den Wahlakt eine gegenüber anderen der Abgeordnetenbestechung, S. 26 und Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 170. 88 Kühne, Die Abgeordnetenbestechung, S. 47; Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 136. 89 Zur Ungleichheit im Hinblick auf die Parteienfinanzierung Morlok, Spenden – Rechenschaft – Sanktionen – Aktuelle Rechtsfragen der Parteienfinanzierung, NJW 2000, 761 (762).
V. Prinzip demokratischer Gleichheit der Bürger
135
hervorgehobene Stellung zuerteilt. Als Repräsentant des Volkes nimmt er eine besondere Herrschaftsstellung mit besonderen Machtbefugnissen ein. Eine solche vom übrigen Volk hervorgehobene Stellung steht zum Grundsatz der demokratischen Gleichheit in einem Spannungsverhältnis,90 ist allerdings in einer repräsentativen Demokratie unvermeidbar. Wörtlich müsste man hier von einer systemnotwendigen und legitimen „demokratischen Ungleichheit“ sprechen. Diese Ungleichheit kann jedoch nur dann legitim sein, wenn die besondere Abgeordnetenstellung nicht zu privaten Zwecken missbraucht wird. Die Nutzung der anvertrauten Machtbefugnisse muss sich am Gemeinwohl orientieren. Mehren Abgeordnete dagegen durch Nebeneinkünfte oder Nebentätigkeiten, zu denen sie gerade wegen ihrer Mandatsinhaberschaft die Gelegenheit erhalten, ihr privates Vermögen, dann missbrauchen sie die zur Repräsentation bestimmte Ungleichheit. Damit wird auch auf diese Weise der Grundsatz der demokratischen Gleichheit beeinträchtigt.
90 Hierzu Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 169; Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (328 f.).
D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung von durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte hervorgerufenen Interessenkonflikten bei Mitgliedern des Deutschen Bundestages Die weitere Untersuchung befasst sich mit den Möglichkeiten, die für den Schutz der soeben erörterten Verfassungsgüter vor Beeinträchtigungen durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Abgeordneten bestehen. Die hierfür derzeit geltenden und darüber hinaus de lege ferenda denkbaren Regelungsinstrumente können ihrerseits auf verfassungsrechtliche Grenzen stoßen. Zunächst werden die oben erörterten, derzeit bestehenden Regelungen und Abgeordnetenpflichten aus dem Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln herangezogen. Diese sollen verfassungsrechtlich untersucht werden, wobei insbesondere auf die Neuregelungen durch das 26. Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz und die Neufassung der Verhaltensregeln einzugehen sein wird. Die Untersuchung wird sich hierbei auf die materielle Verfassungsmäßigkeit der Regelungen konzentrieren1 und sich in diesem Zuge mit den sich gegenüberstehenden Verfassungsgütern auseinandersetzen. Zudem werden Verbesserungsvorschläge für die bestehenden Regelungen herausgearbeitet. Auch die bestehenden Strafbarkeitsunterschiede zwischen den Amtsträgern der verschiedenen Gewalten werden beleuchtet. Bereits bei dieser Erörterung der bestehenden Regelungen sind Parallelen zu den beiden anderen Gewalten aufzuzeigen. Neben den geltenden Regelungen sollen aber auch weitere Regelungsmöglichkeiten erörtert werden, durch die den Nebentätigkeiten und -einkünften sowie den damit zusammenhängenden Interessenkonflikten begegnet werden könnte. Hierfür werden die in den Bereichen der Exekutive und der Judikative bestehenden Regelungen aufgegriffen. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die für diese Gewalten in Bezug auf Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Amtsträger geltenden Regelungsinstrumente auch für den Bereich der Legislative verfassungsrechtlich möglich sind. Als mögliches Regelungsinstrument wird in diesem Zusammenhang beispielsweise untersucht, ob auch für Abgeordnete eine generelle Genehmigungspflicht geschaffen werden könnte, wie sie das Nebentätigkeitsrecht für Beamte und Richter vorsieht. Ebenso könnte man an eine Übertragung der für Exekutive und Judikative stark ausgeprägten Befangenheitsvorschriften denken. Diese setzen 1 Zur formellen Verfassungsmäßigkeit siehe Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (472 f.); Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 162 ff.
I. Das Mandat als Mittelpunkt der Tätigkeit
137
dort an, wo bereits Interessenkonflikte entstanden sind und sind daher kumulativ neben den anderen angesprochenen Regelungen denkbar. Nicht außer Acht gelassen werden sollen auch wirtschaftliche Inkompatibilitäten, durch die Nebentätigkeiten gänzlich oder auch nur in Teilen verboten und damit Interessenkonflikte durch die verbotenen Tätigkeiten bereits im Ansatz vermieden würden. Hierbei sind Parallelen zu den Regelungen für Bundesminister und Bundesverfassungsrichter zu ziehen.
I. Das Mandat als Mittelpunkt der Tätigkeit: Der neue Grundsatz in § 44a I 1 AbgG Gemäß § 44a I 1 AbgG n.F. steht die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten. Damit soll nach der Gesetzesbegründung die Wertigkeit verdeutlicht werden, die für die verfassungsrechtliche Pflicht des Abgeordneten in der Vertretung des ganzen Volkes besteht.2 Dennoch sind berufliche oder andere Tätigkeiten – dies wird ausdrücklich in Satz 2 der Norm klar gestellt – neben dem Mandat nicht ausgeschlossen. § 44a I AbgG n.F. geht also von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Tätigkeiten neben dem Mandat aus, deklariert gleichzeitig aber die Mandatstätigkeit als Mittelpunkt jeder Tätigkeit eines Abgeordneten, so dass Nebentätigkeiten nach der Intention des Gesetzgebers in den Hintergrund treten.3 Mit dieser einfachgesetzlichen Schwerpunktsetzung der Abgeordnetentätigkeit wurde gesetzgeberisches Neuland betreten. Erstmals findet sich hier eine einfachgesetzliche Aussage zur Bedeutung des Abgeordnetenmandats für das Tätigkeitsfeld des einzelnen Abgeordneten. Gegen die Regelung sind bereits im Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden.4 Diese wurden größtenteils von den neun Antragstellern des jüngsten Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht aufgegriffen. Die Vorschrift des § 44a I 1 AbgG war daher neben den Anzeige- und Veröffentlichungspflichten wesentlicher Gegenstand des bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens. Sie wurde vom Senat einstimmig für nicht verfassungswidrig gehalten;5 dennoch wird aus den Urteilsgründen deutlich, wie kontrovers die Regelung ist: Das Urteil erging bei Stimmengleichheit (4:4). Die die Gesamtentscheidung tragenden vier Richterinnen und Richter sehen die Mittelpunktregelung als zutreffende Nachzeichnung einer schon im Grundgesetz angelegten Pflicht der Abgeordneten, während die dissentierenden vier Richter in ihrem Sondervotum die Regelung als bedenk2
BT-Drs. 15/5671, S. 5. BT-Drs. 15/5671, S. 5. 4 Vgl. Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 4 ff. 5 Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.07.2007 – 2 BvE 1/06 u. a., veröffentlicht in NVwZ 2007, 916 ff. sowie in BVerfGE 118, 277 ff. (die Zitierung erfolgt nach der amtlichen Sammlung); vgl. auch die Anmerkung zu diesem Urteil von Vahle, DVP 2008, 34. 3
138
D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
lich bezeichnen und sie nur angesichts einer möglichen verfassungskonformen einschränkenden Auslegung für mit dem Grundgesetz vereinbar halten.6 Die besondere Bedeutung der Kontroverse wird auch darin deutlich, dass entgegen § 30 II 1 Hs. 2 BVerfGG das Sondervotum der dissentierenden Richter ausnahmsweise nicht der Entscheidung am Ende angeschlossen ist, sondern die unterschiedlichen Ansichten zu den jeweiligen Verfahrensgegenständen abwechselnd wiedergegeben werden. Hierdurch wird eine – zumindest wissenschaftliche – Gleichwertigkeit der Voten nahegelegt, obwohl allein die Ansicht der die Entscheidung tragenden vier Richterinnen und Richter rechtliche Bindungswirkung entfaltet.7 Verfassungsrechtlich sowie verfassungspolitisch sind allerdings beide Ansichten von höchstem Interesse und entsprechend zu würdigen. Im Folgenden soll die verfassungsrechtliche Diskussion um die Mittelpunktregelung aufgegriffen werden. Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts sowie der Diskussion während des Gesetzgebungsverfahrens wird erörtert, ob eine Regelung wie § 44a I 1 AbgG – „Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages.“ – mit dem Grundgesetz vereinbar sein und welche Wirkung ihr zukommen kann.
1. Die Diskussion während des Gesetzgebungsverfahrens Die Diskussion um die Mittelpunktregelung während des Gesetzgebungsverfahrens war wesentlich geprägt von zwei Rechtsgutachten: Christian Waldhoff und Hans Meyer begutachteten für die Rechtsstellungskommission des Ältestenrats des Deutschen Bundestages die verfassungsrechtliche Lage zu dem Regelungsvorhaben. Die Mittelpunktregelung bewerteten sie dabei sehr unterschiedlich. a) Die Ansicht Waldhoffs Waldhoff stand der Mittelpunktregelung sehr kritisch gegenüber. Dies äußerte er sowohl in seinem Gutachten für die Rechtsstellungskommission8 sowie nach Einführung des § 44a I 1 AbgG in einem am vorangegangenen Gutachten orientierten Aufsatz.9 Er sieht insbesondere Art. 38 I 2 GG durch die Mittelpunktregelung als verletzt an, weshalb dieser im Ergebnis keine verbindliche, allenfalls noch eine symbolische Wirkung zukommen könne. 6
BVerfGE 118, 277 (323). Vgl. hierzu von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (899, 902); Klein/Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 30 Rn 6.6. 8 Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 4 ff. 9 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (252 ff.). 7
I. Das Mandat als Mittelpunkt der Tätigkeit
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Waldhoff räumt zwar ein, es entspreche dem Bild des Abgeordneten, dass dieser sein Amt auch tatsächlich ausübe, betont jedoch, dass zur Freiheit des Mandats die freie Entscheidung darüber gehöre, wie die vom Grundgesetz verlangte Repräsentationsleistung durch die einzelnen Abgeordneten verwirklicht würde.10 Mit Verweis auf das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts,11 führt er weiter aus, dass der Abgeordnete nicht wie ein Beamter bestimmte Dienste schulde, sondern selbstverantwortlich politische Aufgaben wahrnehme.12 Dabei sei es der Freiheit des Abgeordneten überlassen, wie intensiv er sein Mandat erfülle.13 Daraus folgert Waldhoff, dass es verfassungsrechtlich problematisch sei, durchsetzbar vorzuschreiben, welche Schwerpunkte der Abgeordnete bei der Mandatswahrnehmung legt.14 Jede einfachgesetzliche Schwerpunktfestschreibung, die rechtliche Relevanz entfalten solle, berühre daher Art. 38 I 2 GG.15 Inhaltlich konstatiert Waldhoff zudem, dass aus der faktischen Feststellung im Diätenurteil über die volle zeitliche Beanspruchung durch das Mandat keinesfalls zu folgern sei, dass die Mandatstätigkeit von Verfassung wegen auch zwingend die Hauptbeschäftigung eines Abgeordneten sein müsse. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil nur die parlamentarische Wirklichkeit in einer Momentaufnahme beschrieben und kein „Verfassungspostulat“ aufgestellt.16 Ferner fehle es an einem allgemeingültigen Indikator, um den Schwerpunkt der Abgeordnetentätigkeit zu bestimmen. Die Höhe der Nebeneinkünfte könnten hierfür kaum herangezogen werden.17 Sicher verfassungswidrig sei zudem eine zeitliche Er-
10 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (252). 11 BVerfGE 40, 296 (316). 12 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (253). 13 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (253). 14 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (253). 15 Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 6. 16 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (254). 17 Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 8.
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fassung der Tätigkeiten der Abgeordneten, etwa mittels „Stechkarte“.18 Waldhoff hebt hierbei hervor, das Parlamentsmandat sei ein ganz eigenes Amt verfassungsrechtlicher Art, das sich nicht mit den amtsrechtlichen Beamtenvorschriften vertrage. Es sei zudem in der Sache grundsätzlich verfehlt anzunehmen, dass derjenige Abgeordnete, der rein quantitativ mehr Zeit im Plenum, in seinem Büro, im Reichstagsgebäude usw. verbringt, sein parlamentarisches Amt am besten erfülle.19 Auf Grundlage dieser Erwägungen stoße daher eine nähere rechtsverbindliche Festlegung, wie das Mandat von Abgeordneten wahrzunehmen sei, sehr schnell an die Grenzen des Normierbaren und insbesondere an die Grenzen der Vorgaben der Verfassung. Die Schwerpunktfestlegung könne daher nur akzeptiert werden, wenn sie keine rechtlichen Auswirkungen habe. § 44a I 1 AbgG sei daher entweder als Akt symbolischer Gesetzgebung rein deklaratorisch, oder aber verfassungswidrig.20 b) Die Ansicht Meyers Im Gegensatz zu Waldhoff hält Meyer die Mittelpunktregelung für inhaltlich unproblematisch. Die Regelung entspreche den Anforderungen des Bundestagsmandats sowie der entsprechenden Höhe der Abgeordnetenentschädigung. Die gesetzliche Fixierung des Mittelpunkts der Abgeordnetentätigkeit diene der Rechtsklarheit und stelle im Übrigen die im Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln enthaltenen Anzeige- und Veröffentlichungspflichten auf eine für sie wesentliche Grundlage.21 Im Weiteren führt Meyer aus, die gleichzeitige Wahrnehmung von Regierungs- und/oder Parteiämtern und der Parlamentsmitgliedschaft widerspreche der Mittelpunktregelung selbst dann nicht, wenn der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit auf der Regierungs- und Parteitätigkeit liege; denn diese seien schon von Verfassungs wegen so eng mit dem Mandat verknüpft, dass sie quasi als Teil der Mandatstätigkeit anzusehen seien. Deren Wahrnehmung bedeute zwar eine Gewichtsverschiebung bei der Ausübung des Mandats. Da sich diese Verschiebung aber innerhalb der Grenzen des Mandats unter den vielfältigen Mandatsaufgaben abspiele, kollidierten Regierungs- und Parteitätigkeit und die Mittelpunktregelung nicht.22 Dagegen gehörten andere Tätigkeiten neben dem Mandat, insbesondere für Verbände oder andere organisierte Inter18 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (254). 19 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (255). 20 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (256). 21 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 12. 22 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 13 f.
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essengemeinschaften nicht zu den Mandatsaufgaben. Gehe die Tätigkeit daher über das bloße Verbindung-Halten zu Verbänden hinaus, so müsse sich der Abgeordnete anhand der Mittelpunktregelung hierfür rechtfertigen.23 Während sich Meyer in seinem eigentlichen Gutachten darauf beschränkte, die Mittelpunktregelung in ihrer inhaltlichen Reichweite zu erörtern und sie als von der Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art. 38 III GG gedeckt zu erklären, sah er sich auf Grundlage des Gutachtens Waldhoffs veranlasst, in einer weiteren Stellungnahme unmittelbar auf dessen verfassungsrechtliche Bedenken zu antworten.24 Soweit Waldhoff einwende, der Gesetzgeber könne angesichts Art. 38 I 2 GG kaum konkretisiert und durchsetzbar festlegen, welche Schwerpunkte der einzelne Abgeordnete bei der Mandatswahrnehmung zu setzen habe, so verkenne dieser die Problematik. Nach Ansicht Meyers berühre eine Reglung, nach der das Mandat im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten stehen soll, gerade nicht die Frage, welche Schwerpunkte bei der Mandatsausübung zu setzen sind.25 Nebentätigkeiten seien schließlich nicht Teil der Mandatswahrnehmung. Da sich der Grundsatz des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG ausschließlich mit der Tätigkeit im Mandat, der Mandatswahrnehmung, befasse, könne die Mittelpunktregelung diesen gar nicht berühren.26 Das Ob der Wahrnehmung stehe ja gerade nicht in der Freiheit des Mandatsträgers.27 Somit stünde einer solchen normativen Ausgestaltung der Abgeordnetenstellung auf Grundlage des Art. 38 III GG nichts im Wege.
2. Das bundesverfassungsgerichtliche Verfahren Bald nach Inkrafttreten der Mittelpunktregelung zu Beginn der 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages griffen neun Mitglieder des 16. Bundestages die Bedenken Waldhoffs gegen die Mittelpunktregelung auf, um die Norm im Wege des Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht anzugreifen.28 Sie stützten ihre Anträge insbesondere darauf, dass § 44a I AbgG ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung tief in die durch den Status der Freiheit nach Art. 38 I 2 GG geprägte Rechtsstellung des Abgeordneten, die es ihm ermögliche, Mandat und Beruf frei zu gestalten, eingreife.29 Weder die Funktionsfähigkeit noch das Ansehen des Parlaments kämen für diesen Eingriff als rechtfertigende Gründe in Betracht. Wenn der 23
Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 15. 24 Meyer, Einige Bemerkungen zu dem Gutachten von Professor Waldhoff, S. 2 ff. 25 Meyer, Einige Bemerkungen zu dem Gutachten von Professor Waldhoff, S. 3. 26 Meyer, Einige Bemerkungen zu dem Gutachten von Professor Waldhoff, S. 4. 27 Meyer, Einige Bemerkungen zu dem Gutachten von Professor Waldhoff, S. 5. 28 Waldhoff war sodann auch Verfahrensbevollmächtigter von drei der neun Antragsteller des Organstreitsverfahrens, so dass sich die Argumente der Antragsteller mit den vorangegangenen Waldhoffs weitestgehend decken. 29 Vgl. die Beschreibung der Ansichten der Antragsteller im Tatbestand des Urteils BVerfGE 118, 277 (299).
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Gesetzgeber dem Abgeordneten vorgebe, wie viel Zeit er auf das Mandat zu verwenden habe, wirke er in den Kernbereich der Selbstdefinition parlamentarischer Tätigkeit ein. Dies bringe den Abgeordneten in ein zu beanstandendes beamtenrechtsartiges Disziplinarverhältnis gegenüber Präsidium und Präsident. Der Mandatsträger würde damit Schritt für Schritt in ein Quasi-Dienstverhältnis geführt und das liberal-freiheitliche Abgeordnetenbild verformt.30 Die Regelung könne allenfalls dann verfassungsrechtlich akzeptiert werden, wenn sie keinerlei Auswirkungen habe. Daher sei sie entweder sinnlos oder aber verfassungswidrig.31 Nach einer vielbeachteten öffentlichen Verhandlung vor dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts und einer ungewöhnlich langen Beratungszeit von knapp neun Monaten erging mit Urteil vom 04. 07. 2007 eine stimmengleiche Entscheidung, durch die gemäß § 15 IV 3 BVerfGG sowohl im Hinblick auf die Mittelpunktregelung als auch auf die gleichzeitig beanstandeten erweiterten Anzeige- und Veröffentlichungspflichten kein Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt wurde. In Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Mittelpunktregelung erging die Entscheidung zwar einstimmig, jedoch wurden ihr unterschiedliche Begründungen zugrunde gelegt, die verdeutlichen, wie stark die Auffassungen innerhalb des Senats zum verfassungsrechtlichen Bild eines Bundestagsabgeordneten und seinen neben dem Mandat ausgeübten Tätigkeiten auseinandergehen. a) Die die Entscheidung tragenden vier Richterinnen und Richter Die die Gesamtentscheidung tragenden vier Richterinnen und Richter des Senats (Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt) sehen die Mittelpunktregelung als zutreffende Nachzeichnung einer schon im Grundgesetz angelegten Pflicht der Abgeordneten.32 Dies begründen sie im Wesentlichen wie folgt: Das Volk werde bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes angemessen repräsentiert. Dies erfordere, dass nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren die Mitwirkung aller Abgeordneten sichergestellt sei.33 Es entspreche dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und liege im Interesse des Wählers und der gesamten Bevölkerung, dass der Abgeordnete sein ihm anvertrautes Amt auch tatsächlich ausübe. Der repräsentative Status des Abgeordneten gemäß Art. 38 I 2 GG gewähre daher nicht nur Rechte, sondern sei auch mit Pflichten verbunden, deren Reichweite durch das Gebot, die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu wahren, begrenzt und bestimmt werde.34 Daher verpflichte § 13 II 1 GOBT 30
BVerfGE 118, 277 (300). BVerfGE 118, 277 (300). 32 BVerfGE 118, 277 (323); zu den Konsequenzen des Urteils für die Parlamente der Länder siehe von Arnim, Nebeneinkünfte von Landtagsabgeordneten, NVwZ 2007, 1246 (1247). 33 BVerfGE 118, 277 (324). 34 BVerfGE 118, 277 (325). 31
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die Abgeordneten auch zu Recht, an der Arbeit des Bundestages teilzunehmen. Die Pflichtenstellung umfasse, dass jeder Abgeordnete in einer Weise und in einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnimmt, die deren Erfüllung gewährleistet. Der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments sei ein Vorrang vor den Individualinteressen der Abgeordneten einzuräumen.35 Die Freiheit des Abgeordneten gewährleiste daher nicht die Freiheit von Pflichten, sondern lediglich die Freiheit in der inhaltlichen Wahrnehmung dieser Pflichten. „Nicht das Ob, sondern nur das Wie der Repräsentation steht im freien Ermessen des Abgeordneten.“36 Soweit die Antragsteller das Leitbild eines idealen Abgeordneten derart zeichneten, als dass dieser im wirklichen Leben stehend seine mandatsexternen Tätigkeiten frei gestalten und so effektiv wahrnehmen könne, dass er mit ihnen nachhaltige Einkünfte erzielt und auf diese Weise Unabhängigkeit schöpft – namentlich Unabhängigkeit von stets weiter fließenden Diäten und damit Unabhängigkeit von Partei und Fraktion – und zudem eine dem Parlamentarismus abträgliche Verdrängung dieses Abgeordnetentypus aus dem Bundestag durch die Mittelpunktregelung prophezeiten,37 so geht dies nach Ansicht der vier Richter fehl. Es gebe keine tragfähige Grundlage dafür, dass ein freiberuflich oder unternehmerisch tätiger Abgeordneter in besonderer, geradezu prägender Weise dem verfassungsrechtlichen Leitbild des unabhängigen, nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten entspräche.38 Hierfür könne auch nicht auf die Grundrechte zurückgegriffen werden, da sich die Rechteund Pflichtenstellung der Abgeordneten allein aus staatsorganisationsrechtlichen Normen wie Art. 38 I 2 GG und Art. 48 GG ableiten lasse.39 Auch sei ein solches von den Antragstellern vertretenes Leitbild kaum mit Art. 48 III 1 GG in Einklang zu bringen, da darin das Grundgesetz davon ausgehe, dass die Unabhängigkeit des Abgeordneten bereits durch die Abgeordnetenentschädigung hinreichend gesichert ist. Eine gewisse Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion sei im Übrigen angesichts von Art. 21 GG und der besonderen Bedeutung der Parteien und Fraktionen für die effektive Willensbildung im Parlament verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt.40 Dies dürfe bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Leitbildes eines Abgeordneten nicht unberücksichtigt bleiben. Jedenfalls bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, die rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen der Parlamentsarbeit vorrangig auf größtmögliche tatsächliche Unabhängigkeit der Abgeordneten von Partei und Fraktion oder vom fortlaufenden Diätenbezug auszurichten.41
35 36 37 38 39 40 41
BVerfGE 118, 277 (336). BVerfGE 118, 277 (326); so auch schon Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 34. BVerfGE 118, 277 (327). BVerfGE 118, 277 (327). BVerfGE 118, 277 (327). BVerfGE 118, 277 (328 f.). BVerfGE 118, 277 (329 f.).
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Ferner – so führen die Richterinnen und Richter aus – bezwecke Art. 38 I 2 GG auch eine Unabhängigkeit von Interessengruppen, insbesondere von solchen, „die ihre Sonderinteressen mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden“.42 Dieser Unabhängigkeit von Einwirkungen, die anders als der parteiliche oder fraktionelle Einfluss auf den Abgeordneten nicht durch Entscheidungen des Wählers vermittelt würden, komme ein besonders hohes Gewicht zu. Dass gerade beruflich selbstständig tätige Abgeordnete diese Art der Unabhängigkeit verkörperten, sei nicht ersichtlich. Im Gegenteil seien gerade die freien Berufe anfällig für die gewinnbringende Nutzung des Mandats.43 Die Bedenken der Antragsteller, bestimmten Berufsgruppen würde durch die Mittelpunktregelung die Übernahme des Mandats erheblich erschwert, teilen die vier Richterinnen und Richter nicht. Der Verfassungsgrundsatz, dass allen Bevölkerungsschichten der Weg ins Parlament offen steht, erfordere es nicht, „das Abgeordnetenmandat von allen Verpflichtungen freizuhalten, die in tatsächlicher Hinsicht Angehörige verschiedener Berufsgruppen unterschiedlich belasten können“.44 Im Übrigen sei schon in tatsächlicher Hinsicht gegenüber anderen Berufsgruppen keine erhöhte Behinderung des Zugangs zum Parlament oder eine erhebliche Unterrepräsentation von Freiberuflern und Selbstständigen zu erwarten. Das Grundgesetz sehe den Bundestag ferner ohnehin nicht als ständisches Abbild der Bevölkerung, in der ein repräsentativer Querschnitt aller Berufe vertreten sein müsste.45 Auch Art. 48 II 1 GG, wonach niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen oder auszuüben, stehe der Mittelpunktregelung nicht entgegen: „Art. 48 GG enthält ergänzende Vorschriften zur Sicherung des passiven Wahlrechts und des freien Mandats, aber keine normativen Aussagen zu diesem selbst. Nach Art. 38 I 2 GG zulässige Regelungen der Pflichtenstellung des Abgeordneten sind keine nach Art. 48 II GG unzulässigen Behinderungen.“46 Da die Mittelpunktregelung des § 44a I AbgG von Art. 38 I 2 GG gedeckt sei, konnten die Richter insgesamt keinen Verfassungsverstoß feststellen. Dem Gesetzgeber habe es frei gestanden, das verfassungsrechtliche Leitbild des Abgeordneten auf diese Weise nachzuzeichnen. Allerdings betonen sie, dass nach den angegriffenen Vorschriften die Beachtung der Mittelpunktpflicht zu Recht keiner Überwachung durch eine Behörde oder ein Gericht unterliege. Verstöße zögen keine rechtlichen Folgen nach sich, sondern seien vom Abgeordneten allein im politischen Rahmen gegenüber Öffentlichkeit und Wählerschaft zu rechtfertigen.47
42
BVerfGE 118, 277 (330). BVerfGE 118, 277 (331). 44 BVerfGE 118, 277 (333). 45 BVerfGE 118, 277 (333); so auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 25. 46 BVerfGE 118, 277 (334); vgl. auch BVerfGE 42, 312 (326 ff.). 47 BVerfGE 118, 277 (336 f.); dies entspreche auch den Erkenntnissen der Rechtsstellungskommission des Ältestenrates des Bundestages. 43
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b) Das abweichende Votum Für problematischer halten die vier anderen Richter des Senats (Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau) die Mittelpunktregelung. Ihre Ansicht hierzu legen sie in einem umfangreichen Sondervotum dar. Sie sehen die Regelung nur dann als verfassungsgemäß an, wenn sie verfassungskonform einschränkend ausgelegt wird.48 Die Begründung dieses Ergebnisses zeigt, dass sie eine grundlegend andere Vorstellung vom Bundestagsmandat haben als die die Entscheidung tragenden Richter. Das abweichende Votum betont zunächst die notwendige Unterscheidung zwischen dem Parlamentsmandat und dem beamtenrechtlichen Amt. Das Abgeordnetenmandat sei zwar ein öffentliches Amt, aber in seiner politischen Freiheit und unmittelbaren Verantwortung vor dem Volk nicht mit der Einordnung des Beamten in eine Ämterhierarchie mit Weisungsunterworfenheit und Disziplinargewalt des Dienstherrn vergleichbar.49 Das Bundesverfassungsgericht habe daher darüber zu wachen, dass die Ausgestaltung des freien Mandats durch Gesetz oder andere Maßnahmen nicht schrittweise zu einer unzulässigen Ausgestaltung des Mandats nach beamtenund dienstrechtlichen Strukturmerkmalen führe.50 Anders als das Beamtentum bildeten die Abgeordneten ein Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft. Dies führe zum einen dazu, dass der Geltungsbereich der grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen für Abgeordnete nicht so strikt begrenzt sei wie für Beamte, sondern diese im Rahmen von Art. 38 I 2 GG wertungsmäßig herangezogen werden müssten. Zum anderen bedeute diese besondere Position zwischen Staat und freier Gesellschaft eine Verwurzelung der Abgeordneten in der Gesellschaft, zu der insbesondere auch die Freiheit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit neben dem Mandat gehöre.51 Der reguläre Beruf eines Abgeordneten sei für diesen eine Rückversicherung, die es ihm ermögliche, unabhängig von der Gunst seiner Partei und der Erneuerung seines Mandats die Parlamentsaufgaben wahrzunehmen. Die sondervotierenden Richter sehen in organisatorischen und institutionellen Zwängen, die zu einer Funktionalisierung und geschmeidigen Anpassung parlamentarischen Verhaltens an anderenorts beschlossene politische Entscheidungen führen können, eine größere Gefahr als in Bemühungen der Interessenlenkung aus der Gesellschaft heraus.52 Erst die Möglichkeit, neben der Mandatstätigkeit weiter einer grundsätzlich unbeschränkten Erwerbstätigkeit nachzugehen, gewährleiste die Freiheit des Abgeordneten, allein nach seinem Gewissen zu handeln. Damit würden die Unabhängigkeit vom jeweiligen Parteiapparat und die Funktionsfähigkeit des Parlaments gesichert.53
48 49 50 51 52 53
BVerfGE 118, 277 (338). BVerfGE 118, 277 (338). BVerfGE 118, 277 (339). BVerfGE 118, 277 (340). BVerfGE 118, 277 (339). BVerfGE 118, 277 (344 f.).
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Im Übrigen sei vor allem auch der historische Verfassungsgeber davon ausgegangen, dass der Abgeordnete seinen Lebensunterhalt außerhalb des Parlaments sicherstellt und die Diäten lediglich eine Entschädigung für die mit dem Mandat verbundenen Aufwendungen und Einkommensausfälle darstellen.54 Auch der Umstand, dass das Mandat heute einen höheren zeitlichen Aufwand erfordere als jemals zuvor, ändere an der verfassungsrechtlichen Lage nichts. Daher habe auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Diätenurteil ausdrücklich nicht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die Mandatsausübung von Verfassungs wegen den zeitlichen Schwerpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten darstellen müsse.55 Die Entscheidung habe gerade nicht das Bild des berufstätigen Abgeordneten verdrängen, sondern lediglich den berufslosen bzw. in seiner Erwerbstätigkeit mandatsbedingt beschränkten Abgeordneten in seiner Unabhängigkeit stärken wollen.56 Zwar sei anzuerkennen, dass das Mandat als öffentliches Amt auch mit Pflichten, insbesondere der Pflicht, das übernommene Mandat auch tatsächlich auszuüben, verbunden sei und diese Pflichten auch einfachgesetzlich konkretisiert werden können; jedoch widerspreche eine darüber hinausgehende „verwaltungsförmig ausgestaltete Kontrolle, ob und wie der Abgeordnete sein Mandat ordnungsgemäß versieht“, dem „Leitbild eines weisungsfreien Repräsentanten des Volkes“.57 Daher sei schließlich auch im Diätenurteil festgestellt worden, dass es dem Abgeordneten von Verfassungs wegen freistehe, seine Mandatsarbeit „nach eigenem Ermessen bis über die Grenze der Vernachlässigung seiner Aufgaben hinaus einzuschränken“.58 Von Verfassungs wegen seien folglich Erwartungen an den Abgeordneten betreffend Art und Umfang der Mandatsausübung über die tatsächliche Wahrnehmung hinaus einer rechtlichen Regelung entzogen. Der Abgeordnete müsse sich allein im Rahmen der politischen Sphäre, insbesondere gegenüber den Wählern, verantworten. Ferner sei Art. 48 GG zu beachten. Dieser setze ein Nebeneinander von Mandatsund Berufstätigkeit gerade voraus.59 Das Behinderungsverbot des Art. 48 II GG erschöpfe sich nicht darin, der Übernahme und Ausübung des Mandats aus dem beruflichen Bereich des Abgeordneten keine Hindernisse erwachsen zu lassen, sondern ziele darauf ab, dem Abgeordneten im Rahmen des Möglichen die Chance zu geben, Mandat und Beruf miteinander zu verbinden.60 Auch das passive Wahlrecht wirke in diese Richtung.
54 Diese These begründen die Richter anschaulich anhand der Entwicklungsgeschichte des Parlamentsmandats, vgl. BVerfGE 118, 277 (341 ff.); zu dieser Entwicklung des Mandats vom Ehrenamt hin zum faktischen Full-Time-Job siehe im Übrigen oben den Exkurs nach B. I. 2. a). 55 BVerfGE 118, 277 (344). 56 BVerfGE 118, 277 (344). 57 BVerfGE 118, 277 (345). 58 BVerfGE 40, 296 (312). 59 So auch Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 48 Rn 29. 60 BVerfGE 118, 277 (347); vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 95.
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Nach alledem verstoße die Mittelpunktregelung des § 44a I 1 AbgG nur dann nicht gegen Art. 38 I 2, 48 II 1 GG, wenn sie verfassungskonform ausgelegt werde. Gerade weil die Freiheit des Mandats keiner verwaltungs- oder justizförmigen Kontrolle unterliege, verlange sie vom Abgeordneten einen verantwortlichen Umgang mit dieser Freiheit. Der Gesetzgeber sei nicht daran gehindert, diesen Aspekt deklaratorisch im Abgeordnetengesetz zu fixieren.61 Er könne so die tatsächliche Entwicklung in der parlamentarischen Praxis aufgreifen. Dies dürfe allerdings nicht dazu führen, dass die Abgeordneten auf Einhaltung einer Mandatspflicht kontrolliert62 oder Nebentätigkeiten einer zeitlichen Beschränkung unterstellt würden. Das Prinzip der Freiheit verlange, dass nur der Missbrauch der Freiheit gezielt bekämpft und im Übrigen auf einen umsichtigen Umgang mit der Freiheit vertraut werde. Keinesfalls mit Art. 38 I 2 GG sei es daher vereinbar, die Mittelpunktregelung dahin auszulegen, dass der Abgeordnete eine bestimmte Arbeitszeit schulde und die Nichteinhaltung mit bestimmten Sanktionen belegt würde.63 Empfundene Missstände könnten und sollten allein politisch gelöst werden. Die Mittelpunktregelung könne daher nur so verstanden werden, dass sie der inneren Selbstvergewisserung und Selbstrechtfertigung des einzelnen Abgeordneten, die ausschließlich internen Maßstäben gerecht werden müssten, diene.64 3. Bewertung Aus Art. 38 I 2 GG ergibt sich die Freiheit des Abgeordneten, selbst darüber zu befinden, wie er seine Aufgabe als Abgeordneter versteht und ausgestalten möchte. Die Art und Weise der Mandatserfüllung obliegt allein der eigenen Verantwortung des einzelnen Abgeordneten, seinem Verantwortungsgefühl, seinem Pflichtbewusstsein65 sowie seiner eigenen Einschätzung. Frei ist der Abgeordnete daher – und darin sind sich eigentlich alle einig – grundsätzlich auch in der Entscheidung darüber, in welchem Umfang und mit welcher Intensität er sein Mandat ausübt66 und darüber, wie viel Zeit er mit welcher Tätigkeit verbringt. Daraus folgt, dass der von den Abgeordneten zu setzende Schwerpunkt bei der Mandatswahrnehmung nicht gesetzlich festlegbar ist. Insofern ist den Kritikern der Mittelpunktregelung noch zuzustimmen, allerdings nicht in dem Schluss, den sie aus dieser Prämisse ziehen, namentlich, dass die Mittelpunktregelung aus diesem Grund gegen Art. 38 I 2 GG verstoße. Zwar kann Abgeordneten nicht vorgeschrieben werden, welche Schwerpunkte sie bei der Man61
BVerfGE 118, 277 (348). BVerfGE 118, 277 (348 f.). 63 BVerfGE 118, 277 (350). 64 BVerfGE 118, 277 (351). 65 Kissel, Vom gerechten Lohn des Bundestagsabgeordneten, in: FS Zeuner, S. 79 (81). 66 Siehe beispielsweise Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (253); Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537 (541); Kremer, Präsenz im Plenum, in: Festg. Blischke, S. 9 (11). 62
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datsausübung zu setzen haben, aber es widerspricht nicht dem Grundsatz des freien Mandats durch eine Mittelpunktregelung festzulegen, dass der Tätigkeitsschwerpunkt eines Abgeordneten überhaupt auf der Mandatswahrnehmung liegen soll. Hierbei geht es weniger darum, die Mandatswahrnehmung der Sache nach vorzuschreiben, als vielmehr darum festzulegen, dass von allen Tätigkeiten eines Abgeordneten die Mandatstätigkeit im Mittelpunkt zu stehen hat. Die Regelung muss dabei nicht allein in zeitlicher Hinsicht gesehen werden; vielmehr gilt es, das besondere Amt des Abgeordneten im Sinne der repräsentativen Demokratie in seiner Bedeutung für den einzelnen Abgeordneten zu festigen. Die Mittelpunktregelung bezweckt damit nicht eine bloß zeitliche Konzentrierung auf das Mandat oder etwa eine beamtenrechtsähnliche Arbeitszeitregelung, sondern den Vorrang des Mandats vor anderen Tätigkeiten und Interessen und den damit verbundenen Loyalitäten. Ähnlich argumentierte zu Recht auch der Vertreter des Deutschen Bundestages und des Bundestagspräsidenten als Antragsgegner des Organstreitverfahrens: Das Tatbestandsmerkmal „Mittelpunkt“ kann nicht allein anhand quantitativer Kriterien ausgelegt werden, sondern in erster Linie anhand qualitativer.67 Dies entspricht der besonderen verfassungsrechtlichen Verantwortung des Abgeordneten,68 nach der er zuvorderst dem Gemeinwohl verpflichtet ist und das Mandat nicht allein als persönliche Chance zu sehen hat, sondern als ihm von der Verfassungsordnung auferlegte Aufgabe.69 Die Mittelpunktregelung soll diese Verpflichtung sichern, indem sie eine qualitative Selbstvergewisserung des einzelnen Abgeordneten verlangt. Sicherlich muss zwar Waldhoff darin zugestimmt werden, dass es kaum allgemeingültige Indikatoren zur Bestimmung des Schwerpunkts der Abgeordnetentätigkeit gibt und dies auch kaum durch eine zeitliche Erfassung der Tätigkeiten erfolgen kann.70 Daraus kann jedoch nicht auf einen Verstoß der Mittelpunktregelung gegen das freie Mandat geschlossen werden. Die Befürchtung, die Mittelpunktregelung bewirke eine verfassungswidrige Annäherung des Abgeordnetenmandats an das Beamtenverhältnis, kann nicht geteilt werden. Beide Amtsverhältnisse sind in ihren Grundprinzipien sehr unterschiedlich. Abgeordnete sind von Verfassungs wegen nicht wie Beamte in eine dienstliche Hierarchie mit Weisungsunterworfenheit eingebunden. Sie sind in der Sache keinem Dienstherrn zur Rechenschaft verpflichtet. Während der Beamte vom ursprünglichen Grundgedanken des Berufsbeamtentums her zur umfassenden Hingabe verpflichtet ist, so dass Tätigkeiten neben dem Dienst als Fremdkörper erscheinen,71 ist der grundgesetzliche Abgeordnetenstatus von seinem Ursprung her nicht auf eine völlige Hin67 68 69
BVerfGE 118, 277 (310). BVerfGE 118, 277 (310). Vgl. Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325
(327). 70 Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 8. 71 Jansen, Nebentätigkeit im Beamtenrecht, S. 1.
I. Das Mandat als Mittelpunkt der Tätigkeit
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gabe zur legislativen Tätigkeit ausgelegt. Der Abgeordnete entscheidet selbst über die Einteilung seiner Arbeitskraft, so dass Nebentätigkeiten nicht vergleichbar fremd wirken. Diese Grundsätze erschüttert auch die Mittelpunktregelung nicht. So unterschiedlich die Ämter eines Beamten und eines Abgeordneten auch sind und sein müssen, so ist ihnen doch gemein, dass von beiderlei Amtsträgern verlangt werden kann, ihr Amt auch tatsächlich wahrzunehmen und ihre Loyalitäten an den Notwendigkeiten des Amtes auszurichten. Weder das Amt eines Beamten noch das Mandat eines Abgeordneten vertrügen es, wenn ihre Träger die mit ihnen verbundene Tätigkeit allein als eine gewinnbringende unter vielen anderen behandeln würden. Der Unterschied besteht darin, dass der Beamte nicht anhand eigener Ansichten bestimmen kann, auf welche Art und Weise er sein Amt am besten wahrnimmt, während der Abgeordnete dies nach Art. 38 I 2 GG frei und nur anhand seines eigenen Gewissens zu bestimmen hat. Die Mittelpunktregelung engt diese Freiheit nicht ein. Sie verlangt lediglich von ihm, das Mandat als am Gemeinwohl orientiertes besonderes öffentliches Amt zu begreifen und wahrzunehmen. Dies bedeutet einen Vorrang des Mandats vor privaten Interessen des Abgeordneten.72 Dies verstößt nicht gegen Art. 38 I 2 GG sondern ist diesem immanent. Der Abgeordnete hat „konkrete Interessenkonflikte, die sich für ihn aus entgeltlichen Tätigkeiten außerhalb des Mandats ergeben, durch Nichtübernahme der konfliktbegründenden Tätigkeit statt durch Nichtausübung des Mandats zu vermeiden“.73 Es entspricht dem verfassungsrechtlichen Bestreben nach einem funktionsund repräsentationsfähigen Parlament, der Mandatstätigkeit Vorrang vor privaten Tätigkeiten der Abgeordneten einzuräumen. Die Einordnung in eine beamtenrechtsähnliche Hierarchie wird dadurch nicht bewirkt. Die Mittelpunktregelung kann allenfalls mit der beamten- und richterrechtlichen Zurückhaltungspflicht und der kommunalrechtlichen Pflicht zur uneigennützigen Geschäftsführung in Zusammenhang gesetzt werden, die von den Amtsträgern ebenso die Orientierung ihres Verhaltens am Allgemeinwohl unter Zurückstellung eigener Interessen verlangen. Im Gegensatz zu den für die Exekutive und die Judikative geltenden Pflichten, kann die durch die Mittelpunktregelung intendierte Vorrangigkeit allerdings nicht disziplinarisch durchgesetzt werden. Es verbleibt in diesem Bereich bei der Freiheit des Abgeordneten, sein Verhalten nach eigener Verantwortung an den demokratischen Notwendigkeiten auszurichten. Nach den Anforderungen, die die komplexe und immer umfangreicher werdende Parlamentstätigkeit an den Abgeordneten heute stellt, ist das Leitbild eines Abgeordneten, der voll im Berufsleben steht und dieses neben dem Mandat nahezu unverändert fortführen kann, überholt. Das Grundgesetz geht lediglich, wie sich aus Art. 48 II GG ergibt, von der grundsätzlichen Zulässigkeit von privaten Tätigkeiten neben dem Mandat aus. Auch hieran ändert die Mittelpunktregelung nach § 44a I 1 AbgG nichts. 72
Vgl. auch von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897
(902). 73
BVerfGE 118, 277 (333).
150
D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
Dass sich aus Art. 48 II GG ergäbe, dass der Abgeordnete bei Übernahme des Mandats keine mandatsbedingten Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit hinzunehmen hat, kann nicht angenommen werden. Art. 48 II GG muss stets im Lichte des Art. 38 I 2 GG und eines funktionsfähigen Parlamentarismus gesehen werden. Schließlich erfordert eine hinreichende Repräsentation im demokratischen System die grundsätzliche Mitwirkung aller Abgeordneten bei der Willensbildung des Parlaments.74 Selbst wenn daher Nebentätigkeiten grundsätzlich erlaubt und dem Abgeordnetenstatus nicht fremd sind, so muss dennoch gesehen werden, dass die Repräsentation nicht verwirklicht werden könnte, wenn die Mehrheit der Abgeordneten das Mandat nur als die Nebentätigkeit neben ihrem im Mittelpunkt stehenden Beruf ansehen würden. Auch die Ansicht der dissentierenden vier Richter, die größere Gefahr für die Unabhängigkeit der Abgeordneten ginge von Partei und Fraktion und nicht von einseitigen wirtschaftlichen Einflüssen aus, kann nicht geteilt werden. Zwar ist anzuerkennen, dass wegen ihres großen Anteils an der politischen Willensbildung und der faktischen Monopolstellung bei der Kandidatur zu Parlamentswahlen und der Besetzung politischer Ämter auch gegenüber den Parteien und Fraktionen ein Mindestmaß an Unabhängigkeit des Abgeordneten gesichert werden muss. Dennoch kann dieser Unabhängigkeit keine größere Bedeutung zukommen als dem Schutz vor Einflussnahmen von außen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass das Grundgesetz die Teilhabe der Parteien an der Willensbildung nach Art. 21 GG ausdrücklich vorsieht. Auch die große Bedeutung der Fraktionen für eine reibungslose parlamentarische Arbeit ist allgemein anerkannt.75 Dagegen ist die wirtschaftliche bzw. finanzielle Beeinflussung der parlamentarischen Willensbildung verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. Die Unabhängigkeit des Abgeordneten von diesen Faktoren ist daher mindestens ebenso schützenswert. Zudem übergehen die Richter in ihrem Sondervotum, das die Bedeutung der Verwurzelung des Abgeordneten in der Gesellschaft heraushebt,76 dass auch die Parteien einen Beitrag als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft leisten.77 Als solches unterliegen sie bei ihrer innerparteilichen Willensbildung ausdrücklich demokratischen Grundsätzen, vgl. Art. 21 I 2 GG. Im Gegensatz dazu können wirtschaftliche Einflüsse auf die Parlamentstätigkeit nicht allein als positive gesellschaftliche Verwurzelung der parlamentarischen Entscheidung angesehen werden; denn die Erfahrungen zeigen, dass sich hierbei typischerweise die organisationsund finanzstarken Wirtschaftsinteressen durchsetzen.78 Auf demokratischer Grundlage stehen solche Einflüsse jedenfalls nicht, so dass sie auch nicht eher hingenommen werden können als partei- und fraktionspolitische Einflüsse. 74
BVerfGE 44, 308 (316). BVerfGE 70, 324 (350); 80, 188 (219); Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn 67; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn 96. 76 BVerfGE 118, 277 (340). 77 Degenhart, Staatsrecht I, Rn 78 S. 33; BVerfGE 44, 125 (145) bezeichnet Parteien als „Zwischenglieder“ zwischen Bürgern und Staatsorganen. 78 von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (902). 75
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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Wie die vier Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die Entscheidung tragen, zu Recht festgestellt haben, ist die Mittelpunktregelung nicht auf eine verwaltungsrechtliche oder justizielle Überwachung ausgelegt. Ein Verstoß gegen die sich aus ihr ergebende Pflicht ist nicht sanktionierbar. Auf Überwachung und Sanktionen hat der Gesetzgeber zu Recht bewusst verzichtet. Die Einhaltung der Regelung kann grundsätzlich nur durch eine gewissenhafte Selbstprüfung des einzelnen Abgeordneten überwacht werden. Dennoch ist die Mittelpunktregelung nicht etwa unbedeutend. Die Regelung dient der Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Abgeordnetenpflichten. Sie gibt sowohl dem Abgeordneten selbst, als auch der Öffentlichkeit ein Leitprinzip an die Hand, durch das das Verhalten der Abgeordneten politisch beurteilt werden kann. Sie betont die Wertigkeit des Mandats und verdeutlicht, dass Interessenkonflikte zwischen Nebentätigkeiten und parlamentarischen Aufgaben zulasten der Nebentätigkeiten zu lösen sind. Im Übrigen bildet § 44a I 1 AbgG eine wichtige Grundlage für umfassende Anzeige- und Veröffentlichungspflichten, die Indizien dafür liefern, welche Schwerpunkte ein Abgeordneter bei seinen vielfältigen Tätigkeiten setzt.79
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten: Das derzeitige System auf dem Prüfstand Die derzeitigen Regelungen zur Bewältigung von Interessenkonflikten bei Abgeordneten durch Nebentätigkeiten und daraus erzielten Einkünften sind wesentlich geprägt durch die oben erörterten Anzeige- und Veröffentlichungspflichten nach den §§ 44a IV, 44b AbgG und §§ 1 ff. VerhR.80 Diese waren in ihrer derzeitigen Fassung neben der Mittelpunktregelung wesentlicher Gegenstand des bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens, das mit Urteil des 2. Senats vom 04. 07. 2007 endete. Hinsichtlich der Offenlegungspflichten traten die differierenden Grundansichten der Richter noch deutlicher in Erscheinung als bei der Mittelpunktregelung. Vier Richter hielten die Regelungen für verfassungswidrig; die vier anderen Richter konnten keinen Verfassungsverstoß feststellen. Wegen der Stimmengleichheit wurden die Regelungen gemäß § 15 IV 3 BVerfGG nicht für verfassungswidrig erklärt. Das von neun Bundestagsabgeordneten angestrengte Organstreitverfahren blieb damit auch im Hinblick auf die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten erfolglos. Im Folgenden soll die im bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren zutage tretende verfassungsrechtliche Kontroverse um die bestehenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten zum Anlass genommen werden, den Sinn und Zweck der Regelungen zu erörtern und sodann die Regelungen am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Hierbei soll auch ein Bezug zu den für Beamte und Richter geltenden Anzeigepflichten hergestellt werden. 79 80
von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (900). Vgl. oben B. I. 2. b).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
1. Sinn und Zweck der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten aus dem Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln bezwecken, die Öffentlichkeit und insbesondere die Wähler über die Tätigkeit „ihrer“ Abgeordneten zu informieren und darüber, „ob und wie der Abgeordnete den Wählerauftrag umsetzt“81. Sie dienen der Transparenz des demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses.82 Zugunsten des Wählers sollen mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten durchschaubar gemacht werden,83 um dadurch eine öffentliche – auch präventiv wirkende – Kontrolle zu erreichen. Nur durch eine hinreichende Information des Bürgers über die Abgeordneten und ihre möglichen Interessenverquickungen werde dem Wähler ermöglicht, eine qualifizierte Wahlentscheidung zu treffen – so die verbreitete Meinung.84 Anzeige- und Veröffentlichungspflichten gehen von der Prämisse aus, dass die Verbundenheit des Abgeordneten mit bestimmten Interessen unvermeidbar und auch nicht gänzlich unerwünscht ist. Allerdings eröffnen gerade wirtschaftliche Verknüpfungen über den Abgeordneten als Mittler besondere Einflussmöglichkeiten Außenstehender auf den legislativen Prozess sowie die Gefahr des Missbrauchs des Mandats für privatwirtschaftliche Zwecke. Daher gebiete es die Repräsentativfunktion der Abgeordneten nach Art. 38 I 2 GG, dass die im Parlament vertretene Bevölkerung über die Interessenverknüpfungen des jeweiligen Mandatsträgers informiert wird.85 Neben dem Ziel der größeren Transparenz gegenüber dem Bürger, soll eine parlamentarische Selbstkontrolle erreicht werden.86 Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten sollen mögliche Interessenverknüpfungen und Abhängigkeiten offenbaren und so bereits während des parlamentarischen Willensbildungsprozesses ermöglichen, dass z. B. Beiträge eines betreffenden Abgeordneten im Lichte dieser möglichen Interessenverbindung gewürdigt werden können.87 Ferner wird von 81
BT-Drs. 15/5671, S. 5. Roll, in: Troßmann/Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages – Ergänzungsband, § 18 Rn 1; Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 2; ein Überblick über die für Anzeige- und Veröffentlichungspflichten angeführten Zwecke bietet Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 284 f. 83 BVerfGE 118, 277 (352). 84 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 145; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 92; Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25); Kromarek/Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 (464). 85 van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (431); Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25). 86 Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 1; Freund, Änderung des Verhaltensrechts für Mitglieder des Deutschen Bundestages, DÖV 1987, 435 (436). 87 Roll, Verhaltensregeln, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 23 S. 616; Meessen, Beraterverträge und freies Mandat, in: FS Scheuner, S. 431 82
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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ihnen eine hemmende Wirkung erwartet:88 Zwar verhindern die Offenlegungspflichten nicht unmittelbar die Eingehung von Interessenverbindungen. Jedoch kann die Publizität von Tätigkeiten und Einkünften präventiv den Abgeordneten veranlassen, nur solche Verbindungen einzugehen, die er vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen vermag. Hierdurch wird die Unabhängigkeit des einzelnen Abgeordneten von mandatsfremden Einflüssen von außen gestärkt. Bisweilen wird auch darauf hingewiesen, die Offenlegung wirke sich ebenso positiv auf die Glaubwürdigkeit wie auf das Ansehen der Abgeordneten und der Legislative insgesamt aus.89 Wie wichtig diese positive Einstellung der Bürger gegenüber der Volksvertretung für die Demokratie ist, wurde bereits erörtert.
