Mustergedichte: Teil 3 Oberstufe [Reprint 2021 ed.]
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Mustergedichte. Zum Gebrauch

in Schule«, Lehrer- ««d Lehreriuueu-Bllduugsanstalten ausgewählt von

Dr. Karl H-ffrl, Rektor der höheren Mädchenschule und Lehrerinnen-BildungSanstalt zu Koblenz.

III. Teil.

Höerstafe.

Dom, Eduard Weber's Verlag (Julius Flittner).

1884.

V-esie. Engel aus dem Himmel droben Warfen in das Erdenthal Goldne Schleier, licht gewoben Wohl aus Mond- und Sonnenstrahl. Kennet ihr das himmelsschöne, Schimmernde Gewebe nicht? Gerne hüllen's Erdensöhne Um ihr blödes Angesicht.

Wenn sie durch den Schleier schauen, Liegt die Welt voll Sonnenglanz, Glück und gläubiges Vertrauen Füllet ihre Seele ganz.

Lauter lichte Traumgestalten Glauben selig sie zu schaun, Stirne legt sich nicht in Fallen, Keine Nacht erreget Graun; Alle Freunde wahr und bieder, Alle Geister uns verwandt, Alle Töne werden Lieder, Selbst die Heide blühend Land!

Wird der Schleier uns entwunden, Traurig dann die Klage tönt: „Ach, der Zauber ist verschwunden, Der uns rings die Welt verschönt!" — So erblickt man kühle Fluten Oft am fernen Wüstenrand, Wenn der Sonne Mittagsgluten Spielen auf dem heißen Sand; Weiler aber rückt der Schimmer, Fliehend vor dem Wandrer her, Brennender umfängt ihn immer Nur der Wüste sandig Meer. Nehmet uns der Dichtung Schleier Nimmer von dem Angesicht! Mühsal wird uns dann zur Feier, Sehn des Lebens Wüsten nicht.

K. H.

Ernst Moritz Arndt geb. 26. XU. 1769 zu Schoritz auf Rügen, f 29. I. 1860 zu Bonn.

1.

Baterlandslied (1812) (um eine Strophe gekürzt). (Reg. II, 17.)

1.

(Gude 4, 37.]

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,

Der wollte keine Knechte, Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß

Dem Mann in seine Rechte, Drum gab er ihm den kühnen Mut, Den Zorn der freien Rede, Daß er bestände bis aufs Blut, Bis in den Tod die Fehde. 2. So wollen wir, was Gott gewollt, Mit rechten Treuen halten Und nimmer im Tyrannensold Die Menschenschädel spalten; Doch wer für Tand und Schande ficht, Den hauen wir zu Scherben, Der soll im deutschen Lande nicht Mit deutschen Männern erben. 3. O Deutschland, heilges Vaterland!

O deutsche Lieb und Treue! Du hohes Land! du schönes Land! Dir schwören wir aufs neue: Dem Buben und dem Knecht die Acht!

Der speise Krähn und Raben!

So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht Und wollen Rache haben.

4. Laßt brausen, was nur brausen kann. In Hellen, lichten Flammen! Hessel, Mustergedichte.

18

Arndt.

[III]

Ihr Deutschen alle, Mann für Mann,

Fürs Vaterland zusammen! Und hebt die Herzen himnrelan Und himmelan die Hände! Und rufet alle, Mann für Mann: Die Knechtschaft hat ein Ende! 5. Laßt wehen, was nur wehen kann,

Standarten wehn und Fahnen! Wir wollen heut uns Mann für Mann Zum Heldentode mahnen; Auf! fliege, hohes Siegspanier,

Boran dem kühnen Reihen! Wir siegen oder sterben hier Den süßen Tod der Freien.

2.

Die Leipziger Schlacht (1813). (Reg. II, 17.)

1.

[8. 1, 3.]

Wo kommst du her in dem roten Kleid

Und färbst das Gras auf dem grünen Plan? Ich komme her aus dem Männerstreit,

Ich komme rot von der Ehrenbahn. Wir haben die blutige Schlacht geschlagen, Drob müssen die Weiber und Bräute klagen, Da ward ich so rot. 2. Sag an, Gesell, und verkünde mir, Wie heißt das Land, wo ihr schlugt die Schlacht? Bei Leipzig trauret das Mordrevier,

Das manches Auge voll Thränen macht; Da flogen die Kugeln wie Winterflocken, Und tausenden mußte der Atem stocken Bei Leipzig der Stadt. 3. Wie hießen, die zogen ins Todesfeld Und ließen fliegende Banner aus? Die Völker kamen der ganzen Welt Und zogen gegen Franzosen aus,

Amdt.