2. Unterschied zu den für Beamte und Richter geltenden Anzeigepflichten Auch für Beamte und Richter gelten in Bezug auf ihre Nebentätigkeiten umfangreiche Anzeigepflichten, die die im Übrigen dominierenden Genehmigungspflichten ergänzen.90 Die stärkste Ausprägung der Anzeigepflichten gilt für Hochschullehrer, die ihren Dienstherrn trotz oder gerade wegen ihrer Freiheiten nach Art. 5 III GG über ihre Nebentätigkeiten umfassend informieren müssen. Der hinter diesen Regelungen stehende Zweck scheint zunächst dem für die Anzeigepflichten der Abgeordneten zu ähneln: Sie sollen die Unparteilichkeit und Unbefangenheit des Berufsbeamtentums bzw. der Richterschaft sichern und zur Prävention von Interessenkonflikten beitragen.91 Die Anzeige von Tätigkeiten ermöglicht es dem Dienstherrn, Interessenkollisionen aufzudecken und ihnen abzuhelfen. Darüber hinaus trägt die Kontrolle der Nebentätigkeiten durch den Dienstherrn zur Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Berufsbeamtentums bei.92 In letzteren Punkten offenbaren sich jedoch auch schon die wesentlichen Unterschiede zu den für die Legislative geltenden Anzeigepflichten. Der Dienstherr hat die Möglichkeit, die angezeigten Nebentätigkeiten auf ihre Vereinbarkeit mit amtsrechtlichen Grundsätzen zu prüfen und gegebenenfalls auf Grundlage der Informationen unmittelbare Maßnahmen zu ergreifen, um die ordnungsgemäße Amtsausübung durch den einzelnen Beamten sicherzustellen. Hierzu kann der Dienstherr auf seine Weisungsbefugnisse zurückgreifen. Demgegenüber dienen die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten in der Legislative neben der Sichtbarmachung von Interessenkonflikten zuvorderst der Transparenz nach außen. Die demokratische Repräsentation erfordert ein Mindestmaß an Transparenz gegenüber den (450 f.); Sendler, Zum Schreiben in eigener Sache, in: Festg. Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 413 (418). 88 Fromme, Publizität für „Beraterverträge“ von Abgeordneten?, ZRP 1972, 225 (228). 89 BT-Drs. 15/5671, S. 6; Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 214 f. 90 Siehe hierzu oben B. II. 1. a) bb); B. III. 1. a). 91 Battis, BBG, § 64 Rn 5. 92 BVerfGE 55, 207 (228 f.).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
Wählern, damit diese qualifizierte Wahlentscheidungen treffen können. Die Konsequenzen, die der Wähler aus den an ihn adressierten Informationen ziehen kann, sind rein politischer Natur. Er kann sich bei den nächsten Wahlen für einen anderen Kandidaten oder eine andere Partei entscheiden. Dem Abgeordneten steht insofern kein Dienstherr gegenüber, dem er Rechenschaft ablegen muss und der sein Verhalten unmittelbar lenken kann. Er muss sich allenfalls politisch gegenüber der Wahlöffentlichkeit rechtfertigen. Konsequenzen folgen für den Abgeordneten nicht unmittelbar auf dienstrechtlicher Grundlage, sondern im Rahmen des demokratischen Wahlprozesses. Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten sind daher Ausdruck des Demokratieprinzips,93 während die Kontrolle der Nebentätigkeiten von Beamten und Richtern durch die Anzeigepflichten in erster Linie deren Gesetzesbindung im Sinne des Rechtsstaatsprinzips sichert. Situative Ähnlichkeiten lassen sich zwar auf den ersten Blick insbesondere zwischen Hochschullehrern, Richtern und Abgeordneten erkennen. Allen drei Typen von Amtsträgern sind verfassungsrechtliche Freiräume bei ihren Tätigkeiten garantiert. Hochschullehrer genießen das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 III GG. Richter üben nach Art. 97 I GG ihre judikative Tätigkeit in richterlicher, d. h. in sachlicher und persönlicher, Unabhängigkeit aus. Abgeordnete sind Träger des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG und können daher ihr Wirken ähnlich frei gestalten. Dennoch besteht trotz aller Ähnlichkeit eine wesentliche Andersartigkeit des Mandats im Vergleich zu allen anderen staatlichen Ämtern, aus der sich auch konsequenterweise eine andere Ausgestaltung von Offenbarungspflichten ergibt. Die Legislative soll durch das gesetzgeberische Verfahren das Allgemeinwohl herauskristallisieren und anhand dessen Gesetze schaffen. Hierbei ist sie nach Art. 20 III GG allein an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Grundlage der Gesetzesschaffung ist die unmittelbare demokratische Legitimation des Parlaments, für die die Sichtbarmachung der parlamentarischen Willensbildung unerlässlich ist. Dazu gehören auch die Kenntnisse über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Abgeordneten und auch der Wahlbewerber.94 Verflechtungen des Abgeordneten mit außerstaatlichen Lebensbereichen können auch durchaus für den parlamentarischen Prozess wertvoll sein. Sie unterliegen daher der unterschiedlichen Bewertung des einzelnen Wählers. Dieser kann anhand der zu veröffentlichenden Informationen politische Wahlentscheidungen treffen. Anders hingegen sind die Angehörigen von Exekutive und Judikative mit der Anwendung der Gesetze betraut und nach Art. 20 III GG an diese strikt gebunden. Diese Gesetzesbindung wird im Allgemeinen durch den Dienstherrn überwacht. Selbst diese Überwachung beruht auf einer gesetzlichen Grundlage; auch die Maßnahmen, die der Dienstherr ergreifen kann, sind verrechtlicht. Vor allem aber kann er überhaupt unmittelbare Maßnahmen ergreifen, um angezeigte Nebentätigkeiten, die mit der Beamten- oder Richterstellung kollidieren, zu unterbinden. Hingegen besteht bei Abgeordneten, sofern sie ihrer Anzei93
Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 92. Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25); Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 92; BVerfGE 118, 277 (353 f.). 94
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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gepflicht nur im vorgegebenen Umfang nachkommen, keine Möglichkeit des Bundestagspräsidenten oder des Bundestages als solchem, aufgrund des Inhalts der angezeigten Tätigkeiten in diese einzugreifen. Wirkliche Sanktionsmöglichkeiten bestehen in Bezug auf die Nebentätigkeiten nur, wenn der Abgeordnete die Anzeigepflichten nicht erfüllt. Im Übrigen werden die Konsequenzen aus den angezeigten Tätigkeiten der politischen Öffentlichkeit anheim gestellt. Dies zeigt die doch sehr verschiedenen Grundkonzeptionen, die den Anzeigepflichten der verschiedenen Staatsgewalten zugrunde liegen. Grund und Auswirkungen von Anzeigepflichten im Rahmen der Legislative einerseits und der Exekutive und Judikative andererseits sind daher so unterschiedlich, dass auch die Unterschiede in ihren Ausgestaltungen nicht nur sinnvoll, sondern geboten sind. 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit Gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten werden verbreitet sowohl Grundrechte als auch staatsorganisationsrechtliche Normen des Grundgesetzes, insbesondere Art. 38 I 2 GG und Art. 48 II 1 GG ins Feld geführt. Ob diese Normen tatsächlich durch die bestehenden Offenlegungspflichten verletzt werden, soll im Folgenden geprüft werden. Insbesondere hinsichtlich der Grundrechte stellt sich dabei zunächst die Frage, ob diese überhaupt als Prüfungsmaßstab heranzuziehen sind. a) Grundrechte der Abgeordneten Im Schrifttum werden die Grundrechte der Abgeordneten als wichtigste und entscheidende Schranke weitreichender Offenlegungspflichten genannt. Oft wird das als abschreckend empfundene Bild eines „gläsernen Abgeordneten“ gezeichnet, das unter Verletzung wesentlicher Grundrechte der Abgeordneten tiefste Einblicke in dessen Privat- und Berufssphäre und die seiner Familie gewährt. Als beeinträchtigtes Grundrecht wird in erster Linie auf das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I iVm 1 I GG in seiner Ausprägung als Gewährleistung der informationellen Selbstbestimmung95 verwiesen, nach dem grundsätzlich jedem Menschen selbst die Entscheidung darüber überlassen ist, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbaren will,96 und das generell vor jeder staatlichen Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten schützt.97 Demokratische Transparenz kollidiere mit dem grundrechtlichen Schutz privater Daten. Dane-
95 96 97
Vgl. das grundlegende sog. „Volkszählungsurteil“ BVerfGE 65, 1. BVerfGE 65, 1 (41 f.). BVerfGE 78, 77 (84); Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn 73.
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
ben könnten auch die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG,98 die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG99 sowie der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG betroffen sein. Die Lösung des Problems und damit die Beantwortung der Frage nach der möglichen Reichweite von Anzeige- und Veröffentlichungspflichten wird in aller Regel im Rahmen der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs und dort insbesondere in der Verhältnismäßigkeitsprüfung gesucht. Hierbei gehen jedoch beinahe alle Autoren über eine ganz entscheidende Frage hinweg, die dem Einstieg in die Grundrechts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgelagert ist: Finden die Grundrechte in der vorliegenden Situation überhaupt Anwendung? Können bzw. müssen sie tatsächlich als Prüfungsmaßstab für die Grenzen von Anzeige- und Veröffentlichungspflichten herangezogen werden? Denn unklar ist, ob überhaupt die grundrechtliche Sphäre der Abgeordneten betroffen sein kann, mit anderen Worten, ob sie in dieser Konstellation überhaupt Träger von Grundrechten sein können. Die Grundrechtsträgerschaft wird von den meisten Autoren100 und im Übrigen auch vom Gesetzgeber selbst101 vorausgesetzt, ohne hierfür eine tiefergehende Begründung zu liefern. Es ist anzuerkennen, dass in der Person des Abgeordneten Grundrechts- und Abgeordnetenstatus nebeneinander bestehen, d. h. dass ein Abgeordneter selbstverständlich im privaten Bereich seinen grundrechtlichen Status wie jeder Bürger gegen hoheitliche Eingriffe des Staates geltend machen kann.102 Diese Feststellung klärt jedoch nicht die Frage, welcher Status in der vorliegenden Situation betroffen ist. Betrifft die Pflicht zur Offenlegung von Tätigkeiten und Einkünften tatsächlich den Grundrechtsstatus des Abgeordneten als natürliche Person oder wirkt sie allein auf den Abgeordnetenstatus, der neben dem Grundrechtsstatus besteht? Dementspre98
Kersten will im Hinblick auf Art. 12 GG insbesondere auf das Berufsgeheimnis abstellen, dass alle mit dem Beruf zusammenhängenden Daten schützt, vgl. Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46. 99 Hier den Schwerpunkt der grundrechtlichen Prüfung setzt Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (271 f.); zur Berufsfreiheit auch Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (404). 100 So z. B. Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (474); Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 2; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftordnungsgeber, S. 61; Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 102; van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (441); die scheinbar einzige Ausnahme bildet das Rechtsgutachten vom 11. Mai 2005 von Prof. Meyer über die „Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages“ erstattet für die Rechtstellungskommission des Ältestenrates des Deutschen Bundestages, S. 16 ff., 29 ff. 101 Vgl. die Gesetzesbegründung zum 26. Änderungsgesetz des AbgG BT-Drs. 15/5671, S. 6. 102 Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537 (540).
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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chend muss hier eine genaue Abgrenzung des Abgeordnetenstatus von dem des Grundrechtsstatus der einzelnen Abgeordneten erfolgen; denn einerseits ist jeder Abgeordnete eine natürliche Person und damit prinzipiell Grundrechtsträger. Auf der anderen Seite übt der Abgeordnete jedoch auch ein besonderes öffentliches Amt aus103 und wird daher auf Seiten des Staates tätig, der als solcher allein grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt ist. Verneint man eine Grundrechtsbetroffenheit der Abgeordneten für die vorliegende Situation, so kann eine Prüfung nur anhand von Grundrechten möglicherweise betroffener Dritter und anhand der staatsorganisationsrechtlichen Normen, insbesondere des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG, stattfinden. Geht man hingegen davon aus, dass auch in dieser Konstellation der einzelne Abgeordnete in seinen Grundrechten betroffen sein kann, so muss eine Grundrechtsprüfung stattfinden, was vor allem auf eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung hinausliefe. aa) Die Nichtbehandlung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht nimmt zu diesem Problem in seiner Entscheidung vom 04. 07. 2007 über die Neuregelungen zur Anzeige und Veröffentlichung der Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Abgeordneten leider nicht eindeutig Stellung. Da es sich bei dem Verfahren um einen Organstreit handelte, lehnte das Gericht die Möglichkeit der Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen der Antragsteller bereits in der Zulässigkeit ab.104 Im Organstreit könne der Abgeordnete ausschließlich organschaftliche Statusrechte, die sich aus seiner Stellung iSd Art. 38 I 2 GG ergeben, geltend machen. In allen Fragen, die seinen Abgeordnetenstatus beträfen, könne der aktive Abgeordnete nur den Weg des Organstreits beschreiten. Selbst wenn er zusätzlich die Verletzung von Grundrechten rüge, könne er nicht Verfassungsbeschwerde erheben.105 Hierzu verweist das Gericht auf eine „ständige Rechtsprechung“ des Senats.106 Das Gericht führt weiter aus, dass bei der vorliegenden Überprüfung der Neuregelungen des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln auch nicht entschieden werden müsse, ob eine Maßnahme, die auf den Status des Abgeordneten ziele, in besonderen Ausnahmefällen in dessen grundrechtlich geschützte Privatsphäre eingreifen könne.107 Ziel, Regelungsgehalt und Regelungswirkung der dem Abgeordneten auferlegten Pflichten richteten sich allein auf den Abgeordnetenstatus, so dass grundrechtliche Abwehrrechte nicht in diesem Organstreitverfahren geltend gemacht werden könnten. Mittelbare Auswirkungen auf berufliche Tätigkeiten neben dem Man103
Wiese, Das Amt des Abgeordneten, AÖR 62 (1976), 548. BVerfGE 118, 277 (319 ff.). 105 BVerfGE 118, 277 (320). 106 BVerfGE 43, 142 (148 f.); 64, 301 (312); 99, 19 (29); hierzu umfassend Cremer, Anwendungsorientierte Verfassungsauslegung, S. 67 f. 107 BVerfGE 118, 277 (320); das Gericht verweist hierbei auf BVerfGE 99, 19 (29). 104
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
dat seien allerdings – immerhin – auch im Rahmen der Abwägung der statusrechtlichen Regelungen zu berücksichtigen.108 Das Bundesverfassungsgericht geht, indem es die Zulässigkeit in diesem Punkt verneint, zu Recht davon aus, dass es Abgeordneten verfahrensrechtlich verwehrt ist, Grundrechte im Rahmen des Organstreitverfahrens geltend zu machen. Dieses Hindernis ist allerdings zunächst rein verfahrensrechtlicher Natur und enthält keine abschließende Aussage darüber, ob materiell-rechtlich eine Grundrechtsbetroffenheit des einzelnen Abgeordneten besteht, wenn es um die Offenlegung seiner Nebentätigkeiten und Einkünfte geht.109 Die Frage, ob Regelungen, die sich wie die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten am Abgeordneten als Statusinhaber orientieren, auch dessen grundrechtlich geschützten Status als Privaten tangieren, ließ das Bundesverfassungsgericht unbeantwortet.110 bb) Die Ansicht Meyers Soweit ersichtlich spricht sich einzig Meyer in seinem im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln erstatteten Gutachten gegen die Anwendbarkeit der Grundrechte der Abgeordneten als Prüfungsmaßstab für die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten aus. Meyer argumentiert in diesem Zusammenhang, der Abgeordnete könne sich als solcher nicht auf Grundrechte berufen, weil er in dieser Eigenschaft Teil eines Staatsorgans sei. Die Berufung auf Grundrechte stehe ihm nur offen, wenn ein Sachverhalt jenseits der Rechtssphäre seines Amtes in Frage steht. Bestehende Bindungen aus dem Amt des Abgeordneten einschließlich der Offenbarungspflichten nach den Verhaltensregeln seien daher nicht an den Grundrechten zu messen.111 Sie seien mandatsimmanent und berührten den Abgeordneten nicht als Privatperson sondern als Teil der Staatsorganisation.112 Dies bedeute nicht, dass der Gesetzgeber beliebige Regelungen erlassen dürfe; jedoch seien die Regelungsgrenzen nicht in Grundrechten, sondern in den staatsorganisationsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes zu suchen.113 Das
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BVerfGE 118, 277 (320). Vgl. hierzu auch Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (402). 110 Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (387); ähnlich offen auch in BVerfGE 99, 19 (29). 111 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 16. 112 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 17. 113 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 18 f. 109
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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Statusrecht begrenze insoweit den Schutzbereich der Grundrechte.114 Sofern der Gesetzgeber sich also an den zulässigen Rahmen des Rechts zur Ausgestaltung des Mandats halte, seien die Grundrechte nicht als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Dies sei eine Last, die der Abgeordnete zugunsten des Mandats zu tragen habe.115 Erst wenn dieser Rahmen überschritten werde, sei der Privatbereich des Abgeordneten tangiert und somit der Weg zu den Grundrechten offen.116 Eine solche Überschreitung durch die seinerzeit geplanten und nunmehr in Kraft getretenen Offenlegungspflichten konnte Meyer nicht feststellen. Der Gesetzgeber werde in zulässiger Weise statusregelnd tätig. cc) Weitere Aspekte und Stellungnahme Die Abgeordneten sind Repräsentanten des Volkes und bilden in ihrer Gesamtheit den Bundestag als eines der zentralen Verfassungsorgane. Soweit sie in ihrer Funktion als Mandatsträger tätig werden, stehen sie auf der Seite des Staates und sind daher nicht Grundrechtsträger.117 Allerdings geben Abgeordnete ihre Eigenschaft als Bürger und damit als Grundrechtsträger nicht gänzlich mit Übernahme des Mandats auf.118 Der Grundrechtsstatus der Person des Abgeordneten geht nicht vollständig im Status des Abgeordneten als Träger eines besonderen öffentlichen Amtes auf. Beide Status bestehen nebeneinander.119 Während viele Autoren sich auf dieser Feststellung ausruhen und sodann unmittelbar in die Grundrechtsprüfung übergehen,120 erkennt z. B. auch Schnapp, dass es sich damit nicht bewenden lässt. Erforderlich ist vielmehr noch eine Aussage darüber, zu welchem Statusbereich die zu klärende Sachfrage tatsächlich gehört. Wenn denn Grundrechts- und Abgeordnetenstatus nebeneinander bestehen, so muss geklärt werden, welcher Status betroffen ist, um die fraglichen Normen anhand der richtigen Prüfungsmaßstäbe zu prüfen. Allein dass es bei der Anzeige und Veröffentlichung von Tätigkeiten und Einkünften der Abgeordneten um Erhebung und Verarbeitung von Daten und damit um einen Sachverhalt 114 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 21. 115 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 32. 116 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 30. 117 Stern, Staatsrecht I, § 24 I 6, S. 1077. 118 Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (402). 119 Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537 (540). 120 Beispielsweise Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (474); Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 2; Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 102; Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 25.
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
geht, der bei „Normalbürgern“ das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung auf den Plan ruft, beantwortet die Statusfrage bei Abgeordneten nicht. Auch Schnapp befasst sich mit diesem Punkt, kommt allerdings zu einem nicht nachvollziehbaren Ergebnis: Bei der Veröffentlichung der Tätigkeiten und Einkünfte gehe es nicht um Organwalterrechte oder solche, die aus dem Abgeordnetenstatus fließen; denn die Nebentätigkeiten lägen außerhalb der parlamentarischen Betätigung und stünden somit „in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den Statusrechten“ eines Abgeordneten.121 Daher stehe dem Abgeordneten die Berufung auf Grundrechte und gerade nicht auf statusbegründende Vorschriften über das Abgeordnetenmandat offen. Dies sei mit der Situation der Beamten zu vergleichen. Soweit es um deren Amt gehe, sei den Beamten die Berufung auf Grundrechte schließlich auch verschlossen, während im Dienstverhältnis oder im privaten Bereich die Grundrechte wie bei jedem Bürger griffen.122 Die Aussage Schnapps, Nebentätigkeiten stünden in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den Statusrechten, lässt sich in dieser strikten Form nicht nachvollziehen. Die Interdependenzen von Abgeordnetenmandat und Nebentätigkeiten und -einkünften der Abgeordneten liegen auf der Hand. Insbesondere Fälle, in denen Abgeordnete private Nebenposten nur erhalten, eben weil sie als Parlamentarier im öffentlichen Leben stehen und daraus resultierend generelles Ansehen genießen und Einflussmöglichkeiten haben, zeigen dies deutlich. Die Interessenverknüpfung von Nebentätigkeit und Mandatstätigkeit sind natürliche Folge der Kumulation beider Tätigkeiten in einer Person. Das nach Art. 38 I 2 GG garantierte freie Mandat wirkt sich daher auch auf diesen Bereich der Nebentätigkeiten aus. Das Abgeordnetenmandat fordert nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts den ganzen Menschen. Daher lässt sich für statusrechtliche Fragen das Tätigkeitsspektrum eines Abgeordneten kaum in ausschließliche Mandatstätigkeit und in ausschließliche Nebentätigkeit aufteilen. Auch bei den Tätigkeiten, die außerhalb des Parlaments stattfinden, sind die Rechte und Pflichten aus dem Mandat zu respektieren, so dass auch bei ihrer Wahrnehmung statusrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Insbesondere müssen die Abgeordneten für die Wahrung ihrer Unabhängigkeit Sorge tragen. Hier einen Vergleich zum Beamtenrecht zu ziehen, ist bedenklich. Zwar bestehen auch dort zwei Statusverhältnisse nebeneinander – Beamten- und Grundrechtsstatus –, jedoch ist das besondere öffentliche Amt eines Abgeordneten vor allem in einem Punkt wesentlich anders als das des typischen Beamten: Der Beamte hat strikte Dienstzeiten und ist in eine Ämterhierarchie eingegliedert, innerhalb derer er weisungsunterlegen ist. Seine privaten Nebentätigkeiten lassen sich dadurch viel deutlicher herauskristallisieren und identifizieren. Bei einem typischen Beamten sind Pri121
Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (402); ders., Rechtsgutachterliche Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (§§ 24, 24a), LTag-NRW Zuschrift 13/4806, S. 4. 122 Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (402 Fn 12).
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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vat- und Dienstbereich eindeutig voneinander abgrenzbar. Anders verhält es sich hingegen bei Abgeordneten. Sie sind nach Art. 38 I 2 GG in der Ausübung ihres Mandats frei. Es obliegt allein ihnen zu entscheiden, in welcher Form, Intensität und Lokalität sie ihr Mandat ausüben. Auch die Art der Tätigkeiten, mit der sie ihr Mandat ausfüllen möchten, obliegt der eigenen Entscheidung des einzelnen Abgeordneten. Die Möglichkeiten sind hier deutlich vielfältiger. Ihr Aktionskreis beschränkt sich heute weniger denn je auf Plenar-, Ausschuss- oder Fraktionssitzungen.123 Das erschwert eine klare Abgrenzung der Mandatstätigkeit von privater Berufstätigkeit. Zwar bilden beide Tätigkeitsbereiche keine Einheit, so dass Nebentätigkeiten nicht als Mandatstätigkeiten anzusehen sind, jedoch sind die Übergänge fließender als im Beamtenrecht. Der Lebensbereich des Parlamentariers, der zum Abgeordnetenstatus gehört, muss daher weiter gezogen werden. Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte des Abgeordneten müssen als so eng mit dem Mandat verknüpft angesehen werden, dass sie dem Abgeordnetenstatus zuzurechnen sind. Die sie regelnden Vorschriften betreffen daher allein den Abgeordneten als Mandatsträger und nicht den Abgeordneten als Grundrechtsträger. Er kann daher nicht Grundrechte gegen die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten einwenden. Erst wenn sich Offenlegungspflichten auf solche Tätigkeiten und Einkünfte beziehen, die abstrakt gesehen keinerlei denkbaren Zusammenhang zum Mandat haben, ist die Grenze zum Grundrechtsstatus des Mandatsträgers überschritten. Dass dies bei den derzeit geltenden Regelungen der Fall sein könnte, ist nicht ersichtlich. Alle Anzeige- und Veröffentlichungstatbestände gründen auf hinreichend wahrscheinlichen Interessenverknüpfungen der Tätigkeiten und Einkünfte mit dem Mandat. Aus allen können für die Öffentlichkeit wichtige Informationen über den Mandatsträger, die Art und Weise seiner Mandatsausübung und mögliche Verflechtungen transparent werden, ohne dass dabei die Persönlichkeit des Abgeordneten total durchleuchtet würde. Sie stellen daher Ausgestaltungen des Abgeordnetenstatus dar, die nicht anhand der Grundrechte zu messen sind. Die Verneinung der Betroffenheit des Grundrechtsstatus bewirkt freilich nicht, dass die Offenlegung keine Grenzen erfährt. Diese Grenzen sind jedoch nicht in den Grundrechten zu suchen, sondern in den Grundsätzen des Mandats, aus denen sich auch ergeben kann, dass bestimmte zum Abgeordnetenstatus gehörende Lebensbereiche nicht der Öffentlichkeit preiszugeben sind. Maßgeblich hierfür sind jedoch von den Grundrechten losgelöste Maßstäbe, auf die an späterer Stelle noch zurückzukommen sein wird.124 Dass somit der nicht grundrechtsgeschützte Lebensbereich für Abgeordnete im Hinblick auf ihre Tätigkeiten und Einkünfte größer ist als für andere Bürger und Amtsträger, rechtfertigt sich zum einen aus den Besonderheiten des freiwillig übernommenen Mandats und wird zum anderen durch die Freiheiten, die das Mandat auf der anderen Seite bietet, und im Übrigen auch durch die Abgeordnetenentschädigung kompensiert. 123 124
Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 98. Siehe hierzu unten D. II. 3. b).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
b) Staatsorganisationsrechtliche Normen Da die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten nicht den Grundrechtsstatus des Abgeordneten betreffen, kommt es für die verfassungsrechtliche Prüfung wesentlich auf die den Abgeordnetenstatus prägenden staatsorganisationsrechtlichen Normen des Grundgesetzes an. Den Anzeige- und Veröffentlichungspflichten entgegenstehen könnten insbesondere die Grundsätze des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG, das Behinderungsverbot nach Art. 48 II 1 GG und der Repräsentationsgedanke des Grundgesetzes. aa) Das freie Mandat nach Art. 38 I 2 GG Art. 38 I 2 GG kann unter verschiedenen Blickwinkeln durch die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten und die Normen über das Sanktionsverfahren betroffen sein. (1) Einbeziehung grundrechtlicher Aspekte als Maßstab des Art. 38 I 2 GG? In seinem Urteil vom 04. 07. 2007 nutzte das Bundesverfassungsgericht Art. 38 I 2 GG, um grundrechtliche Aspekte zum Gegenstand der Verfassungsmäßigkeitsprüfung der Offenlegungspflichten zu machen.125 Die das bundesverfassungsgerichtliche Urteil tragenden vier Richter griffen auf Art. 38 I 2 GG zurück, um die Individualinteressen des einzelnen Abgeordneten, insbesondere im Hinblick auf seine Privatsphäre, als Prüfungsmaßstab einzubeziehen. Sie argumentierten, Art. 38 I 2 GG fordere, bei der Ausgestaltung der Abgeordnetenpflichten nach Art. 38 III GG die berechtigten Interessen des Abgeordneten als Privatperson angemessen zu berücksichtigen. Die beiden in der Person des Abgeordneten zusammentreffenden Sphären – als Mandatsträger und als Privatperson – ließen sich nicht strikt trennen.126 Der Doppelstatus erfordere daher, dass dem Hineinwirken der Offenlegungspflichten in den persönlichen Lebensbereich des Abgeordneten dadurch Rechnung getragen werde, dass persönliche Belange des Abgeordneten in die verfassungsrechtlichen Wertungen eingestellt werden müssten. Art. 38 I 2 GG gewährleiste insoweit auch die Berücksichtung von Individualinteressen im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung.127 Noch deutlicher formulierten es die dissentierenden vier Richter, die ausdrücklich die Bedeutung grundrechtlicher Aspekte für die Gewährleistung des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG hervorhoben.128 Sie stellten als wesentliche grundrechtliche Gewährleistung in erster Linie auf die Berufsfreiheit ab. Die Ausübung eines Berufs neben dem Mandat ermögliche die politische Unabhängigkeit des Abgeordneten. Jeder
125
Zustimmend Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (26). 126 BVerfGE 118, 277 (354). 127 BVerfGE 118, 277 (355). 128 BVerfGE 118, 277 (377 f.).
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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staatliche Eingriff in die nebenmandatliche Ausübung eines Berufs durch den Abgeordneten stelle daher zugleich einen Eingriff in die Freiheit des Mandats selbst dar.129 Die Einbeziehung der Grundrechte als Prüfungsmaßstab des Art. 38 I 2 GG ist problematisch. Die nach Art. 38 I 2 GG gewährleisteten Freiheiten betreffen den Abgeordneten allein in seiner Eigenschaft als Mandatsträger. Die Grundrechtsphäre ist hiervon streng zu unterscheiden. Wie oben bereits festgestellt, sind die Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte eines Abgeordneten anhand seines maßgeblich nach Art. 38 I 2 GG zu bestimmenden Abgeordnetenstatus zu beurteilen und betreffen gerade nicht die daneben stehende Grundrechtssphäre. Die Grenzen der Offenlegungspflichten der Abgeordneten hinsichtlich ihrer Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte müssen daher im staatsorganisationsrechtlichen und statusregelnden Gehalt des Art. 38 I 2 GG gesucht werden. (2) Freiheit und Unabhängigkeit der Mandatsführung Der Abgeordnete ist nach Art. 38 I 2 GG in seinen Entscheidungen und der Art und Weise seiner Mandatsführung frei. Diese Freiheit bedeutet jedoch keine völlige Freiheit des Abgeordneten von Pflichten aus dem Mandat. Sie entbindet den Abgeordneten insbesondere nicht von der notwendigen demokratischen Rückkopplung seiner Mandatsausübung an das Volk. Diese Rückkopplung erfolgt nicht etwa im Sinne eines imperativen Mandats durch Aufträge und Weisungen aus dem Wahlkreis, sondern durch die regelmäßigen Wahlen. Diesen Wahlen kann indes nur dann eine wirklich legitimierende Wirkung zukommen, wenn sich der Wähler vor und nach der Wahl über die Tätigkeiten des Abgeordneten hinreichend informieren kann. Dieses Informationsbedürfnis erstreckt sich auch auf Informationen über Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte des Abgeordneten, die einen Bezug zur Mandatstätigkeit aufweisen können. Zusätzliches Element der Rückkopplung an den Willen des Volkes ist sicherlich auch die Verwurzelung des einzelnen Abgeordneten in der gesellschaftlichen Sphäre.130 Privatwirtschaftliche Nebentätigkeiten des Abgeordneten können den Grad dieser Verwurzelung erhöhen,131 bilden jedoch zum einen neben Herkunft, familiären und freundschaftlichen Bindungen und der Wahlkreisarbeit nicht deren wesentlichsten Anteil. Zum anderen folgt aus den positiven Auswirkungen der Nebentätigkeiten auf die Gesellschaftsnähe des Abgeordneten nicht, dass diese gegenüber dem großen Kreis der Wahlöffentlichkeit nicht transparent gemacht werden sollten. Vielmehr muss gerade auch diese Art der Verwurzelung des Abgeordneten erkannt werden können. Auf die nach Art. 38 I 2 GG garantierten Entscheidungsfreiheiten wirken sich die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten nicht beschränkend aus. Der Abgeordnete 129
BVerfGE 118, 277 (378). Dies betonen insbesondere die dissentierenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 118, 277 (379). 131 Vgl. Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25). 130
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
bleibt in seinen Sachentscheidungen und auch in Hinblick auf die Art und Weise seiner Mandatsausübung frei.132 Die Pflichten bewirken keine unzulässige Determinierung des Abgeordnetenverhaltens. Zwar ist es denkbar, dass Abgeordnete wegen der Veröffentlichungspflichten von bestimmten Nebentätigkeiten Abstand nehmen, weil sich diese gegenüber der Öffentlichkeit schwerer rechtfertigen lassen. Davon können selbst solche Tätigkeiten betroffen sein, die keinerlei mandatswidrige Einflussnahme erwarten lassen. Ein solches Abstandnehmen scheint jedoch nur auf den ersten Blick die statusrechtliche Freiheit des Abgeordneten gemäß Art. 38 I 2 GG dahingehend zu begrenzen, dass er nicht mehr frei über Art und Umfang seiner Mandatstätigkeit und seine daneben geführten außerparlamentarischen Tätigkeiten entscheiden kann, sondern durch die Veröffentlichungspflichten gelenkt wird. Eine eingehende Betrachtung zeigt indes, dass eine solche Verhaltensänderung nur mittelbar auf den Veröffentlichungspflichten beruht. In erster Linie ist sie Ausdruck der Furcht des Abgeordneten vor politischen Folgen. Art. 38 I 2 GG schützt die Mandatsträger aber gerade nicht vor politischen Sanktionen.133 Das Volk realisiert durch die Wahlen die Verantwortlichkeit des Abgeordneten. Hierbei ist es natürlich, dass der Wähler das parlamentarische und außerparlamentarische Verhalten des Abgeordneten politisch bewertet. Die Möglichkeit des Wählers, den staatlichen Machtträgern durch Verweigerung der Wiederwahl gegenüber zu treten, um auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren, ist ein „funktionsnotwendiges Instrumentarium der repräsentativen Demokratie“134. Ein Bedürfnis des Abgeordneten, wegen der Veröffentlichung seiner Nebentätigkeiten und -einkünfte diese einzuschränken, ist daher kein die Freiheit aus Art. 38 I 2 GG beeinträchtigender Zwang, sondern beruht allein auf politischen Erwägungen, vor denen Art. 38 I 2 GG nicht schützt. Ebenso wenig bedeuten die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten eine nach Art. 38 I 2 GG problematische Einbeziehung des Abgeordneten in eine Ämterhierarchie nach beamtenrechtlichem Vorbild.135 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in § 44a IVAbgG iVm § 8 VerhR enthaltenen Sanktionsmöglichkeiten. Abgeordnetenpflichten, denen Art. 38 I 2 GG grundsätzlich nicht entgegensteht, können und müssen eine rechtliche Grundlage haben und im Bedarfsfall durchsetzbar sein. Es würde der Funktionsfähigkeit des Parlaments und dem Prinzip der Gleichbehandlung der Abgeordneten zuwiderlaufen, wenn die Offenlegungspflichten mangels rechtlicher Sanktionen nicht effektiv durchgesetzt werden könnten.136 Die Durchsetzbarkeit der Pflichten gewährleistet erst deren Effektivität im Hinblick auf ihren Zweck, einen fairen und transparenten Willensbildungsprozess zu ermöglichen. Der Umstand, dass 132 Roll, Verhaltensregeln, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 22 S. 616. 133 Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 4. 134 Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 4. 135 So dagegen anklingend im Sondervotum nach BVerfGE 118, 277 (379 f.). 136 BVerfGE 118, 277 (374 f.).
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die Kontrolle der Pflichtenerfüllung und das Sanktionsverfahren in die Hände des Bundestagspräsidenten und des Präsidiums gelegt wurden, bewirkt keine dem freien Mandat nach Art. 38 I 2 GG fremde Eingliederung in eine Ämterhierarchie. Überwacht wird lediglich die technische Erfüllung der Pflichten zur Offenlegung. Allein die Verletzung dieser formalen Pflichten kann Gegenstand des Sanktionsverfahrens sein. Eine inhaltliche Überprüfung und Bewertung der angezeigten Tätigkeiten und Einkünfte – etwa in Form einer Genehmigungspflichtigkeit – findet, anders als in einer wirklichen Ämterhierarchie, nicht statt. Diesbezüglich unterliegt der Abgeordnete nach wie vor allein der politischen Rechtfertigung. Der Grundsatz des freien Mandats enthält darüber hinaus ein Unabhängigkeitspostulat. Dieses sehen die dissentierenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts als gefährdet an. Jede Beschränkung und Regulierung einer beruflichen Tätigkeit neben dem Mandat verringere die politische Unabhängigkeit des Abgeordneten.137 Eine möglichst weitgehende Freiheit des Abgeordneten neben dem Mandat erhalte die Standfestigkeit der eigenen Meinung des Abgeordneten gegenüber parteipolitischen Vorgaben. Sie sei daher wesentlicher Bestandteil der Freiheit des Mandats selbst.138 Dieser Art der Unabhängigkeit von parteipolitischen Zwängen steht jedoch die Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Einflüssen und anderen mandatswidrigen Interessenverknüpfungen gegenüber, deren Vermeidung und Offenbarung die Anzeigeund Veröffentlichungspflichten bezwecken.139 Beide Arten der Unabhängigkeit des Abgeordneten können durch keine denkbare Regelung hundertprozentig garantiert werden. Beide Formen der Unabhängigkeit müssen jedoch miteinander in Ausgleich gebracht werden, wobei dem Gesetzgeber die Einschätzung obliegt, welche Unabhängigkeit stärker gefährdet wird. Die derzeitigen Anzeige- und Veröffentlichungspflichten zeigen, dass der Gesetz- und Geschäftsordnungsgeber dem Schutz der Unabhängigkeit des Mandats vor wirtschaftlichen Interessenverknüpfungen und Abhängigkeiten inzwischen eine höhere Bedeutung zumisst, als dies bisher der Fall war. Hierbei lässt er nicht etwa das nötige Mindestmaß an Unabhängigkeit des Abgeordneten von parteipolitischen Zwängen außer Acht, sondern geht zu Recht davon aus, dass keine bedeutende Einbuße dieser Art der Unabhängigkeit durch die Offenlegungsvorschriften zu befürchten ist. Soweit in tatsächlicher Hinsicht die Vorschriften eine engere Bindung des Abgeordneten an Partei und Fraktion bewirken, fällt dies nicht so stark ins Gewicht, als dass diese Folge nicht durch das Ziel der Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen auf die parlamentarische Willensbildung und der Schaf137 BVerfGE 118, 277 (377 ff.); ähnlich Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (261); Schneider, in: AK, GG, Art. 38 Rn 38. 138 BVerfGE 118, 277 (378). 139 Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46; Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (473).
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fung demokratischer Transparenz in diesem Bereich gerechtfertigt ist. Im Übrigen kann auch dahingehend argumentiert werden, dass die Bindung eines Abgeordneten an Partei und Fraktion durchaus in Art. 21 GG eine verfassungsrechtliche Grundlage hat. Die parteipolitischen Verflechtungen sind darüber hinaus dem Wähler bekannt und bilden zu einem gewissen Maße auch die Grundlage seiner Wahlentscheidung, da dieser sich oft an den Parteien und ihren Programmen orientiert.140 Es spricht daher nichts dagegen, andere Arten der Verflechtungen und Abhängigkeiten, namentlich solche, die zu privatwirtschaftlichen Mächten bestehen, ebenso der Öffentlichkeit zuzuführen. (3) Öffentlichkeit als Beeinträchtigung der Mandatsfreiheit? Teilweise wird eine Beeinträchtigung des freien Mandats durch die Transparenzregelungen darin gesehen, dass Abgeordnete mit hohen veröffentlichten Einkommen öffentlich angeprangert würden. Einer solchen Anprangerung könne man im politischen Raum kaum effektiv begegnen. Die Angst vor einer solchen und der öffentliche Druck führten dazu, dass Abgeordnete ihre Tätigkeiten reduzierten. Dies sei ein Eingriff in das freie Mandat.141 Aus den Offenlegungspflichten resultiere eine Verhaltensänderung, die nicht auf einem freien Willensentschluss des einzelnen Abgeordneten beruhe.142 Bei dieser Argumentation wird übersehen, dass die regelmäßige systematisierte Offenlegungspflicht, die alle Abgeordnete gleichermaßen trifft, durchaus auch die öffentliche Prangerwirkung auf den Einzelnen verringern kann. Zuvor wurden lukrative Nebentätigkeiten von Abgeordneten stets von Seiten der Presse aufgedeckt. Das vorherige Nichtwissen der Öffentlichkeit um diese Tätigkeiten hat den Grad der Skandalisierung dieser Umstände deutlich erhöht. Die regelmäßige systematisierte Offenlegung der Tätigkeiten nimmt ihnen die Brisanz. Es ist daher nicht zu erwarten, dass jede gewinnbringende Tätigkeit des Abgeordneten, die im Übrigen keinen Bezug zum Mandat erkennen lässt, öffentlich angeprangert wird, sondern dass zuvorderst die wirklich problematischen Fälle der Interessenverflechtung in der öffentlichen Auseinandersetzung aufgegriffen werden. Darüber hinaus muss noch der Frage nachgegangen werden, ob Öffentlichkeit nicht nur legitimes Ziel der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten ist, sondern umgekehrt auch Art. 38 I 2 GG beeinträchtigen kann. Häberle hat zu Recht die Öffentlichkeit neben Freiheit und Gleichheit als wesentliches Merkmal des Abgeordnetenstatus beschrieben.143 Der Öffentlichkeitsaspekt bedeute jedoch keine die private Seite und Freiheit absorbierende totale Veröffentlichung der Abgeordnetenpersön140
Zivier, Der gläserne Abgeordnete, RuP 2005, 152 (159 Fn 28). Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (26). 142 So auch die dissentierenden Richter in BVerfGE 118, 277 (381). 143 Wegweisend Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537 (539 ff.). 141
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lichkeit. Diese gefährde die Unabhängigkeit des Abgeordneten. Erst die Möglichkeit des Rückzugs auf die privaten Schutzzonen versetze den Abgeordneten in die Lage, sein öffentliches Mandat gewissenhaft zu erfüllen.144 Dieser Ansicht ist dem Grunde nach zuzustimmen. Eine gewisse Abschirmung des Privatlebens des Abgeordneten ist für die von Art. 38 I 2 GG geforderte Unabhängigkeit unerlässlich.145 Dass die geltenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten in diesen abzuschirmenden privaten Bereich einwirken, kann indes nicht angenommen werden. Sie betreffen bei weitem nicht die gesamte Persönlichkeit des Abgeordneten, sondern beziehen sich ausschließlich auf Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte, bei denen die – zumindest abstrakte, aber hinreichende – Wahrscheinlichkeit eines Bezuges zur Mandatstätigkeit besteht. Bei diesen Tätigkeiten und Einkünften ist die Beziehung zum Mandat so eng, dass sie dem Abgeordnetenstatus zuzurechnen sind und daher einer erhöhten Öffentlichkeit unterliegen. Eine unabhängigkeitsgefährdende Ausleuchtung der Abgeordnetenpersönlichkeit erfolgt nicht. Vielmehr dienen die Offenlegungspflichten der nach Art. 38 III GG dem Gesetzgeber obliegenden Konkretisierung des Öffentlichkeitsstatus der Mandatsträger als Teil des Abgeordnetenstatus.146 bb) Gleichheit der Abgeordneten Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten beeinträchtigen nicht die dem Abgeordnetenstatus immanente Gleichheit der Abgeordneten.147 Die Erfüllung der Pflichten mag zwar einige Abgeordnete stärker belasten als andere. Insbesondere für Selbstständige ist der notwendige Aufwand höher, da sie die einzelnen Vertragsarten und -partner zu benennen haben, während angestellte Abgeordnete sich auf die Angabe ihres einen Arbeitsverhältnisses beschränken können. Die grundgesetzliche Gleichheit der Abgeordneten bedeutet aber eine formalisierte Gleichheit. Rechte und Pflichten aus dem Abgeordnetenstatus müssen alle Abgeordneten formal gleich treffen. Die Offenlegungspflichten richten sich an alle Bundestagsabgeordnete in formal gleicher Weise. Eine Differenzierung zwischen einzelnen Abgeordnetenarten findet nicht statt.148 Lediglich im Hinblick auf einige Arten von Nebentätigkeiten, namentlich solchen, die mit einem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht oder anderen Verschwiegenheitspflichten einhergehen, ermöglicht § 1 V VerhR eine andere Form der Anzeige. Diese unterschiedliche Anzeigeform beruht auf der sachlichen Er144 Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537 (540). 145 So auch Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (261 f.). 146 Ähnlich Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 1. 147 Zur verfassungsrechtlichen Herleitung der Gleichheit der Abgeordneten vgl. Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktionen, S. 134 ff. 148 Hierzu auch Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 5.
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wägung, dass bestimmte – durch die Offenlegungspflichten mittelbar betroffene – Dritte schutzbedürftig sind.149 Die formal für alle Abgeordnete gleichermaßen geltenden Pflichten werden dadurch nicht relativiert. Dass bestimmte Abgeordnetenpflichten rein faktisch einige Abgeordnete stärker betreffen, bedeutet keine Beeinträchtigung des Gleichheitsgrundsatzes unter Mandatsträgern. Eine normative Differenzierung zwischen den Abgeordneten zur Reduzierung der faktischen Erschwernisse für einige Mandatsträger würde im Gegenteil der formalisierten Gleichheit zuwiderlaufen. cc) Die Repräsentationsfähigkeit des Bundestages Nach Art. 38 I 2 GG repräsentieren die Abgeordneten in ihrer Gesamtheit das Volk. „Repräsentation bedeutet, dass das Parlament das Volk vergegenwärtigt, indem es durch seine in periodischen Volkswahlen und in ständigem Bürgerkontakt legitimierten Abgeordneten für das Volk handelt.“150 Dieses Prinzip könnte gefährdet sein, wenn weitreichende Offenlegungspflichten – wie von vielen behauptet151 – einen faktischen Ausschluss bestimmter Berufsgruppen vom parlamentarischen Mandat bedeuten würden. Der Bundestag, als einziges unmittelbar personell legitimiertes Verfassungsorgan sollte sich so zusammensetzen, dass sich möglichst vielfältig die Strebungen und Richtungen der Repräsentierten wiederfinden.152 Zwar muss das Parlament kein exaktes „Spiegelbild der Gesellschaft“ darstellen, jedoch muss die Repräsentation in dem Sinne gewährleistet sein, dass das Volk unbeeinflusst durch staatlich gesteuerte Kriterien die pluralistische Auswahl der Volksvertreter bewirken 149 Herbertz bezeichnet die abweichende Anzeige gar als Selbstverständlichkeit, vgl. Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 97. 150 Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (271); vgl. auch Hofmann/Dreier, Repräsentation, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, in: Schneider/ Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 23 S. 176; zu grundlegenden Ausführungen zum Repräsentationsprinzip und dessen aktuelle Bedeutung siehe Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, Stuttgart 1991; Schmitt Glaeser, Das Ansehen des Politikers als Problem des parlamentarischen Regierungssystems, ZRP 2000, 95 (96 ff.); Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktionen, S. 72 ff.; Röhrich, Im Umgang mit der Macht: Das Prinzip der Repräsentation, in: FS von Arnim, S. 639 ff.; kritisch zur Verwendung des Begriffs der Repräsentation als Rechtsbegriff des Parlamentarismus Henke, Das demokratische Amt der Parlamentsmitglieder, DVBl. 1973, 553 (557 f.). 151 So z. B. jüngst Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (271); Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (258); Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (403); ders., Rechtsgutachterliche Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (§§ 24, 24a), LTag-NRW Zuschrift 13/4806, S. 4.; Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (26); vgl. auch schon die Ausführungen der sog. Kissel-Kommission, BT-Drs. 12/5020, S. 20. 152 Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 29.
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kann.153 Jedenfalls darf nicht eine bestimmte Berufs- oder sonstige Bevölkerungsgruppe gänzlich vom Mandat ausgeschlossen sein. Nur dies ermöglicht die für die demokratische Repräsentation essentielle Identifikation des Volkes mit den Repräsentierenden.154 Würden die Offenlegungspflichten einen faktischen Ausschluss mancher Berufsgruppen vom Mandat bedeuten, so würde vor allem der ohnehin schon hohe Anteil der Beamten unter den Abgeordneten weiter steigen – so die verbreitete Befürchtung. Eine solche, angeblich vorprogrammierte Unterrepräsentation mancher Berufsgruppen auf der einen und die entsprechende Überrepräsentation vor allem von Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf der anderen Seite könnte dem Repräsentationsprinzip des Grundgesetzes insofern zuwiderlaufen, als dass sich das zentrale Repräsentationsorgan Bundestag nicht bloß aus Abgeordneten aus einigen wenigen Berufs- und Bevölkerungsgruppen zusammensetzen darf.155 Ob tatsächlich eine Beeinträchtigung des Repräsentationsprinzips gesehen werden kann, hängt von der Intensität der jeweiligen Regelung und der Frage ab, ob diese Intensität ausreicht, um faktisch eine Verfälschung der Repräsentation des Volkes im Bundestag zu bewirken. Dabei müssen die hier diskutierten Anzeige- und Veröffentlichungspflichten von den – an späterer Stelle noch eingehender zu erörternden156 – wirtschaftlichen Inkompatibilitäten unterschieden werden. Letztere wirken viel stärker, da sie – je nach Ausprägung – bestimmte Tätigkeiten oder aber die Berufstätigkeit des Abgeordneten neben dem Mandat gänzlich ausschließen. Die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten verlangen dagegen nur Offenlegung der Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat. Sie dürften daher eine wesentlich schwächere Wirkung auf die Entscheidung eines Wahlbewerbers über Kandidatur und Mandatsannahme haben und damit auch einen weit weniger starken Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestages. Die Ansicht Waldhoffs, ein durch Veröffentlichungspflichten entstehender „gläserner Abgeordneter“ würde einer wirtschaftlichen Inkompatibilität nahe kommen,157 überzeugt in zwei Punkten nicht. Zum einen hinkt bereits das Bild eines „gläsernen Abgeordneten“ bei den derzeitig geltenden Offenlegungspflichten der Realität hinterher. Zu Recht bezeichnet van Aaaken die vor den jüngsten Neuregelungen be153 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (259). 154 Zur notwendigen Identifikation siehe Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 79 f. 155 Vgl. Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 30. 156 Vgl. hierzu unten D. VII. 157 Waldhoff, Das missverstandene Mandat: Verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Normierung der erweiterten Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ZParl 37 (2006), 251 (259); ders., Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 18.
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
stehende Gesetzeslage anschaulich als keinesfalls gläsern, sondern eher als befände „sich der deutsche Abgeordnete hinter dickem Milchglas“.158 Zwar haben vor allem die Veröffentlichungspflichten durch die seit der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages geltenden Neuregelungen eine deutliche Erweiterung – insbesondere im Hinblick auf die Veröffentlichung des Einkommens – erfahren, jedoch sind auch diese nach wie vor nicht so weitgehend, als dass von einer totalen Durchleuchtung des Abgeordneten gesprochen werden kann.159 Zum einen geschieht die Veröffentlichung in Einkommensstufen, zum anderen ist bereits zu bezweifeln, dass das Bekanntwerden von Einkünften den Abgeordneten bereits „vergläsert“. Er muss weder seine gesamte finanzielle Lage offenbaren noch andere Dinge des Privatlebens preisgeben. Als zweiter Punkt ist auch die nahegelegte Bewertung von Veröffentlichungspflichten als in tatsächlicher Hinsicht wirkende wirtschaftliche Inkompatibilität eine nicht überzeugende Sichtweise. Dass bestimmte Berufsgruppen allein wegen der Veröffentlichungspflichten von einer Kandidatur zum Bundestag abgehalten würden, ist alles andere als eine gesicherte Erkenntnis.160 Die dahingehenden Befürchtungen können auch nicht überzeugen. Die Bedenkenträger ziehen in diesem Zusammenhang gerne als Beispiel freiberuflich Tätige heran, die bei ihren Tätigkeiten einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht unterliegen.161 Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern etc. und ihren Patienten bzw. Mandanten sei durch die Pflicht zur Einkommensveröffentlichung derart beeinträchtigt, dass diese Berufsgruppen sich zwischen Mandat und Beruf entscheiden müssten. Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick durchaus logisch, bleibt jedoch an der Oberfläche. Zum einen übersieht sie, dass durch eine problembewusste Ausgestaltung der Veröffentlichungspflichten ein angemessener Schutz der Belange der Berufsgeheimnisträger erreicht werden kann. Dementsprechend sehen auch die geltenden Verhaltensregeln nach § 1 V VerhR vor, dass die Anzeigepflicht – und damit auch die Veröffentlichungspflicht – nicht die Mitteilung solcher Tatsachen über Dritte umfasst, hinsichtlich derer der Abgeordnete ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend machen kann. Konkretisiert durch die Ausführungsbestimmungen des Bundestagspräsidenten ist dadurch hinreichend gesichert, dass die Abgeordneten als Geheimnisträger keine vertraulichen Drittdaten preisgeben müssen. 158 van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 65 (2005), 407 (439). 159 BVerfGE 118, 277 (360 f.). 160 Ebenso zweifelnd BVerfGE 118, 277 (361); van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 65 (2005), 407 (440); Janz/ Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (392). 161 Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (404); Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (272).
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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Zum anderen ist eine gewisse Beeinträchtigung einiger Berufsgruppen, wenn man sie denn annehmen möchte, durchaus anhand der Verfassungsgüter zu rechtfertigen, deren Schutz die Veröffentlichungspflichten dienen.162 Gerade bei den beratenden freien Berufen ist die Gefahr, dass durch Beratungsverträge mit Interessenvertretern mandatsfremder Einfluss von außen auf die parlamentarische Willensbildung genommen wird, besonders greifbar. Gerade hier ist Transparenz von besonderer Bedeutung. Sollten sich zudem aufgrund der Veröffentlichungspflichten tatsächlich einige gezwungen sehen, sich zwischen dem Mandat und ihrer Nebentätigkeit entscheiden zu müssen, so handelt es sich dabei nicht um einen dem Parlamentsrecht fremden Vorgang. Die konsequente Ausübung des Mandats führt ohnehin bereits dazu, dass sich die meisten zwischen ihrem eigentlichen Beruf und dem Mandat entscheiden müssen. Zahlreiche Berufe lassen sich aus zeitlichen Gründen überhaupt nicht mit der Abgeordnetentätigkeit in Einklang bringen.163 Für Freiberufler ist es dagegen durchaus einfacher, überhaupt einer Nebentätigkeit nachzugehen, da ihre Tätigkeiten von Natur aus in Ort und Zeit flexibler gestaltet werden können. Insbesondere aber müssen sich auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus gewaltenteilungsrechtlichen Gründen im klassischen Sinne nach Art. 137 I GG iVm §§ 5 ff. AbgG zwischen ihrem Beruf als Beamte und der Übernahme des Mandats entscheiden. Für sie besteht keine Möglichkeit, ihre vormandatliche Tätigkeit fortzuführen, und dennoch ist diese Berufsgruppe im Deutschen Bundestag keineswegs unterrepräsentiert. Auch der verbreitete Einwand, die Veröffentlichung könne konkurrierenden Betrieben Einblicke in die geschäftlichen Vorgänge und die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens ermöglichen164 und daher generell Unternehmer und Betriebsinhaber an der Übernahme des Mandats hindern,165 ist in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht in Frage zu stellen. Die Nachteile, die ein Unternehmer hierdurch eventuell erleiden könnte, werden zudem durch die Vorteile, die das Mandat aufgrund seiner gesellschaftlichen Bedeutung und des damit verbundenen Ansehens mit sich bringt, aufgewogen.166 Im Übrigen bietet auch hier die konkrete Ausgestaltung der Pflichten hinreichenden Schutz. Die Veröffentlichungsform in Einkommensstufen hat abstrahierende Wirkung, so dass kaum Rückschlüsse auf konkrete unternehmerische Vorgänge möglich sein dürften.167 162 Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (392). 163 Man denke hier zum Beispiel an einen Klinikarzt, einen Bäcker oder einen Geschäftsführer eines Unternehmens oder auch nur eines Einzelhandelsgeschäftes. 164 Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (272). 165 Schnapp, Darf es von Rechts wegen den „gläsernen Abgeordneten“ geben?, NWVBl. 2006, 401 (404). 166 Anklingend auch bei BVerfGE 118, 277 (361). 167 Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (391).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
Nach alledem führt es zu weit, die Pflicht zur Veröffentlichung von Tätigkeiten und Einkünften in einem Atemzug mit wirtschaftlicher Inkompatibilität zu nennen. Nicht belegen lässt sich ebenso eine deutliche – auf den Anzeige- und Veröffentlichungspflichten beruhende – Verschiebung der Repräsentation im Bundestag zulasten bestimmter Berufsgruppen. Ob selbst bei wirklichen Inkompatibilitäten das Repräsentationsprinzip beeinträchtigt wäre, bleibt zu erörtern.168 Aber auch wenn tatsächlich eine Verschiebung der Zusammensetzung des Bundestages aufgrund der Offenlegungspflichten festzustellen wäre, ist diese durch das Ziel der Pflichten, Transparenz und Unabhängigkeit des parlamentarischen Willensbildungsprozesses zu gewährleisten, gerechtfertigt. Die Repräsentation als Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips lässt sich schließlich auch für die Offenlegungspflichten anführen. Die Repräsentation des Volkes durch die Abgeordneten in ihrer Gesamtheit erfordert eine hinreichende legitimierende Verbindung zwischen Repräsentanten und Repräsentierten. Diese setzt voraus, dass sich die Repräsentierten über die Repräsentanten, ihre Ansichten und auch ihre Interessenverflechtungen und mögliche Abhängigkeiten informieren können. Den derzeit geltenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten steht das Repräsentationsprinzip nach alledem nicht entgegen; vielmehr sind sie unter anderem durch das Repräsentationsprinzip gerechtfertigt. dd) Das Behinderungsverbot nach Art. 48 II 1 GG In Betracht gezogen werden muss darüber hinaus eine Beeinträchtigung des Behinderungsverbotes aus Art. 48 II 1 GG, nach dem niemand daran gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben.169 Die Vorschrift bietet einen Abwehranspruch gegenüber privaten Dritten und der öffentlichen Gewalt170 zum Schutz des Abgeordneten und des passiven Wahlrechts vor mandatsbedingten Beeinträchtigungen in der beruflich-wirtschaftlichen Sphäre.171 Sie könnte insofern betroffen sein, als dass die Pflicht zur Offenlegung von konkreten Tätigkeiten und Einkünften insbesondere von Abgeordneten, die neben dem Mandat einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen,172 als unangenehm empfunden werden kann 168
Vgl. hierzu die Erörterung unten D. VII. 2. a) dd). Vgl. auch die entsprechende – aber zum Teil darüber hinausgehende – einfachgesetzliche Regelung des § 2 AbgG; dazu BT-Drs. 7/5531, S. 13; anschauliche Ausführungen zum geschichtlichen Hintergrund der Norm finden sich bei Feuchte, Zur Geschichte und Auslegung des Behinderungsverbots in Art. 48 Abs. 2 des Grundgesetzes, AÖR 111 (1986), 325 (326 ff.). 170 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 48 Rn 14; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48 Rn 7; zum Kreis der Anspruchsberechtigten siehe Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 48 Rn 27. 171 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 87; Medding, Das Verbot der Abgeordnetenbehinderung nach Art. 48 Abs. 2 GG, DÖV 1991, 494 (494); zu weiteren Normzwecken siehe Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 102 f. 172 Entgegen BGHZ 94, 248 (250 ff.), Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 52 und Medding, Das Verbot der Abgeordnetenbehinderung 169
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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bzw. wird. So wurden zum Teil Befürchtungen geäußert, die Offenlegung von Einkünften bedeute enorme Nachteile des Offenlegungspflichtigen gegenüber seinen privatwirtschaftlichen Konkurrenten.173 Daher würde eine erhebliche Benachteiligung insbesondere selbstständiger und freiberuflicher Mandatsträger bestehen, die sogar das Ausmaß eines faktischen Hindernisses für diese Berufsgruppen annehmen könne, das Mandat überhaupt zu übernehmen bzw. es frei auszuüben. Dennoch wird eine Beeinträchtigung des Behinderungsverbotes zu Recht überwiegend abgelehnt. Zum einen ist die aufgestellte Prämisse, die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten würden rechtstatsächlich Freiberufler und andere Selbstständige von der Mandatsübernahme abhalten, – wie soeben bereits festgestellt – keine gesicherte Erkenntnis. Zum anderen ist auch in rechtlicher Hinsicht kein Verstoß gegen Art. 48 II 1 GG zu verzeichnen. Teilweise wird mit der restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts argumentiert, eine Behinderung iSd Art. 48 II 1 GG sei nur in solchen Maßnahmen zu sehen, die unmittelbar darauf abzielten, die Übernahme oder Ausübung des Mandats zu erschweren.174 Geschützt seien die Mandatsträger/-bewerber daher nur vor intentionalen Beeinträchtigungen175 und gerade nicht vor Nebenwirkungen einer in eine andere Richtung zielenden Regelung, die lediglich als nachteilig empfunden werden176 oder unvermeidlicherweise die tatsächliche Folge dieser Regelung sind.177 Diese enge Auslegung lässt sich mit dem Wandel des Abgeordnetenmandats zu einer Vollbeschäftigung mit Vollalimentation aus der Staatskasse begründen.178 Dadurch sei der Abgeordnete bereits insgesamt unabhängiger und vor allem gegenüber mandatsbedingten Einschränkungen im beruflichen Bereich weniger empfindlich.179 Die vergleichsweise hohen Abgeordnetendiäten kompensierten gewisse mandatsbedingte berufliche oder wirtschaftliche Nachteinach Art. 48 Abs. 2 GG, DÖV 1991, 494 (494) beschränkt sich der Schutz des Art. 48 II 1 GG nicht auf abhängig Beschäftigte, sondern erfasst gleichsam schützend selbstständig Tätige, vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 80; Kühne, Kündigung freiberuflich beschäftigter Mandatsbewerber, ZParl 17 (1986), 347 (349 ff., 359); Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 108. 173 Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 34; vgl. auch die Ausführungen der sog. Kissel-Kommission, BT-Drs. 12/5020, S. 20. 174 BVerfGE 42, 312 (329); vgl. die Anmerkung von Henkel zu diesem Beschluss des BVerfGs in DÖV 1977, 57 ff.; der Entscheidung folgend u. a. BVerwGE 76, 157 (170); 86, 211 (216); BGHZ 94, 248 (251); dagegen noch BGHZ 43, 384 (387). 175 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 48 Rn 15; Medding, Das Verbot der Abgeordnetenbehinderung nach Art. 48 Abs. 2 GG, DÖV 1991, 494 (498 f.); Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 103. 176 Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (474); im Ergebnis ebenso Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 211 f. 177 BVerfGE 42, 312 (329). 178 Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48 Rn 10; zum Mandat als „Full-Time-Job“ und dem entsprechenden Anspruch auf den Lebensunterhalt vollständig deckende Entschädigungszahlung bereits BVerfGE 40, 294 (314) im sog. Diätenurteil. 179 Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48 Rn 10.
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le.180 Nach dieser restriktiven Auslegung, ist für Anzeige- und Veröffentlichungspflichten festzustellen, dass diese nicht darauf abzielen, bestimmte Berufsgruppen vom Mandat fernzuhalten oder auf andere Weise die Mandatsübernahme oder -ausübung direkt zu behindern, sondern darauf Abhängigkeiten der Abgeordneten aufzudecken und so Transparenz des legislativen Willensbildungsprozesses zu schaffen. Nach dieser Interpretation der Vorschrift ist mangels einer Behinderungsabsicht des Gesetz- und Geschäftsordnungsgebers der Art. 48 II 1 GG somit nicht beeinträchtigt. Zudem kann man darauf verweisen, dass die möglicherweise faktisch entstehenden Nachteile durch die Veröffentlichung von Einkommen durch die Diäten abgegolten werden. Verletzt ist Art. 48 II 1 GG nach dieser Ansicht jedenfalls nicht. Diese sehr restriktive Auslegung des Art. 48 II 1 GG findet jedoch in ihrem Grundansatz nicht bei allen Zustimmung. So erkennt zum Beispiel Trute an, dass zwar nicht jede faktische oder normative Erschwerung der Mandatsausübung oder -übernahme von Art. 48 II 1 GG erfasst sein kann,181 jedoch schränke die sog. Absichtsformel den Anwendungsbereich des Behinderungsverbotes zu weit ein.182 Vielmehr sei die Vorschrift im Sinne eines Diskriminierungsverbotes auszulegen. Eine Hinderung liege daher bereits dann vor, „wenn vernünftige, d. h. nicht diskriminierende Gründe für eine getroffene Regelung oder Maßnahme fehlen“.183 Damit würde eine steuernde Einwirkung auf den Kreis der Mandatsbewerber/-träger hinreichend verhindert. Auch nach dieser weniger restriktiven Ansicht wird Art. 48 II 1 GG nicht durch die derzeit geltenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten verletzt. Diese Offenlegungspflichten beruhen auf Erwägungen demokratischer Transparenz, durch die der demokratische Willensbildungsprozess geschützt werden soll. Sie sollen die Unabhängigkeit der Abgeordneten gerade vor Einflüssen von außen sichern. Mögen die Auswirkungen für bestimmte Berufsgruppen auch belastender ausfallen als für andere, diskriminierende Gründe stehen jedenfalls nicht hinter der Regelung,184 sondern sie beruhen auf durchaus nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen. Auch Welti spricht sich für eine von der subjektiven Behinderungsabsicht unabhängige Auslegung des Art. 48 II GG aus. Er sieht jedoch als entscheidendes Kriterium des Schutzbereiches ein soziales Machtgefälle zu Lasten des Abgeordneten und 180
Vgl. hierzu Kühne, Kündigung freiberuflich beschäftigter Mandatsbewerber, ZParl 17 (1986), 347 (353 f.). 181 So früher noch die weite Auslegung vgl. BGHZ 43, 384 (387); StGH Bremen NJW 1975, 635 (636) m.w.N. 182 Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn 12; ebenso Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 85; von Arnim, in BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 38; Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 112. 183 Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn 12; zustimmend Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 88 und von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 38; Kühne, Kündigung freiberuflich beschäftigter Mandatsbewerber, ZParl 17 (1986), 347 (353 ff., 358 f.) bezeichnet Art. 48 II GG in diesem Zusammenhang als „besonderes Gleichheitsrecht“. 184 Im Ergebnis ebenso van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VNKonvention gegen Korruption?, ZaöRV 65 (2005), 407 (440); anklingend bei von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 36.
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seiner Mandatsausübung an. Eine Behinderung iSd Art. 48 II GG setze ein Ausnutzen dieses Gefälles voraus.185 Liegt dies vor, so müsse in einem zweiten Schritt – wohl der klassischen Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs vergleichbar – gefragt werden, ob die Behinderung auf eine schützenswerte Rechtsposition des Behindernden gestützt werden kann, die „bei einer Abwägung nach den Regeln der Kollision von Grundrechten überwiegt.“186 Der Unterschied zu der Ansicht von Trute liegt darin, dass sich bei Welti eine klarere Trennung zwischen der Beschreibung des Schutzbereiches des Art. 48 II GG und der Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich aufgrund berechtigter Interessen findet. Bei Anwendung dieser Ansicht auf die Offenlegungspflichten des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln kann allenfalls eine vom Gesetz- bzw. Geschäftsordnungsgeber ausgehende Behinderung in Betracht kommen. Fraglich ist dabei bereits, ob zwischen dem Bundestag als Verfassungsorgan, das die Verhaltensregeln als Teil seiner Geschäftsordnung und das Abgeordnetengesetz erlassen hat, und dem Abgeordneten als Teil eben dieses Verfassungsorgans ein soziales Machtgefälle besteht. Sicherlich steht dem Bundestag als Ganzen mehr Macht zu als jedem einzelnen Abgeordneten. Jedoch darf hier auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Abgeordneten durch Mehrheitsbildung entscheidend an den Entscheidungen des Bundestages mitwirken. Auch ein „Ausnutzen“ der spezifischen Position des Gesamtbundestages gegenüber dem einzelnen Abgeordneten ist fraglich. Schließlich jedenfalls muss bei einer Abwägung der Rechtspositionen die Bedeutung der durch die Offenlegungspflichten zu schützenden Unabhängigkeit der Abgeordneten und demokratischen Transparenz als überwiegend eingeschätzt werden. Somit scheidet auch nach dieser Ansicht eine verfassungswidrige Beeinträchtigung des Art. 48 II 1 GG durch die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten aus. Auf wiederum anderem Argumentationsweg kommt auch Schlosser zu demselben Ergebnis. Die Interpretation des Art. 48 II 1 GG müsse in besonderem Zusammenhang mit Art. 38 I 2 GG gesehen werden.187 Der Gesetzgeber habe nach Art. 38 III GG den Auftrag, den Status des Abgeordneten auszugestalten. Eine Behinderung iSd Art. 48 II 1 GG könne daher nicht in solchen Regelungen gesehen werden, die lediglich die Grundsätze des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG ausgestalteten und sicherten.188 Die Verhaltensregeln und die darin enthaltenen Anzeige- und Veröffentlichungspflichten müssen als solche – den Abgeordnetenstatus konkretisieren-
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Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 112 f. Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 112; zum grundrechtsähnlichen Charakter des Art. 48 II GG siehe Feuchte, Zur Geschichte und Auslegung des Behinderungsverbots in Art. 48 Abs. 2 des Grundgesetzes, AÖR 111 (1986), 325 (345). 187 Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 101. 188 Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 101. 186
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de – Regelungen angesehen werden. Eine Beeinträchtigung des Art. 48 II 1 GG sei damit nicht gegeben.189 Damit bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass das Behinderungsverbot aus Art. 48 II 1 GG nach keiner der zur Auslegung der Vorschrift vertretenen Ansichten durch die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten verletzt wird.190 c) Grundrechte Dritter Darüber hinaus könnten aufgrund der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten auch Grundrechte dritter Personen beeinträchtigt sein. Im Rahmen der Offenlegungspflichten muss der Abgeordnete Angaben machen, die auch Außenstehende betreffen können, wie z. B. Geschäftspartner, Auftraggeber oder andere Vertragspartner der Abgeordneten, deren Namen teilweise neben der Art der Geschäftsverbindung und der Höhe der Einkünfte angegeben werden müssen.191 Diese dem Parlament nicht angehörenden Personen sind ohne Weiteres Grundrechtsträger und auch in ihrem Grundrechtsstatus betroffen. Sie können in ihren Rechten aus Art. 2 I iVm 1 I, 12 I, 14 I GG beeinträchtigt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 04. 07. 2007 nicht mit den Grundrechten Dritter auseinandergesetzt, sondern sie allenfalls mittelbar berücksichtigt. Die Grundrechte Dritter konnten nicht Gegenstand des dortigen Organstreitverfahrens sein, da darin die antragstellenden Abgeordneten nur ihre eigenen organschaftlichen Statusrechte geltend machen konnten.192 aa) Betroffene Grundrechte Als betroffenes Grundrecht ist zunächst das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I iVm 1 I GG zu untersuchen. Es schützt die private Sphäre und begründet das Recht, diese Sphäre dem Einblick und Zugriff anderer zu entziehen.193 In seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt dieses Grundrecht auch die Darstellung der eigenen Person in der Öffentlichkeit. Jedem Menschen ist selbst die Entscheidung überlassen, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbaren will.194 Generell besteht damit Schutz vor jeder staatlichen Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten.195 189
Diesem Weg folgt auch Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 18 S. 2. 190 Kritischer allenfalls in Bezug auf extensivere Veröffentlichungspflichten, jedoch ohne eingehendere Begründung Roll, Verhaltensregeln, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 22 S. 616; ders., in: Troßmann/Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages – Ergänzungsband, § 18 Rn 9. 191 Siehe zu den Einzelheiten der zu veröffentlichenden Angaben oben B. I. 2. b). 192 BVerfGE 118, 277 (320). 193 Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn 32. 194 BVerfGE 65, 1 (41 f.). 195 BVerfGE 78, 77 (84); Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn 73.
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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Kommt ein Abgeordneter seinen Anzeige- und Veröffentlichungspflichten aus den Verhaltensregeln nach, so können bestimmte Rechtsbeziehungen zu Dritten an die Öffentlichkeit treten. Der Abgeordnete muss gegebenenfalls den Namen des Dritten, die Art der Rechtsbeziehung und auch deren finanzielle Seite preisgeben. Hierdurch sind Rückschlüsse nicht nur auf politische Näheverhältnisse, sondern auch auf die private und wirtschaftliche Lebensgestaltung Dritter möglich.196 Da diese Dritten nicht aus dem Abgeordnetenstatus verpflichtet sind, sind sie durch die Offenbarung in ihrem Grundrecht beeinträchtigt. Die Eingriffsintensität in das Persönlichkeitsrecht wird jedoch erheblich durch die Regelung des § 1 V VerhR iVm Nr. 8 der Ausführungsbestimmungen abgemildert. Danach umfasst die Anzeige- und Veröffentlichungspflicht nicht solche Umstände, die einem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht oder einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen. In diesen Fällen genügt die Angabe einer Branchenbezeichnung, ohne dass der Name des Vertragspartners oder die konkrete Art der Tätigkeit angegeben werden muss. Diese beschränkte Anzeige wird den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Vertragspartner hinreichend gerecht.197 Rückschlüsse auf den konkreten Vertragspartner können in diesen sensiblen Bereichen effektiv vermieden werden. Die privatesten Lebensbereiche, in denen sich der Abgeordnete und der Dritte begegnen, bleiben somit der Öffentlichkeit verschlossen, so dass sich für diese Bereiche der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Vertragspartner auf Null reduziert. Darüber hinaus verbleiben jedoch weniger intensive Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung Dritter, deren Identität durch die Veröffentlichungen mit dem jeweiligen Abgeordneten in Verbindung gebracht wird. Von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus die „Grundrechte der wirtschaftlichen Betätigung“ nach Art. 12 I, 14 I GG.198 Neben Informationen, die den privaten Bereich Dritter betreffen, werden insbesondere berufliche und andere geschäftliche Rechtsbeziehungen offenbart. Die Offenbarung dieser Umstände kann als unmittelbarer Eingriff insbesondere in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 I 2 GG gewertet werden, sofern man das alleinige Bestimmungsrecht über das Bekanntwerden beruflicher Tätigkeiten unter den Schutzbereich der Berufsfreiheit subsumiert.199 Teilweise werden die offenbarungspflichtigen Angaben auch ausschließlich als wirtschaftlich und gerade nicht als persönlichkeitsrechtlich erhebliches Faktum eingestuft, sodass die Grundrechte aus Art. 12 I GG und Art. 14 I GG vorrangig zu beachten
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Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 264. BVerfGE 118, 277 (372). 198 Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 17. 199 So Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 288; im Sinne eines Berufsgeheimnisses Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46; ablehnend Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 269. 197
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
seien.200 Darüber hinaus ist aber auch eine mittelbare Beeinträchtigung der Berufsfreiheit anzunehmen. Die Offenbarung von Geschäftsbeziehungen ihrer Art und Höhe nach ermöglicht Rückschlüsse auf Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit des Geschäftspartners des Abgeordneten, die andere am Wirtschaftsleben Beteiligte für eigene Zwecke nutzen können. Insbesondere auch Mitgesellschafter eines an einer Gesellschaft beteiligten Abgeordneten können Nachteile erleiden, wenn Einzelheiten über die gemeinsamen Tätigkeiten und Einkünfte bekannt werden. bb) Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs Die Rechtfertigung des Eingriffs in die Grundrechte Dritter hängt wesentlich von der Intensität des Eingriffs ab. Wie bereits festgestellt, ist wegen der Abstrahierungsmöglichkeit nach § 1 V VerhR iVm Nr. 8 der Ausführungsbestimmungen die Offenbarung intimster Lebensbereiche Dritter nicht zu befürchten. Der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung reicht daher nicht tief. Die mittelbaren Nachteile im Hinblick auf die wirtschaftliche Betätigung können dagegen weiter reichen. Bisweilen wird sogar eine Gefahr für die wirtschaftliche Existenz mancher von den Veröffentlichungspflichten betroffener Dritter angenommen.201 Diese Befürchtung kann zwar in dieser drastischen Form nicht geteilt werden, jedoch verbleibt es bei einem bemerkenswerten Grundrechtseingriff, der der Rechtfertigung bedarf. Während es bei politisch motivierten Spenden seit langem etabliert ist, dass die Spender namentlich genannt werden müssen, da sie sich mit der Spende an eine Partei oder an einen Abgeordneten bewusst unmittelbar in die politische Sphäre begeben und daher die Publizierung ihres Verhaltens in Kauf nehmen müssen,202 muss ein Bürger grundsätzlich nicht mit der Offenlegung „normaler“ wirtschaftlicher Betätigung rechnen. Dass Informationen über privatwirtschaftliche Verbindungen zu Bundestagsabgeordneten veröffentlicht werden müssen, rechtfertigt sich jedoch aus der besonderen Stellung des Abgeordneten im verfassungsrechtlichen Gefüge. Die Abgeordneten sind Teil der Legislative. Sie repräsentieren in ihrer Gesamtheit das Volk und bilden das einzige unmittelbar demokratisch legitimierte Verfassungsorgan auf Bundesebene. Die demokratische Legitimation erfolgt durch den Wahlakt. Dieser setzt voraus, dass sich der einzelne Wähler über die Parteien und die einzelnen Wahlbewerber informieren kann, damit er eine hinreichend qualifizierte Wahlentscheidung treffen kann. Zu den notwendigen Informationen gehören nicht nur solche über das parlamentarische Verhalten des Abgeordneten, sondern auch solche, die über die eigentliche politische Sphäre hinausgehen.203 Insbesondere muss sich der Wähler über mög200 Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 17. 201 Morlok, Überprüfung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages – Stellungnahme, S. 17. 202 Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46 (47). 203 Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 266.
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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liche Interessenverflechtungen und Abhängigkeiten der Mandatsträger in Kenntnis setzen können. Diese sind wesentliche Teile der gesamtparlamentarischen Willensbildung, da sie die Willensbildung des einzelnen Abgeordneten wesentlich prägen können. Die geltenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten dienen dazu, eben solche Faktoren offen zu legen. Dabei ist es notwendig, nicht nur die einzelnen Einkünfte aufzulisten, sondern auch darzulegen, von wem die Zahlungen stammen.204 Die Auswirkungen der Offenlegungspflichten auf Dritte lassen sich daher nicht vermeiden, wenn man effektiv Abhängigkeiten und Verflechtungen aufdecken will. Darüber hinaus ist der Deutsche Bundestag wesentliches Legislativorgan des Bundes und nimmt damit eine zentrale Stelle im verfassungsrechtlichen Gefüge ein. Die Allgemeinwohlorientiertheit seines Verfahrens und seiner Mitglieder, sowie seine Repräsentations- und Funktionsfähigkeit sind daher im Hinblick auf das Demokratieprinzip von besonders hoher Bedeutung. Sachwidrige Einflussnahmen müssen effektiv verhindert werden. Da diese insbesondere durch außenstehende Dritte erfolgen können und sichtbar zu machen sind, ist es nicht zu vermeiden, dass Dritte mittelbar durch die Offenlegungspflichten betroffen werden. Demgegenüber wiegen die Rechte Dritter auf Geheimhaltung der geschäftlichen Kontakte weniger schwer. Die Beeinträchtigung ist nicht unzumutbar, insbesondere dann nicht, wenn der Dritte um die Abgeordnetenstellung seines Geschäftspartners weiß und sich auch durch diese zu dem geschäftlichen Kontakt leiten ließ. Die Auswirkungen der Pflichten auf Dritte müssen daher hingenommen werden.205 Die Eingriffe in die Grundrechte Dritter sind demnach aufgrund verfassungsrechtlicher Schranken gerechtfertigt. d) Geeignetheit Teilweise wird unter Anerkennung des legitimen Ziels der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten – die Schaffung von Transparenz und der Offenlegung von Abhängigkeiten – ihre Eignung zur Erreichung dieses Ziels in Frage gestellt. Unter dem Aspekt der Geeignetheit wird unter anderem argumentiert, die nunmehr zu veröffentlichenden Einkünfte seien nicht stets ein Indikator für Abhängigkeitsverhältnisse. Sie böten zwar mitunter einen ersten Anhaltspunkt, ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Einkünften aus Nebentätigkeiten und der Gefahr von Interessenverknüpfungen und Abhängigkeitsverhältnissen sei jedoch nicht gegeben.206 Insbesondere die zu veröffentlichenden Einkommen aus vor der Mandatsübernahme ausgeübten und neben dem Mandat weiterverfolgten Berufen lieferten allein kein Indiz für problematische Abhängigkeiten des Abgeordneten.207 Der Begriff der 204
Zivier, Der gläserne Abgeordnete, RuP 2005, 152 (156). Vgl. auch BVerfGE 118, 277 (372 f.). 206 So die dissentierenden Richter in BVerfGE 118, 277 (387). 207 Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25). 205
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
nach den Verhaltensregeln zu veröffentlichenden Einkünfte sei insofern zu weit.208 Dieser Ansicht kann so nicht gefolgt werden. Durch die jüngsten Neuregelungen der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten wurde bewusst auf die Unterscheidung von Tätigkeiten, die bereits vor der Mandatsübernahme ausgeübt wurden, und solchen, die erst danach aufgenommen wurden, verzichtet. Zum einen kann die Grenzziehung zwischen beiden Tätigkeitsarten Unklarheiten aufwerfen, und zum anderen können Einkünfte aus Tätigkeiten, die bereits vor dem Mandat ausgeübt wurden, zu ebenso bedeutsamen Interessenverknüpfungen und Abhängigkeiten führen, die für die Mandatsausübung relevant sind.209 Die Höhe von Einkünften bietet hierfür mehr als nur einen ersten Anhaltspunkt. Sie lassen zwar nicht stets ohne Weiteres auf wirkliche Abhängigkeiten schließen, zeigen jedoch Interessenverbindungen des Abgeordneten auf, die für die Wahrnehmung des Mandats von Bedeutung sein können. Der Kritik der Antragsteller im verfassungsgerichtlichen Verfahren daran, dass die Veröffentlichung anhand des Bruttoeinkommens vorzunehmen sei, obwohl es sich hierbei nicht um „brauchbare Indikatoren“ für die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgeordneten“ handele,210 überzeugt ebenso wenig. Sowohl mögliche Einflussnahmen auf Abgeordnete, als auch wirtschaftliche Abhängigkeiten und übermäßige zeitliche Belastungen zeigen sich eher im Brutto- als im „bereinigten“ Nettoeinkommen.211 Hierfür zählt, welche Beträge tatsächlich an den Abgeordneten fließen und nicht wie viel nachsteuerlich beim Abgeordneten verbleibt. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgeordneten ist von nachrangiger Bedeutung. Wenn es darum geht, mögliche Interessenverknüpfungen erkennbar zu machen, muss auf den finanziellen Zufluss in Gestalt des Bruttoeinkommens abgestellt werden. Die konkrete Höhe des Nettoerlöses einer Tätigkeit steht zudem mit hinreichender Gewissheit oft erst zu einem späteren Zeitpunkt fest und hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, die in keinem Zusammenhang mit dem Zweck der Transparenz der parlamentarischen Willensbildung stehen.212 Einem eventuellen Schutzbedürfnis der Abgeordneten vor Missverständnissen und Fehleinschätzungen der Öffentlichkeit, wie sie auch die dissentierenden Richter in ihrem Sondervotum befürchten,213 kann dadurch Rechnung getragen werden, dass bei der Veröffentlichung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich um Bruttobeträge handelt. Im Übrigen besteht für jeden Abgeordneten die Möglichkeit, insbesondere über seine eigenen Internet-
Ähnlich die dissentierenden Richter in BVerfGE 118, 277 (387, 390 ff.). So auch die das Urteil tragenden Richter in BVerfGE 118, 277 (363 f.). 210 BVerfGE 118, 277 (304). 211 BVerfGE 118, 277 (367); zustimmend von Arnim, Nebeneinkünfte von Landtagsabgeordneten, NVwZ 2007, 1246 (1249); Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (391). 212 BVerfGE 118, 277 (367). 213 BVerfGE 118, 277 (391). 208 209
II. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten
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Seiten, die Öffentlichkeit über missverständliche Angaben zu unterrichten und Unklarheiten zu beseitigen. Weiterhin wird eingewendet, die Ungeeignetheit manifestiere sich in der derzeit geltenden Stufenregelung, die ab der Stufe 3 keinerlei Differenzierung mehr vorsieht. Hierdurch werde verhindert, gerade die wirklich problematischen Fälle aufzudecken.214 Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die Aussagekraft der Veröffentlichung der Einkünfte gesteigert würde, wenn sie nicht in Einkommensstufen erfolgte oder jedenfalls die einzelnen Stufen anders angesetzt wären. Eine genaue Veröffentlichung der Einkünfte würde den Prozess der politischen Willensbildung noch durchschaubarer machen.215 Das derzeitige Stufenmodell wird daher nicht ganz zu Unrecht als halbherzig bezeichnet.216 In der Tat sind die Erkenntnisse, die sich aus der Veröffentlichung in Stufen ergeben, wesentlich geringer und bisweilen unbefriedigend. Will man dennoch an einem Stufenmodell festhalten, um den Veröffentlichungsprozess zu vereinfachen und zu abstrahieren, sollten die Stufen kleinere Abstände zueinander haben. Die derzeitigen 3500-Euro-Stufen sind zu groß. Ob Einkünfte 3500 E betragen oder 7000 E macht einen wesentlichen Unterschied bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Vergütung aus. Da diese Beträge aber derzeit zu derselben Stufe gehören, werden die wirklichen Einkünfte wenig transparent. Es empfiehlt sich, die Stufen in höchstens 1000-Euro-Schritten anzusetzen. Ebenso unerklärlich ist, dass de lege lata die Stufe 3 sämtliche Beträge über 7000 E erfasst ohne dass dabei eine weitere Differenzierung stattfindet. Die Einkommensgrenze ist nach oben hin offen. Gerade aber in diesem hohen Einkommensbereich hat die Öffentlichkeit ein besonderes demokratisches Transparenzinteresse; denn je höher die Einkünfte sind, desto größer ist die Gefahr der mandatswidrigen Einflussnahme. Als unbefriedigend wird zurecht auch die Ausgestaltung der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsformen, in deren Rahmen die Nebentätigkeiten wahrgenommen werden, empfunden. Insbesondere bei Rechtsanwälten zeigt sich eine eindeutige, von der Wahl der Rechtsform abhängige Differenz zwischen den zu veröffentlichenden Daten.217 Einzelanwälte haben, wenn auch in anonymisierter Form, die einzelnen Mandate und die daraus erzielten Einkünfte offen zu legen, sofern sie die Bagatellgrenze übersteigen. Ist die Kanzlei des Abgeordneten hingegen gesellschaftsrechtlich organisiert, so kann er seine An214 Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (26). 215 So auch die das Urteil tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 118, 277 (374). 216 von Arnim, Nebeneinkünfte von Landtagsabgeordneten, NVwZ 2007, 1246 (1247 f.); das Stufenmodell lobend dagegen Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflicht von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (390). 217 Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflicht von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (391 f.); von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (905).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
gaben auf die Arbeit für die Gesellschaft und die Höhe der Gewinnbeteiligung beschränken. Der Aufwand und die Detailliertheit der Anzeigen hängen damit zu stark von der Rechtsform ab, die der Nebentätigkeit zugrunde liegt.218 Um Umgehungen zu vermeiden, sollten an dieser Stelle die Regelungen nachgebessert werden. Die Verbesserungswürdigkeit der Offenlegungspflichten an der einen oder anderen Stelle führt jedoch nicht zur Ungeeignetheit bzw. daraus resultierender Unverhältnismäßigkeit der derzeit geltenden Regelungen, da ihnen nicht die grundsätzliche Tauglichkeit abgesprochen werden kann. „Die Eignung des zur Verfolgung eines Regelungsziels eingesetzten Mittels wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass noch wirkungsstärkere Mittel hätten eingesetzt werden können.“219 Dem Gesetz- und Geschäftsordnungsgeber steht ein gewisser Einschätzungsspielraum dabei zu, die Wahrscheinlichkeiten beachtlicher Interessenverflechtungen und wirtschaftlicher Abhängigkeiten zu bewerten und entsprechend dieser Bewertung die offenlegungsbedürftigen Umstände zu bestimmen.220 Er kann dabei von generalisierenden Tatbeständen Gebrauch machen, die sich an der Wahrscheinlichkeit einer Interessenkonfliktlage orientieren.221 Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Verhaltensregeln keine dezidierten Unterscheidungen zwischen den einzelnen zu veröffentlichenden Tätigkeiten und Einkünften treffen. Die zum Teil geforderte Herausnahme einzelner Tätigkeiten und Einkünfte aus der Offenlegungspflicht wird dem Ziel der flächendeckenden Transparenz und Offenbarung von Interessenverflechtungen nicht gerecht. 4. Ergebnis Die derzeit geltenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten nach dem Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln sind demnach insgesamt verfassungsgemäß. Einzelheiten ihrer Ausgestaltung könnten und sollten nachgebessert werden. Diese Feststellung bezieht sich insbesondere auf das System der Einkommensstufen, in denen die Veröffentlichung erfolgt, und die Abhängigkeit der anzuzeigenden Daten von der Rechtsform, innerhalb derer die Nebentätigkeiten wahrgenommen werden. Im Übrigen ist die Verschärfung der Offenlegungspflichten durch das 26. Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz und die entsprechenden Änderungen der Verhaltensregeln auch verfassungspolitisch zu begrüßen.222 Obwohl sie nicht jeglichen Mandatsmissbrauch, jegliche Abhängigkeiten und Einflüsse auf die parlamentarische Willensbildung aufdecken oder verhindern können, so tragen die Vorschriften Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflicht von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (392). 219 BVerfGE 118, 277 (374). 220 BVerfGE 118, 277 (354). 221 BVerfGE 118, 277 (362). 222 So im Ergebnis auch Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflicht von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (391). 218
III. Verbot von Interessentenzahlungen und anderem „arbeitslosen Einkommen“
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doch erheblich zur notwendigen Transparenz des parlamentarischen Verfahrens und zum Schutz demokratischer Grundsätze bei.
III. Verbot von Interessentenzahlungen und anderem „arbeitslosen Einkommen“ Während früher sogar noch darüber diskutiert wurde, ob es ein Verstoß gegen das Behinderungsverbot nach Art. 48 II 1 GG darstellte, wenn der Arbeitgeber eines Abgeordneten diesem seinen Lohn nicht fortzahlte, wenn er wegen seines Mandats nicht mehr in der Lage war, vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen,223 ist heute im Gegenteil weithin anerkannt, dass solch „arbeitsloses“ Einkommen verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden kann. Das in § 44a II AbgG enthaltene Verbot der Annahme von anderen als den gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder Vermögensvorteilen, namentlich insbesondere von Interessentenzahlungen und anderem „arbeitslosen“ Einkommen ohne angemessene Gegenleistung, ist als solches verfassungsrechtlich daher kaum zu beanstanden. Vielmehr erfüllt der Gesetzgeber durch die Regelung auf Grundlage des Art. 38 III GG den durch das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vorgezeichneten Gesetzgebungsauftrag,224 indem er gesetzliche Vorkehrungen gegen Zahlungen an Abgeordnete schafft, die in Erwartung einer bestimmten Interessenwahrnehmung im Parlament gezahlt werden bzw. denen jedenfalls der Schein anhaftet, dass sie nur aufgrund eines entsprechenden Ansinnens erfolgen. So wird die Möglichkeit einer finanziellen Einflussnahme auf den parlamentarischen Willensbildungsprozess verringert und gleichzeitig die gewinnbringende Vermarktung des Mandats durch Abgeordnete erschwert. Das Verbot ist daher verfassungsrechtlich nicht nur nicht zu beanstanden,225 sondern basiert im Gegenteil sogar auf einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit zum Schutz der bereits ausführlich erörterten Verfassungsgüter.226 Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber das Annahmeverbot nunmehr im Rang des einfachen formellen Gesetzes ausgestaltet und das Verbot nicht nur als Teil der niederrangigeren Verhaltensregeln beibehalten hat. Dies verdeutlicht die Bedeutung des Verbots für den Schutz des freien Mandats und der demokratischen Grundsätze.