[III] 3

Die Ruffen, die Schweden, die tapfern Preußen, Und die nach dem glorreichen Östreich heißen, Die zogen all aus.

4. Wem ward der Sieg in dem harten Streit? Wer griff den Preis mit der Eisenhand? Die Welschen hat Gott wie die Spreu zerstreut, Die Welschen hat Gott verweht wie dm Sand; Viele tausende decken den grünen Rasen, Die übrig geblieben, entflohen wie Hasen, Napoleon mit. 5. Nimm Gottes Lohn! habe Dank, Gesell!

Das war ein Klang, der das Herz erfreut! Das klang wie himmlische Zimbeln hell, Habe Dank der Mär von dem blutigen Streit! Laß Witwen und Bräute die Toten klagen, Wir singen noch fröhlich in späten Tagen Die Leipziger Schlacht. 6. O Leipzig, freundliche Lindmstadt! Dir ward ein leuchtendes Ehrenmahl: Solange rollet der Jahre Rad, Solange scheinet der Sonnenstrahl, Solange die Ströme zum Meere reisen, Wird noch der späteste Enkel preisen Die Leipziger Schlacht.

3.

Wer soll der Hüter sein? (1818.) Max von Schenkendorss Denkmal. (Reg. II, 14, 15, 23.)

1. Wer soll dein Hüter sein?

Dringet die List hindurch,

Sprich, Vater Rhein! Mag dich der Schwerter Glanz, Mögen dich Wall und Schanz,

Solches schirmt nie genug Gegen den welschen Trug.

Mag dich von Türmen

Sprich, Vater Rhein! Eins kann nur Hüter sein, So spricht der Vater Rhein,

Ein diamantner Kranz

Hüten und schirmen? Ach nein! durch Felsenburg

2. Wer soll dmn Hüter sein?

Eins kann nur bauten;

Arndt.

4 [UI] Lanzen und Schwerterschein,

Felsen und Mauren, Wären sie noch so dicht, Sprenget der Höllenwicht;

Tapfres und treues Herz, Köstliche Gabe, Senken wir hier in Schmerz

Nieder zum Grabe.

Bau diamantne Burg, Er dringet doch hindurch. 3. Was soll das eine sein? Sprich, Vater Rhein! Herz muß das eine sein!

Das sei dir Schild und Hort, Brausende Landespfort! Das soll ein Zeichen sein Ewig am freien Rhein!

Spricht Vater Rhein — Das wird es treffen, Herz, das kein Lügenschein

Er hat vom Rhein, Er hat vom deutschen Land, Er hat vom welschen Tand

Nimmer kann äffen. Auch ohne Schanz und Wall

Mächtig geklungen, Daß Ehre auferstand, Wo er gesungen. Bei dir, wonach er rang, Sang er den Schwanensang: Hier foUf er Zeichen sein, Hier fottf er Hüter sein. 7. Wohl dir des Hüters dein! Jauchze nun, Rhein!

Brauset mein Wogenschwall Fröhlich in Freiheit hin, Wann ich des mächtig bin. 4. Soll das das eine sein? Ja, das allein. Treues und deutsches Herz, Tapfer in Ernst und Scherz,

Das ist die Mauer, Treues und deutsches Herz Bleibt auf die Dauer; Brechet die Schwerter klein,

Reißet die Wälle ein, Schleifet die Felsenburg — Mit diesem fecht ichs durch.

5. Wohl dir des Hüters dein! Dies soll es sein! Wohl dir! ein deutsches Herz,

4.

6. Wohl dir des Hüters dein!

Brause in Wonne fort, Heilige Landespfort! Klinge in Freuden, Klinge des Sängers Wort Künftigen Zeiten! Und in dem grünen Glanz Liege sein Grab als Schanz!

Liege als Ehrenwall Vor deiner Wogen Schwall!

Los des Schönen (1803). (Reg. II, 22.)

1. Die Rose blühet auf Dornen, Die Nachtigall finget im Leide,

Arndt.

[UI] 5

Was hoffest du irdische Freude, Wo nirgends das Schöne besteht? Die Blüten verwelkten und starben, Dann klangen die Sicheln für Garben,

Doch manche der lieblichsten Blüten Hat fruchtlos der Winter verweht. 2. Hier steh ich, pflücke mir Blumen, Der Liebsten den Hügel zu schmücken, Ich hoffte in Freuden zu pflücken, Was brachte der lustige Mai. Nun lieget mir still und begraben Die schönste der irdischen Gaben, Drum pflück ich die Blumen mit Thränen, Die brachte der lustige Mai. 3. Klingt stiller, zärtliche Saiten, Klingt still um die schlummernde Schöne! Sie kannte den Wohllaut der Töne, Der Seelen melodischen Klang. Haucht, Blumen, die lieblichsten Düste! Die schläft in dem Schweigen der Grüfte, Ging Veilchen zu pflücken und Rosen Oft spielend die Auen entlang.

5.

Grablied (1818). (Reg. II, 22, 37.)

1. Geht nun hin und grabt mein Grab,

Meinen Laus hab ich vollendet, Lege nun den Wanderstab

Denn ich bin des Wanderns müde,

Hin, wo alles Jrdsche endet,

Von der Erde scheid ich ab, Denn mir ruft des Himmels

In das Bette sonder Pein.

Friede, Denn mir rüst die süße Ruh Bon den Engeln droben zu.

2. Geht nun hin und grabt mein Grab,

Lege selbst mich nun hinein 3.

Was

soll

ich

hienieden

noch In dem dunkeln Thale machen? Denn wie mächtig, stolz und hoch Wir auch stellen unsre Sachen,

6 [III]

Brentano.

Muß es doch wie Sand zergehn, Wann die Winde drüber wehn. 4. Darum, Erde, fahre wohl! Laß mich nun in Frieden scheiden; Deine Hoffnung, ach! ist hohl, Deine Freuden werden Leiden, Deine Schönheit ünbestand:

AllesWahn und Trug und Tand. 5. Darum letzte gute Nacht, SonnundMond und liebeSterne! Fahret wohl mit eurer Pracht! Denn ich reis' in weite Ferne, Reise hin zu jenem Glanz, Worin ihr erbleichet ganz.

6. Ihr, die nun in Trauren geht, Fahret wohl, ihr lieben Freunde! Was von oben niederweht. Tröstet froh des Herrn Genleinde; Weint nicht ob dem eitlen Schein, Droben nur kann ewig sein. 7. Weinet nicht, daß nun ich will

Von

der Welt den

Abschied

nehmen, Daß ich aus dem Jrrland will, Aus den Schatten, aus den Sche­

men, Aus dem Eitlen, aus dem Nichts Hin ins Land des ewgen Lichts. 8. Weinet nicht; mein süßes Heil, Meinen Heiland hab ich funden,

Und ich habe auch mein Teil In den warmen Herzenswunden, Woraus einst sein frommes Blut Floß der ganzen Welt zu gut. 9. Weint nicht; mein Erlöser lebt, Hoch vom finstern Erdenstaube Hell empor die Hoffnung schwebt, Und der Himmelsheld, derGlaube, Und die ewige Liebe spricht: Kind des Vaters, zittre nicht!

Clemens Brentano geb. 8. IX. 1778 zu Ehrenbreitstein, f 28. VII. 1842 zu Aschaffenburg.

6.

Heimweh der ausgesendeten Kinder. (Reg. II, 8, 21.)

I. Ach Mutter! bleibst so lange,

Es wird uns Kindern bange,

Der Abend ist so kalt! Die Winde schaurig wehen,

Und lange Schatten gehen, Und Löwen brüllen durch den Wald.

2.Weit find wir heut gegangen

6 [III]

Brentano.

Muß es doch wie Sand zergehn, Wann die Winde drüber wehn. 4. Darum, Erde, fahre wohl! Laß mich nun in Frieden scheiden; Deine Hoffnung, ach! ist hohl, Deine Freuden werden Leiden, Deine Schönheit ünbestand:

AllesWahn und Trug und Tand. 5. Darum letzte gute Nacht, SonnundMond und liebeSterne! Fahret wohl mit eurer Pracht! Denn ich reis' in weite Ferne, Reise hin zu jenem Glanz, Worin ihr erbleichet ganz.