223 Zu diesem Streit siehe Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 130 ff.; Bertermann, Der Einfluss eines Abgeordnetenmandats auf Dienst-, Arbeits- und Gesellschaftsverträge, Der Betriebs-Berater 1967, 270 (272). 224 BVerfGE 40, 296 (318 f.). 225 Vgl. Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 24; von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (904). 226 So auch von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 1 ff.; ders., Nebeneinkünfte von Landtagsabgeordneten, NVwZ 2007, 1246 (1248).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
1. Maßstab für die Angemessenheit der Gegenleistung Während das Verbot der genannten Zahlungen als solches nicht beanstandet werden kann, bleibt die Bestimmung, wann es sich um „arbeitsloses“ Einkommen handelt, im Einzelfall problematisch. Der Gesetzgeber bietet hierfür als Maßstab an, ob der Zuwendung an den Abgeordneten eine angemessene Gegenleistung desselben gegenübersteht (vgl. § 44a II 3 AbgG). Nach § 8 V 2 VerhR ist bei der Prüfung auf Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung die Verkehrsüblichkeit heranzuziehen, hilfsweise die Frage, ob Leistung und Gegenleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen. An der hinreichenden Bestimmtheit dieser Beurteilungsgrundlagen lässt sich durchaus zweifeln.227 Insbesondere wird es für das Bundestagspräsidium, das sich mit Verstößen gegen das Zuwendungsverbot zu befassen hat, weiterhin schwer zu beurteilen sein, ob die Vergütung gegenüber der Gegenleistung tatsächlich adäquat ist.228 Insbesondere bei beratenden oder Vortragstätigkeiten ist es kaum möglich, den wahren Wert einer Leistung festzulegen. Art, Umfang und Entgelt der Tätigkeiten können hier auch außerhalb des politischen Kontextes stark variieren. Als Maßstab können aber immerhin der Inhalt des Geleisteten, die Professionalität der Leistung sowie das Ansehen und die Expertise des Leistenden herangezogen werden.229 Als problematisch wird bisweilen auch die Beurteilung von Einkünften eines Abgeordneten aus Gesellschaftsanteilen angesehen. Maßgeblich sollte dabei sein, ob der Abgeordnete Einkünfte aus der Gesellschaft aufgrund seiner Mitarbeit oder aufgrund seiner finanziellen Beteiligung an der Gesellschaft bezieht. Sofern die Mitarbeit adäquat entgolten wird bzw. eine etwaige Gewinnausschüttung wie Zinsgewinne aus einer Kapitalanlage wirken, sind derartige Einkünfte nach § 44a II AbgG nicht zu beanstanden. Die angemessene Gegenleistung für die Gewinnausschüttung ist dann der entsprechende Kapitaleinsatz.230 Korrespondieren Ausschüttungen oder andere Zahlungen nicht unmittelbar mit einer Kapitaleinlage oder Arbeitsleistung, so unterfallen sie dem gesetzlichen Verbot nach § 44a II AbgG. 227 So bereits Norbert Lammert während der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, in der die Gesetzesänderung in erster Lesung beraten wurde, vgl. Plenarprotokoll 15/182, 182. Sitzung vom 17. 06. 2005, S. 17251 (17256). Lammert – seinerzeitiger Vorsitzender der Kommission des Ältestenrates für die Rechtsstellung der Abgeordneten und seit Beginn der 16. Legislaturperiode Präsident des Deutschen Bundestages – hält das AngemessenheitsMerkmal für hochgradig interpretationswürdig und daher für kaum justiziabel; vgl. auch Battis, in: LT-Drs. NRW 13/6726, S. 52; Kretschmer, in: LT- Drs. NRW 13/6726, S. 62 f. 228 Dieses Problem sieht auch Muhle in Bezug auf die vergleichbaren Regelungen des niedersächsischen Abgeordnetengesetzes, vgl. Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (269); ähnlich Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 12; Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46 (47). 229 Vgl. Meyer, Einige Bemerkungen zu dem Gutachten von Professor Waldhoff, S. 5. 230 Vgl. hierzu auch VG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55 (58).
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Die beschriebenen Schwierigkeiten mit der Umgrenzung des Angemessenheitskriteriums führten im parallel zur Änderung des Abgeordnetengesetzes des Bundes durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens in Nordrhein-Westfalen dazu, dass im dortigen Landesabgeordnetengesetz auf den Angemessenheitsbegriff verzichtet wurde. Der Landesgesetzgeber hat sich stattdessen textlich nah am Diätenurteil231 orientiert,232 indem er Zuwendungen an Landtagsmitglieder verbot, die – ohne dass die dafür geschuldeten Dienste geleistet werden – nur deshalb gezahlt werden, weil vom Parlamentsmitglied im Hinblick auf sein Mandat erwartet wird, dass es die Interessen des Zahlenden vertreten und nach Möglichkeit durchsetzen wird.233 Der Verbotstatbestand erfasst damit lediglich Interessentenzahlungen und ist somit deutlich enger gefasst als der bundesrechtliche, der nach § 44a II 3 AbgG auch anderes arbeitsloses und arbeitsunangemessenes Einkommen verbietet. Der Bundesgesetzgeber hat dem Umstand Rechnung getragen, dass das Verbot nicht effektiv genug ist, wenn man es von dem kaum zu erbringenden Nachweis abhängig macht, dass die Erwartung einer Interessenvertretung besteht und keinerlei Gegenleistung des Abgeordneten erbracht wird.234 Die Unabhängigkeit des Abgeordneten und der parlamentarischen Willensbildung von finanziellen Einflussnahmen bedarf eines umfassenden Schutzes. Da eine Beeinflussung typischerweise auch dann vorliegt, wenn Leistung und Gegenleistung nicht in angemessenem Verhältnis zueinander stehen, ist auch ein solches Verbot zu begrüßen. Gerade im Bereich der Beraterverträge wird so ein effektiverer Schutz der Unabhängigkeit der Mandatsträger ermöglicht und Umgehungsmöglichkeiten eingedämmt. Darüber hinaus bedeutet eine Orientierung an der Formulierung des Diätenurteils, wie sie der Landesgesetzgeber Nordrhein-Westfalens bevorzugte, weder eine Konkretisierung des Verbotstatbestandes noch hinreichenden Schutz der unabhängigen Mandatsausübung. Die Frage, ob Zahlungen nur erfolgen, um damit eine Interessenwahrnehmung durch den Abgeordneten zu erreichen, ist ebenso von Wertungen abhängig wie die Ausgestaltung des Angemessenheitsbegriffs nach Bundesrecht. Erstere ist nicht weniger interpretationsbedürftig als letztere. Die Beweisschwierigkeiten, ob die Zuwendung tatsächlich im Hinblick auf eine Interessenwahrnehmung erfolgt, liegen auf der Hand. Eine Beeinflussung der Mandatsausübung durch gegenleistungslose Zahlungen kann zudem auch dann vorliegen, wenn eine entsprechende Erwartungshaltung des Zuwendenden nicht aktuell besteht. Der Bundesgesetzgeber hat sich daher zu Recht zugunsten eines effektiveren Schutzes für die gesetzliche Ver-
231
BVerfGE 40, 296, (297 Ls. 5, 319). Vgl. die Gesetzesbegründung LT-Drs. NRW 13/6524, S. 7; 13/6726, S. 70; hierzu auch Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46 (47). 233 Vgl. § 16 I 3 AbgG NRW – Abgeordnetengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 05. 04. 2005 (GV. NRW S. 252). 234 Ähnlich VG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55 (59). 232
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
mutung entschieden, dass gegenleistungslose und -unangemessene Zuwendungen den Grundsätzen des freien Mandats widersprechen. Keinesfalls aber ergibt sich aus den Schwierigkeiten der Abgrenzung von Angemessenem und Unangemessenem eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Unbestimmtheit der Vorschrift. Zum einen handelt es sich nicht um eine Strafvorschrift, die nach Art. 103 II GG erhöhten Bestimmtheitserfordernissen genügen müsste,235 so dass die Verwendung unbestimmter und interpretationsbedürftiger Rechtsbegriffe durchaus möglich ist. Zum anderen ist der Begriff der Angemessenheit in der Rechtsordnung weit verbreitet. So wird eine gerechte Beurteilung des Einzelfalls und eine Ausrichtung des Verhaltens der Normadressaten an der Vorschrift möglich. Vor allem das Steuerrecht kennt die Abgrenzung echter wirtschaftlicher Entgelte von anderen Leistungen, die nicht durch eine gleichwertige Gegenleistung ausgeglichen werden, wobei ganz ähnliche Probleme auftauchen wie bei den Zahlungen an Abgeordnete.236 Beispielsweise wird das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Körperschaftsteuerrecht, die nach § 8 II 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG)237 dem zu versteuernden Einkommen der Körperschaft zugerechnet wird, unter anderem auch danach beurteilt, ob die Ausschüttung als angemessenes Entgelt für Leistungen des Empfängers angesehen werden kann.238 Als Beurteilungskriterium wird hierbei der sog. „Fremdvergleich“ herangezogen. Entscheidend ist, ob ein ordentlicher oder gewissenhafter Geschäftsleiter die gleiche Vorteilszuwendung unter den gleichen oder zumindest vergleichbaren Umständen und in der gleichen Höhe auch Dritten gewährt hätte,239 übertragen auf die parlamentsrechtliche Situation also auch an einen NichtAbgeordneten. Ein vergleichbarer Maßstab wird angelegt bei der steuerrechtlichen Beurteilung von Verträgen zwischen Familienangehörigen. Das Angemessenheitsprinzip in Verbindung mit dem Fremdvergleich durchzieht das gesamte Steuerrecht und hilft überall dort als Beurteilungsmaßstab, wo besteuerungsrelevante Vorgänge durch besteuerungsirrelevante Umstände verdeckt werden.240 Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch für Beamte und Richter Annahmeverbote im Hinblick auf gegenleistungslose und in Bezug auf das Amt gewährte Zuwendungen bestehen. Dieses dienstrechtlich geprägte Verbot erfasst, wie oben bereits erörtert,241 auch vertragliche Entgelte, bei denen Leistung und Gegenleistung außer Verhältnis stehen, wie zum Beispiel bei überhöhten Vergütungen für Nebentätigkei235
So auch das VG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55
(57). 236 Vgl. hierzu von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 17; Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 12. 237 In der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 2002 (BGBl. I, S. 4144), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. 12. 2007 (BGBl. I, S. 3150). 238 von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 17. 239 Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, § 8 Rn 157. 240 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn 248 f. 241 Vgl. die Ausführungen oben unter B. II. 1. b) aa); B. III. 1. b).
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ten.242 Auch dies zeigt, dass der Rechtsordnung das Angemessenheitskriterium für die Beurteilung von unzulässigen Zahlungen nicht fremd ist. Ohne dass eine problematische Annäherung des Abgeordnetenrechts an das Dienstrecht für Beamte und Richter zu befürchten ist, kann auf die für das dienstrechtliche Annahmeverbot entwickelten Grundsätze zur Auslegung zurückgegriffen werden. Die Parallelen zum Steuerrecht und zum Beamtenrecht zeigen, dass eine verlässliche Prüfung der Zuwendungen möglich ist.243 Die Angemessenheit ist ein handhabbarer Maßstab, der durch die Rechtsordnung hinreichend konkretisiert wird. Dennoch wird die Anwendung der Verbotsvorschrift und ihrer verfahrensrechtlichen Konsequenzen stark von einer Wertung des Bundestagspräsidenten abhängen. Das Merkmal der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in seiner Anwendung erst mit Leben erfüllt werden muss. Es unterliegt wie grundsätzlich alle unbestimmten Rechtsbegriffe im Verwaltungsrecht der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit.244 Hierzu steht das Verfahren nach § 50 I Nr. 5 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Verfügung. Die Feststellung eines Verstoßes und die daraus folgende Abführungspflicht der verbotenen Zahlungen an den Bundeshaushalt wird allerdings – allein schon wegen der besonderen politischen Brisanz eines derartigen Verfahrens – auf eindeutige Fälle beschränkt bleiben, namentlich auf solche, in denen keinerlei Gegenleistung des Abgeordneten der Zuwendung gegenüber steht bzw. in denen sich die Disproportionalität und Verkehrsunüblichkeit geradezu aufdrängen. Zudem ist dem Abgeordneten die Möglichkeit zu gewähren, den Vorwurf eines Interesseneinflusses im konkreten Fall zu entkräften. Zwar wird bei arbeitslosem und arbeitunangemessenem Einkommen das Vorliegen einer mandatswidrigen Beeinflussung vermutet,245 jedoch ist diese Vermutung widerlegbar,246 indem ein Abgeordneter beispielsweise darlegt, aufgrund welcher sachlicher Kriterien sein Entgelt für eine Leistung das Angemessene erheblich übersteigt. Im Übrigen wird die präventive Wirkung, die auch die Angemessenheitsklausel ermöglicht, nicht zu unterschätzen sein. Sie zwingt jeden bei der Annahme von Zahlungen zur Überprüfung – jedenfalls zunächst anhand der eigenen Einschätzung –, ob es sich um eine adäquate Bezahlung für eine bestimmte Leistung handelt, die sich im Streitfall vor dem Bundestagspräsidenten und der Öffentlichkeit als angemessen rechtfertigen lässt.
242
Battis, BBG, § 70 Rn 3. Kritisch dagegen Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 338 ff. 244 Zur gerichtlichen Überprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe vgl. BVerwGE 94, 307 (309); 100, 221 (225). 245 BT-Drs. 15/5671, S. 5. 246 VG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55 (57) begründet die Widerlegbarkeit mit Erfordernissen der Rechtsstaatlichkeit. 243
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2. Abführung verbotener Zuwendungen an den Bundeshaushalt Konsequente Fortführung des Verbots von Interessentenzahlungen und anderem arbeitslosen Einkommen ist die durch Verwaltungsakt des Bundestagspräsidenten geltend zu machende Pflicht zur Abführung der verbotswidrig erhaltenen Zahlungen. Die Abführungspflicht nach § 44a III AbgG ist stark an die schon lange bestehende entsprechende landesrechtliche Pflicht aus § 27 IV des niedersächsischen Abgeordnetengesetzes angelehnt.247 Die niedersächsische Regelung war parallel zum Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene Gegenstand eines von der Öffentlichkeit intensiv verfolgten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig. Grundlage des Verfahrens war die sog. VW-Gehaltsaffäre um zwei niedersächsische Landtagsabgeordnete.248 Die beiden Abgeordneten waren vor Eintritt in den niedersächsischen Landtag Angestellte des VW-Konzerns. Bei Übernahme des Mandats wurden sie durch ihren Arbeitgeber von der Arbeitsleistung freigestellt, während aber sämtliche fortlaufenden Bezüge weiterhin gezahlt wurden. Der Landtagspräsident klagte daraufhin in Vertretung des Landes erfolgreich die Abführung der von VW erhaltenen Zahlungen im Wege der Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht ein.249 Das Gericht hielt die Abführungspflicht verbotener Zuwendungen ausdrücklich für landes- und bundesverfassungsgemäß250 und wurde schließlich darin durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Berufungsurteil bestätigt.251 Dieser Ansicht ist zuzustimmen.252 Gleichsam ist auch die bundesrechtliche Abführungspflicht nach § 44a III AbgG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und verfassungspolitisch zu begrüßen.253 Die Abführungspflicht dient der Abschöpfung unzulässiger Zuwendungen, die der Abgeordnete im Hinblick auf sein Mandat erhalten hat bzw. bei denen diese Beziehung zum Mandat vermutet wird. Sie greift nicht in den Schutz der Unabhängigkeit des Abgeordneten nach Art. 38 I 2 GG ein, sondern dient gerade deren Schutz vor Einflussnahmen Dritter.254 Die Abführung der von Dritten verbotenerweise erhaltenen Zuwendungen ist eine bloße Abschöpfung und wirkt 247
Nunmehr beispielsweise auch § 17 IV AbgG NRW. Hierzu Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (266 f.); von Arnim, Nebeneinkünfte von Landtagsabgeordneten, NVwZ 2007, 1246 (1248). 249 Vgl. die Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 16.11.2005 – 1 A 162/05 und 1 A 163/05, letzteres abgedruckt in NdsVBl. 2006, 55 ff. (die Zitierung der in weiten Teilen wortgleichen Urteile erfolgt nach der Veröffentlichung im NdsVBl.). 250 Vgl. den 1. Leitsatz des Urteils, NdsVBl. 2006, 55. 251 Nieders. OVG, Urteil vom 13.03.2008 – 8 LC 1/07, DVBl. 2008, 871 f. 252 So auch Muhle, Mehr Transparenz bei Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten? Zur Weiterentwicklung des Abgeordnetenrechts in Niedersachsen, ZParl 37 (2006), 266 (273). 253 Entsprechend zur nordrhein-westfälischen Vorschrift Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46 (49). 254 Ähnlich bzgl. der niedersächsischen Regelung VG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2005 – 1 A 163/05, NdsVBl. 2006, 55 (57). 248
IV. Spenden an Abgeordnete: Ignorierter Reformbedarf
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sich daher nicht auf die Höhe der Abgeordnetenentschädigung aus, so dass im Hinblick auf Art. 48 III 1 GG keine Bedenken bestehen. Ebenso wenig ist eine Behinderung der Mandatsausübung nach Art. 48 II GG durch die Vorschrift erkennbar. Darüber hinaus wird der betreffende Abgeordnete hinreichend am Verfahren über die Abführung der Zahlungen beteiligt. Er hat nach der geltenden Verfahrensausgestaltung mehrfach Gelegenheit, sich zu den Umständen der Zahlung zu äußern, die Unangemessenheit der Zahlung zu widerlegen und so seine Rechte hinreichend zu schützen. 3. Ergebnis Sowohl das Verbot von arbeitlosem und arbeitsunangemessenem Einkommen, als auch der Zwang zur Abführung unzulässigerweise empfangener Zuwendungen sind verfassungsgemäß und darüber hinaus verfassungspolitisch sinnvoll. Das Verbot ist mit dem für Beamte und Richter geltenden dienstrechtlichen Annahmeverbot vergleichbar. Zur Anwendung des Angemessenheitskriteriums auf den Einzelfall kann sowohl auf die für das beamtenrechtliche Verbot entwickelten Grundsätze als auch auf die steuerrechtliche Verwendung des Begriffs zurückgegriffen werden.
IV. Spenden an Abgeordnete: Ignorierter Reformbedarf Die geltenden Regelungen über Spenden an Abgeordnete werden zu Recht überwiegend kritisiert. Insbesondere im Lichte der Regelungen des Parteiengesetzes über an Parteien gerichtete Spenden stellen sich die Regelungen zu Abgeordnetenspenden als lückenhaft, uneffektiv und Umgehungen geradezu herausfordernd dar. Ziel jeder Regelung von Abgeordnetenspenden muss es sein, die politischen Finanzen, die hinter einem Abgeordneten und auch einem Kandidaten für das Mandat stehen, für den Wähler durchschaubar zu machen. Dieses Interesse der Öffentlichkeit wird durch die geltenden Regelungen nicht befriedigt, so dass sich an vielen Stellen dringender Reformbedarf zeigt. 1. Hohe Mindestbeträge Zunächst ist festzustellen, dass die Mindestbeträge, die die Anzeigepflicht (5.000 E) und die Veröffentlichung durch den Bundestagspräsidenten (10.000 E) auslösen, vergleichsweise hoch angesetzt sind. Großspenden können leicht auf mehrere Einzelpersonen verteilt werden und so der Anzeigepflicht und der Veröffentlichung entgehen.255 Dadurch ergibt sich eine erhebliche Umgehungsmöglichkeit der erstrebten Transparenz. Zudem ist zu beachten, dass auch durch kleinere Spendenbeträge ein 255
So z. B. auch Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 123; Herbertz, Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, S. 108; zur entsprechenden Kritik im Rahmen des Parteispendenrechts vgl. Höpner, Beiträge der Unternehmen zur Parteienfinanzierung, ZParl 37 (2006), 293 (295).
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Abgeordneter bereits beeinflusst werden kann,256 während z. B. bei Parteien regelmäßig erst durch größere Beträge ein tatsächlicher politischer Einfluss bewirkt wird.257 Mag es für Parteispenden daher gerechtfertigt sein, die Publizitätspflicht auf solche Spenden zu begrenzen, die ihrer Höhe nach für die Partei ins Gewicht fallen können,258 so besteht doch bei Spenden an einzelne Abgeordnete bereits bei kleineren Zahlungen ein öffentliches Interesse an Transparenz. Zwar orientiert sich der Geschäftsordnungsgeber im Hinblick auf die Mindestbeträge an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zur Parteienfinanzierung durch Spenden;259 jedoch nennt das Gericht die jeweiligen Beträge im Zusammenhang mit der ansonsten bestehenden Umgehungsmöglichkeit der Publizitätspflicht von Parteispenden. Dass bereits kleinere Spenden an Abgeordnete bei diesen im Hinblick auf ihr politisches Handeln ins Gewicht fallen und ihre Unabhängigkeit in Frage stellen können, spricht das Bundesverfassungsgericht nicht an. Die in der Entscheidung angesprochene Publizitätsgrenze von 20.000 DM – heute 10.000 E – für Direktspenden an Abgeordnete ist daher als eine Minimalforderung anzusehen. Dass strengere – und damit transparentere – Regelungen erlassen werden, wollte das Gericht damit gewiss nicht ausschließen. Einer Absenkung der Publizitätsgrenze steht daher nichts im Wege; sie sollte wegen der aufgezeigten Umgehungsgefahren und in dem Bestreben nach höherer Transparenz auch dringend vorgenommen werden.260 Im Übrigen ist das Bestehen unterschiedlicher Mindestbeträge, ab der die Anzeigepflicht und die Veröffentlichung einsetzen, nicht einsichtig.
2. Personeller Geltungsbereich Der personelle Geltungsbereich der Regelungen über Spenden an Abgeordnete erstreckt sich allein auf Mandatsträger, d. h. solche Personen, die bereits in den Bundestag gewählt wurden und das Mandat angetreten haben.261 Dieser beschränkte Geltungsbereich ergibt sich daraus, dass die Regelungen Teil der Verhaltensregeln für 256
von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NVwZ 2006, 249 (252); ders., Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (906); ders., Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 24; ebenso Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 123. 257 Vgl. hierzu die Ausführung der BVerfGE 85, 264 (320 f.). 258 BVerfGE 24, 300 (356); 85, 264 (320, 323). Letztgenannte Entscheidung betont aber, dass eine Anhebung der Publizitätsgrenze für Parteispenden über damals 20.000 DM nicht hinnehmbar sei (S. 323). 259 BVerfGE 85, 264 (324 f.). 260 Diese Feststellung trafen auch Klein und Morlok in ihren Gutachten zur Parteienfinanzierung, BT-Drs. 14/6711, S. 19 und S. 71. Der Gesetz- bzw. Geschäftsordnungsgeber ist diesen Empfehlungen jedoch leider nicht gefolgt. 261 Ipsen, Abgeordnetenspenden – eine Regelungslücke des Parteiengesetzes?, NVwZ 2003, 14 (16); Koch, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451 (454).
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die Mitglieder des Deutschen Bundestages sind und als Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Bundestages als Parlamentsinnenrecht zu qualifizieren sind.262 Sie können damit keinesfalls auf Personen Wirkung entfalten, die (noch) nicht dem Parlament angehören. Für Wahlkandidaten, die sich erst um einen Sitz im Bundestag bewerben, gelten die Spendenregelungen also nicht. Werden ihnen zu Wahlkampfzwecken Spenden zugewendet – gemeint sind hier sogenannte Direktspenden, die direkt vom Spender dem Kandidaten zufließen und nicht etwa zunächst der Partei und dann dem Kandidaten von der Partei zur Verfügung gestellt werden –, müssen diese weder angezeigt noch veröffentlicht werden. Die hierbei zutage tretende Regelungslücke kann im Sinne der Transparenz politischer Finanzen kaum gewollt sein. Der Wähler hat bereits vor den Wahlen ein Interesse daran, zu durchschauen, wer finanziell hinter den einzelnen Kandidaten steht. Dieses Interesse mag sogar vor den Wahlen noch größer und bedeutsamer sein, da es die Wahlentscheidung maßgeblich beeinflussen kann. Freilich werden die Wahlkämpfe der meisten Kandidaten durch Parteigelder (zumindest mit-)finanziert, die ohnehin der besonderen öffentlichen Rechenschaftspflicht auf Grundlage des Art. 21 I 4 GG unterliegen. Jedoch besteht hier durch Direktspenden an erstmalige Mandatsbewerber oder solche die bislang erfolglos waren, die über erhaltene Spenden keine Rechenschaft ablegen müssen, eine erhebliche Umgehungsgefahr der die Partei zur Transparenz verpflichtenden Regelungen. Zudem besteht auch die – jedenfalls theoretische – Möglichkeit, dass ein parteiloser Bewerber nicht auf solche Parteiressourcen zugreifen kann. Ist er nicht selbst ausreichend finanziell ausgestattet, so ist er auf Spenden von privaten Geldgebern für seinen Wahlkampf angewiesen.263 Diese sollten ebenso für den Wähler durchschaubar sein, wie die Mittel von Parteimitgliedern, die sich zur Wahl stellen – und zwar bereits vor der Wahl. Neben der mangelnden Transparenz in diesem Zusammenhang lässt sich zudem eine fragwürdige Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Wahlbewerbern feststellen.264 Stellen sich Mandatsträger zur Wiederwahl, so unterliegen Spenden an sie auch während des Wahlkampfes zur anschließenden Legislaturperiode der gesonderten Rechnungsführung und der Anzeige- und Veröffentlichungspflicht nach § 4 VerhR. Für Kandidaten, die sich hingegen zum ersten Mal oder mit zwischenzeitlicher Unterbrechung um ein Mandat bemühen, gelten dagegen keine vergleichbaren Regelungen. Dass diese Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich hinnehmbar ist, ist sehr zu bezweifeln. Die Offenlegungspflicht sollte daher auch auf Leistungen
262 Roll, Verhaltensregeln, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 21 S. 615. 263 Zu den notwendigen Aufwendungen eines Abgeordneten für den Wahlkampf vgl. Landfried, Parteifinanzen und politische Macht, S. 121 ff. 264 Koch, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451 (454).
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an Kandidaten zur Wahl des Bundestages erstreckt werden.265 Hierzu bedarf es allerdings einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. 3. Das Fehlen effektiver Sanktionen Vergleicht man die Regelungen des § 4 VerhR über die Abgeordnetenspenden mit dem Parteispendenrecht des Parteiengesetzes, so lässt sich ein deutliches „Sanktionsgefälle“ ausmachen.266 Das Parteiengesetz ahndet die Annahme rechtswidriger Spenden und Verstöße gegen die Rechenschaftspflicht nach den §§ 31b, 31c, 31d ParteiG mit von der Partei zu zahlenden empfindlichen Geldsanktionen sowie mit nebenstrafrechtlichen Geld- bzw. Freiheitsstrafen. Die Verhaltensregeln sehen dagegen in ihrem § 8 I – IV ein – im Gegensatz hierzu geradezu harmloses – Ermittlungsverfahren vor, das als Sanktion die bloße Veröffentlichung des Regelverstoßes als Drucksache und Erhebung eines Ordnungsgeldes vorsieht. Im Übrigen besteht nach § 4 IV der Verhaltensregeln iVm § 25 IV ParteiG zwar die Pflicht rechtswidrig angenommene Spenden an den Bundestagspräsidenten weiterzuleiten, jedoch fehlt hier eine dem § 31c I 1 ParteiG entsprechende Regelung, durch die diese Abführungspflicht durch Einziehung ihres Gegenwertes durchgesetzt werden kann.267 Handelt es sich nämlich um eine Parteispende, entsteht bei Verletzung des § 25 II und IV ParteiG ein Anspruch gegen die Partei in Höhe des Dreifachen der rechtswidrig erlangten und nicht abgeführten Spende. § 31c I 1 ParteiG ist mangels ausdrücklichen Verweises in den Verhaltensregeln nicht auf Abgeordnetenspenden entsprechend anwendbar. Obwohl das Fehlen wirksamer Sanktionen im Abgeordnetenspendenrecht kritisiert werden muss, muss auch bedacht werden, dass Sanktionsmechanismen wie Geld- und Freiheitsstrafen keinesfalls in die Verhaltensregeln aufgenommen werden könnten. Sie würden als Parlamentsinnenrecht nicht dem Gesetzesvorbehalt genügen. Es bedürfte eines formellen Gesetzes als Rechtsgrundlage. Die einfachgesetzliche Einführung solcher Sanktionen sollte jedoch auch zum Anlass genommen werden, insgesamt breitere gesetzliche Grundlagen für das Spendenrecht an Abgeordnete und Mandatsbewerber zu schaffen und somit auch die Verbindlichkeit und den Geltungsbereich der Regelungen auf eine höhere Stufe zu stellen. 4. Schwierigkeiten einer klaren Abgrenzung von Spenden zu den nach § 44 II AbgG verbotenen Interessentenzahlungen Kritisch ist zudem die Abgrenzung von Spenden zu den Interessentenzahlungen, die nach § 44a II AbgG verboten sind. Zwar bleibt von dem Verbot ausdrücklich nach 265 266 267
So auch Klein, Gutachten BT-Drs. 14/6711, S. 19. Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (656). Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (656).
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§ 44a II 4 AbgG die Annahme zulässiger Spenden unberührt, jedoch ist die Frage berechtigt, worin sich ein – nach § 44a II AbgG verbotenes – arbeitsloses Einkommen von ebenso ohne Gegenleistung gezahlten Spenden unterscheidet, insbesondere wenn mehrere aufeinander folgende Spenden durch denselben Spender getätigt werden.268 Allein auf die Merkmale der Unregelmäßigkeit und der Einmaligkeit von Spenden269 kann nicht abgestellt werden. Das Verbot arbeitslosen Einkommens iSd § 44a II AbgG erfasst zwar vor allem laufendes Einkommen ohne angemessene Gegenleistung, jedoch durchaus auch einmalige Zahlungen oder solche von gewisser Unregelmäßigkeit. Im Gegenzug können auch Spenden regelmäßig gewährt werden. Als maßgebliches Abgrenzungskriterium scheint daher allein die Zweckbestimmung einer Spende „für seine politische Tätigkeit“ vorgesehen zu sein. Spenden sollen also politisch-bedingte Mehraufwendungen des Abgeordneten decken, während Zuwendungen im Sinne des § 44a II AbgG grundsätzlich für den privaten Gebrauch des Abgeordneten bestimmt sind.270 Im Einzelnen bleibt die Unterscheidung trotz der verschiedenen Zweckrichtungen in der Praxis schwierig und missbrauchsanfällig. Auch die hinter den Zahlungen steckenden Erwartungen sind nicht immer unterschiedlich oder klar trennbar. Während man bei verbotenen Interessentenzahlungen davon ausgeht, dass sie regelmäßig einen unzulässigen Einfluss auf den Abgeordneten begründen, vermutet man grundsätzlich bei Spenden ein allgemeinpolitisches Engagement des Bürgers. Dass aber auch hinter einer Spende regelmäßig die allgemeine Erwartung bevorzugter Behandlung steht und sie den Abgeordneten dankbar stimmen soll,271 wird bei dieser Abgrenzung übersehen. 5. Problematische Abgrenzung von Abgeordnetenspende und Parteispende Bereits aus den bisherigen Ausführungen ist für die entstehenden Pflichten und Rechtsfolgen erkennbar, dass die Abgrenzung zwischen Abgeordneten- und Parteispende von entscheidender Bedeutung ist.272 Auch sie richtet sich grundsätzlich nach 268
Kritisch diesbezüglich auch von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NVwZ 2006, 249 (252); Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 124; Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (474). 269 Zu diesen Spendenmerkmalen Müller/Albrecht, Fraktionen und Parteien: Getrennt durch den Spendenbegriff ?, DVBl. 2000, 1315 (1322); von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 23. 270 von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 23. 271 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 124; kritisch auch Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (474). 272 Zur Auswirkung der Unterscheidung von Abgeordneten- und Parteispenden auf das Schenkungssteuerrecht siehe Koch, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451 (453). Die steuerrechtlichen Aspekte einer Spende mögen für
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der Zweckrichtung der Spende. Entscheidend ist der im Sinne des objektiven Empfängerhorizontes in Erscheinung tretende Wille des Spenders.273 Ein solcher Wille wird allerdings nicht regelmäßig und in aller Eindeutigkeit äußerlich erkennbar sein. Fraglich ist vor allem, ob davon ausgegangen werden kann, dass einem Spender die Unterscheidung zwischen Abgeordneten- und Parteispende überhaupt bewusst ist.274 Ist die Zweckrichtung der Spende daher nicht aus dem Willen des Zuwendenden erkennbar, so kann als Abgrenzungskriterium hilfsweise zum Beispiel die Funktion des Empfängers der Spende für die Abgrenzung herangezogen werden,275 der Umgang des Empfängers mit der Spende276 oder allgemein die Gesamtumstände der Zuwendung.277 Allerdings bieten auch diese Kriterien nicht immer eindeutige Ergebnisse. Allein aus der Schwierigkeit, effektive Abgrenzungskriterien zu finden, wird deutlich, dass die rechtlich unterschiedliche Behandlung der Partei- und Abgeordnetenspenden undienlich ist. Zum einen ist dies im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot nicht unproblematisch, insbesondere wenn man bedenkt, dass die falsche Behandlung einer Spende durch den Annehmenden strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann (vgl. § 31d ParteiG). Zum anderen sind bewusste Umgehungen der strengeren Vorschriften des Parteiengesetzes durch eine „Flucht“ in die Abgeordnetenspende zu befürchten.278 Dem verfassungsrechtlichen Transparenzgebot politischer Finanzen ist damit ebenso nicht gedient. Wenn man ferner bedenkt, dass eine Direktspende an einen Abgeordneten stets auch – zumindest mittelbar und abgesehen von dem praktisch kaum relevanten Fall eines parteilosen Mandatsträgers – seiner Partei zugute kommt,279 so erscheint die Unterscheidung zwischen Abgeordneten- und Parteispende nicht nur bedenklich sondern auch künstden Zuwendenden wie für den Empfänger von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein. Für diese Arbeit soll an dieser Stelle jedoch der Hinweis auf die unterschiedliche steuerrechtliche Handhabung nach §§ 10b II, 34 g I EStG und § 13 I Nr. 18 ErbStG genügen. Danach können für Parteispenden Steuerbegünstigungen in Anspruch genommen werden. Zudem sind Parteispenden – nicht jedoch Spenden an Abgeordnete – von der Schenkungssteuer befreit. 273 Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (656); Ipsen, Abgeordnetenspenden – eine Regelungslücke des Parteiengesetzes?, NVwZ 2003, 14 (15); Küstermann, Das Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG und seine Ausgestaltung durch das Parteiengesetz, S. 131; Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 80, 82. 274 Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (656). 275 So Ipsen, Abgeordnetenspenden – eine Regelungslücke des Parteiengesetzes?, NVwZ 2003, 14 (15); hierzu auch Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 82 f. 276 So Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (656). 277 So Koch, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451 (454). 278 So Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (656); Ipsen, Abgeordnetenspenden – eine Regelungslücke des Parteiengesetzes?, NVwZ 2003, 14 (17). 279 Koch, Parteispenden – Abgeordnetenspenden – Nicht weitergeleitete Spenden, DÖV 2003, 451 (454).
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lich.280 Aufgrund dessen sollte eine Eingliederung der Direktspenden an Abgeordnete und Kandidaten in das Parteispendensystem in Erwägung gezogen werden. Zumindest aber sollten die Verpflichtungen und Rechtsfolgen, die die Spenden verschiedener Art nach sich ziehen, angeglichen werden, um die Umgehungsgefahren zu minimieren und Rechtssicherheit für die Spendenempfänger zu schaffen. 6. Verbot von Direktspenden? Während an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und gar Gebotenheit von Spenden an Parteien, die sich vor allem aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung der Parteien vor der staatlichen Finanzierung ergibt, keine Zweifel bestehen,281 lässt sich durchaus über ein Verbot von Direktspenden an Abgeordnete und Mandatsbewerber diskutieren. Zum einen könnten damit die aufgezeigten Abgrenzungsschwierigkeiten und Regelungslücken aus dem Weg geräumt werden, zum anderen ist nicht zu leugnen, dass durch jede geldwerte Zuwendung (ohne Gegenleistung) an einen Mandatsträger – sei dies durch Bestechungsgeld, eine verbotene Interessentenzahlung oder bereits durch eine Spende – zumindest die Gefahr der Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit besteht282 und dabei durch die Direktzuwendung ein stärkerer Einfluss bewirkt werden kann als durch eine allgemein gehaltene Spende an die Parteikasse.283 Während zudem das Grundgesetz den regelmäßig erstrebten Einfluss durch Spenden an Parteien in Kauf nimmt, ergibt sich aus Art. 38 I 2 GG und Art. 48 III GG, dass es finanzielle Einflussversuche auf den einzelnen Abgeordneten sehr wohl missbilligt.284 Die Gefahr sachwidriger Einflüsse auf die Ausübung des Mandats würde durch ein Verbot von Direktspenden reduziert.285 Jedenfalls würde es einen erheblichen Beitrag zur Unabhängigkeit des Abgeordneten und zur Transparenz des Parteienfinanzierungsrechts leisten.286 280 Ebenso Ipsen, Abgeordnetenspenden – eine Regelungslücke des Parteiengesetzes?, NVwZ 2003, 14 (17). 281 BVerfGE 20, 56 (105 f.), 24, 300 (356); 85, 264 (289 ff., 315); Morlok, Spenden – Rechenschaft – Sanktionen, NJW 2000, 761 (763) bezeichnet Parteispenden als „wichtiges Element der privaten Finanzierung von Parteien“ und sogar als „Recht des Bürgers“ im Rahmen des „Individualrechts auf politische Betätigung“. 282 Landfried, Parteifinanzen und politische Macht, S. 146; drastischere Worte hierfür findet von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 150, der daraus die Verfassungswidrigkeit jeglicher arbeitsloser Zuwendungen an Abgeordnete schließt; ders., Abgeordnetenkorruption, JZ 1990, 1014 (1015); ders., Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NVwZ 2006, 249 (252); dagegen Schlosser, Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 25. 6. 1980 (Anlage 1 GeschOBT), S. 132. 283 Landfried, Parteifinanzen und politische Macht, S. 143. 284 von Arnim, Das Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 25. 285 Mit dieser Begründung plädierte die sog. „Sendler-Kommission“ in BT-Drs. 12/4425, S. 31, 49 für ein Verbot von Direktspenden an Abgeordnete. 286 Landfried, Parteifinanzen und politische Macht, S. 14; von Arnim, Verbot von Interessentenzahlungen an Abgeordnete, S. 25.
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Um also noch nicht einmal den Anschein der Beeinflussung einzelner Abgeordneter entstehen zu lassen, könnten Spenden gänzlich dem Parteispendenrecht unterstellt werden. Damit wären auch die Umgehungsgefahren gebannt, die sich aus dem dualen System von Abgeordnetenspenden einerseits und Parteispenden andererseits ergeben. Erhielte ein Abgeordneter dennoch eine Zuwendung, müsste er diese unverzüglich an seine Partei weiterleiten. Der Abgeordnete wäre dann allenfalls einem Empfangsboten vergleichbar. Der Betrag würde folglich der Rechenschaftspflicht der Partei nach Art. 21 I 4 GG unterliegen. Eine persönliche Einflussnahme auf den einzelnen Abgeordneten wäre dadurch zumindest reduziert, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Für ein Verbot von Direktspenden an Abgeordnete spricht zudem, dass eine klare Unterscheidung zwischen einer durch § 4 VerhR implizit für zulässig erklärten Spende und einer nach § 44 II AbgG explizit unzulässigen Interessentenzahlung in der Praxis kaum möglich ist.287 Damit kann sich derzeit jede verbotene Zuwendung als erlaubte Spende tarnen. Allein die Unterscheidung, dass Spenden für die politische Tätigkeit des Abgeordneten bestimmt werden, bietet kein hinreichendes Abgrenzungskriterium. Die mögliche Beeinflussung des Empfängers ist in beiden Fällen vergleichbar. Im Übrigen weist von Arnim zurecht darauf hin, dass auch eine für politische Zwecke gegebene Spende letztlich das persönliche Einkommen des Abgeordneten erhöhen kann, wenn dieser für politische Zwecke weniger aus eigenen Mitteln aufbringen muss oder ihm ein größerer Teil der den Abgeordneten gewährten Unkostenpauschale für sich selbst verbleibt.288 Klein argumentiert gegen ein Verbot von Direktspenden, indem er auf Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber anderen Einkünften des Abgeordneten verweist.289 Dieses Argument kann allerdings nicht überzeugen; übersieht es doch, dass die Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich zwischen Direktspenden und den nach § 44 II AbgG unzulässigen Zuwendungen ergeben, viel schwerer wiegen und damit die Waagschale zugunsten eines Verbots füllen. Diesen durchaus starken Argumenten für ein Verbot von Direktspenden an Abgeordnete müssen allerdings auch gewichtige Gründe entgegengehalten werden. Direktspenden an Abgeordnete bedeuten eine größere Unabhängigkeit des Abgeordneten gegenüber seiner Partei.290 Zudem können sie die Chancengleichheit unter den Wahlbewerbern begünstigen: Kandidaten für ein Mandat leisten häufig nicht unerhebliche Beiträge zu ihrer Wahlkampffinanzierung aus eigenen Mitteln. Finanziell 287 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 124; Groß, Erweiterung veröffentlichungspflichtiger Angaben von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, ZRP 2002, 472 (474). 288 von Arnim, Nebentätigkeit von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (906). 289 Klein, Gutachten BT-Drs. 14/6711, S. 19. 290 Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (661); Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 124; Klein, Gutachten BTDrs. 14/6711, S. 19; Kersten, Sicherung der Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Transparenz und Sanktion, NWVBl. 2006, 46 (47).
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schlechter gestellte Bewerber würden vor diesem Hintergrund ohne die finanzielle Unterstützung durch Dritte benachteiligt.291 Ferner ist auf das (wichtige) personale Element in der Politik hinzuweisen.292 Einzelpersönlichkeiten genießen zum Teil höheres politisches Vertrauen als die Parteien. Daher besteht für viele Bürger auch ein Bedürfnis, durch Direktspenden einen bestimmten Mandatsträger oder Kandidaten für das Mandat zu unterstützen.293 Da dies als Ausdruck ihrer politischen Handlungsfreiheit anzuerkennen ist,294 sollte von einem gänzlichen Verbot von Direktspenden abgesehen werden. In diesem Zusammenhang kann eingewendet werden, dass es, um eine bestimmte Person finanziell zu unterstützen, auch die Möglichkeit gibt, eine Parteispende zuzuwenden und diese mit einer Zweckbestimmung „für die politische Arbeit des XY“ zu versehen. Damit wäre zwar dem personellen Element zu einem bestimmten Grade Rechnung getragen, jedoch würde dies eine weitere zusätzliche Angebundenheit des Mandatsträgers an seine Partei bedeuten. Vor allem aber würden damit Parteilose empfindlich benachteiligt. Ist es für parteilose Kandidaten ohnehin faktisch schon schwerer, im Kampf um ein Mandat zu bestehen, so würde der Ausschluss von Direktspenden ihnen eine auch nur annähernd erfolgversprechende Kandidatur quasi unmöglich machen, sofern sie nicht selbst über bedeutende finanzielle Ressourcen für ihre politischen Ambitionen verfügen. Eine solche Chancenungleichheit kann im Hinblick auf die passive Wahlrechtsgleichheit nach Art. 38 I 1 GG nicht hingenommen werden. Von einem Verbot von Direktspenden sollte daher im Ergebnis abgesehen werden. Dies ändert jedoch nichts an der grundlegenden Reformbedürftigkeit des Spendenrechts. Um insbesondere das Argument aufzugreifen, dass die Gefahr des sachwidrigen Einflusses auf Abgeordnete für ein Direktspendenverbot spricht, könnte beispielsweise darüber nachgedacht werden, Spenden pro Person der Höhe nach zu begrenzen. Um eine bessere Differenzierbarkeit zu den verbotenen Interessentenzahlungen und noch mehr Transparenz zu gewährleisten, könnten die Spendenempfänger auch dazu verpflichtet werden, nicht nur den Erhalt sondern auch die Verwendung der Direktspenden anzuzeigen. 7. Ergebnis Das geltende Recht der Abgeordnetenspenden ist unausgewogen und lückenhaft. Eine Ausweitung der Regelungen und eine Anpassung an das Parteispendenrecht erscheinen rechtspolitisch sinnvoll und verfassungsrechtlich notwendig.295 Eine gänzliche Eingliederung in das Parteispendenrecht oder ein Verbot von Direktspenden ist dagegen nicht angezeigt, würde dies doch die – zwar faktisch höchst geringen aber 291
Klein, Gutachten BT-Drs. 14/6711, S. 19. Morlok, Gutachten BT-Drs. 14/6711, S. 71. 293 Kommission unabhängiger Sachverständiger, BT-Drs. 14/6710, S. 38. 294 Kommission unabhängiger Sachverständiger, BT-Drs. 14/6710, S. 38. 295 Vgl. hierzu die Empfehlung der Kommission unabhängiger Sachverständiger, BTDrs. 14/6710, S. 39. 292
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rechtlich denkbaren und grundgesetzlich vorgesehenen – Chancen eines Parteilosen erheblich beeinträchtigen und insofern die Gleichheit der Abgeordneten und der Mandatsbewerber in Frage stellen. Ein spezielles aber inhaltlich angepasstes Rechenschaftssystem für Spenden an Abgeordnete und Kandidaten, ist daher unumgänglich.296 Um konkrete Einflussnahmen einzelner Personen auf einzelne Abgeordnete zu vermeiden, sollten Direktspenden betragsmäßig beschränkt werden. Zudem sollten die Spendenempfänger verpflichtet werden, die Verwendung der Spenden offenzulegen.
V. Erweiterung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung durch Neufassung des § 108e StGB Ferner ist eine Verschärfung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung in Betracht zu ziehen. Wie oben erörtert, ist diese nach geltendem Recht durch § 108e StGB eng abgesteckt.297 Im Übrigen ist ein erheblicher Unterschied zu den für die Judikative und Exekutive geltenden Vorschriften der §§ 331 ff. StGB festzustellen. Ausführliche Überlegungen zu einer Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung sind mitunter Stoff eigener Dissertationen298 und würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch soll die Diskussion um eine Ausweitung des § 108e StGB zumindest skizziert werden, da das Strafrecht durchaus wirkungsvolle Lösungen zur Bewältigung von Interessenkollisionen bieten kann. Besonderes Augenmerk gilt bei dieser Erörterung der Parallele zu den anderen Gewalten. 1. Notwendigkeit einer umfassenderen Strafbarkeit Wie oben dargestellt, zeichnet sich die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB in erster Linie durch seine zahlreichen Strafbarkeitslücken aus. Viele Verhaltensweisen, die durchaus als strafwürdig angesehen werden können, werden nicht von der Vorschrift erfasst. Wenn man zusätzlich die für Beamte, Richter und andere Amtsträger iSd § 11 I Nr. 2 StGB geltenden Strafvorschriften der §§ 331 ff. StGB in die Betrachtung einbezieht, zeigt sich eine deutliche Diskrepanz: Während wegen des engen Tatbestandes im parlamentarischen Bereich lediglich krasse Formen der Korruption mit Strafe bedroht sind, sanktionieren die §§ 331 ff. StGB jeg296
Dementsprechend auch Battis/Kersten, Regelungsdefizite des neuen Parteispendenrechts, JZ 2003, 655 (661). 297 Vgl. die Ausführungen zum Tatbestand des § 108e StGB oben unter B. I. 3. d) bb). 298 Siehe hierzu die jüngeren Untersuchungen von Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, Tübingen 2002; Heisz, Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB, Göttingen 1998; Epp, Die Abgeordnetenbestechung – § 108e StGB, Frankfurt am Main 1997; siehe auch die älteren Abhandlungen von Wolf, Straftaten bei Wahlen und Abstimmungen, Bonn 1961; Kühne, Die Abgeordnetenbestechung – Möglichkeiten einer gesetzlichen Gegenmaßnahme unter dem Grundgesetz, Frankfurt am Main 1971.
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liche Vorteilsannahme im Rahmen der Amtsausübung. Während § 108e StGB beinahe einhellig als rein „symbolisches Strafrecht“ bezeichnet299 und bestritten wird, dass er in einem Strafverfahren jemals zur Anwendung kommen kann, sind strafrechtlich verfolgte Verletzungen der §§ 331 ff. StGB keine Seltenheit. Der in der Öffentlichkeit lauter werdende Ruf nach Abschaffung der strafrechtlichen „Privilegierung der Abgeordneten“ ist daher verständlich.300 Der Korruption sollte nicht nur in der Judikative und der Exekutive glaubwürdig entgegen getreten werden.301 Mag es auch problematisch sein, die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung direkt an die Strafbarkeit exekutiver und judikativer Amtsträgern anzugleichen – dazu an späterer Stelle genaueres302 – so sollte dennoch eine gewisse Gleichwertigkeit der Strafbarkeit unter Berücksichtigung der besonderen Eigenschaften und Funktionen des parlamentarischen Willensbildungsprozesses erwirkt werden. Hierfür spricht auch die Überlegung, dass der gesellschaftliche Schaden, der durch korruptives Verhalten von Abgeordneten angerichtet wird, aufgrund des umfassenderen Wirkungskreises parlamentarischer Entscheidungen, bisweilen ungleich größer sein kann, als der durch Amtsträger verursachte, die in der Regel lediglich über eng umgrenzte Einzelfälle zu entscheiden haben.303 Abgesehen vom Vergleich der Gewalten, sprechen auch gewichtige andere Gründe für die Ausweitung. Abgeordnete treffen im Bundestag grundlegende Entscheidungen, die größtenteils weitreichender sind als die Einzelentscheidungen der Judikative und Exekutive.304 Gerade solche sollten besonders vor korruptiven Einflüssen geschützt werden. Die Integrität des parlamentarischen Willensbildungsprozesses ist ein „fundamentaler Wert der parlamentarischen Demokratie, für deren Schutz nicht auf das Strafrecht verzichtet werden sollte.“305 Dass dieser strafrechtliche Schutz bislang unzureichend ist, ist eindeutig.
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Siehe dazu die Ausführungen und Nachweise oben unter B. I. 3. d) cc). Siehe zum Beispiel Krach/Mascolo, Immer untendurch, Der Spiegel 14/2002, S. 44 ff.; Bönisch/Cziesche/Dahlkamp/Mascolo, Die Vettern der Wirtschaft, Der Spiegel 26/2003, S. 36 ff.; Tomik, „Keine Extrawurst“ für Abgeordnete, FAZ vom 15. 02. 2005, S. 5; von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NStZ 2006, 249 (252). 301 Deiters, Die UN-Konvention gegen Korruption – Wegweiser für eine Revision der deutschen Strafvorschriften, in: von Alemann (Hrsg.), Dimensionen politischer Korruption, S. 424 (426). 302 Vgl. unten unter D. V. 3. 303 Deiters, Die UN-Konvention gegen Korruption – Wegweiser für eine Revision der deutschen Strafvorschriften, in: von Alemann (Hrsg.), Dimensionen politischer Korruption, S. 424 (437). 304 Schaupensteiner, Bekämpfung von Korruptionsdelinquenz, Kriminalistik 1994, 514 (523). 305 Dölling, Empfehlen sich Änderungen des Straf- und Strafprozessrechts, um der Gefahr von Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam zu begegnen?, Gutachten C für den 61. Deutschen Juristentag, S. 82. 300
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Ferner ist zu beachten, dass § 108e StGB weit hinter dem internationalen Standard zurück bleibt.306 Im Übrigen hat der Gesetzgeber selbst die Bestechung von Mitgliedern ausländischer Gesetzgebungsorgane in einem eigens erschaffenen Straftatbestand – namentlich Art. 2 § 2 IntBestG307 – im Vergleich zu § 108e StGB deutlich umfassender unter Strafe gestellt. Von dieser Strafvorschrift erfasst ist, über den reinen Stimmenkauf hinaus, jede Art der Vorteilsgewährung für jede Art von mit dem Mandat zusammenhängende Tätigkeit. Es birgt einen gewissen Selbstwiderspruch, wenn der Gesetzgeber die Beeinflussung inländischer Volksvertretungen nicht ebenso unter Strafe stellt, wie die Beeinflussung ausländischer.308 Zwar wird zum Teil daran gezweifelt, ob Art. 2 § 2 IntBestG dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt;309 dies verdeckt jedoch nicht die Doppelmoral, die der Gesetzgeber hier an den Tag legt. Der Gesetzgeber kann kaum glaubwürdig behaupten, er habe mit dem IntBestG ein verfassungsmäßiges, d. h. vor allem hinreichend konkretes, Gesetz geschaffen und gleichzeitig einwenden, dass die Formulierung eines Straftatbestandes in Bezug auf inländische Mandatsträger so gut wie unmöglich sei. Möglicherweise erforderliche konkretisierende Nachbesserungen am Wortlaut des Art. 2 § 2 IntBestG ändern nichts daran, dass dem Gesetzgeber am Schutz des inländischen Willensbildungsprozesses ebensoviel gelegen sein sollte, wie am ausländischen. Die Strafbarkeitsdiskrepanz führt zudem leicht zu dem Vorwurf der Selbstbevorzugung der Ab-
306 Wolf, Internationalisierung des Antikorruptionsstrafrechts: Kritische Analyse zum Zweiten Korruptionsbekämpfungsgesetz, ZRP 2007, 44 (46); vgl. zu entsprechenden Regelungen ausländischer Staaten Möhrenschlager, Die Struktur des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung auf dem Prüfstand – Historisches und Künftiges, in: FS Weber, S. 217 (224 – 227), sowie Überhofen, Korruption und Bestechungsdelikte im staatlichen Bereich, S. 404 f., 425 ff., 448 f. Zum Teil wird die umfassendere Strafbarkeit von Mandatsträgern im Ausland durch eine grundlegende Gleichstellung mit anderen Amtsträgern erreicht, zum Teil durch weiter gehende Spezialtatbestände für Abgeordnete. 307 Zum Wortlaut und weiteren Einzelheiten der Strafvorschrift siehe oben den Exkurs nach B. I. 3. d) cc). 308 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 38 f.; Waldhoff misst in seinem Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 40 diesen Gesetzen dagegen keinerlei Bedeutung im Hinblick auf die Regelungen für die Beeinflussung deutscher Abgeordneter zu; „Harmonisierungsbedarf“ erkennt dagegen auch Korte, Der Einsatz des Strafrechts zur Bekämpfung der internationalen Korruption, wistra 1999, 81 (87); ähnlich auch Dölling, Die Neuregelung der Strafvorschriften gegen Korruption, ZStW 112 (2000), 334 (354); Deiters, Die UN-Konvention gegen Korruption – Wegweiser für eine Revision der deutschen Strafvorschriften, in: von Alemann (Hrsg.), Dimensionen politischer Korruption, S. 424 (435 f.); Härtl, Wahlstraftaten, S. 217. 309 Zieschang, Das EU-Bestechungsgesetz und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung, NJW 1999, 105 (107) gibt zu bedenken, ob Art. 2 § 2 IntBestG möglicherweise zu weit geraten sei; kritisch auch Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 45; zum IntBestG allgemein Kubica, Korruption – Der Feind von Demokratie und Freiheit. Ein Lagebericht, in: Gehl (Hrsg.), Korruption: Krebsgeschwür der demokratischen Gesellschaft, S. 13 (17).
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geordneten des Deutschen Bundestages. Dieser schadet dem Ansehen der parlamentarischen Demokratie. Entsprechend inkonsequent wäre das Unterlassen einer Erweiterung der Strafbarkeit auch im Hinblick auf die völkerrechtliche Einbettung der Bundesrepublik in das internationale Bemühen um die Bekämpfung der Korruption. In diesem Zuge hat Deutschland am 09. 12. 2003 die UN-Konvention gegen Korruption310 unterzeichnet. Diese ist am 14. 12. 2005 in Kraft getreten, nachdem der völkerrechtliche Vertrag durch den 30. Staat ratifiziert wurde.311 Deutschland hat den Vertrag bis heute nicht ratifiziert,312 so dass er bislang für und in Deutschland keine rechtlichen Wirkungen entfaltet. Dennoch hat sich Deutschland durch die Unterzeichnung politisch gebunden, die erforderlichen Schritte zur Umsetzung und Ratifikation der Konvention in Deutschland zu ergreifen.313 Eine Weigerung oder bereits ein überlanges Zögern beschädigt das Ansehen Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft und ist überdies politisch kaum verständlich.314 Inhaltlich fordert die Konvention von den Vertragsstaaten, die Bestechung nationaler und internationaler Amtsträger strafrechtlich zu sanktionieren.315 Zu den Amtsträgern zählen im Sinne der Konvention auch Abgeordnete in Volksvertretungen. Diese Gleichstellung von Amtsträgern und Abgeordneten wird als Haupthindernis gesehen, die Konvention für Deutschland verbindlich zu machen,316 da das deutsche Rechtssystem auf der Unterscheidung besteht. Zwar ist anzuerkennen, dass Abgeordnete nicht als Amtsträger im Sinne von weisungsgebundenen Vollziehern der Gesetze anzusehen sind; dennoch kann diese Unterscheidung nicht die enorme Diskrepanz der Strafbarkeiten rechtfertigen. Insbeson310 Diese „United Nations Convention against Corruption“ wurde am 31. 10. 2003 durch die Resolution A/Res/58/4 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. 311 Vgl. Art. 68 der Konvention; zum gegenwärtigen Stand der Ratifikationen siehe die stets aktualisierten Angaben im Internet auf http://www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/signato ries.html (Stand: 11. 02. 2008); Martiny preist die Konvention als das „erste globale, völkerrechtlich bindende Instrument, das der Korruption weltweit Schranken setzen kann“, vgl. Martiny, Die UN-Konvention gegen Korruption und ihre Auswirkungen auf Deutschland, in: von Arnim (Hrsg.), Korruption und Korruptionsbekämpfung, S. 189 (196). 312 Mit Stand vom 11. 02. 2008 gehört Deutschland zu den nur 33 von den insgesamt 140 Vertragsstaaten, die die Konvention noch nicht ratifiziert haben. 313 Hierzu Möhrenschlager, Die Struktur des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung auf dem Prüfstand – Historisches und Künftiges, in: FS Weber, S. 217 (230). 314 Martiny, Die UN-Konvention gegen Korruption und ihre Auswirkungen auf Deutschland, in: von Arnim (Hrsg.), Korruption und Korruptionsbekämpfung, S. 189 (195). 315 Vgl. die Art. 15 und 16 der Konvention; zu inhaltlichen Einzelheiten der Konvention siehe Stolpe, Internationale Vorgaben zur Korruptionsbekämpfung, Kriminalistik 2004, 292 ff.; van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (409 ff.); Deiters, Die UN-Konvention gegen Korruption – Wegweiser für eine Revision der deutschen Strafvorschriften, in: von Alemann (Hrsg.), Dimensionen politischer Korruption, S. 424 (427 ff.); Stünker, Strafbarkeit der Einflussnahme auf Volksvertreter, in: FS Meyer, S. 589 (594); Härtl, Wahlstraftaten, S. 219 f. 316 Martiny, Die UN-Konvention gegen Korruption und ihre Auswirkungen auf Deutschland, in: von Arnim (Hrsg.), Korruption und Korruptionsbekämpfung, S. 189 (196).
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dere das IntBestG zeigt, dass eine Angleichung möglich ist. Allein die Strafbarkeit des Stimmenkaufs, wie ihn § 108e StGB vorsieht, genügt den Vorgaben der Konvention jedoch nicht. Nach ihr muss auch die verwerfliche Beeinflussung eines Abgeordneten bei der sonstigen Wahrnehmung seines Mandats strafrechtlich erfasst sein.317 Entsprechendes gilt auch für das von Deutschland unterzeichnete aber noch nicht ratifizierte Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates vom 27. 01. 1999, das am 01. 07. 2002 in Kraft getreten ist und ebenso eine deutlich weiter gefasste Strafbarkeit für Abgeordnete fordert.318 Will Deutschland den internationalen Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung nicht nachstehen und die Konventionen ratifizieren, ist eine grundlegende Änderung des § 108e StGB unumgänglich.319 2. Die üblichsten Gegenargumente Einer Erweiterung des Tatbestandes des § 108e StGB werden in erster Linie zwei ineinandergreifende Aspekt entgegengehalten, die häufig als pauschalisierte „Totschlagsargumente“ fungieren und jede weitergehende Diskussion um die Tatbestandserweiterung ausbremsen. Zum einen wird gewarnt, parlamentarisch Übliches dürfe keinesfalls pönalisiert werden.320 Zum anderen wird vielfach der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG als Gegenargument bemüht. Doch was ist parlamentarisch üblich, was im Gegensatz dazu strafwürdig? So stellt zum Beispiel Barton fest, dass immer noch nicht eindeutig geklärt sei, was politisch inadäquates Verhalten eigentlich ausmacht.321 Geben und Nehmen, das Eingehen von Kompromissen durch gegenseitiges Nachgeben und gleichzeitiges Fordern und die Einwirkung von Interessengruppen gehören zum politischen Geschehen einer repräsentativen Demokratie;322 das Sich-bezahlen-lassen für ein bestimmtes Verhalten, sei dies eine konkrete Stimmabgabe oder ein sonstiges Handeln im Rahmen der parlamentarischen Willensbildung, dagegen eindeutig nicht. Doch wo genau ist die Grenzlinie zwischen verbo317 Vgl. die Pressemitteilung Nr. 100/03, Deutschland zeichnet UN-Konvention gegen Korruption, vom 11. 12. 2003 des Bundesministeriums der Justiz; zu den konkret nötig werdenden Änderungen des deutschen Strafrechts van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (430). 318 Hierzu van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (429); Stünker, Strafbarkeit der Einflussnahme auf Volksvertreter, in: FS Meyer, S. 589 (593 f.); Härtl, Wahlstraftaten, S. 218 f. 319 So auch van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (426); Martiny, Die UN-Konvention gegen Korruption und ihre Auswirkungen auf Deutschland, in: von Arnim (Hrsg.), Korruption und Korruptionsbekämpfung, S. 189 (196, 199). 320 Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 41. 321 Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098 (1101). 322 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 189.
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tenem und noch erlaubtem Verhalten zu ziehen?323 In diesem Punkt spiegeln sich die Schwierigkeiten wider, die schon bei der Schaffung des § 108e StGB bestanden und die Entstehung der Vorschrift über lange Zeit vereitelt haben: Ein Straftatbestand muss hinreichend konkret das strafbare Verhalten umschreiben. Verbotene und erlaubte Handlungen müssen klar voneinander unterschieden werden. Dazu muss Klarheit herrschen, welches Verhalten strafwürdiges Unrecht darstellt und welches als politisch adäquates Verhalten gerade nicht. In diesem Zuge ist zuzugeben, dass die Schaffung eines hinreichend konkreten und umfassenderen Tatbestandes nicht einfach ist. Jedoch ist es ein Trugschluss anzunehmen, dass jede Erweiterung des Straftatbestandes, eben diesen zu unkonkret werden ließe und noch dazu übliche Parlamentspraktiken unter Strafe stelle. Zunächst gibt es derzeit einige Strafbarkeitslücken, die durch einfache und gewiss hinreichend konkrete Umformulierungen des § 108e StGB geschlossen werden könnten. So könnten zum Beispiel Bestechungen in Bezug auf Abstimmungen und Wahlen in Fraktionen und anderen parlamentarischen Gremien leicht in den Tatbestand einbezogen werden. Da in den Fraktionen wesentliche Weichenstellungen der politischen Willensbildung festgelegt werden und angesichts der üblichen Fraktionsdisziplin die eigentliche Meinungsbildung des Abgeordneten über sein späteres Abstimmungsverhalten häufig gerade hier stattfindet, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Bestechungen auf dieser Willensbildungsebene ebenso als strafwürdig anzusehen sind.324 Dölling stellt diesbezüglich überzeugend fest, dass der Kauf und Verkauf aller Handlungen und Unterlassungen unter Strafe gestellt werden könnten, die ein Abgeordneter in Ausübung seines Mandats im Plenum, in den Ausschüssen und in den Fraktionen vornimmt.325 Er führt weiter aus, eine hinreichend klare Abgrenzung zu sonstigen politischen Tätigkeiten sei durch einen Verweis auf die durch das Grundgesetz, einfaches Gesetz und die Geschäftsordnung übertragenen Befugnisse des Abgeordneten im parlamentarischen Willensbildungsprozess zu erreichen.326 Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 108e StGB auf Abstimmungen in Fraktionen und anderen parlamentarischen Gremien genügt freilich noch nicht dem Ziel, die gesamte Mandatswahrnehmung vor unlauteren Einflussnahmen und dem Missbrauch 323 Mit der Grenzziehung zwischen adäquatem Verhalten und Korruption im Allgemeinen beschäftigen sich zum Beispiel Kerner/Rixen, Ist Korruption ein Strafrechtsproblem?, GA 1996, 355 (362 ff.). 324 Für Ausweitung auf Abstimmungen in Fraktionen auch Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 31; Schaupensteiner, Wachstumsbranche Korruption, Kriminalistik 2003, 9 (12); im Ergebnis ebenso Epp, Die Abgeordnetenbestechung – § 108e StGB, S. 400. 325 Dölling, Empfehlen sich Änderungen des Straf- und Strafprozessrechts, um der Gefahr von Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam zu begegnen?, Gutachten C für den 61. Deutschen Juristentag, S. 83. 326 Dölling, Empfehlen sich Änderungen des Straf- und Strafprozessrechts, um der Gefahr von Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam zu begegnen?, Gutachten C für den 61. Deutschen Juristentag, S. 83; ausdrücklich gegen eine Erweiterung sprechen sich Kerner/Rixen, Ist Korruption ein Strafrechtsproblem?, GA 1996, 355 (387) aus.
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durch die Mandatsträger zu schützen. Sie wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung, dem sich auch die größten Skeptiker nicht verstellen können. Im Übrigen zeigt es, wie pauschal teilweise die beiden eingangs erwähnten Aspekte herangezogen werden, um jegliche ins Detail gehende Diskussion um eine Strafbarkeitserweiterung im Keime zu ersticken. Trotz der vielfältigen Handlungsweisen im politischen Prozess gibt es über den eigentlichen Stimmenkauf hinaus einige Verhaltensweisen, die eindeutig strafwürdig sind und tatbestandlich nicht allzu schwer zu umreißen sein dürften. Strafwürdig ist indes jede Entgegennahme von Vorteilen, insbesondere finanzieller Art, als Gegenleistung für ein zur Mandatsausübung gehörendes Verhalten,327 ohne dass das Abgeordnetenverhalten unbedingt ein Abstimmungsverhalten darstellen müsste. Zu pauschal argumentiert auch Nolte,328 der jegliche Strafbarkeitserweiterung ablehnt. Die spezifische Art und Weise des politischen Handels dürfe nicht durch strafrechtliche Reglementierungen bestimmt werden. Dies widerspräche der Freiheit des Willensbildungsprozesses in einer repräsentativen Demokratie. So stehe es Abgeordneten frei, wie sie zu ihren Entscheidungen gelangten. Ob dahinter verwerfliche Motive steckten, sei allein Sache des Wählers zu entscheiden. Hierbei übersieht Nolte, dass es dem Wähler kaum möglich ist, die Wahl oder Nichtwahl einzelner Abgeordneter wirklich zu beeinflussen. Allenfalls die Direktkandidaten könnten unmittelbar durch die Wählerschaft sanktioniert werden, während deren Mandate aber gleichsam durch gute Listenplätze gesichert sein können. Zudem hat der Wähler keinen Einfluss auf die Aufstellung der Kandidaten durch die Parteien.329 Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der Praxis ein Wähler wegen der korruptiven Verfehlung einzelner Mandatsträger der gesamten Partei sein Vertrauen entzieht, wenn es sich nicht gerade um die parteipolitischen Vorreiter handelt. Der Verweis auf die Sanktionierung durch den Wähler ist daher zwar ein schöner Fingerzeig auf die Mechanismen der Demokratie und mag, sofern es um die bloße Verknüpfung von Interessen und weniger schwerwiegende mandatswidrige Einflussnahmen geht, auch ausreichen. Er genügt jedoch in seiner praktischen Konsequenz nicht, wenn Formen der unlauteren Einflussnahme in Rede stehen, die für den Einzelnen strafwürdiges Unrecht darstellen. Um das Unrecht, das daher in manchen Fällen zu Tage tritt, effektiv und im Einzelfall erfassen zu können, kann zur Ergänzung der demokratischen Mechanismen nicht auf das Strafrecht verzichtet werden. Als weiteres Gegenargument wird bisweilen zu bedenken gegeben, die Pönalisierung parlamentarischer Verhaltensweisen gefährde das Prinzip der Gewaltenteilung, 327 Deiters, Die UN-Konvention gegen Korruption – Wegweiser für eine Revision der deutschen Strafvorschriften, in: von Alemann (Hrsg.), Dimensionen politischer Korruption, S. 424 (437). 328 Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (879). 329 Kritisch hierzu von Arnim, Wahl ohne Auswahl, ZRP 2004, 115 (116); ders., Wählen wir unsere Abgeordneten unmittelbar?, JZ 2002, 578 (579 ff.), der für eine Wahlrechtsreform zur Abschaffung der „starren Listen“ plädiert.
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„da die Strafjustiz Einfluss auf die Arbeitsweise des Parlaments erhält und politisch instrumentalisiert werden könnte.“330 Diese Bedenken könnten dafür sprechen, den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung in seiner engen Form zu belassen und ansonsten auf parlamentsinterne Sanktionsmechanismen, wie die der Verhaltensregeln, zu vertrauen. Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass einer externen Instrumentalisierung der Strafverfolgung durch die Immunität der Abgeordneten nach Art. 46 II GG Grenzen gesetzt sind. Zudem setzt jede Ermittlung durch die Staatanwaltschaft einen Anfangsverdacht voraus (§ 152 II StPO). Die Gefahr eines willkürlichen Eingriffs der Strafverfolgungsorgane in den parlamentarischen Betrieb wird also überschätzt.331 Die Gewaltenteilung jedenfalls, die im Grundgesetz ohnehin nicht ohne Durchbrechungen ausgestaltet ist, wird durch eine weitergehende Strafvorschrift nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch der Einwand ein weiter Straftatbestand führe zu gegenseitigen Bespitzelungen der Abgeordneten, überzeugt nicht. Die Annahme, der Verdacht einer Straftat könne insbesondere in Wahlkampfzeiten als „politisches Kampfmittel“ missbraucht werden und so das politische Geschehen stark beeinträchtigen,332 überspitzt die zu erwartenden Folgen einer Strafbarkeitserweiterung. Bereits heute werden von Zeit zu Zeit Vorwürfe über unlautere Einflussnahmen auf Politiker laut. Obwohl diese nicht umfassend einer Strafbarkeit unterliegen, können solche Vorwürfe bereits bei geltender Rechtslage – nicht zuletzt durch die stets ausführliche Berichterstattung in den Medien – erheblichen Schaden für die politische Karriere des Betreffenden anrichten. Im Übrigen kann von den Strafverfolgungsbehörden insbesondere in Zeiten vor Wahlen besonderes „Fingerspitzengefühl“ bei der Ermittlung erwartet werden. Denkbar ist sogar, dass es durchaus von Vorteil für einen Abgeordneten sein kann, der sich derartigen Vorwürfen ausgesetzt sieht, wenn offizielle Untersuchungen den Sachverhalt aufarbeiteten und dies nicht allein der bisweilen „skandalsüchtigen“ Medienlandschaft überlassen bliebe. Die Ermittlungsbehörden sind dabei schließlich besonders der Objektivität verpflichtet. Insofern sollten hierin nicht nur Gefahren für das Ansehen eines Abgeordneten gesehen, sondern ebenso die Möglichkeit hervorgehoben werden, sich von entsprechenden Vorwürfen reinzuwaschen. Eine höhere Missbrauchsmöglichkeit als die ohnehin schon bestehende, ist daher zu bezweifeln.
330 Waldhoff, Gutachten zu Rechtsproblemen erweiterter Offenlegungspflichten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Grundsätze der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, S. 41; hierzu auch Schlüchter, Zur (Un-)Lauterkeit in den Volksvertretungen, in: FS Geerds, S. 713 (723). 331 So auch Schlüchter, Zur (Un-)Lauterkeit in den Volksvertretungen, in: FS Geerds, S. 713 (723). 332 Schlüchter, Zur (Un-)Lauterkeit in den Volksvertretungen, in: FS Geerds, S. 713 (725); Schaller, Strafrechtliche Probleme der Abgeordnetenbestechung, S. 116; dies anklingend auch Dürr, Lücken oder Sackgasse – Strafvorschriften gegen Fehlverhalten von Abgeordneten?, ZRP 1979, 264.
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3. Erweiterung durch Anpassung des § 108e StGB an die §§ 331 ff. StGB? Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass eine Strafbarkeitserweiterung erforderlich ist. Auch wenn als Begründung dafür die großen Strafbarkeitsunterschiede zwischen der Legislative einerseits und der Exekutive und Judikative andererseits herangezogen werden, so ist es dennoch nicht damit getan, den Anwendungsbereich der §§ 331 ff. StGB auf Vorteilsannahmen und Bestechlichkeiten von Mandatsträgern zu erweitern oder dieselben Tatbestandsmerkmale in § 108e StGB einzufügen. Gegen eine schlichte Eingliederung der Abgeordnetenbestechung in die §§ 331 ff. StGB sprechen zunächst die – teilweise bereits angesprochenen – beträchtlich differierenden Aufgabenfelder und Grundsätze der Aufgabenwahrnehmung. Amtsträger iSd §§ 331 ff., 11 I Nr. 2 StGB haben genauestens die geltenden Gesetze zu vollziehen und sich an den vorgegebenen Sachgesichtspunkten zu orientieren.333 Mit Ausnahme des unabhängigen Richteramtes, sind die Amtsträger weisungsgebunden und müssen auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung achten. Sie haben einen klar definierten Pflichtenkreis. Ein solcher besteht für Mandatsträger dagegen nicht.334 Sie bilden geradezu den „Gegentypen“ des Bediensteten.335 Sie sind nach Art. 38 I 2 GG bzw. nach entsprechenden landes- und europarechtlichen Normen336 frei in ihrer Mandatsausübung, abgesehen von der Gemeinwohlgebundenheit und dem Sachlichkeitsgebot ihres Handelns weder weisungs-, noch an andere Gesichtspunkte gebunden. In den Volksvertretungen werden gerade erst die von Exekutive und Judikative anzuwendenden Gesetze geschaffen und die für die Vollziehung maßgeblichen Gesichtspunkte festgelegt. Während Beamte und Richter absolut neutral ihr Amt auszuführen haben und sich niemals von persönlichen Interessen leiten lassen dürfen, ist es für Abgeordnete in der politischen Auseinandersetzung durchaus legitim, ganz bestimmte Interessen zu vertreten, mitunter auch solche, die zum eigenen Vorteil gereichen,337 sofern sie sich nur am Gemeinwohl orientieren. Was im Bereich der Judikative und Exekutive als undenkbar gilt, gehört im legislativen Bereich zum politischen Leben und ist – bis zu einem gewissen Maße – auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Maßstab zur Abgrenzung des noch hinnehmbaren vom strafwürdigen 333 Dölling, Empfehlen sich Änderungen des Straf- und Strafprozessrechts, um der Gefahr von Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam zu begegnen?, Gutachten C für den 61. Deutschen Juristentag, S. 82. 334 Schlüchter, Zur (Un-)Lauterkeit in den Volksvertretungen, in: FS Geerds, S. 713 (725); BT-Drs. 13/10428, S. 7. 335 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334); Köttgen, Abgeordnete und Minister als Statusinhaber, in: GS Jellinek, S. 195 (213). 336 Vgl. z. B. Art. 27 III 2 LVerf BW, § 2 EuAbgG, Art. 190 V EG-Vertrag iVm Art. 6 I Direktwahlakt (DWA) iVm Art. 2 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. 337 Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098; Dölling, Empfehlen sich Änderungen des Straf- und Strafprozessrechts, um der Gefahr von Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam zu begegnen?, Gutachten C für den 61. Deutschen Juristentag, S. 82.
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Verhalten kann für in ihrer Mandatsausübung freie Abgeordnete jedenfalls nicht derselbe sein wie bei in besonderem Dienst- und Treueverhältnis stehenden Beamten.338 Schon daher kann die Strafbarkeit von Mandatsträgern nicht so weit gefasst werden, wie die der Amtsträger iSd §§ 331 ff., 11 I Nr. 2 StGB. Veranschaulicht wird dies vor allem am Tatbestandsmerkmal des „Vorteils“: Im Rahmen der §§ 331 ff. StGB gilt ein weiter Vorteilsbegriff, der jede materielle und immaterielle Besserstellung erfasst.339 Im parlamentarischen Alltag entspricht es allerdings politischer Adäquanz, dass Abgeordneten für entsprechendes Wahl- oder Abstimmungsverhalten z. B. ein Amt in der zu wählenden Regierung, ein sicherer Listenplatz oder andere Förderungen der politischen Karriere zumindest konkludent in Aussicht gestellt werden.340 Diese politische Realität gilt nicht als strafwürdig, so dass sich jedenfalls eine Übertragung des weiten Vorteilsbegriffs der §§ 331 ff. StGB verbietet. Auch im Übrigen lassen sich die Grundsätze der exekutiven und judikativen Amtsführung nicht auf die Legislative übertragen, so dass sich weder eine Eingliederung der Mandatsträger in den Anwendungsbereich der §§ 331 ff. StGB empfiehlt,341 noch eine blinde Übertragung derer Tatbestandsmerkmale auf § 108e StGB. Dennoch sollte sich eine Reform des § 108e StGB inhaltlich an den §§ 331 ff. StGB orientieren, um eine möglichst gleichwertige Behandlung der verschiedenen Gewalten herzustellen. 4. Ergebnis Die Strafbarkeit von unlauteren Beeinflussungen der Mandatsträger muss im Ergebnis also dringend erweitert werden,342 um eine gleichwertige Bekämpfung der Korruption im In- und Ausland und zwischen den unterschiedlichen Trägern der Staatsgewalt sicherzustellen. Eine umfassendere Strafbarkeit kann allerdings nicht durch eine Erstreckung des Amtsträgerbegriffs der §§ 331 ff., 11 I Nr. 2 StGB auf die Abgeordneten erfolgen. Die Lösung muss in der Erweiterung des § 108e StGB gesucht werden,343 die sich an den Vorgaben der internationalen Abkommen und der bereits vorhandenen Strafvorschrift nach dem IntBestG orientieren sollte. Die Änderungen müssen sich am verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz messen lassen. 338
So auch Klatt, Rechtliche Möglichkeiten gegen Mandatsmissbrauch, ZParl 10 (1979), 445 (447). 339 Fischer, StGB, § 331 Rn 11. Siehe hierzu auch oben die Ausführungen unter B. II. 1. b) bb). 340 Schulze, Zur Frage der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, JR 1973, 485 (486 f.). 341 Ebenso Stünker, Strafbarkeit der Einflussnahme auf Volksvertreter, in: FS Meyer, S. 589 (595 ff.). 342 So auch der 5. Strafsenat in BGHSt 51, 44 (60). 343 Stünker schlägt die Einführung eines § 108 f StGB vor, vgl. Stünker, Strafbarkeit der Einflussnahme auf Volksvertreter, in: FS Meyer, S. 589 (597).
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VI. Genehmigungspflichten? Das Nebentätigkeitsrecht für Beamte und Richter ist geprägt vom Grundsatz der Genehmigungspflicht. Vor diesem Hintergrund kann überlegt werden, ob dieses – im Beamten- und Richterrecht bewährte – Prinzip auch für den legislativen Bereich eine Möglichkeit wäre, den Konflikten, die aus Nebentätigkeiten von Abgeordneten resultieren, zu begegnen. Ein entsprechender Vorschlag wurde sogar bereits einmal in den Bundestag eingebracht,344 sodann jedoch nicht weiter verfolgt. Genehmigungspflichten haben den Vorteil, dass bereits vor Aufnahme der Nebentätigkeit ein – an der wirtschaftlichen Beziehung zwischen dem Amtsträger und seinem Vertragspartner – Unbeteiligter anhand von staatlichen Interessen beurteilen kann, ob die konkret angestrebte Tätigkeit mit den Pflichten aus dem Amtsverhältnis vereinbar ist. So können unerwünschte Interessenverflechtungen bereits an ihrer Entstehung gehindert und sachwidrige Einflüsse auf die Staatsgewalt verhindert werden. Dennoch bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Übertragung dieses Regelungsinstruments auf Nebentätigkeiten der Abgeordneten. Diese decken sich zum Teil mit den vorangegangenen Gründen, die auch bereits gegen eine Eingliederung der Abgeordnetenbestechung in die Strafvorschriften für sonstige Amtsträger (§§ 331 ff. StGB) sprachen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken manifestieren sich in erster Linie im Hinblick auf den Grundsatz des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG und das darauf beruhende grundgesetzliche Abgeordnetenbild. Der Abgeordnete gilt als der „begriffliche Gegentyp des Bediensteten“.345 Er hat weder einen Dienstherrn, noch schuldet er konkrete Dienste oder ist innerhalb einer Ämterhierarchie weisungsgebunden. Der beamtenrechtliche Grundsatz der Genehmigungspflichtigkeit von Nebentätigkeiten ist jedoch gerade Sinnbild der Einordnung des Beamten in die hierarchische Dienststruktur. Die rechtliche Beurteilung, ob eine Nebentätigkeit mit dem Amt vereinbar ist, ist dem Beamten entzogen. Sie wird durch den Dienstherrn vorgenommen, der gegebenenfalls die Genehmigung versagen kann und so die Aufnahme der Nebentätigkeit zum Dienstvergehen macht. Eine solche Unterworfenheit kann es dagegen für Abgeordnete nach dem grundgesetzlichen Mandatsverständnis nicht geben. Der Abgeordnete nimmt in nach Art. 38 I 2 GG verbürgter Unabhängigkeit sein Mandat wahr.346 Er ist danach nicht nur in seinen parlamentarischen Entscheidungen frei, sondern auch in der Entscheidung, wie intensiv und mit welchen Tätigkeitsschwerpunkten er sein Mandat ausüben will. Dies schließt grundsätzlich auch die freie Entscheidung über Art und Umfang von Nebentätigkeiten ein. Für all dies muss er sich allein nach demokratischen Grundsätzen, d. h. insbesondere politisch gegenüber der Wahlöffentlichkeit, verantworten. Diese demokratische Verantwortlichkeit wird in Bezug 344
Vgl. BT-Drs. 13/3284; angedacht wird dies auch von Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (122). 345 Köttgen, Abgeordnete und Minister als Statusinhaber, in: GS Jellinek, S. 195 (213). 346 BVerfGE 40, 296 (316).
VI. Genehmigungspflichten?
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auf die Nebentätigkeiten durch die Anzeige- und Veröffentlichungspflichten ermöglicht. Dagegen besteht von Verfassungs wegen kein Rechtfertigungszwang gegenüber irgendeinem Dienstherrn. Ein solcher würde die Mandatsfreiheiten beeinträchtigen und daher einen Verstoß gegen Art. 38 I 2 GG darstellen. Die Garantie des freien Mandats in Art. 38 I 2 GG zeigt, dass das Grundgesetz eine eindeutige Differenzierung zwischen Beamten und Abgeordneten vornimmt. Ihre Statusverhältnisse sind grundverschieden. Diese Erkenntnis verhindert eine Angleichung des Abgeordnetenstatus an den des Beamten. Die Einführung von Genehmigungspflichten würde eine vor diesem Hintergrund bedenkliche Annäherung an den Beamtenstatus bewirken, da sie die Entscheidung über das Ob und Wie der Abgeordnetentätigkeiten wie in einer Diensthierarchie auf eine entscheidungsbefugte Instanz hebt. Sie würden daher nicht nur einen mit der Mandatsfreiheit unvereinbaren Rechtfertigungszwang gegenüber einem Dienstherrn bewirken, sondern darüber hinaus dem grundgesetzlichen Abgeordnetenbild widersprechen.347 Bei einer Genehmigungspflichtigkeit für Nebentätigkeiten ergäbe sich darüber hinaus auch schon das praktische Problem, wer für die Erteilung solcher Genehmigungen zuständig sein könnte.348 Anders als bei Beamten besteht für die Abgeordneten kein oberster Dienstherr. Sie sind nicht in einen hierarchischen Aufbau eingegliedert, der eine Genehmigung durch höhere Stellen praktisch möglich macht. Auch das Präsidium des Bundestages ist den anderen Abgeordneten nicht in einem dienstrechtsähnlichen Sinne übergeordnet.349 Es ist gegenüber den Abgeordneten allenfalls im sitzungspolizeilichen und -leitenden Zusammenhang weisungsbefugt. Zwar wird dem Präsidium bereits nach den geltenden Anzeige- und Veröffentlichungspflichten die Befugnis zuteil, die Erfüllung der Offenlegungspflichten zu überwachen und gegebenenfalls Pflichtverstöße zu sanktionieren. Damit verbunden ist jedoch keine inhaltliche Bewertung des Präsidiums über die Mandatsverträglichkeit oder andere Auswirkungen der Nebentätigkeiten auf das Mandat. Eine solche inhaltliche Prüfung käme einer Genehmigungspflicht gleich, die mit den Grundsätzen des freien Mandats nach Art. 38 I 2 GG in Abgrenzung zur beamtenrechtlichen Weisungsunterworfenheit nicht vereinbar wäre. Aus diesen Gründen kann auch der Vorschlag Lincks nicht durchgreifen, eine unabhängige „Prüfungs- und Clearingstelle“ einzurichten, etwa in Form eines Ehrenrates, die das Vertrauen der Bevölkerung genießt und der zunächst die anzeigepflichtigen Daten von den Abgeordneten zugeleitet werden. Diese Stelle könne dann prüfen, ob die Tätigkeiten des Abgeordneten und seine daraus erzielten Einkünfte die Unabhängigkeit des Abgeordneten und die Funktionstüchtigkeit des Parlaments nicht nur abstrakt, sondern konkret gefährden. Bejahe sie eine konkrete Gefährdung, 347 Ablehnend gegenüber Genehmigungspflichten auch, aber ohne nähere Begründung Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, § 44a Rn 33 Fn 78. 348 So auch Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (122). 349 Rothaug, Die Leitungskompetenz des Bundestagspräsidenten, S. 66.
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
solle sie den Abgeordneten auffordern, von der gefährdenden Tätigkeit Abstand zu nehmen. Folgt der Abgeordnete dieser Aufforderung nicht, so seien dann erst die angezeigten Daten zu veröffentlichen.350 Diese Form der Filterung der an die Öffentlichkeit tretenden Informationen hat zwar den Vorteil, dass sich der Abgeordnete nicht für jede Tätigkeit vor der Öffentlichkeit rechtfertigen muss. Sie kann zudem helfen, die wirklich mandatswidrigen Fälle der Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte sichtbar zu machen. Allerdings verhindert sie die bezweckte demokratische Transparenz. Es obliegt dem Wähler, politisch zu entscheiden, welche Interessen er in einem Abgeordneten verkörpert sehen will. Hierzu dienen ihm umfangreiche Informationen über die Tätigkeiten der Abgeordneten. Werden diese ihm jedoch nur in Bruchstücken übermittelt, so kann er sich kein vollständiges Bild verschaffen. Insbesondere aber würde die Einführung eines solchen Kontrollgremiums ebenso wie reine Genehmigungspflichten den Abgeordneten einer Hierarchie unterstellen. Anders als bei den derzeit geltenden Anzeigeund Veröffentlichungspflichten, bei denen durch den Bundestagspräsidenten nur die formelle Erfüllung der Anzeigepflichten überwacht wird, würde durch eine von Linck vorgeschlagene Stelle die jeweilige Nebentätigkeit in ihren materiellen Auswirkungen überprüft und bewertet. Da dem Abgeordneten aber die Freiheit des Mandats nach Art. 38 I 2 GG gewährleistet ist, darf er gerade nicht in eine solche Hierarchie eingebunden werden. Eine derart inhaltliche Bewertung der Tätigkeiten darf daher allein durch die Wähler stattfinden, durch die der Abgeordnete unmittelbar demokratisch legitimiert wird. Für eine Prüfung durch eine andere Stelle, die über die rein formelle Überwachung der Pflichtenerfüllung hinausgeht, ist daher kein Raum. Sie käme einer mit Art. 38 I 2 GG unvereinbaren Genehmigungspflichtigkeit gleich.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten? Als weiteres – in den anderen Gewalten bereits genutztes – Regelungsinstrument sind die wirtschaftlichen Unvereinbarkeiten in den Blick zu nehmen. Nach geltendem Recht sind wirtschaftliche Betätigungen des Bundestagsabgeordneten neben dem Mandat nicht verboten.351 Vielmehr geht es ausweislich § 44a I 2 AbgG bewusst von der Möglichkeit der Abgeordneten aus, neben ihrem Mandat anderen – auch entgeltlichen – Tätigkeiten nachgehen zu können. Daran ändert auch die Mittelpunktregelung nach § 44a I 1 AbgG nichts. De lege ferenda lässt sich jedoch berechtigterweise die Frage stellen, ob als einschneidendste aber möglicherweise auch effektivste Maßnahme zum Schutz der Unabhängigkeit des Mandats und der parlamentarischen Willensbildung die Einführung 350
Zu diesem Vorschlag Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (27). 351 Vgl. hierzu die Ausführungen oben B. I. 1.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten?
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von Inkompatibilitätsregelungen in Betracht kommt, durch die außerparlamentarische, privatwirtschaftliche Tätigkeiten von Abgeordneten oder auch nur bestimmte vertragliche Beziehungen zu Unternehmen, Verbänden oder Interessengruppen gänzlich verboten würden.352 Die Einführung wirtschaftlicher Inkompatibilitäten scheint auf den ersten Blick die aufgeworfenen Probleme, die sich aus Nebentätigkeiten von Abgeordneten ergeben, am besten zu lösen oder vielmehr von Beginn an zu vermeiden. Interessenkonflikte wegen Nebentätigkeiten könnten gar nicht erst entstehen. Vordergründig zeigen sich daher zunächst die Vorteile, die eine umfassende wirtschaftliche Inkompatibilität bietet: Darf ein Abgeordneter neben seinem Mandat keinen weiteren Tätigkeiten nachgehen, stünde zum einen seine gesamte Arbeitskraft der parlamentarischen Mandatswahrnehmung zur Verfügung und könnte damit dem Mandat als vom Bundesverfassungsgericht bezeichneten faktischen FullTime-Job gänzlich gerecht werden.353 Teilweise wird schließlich darauf verwiesen, die gewissenhafte Ausübung des Mandats erfordere ohnehin einen derart hohen Zeitaufwand, dass rein faktisch für einen gewissenhaften Abgeordneten bereits eine Unvereinbarkeit bestehe.354 Die ausschließliche Mandatstätigkeit wird jedenfalls bereits nach geltender Rechtslage durch die den Lebensunterhalt des Abgeordneten und seiner Familie sichernde Abgeordnetenentschädigung ermöglicht, so dass die Abgeordneten zumindest in finanzieller Hinsicht nicht darauf angewiesen sind, zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Lebensstandards während des Mandats entgeltlichen Nebentätigkeiten nachzugehen. Zum anderen – und das sind die weit wichtigeren Punkte, die für Inkompatibilitäten sprechen – würde von vorne herein nicht die Möglichkeit bestehen, bei der Ausübung einer Nebentätigkeit aus dem Mandat ungerechtfertigten beruflichen Nutzen zu ziehen und insofern das Mandat zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken zu missbrauchen.355 Ebenso würde die Gefahr, dass durch Nebentätigkeiten die Unabhängigkeit des Abgeordneten bei der Mandatswahrnehmung und die Gemeinwohlorientiertheit seiner Entscheidungen beeinträchtigt werden, gehemmt. Interessenkonflikte, die zwangsläufig aus parallelen Tätigkeiten und einer Verbundenheit mit dem Arbeitoder Auftraggeber entstehen, würden präventiv bereits in ihrer Entstehung verhindert. Damit würde vor allem dem oben erörterten „erweiterten Gewaltenteilungsprinzip“ durch eine klare Trennung von parlamentarischer und wirtschaftlicher Macht gerecht.356 Auch die Unabhängigkeit des Abgeordneten gegenüber Einflüssen aus dem 352 Zu derartigen bereits bestehenden Regelungen im französischen Verfassungsrecht siehe Kromarek/Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 ff., sowie Lohmeier, Ausländische Regelungen für wirtschaftliche Interessenkonflikte („Beraterverträge“) von Abgeordneten, ZParl 9 (1978), 470 (471 ff.), der auch die Regelungen weiterer Länder erörtert. 353 von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 48. 354 von Arnim, in: BK, GG, Art. 48 (Zweitbearbeitung) Rn 48; Bericht der sog. KisselKommission, BT-Drs. 12/5020, S. 6. 355 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (333). 356 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
wirtschaftlichen Bereich und gegenüber anderen organisierten Interessen würde gestärkt. Inkompatibilitäten vermeiden zudem Loyalitätskonflikte. Jede Tätigkeit eines Abgeordneten fordert eigene Loyalitäten, die in der Person des Abgeordneten kaum miteinander in Ausgleich gebracht werden können. Meyer führt diese Diskrepanz anschaulich vor, wenn er das Bild eines auftrags- und weisungsungebundenen Abgeordneten beschreibt, der gleichzeitig die Position eines Spitzenfunktionärs eines Interessenverbandes innehat, dessen Aufgabe gerade darin besteht, die Anliegen der im Verband organisierten Interessen auch und insbesondere gegenüber dem Bundestag zu vertreten.357 Beiden Aufgaben kann ein Abgeordneter nicht gleichzeitig gerecht werden. Die Gemeinwohlorientiertheit leidet zwangsläufig und damit die Funktion des freien Mandats. Inkompatibilitäten dienen insofern der „funktionsgerechten Funktionsausübung“ durch den Abgeordneten.358 Während wirtschaftliche Inkompatibilitäten aufgrund dieser Aspekte zum Schutz demokratischer Grundsätze wünschenswert sein können und im Folgenden zu prüfen sein wird, ob sie verfassungsrechtlich möglich und verfassungspolitisch sinnvoll sind, ist andererseits klarzustellen, dass diese Form der Unvereinbarkeit keinesfalls zwingend im Hinblick auf Art. 3 I GG bzw. den Grundsatz der formalisierten Gleichheit aller Abgeordneten nach Art. 38 I 2 GG359 geboten ist.360 Zwar besteht zwischen Abgeordneten, die in ihrem eigentlichen Beruf dem öffentlichen Dienst angehören und anderen Abgeordneten insofern eine gewisse Ungleichheit, als dass für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes nach Art. 137 I GG iVm §§ 5 ff. AbgG bereits eine Inkompatibilität mit ihrem Beruf besteht. Hierbei handelt es sich jedoch um parlamentarische Unvereinbarkeiten, die sich geradezu notwendig aus dem Prinzip der organisatorischen Gewaltenteilung (Art. 20 II 2 GG) ergeben.361 Zwar können auch wirtschaftliche Inkompatibilitäten der materiellen Gewaltenteilung im erweiterten Sinne dienen, jedoch ist diese Form der Machtteilung dem Grundgesetz nicht so immanent wie die Unterscheidung der klassischen drei Staatsgewalten, die die Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Mandat rechtfertigt. Es besteht daher ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung. Ebenso wenig sind wirtschaftliche Inkompatibilitäten für Abgeordnete aufgrund anderer Grundgesetznormen
357 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 22. 358 Tsatsos, Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik, S. 47; zu diesem von Tsatsos geprägten Begriff vgl. im Übrigen ders., Unvereinbarkeiten zwischen Bundestagsmandat und anderen Funktionen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 34 ff. S. 714 ff.; ders., Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 165 ff.; Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 51 ff. 359 Ausführlich zur Gleichheit der Abgeordneten Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktionen, S. 134 ff. 360 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 141 f. 361 Magiera, in: Sachs, GG, Art. 137 Rn 4.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten?
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zwingend.362 Sie sind lediglich ein mögliches Instrument zum Schutz der oben erörterten Verfassungsgüter. Inwieweit der Gesetzgeber von diesem Instrument Gebrauch machen kann, ist im Folgenden zu erörtern.