6. Ihr, die nun in Trauren geht, Fahret wohl, ihr lieben Freunde! Was von oben niederweht. Tröstet froh des Herrn Genleinde; Weint nicht ob dem eitlen Schein, Droben nur kann ewig sein. 7. Weinet nicht, daß nun ich will

Von

der Welt den

Abschied

nehmen, Daß ich aus dem Jrrland will, Aus den Schatten, aus den Sche­

men, Aus dem Eitlen, aus dem Nichts Hin ins Land des ewgen Lichts. 8. Weinet nicht; mein süßes Heil, Meinen Heiland hab ich funden,

Und ich habe auch mein Teil In den warmen Herzenswunden, Woraus einst sein frommes Blut Floß der ganzen Welt zu gut. 9. Weint nicht; mein Erlöser lebt, Hoch vom finstern Erdenstaube Hell empor die Hoffnung schwebt, Und der Himmelsheld, derGlaube, Und die ewige Liebe spricht: Kind des Vaters, zittre nicht!

Clemens Brentano geb. 8. IX. 1778 zu Ehrenbreitstein, f 28. VII. 1842 zu Aschaffenburg.

6.

Heimweh der ausgesendeten Kinder. (Reg. II, 8, 21.)

I. Ach Mutter! bleibst so lange,

Es wird uns Kindern bange,

Der Abend ist so kalt! Die Winde schaurig wehen,

Und lange Schatten gehen, Und Löwen brüllen durch den Wald.

2.Weit find wir heut gegangen

Brentano.

Und tragen nun Verlangen Nach unsrer Mutter Schoß; Komm, trockne unsre Thränen, Lös auf dies bange Sehnen, Mach unsre müden Herzen los. 3. Du sagtest uns am Morgen,

Wir sollten ohne Sorgen Von deiner Schwelle gehn Wenn wir den Berg erklommen Und wenn die Nacht gekommen, Dann würden wir dich Wiedersehn. 4. Wir mußten mühsam wallen, Und viele find gefallen, Und mancher ging voran Viel mußten wir auch weinen,Durch Dornen und aus Steinen, Durch Hitz und Sturm ging unsre Bahn.

7.

5. Nun geht der Tag zu Ende, Drum heben wir die Hände

Und suchen deine Hand; Thu auf die kleine Zelle! Sind wieder an der Stelle,

Da du uns hast hinausgesandt. 6. Laß uns in grünen Wiegen In weißen Hemdlein liegen, So tief und still und dicht; Laß Thränen uns befeuchten,

Laß auf uns niederleuchten Dein ewig klares Mondgesicht. 7. Den Schleier, blau gewoben, Den breite weit aus oben, Drin laß uns hoffend ruhn. Einst wird es wieder tagen, Dann wird der Vater sagen: Steht auf, ihr Kindlein, alle nun!

Der Spinnerin Lied. (Reg. II, 20.)

1. Es sang vor langen Jahren

So oft der Mond mag scheinen,

Wohl auch die Nachtigall,

Gedenk ich dein allein.

Das war wohl süßer Schall,

Mein Herz ist klar und rein, Gott wolle uns vereinen. 3. Seit du von mir gefahren, Singt stets die Nachtigall, Ich denk bei ihrem Schall,

Da wir zusammen waren. Ich fing und kann nicht weinen Und spinne so allein

Den Faden klar und rein, So lang der Mond wird scheinen. 2. Da wir zusammen waren, Da sang die Nachtigall, Nun mahnet mich ihr Schall, Daß du von mir gefahren.

Wie wir zusammen waren. Gott wolle uns vereinen, Hier spinn ich so allein, Der Mond scheint klar und rein, Ich sing und möchte weinen!

Bürger.

8 [III]

Gottfried August Bürger geb. 81. XII. 1747 zu Molmerswende am Harz, f 8. VI. 1794 zu Göttingen.

8. (Reg. II, 22, 82.)

Lenore.

[G. 1, 270; L. u. N. 2, 185; L. 1, 71.]

1. Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: „Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen?" — Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht Und hatte nicht geschrieben, Ob er gesund geblieben. 2. Der König und die Kaiserin,

Des langen Haders müde, Erweichten ihren harten Sinn Und machten endlich Friede; Und jedes Heer, mit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim zu seinen Häusern. 3. Und überall, all überall, Auf Wegen und auf Stegen,

Zog alt und jung dem Jubelschall

Der Kommenden entgegen. „Gottlob!" rief Kind und Gattin laut,, „Willkommen!" manche frohe Braut. Ach! aber für Lenoren War Gruß und Kuß verloren.