1. Wirtschaftliche Inkompatibilitäten für Mitglieder von Verfassungsorganen als Grundsatz? – Vergleich mit Bundesministern und Bundesverfassungsrichtern Auch bei der Frage nach wirtschaftlichen Inkompatibilitäten ist zunächst die Parallele zu den Hoheitsträgern der anderen Gewalten herzustellen. Insbesondere der Vergleich mit Bundesministern und Bundesverfassungsrichtern drängt sich in diesem Zusammenhang auf. Für diese besteht ein weitgehendes Nebentätigkeitsverbot. Die Vergleichbarkeit zu den Bundestagsabgeordneten liegt insofern nahe, als dass die Bundesminister und Bundesverfassungsrichter ebenso Mitglieder von Verfassungsorganen sind, die aus kollegialen Personenmehrheiten bestehen. Das Bedürfnis, die Ausübung von Hoheitsgewalt vor eigennützigen und sonstig sachfremden Einflüssen zu schützen, besteht gleichsam für alle drei Staatsgewalten. Zudem sind insbesondere die Bundesregierung und der Bundestag personell eng miteinander verzahnt. Kaum ein Minister ist nicht zugleich Mitglied des Bundestages und versteht sich nicht als „regierender Parlamentarier“.363 Sollten allein wegen dieser Aspekte die Bundestagsabgeordneten ähnlich umfangreichen Inkompatibilitäten unterworfen sein? Die Antwort zu dieser Frage ergibt sich aus der Betrachtung der spezifischen Funktionen des Parlaments im Staatsaufbau und des Abgeordneten als Teil dessen. Nach dem grundgesetzlichen Gewaltenteilungsprinzip stehen die Verfassungsorgane als Verkörperungen der Staatsgewalten in einem gleichwertigen Verhältnis zueinander. Sie kontrollieren, hemmen und mäßigen sich gegenseitig und sind ineinander verschränkt. Dem Parlament kommt dabei zwar neben der Regierung ein großer Teil der politischen Leitungskompetenz zu, so dass der Vergleich der Amtsträger der verschiedenen Verfassungsorgane durchaus nahe liegt.364 Allerdings darf der Vergleich nicht allein an der Bedeutung des Verfassungsorgans festgemacht werden, sondern muss auch die verfassungsrechtliche Bedeutung des einzelnen Amtsträgers als Teil des Verfassungsorgans in den Blick nehmen. Während dem Bundestag als Verfassungsorgan eine zentrale Rolle im Verfassungsgefüge zukommt, so ist demgegenüber die Bedeutung des einzelnen Abgeordneten anders einzuschätzen als etwa die Bedeutung des einzelnen Bundesministers als Teil der Bundesregierung oder des einzelnen Bundesverfassungsrichters in Bezug zum gesamten Verfassungsgericht.365 Dies resultiert nicht zuletzt daraus, 362
Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113
(122). 363 364 365
Köttgen, Abgeordnete und Minister als Statusinhaber, in: GS Jellinek, S. 195. Vgl. Bericht der sog. Kissel-Kommission, BT-Drs. 12/5020, S. 9. So auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 95.
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
dass der Bundestag aus derzeit 612 Abgeordneten besteht366 und dadurch naturgemäß die Einflussmöglichkeit und der Verantwortungsbereich des Einzelnen auf das Gesamtorgan geringer sind als innerhalb kleinerer Kollegialorgane. Damit soll nicht die Wichtigkeit des einzelnen Abgeordneten für die parlamentarische Willensbildung geleugnet, sondern lediglich aufgezeigt werden, dass für das Funktionieren der kollegialen Verfassungsorgane Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht die Konzentration der gesamten Arbeitskraft und Loyalität des einzelnen Amtsträgers auf die Amtstätigkeit essentieller ist als dies bei einem großen Parlament der Fall ist. Der anteilsmäßige Wirkungsbereich des Einzelnen ist bei den personell kleineren Verfassungsorganen erheblich größer. Hinzu kommt, dass insbesondere bei Bundesministern nach dem Ressortprinzip (Art. 65 Satz 2 GG) dem Einzelnen und nicht nur dem Gesamtorgan eine Leitungsfunktion in Bezug auf das jeweilige Ministerium zukommt. Die Konzentration von Loyalität und Arbeitskraft auf das Amt ist hier unabdingbar. Das Verbot privatwirtschaftlicher Nebentätigkeit ist daher zwingender als beim Abgeordneten. Diese Erkenntnis bestätigt sich auch durch einen Blick auf den Status des Abgeordneten, der durch das freie Mandat aus Art. 38 I 2 GG geprägt ist und sich gerade darin wesentlich von den Mitgliedern der anderen Verfassungsorgane unterscheidet. Der Status des Bundesministers ist von Natur aus amtsrechtlicher geprägt.367 Sie unterliegen, obwohl sie nach dem Ressortprinzip ihren Geschäftsbereich selbstständig leiten, der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 65 Satz 1 GG. Die politischen Vorgaben des Bundeskanzlers sind für die Minister verbindlich.368 Die stärkere Bindung der Bundesminister an die Notwendigkeiten ihres Amtes durch den Ausschluss privatwirtschaftlicher Tätigkeiten ist daher auch unter diesem Aspekt selbstverständlicher als bei Abgeordneten. Auch die personellen Verflechtungen von Bundestag und Bundesregierung ändern an der Wesentlichkeit der Unterscheidung der verschiedenen Status nichts. Der Vergleich mit den Bundesverfassungsrichtern verlangt in diesem Punkt dagegen einen anderen Blickwinkel. Die Verfassungsrichter sind als Teil der rechtsprechenden Gewalt (Art. 92 GG) schon begrifflich nicht weisungsgebunden. Ihr Status ist wesentlich durch die persönliche und sachliche Unabhängigkeit nach Art. 97 I GG geprägt. Der entscheidende Unterschied zu den Parlamentsmitgliedern besteht jedoch darin, dass die Abgeordneten an der politischen Willensbildung des Staates teilnehmen, während Richter das geltende Recht und Gesetz anwenden. Letzteres bedingt eine klarere Unterscheidung von staatlicher und gesellschaftlicher Funktion. Die politische Repräsentation des Volkes durch den Bundestag unterliegt dieser Unterscheidung dagegen in der Form nicht. Im Gegenteil dazu kann und muss sogar die 366 Dieser Angabe liegt der 16. Deutsche Bundestag zugrunde (Stand: Februar 2008). Die Anzahl der Abgeordneten bestimmt sich grundsätzlich nach § 1 I 1 BWahlG, der 598 Abgeordnete vorsieht. Hinzu kommt eine variierende Anzahl an sog. Überhangmandaten. 367 Köttgen, Abgeordnete und Minister als Statusinhaber, in: GS Jellinek, S. 195 (207). 368 Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rn 16.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten?
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Überlegung angestellt werden, ob die Repräsentation nicht nach der gesellschaftlichen Bindung des einzelnen Abgeordneten durch seine Nebentätigkeiten verlangt. Darauf wird noch an späterer Stelle einzugehen sein.369 An dieser Stelle verbleibt es somit bei dem Ergebnis, dass Bundesminister, Bundesverfassungsrichter und Bundestagsabgeordnete in ihrem jeweiligen Status und ihrer jeweiligen Funktion so unterschiedlich sind, dass allein aus ihrer Position als Mitglieder von kollegialen Verfassungsorganen nicht auf ein einheitliches Bedürfnis nach wirtschaftlichen Inkompatibilitäten geschlossen werden kann. 2. Bedenken gegen Unvereinbarkeitsbestimmungen Bei all den aufgezeigten Argumenten, die für ein Verbot von Nebentätigkeiten sprechen, sind dennoch ihre Befürworter in der Minderheit. Der Unvereinbarkeit werden zahlreiche Aspekte teils verfassungsrechtlicher, teils rein verfassungspolitischer Art entgegengehalten. Die Auseinandersetzung mit ihnen zeigt, dass die Bedenken nur teilweise durchgreifen. Wie so oft erscheint ein Kompromiss als die beste Lösung. a) Verfassungsrechtliche Bedenken Zunächst sind die verfassungsrechtlichen Bedenken aufzugreifen und die Frage zu stellen, ob es verfassungsrechtlich überhaupt möglich wäre, eine wirtschaftliche Inkompatibilität für Abgeordnete zu normieren. aa) Passives Wahlrecht: Art. 38 I 1 GG Verbreitet sind Bedenken, wirtschaftliche Inkompatibilitäten verletzten das allgemeine und gleiche passive Wahlrecht nach Art. 38 I 1 GG.370 Hierbei wird als Prämisse vorausgesetzt, dass nicht nur Ineligibilitäten – d. h. die grundlegende Unwählbarkeit, die die Ungültigkeit der Wahl bewirkt – sondern auch die schwächeren Inkompatibilitäten, die die grundsätzliche Wählbarkeit nicht antasten, aber den Gewählten zwingen sich zwischen mehreren Funktionen oder Tätigkeiten zu entscheiden,371 das passive Wahlrecht in seinem Schutzbereich überhaupt tangieren.372 Dafür spricht, dass Unvereinbarkeitsvorschriften faktisch beschränkend 369
Vgl. hierzu unten D. VII. 2. dd). Tsatsos, Unvereinbarkeiten zwischen Bundestagsmandat und anderen Funktionen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 20 S. 707; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 242 f. 371 Zur terminologischen Differenzierung zwischen Ineligibilität und Inkompatibilität vgl. wegweisend Weber, Parlamentarische Unvereinbarkeiten (Inkompatibilitäten), AÖR 58 (1930), 161 (166 f. Fn 9). 372 So Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 97; ders., Unvereinbarkeiten zwischen Bundestagsmandat und anderen Funktionen, in: Schneider/ 370
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
wirken können. Ein Wahlbewerber muss sich bereits vor der Aufstellung zur Wahl überlegen, ob für ihn eine Unvereinbarkeit vorliegt und ob er für den Fall der erfolgreichen Wahl bereit ist, auf die unvereinbare Tätigkeit zu verzichten.373 Er kann nicht Abgeordneter werden, solange er die inkompatible Funktion nicht aufgibt.374 Dieser Entscheidungszwang verringert die Bereitschaft und oft auch die faktische Möglichkeit der Kandidatur.375 Da sich dieser Zwang ungleich auf die verschiedenen Mandatsbewerber auswirkt, ist die Gleichheit des passiven Wahlrechts betroffen.376 Sofern man also das passive Wahlrecht durch Inkompatibilitäten für beeinträchtigt hält, so bedarf deren Einführung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Hierzu kann im Falle der wirtschaftlichen Inkompatibilität insbesondere das „erweiterte Gewaltenteilungsprinzip“377 sowie die Unabhängigkeit und die Gemeinwohlorientiertheit der Abgeordneten und der parlamentarischen Willensbildung insgesamt herangezogen werden. Auch die persönliche Integrität des Abgeordneten und der Schutz vor Mandatsmissbrauch würde gestärkt.378 Allerdings darf die Inkompatibilität nur soweit reichen, wie es der Schutz dieser Rechtsgüter als verfassungsrechtlicher Legitimierungsgrund erfordert.379 Dies ist insofern problematisch, als dass Inkompatibilitäten Interessenkonflikte bereits vor ihrer Entstehung verhindern sollen und zu diesem Zweck auf die bloß abstrakte Vermutung abstellen, dass eine bestimmte Tätigkeit einen verfassungsrechtlich unerwünschten Einfluss auf die parlamentarische Tätigkeit hat.380 Eine konkrete tatsächliche Beeinträchtigung im Einzelfall müsste nicht nachgewiesen werden. Zu ihr soll es vielmehr durch die zeitlich vorher eingreiZeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 20 S. 707; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 242 f.; Scholler/Broß, Ineligibilität, Inkompatibilität und Befangenheit – Verhältnis und Abgrenzung der Regelungsbereiche, VR 1978, 77 (79); Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 127; ebenso BVerfGE 98, 145 (160) und BVerfGE 118, 277 (347); ähnlich auch Schlaich, Wählbarkeitsbeschränkungen für Beamte nach Art. 137 I GG und die Verantwortung des Gesetzgebers für die Zusammensetzung der Parlamente, AÖR 105 (1980), 188 (214 f.); a.A.: Hensel, Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (179); ders., Der Einfluss der wirtschaftlichen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 169; Schäfer, Buchbesprechung, DVBl. 1966, 157. 373 Scholler/Broß, Ineligibilität, Inkompatibilität und Befangenheit – Verhältnis und Abgrenzung der Regelungsbereiche, VR 1978, 77 (79). 374 Weber, Der Ausschluss wirtschaftlicher Unternehmer vom Parlamentsmandat, in: Rechtswissenschaftliche Beiträge zum 25jährigen Bestehen der Handels-Hochschule Berlin, S. 113 (135). 375 Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 95; KnebelPfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 243. 376 Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 6 B. IV. 3. b., Manuskript S. 818. 377 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334). 378 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 243. 379 Tsatsos, Unvereinbarkeiten zwischen Bundestagsmandat und anderen Funktionen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 21 S. 708. 380 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 243 f.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten?
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fenden Inkompatibilitäten gar nicht erst kommen. Während das Anknüpfen an abstrakte Sachverhalte nicht grundsätzlich beanstandet werden kann, sondern zurecht Grundlage vieler Regelungsinstrumente zur Bewältigung von Interessenkonflikten ist, so muss in Bezug auf Inkompatibilitäten doch gesehen werden, dass es sich dabei im Hinblick auf das passive Wahlrecht um ein sehr stark wirkendes Regelungsinstrument handelt. Wegen dieser starken Wirkung sind an die abstrakten Tatbestandmerkmale einer Inkompatibilität erhöhte Anforderungen zu stellen. Sie kann daher nur dann gerechtfertigt sein, wenn bei den Inkompatibilitätstatbeständen die große Wahrscheinlichkeit eines Mandatsmissbrauchs oder einer sonstigen Beeinträchtigung der erörterten Verfassungsgüter besteht.381 Allein das Ziel, alle Arbeitskraft des Abgeordneten auf die Mandatstätigkeit zu bündeln, genügt nicht, um ein vollständiges Verbot von Nebentätigkeiten zu begründen; denn stets sind auch die Wechselwirkungen mit der grundsätzlichen Freiheit des Mandatsträgers, das zeitliche Maß und die Art und Weise seiner Mandatsausübung nach Art. 38 I 2 GG selbst zu bestimmen, zu beachten. Das Ziel, den Abgeordneten und die parlamentarische Willensbildung vor konfliktären Loyalitäten zu schützen, kann zwar bestimmte Unvereinbarkeitstatbestände aber keine vollständige wirtschaftliche Inkompatibilität rechtfertigen. Es gibt zahlreiche Tätigkeiten, die nicht oder nur sehr unwahrscheinlich mit dem Mandat kollidieren.382 Mandatswidrig ist es zum Beispiel kaum, wenn ein Arzt neben dem Mandat einige Stammpatienten weiter betreut, ein Bäcker samstags Brötchen bäckt oder ein selbstständiger Unternehmer sich noch um die Buchhaltung seines Betriebes kümmert, um diesen während der Mandatszeit am Laufen zu halten. Die tatbestandliche Beschreibung dessen, was inkompatibel sein soll bzw. sein darf, ist freilich nicht einfach. bb) Bestimmtheit der Inkompatibilitätstatbestände Diese Schwierigkeiten bei der Formulierung konkreter Inkompatibilitätstatbestände bewegt viele dazu, sich grundsätzlich gegen wirtschaftliche Inkompatibilitäten auszusprechen. Es sei kaum möglich, sachgerechte und berechenbare Inkompatibilitätstatbestände zu schaffen, die die auszuschließenden Tätigkeiten normativ hinreichend umschreiben könnten.383 Daher bestünden Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitssatz.384 381 Vgl. bereits von Jan, Aberkennung der Abgeordneteneigenschaften im bayrischen Landtag, AÖR 48 (1925), 314 (335); Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 244. 382 Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 6 B. IV. 3. b., Manuskript S. 818. 383 Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 90 S. 518; Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (333); Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 194; bereits auch von Jan, Aberkennung der Abgeordneteneigenschaften im bayrischen Landtag, AÖR 48 (1925), 314 (323); anklingend zudem bei Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 29.
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Zuzugeben ist, dass die Inkompatibilitäten so genau formuliert werden müssten, dass hinreichend deutlich wird, welche Tätigkeiten verboten sind. Langwierige Diskussionen um den jeweiligen Einzelfall würden das Ansehen der Abgeordneten und des Bundestages in seiner Gesamtheit schädigen. Der wohl einfachste Unvereinbarkeitstatbestand wäre ein totales Verbot privatwirtschaftlicher Nebentätigkeit. Ein solches ist jedoch allein schon wegen des aufgezeigten Eingriffs in das passive Wahlrecht verfassungsrechtlich bedenklich. Auf der anderen Seite begegnet das Herausgreifen einiger Tätigkeiten Kritik im Hinblick auf die formalisierte Gleichheit der Abgeordneten. Die Auferlegung eines Verbots für nur manche Tätigkeiten muss aufgrund sachgerechter Kriterien gerechtfertigt sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei den verbotenen Tätigkeiten die zu schützenden Verfassungsgüter beeinträchtigt werden, muss gegenüber den nicht verbotenen Tätigkeiten ungleich höher sein. Diese Anforderungen an die Normierung der Unvereinbarkeitstatbestände sind rechtstechnisch zwar nicht leicht erfüllbar, sollten jedoch nicht dazu führen, die Möglichkeit der Schaffung wenigstens einiger wirtschaftlicher Inkompatibilitäten auszublenden. Es spricht vor allem Vieles dafür, solche Nebentätigkeiten zu verbieten, die inhaltlich a priori darin bestehen, gegenüber dem Bundestag Einzelinteressen zu vertreten. Zwar kann eine persönliche Nähe des Abgeordneten zu bestimmten Interessenverbänden und Gruppen nicht beanstandet werden, und ebenso wenig kann die durchaus legitime Rolle der Interessenverbände im Rahmen der parlamentarischen Willensbildung, in dem sie den politischen Willen des Volkes vorformen385 und ihren besonderen Sachverstand und ihr Expertenwissen dem Parlament zu Verfügung stellen,386 geleugnet werden; in einem immer komplizierter werdenden modernen gesellschaftlichen Leben ist der Gesetzgeber auch auf den Rat von Fachleuten „von außen“ angewiesen.387 Jedoch widerspricht es der Rolle des Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes (Art. 38 I 2 GG), wenn er als Funktionär eines Interessenverbandes oder als sonstiger Lobbyist beruflich verpflichtet ist, einseitig auf die parlamentarische Willensbildung einzuwirken und er zugleich als Mandatsträger am Gemeinwohl orientierte Entscheidungen treffen soll. Der Loyalitäts- und Interessenkonflikt liegt auf der Hand.388 Der Abgeordnete kann als Vertreter partikulärer Interessen
384 Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334); Schmitt, Verfassungslehre, S. 255. 385 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 26 II 3., S. 188; Reutter, Verbände, Staat und Demokratie – Zur Kritik der Korporatismustheorie, ZParl 33 (2002), 501 (503). 386 Vgl. BVerfGE 5, 85 (232); Steinberg, Parlament und organisierte Interessen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 77 S. 243. Zur Bedeutung von Interessenverbänden in der repräsentativen Demokratie siehe auch Scheuner, Politische Repräsentation und Interessenvertretung, DÖV 1965, 577 ff. 387 Hensel, Der Einfluss der wirtschaftlichen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 46. Beispielsweise hat daher ein Ausschuss zur Information über einen Gegenstand seiner Beratung nach § 70 GOBT die Möglichkeit, Interessenvertreter öffentlich anzuhören. 388 Vgl. Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 22; Hensel, Der Einfluss der
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kaum zur Repräsentation des Gesamtvolkes beitragen. Zudem ist die Einflussnahme von Verbänden auf die politische Willensbildung durchaus ambivalent. Den genannten positiven Aspekten steht die Gefahr gegenüber, dass die Organisierung von Interessen zugleich das Bild dieser Interessen verzerrt und ungleiche Chancen ihrer Durchsetzung schafft.389 Einzelne Gruppen können – etwa durch bessere Organisation, bessere finanziellen Ausstattung oder bessere Kontakte – einen Einfluss gewinnen, der außer Verhältnis zu ihrem wahren Anteil an der Gesamtheit der vorhandenen Interessen in der Bevölkerung steht.390 Dieses Risiko wird durch die Kumulation von Verbandstätigkeit und Mandat unverhältnismäßig erhöht. Ein Verbot, entgeltlich für Interessengruppen tätig zu werden, ist daher verfassungsrechtlich gerechtfertigt und auch durchaus rechtstechnisch in hinreichend bestimmter Form normierbar.391 Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Tätigkeiten ist aufgrund sachlicher Kriterien gerechtfertigt. Ähnlich wie Hensel kann man insofern von einer zu befürwortenden „Verbandsinkompatibilität“ sprechen.392 Nicht gemeint sind dabei übrigens Funktionärsposten der politischen Parteien. Die Kumulation dieser Positionen mit dem Mandat ist nicht in vergleichbarem Maße problematisch. Der Einfluss der Parteien auf die staatliche Willensbildung ist durch Art. 21 GG verfassungsrechtlich verankert. Art. 21 GG und Art. 38 I 2 GG stehen in einer besonderen Wechselbeziehung,393 deren bisweilen auftretendes Spannungsverhältnis gänzlich anders zu lösen ist als die hier behandelte Kollision verschiedener Interessen.394 Die Parteien sind anders als Interessenverbände auch dem Gemeinwohl verpflichtet und gelten als „conditio sine qua non“ der de-
wirtschaftlichen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 110, 168; Steinberg, Das Verhältnis der Interessenverbände zu Regierung und Parlament, ZRP 1972, 207 (210). 389 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 26 V 2., S. 193 f.; Schuppisser, Wirtschaftliche Interessenvertretung im Parlament?, S. 4. 390 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 26 V 2., S. 193 ff. 391 Hensel, Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (178 f.), insbesondere zur tatbestandlichen Ausgestaltung der Unvereinbarkeit (180); positiv auch Schuppisser, Wirtschaftliche Interessenvertretung im Parlament?, S. 74 f.; ablehnend dagegen Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 195; offen für wirtschaftliche Inkompatibilitäten auch Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes, S. 84. 392 Hensel, Der Einfluss der wirtschaftlichen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 166; ders., Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (178); positiv im Hinblick auf Verbandinkompatibilitäten auch Steinberg, Das Verhältnis der Interessenverbände zu Regierung und Parlament, ZRP 1972, 207 (210); zwiespältig Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 249; ablehnend Welti, Die soziale Sicherung der Abgeordneten, S. 126. 393 Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 192; zum Zusammenspiel von Art. 21 GG und Art. 38 GG vgl. Geiger, Der Abgeordnete und sein Beruf, Zur Sache 1/79 „Politik als Beruf ?“, S. 105 (106 ff.). 394 Ähnlich Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 145.
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mokratischen Willensbildung.395 Auch wegen ihrer nach Art. 21 I 3 GG notwendigen inneren demokratischen Organisation sind die Parteien viel mehr der Repräsentation fähig als Verbände, die ausschließlich Sonderinteressen vertreten und daher nicht – jedenfalls nicht ausschließlich oder auch nur vorrangig – das Gemeinwohl im Auge haben.396 Neben einer Verbandsinkompatibilität ist es zudem denkbar, ähnlich wie bei den Interessentenzahlungen und dem arbeitslosen Einkommen nach § 44a II AbgG eine gesetzliche Vermutung aufzustellen, um den Kreis inkompatibler Tätigkeiten zu erweitern. Nimmt ein Abgeordneter eine Tätigkeit erst nach Übernahme des Mandats auf, so liegt die Vermutung sehr nahe, dass diese Tätigkeit ihm im Hinblick auf sein Mandat und nur wegen seines Mandats zugetragen wurde oder sonst in irgendeinem Zusammenhang zum Mandat steht. Der Verdacht von Interessenverquickungen ist bei diesen Tätigkeiten besonders wahrscheinlich.397 Um die Ausnutzung der Stellung als Abgeordneter durch diesen selbst und durch Dritte zu verhindern, könnten solche „nachträglichen“ Tätigkeiten verboten werden, sofern nicht offenkundig oder durch den Abgeordneten belegt ist, dass die Tätigkeit keinerlei Bezug zum Mandat aufweist. Sowohl das Wahrscheinlichkeits- als auch das Bestimmtheitserfordernis wären bei einer solchen zeitlichen Definition des Verbots erfüllt. Zwar ist es bei Tätigkeiten, denen ein Abgeordneter bereits vor dem Mandat nachgegangen ist, genauso denkbar, dass daraus Interessenverknüpfungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten resultieren; jedoch ist bei diesen die Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer, so dass sich für diese zwar die Offenlegung im Rahmen der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten rechtfertigen lässt, aber die Inkompatibilität ein in der Relation zur Gefahr zu stark beschränkendes Mittel wäre. cc) Kein Verstoß gegen Art. 9 GG Klarzustellen ist, dass der Einführung von Verbandsinkompatibilitäten nicht die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 I und III GG entgegen steht. Art. 9 GG bildet zwar nicht nur die verfassungsrechtliche Existenzgrundlage von Interessenverbänden, sondern garantiert auch das Recht der Verbände „im Konzert des freiheitlich-demokratischen Willensbildungsprozesses mitzuwirken“398. Dies ist Grundlage für die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte legitime Mitwir-
395 Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn 7; Hensel, Der Einfluss der wirtschaftspolitischen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 106; BVerfGE 2, 1 (72 f.); 10, 1 (14). 396 Ruch, Das Berufsparlament, S. 193. 397 Vgl. Janz/Latotzky, Transparenz und Mandat – Zur Entscheidung des BVerfG über die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten, NWVBl. 2007, 385 (391), die zwar in einem anderen Zusammenhang aber auch für diese Thematik anschaulich danach differenzieren wollen, ob die Nebentätigkeit trotz oder gerade wegen des Mandats aufgenommen oder ausgeübt wird. 398 Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn 2.
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kungsfunktion der Verbände im demokratischen Prozess.399 Während die Interessengruppen also nicht von der Mitwirkung ausgeschlossen werden dürfen, so sind der Legitimität ihrer Einwirkung auf die Gesetzgebung aber doch Grenzen gesetzt. Diese Grenzen sind dort zu ziehen, wo die Einflussnahme bestehende verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt.400 Die Einflussnahme ist gerade dann nicht legitim, wenn sie die Unabhängigkeit und Gemeinwohlorientierung der Abgeordneten in Frage stellt.401 Dies ist der Fall, wenn die Beziehung zwischen Verband und Abgeordnetem so eng ist, dass der Abgeordnete allein als Vertreter der Verbandsinteressen aufzutreten scheint und es für diesen kaum mehr möglich ist, sich nur anhand des Gemeinwohls zu orientieren. Verbandsinkompatibilitäten würden Art. 9 GG also unberührt lassen und vielmehr dessen legitime verfassungsrechtliche Grenzen aufzeigen. dd) Repräsentationsfähigkeit des Bundestages Ähnlich wie gegen verstärkte Anzeige- und Veröffentlichungspflichten wird auch gegen die Einführung wirtschaftlicher Inkompatibilitäten eingewendet, sie bewirkten faktisch den Ausschluss bestimmter Berufsgruppen vom parlamentarischen Mandat.402 Damit verschiebe sich der soziologische Schwerpunkt des Parlaments und beeinträchtige so die Funktion des Parlaments als Repräsentativkörperschaft.403 Der personelle Standard sowie die Qualität der Parlamentsarbeit würden gefährdet. In diesem Zusammenhang wird häufig auf die Gefahr der „Verbeamtung“ des Parlaments hingewiesen.404 Jedenfalls verringerten Inkompatibilitäten bedenklicherweise den Anreiz für fähige Spitzenkräfte sich um ein Parlamentsmandat zu bemühen.405 Sie 399 BVerfGE 5, 85 (232); Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 249. 400 Hensel, Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (179). 401 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 250; Hensel, Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (179); ders., Der Einfluss der wirtschaftlichen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 172. 402 Linck, Die Rechtsstellung des Abgeordneten – Zum Diätenurteil und seinen Auswirkungen, JA 1976, 749 (750); Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 37; anklingend auch bei Achterberg, Parlamentsrecht, S. 240, der sich jedoch insgesamt gegenüber wirtschaftlichen Inkompatibilitäten offener zeigt, so auch ders., Die Rechtsstellung des Abgeordneten, JA 1983, 303 (305). 403 Fromme, Publizität für „Beraterverträge“ von Abgeordneten?, ZRP 1972, 225 (228); Bericht der sog. Kissel-Kommission, BT-Drs. 12/5020, S. 19. 404 Beispielsweise bei Pohl, Drittzuwendungen an Bundestagsabgeordnete, ZParl 26 (1995), 385 (388); zu den damit verbundenen Problemen siehe weiterführend Häfele, Verbeamtung des Bundestages?, ZParl 3 (1972), 103 ff.; Klatt, Die Verbeamtung der Parlamente, APuZ 1980, B 44, S. 25 ff.; Schlaich, Wählbarkeitsbeschränkungen für Beamte nach Art. 137 I GG und die Verantwortung des Gesetzgebers für die Zusammensetzung der Parlamente, AÖR 105 (1980), 188 (194, 230 ff.); dagegen hält Klein die mit einer „Verbeamtung“ einhergehenden Befürchtungen zurecht für übertrieben, vgl. Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 29. 405 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 245.
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würden vor der Kandidatur zurückschrecken.406 Teilweise wird sogar die Sorge geäußert, das Parlament würde zu einem Sammelbecken berufsuntauglicher und erfolgloser Vertreter und somit seinem Anspruch, Vertretungsorgan des gesamten Volkes zu sein, verlieren.407 Letztere Befürchtung ist sicherlich übertrieben, aber die Notwendigkeit, besonders fähige Spitzenkräfte für das Parlamentsmandat zu begeistern, bleibt. Ebenso muss die Vielfältigkeit des Parlaments gewahrt bleiben. Zum im Grundgesetz verankerten Repräsentationsgedanken gehört es, dass das Volk über die gewählten Abgeordneten repräsentiert wird. Dies erfordert keine spiegelbildliche Abbildung der Bevölkerungsgruppen im Parlament,408 beansprucht jedoch, dass das Parlament seiner Zusammensetzung nach die Gewähr dafür bieten muss, dass alle wesentlichen Gruppen, Interessen und Gesichtspunkte im parlamentarischen Prozess zur Geltung kommen können.409 Das grundgesetzliche Repräsentationsprinzip verbietet daher, dass bestimmte Berufs- und Bevölkerungsgruppen gänzlich vom Mandat ausgeschlossen werden. Ob wirtschaftliche Inkompatibilitätsnormen tatsächlich einen faktischen Ausschluss bestimmter Bevölkerungsteile bewirken, lässt sich indes nur vermuten. Verbreitet ist die Befürchtung, dass insbesondere Selbstständige keine Möglichkeit mehr hätten, ein Mandat zu übernehmen ohne ihren wirtschaftlichen Betrieb aufs Spiel zu setzen.410 Auch hochqualifizierte Spitzenverdiener, deren Einkommen die Abgeordnetendiäten zum Teil weit übersteigen, seien kaum noch für ein Mandat zu gewinnen, wenn sie nicht zumindest teilweise ihren Beruf fortführen könnten.411 Diese Befürchtungen mögen durchaus gegen eine vollständige wirtschaftliche Inkompatibilität ihre Berechtigung haben, stehen jedoch nicht einer bereits vorgeschlagenen Inkompatibilität entgegen, die allein die Übernahme neuer Tätigkeiten nach der Mandatsübernahme verbietet. Die Übernahme des Bundestagsmandats ist mit und ohne ausdrücklicher Inkompatibilität mit Einschränkungen der eigentlichen beruflichen Tätigkeit verbunden. Ein Mindestmaß an Kontakt zum vorher ausgeübten Beruf sollte allerdings möglich bleiben, um die Option des beruflichen Wiedereinstiegs insbesondere in Berufe, die auf die ständige Aktualisierung von Kenntnissen und Fähigkeiten angewiesen sind, zu erhalten. Auch hier wird deutlich, dass die wirt406 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 93; Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 37; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 143. 407 Vgl. Kromarek/Kromarek, Die Kumulation von parlamentarischem Mandat und privater Tätigkeit in Frankreich und Deutschland, DÖV 1974, 458 (465) zur französischen Parlamentsrechtsliteratur. 408 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 25. 409 Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn 20. 410 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 143; Henkel, Amt und Mandat, S. 18; Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 37; Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (338). 411 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 37.
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schaftliche Inkompatibilität nur für solche Berufe kritisch ist, die bereits vor der Mandatsübernahme ausgeübt wurden oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. Das Bedürfnis des Abgeordneten, seinen eigentlichen Beruf nicht zu verlieren und nach der Zeit im Parlament wieder ausüben zu können, ist nachvollziehbar und schützenswert. Bei Tätigkeiten dagegen, die erst während des Mandats aufgenommen werden, stellt sich zum einen nicht die Frage des Wiedereinstiegs, und zum anderen ist die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs bzw. der mandatswidrigen Einflussnahme so erheblich größer, dass ein differenzierter Umgang mit den unterschiedlichen Tätigkeiten gerechtfertigt ist. Auch gegen punktuell wirkende „Verbandsinkompatibilitäten“ werden Bedenken im Zusammenhang mit dem Repräsentationsprinzip geäußert, die allerdings nicht geteilt werden können. So führt zum Beispiel Wefelmeier aus, es widerspreche dem pluralistischen Repräsentationsverständnis des Grundgesetzes, wenn man durch Verbandsinkompatibilitäten bestimmte Interessen als parlamentsunwürdig ausschließe.412 Die aus dem gesellschaftlichen Pluralismus notwendig resultierende Gruppenbildung in der Gesellschaft, zu der auch die Verbände gehörten, müsse auch im Parlament ihren Ausdruck finden. Das Gemeinwohl fordere gerade den Einfluss der Verbände auf die parlamentarische Willensbildung, da sich der Prozess der parlamentarischen Willensbildung nicht in einem „ökonomisch-sozialen Vakuum“ abspielen dürfe.413 Wefelmeier stellt bei seiner Argumentation die Inkompatibilität des Abgeordnetenmandats mit Verbandsfunktionen und den Ausschluss der Verbände von der Teilnahme an der politischen Gemeinwohlfindung gleich. Hierbei übersieht er, dass die Unvereinbarkeit die Interessengruppen nicht grundsätzlich vom Parlament fern hält, sondern schlicht die Kumulation mehrerer Funktionen in einer Person verhindert. Die Kumulation von Mandat und Verbandstätigkeit bedeutet eine Vordeterminierung der Mandatsentscheidungen und beschränkt die Möglichkeit des Abgeordneten, das weite Spektrum der verschiedenen Interessen, die im Rahmen der Gemeinwohlfindung in Ausgleich gebracht werden müssen, frei zu würdigen.414 Der Pluralismus fordert daher nicht die Möglichkeit eines Abgeordneten, gleichzeitig Verbandsfunktionär zu sein, sondern im Gegenteil, dass alle Interessen die Möglichkeit der Einwirkung haben, ohne dass ein bestimmtes Interesse wegen der persönlichen Stellung eines Abgeordneten bevorzugt wird. Gerade die ständige Interessenkollision des Abgeordneten, der mehrere Funktionen in sich vereint, beeinträchtigt die Unabhängigkeit des Parlaments als ganzem und verengt so seine Repräsentationsfähigkeit. Ein Abgeordneter, der als Vertreter eines bestimmten Sonderinteresses im Parlament wirken soll, wirkt nicht an der Repräsentation des gesamten Volkes durch das Parla-
412 Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 194; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 144. 413 Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 195; so auch schon Sturm, Die Inkompatibilität, S. 116. 414 Ähnlich Steinberg, Das Verhältnis der Interessenverbände zu Regierung und Parlament, ZRP 1972, 207 (210).
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ment mit.415 Das Repräsentationsprinzip steht der Verbandsinkompatibilität daher nicht entgegen, sondern verlangt nach ihr.416 ee) Das freie Mandat: Art. 38 I 2 GG Die Diskussion um wirtschaftliche Inkompatibilitäten für Abgeordnete rechtfertigt sich unter anderem aus dem erstrebten Schutz des Art. 38 I 2 GG, insbesondere in seiner Ausprägung als Garantie der Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundestages. Es geht um die Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Mächten, die in die parlamentarische Willensbildung bisweilen hineinwirken. Die Unabhängigkeit der Abgeordneten nach Art. 38 I 2 GG muss jedoch auch unter einem anderen Aspekt gesehen werden. Art. 38 I 2 GG garantiert auch die grundsätzliche Unabhängigkeit des Abgeordneten gegenüber seiner Partei und seiner Fraktion. Diese Unabhängigkeit sehen viele durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten als beeinträchtigt an und lehnen sie daher ab.417 Den Schutz des Art. 38 I 2 GG lassen diese an demselben scheitern. Das Bundestagsmandat ist zeitlich befristet; eine Wiederwahl des Einzelnen ist nicht gesichert. Daher wird befürchtet, dass der Abgeordnete, der keiner Tätigkeit neben dem Mandat mehr nachgehen dürfte, ein erhöhtes Interesse an der Wiederwahl hat.418 Um diese sicherzustellen, sei er dem verstärkten Druck seiner Partei und Fraktion ausgesetzt.419 Dieser Ansicht ist darin zuzustimmen, dass ein Mindestmaß an Unabhängigkeit des Abgeordneten auch von Partei und Fraktion von Verfassungs wegen gewahrt sein muss. Dass dieses Mindestmaß jedoch durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten beeinträchtigt wäre, kann nicht geteilt werden. Bereits jetzt hat jeder Mandatsträger ein Interesse an der Wiederwahl, das ihn in eine besondere Beziehung zu seiner Partei setzt. Niemand bewirbt sich um einen Sitz im Parlament, um ihn nach einer Legislaturperiode wieder aufzugeben.420 Dieses Wiederwahlinteresse mag sich dadurch, dass Tätigkeiten neben dem Mandat ausgeschlossen wären, zwar erhöhen. Da jedoch beVgl. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 146. Hensel, Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (178). 417 Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537 (541); Fromme, Publizität für Beraterverträge von Abgeordneten?, ZRP 1972, 225 (228); Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 145; Röper, Befangenheitsregelung für parallele Berufstätigkeit von Abgeordneten, ZParl 36 (2005), 425 (428); Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 195; Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (335). 418 Linck, Die Rechtsstellung des Abgeordneten – Zum Diätenurteil und seinen Auswirkungen, JA 1976, 749 (750). 419 Pohl, Drittzuwendungen an Bundestagsabgeordnete, ZParl 26 (1995), 385 (389); Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 143; Röper, Befangenheitsregelung für parallele Berufstätigkeit von Abgeordneten, ZParl 36 (2005), 425 (427 f.). 420 BVerfGE 40, 296 (312). 415 416
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reits nach geltendem Recht die Mandatstätigkeit im Mittelpunkt der Tätigkeiten eines Abgeordneten zu stehen hat (§ 44a I 1 AbgG) und zudem das Mandat bereits faktisch einer Vollzeitbeschäftigung gleichkommt,421 dürfte diese Erhöhung nicht unverhältnismäßig hoch ausfallen. Im Übrigen muss gesehen werden, dass der Einfluss von Parteien auf die staatliche Willensbildung in Art. 21 GG grundgesetzlich verankert ist, die Beeinflussung durch wirtschaftliche Macht jedoch nicht. Daher kann eine leichte Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abgeordneten von seiner Partei zugunsten des Schutzes der Unabhängigkeit vor wirtschaftlichen Einflüssen nach dem Grundgesetz eher hingenommen werden. Der Aspekt der erhöhten Abhängigkeit von Partei und Fraktion führt daher nicht zur verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit der wirtschaftlichen Inkompatibilität, sondern kann allenfalls eine verfassungspolitische Rolle spielen. Die Beeinträchtigung des Art. 38 I 2 GG wird noch unter einem weiteren Aspekt gegen wirtschaftliche Unvereinbarkeiten in den Raum gestellt. Insbesondere Tsatsos rügt die Verletzung des freien Mandats, da wirtschaftliche Inkompatibilitäten eine „Determinierung der Gewissensentscheidung“ enthielten.422 Das Postulat, dass der Abgeordnete nur seinem Gewissen unterworfen sei, beinhalte auch, dass er seiner politischen Überzeugung entsprechende und vor seinem Gewissen verantwortbare Sonderinteressen im Parlament vertreten kann. Das Grundgesetz überlasse schließlich die Entscheidung darüber, welches parlamentarische Verhalten mit der Abgeordnetenfunktion vereinbar ist, dem Abgeordneten selbst.423 Wirtschaftliche Inkompatibilitäten bewirkten dagegen, dass „sein Gewissen nicht mehr der einzige Maßstab seines parlamentarischen Verhaltens wäre“.424 Dieser Ansicht kann so nicht gefolgt werden.425 Der Grundsatz des freien Mandats fordert nicht, dass das Gewissen des Abgeordneten erst die „letzte“ Richtschnur seines parlamentarischen Verhaltens sein muss. Vielmehr gebietet es die grundlegende Unabhängigkeit des Abgeordneten gegenüber bestimmten Formen außerparlamentarischer Beeinflussung seines parlamentarischen Verhaltens.426 Wirtschaftliche Inkompatibilitäten, insbesondere in ihrer besonderen Ausprägung der Verbandsinkompatibilitäten können zu dieser Unabhängigkeit beitragen. Eine Determinierung der Gewissensentscheidung bewirkt das Verbot der Kumulation vom Mandat mit bestimmten Tätigkeiten nicht, sondern fördert gerade die nötige Freiheit der parlamentarischen Entscheidung.
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Vgl. BVerfGE 40, 296 (314). Tsatsos, Unvereinbarkeiten zwischen Bundestagsmandat und anderen Funktionen, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 66. S. 726. 423 Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 150. 424 Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 153. 425 Dagegen auch Hensel, Der Einfluss der wirtschaftspolitischen Verbände auf die parlamentarische Arbeit, S. 170 f.; ders., Mehr Transparenz für Verbandsabgeordnete, ZRP 1974, 177 (179). 426 Badura, in: BK, GG, Art. 38 (Zweitbearbeitung) Rn 51. 422
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ff) Art. 48 II GG und die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben – insbesondere im Hinblick auf das passive Wahlrecht – folgt, dass die Einführung einer wirtschaftlichen Inkompatibilität für Abgeordnete rechtstechnisch nicht nur die Änderung des Abgeordnetengesetzes voraussetzt, sondern es hierzu einer Änderung des Grundgesetzes bedarf, durch die die Unvereinbarkeit des Mandats mit privatwirtschaftlichen Tätigkeiten, ähnlich Art. 137 I GG, verfassungsrechtlich verankert wird.427 Auch Art. 48 II GG zeigt, dass das Grundgesetz von der grundsätzlichen Vereinbarkeit von Mandat und privater Erwerbstätigkeit ausgeht.428 Während das Grundgesetz für andere Verfassungsorgane bzw. Teile von Verfassungsorganen die wirtschaftliche Inkompatibilität ausdrücklich anordnet (vgl. Art. 55 II und 66 GG), schweigt es in diesem Punkt in Bezug auf Abgeordnete. Zum Teil wird auch auf Art. 137 GG verwiesen, der zeige, dass das Grundgesetz nur für eine bestimmte Personengruppe – namentlich die Angehörigen des öffentlichen Dienstes – das Zusammentreffen von Mandat und Beruf vermeiden will, aber im Übrigen das Nebeneinander von Beruf und Mandat wie selbstverständlich hinnehme.429 Auch aus der bereits behandelten historischen Entwicklung des Abgeordnetenmandats zeigt sich, dass der Grundgesetzgeber davon ausging und noch ausgeht, dass Nebentätigkeiten verfassungsrechtlich nicht nur gebilligt werden, sondern zum historischen Bild des Grundgesetzes vom Abgeordneten dazugehören, obwohl gleichwohl dem Mandat vor privaten Tätigkeiten verfassungsrechlicher Vorrang gebührt. Die Einführung einer wirtschaftlichen Inkompatibilität würde zudem eine so starke Prägung des Abgeordnetenbildes bedeuten, dass sie ohne grundgesetzliche Verankerung nicht möglich wäre. Die Ermächtigung an den Gesetzgeber nach Art. 38 III GG „das Nähere“ in einem Bundesgesetz zu bestimmen, genügt für eine solch bedeutende Regelung nicht.430 Die Unvereinbarkeiten müssen daher im Grundgesetz angelegt sein; die konkrete tatbestandliche Ausgestaltung kann dann dem einfachen Gesetzgeber überlassen bleiben.
427 So auch Badura, Die Stellung des Abgeordneten, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Rn 90 S. 518; ähnlich Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48 Rn 15. 428 Spoerhase, Probleme des grundgesetzlichen Verbots der Abgeordnetenbehinderung, S. 105; von Arnim, Der gekaufte Abgeordnete – Nebeneinkünfte und Korruptionsproblematik, NVwZ 2006, 249 (259); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 95; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 142; Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 6 B. IV. 3. b., Manuskript S. 817. 429 Geiger, Der Abgeordnete und sein Beruf, Zur Sache 1/79 „Politik als Beruf ?“, S. 105 (115). 430 Ebenso Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 3 B. IV. 3. b., Manuskript S. 819; a.A.: Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 21.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten?
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b) Verfassungspolitische Bedenken Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken werden in der Literatur auch zahlreiche verfassungspolitische Bedenken geäußert und Zweckmäßigkeitserwägungen angestellt, aufgrund derer wirtschaftliche Inkompatibilitäten abgelehnt werden. aa) Berufliche Wiedereingliederung nach dem Mandat Angeführt wird unter anderem, das Abgeordnetenmandat sei nur vorübergehender Natur. Daher sei insbesondere für solche Abgeordnete, die nach Beendigung des Mandats keinen Wiederbeschäftigungsanspruch haben, der Kontakt zu ihren zuvor ausgeübten Berufen besonders wichtig431 und für die spätere Wiedereingliederung nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag geradezu notwendig. Insbesondere für Selbstständige sei die Fortführung des Berufs neben dem Mandat zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage unverzichtbar.432 Art. 48 II GG stehe insofern für einen effektiven Schutz der beruflichen Existenzgrundlage des Abgeordneten.433 Dieser Argumentation wird bisweilen entgegengehalten, sie privilegiere Abgeordnete. Der Wechsel zwischen verschiedenen Berufen und unterschiedlichen Arbeitsplätzen sei auf dem freien Arbeitsmarkt keine Seltenheit und werde im Zuge der Globalisierung und je nach Lage des Arbeitsmarktes jedem Bürger zugemutet.434 Eine lebenslange Beschäftigung und absolut gesicherte Erwerbsposten gebe es kaum noch. Die Existenz des einzelnen Abgeordneten werde zudem während der Mandatszeit durch die Diäten hinreichend gesichert. Um ihm darüber hinaus den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern, genügten Mittel wie Übergangsgelder (vgl. bereits § 18 AbgG), Starthilfen etc.435 Im Übrigen helfe der Bekanntheitsgrad eines ehemaligen Abgeordneten diesem durchaus, nach Beendigung des Mandats beruflich Fuß zu fassen. Zudem müssten auch die Inhaber anderer öffentlicher Wahlämter, beispielsweise Bürgermeister, ihre Berufstätigkeit zugunsten des Amtes aufgeben und sich nach ihrem Ausscheiden neu orientieren.436 Ferner könnte man dahingehend argumentieren, dass rein faktisch die Möglichkeit neben dem Mandat erwerbswirtschaftlich tätig zu sein, ohnehin nur für einen be431 Henkel, Amt und Mandat, S. 17 f.; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 143. 432 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 143; Henkel, Amt und Mandat, S. 18; Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 6 B. IV. 3., Manuskript S. 816. 433 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 103. 434 Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (116). 435 Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (116). 436 Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (116).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
stimmten Teil der Abgeordneten, namentlich für die Angehörigen bestimmter freier Berufe, wie Rechtsanwälte, Journalisten, Steuer- und Wirtschaftsberater, besteht. Diesen fällt es wegen der ihrem Beruf anhaftenden Flexibilität in Ort und Zeit naturgemäß leichter, neben dem anspruchsvollen und zeitintensiven Bundestagsmandat überhaupt berufstätig zu sein. Dagegen gib es eine sehr große Anzahl an Berufen, die die regelmäßige Anwesenheit an einem bestimmten Arbeitsplatz erfordern (Ärzte, Handwerker, selbstständige Kaufleute, Zugführer etc.) und daher faktisch neben dem Mandat nicht oder nur unter sehr günstigen Bedingungen ausgeübt werden können.437 Folglich verwundert es nicht, dass Patzelt auf Grundlage einer Umfrage unter Abgeordneten festgestellt hat, dass die große Mehrheit von 77 % der Abgeordneten ihren angestammten Beruf neben dem Mandat nicht mehr ausüben.438 Diese müssen ohnehin für die Zeit ihrer Parlamentsangehörigkeit ihren Beruf ruhen lassen. Selbstständige dieser Berufe müssen auch ohne ausdrückliche wirtschaftliche Inkompatibilität für Ersatz sorgen. Sie tragen bereits jetzt ein erhebliches Risiko im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang.439 Trotz der nachvollziehbaren Gegenargumente, die die Bedenken gegen wirtschaftliche Inkompatibilitäten etwas relativieren, bleibt in verfassungspolitischer Hinsicht das Bedürfnis des Abgeordneten, seinen Beruf nicht zu verlieren und nach seiner Mandatszeit wieder ausüben zu können, durchaus schützenswert. Insbesondere die Träger solcher Berufe, die die ständige Aktualisierung von Kenntnissen und Fertigkeiten erfordern, würden bei einem vollständigen Nebentätigkeitsverbot jegliche Option verlieren, in ihren Beruf zurückzukehren. Dies wäre auch im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Abgeordneten verfassungspolitisch nicht sinnvoll,440 da er ohne Rückkehrmöglichkeit in den eigentlichen Beruf anfällig wird für Beeinflussungen durch Dritte. Diese zu befürchtenden Beeinflussungen können vieler Gestalt sein, wie etwa erhöhter Druck durch Partei und Fraktion, Zuwendungen finanzieller Art aus privatwirtschaftlichen Quellen oder auch das In-Aussichtstellen eines guten Postens für die Zeit nach dem Mandat. All dies würde der Unabhängigkeit des Abgeordneten eher schaden, als dass sie durch eine strikte Unvereinbarkeit gewonnen würde. Daher sollte die grundsätzliche Möglichkeit der Abgeordneten, Nebentätigkeiten nachzugehen – jedenfalls solchen, die ihrem vormandatlichen Beruf entsprechen bzw. in diesem angelegt sind – aufrechterhalten werden. Weder Art. 48 II GG noch verfassungspolitische Aspekte fordern jedoch einen absoluten Schutz der Berufstätigkeit und des beruflichen Werdeganges des Abgeordne437 Hierzu Schweitzer, Der Abgeordnete im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik, S. 211 f.; Conradi, Parlamentarier in privilegienfeindlicher Demokratie, ZParl 7 (1976), 113 (114 f.). 438 Patzelt, Deutschlands Abgeordnete: Profil eines Berufsstands, der weit besser ist als sein Ruf, ZParl 27 (1996), 462 (465). 439 Geiger, Der Abgeordnete und sein Beruf, Zur Sache 1/79 „Politik als Beruf ?“, S. 105 (119). 440 Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 6 B. IV. 3., Manuskript S. 816.
VII. Verbot von Nebentätigkeiten durch wirtschaftliche Inkompatibilitäten?
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ten. Er kann nicht erwarten, dass seine berufliche Laufbahn bei Übernahme des Mandats genauso verläuft, wie sie ohne das Mandat verlaufen würde. Daher können durchaus solche Tätigkeiten, die eindeutig nicht dem Wiedereinstieg des Abgeordneten in seinen Beruf dienen, und solche, bei denen die Gefährdung der Unabhängigkeit der parlamentarischen Willensbildung besonders hoch ist, für unvereinbar erklärt werden. Der vorgeschlagenen Verbandsinkompatibilität und dem Verbot der Aufnahme „neuer“ Tätigkeiten, die keinen Zusammenhang mit dem vormandatlichen Beruf aufweisen, stehen die Bedenken daher nicht entgegen.
bb) Positiver Bezug zur Berufswelt Gegen wirtschaftliche Inkompatibilitäten wird zum Teil auch eingewendet, Nebentätigkeiten von Parlamentariern garantierten hilfreiche Verbindungen zur Berufswelt und damit verbundene Kenntnisse, die der Gesetzgebung zugute kämen.441 Die ständige Berührung des Abgeordneten mit der menschlichen und sachlichen Umgebung seiner Nebentätigkeit brächte eine größere Wirklichkeitsnähe der parlamentarischen Arbeit442 und eine politische Sensibilität des Abgeordneten gegenüber den Problemen des Alltags.443 Auch diese Argumentation muss zunächst relativiert werden: Jeder neben dem Mandat ausgeübte Beruf vermittelt nur spezifische Kenntnisse und Beziehungen zu einer spezifischen Berufswelt. Die grundlegenden Kenntnisse bestehen zumeist aber auch dann, wenn ein Abgeordneter seine Berufstätigkeit für das Mandat aufgibt. Die Mandatsarbeit im Wahlkreis und in den parlamentarischen Ausschüssen und Arbeitsgruppen eröffnen regelmäßig eine ebenso breite Einsicht in die für die Gesetzgebung relevanten Lebensbereiche.444 Oft dürfte diese sogar vielfältiger sein als die spezifische berufliche Sicht eines Abgeordneten. Teilweise wird sogar ein positiver Effekt der Entfremdung des einzelnen Abgeordneten von seiner beruflichen und interessenmäßigen Herkunft beschrieben, die den persönlichen Spielraum für Kompromisse und übergreifende Entscheidungen schaffe.445 Dennoch ist der Wert der laufenden und ständig aktualisierten Erfahrung mit der Berufswelt nicht zu unterschätzen. Eine außerparlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten bringt aktuelle Informationen, Kenntnisse, Kontakte und das Wissen um Be441
Henkel, Amt und Mandat, S. 17; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 246; von Arnim, Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten, DÖV 2007, 897 (902). 442 Dichgans, in: BT-Drs. VI/3829, S. 70 (71); Sendler, Abhängigkeiten der unabhängigen Abgeordneten, NJW 1985, 1425 (1431). 443 Linck, Die Rechtsstellung des Abgeordneten – Zum Diätenurteil und seinen Auswirkungen, JA 1976, 749 (750). 444 Meyer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Rechtsgutachten, S. 22 Fn 61. 445 Herzog, Karrieremuster von Abgeordneten in Deutschland – früher und heute, Zur Sache 1/79 „Politik als Beruf ?“, S. 63 (72).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
dürfnisse der Bevölkerung aus erster Hand in die parlamentarische Willensbildung ein. Die Abgeordneten bleiben so bisweilen stärker in der „realen Welt“ verwurzelt.446 Zurecht befürchten Viele die Entwicklung hin zu einem Parlament, das allein aus Berufspolitikern besteht, die ihr parlamentarisches Verhalten allein an der für sie notwendigen Wiederwahl ausrichten.447 Für das demokratische Prinzip des Grundgesetzes ist es zudem essentiell, dass das Parlament nicht nur vom Volk sondern auch aus dem Volk heraus gewählt wird. Diese Verankerung in der Bevölkerung wird durch den vom Abgeordneten vor Mandatsübernahme ausgeübten Beruf und das Wissen um den möglichen Wiedereinstieg gestärkt. 3. Ergebnis Zusammenfassend ergeben sich damit folgende Feststellungen: Die Einführung von wirtschaftlichen Inkompatibilitäten bedarf einer ausdrücklichen grundgesetzlichen Verankerung. Eine solche Grundgesetzänderung wäre auch im Hinblick auf Art. 79 III GG verfassungsrechtlich möglich. Darüber, ob sie verfassungspolitisch sinnvoll, wünschenswert oder erforderlich ist, lässt sich trefflich streiten. Ein vollumfassendes Nebentätigkeitsverbot ist weder zweckmäßig noch erforderlich. Dem Abgeordneten sollte ein gewisser Spielraum verbleiben, insbesondere wenn es bei Selbstständigen darum geht, mit einem Mindestmaß an Tätigkeit durch den Abgeordneten dessen Betrieb am Laufen zu halten und um langfristig eine stärkere Verankerung der Parlamentsangehörigen im Volk sicherzustellen und Wirklichkeitsnähe der parlamentarischen Entscheidungen zu gewährleisten. Eine genaue tatbestandliche Beschreibung des in diesem Rahmen erforderlichen und gestatteten Arbeitsaufwandes ist freilich schwierig. Während ein umfassendes Nebentätigkeitsverbot nicht zu befürworten ist, so sollten doch einige bestimmte Tätigkeiten neben dem Mandat ausgeschlossen werden, in denen der Interessenkonflikt sich geradezu aufdrängt. Beispielsweise sollten die bereits erwähnten Spitzenfunktionärsposten in Interessenverbänden als prominentester Loyalitätskonflikt für mit dem Mandat unvereinbar erklärt werden. Sinnvoll wäre auch, im Wege einer gesetzlichen Vermutung, solche Tätigkeiten auszuschließen, die erst nach Übernahme des Mandats begonnen werden und nicht bereits in der vormandatlichen Tätigkeit des Abgeordneten ange-
446 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 143; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 246; Dichgans, Mehr Freiheitsraum für die Abgeordneten, ZParl 7 (1976), 127 (137); Klein und Reimer sprechen insofern von der notwendigen „Bodenhaftung“ des Abgeordneten, vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 40; Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 6 B. IV. 3., Manuskript S. 816. 447 Drastische Folgen sieht Linck, Verfestigung des Leitbilds vom Berufsabgeordneten durch das BVerfG, NJW 2008, 24 (25); ebenso Schmitt Glaeser, Die Abhängigkeit der Politiker als Funktionsmangel der Demokratie, ZRP 2006, 10 (12 ff.), der das „Ende der politischen Klasse“ fordert; bildlich befürchtet Abelein ein „politisches Ghetto“, vgl. Abelein, Die Rechtsstellung des Abgeordneten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: FS von der Heydte, S. 777 (788).
VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften
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legt waren. Bei solchen Tätigkeiten besteht die hinreichende Vermutung des mandatswidrigen Einflusses, die das starke Instrumentarium der Inkompatibilität rechtfertigt.
VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache (Mitwirkungsverbote)? An ganz anderer Stelle als die bisher erörterten Regelungsinstrumente setzt die Idee an, zur Bewältigung der Interessenkonflikte von Abgeordneten, deren Nebentätigkeiten eine im Parlament anstehende Materie betrifft oder die andere finanzielle Eigeninteressen an einer zu beratenden Sachfrage haben, weitreichende Befangenheitsvorschriften einzuführen, die die Mitwirkung eines betroffenen Abgeordneten an der Gesetzgebung verhindern. Während die zuvor erörterten Inkompatibilitätsvorschriften bereits im Vorfeld der Tätigkeiten eines Amtsträgers ansetzen und durch das Verbot mehrfacher Tätigkeiten bereits das Entstehen von Interessenkollisionen vermeiden sollen, greifen Befangenheitsvorschriften im konkreten Einzelfall ein und verbieten punktuell ein bestimmtes Tätigwerden als Amts- bzw. Mandatsträger. Dabei gehen sie von der Existenz und Zulässigkeit mehrerer Tätigkeiten und Interessen aus.448 Das bisher auf Bundesebene einzig gesetzlich normierte parlamentarische Mitwirkungsverbot des § 17 WahlprüfungsG, das in den Verhaltensregeln enthaltene Verbot der Mitwirkung am Sanktionsverfahren, das teilweise angenommene Beteiligungsverbot bei Immunitätsangelegenheiten und die jedenfalls im Ansatz in die Richtung gehende Regelung des § 6 VerhR erschöpfen dieses Regelungsinstrument nicht. Insbesondere die bloße Offenlegung eines möglichen Interessenkonflikts im Ausschuss wird als unzureichend empfunden, da wegen der teilweisen Nichtöffentlichkeit der Ausschusssitzungen (§ 69 GOBT) nicht einmal eine Transparenzwirkung erwartet werden kann449 und im Übrigen keine wirkliche Auflösung des Konflikts ermöglicht. In der Exekutive und der Judikative sind dagegen Befangenheitsvorschriften, wie zu Beginn der Arbeit gezeigt,450 weit verbreitet. Sie setzen dort an, wo bereits konkrete Interessenkonflikte des Amtsträgers sichtbar sind und schließen diesen von der Mitwirkung an der jeweiligen Entscheidung aus. Damit soll die Sachlichkeit und Gemeinwohlorientiertheit der Entscheidungen, die unparteiische Erfüllung öffentlicher Aufgaben sowie das Vertrauen des Volkes in die Integrität der Staatsgewalt gesichert werden. Zudem wird dem Amtsmissbrauch zu privaten Zwecken vorge-
448 Reimer, Die Bewältigung von Interessenkollisionen bei Amts- und Mandatsträgern, Teil 3 C., Manuskript S. 267. 449 van Aaken, Genügt das deutsche Recht den Anforderungen der VN-Konvention gegen Korruption?, ZaöRV 2005, 407 (436). 450 Siehe oben B. II. 1. c); B. II. 3. c); B. III. 1. c); B. III. 2. c).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
beugt.451 Gleichzeitig können Befangenheitsvorschriften aber auch dem Schutz des betreffenden Amtsträgers vor dem Verdacht der Illoyalität und vor Entscheidungskonflikten dienen.452 Als Befangenheitstatbestände, die ein Mitwirkungsverbot im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren begründen, gelten insbesondere der Grundsatz des Verbots der Entscheidung in eigener Sache, die sachliche Befangenheit wegen Vorbefassung mit derselben Angelegenheit sowie der Eindruck eines konkreten Neutralitätsverlustes.453 Angesichts dessen, dass die Befangenheitsvorschriften in den beiden anderen Gewalten einen erheblichen Beitrag zur rechtsstaatlichen Ausübung der Hoheitsgewalt leisten, gebietet es sich geradezu, auch im Hinblick auf die Legislative über dieses Rechtsinstrument nachzudenken. Hierbei muss auf der einen Seite gesehen werden, dass es die Ziele, denen die Befangenheitsvorschriften innerhalb der Exekutive und der Judikative dienen, auch für die Legislative zu verwirklichen gilt; auch im Bereich der Legislative sollten die genannten Schutzzwecke als allgemeine demokratische und rechtsstaatliche Werte bestmöglich erreicht werden. Auf der anderen Seite ist es jedoch fraglich, ob man sich hierfür des Instruments parlamentarischer Mitwirkungsverbote bedienen kann, oder ob die verfassungsrechtlichen Besonderheiten der legislativen Gewalt eine den anderen Gewalten entsprechende Herangehensweise verbieten. Hierbei drängt sich gerade auch ein Vergleich zu den Gemeinderäten auf, die in ihrer Rechtsstellung – jedenfalls auf den ersten Blick und obwohl der Exekutive angehörend – den Parlamentsabgeordneten durchaus ähneln. 1. Gleichbehandlung der drei Gewalten? Zwar erscheint es auf den ersten Blick unverständlich, dass im Rahmen der Exekutive und der Judikative Mitwirkungsverbote durch Befangenheitsvorschriften derart umfassend normiert sind, während für die Legislative quasi keine vorhanden sind. Schließlich sind alle Gewalten dem Rechtsstaatsprinzip unterworfen und dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine genauere Betrachtung der den Gewalten zugrundeliegenden Verfassungsgrundsätze, Funktionen und der Statusprinzipien der unterschiedlichen Amtsträger zeigt jedoch auch hier auf, weshalb eine strikte Gleichbehandlung der Gewalten nicht möglich ist.
451 Zu den Zwecken der bestehenden Mitwirkungsverbote siehe zusammenfassend KnebelPfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 31 f. 452 Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 19. 453 Zu den Arten der Befangenheitstatbestände, vgl. Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272); Hager, Grundfragen zur Befangenheit von Gemeinderäten, VBlBW 1994, 263 (264).
VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften
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a) Richter und Abgeordnete: Wesensimmanente Unparteilichkeit? Ein Vergleich der Abgeordneten mit Richtern zeigt, dass ihren Funktionen, obwohl von beiden sachgerechte und gemeinwohlorientierte Entscheidungen verlangt werden, letztlich doch unterschiedliche Grundgedanken zugrunde liegen, wegen der die Frage nach Mitwirkungsverboten im legislativen Bereich ganz anders beurteilt werden muss als für die Judikative. Der richterlichen Tätigkeit ist die Unparteilichkeit und Neutralität wesensimmanent. Das Richteramt muss neutral ausgeübt werden. Nemo judex in causa sua – Niemand kann in seiner eigenen Sache Richter sein. Dies erfordert im Gerichtsverfahren mit keinem der beiden Parteien identisch oder in zu starkem Maße verbunden zu sein, den Prozess ohne Bevorzugung eines Beteiligten zu führen und bei der Entscheidungsfindung nicht aufgrund sachfremder Erwägung zum Vor- oder Nachteil eines Beteiligten zu verfahren.454 Wegen dieser wesensimmanenten Unparteilichkeit sind Mitwirkungsverbote für die Judikative in Fällen von Interessenkonflikten geradezu zwingend. Diesem hat der Gesetzgeber von jeher durch umfassende Befangenheitsvorschriften für alle Gerichtszweige Rechnung getragen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Mitglieder des Bundestages als Teil der Legislative sind dagegen etwas anders zu beurteilen. Von ihnen wird eine andere Art der Unparteilichkeit bzw. Neutralität verlangt. Die Abgeordneten sind in aller Regel parteizugehörig und allein deshalb schon nicht von Natur aus gänzlich neutral. Dies wird vom Grundgesetz nicht nur hingenommen, sondern ist sogar in gewissem Maße gewollt, wie die Existenz und die verfassungsrechtliche Bedeutung des Art. 21 GG zeigen. Zudem ist das parlamentarische Willensbildungs- und Entscheidungsverfahren gerade darauf ausgelegt, dass polarisiert wird und von den Abgeordneten in den Ausschusssitzungen und Plenardebatten Partei ergriffen wird. Abgeordnete gelten anders als Richter gerade nicht als „unbeteiligte Dritte“.455 Eine Interessenvertretung ist in gewissem Maße gewollt. Von ihnen kann nicht dieselbe Art der Neutralität verlangt werden wie von Richtern; denn eine Bindung zur einen oder anderen Seite im parlamentarischen Entscheidungsverfahren ist „normal“, sei es durch Parteizugehörigkeit, (erlaubte) Verbandszugehörigkeit oder ähnliches. In der Regel sind die Abgeordneten gerade auch wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei und wegen ihrer bereits geäußerten Ansichten zu bestimmten Sachthemen in das Parlament gewählt worden. Sie gehen daher nicht gänzlich unvoreingenommen an zur parlamentarischen Entscheidung anstehende Fragen heran. Daraus kann ihnen auch kein Vorwurf gemacht werden; im Gegenteil ist in der Öffentlichkeit allzu schnell von „Wahlbetrug“ oder von der „Wankelmütigkeit“ der Volksvertreter die Rede, wenn jemand seine Ansicht zu einem Thema – hoffentlich aufgrund besserer 454
Stadler, Die richterliche Neutralität in den Verfahren nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, S. 1; vgl. hierzu im Übrigen oben B. IV. 1. 455 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (334); Isensee, Zwischen Amtsethos und Parteibindung – Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZParl 31 (2000), 402 (405).
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
Argumente und nicht aus anderen Gründen – ändert. Ebenso wenig kann nach praktischen Erfahrungswerten ein Politiker eine Wahl gewinnen, der nicht zuvor zu bestimmten Themen Stellung bezieht. Dies würde nicht als positive Unvoreingenommenheit aufgefasst, sondern als Unentschlossenheit – nicht gerade ein Attribut, das aufgrund der faktischen Gegebenheiten zur Wahl auf demokratischem Wege verhilft. Die Grenze zur problematischen Befangenheit ist daher in der Legislative ganz anders und viel diffiziler zu ziehen. Dieser Unterschied zwischen den Gewalten lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass die Judikative insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip verbunden ist, während die Legislative den stärksten Ausdruck des Demokratieprinzips bildet.456 Während Richter streng an das geltende Recht und die Gesetze gebunden sind, ist es Aufgabe der Legislative, dieses Recht – im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben – zu schaffen. Bei der Anwendung des Rechts auf den konkreten Einzelfall, ist für Voreingenommenheit und persönliche Bevorzugungen durch den Richter kein Raum. Die Bürger müssen sich auf eine gleichmäßige Anwendung des Rechts verlassen können. Dagegen ist es für die Rechtsetzung im Parlament nicht nur selbstverständlich sondern geradezu notwendig, dass die Parlamentsmitglieder vorgeformte Ansichten haben und diese zum Zwecke der parlamentarischen Meinungsbildung in den Entscheidungsprozess einbringen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren stehen sich zudem nicht zwei Verfahrensparteien gegenüber, die wie vor Gericht miteinander streiten und stets gegensätzliche Interessen haben. Vielmehr ringen die Parlamentsmitglieder – jedenfalls im Idealfall – um das gleiche Ziel: den Erlass gemeinwohlorientierter Gesetze und Beschlüsse, die für die Allgemeinheit gelten sollen. Lediglich um den Inhalt dieser Gesetze wird gerungen und um die Frage, was dem Gemeinwohl am besten dient. Die Inhalte des Gemeinwohls sind im parlamentarischen Verfahren noch nicht festgelegt, sondern sollen im Zusammenwirken der unterschiedlichen politischen Strebungen und Interessen erst herausgebildet werden.457 Dabei ist eine Parteinahme durch die Angehörigen der Legislative unvermeidbar. Allein der Umstand, dass sich ein Abgeordneter für eine bestimmte Sache stark macht und seine Ansicht zu einem Thema in der öffentlichen Diskussion und bei Debatten in den Ausschüssen und im Plenum des Bundestages nachdrücklich vertritt, kann daher nicht den Ausschluss von der abschließenden Parlamentsentscheidung nach sich ziehen. Während es sich bei einem solchen Verhalten durch Richter um einen nicht hinnehmbaren Distanzverlust zum Verfahrensgegenstand handeln würde, ist es für ein Parlamentsmitglied nicht zu beanstanden.458 Im Gegenteil 456 Ähnlich betont auch Klein die Differenzierung zwischen der vom Rechtsstaatsprinzip geprägten Judikative und Exekutive und dem demokratischen Prinzip, das die Unparteilichkeit der Legislative nicht in derselben Ausprägung fordert, vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 150. 457 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (331). 458 Vgl. Hager, Grundfragen zur Befangenheit von Gemeinderäten, VBlBW 1994, 263 (264).
VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften
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trägt die offene Kundgabe von Ansichten zur Information und Transparenz zugunsten der Allgemeinheit bei.459 Dennoch kann von Abgeordneten erwartet werden, dass sie sich überzeugenderen Argumenten, die im parlamentarischen Entscheidungsprozess auftreten, nicht aus sachfremden Gründen verschließen. Auch die Legislative ist dem Sachlichkeitsgrundsatz unterworfen.460 Während für die Judikative bereits die Entscheidung gemäß den eigenen politischen Zielvorstellungen des Richters als sachfremd gilt,461 kann dies angesichts der Bedeutung des Demokratieprinzips für die Legislative nicht gelten. Sachfremd sind allerdings solche Aspekte, die außerhalb des Sachthemas angesiedelt sind und allein zum Beispiel wirtschaftlichen Eigeninteressen des Abgeordneten oder ihm nahestehender Dritter dienen. Sehr fraglich ist allerdings, ob diese Anforderung an das parlamentarische Verhalten des einzelnen Abgeordneten, dass er sachfremde Erwägungen außer Acht zu lassen hat, die Einführung von Befangenheitsvorschriften vergleichbar denen der Judikative rechtfertigt. Zwingend erscheint dies aufgrund der aufgezeigten Unterschiede jedenfalls nicht.
b) Beamte und Abgeordnete: Die Ungleichheit von Amt und Mandat Ähnliche Erwägungen beschreiben auch die wesentlichen Unterschiede zwischen legislativer und exekutiver Gewalt. Während vor allem das Rechtsstaatsprinzip von der Exekutive unparteilichen und am Gemeinwohl orientierten Gesetzesvollzug fordert, ist es nach den demokratischen Vorgaben für die Legislative durchaus üblich, dass ihre Angehörigen bestimmte Interessen vertreten.462 Dies begründet sich unter anderem damit, dass die Legislative die Gesetze im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben nach den Gemeinwohlvorstellungen der Mehrheit der Parlamentsmitglieder erst schafft. Im Gesetzgebungsverfahren werden die verschiedenen Interessen in Ausklang gebracht. Der Beamte ist aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen strikt an diese Festlegungen gebunden.463 Für seine eigenen Interessen bleibt dabei notwendigerweise kein Raum. Die gebotene Differenzierung zwischen Befangenheitsvorschriften für Exekutive und Legislative machen ferner folgende Aspekte deutlich: Beamte sind ohne Weiteres ersetzbar. Es besteht kein Interesse daran, dass ein bestimmter Beamter eine bestimmte Entscheidung trifft.464 Bei Parlamentsmitgliedern ist das anders. Ihnen wurde 459 Vgl. hierzu Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272); Hager, Grundfragen zur Befangenheit von Gemeinderäten, VBlBW 1994, 263 (264). 460 Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913 (919). 461 Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 72. 462 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (332). 463 Hierzu Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 296. 464 Glage, Mitwirkungsverbot in den Gemeindeordnungen, S. 27.
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durch die Direktwahl ein politisches Mandat übertragen, so dass der Wähler ein Interesse daran hat, dass das Parlament in der Zusammensetzung entscheidet, wie es aus den Wahlen hervorgegangen ist. Der Abgeordnete kann nicht ersetzt werden. Schon daraus ergibt sich, dass die beamtenrechtlichen Mitwirkungsverbote nicht ohne Weiteres auf die Legislative übertragen werden können. Hinzu kommt, dass den Abgeordneten das Recht auf Teilhabe an den parlamentarischen Beratungen und Abstimmungen als mitgliedschaftliches Recht von Verfassungs wegen zusteht.465 Die Mitwirkungsrechte sind Teil des grundgesetzlichen Abgeordnetenstatus nach Art. 38 I 2 GG466 und verleihen dem Abgeordneten eigene Zuständigkeiten,467 von denen er grundsätzlich selbstständig nach eigenem Ermessen Gebrauch machen und die er notfalls mittels eines bundesverfassungsgerichtlichen Organstreitverfahrens durchsetzen kann. Derartige Mitwirkungsrechte hat ein Beamter nicht. Ihm werden im Rahmen seiner Dienstfunktion exekutive Kompetenzen verliehen. Diese stehen ihm jedoch nicht zur selbstständigen Wahrnehmung im Sinne eines mitgliedschaftlichen Rechts zu, sondern er ist unselbstständiger Vertreter seiner Behörde bzw. seines Dienstherrn. Auch die Art und Weise der Aufgabenerfüllung divergiert entscheidend. Beamte haben ihre Entscheidungen nur anhand der maßgeblichen Rechtsvorschriften unparteiisch und nur aufgrund sachlicher Erwägungen zu fällen.468 Sie haben sich nicht an ihrem Gewissen zu orientieren, sondern unterliegen der Weisungsbefugnis ihrer Vorgesetzten und den von diesen vorgegebenen Leitlinien.469 Abgeordnete sind dagegen an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und gem. Art. 38 I 2 GG nur ihrem Gewissen unterworfen. „Die Freiheit des Mandats erlaubt dem Abgeordneten, alles aufzunehmen und in den Entscheidungsprozess einzuführen, was an ihn herangetragen wird. Von welchen Überlegungen er sich bei seinen Entscheidungen leiten lässt, ist seine und seines Gewissens Sache.“470 Die Rechte und Pflichten des Abgeordneten sind daher stark subjektiviert,471 während die korrekte Aufgabenerfüllung der Beamten objektiv beurteilbar ist.472 Diese gravierenden Unterschiede verhindern eine simple Übertragung der beamtenrechtlichen Mitwirkungsverbote auf die Legislative. Die Frage einer wirklichen Befangenheit, die im Bereich der Legislative zu missbilligen und daher Folgen
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Diesen entscheidenden Unterschied sieht auch Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 135. 466 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 38 Rn 59. 467 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 31. 468 Vgl. Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (871). 469 Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 296. 470 Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (871). 471 Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 297, 299 ff. 472 Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (871).
VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften
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nach sich ziehen sollte, muss anders beantwortet werden, als es für die Beamten getan wird. c) Gemeinderäte und Abgeordnete: Ein hinkender Vergleich Während die Unterschiede zwischen Richtern und Beamten einerseits und Parlamentsabgeordneten andererseits noch verhältnismäßig deutlich zu Tage treten, liegt ein Vergleich der Abgeordneten mit Mitgliedern der Gemeindevertretungen noch näher. Beide sind durch Direktwahlen unmittelbar demokratisch legitimiert und Träger politischer Mandate. Dem Bundestagsabgeordneten wird verfassungsrechtlich durch Art. 38 I 2 GG ein freies Mandat verliehen. Gemeinderatsmitglieder entscheiden gemäß § 32 III GemO BW bzw. gemäß den entsprechenden Vorschriften der Gemeindeordnungen der anderen Länder nach ihrer freien, nur durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung und sind an Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, nicht gebunden. Auch sie haben ein eigenes nicht beliebig beschränkbares Mitwirkungsrecht und sind nicht wie ein Verwaltungsbeamter ersetzbar.473 Obwohl es sich bei dem Gemeinderat um ein Organ der Exekutive handelt, lassen sich Parallelen zum Bundestag daher nicht von der Hand weisen. Dem Gemeinderat steht als Hauptorgan der Gemeinde (§ 24 I 1 GemO BW) die politische Gesamtleitung der Gemeinde zu. Er kontrolliert die Kommunalverwaltung, wird rechtsetzend tätig und verfügt mit dem Haushaltsrecht über ein spezifisch parlamentarisches Instrumentarium.474 Nicht zuletzt stellt sich die Garantie eines freien Mandats für die Gemeinderatsmitglieder, das in weitem Umfang dem freien Mandat des Parlamentsabgeordneten nachgebildet ist,475 als Annäherung an den Parlamentsstatus dar.476 Der Gemeinderat wird daher auch des Öfteren – nicht nur von juristischen Laien – als kommunales Parlament bezeichnet.477 Diese Ähnlichkeiten zum Parlament drängen die Frage geradezu auf, ob nicht das Vorhandensein und die praktische Umsetzung der Mitwirkungsverbote für die Gemeinderatsmitglieder zeigen, dass Befangenheitsvorschriften auch im parlamentarischen Bereich sinnvoll und praktikabel sind. Trotz dieser Parallelen zwischen dem kommunalen Volksvertretungsorgan und dem gesamtstaatlichen Parlament, bestehen doch gewichtige Unterschiede, aufgrund derer die Übernahme der Befangenheitsgrundsätze bedenklich ist. Unterschiede sind zunächst in der Mandatsausübung der Gemeinderatsmitglieder im Vergleich zu der der Abgeordneten zu erkennen. Zwar wird den Gemeinderatsmitgliedern ähnlich 473
Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 218. Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 218. 475 Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 37 ff.; Frowein, Das freie Mandat der Gemeindevertreter, DÖV 1976, 44 (45); Siebler, Die Rechtsstellung der Gemeindevertreter in den Gemeindeordnungen der Bundesrepublik, S. 42 f.; Waibel, Gemeindeverfassungsrecht BadenWürttemberg, Rn 234. 476 Frowein, Das freie Mandat der Gemeindevertreter, DÖV 1976, 44 (45). 477 So zum Beispiel von Krüger, Die Diäten der Bundestagsabgeordneten, DVBl. 1964, 220. 474
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wie den Bundestagsabgeordneten die grundsätzlich freie Mandatsausübung zuerkannt, die sich in ihrer Ausgestaltung an den Statusrechten der Abgeordneten orientiert. Dennoch ist zum Beispiel darin ein bedeutender Unterschied der Mandatsfreiheit zu sehen, dass die Gemeinderatsmitglieder nach § 34 III GemO BW verpflichtet sind, an den Gemeinderatssitzungen teilzunehmen.478 Eine entsprechende Teilnahmepflicht der Abgeordneten des Bundestages besteht nicht. Ihr freies Mandat nach Art. 38 I 2 GG umfasst – im Rahmen der ihnen obliegenden parlamentarischen Anwesenheits- und Mitwirkungspflichten479 als Grenze – auch die freie Entscheidung darüber, ob und an welchen einzelnen Sitzungen des Hauses sie teilnehmen möchten.480 Zwar kann die Nichtteilnahme an den Arbeiten des Bundestages an den Sitzungstagen gemäß § 13 II GOBT, § 14 AbgG Folgen wie die Kürzung der Kostenpauschale nach sich ziehen, jedoch bedeutet dies keine grundsätzliche Pflicht zur Teilnahme an konkreten Sitzungen. Ebenso wenig gibt es für die Abgeordneten eine dem § 16 I GemO BW entsprechende Regelung, nach der gewählte Mitglieder der Gemeindevertretung ihr Mandat nur aus wichtigem Grund ablehnen oder niederlegen dürfen.481 Beide Regelungen zeigen, dass, obwohl es sich bei der kommunalen Volksvertretung auch um ein politisches und grundsätzlich freies Mandat handelt, ihre Pflichtenstellung stärker ausgeprägt ist als die der Abgeordneten. Dies mag unter anderem seinen Grund darin haben, dass der Gemeinderat Organ der Kommunalverwaltung ist, das auf eine effektive Wahrnehmung der Aufgaben durch den Einzelnen angewiesen ist. Jedenfalls aber zeigen die Unterschiede, dass eine pauschale Gleichstellung der kommunalen und der parlamentarischen Wahlmandate trotz aller Ähnlichkeiten nicht möglich ist. Weitere entscheidende Unterschiede offenbaren sich bei der Betrachtung der Aufgaben der Gemeinden und ihrer Einordnung in den Staatsaufbau. Die Gemeinden haben als Selbstverwaltungskörperschaften kein allgemein-politisches Mandat. Auch der Handlungsspielraum des Gemeinderats beschränkt sich daher auf die örtlichen Angelegenheiten im Sinne des Art. 28 II GG,482 namentlich auf Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben.483 Die Willensbildung der Gemeindevertretung ist überwiegend auf praktische Erledigung konkreter Verwaltungsaufgaben gerichtet und nicht – wie bei einem Parlament – auf den Erlass abstrakter Normen.484 Sofern die Gemeinderäte rechtsetzend 478
Hierzu Waibel, Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg, Rn 269. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn 70. 480 Kremer, Präsenz im Plenum, in: Festg. Blischke, S. 9 (11). 481 Vielmehr zeigt sich nicht zuletzt aus § 45 BWG, dass nach der Wahl der Erwerb der Bundestagsmitgliedschaft von der freien Entscheidung des Gewählten über Annahme bzw. Ablehnung des Mandats abhängig ist. Auch an die selbstständige Niederlegung des Mandats durch späteren Verzicht gemäß § 46 I 1 Nr. 4 BWG werden keine weiteren Anforderungen gestellt. 482 von Ungern-Sternberg, Gemeinderat als „Kommunalparlament“?, Jura 2007, 256. 483 BVerfGE 8, 122 (134); 52, 95 (120); Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn 46. 484 BGHSt 51, 44 (52). 479
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tätig werden, handelt es sich stets um kommunale Satzungen, die sich auf das unmittelbare kommunale Umfeld auswirken. Durch diese Beschränkung des Aufgabenund Kompetenzbereichs auf die örtlichen Angelegenheiten betreffen die Beschlüsse des Gemeinderates oft nur wenige Personen. Wegen der räumlichen Nähe innerhalb einer Gemeinde bestehen – gerade in kleineren Gemeinden – häufiger enge persönliche oder wirtschaftliche Verflechtungen zwischen den entscheidenden Gemeinderatsmitgliedern und den von den Einzelentscheidungen oder Rechtsetzungsakten Betroffenen. Diese räumliche Begrenztheit birgt das erhöhte besondere Risiko mangelnder Distanz und damit eigenen Interesses am Entscheidungsgegenstand.485 Hingegen werden vom Bundestag zuvorderst abstrakte Gesetze erlassen, die für das gesamte Bundesgebiet gelten. Hiervon sind die Abgeordneten selbst und die ihm persönlich und wirtschaftlich Nahestehenden in aller Regel nur soweit betroffen, wie jeder andere Bundesbürger.486 Die Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Sonderbetroffenheit ist ungleich geringer,487 ebenso die Gefahr für einen sachgerechten Interessenausgleich im Entscheidungsverfahren. Der Verzicht auf parlamentarische Mitwirkungsverbote liegt daher viel näher als im kommunalverfassungsrechtlichen Bereich.488 Trotz der Parlamentsähnlichkeit der Gemeindevertretung muss darüber hinaus stets beachtet werden, dass sie dennoch Teil der Exekutive ist und damit verwaltende Aufgaben hat.489 Sie ist gerade kein Parlament.490 Zwar müssen wegen des politischen Charakters der Vertretung gewisse Interessenvertretungen im Organ hingenommen werden, jedoch werden diese stärker durch das Rechtsstaatsprinzip begrenzt als das in den Parlamenten der Fall ist, die zuvorderst dem Demokratieprinzip verbunden sind. Hier wirkt sich die Einordnung der Gemeindevertretungen in die exekutive Gewalt aus. Von diesem Standpunkt gesehen verwundert es auch nicht, dass Interessenkollisionen im kommunalen Bereich strikter gehandhabt werden und zum Ausschluss des Betreffenden führen, wie es auch im übrigen Teil der Verwaltung der Fall ist. Die 485 Röhl, Das kommunale Mitwirkungsverbot, Jura 2006, 725 (726); Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 28 f.; Nolte, Das freie Mandat der Gemeindevertretungsmitglieder, DVBl. 2005, 870 (877); Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 253; Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 397; Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 41; Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (525). 486 Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 28 f.; Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 253; Becher, Die persönliche Rechtsstellung des Gemeindevertreters im Verhältnis zu der des Parlamentariers, S. 52; Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 41 f. 487 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (528); Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 253. 488 Glage, Mitwirkungsverbote in den Gemeindeordnungen, S. 28, 29. 489 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (527); Gillner, Ist die Tätigkeit in der Gemeindevertretung eine „parlamentarische“ Tätigkeit in der „Legislative“?, SKV 1961, 3 (4). 490 BVerfGE 78, 344 (348).
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kommunalen Befangenheitsvorschriften können daher gerade als die Konsequenz der funktionellen Einordnung der Gemeindevertretung in die exekutive Gewalt angesehen werden.491 Die besondere Eigenschaft der kommunalen Volksvertretung als Verwaltungsorgan mit parlamentsähnlichen Zügen wirkt sich hier offen aus. Die Entscheidung zugunsten der kommunalen Befangenheitsvorschriften steht zwar in einem Spannungsverhältnis zum freien Mandat und zum gleichen Mitwirkungsrecht aller Gemeinderatsmitglieder, ist jedoch wegen der staatsorganisationsrechtlichen Einordnung in die Exekutive geboten. Dem besonderen Charakter des Gemeinderates wird bei den Details der Befangenheitsvorschriften Rechnung getragen. So haben die Gemeindeordnungsgeber beispielsweise bewusst auf einen Ausschlussgrund verzichtet, der allein wegen der subjektivierten Besorgnis der Befangenheit eingreift, wenn objektive Umstände den Eindruck eines konkreten Neutralitätsverlustes rechtfertigen. Damit bleibt die Möglichkeit offen, sich für ein politisches Thema öffentlich zu engagieren. Ebenso gelten die Mitwirkungsverbote nicht, wenn allein die Interessen bestimmter Berufs- oder Bevölkerungsgruppen betroffen sind, denen der Betreffende angehört oder nahe steht (vgl. § 18 III 1 GemO BW). Erforderlich ist stets ein unmittelbarer individueller Vor- oder Nachteil. Durch diese Aspekte wird auf die besonderen Belange der Gemeindevertretung als Hauptakteur des kommunalpolitischen Prozesses Rücksicht genommen492 und die strengen amtsrechtlichen Prinzipien aufgelockert.493 Dennoch überlagert der politische Prozess nicht die grundsätzliche Zugehörigkeit zur Exekutive. Die materielle Rechtsetzungsbefugnis der Gemeindevertretungen tritt in ihrer Bedeutung hinter der eigentlichen, verwaltenden Tätigkeit zurück.494 Während aus diesem Grund für das Kommunalverfassungsrecht Befangenheitsvorschriften möglich und geboten sind, steht im Gegensatz dazu in der legislativen Gewalt der politische Prozess im Parlament im Lichte des Demokratieprinzips im absoluten Vordergrund. Die Einführung von legislativen Befangenheitsvorschrif491
So auch Dahs/Müssig, Strafbarkeit kommunaler Mandatsträger als Amtsträger? – Eine Zwischenbilanz, NStZ 2006, 191 (193); Gillner, Ist die Tätigkeit in der Gemeindevertretung eine „parlamentarische“ Tätigkeit in der „Legislative“?, SKV 1961, 3 (6); kritisch Kazele, Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht, S. 41. Andersherum wird von einigen die Existenz der kommunalen Befangenheitsvorschriften als deutlicher Beleg dafür angesehen, dass die Tätigkeit der Gemeindevertretung eine verwaltende sei, vgl. Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 397; hierzu auch Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 252. 492 Vgl. hierzu Schäfer, Zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern, VBlBW 2003, 271 (272); Hager, Grundfragen zur Befangenheit von Gemeinderäten, VBlBW 1994, 263 (264); Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 398. 493 Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 397. 494 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (527); OVG Münster DÖV 1957, 374 (376); DVBl. 1971, 660 (662 f.); zurecht weist Gillner darauf hin, dass dies insbesondere in kleineren Gemeinden deutlich wird, in denen die Gemeindevertretung noch mit den meisten anfallenden Sachentscheidungen der Kommunalverwaltung befasst werden kann, während in größeren Gemeinden sich wegen der praktischen Möglichkeiten vermehrt Angelegenheiten als laufende Verwaltung auf den Bürgermeister verlagern, vgl. Gillner, Ist die Tätigkeit in der Gemeindevertretung eine „parlamentarische“ Tätigkeit in der „Legislative“?, SKV 1961, 3 (5).
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ten ist daher keineswegs selbstverständlich oder aufgrund eines Hinweises auf die kommunalen Mitwirkungsverbote zu rechtfertigen.495 Für den parlamentarischen Bereich bedarf es einer eigenständigen Prüfung und Abwägung.
2. Die Bedeutung von Art. 84 BremVerf und § 135 GOLTag Bay für die bundesrechtliche Diskussion Auch aus der Tatsache, dass in den Bundesländern Bremen und Bayern seit langem parlamentarische Mitwirkungsverbote festgeschrieben sind, können keine abschließenden Erkenntnisse für den Bedarf und die Zulässigkeit entsprechender bundesrechtlicher Regelungen gezogen werden. Zwar ist die Verfassungsmäßigkeit der Bremer Regelung gemeinhin anerkannt,496 jedoch geht sie auf die besondere Situation Bremens als Stadtstaat – genauer: „ZweiStädte-Staat“497 – zurück. Vom Wortlaut her und inhaltlich sind die Befangenheitsvorschriften der Bremer Verfassung sehr nah an die kommunalen Mitwirkungsverbote angelehnt.498 Dies verdeutlicht auch den wesentlichen Unterschied zwischen der Landeslegislative in Bremen und der auf Bundesebene. Die Parlamente der Stadtstaaten sind viel näher mit den kommunalen Vertretungen verwandt als die Parlamente der Flächenstaaten und des Bundes.499 Die Bürgerschaft Bremens tagt zum einen als Landtag des Landes Bremens. Diejenigen Abgeordneten, die von den stadtbremischen Wählern im Wahlbereich Bremen mit der Wahl zur Bürgerschaft gewählt worden sind, bilden zugleich die Gemeindevertretung der Hansestadt (Stadtbürgerschaft), vgl. Art. 148 I 3 BremVerf.500 Kommunale und Landesfunktionen über495 So im Ergebnis u. a. auch Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages, S. 97. 496 Spitta, Kommentar zur Bremischen Verfassung von 1947, Art. 84 S. 171; Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 258; hierzu auch Achterberg, Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (509); BremStGH NJW 1977, 2307 f.; zweifelnd dagegen Neumann, Verfassung der Freien Hansestadt Bremen, Art. 84 Rn 2. 497 Preuß, in: Kröning/Pottschmidt/Preuß/Rinken, Handbuch der Bremischen Verfassung, S. 302. 498 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 107; Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 77. 499 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (509); Röper, Befangenheitsregelung für parallele Berufstätigkeit von Abgeordneten, ZParl 36 (2005), 425 (428); Spitta, Kommentar zur Bremischen Verfassung von 1947, Art. 84 S. 171. 500 Art. 148 I 3 BremVerf erhielt erst durch Gesetz vom 01. 10. 1996 (Brem.GBl. 1996, S. 303) die heutige Fassung. Die Änderung diente der Umsetzung der Richtlinie 94/80/EG des Rates über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts der Unionsbürger vom 19.12.1994. Gleichzeitig wurde in § 1 Ia des Bremischen Wahlgesetzes ausdrücklich das aktive und passive Wahlrecht der Unionsbürger für die Stadtbürgerschaft als Kommunalorgan aufgenommen. Zu den Problemen, die das Wahlrecht der Unionsbürger bei Kommunalwahlen für die Differenzierung Bremens als Bundesland und als kommunale
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schneiden sich. Zudem ist wegen der geringen Größe des Landes Bremen die Gefahr von Interessenkollisionen wie in den Gemeinden viel größer, gleichzeitig aber auch greifbarer, um sie wirksam mittels Mitwirkungsverboten bekämpfen zu können.501 Somit liegt es nahe, die Befangenheitsregelungen an den gemeinhin geltenden kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen zu orientieren. Daher sind die legislativen Mitwirkungsverbote hier nur aufgrund der Stadtstaatlichkeit Bremens zu erklären.502 Sie sind auf die bremischen Verhältnisse zugeschnitten und Ergebnis einer eigenen landesverfassungsrechtlichen Abwägung.503 Sie indizieren weder die mögliche Einführung von parlamentarischen Mitwirkungsverboten auf Bundesebene, noch sind sie Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips zugunsten parlamentarischer Mitwirkungsverbote.504 Auch aus Existenz und Fassung des § 135 GOLTag Bay kann nicht auf ein entsprechendes Rechtsprinzip geschlossen werden, das eine Übertragung der Regelungen auf Abstimmungen im Bundestag gebietet. Zwar lässt sich an der rein parlamentarischen Qualität des bayrischen Landtags nicht zweifeln, jedoch ist diese Regelung als bundesweit einzige ihrer Art fern davon, einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu begründen.505 Im Übrigen bedarf es zur verfassungsrechtlich wirksamen Statuierung eines parlamentarischen Mitwirkungsverbots einer gesetzlichen Grundlage im Range jedenfalls des einfachen Rechts. Angesichts der großen Bedeutung des Mitwirkungsrechts der einzelnen Abgeordneten für die Ausübung des freien Mandats bedeuten Mitwirkungsverbote einen erheblichen Eingriff in die Statusrechte der Mandatsträger. Sofern dieser Eingriff aufgrund verfassungsimmanenter Schranken gerechtSelbstverwaltungskörperschaft bereiten, siehe die Entscheidung des StGH Bremen vom 29. 08. 2000, NVwZ-RR 2001, 76 f. sowie Neumann, Verfassung der Freien Hansestadt Bremen, Art. 148 Rn 3 ff. 501 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (509); BremStGH NJW 1977, 2307 (2308); Spitta, Kommentar zur Bremischen Verfassung von 1947, Art. 84 S. 171. 502 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (336); Krause, Freies Mandat und Kontrolle der Abgeordnetentätigkeit, DÖV 1974, 325 (334 f.); zur für diesen Aspekt ebenso aufschlussreichen Entstehungsgeschichte der bremischen Verfassung siehe Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 77 f.; allgemein zu den Besonderheiten der Stadtstaatlichkeit Bremens vgl. Häberle, Die Zukunft der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen im Kontext Deutschlands und Europas, JZ 1998, 57 ff. 503 BremStGH NJW 1977, 2307 (2308). 504 Ein solches nimmt insbesondere Becher an, Die persönliche Rechtstellung des Gemeindevertreters im Verhältnis zu der des Parlamentariers, S. 53; auch Lang scheint Art. 84 BremVerf eine weit über den Vergleich zu den kommunalrechtlichen Mitwirkungsverboten hinausgehende Bedeutung zumessen, vgl. Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 431 f.; ablehnend dagegen u. a. auch Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 78 f. 505 Geyer begründet dies zudem mit der sehr engen Fassung des Mitwirkungsverbots, die zeige, dass auch der bayrische Geschäftsordnungsgeber die Beteiligungsrechte des Abgeordneten als höherwertig einstufe, vgl. Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter unter besonderer Berücksichtigung ihrer Stellung als gewählte Volksvertreter, S. 27 f.
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fertigt werden kann, genügt untergesetzliches Geschäftsordnungsrecht nicht zur Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Spielraums. Die Wirksamkeit des § 135 GOLTag Bay muss daher bezweifelt werden.506 Mag somit § 135 GOLTag Bay allenfalls symbolische Wirkung entfalten, können aus der Regelung dennoch einige für die weitere Erörterung wichtige Erkenntnisse gezogen werden. Wie bereits zuvor festgestellt,507 ist der Wortlaut der Vorschrift sehr eng gefasst. Der Anwendungsbereich ist außerordentlich begrenzt, in dem das Mitwirkungsverbot nur bei alleiniger und unmittelbarer Selbstbetroffenheit angeordnet wird.508 Auch der bayrische Geschäftsordnungsgeber hat also erkannt, dass nur schwerwiegende Fälle der Eigenbetroffenheit dem Abgeordneten das Stimmrecht nehmen können.509 Zudem zeigt die enge Fassung, wie schwer es ist, darüber hinausgehende Befangenheitstatbestände für die politisch geprägten Aufgaben des Parlaments zu definieren.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Befangenheitsvorschriften mit umfassenden Mitwirkungsverboten Die bisherige Erörterung der Mitwirkungsverbote konzentrierte sich auf den Vergleich der Gewalten. Dieser führte zu dem Ergebnis, dass nicht allein aufgrund des Vorhandenseins umfassender Befangenheitsvorschriften mit Mitwirkungsverboten für Judikative und Exekutive auf die Zulässigkeit, Notwendigkeit und Geeignetheit solcher Regelungen für die Legislative geschlossen werden kann. Die Struktur- und Funktionsunterschiede zwischen den Gewalten sind dafür zu groß. Darüber hinaus stößt die Einführung umfassender parlamentarischer Mitwirkungsverbote auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. a) Die verfassungsrechtlich garantierten Mitwirkungsrechte des Abgeordneten Zunächst müssen die verfassungsrechtlich garantierten Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten510 Beachtung finden, die nach dem Prinzip der formalen Gleichstellung511 grundsätzlich jedem Abgeordneten die gleichen Rede-, Abstim506 Ähnlich Streit, Entscheidung in eigener Sache, S. 47 Fn 177; anders scheint dagegen Lang ein geschäftsordnungsrechtlich ausgeformtes Mitwirkungsverbot auf Grundlage der Parlamentsautonomie für hinreichend zu erachten, vgl. Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 26. 507 Siehe hierzu oben B. I. 4. c). 508 Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, S. 476. 509 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter unter besonderer Berücksichtigung ihrer Stellung als gewählte Volksvertreter, S. 27 f.; Schmid, Die Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag, S. 149. 510 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 31 ff. 511 Morlok, in Dreier, GG, Art. 38 Rn 161.
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mungs-, Antrags- und Informationsrechte zuerkennen.512 Stärkstes Mitwirkungsrecht ist das Recht zur Teilnahme an den parlamentarischen Beratungen und Beschlussfassungen.513 Das Stimmrecht gehört zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Abgeordnetenstatus nach Art. 38 I 2 GG und steht dem einzelnen Abgeordneten als eigene Zuständigkeit zu.514 Es ist höchstpersönlich und kann daher nur durch die jeweiligen Abgeordneten selbst ausgeübt werden.515 Durch Mitwirkungsverbote würde das verfassungsrechtlich garantierte Stimmrecht beschränkt.516 Aufgrund des verfassungsrechtlichen Ranges des Abstimmungsrechts kann es jedoch nicht durch einfaches Gesetz oder Geschäftsordnungsrecht entzogen werden.517 Es bedarf verfassungsimmanenter Schranken, die dem Mitwirkungsrecht gegenüber stehen und dieses zu beschränken vermögen.518 Als verfassungsimmanente Grenzen des Mitwirkungsrechts können die oben erörterten Verfassungsgüter herangezogen werden, die durch Interessenkollisionen im Bereich der Legislative beeinträchtigt werden. Durch Abgeordnete, die eine enge Beziehung zu dem Entscheidungsgegenstand aufweisen, weil ihnen oder nahestehenden Dritten daraus Vor- oder Nachteile erwachsen können, oder die sonst ihr Abstimmverhalten durch sachfremde Erwägungen leiten lassen, werden insbesondere die Grundsätze der repräsentativen Demokratie und das Prinzip der demokratischen Gleichheit beeinträchtigt.519 Parlamentarische Entscheidungen, die auf sachfremden Aspekten beruhen, verstoßen gegen die notwendige Gemeinwohlorientiertheit staatlichen Handelns. Diese verfassungsrechtlichen Güter können die Mitwirkungsrechte des Abgeordneten als verfassungsimmanente Schranken begrenzen und daher die Grundlage für parlamentarische Mitwirkungsverbote bieten. Wegen der hohen Bedeutung des Mitwirkungsrechts muss jedoch durch eine entsprechende Ausgestaltung der Befangenheitstatbestände sichergestellt sein, dass nur bei einer ebenso hohen Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung der genannten Verfassungsgüter die Mitwirkung tatsächlich ausgeschlossen wird.
512 Zu den einzelnen Elementen der Mandatsrechte vgl. BVerfGE 80, 188 (218 f.); statt vieler zudem Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 38 Rn 67 und Cremer, Anwendungsorientierte Verfassungsauslegung, S. 72 ff. 513 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 31, 32; Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 163. 514 Klein, § 51 Status des Abgeordneten, in: HdBdStR, Band III, Rn 31. 515 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 38 Rn 68. 516 Anders geht Peine davon aus, dass die statusrechtlichen Mitwirkungsrechte überhaupt nicht bestehen, wenn der Abgeordnete seine Kompetenzen missbraucht, vgl. Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913 (920). 517 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 163. 518 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, S. 97. 519 Vgl. hierzu im Einzelnen oben unter C. I.; C. V.
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b) Funktionsfähigkeit der Gesetzgebung Umfassende Befangenheitsvorschriften könnten – obwohl sie selbst den Zweck verfolgen, die Gesetzgebung gegenüber Interessenkonflikten abzusichern – gleichzeitig auch die Funktionsfähigkeit der Gesetzgebung beeinträchtigen. Die Funktionsfähigkeit wird vom Grundgesetz nicht ausdrücklich aufgeführt, gilt jedoch als „selbstständiges organisationsimmanentes Rechtsprinzip“520 mit Verfassungsrang. Eine Beeinträchtigung ist in zweierlei Hinsicht denkbar: Zum einen ist zu bedenken, dass die Mitwirkungsrechte dem Abgeordneten nur höchstpersönlich zustehen.521 Der Abgeordnete ist anders als der Verwaltungsbeamte nicht austauschbar. Ein von der Mitwirkung wegen Befangenheit ausgeschlossener Abgeordneter kann daher nicht ersetzt werden, so dass es schlimmstenfalls beim Ausschluss einer größeren Gruppe von Abgeordneten zur Beschlussunfähigkeit des Parlaments kommen könnte. Dieser Gefahr kann jedoch durch eine entsprechende Ausgestaltung der Vorschriften begegnet werden.522 Insbesondere dürften Mitwirkungsverbote – wie es etwa bei den kommunalverfassungsrechtlichen (vgl. § 18 III 1 GemO BW) und den bundesverfassungsgerichtlichen (§ 18 II BVerfGG) Befangenheitsvorschriften der Fall ist – nicht allein wegen der Zugehörigkeit des Abgeordneten zu einer bestimmten Berufs- oder Bevölkerungsgruppe eingreifen.523 Ebenso können Mitwirkungsverbote nicht pauschal eingreifen, wenn das Parlament in seiner Gesamtheit in „eigener Sache“ entscheidet, das heißt wenn der Gegenstand der Gesetzgebung sich auf das Parlament im Sinne einer kollektiven Organbetroffenheit oder auf die Abgeordneten in ihrer Eigenschaft als Parlamentsmitglieder524 bezieht; denn dann müsste quasi jeder ausgeschlossen werden und ein sachgerechtes Gesetzgebungsverfahren wäre unmöglich. Es ist daher unvermeidlich und dem Grundgesetz immanent, dass die Parlamentarier auch in eigener Sache entscheiden. Es handelt sich dabei um eine strukturelle Konsequenz der repräsentativen Demokratie. Derartige Eigenbetroffenheiten, wie beispielsweise bei der Diätenfrage oder der Änderung des Abgeordnetengesetzes, können nur durch eine konsequente 520 Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, AÖR 109 (1984), 505 (508, 529 f.). 521 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 38 Rn 68. 522 So auch Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 209. Hierzu im Einzelnen unten unter D. VIII. 4. 523 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 166. 524 Beispiele hierfür finden sich bei Vogel, Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZG 7 (1992), 293 (294). Obwohl die Parteimitgliedschaft nicht unmittelbar mit der Parlamentsmitgliedschaft verknüpft ist, sind wohl auch Entscheidungen über Rechte, Pflichten und Finanzierung der Parteien als Entscheidungen aller Abgeordneten „in quasi eigener Sache“ anzusehen, vgl. Vogel, Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZG 7 (1992), 293 (294); Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (330); Isensee, Zwischen Amtsethos und Parteibindung – Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZParl 31 (2000), 402 (415); Henke, Geld, Parteien, Parlamente, Der Staat 31 (1992), 98 (103 f.).
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Transparenz des gesetzgeberischen Entscheidungsprozesses abgefedert werden.525 Die öffentliche Meinung wirkt durchaus als Disziplinierung von befangenen Abgeordneten526 und kann für ein politisches Gegengewicht sorgen, wenn innerparlamentarische Kotrollmechanismen wegen der gleichsamen Betroffenheit von Regierungsmehrheit und Opposition versagen.527 Parlamentarische Mitwirkungsverbote dürfen daher nur solche Situationen erfassen, in denen einzelne Abgeordnete aufgrund ihrer außerparlamentarischen Verbindungen einer Sonderbetroffenheit unterliegen, so dass eine greifbare Interessenkollision besteht. Zum anderen kann die einer Abstimmung vorgelagerte Diskussion über Befangenheiten einzelner Abgeordneter zu einer Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens führen. An die konkrete Ausgestaltung der Regelungen wären daher erhöhte Praktikabilitätsanforderungen zu stellen.528 Dieser Gedanke führt auch dazu, dass im legislativen Bereich nur krasse Fälle der Befangenheit zu einem Ausschluss von der Mitwirkung führen können. Müsste vor jeder Abstimmung über jeden oder auch nur jeden fünften oder zehnten der derzeit 612 Bundestagsabgeordneten529 eine Diskussion über die mögliche Befangenheit geführt werden, so wäre die Gesetzgebung schlechthin lahmgelegt. Insgesamt zwingt die Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht zum Verzicht auf jegliche parlamentarische Mitwirkungsverbote, schränkt jedoch deren mögliche Reichweite erheblich ein.
525
BVerfGE 40, 296 (327); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn 149 ff.; kritisch hierzu Rupp, Legitimation der Parlamente zur Entscheidung in eigener Sache, ZG 7 (1992), 285 (288). Teilweise wird für die Fälle der kollektiven Organbetroffenheit die Einführung einer unabhängigen Kommission befürwortet, die an den Entscheidungen zu beteiligen wäre, vgl. Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (344 f.); Henke, Geld, Parteien, Parlamente, Der Staat 31 (1992), 98 (104); Rupp, Legitimation der Parlamente zur Entscheidung in eigener Sache, ZG 7 (1992), 285 (290). Hören lässt sich der Vorschlag eines generellen Wahlperiodenvorbehalts, durch den Gesetze, die die Abgeordneten kollektiv betreffen, erst mit Beginn der folgenden Legislaturperiode in Kraft treten, vgl. hierzu: Schneider, a.a.O., S. 343; Krüger, Die Diäten der Bundestagsabgeordneten, DVBl. 1964, 220 f.; Vogel, Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZG 7 (1992), 293 (301); von Arnim, Die Besoldung von Politikern, ZRP 2003, 235 (236). 526 Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 914 (915). Als prominentes Beispiel hierfür führt Peine das in der 10. Legislaturperiode gescheiterte Amnestiegesetz an, das im Zusammenhang mit der damaligen Parteispendenaffäre als Selbstamnestie von Abgeordneten empfunden wurde (BT-Drs. 10/1421); hierzu auch Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (339). 527 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (339). 528 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 209. 529 Stand der 16. Wahlperiode; vgl. hierzu bereits Fn 365.
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c) Vermehrte Unsicherheit über formelle Rechtmäßigkeit von Gesetzen Ferner darf die Existenz von Befangenheitsvorschriften nicht dazu führen, dass Unsicherheiten über die Gültigkeit von Gesetzen bestehen. Zeigen sich konkrete Befangenheiten einzelner Abgeordneter erst zu einem späteren Zeitpunkt oder stellt sich heraus, dass ein von der Mitwirkung ausgeschlossener Abgeordnete tatsächlich nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, so besteht die Gefahr, dass an der Wirksamkeit des jeweiligen Gesetzesbeschlusses gezweifelt wird. Während vermehrte Zweifel über die formelle Rechtmäßigkeit eines Satzungsbeschlusses auf gemeindlicher Ebene noch hingenommen werden können,530 wäre dies für Bundesgesetze ein unerträglicher Zustand. Konsequenterweise müssten daher die Befangenheitsvorschriften so ausgestaltet sein, dass quasi keine Fehleranfälligkeit besteht – ein fast unmögliches Unterfangen. Zudem müsste stets festgehalten werden, welche Abgeordneten sich an der Abstimmung beteiligt haben,531 um im Nachhinein die Beachtung der Mitwirkungsverbote überprüfen zu können. Derzeit ist dies bei der großen Mehrheit der Abstimmungen nicht der Fall;532 nicht einmal die Anwesenheit der einzelnen Abgeordneten im Plenarsaal wird schriftlich festgehalten. Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die berechtigte Frage, ob es eher hingenommen werden kann, dass einzelne von vielen Abgeordneten ein besonderes Interesse am Abstimmungsgegenstand haben oder dass vermehrt die Rechtsklarheit und Bestandskraft von Gesetzen in Zweifel gezogen wird. Letzterer ist der wohl unerträglichere Zustand. d) Verschiebung der parlamentarischen Kräfteverhältnisse Durch den Ausschluss einzelner oder mehrerer Abgeordneter aufgrund von Befangenheitsvorschriften kann es zu Verschiebungen der parlamentarischen Kräfteverhältnisse kommen.533 Insbesondere bei knappen Mehrheitsverhältnissen, in denen
530 Das Problem erhöhter Fehleranfälligkeit von Gemeinderatsbeschlüssen greift auch Röhl auf, Das kommunale Mitwirkungsverbot, Jura 2006, 725 (726). 531 Dichgans, in: BT-Drs. VI/3829, S. 64. 532 Eine namentliche Abstimmung nach § 52 GOBT, bei der die Voten der einzelnen Abgeordneten im Stenographischen Bericht der Plenarsitzung festgehalten werden, wird nur auf Antrag einer Fraktion bzw. durch 5 % der Mitglieder des Bundestages durchgeführt. Dieser Abstimmungsmodus wird in der Regel nur bei politisch kontroversen Themen eingefordert oder wenn es auf eine möglichst vollständige Teilnahme der Mitglieder ankommt, vgl. Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 52 S. 1. 533 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 202 ff.; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter unter besonderer Berücksichtigung ihrer Stellung als gewählte Volksvertreter, S. 13 f.; Dichgans, in: BT-Drs. VI/3829, S. 64. Zur in England praktizierten sog. Pairing-Vereinbarung, wonach sich bei Abwesenheit oder Ausschluss eines oder mehrerer Abgeordneter eine gleiche Anzahl von Abgeordneten der Gegenseite der Abstimmung enthält, um die zufällige Mehrheitsverschiebung nicht auszunutzen, siehe Röttger, Forum: Die parlamentarische Stimmrechtsbeschränkungs-
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
beispielsweise die Regierungskoalition nur auf einer Mehrheit von einer Stimme gegenüber der Opposition beruht, kann es zu Zufallsmajoritäten kommen. Fraglich ist allerdings, ob dies verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Es ist kein allgemeiner Verfassungsgrundsatz ersichtlich, nach dem das politische Kräfteverhältnis im Parlament unverändert bleiben müsste.534 In diesem Zusammenhang könnte allenfalls gesehen werden, dass parlamentarische Mitwirkungsverbote in einem Spannungsverhältnis zum Wählermandat stehen. Es kann nämlich eingewendet werden, dass diejenigen Abgeordneten im Parlament zu entscheiden haben, die aus den Wahlen hervorgegangen sind. Hierbei orientiert sich ein Großteil der Wählerschaft an einer politischen Richtung, die sie im Parlament vertreten wissen will. Verschieben sich wegen Mitwirkungsverboten die Stimmverhältnisse der politischen Seiten, so könnte man annehmen, dass das Volk nicht mehr in der Weise repräsentiert wird, wie es gewählt hat.535 Diese Ansicht liegt besonders nahe, wenn man – wie hier – dem Prinzip der Gesamtrepräsentation durch das Parlament folgt.536 Bei diesem Einwand, das repräsentative Wählermandat würde beeinträchtigt, handelt es sich jedoch um einen Zirkelschluss; denn genauso kann hinterfragt werden, ob Abgeordnete, die einer Interessenkollision unterliegen, weil sie ein erhebliches, individuelles Sonderinteresse am Gegenstand der Gesetzgebung haben, noch dem Wählermandat entsprechen und das Volk repräsentieren. Zudem bestehen bereits nach geltendem Recht Situationen, in denen sich die politischen Mehrheitsverhältnisse zufällig verschieben können, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Als Beispiel ist hier die Möglichkeit des Partei- und Fraktionsaustritts zu nennen, der gerade nicht den Verlust des Mandats nach sich zieht537 aber sicherlich politische Wirkungen im Parlament nach sich zieht, sowie die zufällige Abwesenheit eines Abgeordneten wegen Krankheit, der Tod eines Abgeordneten538 oder der Verweis eines Abgeordneten aus einer Sitvereinbarung („Pairing“), JuS 1977, 7 ff. und Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages, S. 101 ff. 534 Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913 (921); BremStGH NJW 1977, 2307 (2308). 535 Ähnlich Ott, Der Parlamentscharakter der Gemeindevertretung, S. 257. 536 Vgl. hierzu oben unter C. I. 537 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 38 Rn 85; Schreiber, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 38 Rn 104, 112; Achterberg, Die Rechtsstellung des Abgeordneten, JA 1983, 303 (308); Schröder, Die Abhängigkeit des Mandats von der Parteizugehörigkeit, ZRP 1971, 97 (99); für einen Mandatsverlust plädiert dagegen Kriele, Nochmals: Mandatsverlust bei Parteiwechsel, ZRP 1971, 99 ff. 538 Mit dem Tod eines Abgeordneten endet seine Mitgliedschaft im Bundestag, vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn 138, so dass zumindest vorübergehend sein Stimmrecht entfällt; gemäß § 48 I 1 Bundeswahlgesetz (BWG) besteht sodann allerdings die Möglichkeit den Sitz des Verstorbenen aus der Landesliste seiner Partei neu zu besetzen bzw. eine Ersatzwahl nach Absatz 2 durchzuführen. Unter Umständen bleibt der Sitz jedoch auch nach § 48 I 3 BWG unbesetzt. Seit dem Beschluss des BVerfG zum „Abarbeiten“ der Überhangmandate, BVerfGE 97, 317 ff., unterbleibt ein Nachrücken von der Landesliste, wenn die Zahl der Direktmandate im betreffenden Land höher ist als die der Listenmandate. Solange die Partei in dem Land über Überhangmandate verfügt, ist das Sitzkontingent der Landesliste erschöpft (Leitsatz 3.b. des
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zung wegen gröblicher Verletzung der Ordnung aufgrund der sitzungspolizeilichen Befugnisse des Bundestagspräsidenten gemäß § 38 GOBT.539 Dass sich die Mehrheitsverhältnisse verschieben könnten, kann im Übrigen gerade bei einer knappen Mehrheit der Regierungskoalition eine nicht zu unterschätzende und durchaus als positiv anzusehende präventive Wirkung entfalten. Um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden, würde wohl seitens der Fraktionen besonders darauf geachtet, dass keine Verbindungen eingegangen werden, die den Verdacht der Befangenheit begründen könnten.540 Auch bei den einzelnen Abgeordneten kann dies zu einer jeweiligen Prüfung des eigenen Verhaltens führen. Allerdings müsste sichergestellt werden, dass Mitwirkungsverbote nicht bewusst als Mittel zur Änderung der Mehrheitsverhältnisse ausgenutzt werden. Die Gefahr der politischen Instrumentalisierung ist sehr hoch.541 Nur durch entsprechend hohe Quoren bei der Anwendung der Mitwirkungsverbote auf den Einzelfall können gezielte Manipulationen verhindert werden. Eine bloße von einer politischen Seite geäußerte Besorgnis der Befangenheit ist jedenfalls nicht hinreichend. Auch hieraus wird deutlich, dass nur sehr schwerwiegende und eindeutige Fälle von Mitwirkungsverboten effektiv abgedeckt werden können. 4. Anforderungen an die Ausgestaltung und den Umfang eines Mitwirkungsverbots de lege ferenda Ein Mitwirkungsverbot, das wie bei den gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Vorschriften auf die Besorgnis der Befangenheit abstellt, wäre für die Legislative zu weitgehend. Die meisten Gesetzesvorlagen, über die die Abgeordneten zu entscheiden haben, betreffen die gesamte Bevölkerung und somit auch sie selbst. Naturgemäß Beschlusses); siehe hierzu auch Röper, Mandatsnachfolgeregelungen verändert, ZRP 1999, 48 f. 539 Der Bundestagspräsident übt auf Grundlage der Geschäftsautonomie des Bundestages gemäß Art. 40 I 2 die Ordnungsgewalt zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs der parlamentarischen Sitzungen auch gegenüber den Abgeordneten aus, vgl. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn 30. Dies wird durch § 38 GOBT konkretisiert, der die Möglichkeit des Verweises und sogar mehrtägigen Ausschlusses von den Sitzungen des Bundestages bei gröblicher Ordnungsverletzung vorsieht, wobei der Ausschluss zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur als ultima ratio anzuordnen ist, vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 658; zu den berechtigten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einen Ausschluss von mehreren Sitzungen Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, S. 237 ff.; Härth, Der Ausschluss eines Abgeordneten von der Teilnahme an der Plenarsitzung, ZRP 1984, 313 ff.; Brandt/Gosewinkel, Der Ausschluss eines Abgeordneten von der Plenarsitzung, ZRP 1986, 33 ff. 540 Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 159; Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913, (921). 541 Schneider, Gesetzgeber in eigener Sache, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 327 (341); Isensee, Zwischen Amtsethos und Parteibindung – Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache, ZParl 31 (2000), 402 (406); KnebelPfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 204.
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D. Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung der Interessenkonflikte
kann sich daher aus einer solchen generellen Betroffenheit kein Hindernis ergeben, an der Beratung und Abstimmung teilzunehmen. Zudem müssten die Befangenheitstatbestände derart bestimmt ausgestaltet sein, dass Unklarheiten auf ein Minimum beschränkt werden. Der Staat kann es sich nicht leisten, dass zahlreiche Gesetze vom Bundesverfassungsgericht wegen formeller Fehler bei der Anwendung der Befangenheitsvorschriften aufgehoben werden. In diesem Zusammenhang müsste auch überlegt werden, welche Folgen eine Missachtung der Vorschriften haben sollte. Die konkrete Ausgestaltung müsste bei der Beschreibung, welche Arten von Befangenheit zu einem Ausschluss führen sollen, auf die besondere Bedeutung der Legislative insbesondere im Lichte des Demokratieprinzips Bedacht nehmen. Der Befangenheitsbegriff ist hier – wie bereits in den Vergleichen mit den anderen Gewalten festgestellt542 – viel enger zu fassen. In der Legislative kann keine völlige Unvoreingenommenheit verlangt werden. Im Gegenzug besteht sogar ein demokratisches Interesse daran, dass auch Gruppeninteressen in den Gesetzgebungsprozess Eingang finden;543 denn hierin liegt ein bedeutender Sachverstand, der der parlamentarischen Arbeit und einer sachgemäßen Gesetzgebung zugute kommt und zur Findung des Gemeinwohls beiträgt. Zu missbilligen ist daher nicht, dass ein Abgeordneter sich für ein spezielles Interesse einsetzt. Zu missbilligen ist es aber, wenn er sich hierfür auf irgendeine Weise „bezahlen“ lässt und damit die Gruppeninteressen, die dem Gesetzgebungsverfahren dienen können, mit persönlichen – meist finanziellen – Eigeninteressen verknüpft.544 Dass der Abgeordnete sich für bestimmte Interessen einsetzt, soll allein in seinem Gewissen und seiner Überzeugung vom Gemeinwohl begründet sein. Problematisch ist es aber festzustellen, ob diese Situation vorliegt. Die Definition dessen, was noch akzeptable Interessenvertretung darstellt und welches Verhalten unakzeptable Interessenverquickung indiziert, gleicht – wie auch schon die Aufstellung von wirtschaftlichen Inkompatibilitäten und Straftatbeständen für den parlamentarischen Bereich – einer Gradwanderung.545 Die Unklarheit dieser Grenzziehung muss zugunsten des Mitwirkungsrechts des Abgeordneten gehen. Ebenso diffizil ist es, den Grad der notwendigen Befangenheit festzulegen, der ein Mitwirkungsverbot auslösen soll. Die bloße Vermutung, dass ein Abgeordneter allein aufgrund eigennützigen und nicht gemeinnützigen Erwägungen handelt, dürfte anders als in der Judikative nicht ausreichen. Bei Unsicherheiten ist das Abgeordnetenmandat mit seinem Mitwirkungsrecht schutzwürdiger.546 Um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern, muss darüber hinaus vermieden werden, dass das Mitwirkungsverbot größere Gruppen von Abgeordneten 542
Vgl. oben D. VIII. 1. Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, S. 97. 544 Freund, Abgeordnetenverhalten: Ausübung des Mandats und persönliche Interessen, S. 161. 545 Daher gegenüber Mitwirkungsverboten ablehnend Sendler, Abhängigkeiten der unabhängigen Abgeordneten, NJW 1985, 1425 (1432). 546 Peine, Der befangene Abgeordnete, JZ 1985, 913 (920). 543
VIII. Einführung von Befangenheitsvorschriften
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gleichzeitig trifft. Allein daraus ergibt sich bereits, dass die Mitwirkungsverbote sich auf die schwerwiegendsten Fälle der Interessenkollisionen beschränken müssen.547 Möglich erscheint ein Mitwirkungsverbot allerdings unproblematisch bei Einzelfallund Maßnahmegesetzen, an denen einzelne Abgeordnete ein individuelles Sonderinteresse haben, insbesondere weil sie dem Adressaten dieser Gesetze persönlich oder wirtschaftlich nahe stehen. Bei solchen Gesetzen ist der Kreis der möglichen Betroffenen klein und abgrenzbar. Der materielle Inhalt kommt einer einzelnen Entscheidung gleich, für die ein erhöhter Grad der Unbefangenheit gefordert werden kann.548 Auch dürfte die Interessenkollision deutlicher zu Tage treten und der Befangenheitstatbestand exakter zu definieren sein. Zudem muss ein Wort darüber verloren werden, welche Form der Regelung gewählt werden müsste. Zum Teil wird vertreten, dass es bereits die Parlamentsautonomie nach Art. 40 I 1 GG ermöglicht, Befangenheitsvorschriften geschäftsordnungsrechtlich einzuführen beispielsweise durch entsprechende Ergänzung der Verhaltensregeln. Dies ergebe sich schon daraus, dass Mitwirkungsverbote auch dem Ansehen und der Würde des Hauses dienten und zudem die Unbefangenheit der Abgeordneten Teil der inneren Ordnung des Parlaments sei.549 Dem kann so nicht gefolgt werden. Die Ausrichtung des Abgeordnetenverhaltens an gemeinwohlorientierten Maßstäben und die damit verbundenen Pflichten zu sachorientiertem Handeln einerseits und die Beschränkung des verfassungsrechtlichen Stimmrechts des Abgeordneten durch Mitwirkungsverbote andererseits sind Aspekte, die die wesentlichen Grundlagen des Abgeordnetenstatus nach Art. 38 I 2 GG betreffen. Aufgrund der überragenden Bedeutung für die Mandatsausübung muss die Beschränkung der Mitwirkungsrechte durch Befangenheitsvorschriften dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Es handelt sich nicht um eine Materie, die der Geschäftsordnungsautonomie unterfällt, die es dem Bundestag ermöglicht den inneren Geschäftsablauf im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments zu regeln.550 Befangenheitsvorschriften betreffen nicht den generellen Geschäftsgang zum Zwecke eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs, sondern die Beziehung der einzelnen Abgeordneten zum materiellen Entscheidungsgegenstand. Erforderlich ist daher ein formelles Gesetz, das zumindest im Rang des einfachen Rechts steht. Es obliegt dem Gesetzgeber – sofern er sich für die Einführung von Mitwirkungsverboten entscheidet – den vom Grundgesetz eröffneten Gestaltungsspielraum unter Berücksichtigung der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen dazu zu nutzen, die sich kollidierenden Verfassungsgüter im Sinne einer praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen.
547
So auch Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 166. Dagtoglou, Befangenheit und Funktionenhäufung in der Verwaltung, in: Festg. Forsthoff, S. 65 (81); Wurzel, Gemeinderat als Parlament?, S. 75. 549 Becker, Korruptionsbekämpfung im parlamentarischen Bereich, S. 164. 550 Brandt/Gosewinkel, Der Ausschluss eines Abgeordneten von der Plenarsitzung, ZRP 1986, 33 (35). 548
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5. Ergebnis Nach alledem sind Mitwirkungsverbote für den parlamentarischen Bereich nur begrenzt möglich. Sie können sich wegen der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken allenfalls auf eine konkrete Sonderbetroffenheit einzelner Abgeordneter beziehen, wie sie etwa bei Einzelfall- und Maßnahmegesetzen denkbar ist. Im Hinblick auf die Nebentätigkeiten der Abgeordneten hat der verfassungsrechtlich mögliche Umfang von Mitwirkungsverboten eine eher geringe Auswirkung. In den überwiegenden Fällen sind Abgeordnete, die einer Nebentätigkeit nachgehen, nur wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe von einer parlamentarischen Entscheidung betroffen oder weil sie bestimmte Interessen in das Gesetzgebungsverfahren einbringen, die – sofern sie überhaupt zu beanstanden sind – durch Befangenheitsvorschriften nicht greifbar sein werden. Allenfalls bei Einzelfall- oder Maßnahmegesetzen, die den Abgeordneten oder seinen Vertragspartner unmittelbar betreffen, würden Mitwirkungsverbote effektiv Interessenkollisionen, die durch Nebentätigkeiten hervorgerufen werden, bewältigen. Ist ein Abgeordneter zum Beispiel im Rahmen seiner Nebentätigkeiten Mitglied eines Aufsichtsrates eines Wirtschaftsunternehmens, so sollte es ihm verboten sein über Subventionen an das Unternehmen mitzuentscheiden.551 Mitwirkungsverbote können daher insgesamt nur in engen Grenzen die problematischen Folgen von Nebentätigkeiten mindern. Dass ein Abgeordneter sein Mandat zu finanziellen Eigeninteressen nutzt und es „ausschlachtet“, wie es zum Teil bezeichnet wird, können parlamentarische Mitwirkungsverbote nicht umfassend verhindern. Hierzu können sie nur – aber immerhin – einen kleinen Teil beitragen. Sofern es Nebeneinkünfte betrifft, zum Beispiel die verbotenen Interessentenzahlungen, helfen Mitwirkungsverbote praktisch nicht weiter; denn diese Art von Zahlungen werden in aller Regel geheim gehalten, so dass kaum jemand von der Interessenkollision Kenntnis erlangt, der dann gegen die Beteiligung des betroffenen Abgeordneten am parlamentarischen Entscheidungsprozess die Befangenheitsvorschriften einwenden könnte. Undenkbar scheint es, dass ein Abgeordneter, der verbotene Zahlungen entgegen nimmt, sich selbst für befangen erklärt.
551 Für ein Mitwirkungsverbot bei Entscheidungen, die einem Unternehmen zugute kommen, zu dem persönliche oder geschäftliche Beziehungen bestehen, auch Röper, Befangenheitsregelung für parallele Berufstätigkeit von Abgeordneten, ZParl 36 (2005), 425 (431).
E. Schlussbetrachtungen Für alle drei Staatsgewalten gilt, dass Hoheitsträger ihr Amt uneigennützig und am Gemeinwohl orientiert auszuüben haben. Ihre besondere Stellung im Staatsgefüge dürfen sie nicht zu eigenen Zwecken missbrauchen. Ebenso sollen sie unabhängig sein von finanziellen oder anderen privatwirtschaftlichen Einflüssen von außen. Interessenkollisionen und Interessenverflechtungen sollen vermieden, aufgetretene Interessenkonflikte bewältigt werden. Der rechtlichen Behandlung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften der jeweiligen Hoheitsträger kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Obwohl diese Postulate für alle Staatsgewalten gelten, zeigte die genaue Betrachtung der hinter ihnen stehenden Verfassungsgrundsätze wesentliche Unterschiede zwischen den Gewalten. Diese Unterschiede bestehen insbesondere zwischen den Grundtypen der Amtsträger der Exekutive und der Judikative auf der einen Seite und der Legislative auf der anderen Seite. Während das Rechtsstaatsprinzip für erstere Neutralität bei der Gesetzesanwendung voraussetzt, ist die Legislative wesentlich vom Demokratieprinzip geprägt. Dieses ermöglicht – losgelöst von einer strengen Neutralität – einen größeren Freiraum für die politische Willensbildung. Konsequenterweise sind auch die möglichen Instrumente zur Verhinderung von Interessenkollisionen und sachwidrigen Einflüssen sowie zum Schutz der Arbeit der verschiedenen Staatsorgane unterschiedlich. Die Lösungsmöglichkeiten der Exekutive und Judikative lassen sich nicht ohne Weiteres auf die Legislative übertragen. Dies folgt schließlich auch aus den höchst unterschiedlichen Statusverhältnissen, die insbesondere dem Beamtentum und dem Parlamentsmandat zugrunde liegen. Die konkrete Betrachtung der für die Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Angehörigen der Legislative bestehenden Normen hat gezeigt, dass das geltende Recht bereits detaillierte, den besonderen Verhältnissen der Legislative angepasste und verfassungsgemäße Regelungen bereithält. Insbesondere die neue Mittelpunktregelung, die verschärften Anzeige- und Veröffentlichungspflichten und das Verbot von arbeitlosem Einkommen werden den Bedürfnissen nach demokratischer Transparenz und dem Schutz der parlamentarischen Willensbildung vor sachfremden Einflüssen gerecht. Die jüngst erfolgte Einführung von Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß gegen die Verhaltenspflichten ist verfassungspolitisch zu begrüßen. Trotz dieser beruhigenden Zwischenbilanz muss die Diskussion um die Behandlung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften der Mitglieder des Deutschen Bundestages weiter gehen. Das geltende Recht bedarf der Nachbesserung. Insbesondere im Rahmen der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten sowie im Spendenrecht
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E. Schlussbetrachtungen
müssen durch eine verbesserte Ausgestaltung der Normen Umgehungsmöglichkeiten ausgeräumt und zusätzliche Transparenz geschaffen werden. Dies bedeutet konkret: Das Veröffentlichungssystem der Einkommensstufen sollte überarbeitet werden. Die Stufen sind enger zu fassen und auch im Bereich der höheren Beträge stärker auszudifferenzieren. Darüber hinaus müssen Lücken, die durch die Möglichkeit unterschiedlicher Vertragsgestaltungen im gesellschaftsrechtlichen Bereich entstehen, geschlossen werden. Die Regelungen über Spenden an Abgeordnete sind unausgewogen und lückenhaft. Die Publizitätsgrenze sollte gesenkt werden. Darüber hinaus sollten die Regelungen inhaltlich an das Parteispendenrecht angepasst, die Höhe der einzelnen Spenden auf bestimmte Beträge beschränkt und auch die Verwendung der Spende durch den Abgeordneten einer Offenlegungspflicht unterworfen werden. Zudem empfiehlt es sich, das Rechenschaftssystem über Spenden auf eine einfachgesetzliche Grundlage zu stellen und auch auf Mandatsbewerber zu erstrecken. Auch die Betrachtung der bisherigen Nutzung des Strafrechts als Instrument, um unlauteren Einflussnahmen auf das Parlament zu begegnen, hat dringenden Reformbedarf offenbart. Zwischen den für die Exekutive und die Judikative heranzuziehenden Straftatbeständen und dem für die Legislative geltenden Tatbestand der Abgeordnetenbestechung besteht eine nicht hinnehmbare Diskrepanz. Die tatbestandlichen Unterschiede im Vergleich zur Bestechung ausländischer Mandatsträger sind unerklärlich. Die Strafbarkeit ist daher – auch im Hinblick auf internationale Verpflichtungen – tatbestandlich auszuweiten, um über den bloßen Stimmenkauf hinaus auch andere strafwürdige Einflussnahmen auf die Mandatstätigkeit zu sanktionieren. Die Untersuchung weiterer Regelungsinstrumente, derer sich die Rechtsordnung zur Regelung von Interessenkonflikten durch Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte bereits im Bereich der Exekutive und der Judikative bedient, hat gezeigt, dass diese nur eingeschränkt auf die legislative Gewalt übertragbar sind: Der besondere Abgeordnetenstatus nach dem Grundgesetz verhindert die Einführung von – das beamtenrechtliche Nebentätigkeitsrecht dominierenden – Genehmigungspflichten. Diese würden die Einordnung in eine Ämterhierarchie bedeuten, die verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden kann. Die Einführung wirtschaftlicher Inkompatibilitäten setzt eine Grundgesetzänderung voraus, durch die diese Form der Unvereinbarkeiten verfassungsrechtlich verankert würde. Ein vollständiges Verbot von Nebentätigkeiten empfiehlt sich indes nicht. Dagegen besteht ein realisierbares Bedürfnis nach Verbandsinkompatibilitäten. Darüber hinaus könnte die Aufnahme neuer, nicht im vormandatlichen Beruf des Abgeordneten angelegter Tätigkeiten verboten werden. Bei beiden Nebentätigkeitsarten besteht eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit des mandatswidrigen Einflusses auf die parlamentarische Willensbildung. Mitwirkungsverbote bei konkreter Betroffenheit in eigener Sache sind für die Legislative – anders als im verwaltungs-, gerichtsverfahrens- und kommunalrechtlichen
E. Schlussbetrachtungen
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Kontext – nur in sehr engen Grenzen denkbar. Durch sie könnte in verfassungsgemäßer Weise allenfalls die Mitwirkung eines sonderbetroffenen Abgeordneten an Einzelfall- und Maßnahmegesetzen ausgeschlossen werden. Die möglichen Einwirkungen auf die von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften der Abgeordneten hervorgerufenen Interessenkonflikte sind daher gering. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Problematik um die Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages auch in Zukunft die verfassungsrechtliche Diskussion um Interessenkonflikte von Amts- und Mandatsträgern bestimmen wird. Die Besonderheiten der legislativen Gewalt nach dem Grundgesetz verlangen nach eigenen Lösungswegen, die noch nicht erschöpft sind.
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Stichwortverzeichnis Abführung an den Bundeshaushalt 40 f., 117, 187, 188 ff. Abgeordnetenbestechung 44 ff., 71, 92, 198 ff., 254 Abgeordnetenbild 17, 142, 208 f., 226 Abgeordnetenentschädigung 17, 27 ff., 37, 43, 120, 131, 140, 143, 161, 189, 211 Abgeordnetengesetz 18, 24 f., 40, 50, 118, 137, 140, 147, 152, 157 f., 175, 182, 185, 188, 226, 246 Abgeordnetenspende 44, 189, 192 ff. Abhängigkeit 79, 124, 131, 152, 165 f., 172, 174, 179 f., 182, 225 – verdeckte 101 – wirtschaftliche 30, 36, 152, 154, 180, 182, 220 Abhängigkeitsverhältnis 18, 49, 127, 179 Ablehnungsrecht im Verwaltungsverfahren 76 Ablieferungspflicht 41, 44 Alimentation 27, 68, 82, 131, 174 allgemeines Persönlichkeitsrecht 155, 176 f. Ämterhierarchie 145, 160, 164 f., 208, 254 Amtsethos 77 Annahmeverbot 41, 69, 96, 100, 103, 183, 186 f., 189 Anzeigepflicht 25 f., 29 ff., 41 f., 44, 63 ff., 79, 91, 111 f., 114, 117 f., 137, 140, 151 ff., 189 ff., 209 f., 220 f., 253 Arbeitskraft 28, 56, 60 ff., 79, 95, 101, 117, 128, 149, 211, 214, 217 arbeitsloses Einkommen 39, 133, 183 ff., 193, 220 Arbeitsparlament 28 Aufwandsentschädigung 28, 110 Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln 25 f., 31 ff., 42, 44, 170, 177 f. Ausschlussgrund 73, 83 ff., 97 ff., 240 Bagatellgrenze 181 Beamtenprivileg 132
Befangenheitsvorschriften 51 ff., 72 ff., 76 f., 83 ff., 96 ff., 103 ff., 111, 231 ff. Behinderungsverbot 146, 162, 172 ff. , 183 Beratervertrag 17, 39, 48, 132 f., 185 Berufs- und Bevölkerungsgruppe 169, 222 Berufsbeamtentum 57, 62 ff., 72 f., 82, 116, 148, 153 Berufsfreiheit 57, 156, 162, 177 f. Berufsgeheimnisträger 170 Berufsparlament 27 Beschlussunfähigkeit 245 Bestechlichkeit 47, 67, 69, 111, 206 Bestimmtheitsgebot 49, 194 Branchenbezeichnung 35, 177 Bruttoeinkommen 34, 180 Bundeshaushalt 40 f., 117, 187 f. Cliquenwirtschaft 89 Demokratieprinzip 18, 54, 81, 86, 116, 118 f., 120 ff., 131, 154, 172, 179, 234 f., 239 f., 250, 253 demokratische Gleichheit 134 Diäten 27 f., 82, 143, 146, 173 f., 222, 227, 245 Diätenurteil 24, 39, 139, 146, 183, 185 Direktspende 190 ff., 194 ff. Direktwahl 236 f. Disziplinargewalt 145 Ehrenamt 27 ff., 59, 78, 82 ff., 89 f., 110, 115 Eigeninteressen 18, 33, 51, 78, 115, 119, 126, 231, 235, 250, 252 Eigentumsgarantie 156 Einkommensgrenze 181 Einkommensstufen 35 f., 170 f., 181 f., 254 Einzelfall- und Maßnahmegesetze 251 f., 255
Stichwortverzeichnis formalisierte Gleichheit 39, 131 f., 134, 167 f., 212, 218 Fremdvergleich 186 Fünftelvermutung 60, 62 Funktionsfähigkeit – der Verwaltung 74 – des Bundestages 27, 124, 141 ff., 145, 164, 179, 245 f., 250 f. Gegenleistung 20, 39 ff., 50, 67 ff., 71, 111, 117, 132 f., 183 ff., 193, 195, 204 Gemeinderatsmitglieder 81 ff., 115, 237 ff. Gemeinwohl 17 f., 51, 54, 56, 67, 77, 79, 85, 116, 119, 122, 125 ff., 135, 148 f., 154, 206, 211 f., 216, 218 ff., 231 ff., 244, 250, 253 Genehmigungsfiktion 59 Genehmigungspflicht 59 ff., 66 f., 79, 95 f., 100, 111 f., 114, 117, 136, 153, 165, 208 ff., 254 Gesamtrepräsentation 248 gesetzlicher Richter 94 gesetzlicher Verwaltungsbeamter 75 Gewaltenteilung – erweiterte 24, 79, 120, 127 ff., 211 f., 216 – klassische 24, 88, 128, 171, 204 f., 212 f. Gewissen 124 f., 143, 145, 149, 211, 225, 236, 250 Gewissenskonflikt 73 gläserne Abgeordnete 155, 169 Glaubwürdigkeit 127, 153 Gleichheitsgrundsatz 18, 39, 114, 116, 120, 133 ff., 156, 167 f., 217, 244 Grundrechtsträger 156 f., 159, 161, 176 Gruppeninteressen 77, 85, 118, 126, 250 Gruppenprivileg 106 Gutachtertätigkeit 32, 64, 66, 78, 95, 103, 106, 110 Hinderungsgrund 87 ff., 115 Hingabepflicht 117 Hinweisverbot 38 Hochschullehrer 64, 66 f., 101, 111, 153 f. Honoratiorenparlament 27 f. Immunität 45, 52 f., 205, 231 Ineligibilität 23, 215
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informationelle Selbstbestimmung 155, 159, 176 ff. Inkompatibilität 23, 82, 87 f., 90, 129 – Verbandsinkompatibilität 219 ff., 223 ff., 229, 254 – wirtschaftliche 23, 77 ff., 88, 115, 137, 169 f., 172, 210 ff., 220 ff., 250, 254 Interessentenzahlung 20, 39, 131 ff., 183 ff., 192 f., 195 ff., 220, 252 Interessenverband 20, 212, 218 ff., 230 Interessenverknüpfung 20, 29 ff., 53, 152, 160 f., 165, 179 f., 220 Klimapflege 70 Koalitionsfreiheit 63, 220 Kollegialorgan 80, 214 Korruption 50, 67, 93, 198 f., 201 f., 207 Kräfteverhältnis 247 f. Landesverfassungsgericht 110 Leistungsfähigkeit 61, 178, 180 Lobbyist 218 Loyalität 61, 126, 148 f., 212, 214, 217 f., 230 Machthäufung 128 f. Mandat, imperatives 163 Mandatsbewerber 173 f., 191 f., 195, 198, 216, 254 Mandatsmissbrauch 152, 182, 203, 211, 216 f. Meinungsvielfalt 90 Mittelpunktregelung 26, 29, 38, 117, 137 ff., 151, 210, 225, 253 Mitwirkungsverbot 51 ff., 80, 86, 98, 118, 231 ff., 254 Nettoeinkommen 180 Neutralität 77, 86, 96 ff., 104, 106, 113 f., 117 f., 126, 232 f., 240, 253 Offenlegung 30, 33, 123, 151, 153, 155 ff., 161 ff., 172 ff., 178 f., 182, 191, 209, 220, 231, 254 Ordnungsgeld 30, 36 ff., 83, 90, 117, 192 Organstreit 30, 137, 141, 148, 151, 157 f., 176, 236 Organwalter 128, 160
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Stichwortverzeichnis
Parlamentsautonomie 251 Parteienfinanzierung 43, 190, 195 Parteispenden 42 f., 190, 192 ff., 254 passives Wahlrecht 144, 146, 172, 197, 215 ff., 226 Pluralismus 128, 223 Privatsphäre 157, 162 Privilegierung 47, 199 Publizität 153, 190, 254 Rechnungsführung 41, 191 rechtliches Gehör 94 Rechtsanwälte 33, 35, 91, 170, 181, 228 Rechtsstaatsprinzip 72, 100, 115, 118, 154, 217, 232, 234 f., 239, 253 Repräsentation 28, 44, 78, 85, 120, 122, 124, 135, 139, 143, 150, 153, 162, 168 f., 172, 214 f., 219 ff., 248 Repräsentationsfähigkeit 142 f., 149, 168, 179 Rückkopplung 122, 163 Sachlichkeit 97, 206, 231, 235 Selbstablehnung 99, 108 Selbständige 31, 64, 144, 167, 172 f., 217, 222, 227 f., 230 Selbstbevorzugung 200 Selbstprüfung 151 Sonderinteresse 55, 74, 83 f., 126 f., 144, 220, 223, 225, 248, 251 Spitzenkräfte 221 f. Staatsgerichtshof 110 f. Statusinhaber 158 Stimmenkauf 47, 51, 71, 118, 200, 202, 204, 254 Straflosigkeit 45 f. Stufenmodell 181 symbolische Gesetzgebung 49 f. , 140, 199 symbolisches Strafrecht 49 f., 199 Transparenz 25, 30, 34 f., 120, 123, 152 f., 155, 166, 171 f., 174 f., 179 ff., 189 ff., 194 f., 197, 210, 231, 235, 246, 253 f.
Überrepräsentation 169 Unabhängigkeit 28, 79, 93, 95 f., 99 ff., 111, 113, 125, 131 f., 143 ff., 150, 153 f., 160 ff., 165 ff., 172, 174 f., 185, 188, 190, 195 f., 208 ff., 214, 216, 221, 223 ff., 228 f. Unbefangenheit 57, 61 f., 77, 95, 153, 251 Uneigennützigkeit 67, 77, 83 UN-Konvention gegen Korruption 201 Unparteilichkeit 57, 61 f., 75 f., 83, 94 ff., 104, 108, 113 ff., 126, 153, 233 Unrechtsvereinbarung 47, 49, 68, 70 f. Verbandsinkompatibilität 219 ff., 223 ff., 229, 254 Verbeamtung 221 Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit 220 verkehrsüblich 40, 117, 184 Vernachlässigung 128, 146 Veröffentlichungspflicht 25, 29 ff., 35 ff., 42, 44, 117 f., 137, 140, 142, 151 ff., 189, 191, 209 f., 220 f., 253 Verschwiegenheitspflicht 35, 167, 170, 177 Verwurzelung 145, 150, 163 Vollzeitbeschäftigung 29, 225 Vorteilsannahme 47, 69, 71, 111, 199, 206 Vorteilszuwendung 93, 186 VW-Gehaltsaffäre 17, 188 Wahlbewerber 124, 154, 169, 178, 191, 196, 216 Wahlkampf 191, 196, 205 Wahlöffentlichkeit 154, 163, 208 Wahlprüfungsverfahren 51 ff., 231 Weisungsfreiheit 92, 113, 146, 206, 208, 212, 214, 236 Weisungsunterworfenheit 75, 145, 148, 153, 160, 201, 206, 209, 236 Wiederwahl 164, 191, 224, 230 Wirklichkeitsnähe 229 f. Wissenschaftsfreiheit 154 Zeugnisverweigerungsrecht 35, 167, 170, 177 Zurückhaltungspflicht 77, 99 f., 102 f., 110 f., 113, 149