4. Sie frug den Zug wohl auf und ab Und frug nach allen Namen; Doch keiner war, der Kundschaft gab, Von allen, so da kamen. Als nun das Heer vorüber war,

Bürger. Zerraufte sie ihr Rabenhaar

Und warf sich hin zur Erde Mit wütiger Geberde. 5. Die Mutter lief Wohl hin zu ihr: „Ach, daß sich Gott erbarme! Du trautes Kind, was ist mit dir?" Und schloß sie in die Arme. —

„O Mutter, Mutter! hin ist hin! Nun fahre Welt und alles hin! Bei Gott ist kein Erbarmen. O Weh, o Weh mir Armen!" 6. „Hilf, Gott, hilf! sieh uns gnädig an!

Kind, bet ein Vaterunser! Was Gott thut, das ist wohl gethan. Gott, Gott erbarmt sich unser!" — „O Mutter, Mutter! eitler Wahn! Gott hat an mir nicht wohl gethan! Was half, was hals mein Beten? Nun ists nicht mehr von nöten." — 7. „Hilf, Gott, hilf! Wer den Vater kennt,

Der weiß, er hilft den Kindern. Das hochgelobte Sakrament Wird deinen Jammer lindern." —

„O Mutter, Mutter! was mich brennt, Das lindert mir kein Sakrament!

Kein Sakrament mag Leben Den Toten wiedergeben." 8. „Hör, Kind! wie, wenn der falsche Mann Im fernen Ungerlande Sich seines Glaubens abgethan

Zum neuen Ehebande? Laß fahren, Kind, sein Herz dahin! Er hat es nimmermehr Gewinn!

Wann Seel und Leib sich trennen, Wird ihn sein Meineid brennen." —

9. „O Mutter, Mutter! hin ist hin!

[III] 9

10 [III]

Bürger. Verloren ist verloren! Der Tod, der Tod ist mein Gewinn! O, wär> ich nie geboren!

Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus! Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus! Bei Gott ist kein Erbarmen.

O weh, o weh mir Armen!" 10. „Hilf, Gott, hilf! geh nicht ins Gericht

Mit deinem armen Kinde! Sie weiß nicht, was die Zunge spricht;

Behalt ihr nicht die Sünde! Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid, Und denk an Gott und Seligkeit! So wird doch deiner Seelen Der Bräutigam nicht fehlen." — 11. „O Mutter! was ist Seligkeit? O Mutter! was ist Hölle? Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit, Und ohne Wilhelm Hölle! Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus! Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus:

Ohn^ ihn mag ich auf Erden, Mag dort nicht selig werden."--------12. So wütete Verzweifelung Ihr in Gehirn und Adern. Sie fuhr mit Gottes Vorsehung Vermessen fort zu hadern; Zerschlug den Busen und zerrang

Die Hand bis Sonnenuntergang, Bis auf am Himmelsbogen Die goldnen Sterne zogen. 13. Und außen, horch! gings trab trab trab Als wie von Rosseshufen ;

Und klirrend stieg ein Reiter ab An des Geländers Stufen; Und horch! und horch! den Pfortenring

Bürger.

[III] 11

Ganz lose, leise, klinglingling! Dann kamen durch die Pforte Vernehmlich diese Worte: 14. „Holla, holla! thu auf, mein Kind! Schläfst, Liebchen, oder wachst du? Wie bist noch gegen mich gesinnt? Und weinest oder lachst du?" — „Ach, Wilhelm, du? .. so spät bei Nacht? .. Geweinet hab ich und gewacht;

Ach, großes Leid erlitten! Wo kommst du hergeritten?" — 15. „Wir satteln nur um Mitternacht; Weit ritt ich her von Böhmen; Ich habe spät mich aufgemacht Und will dich mit mir nehmen." — „Ach, Wilhelm, erst herein geschwind! Den Hagedorn durchsaust der Wind, Herein, in meinen Armen, Herzliebster, zu erwärmen!" — 16. „Laß sausen durch den Hagedorn, Laß sausen, Kind, laß sausen! Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn; Ich darf allhier nicht Hausen. Komm, schürze, spring und schwinge dich Auf meinen Rappen hinter mich! Muß heut noch hundert Meilen

Mit dir ins Brautbett eilen." — 17. „Ach! wolltest hundert Meilen noch Mich heut ins Brautbett tragen? Und horch! es brummt die Glocke noch, Die elf schon angeschlagen." — „Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell,

Wir und die Toten reiten schnell, Ich bringe dich, zur Wette, Noch heut ins Hochzeitbette." — 18. „Sag an, wo ist dein Kämmerlein?

12 [111]

Bürger. Wo? wie dein Hochzeitbettchen?" —

„Weit, weit von hier!.. still, kühl und klein! . . Sechs Bretter und zwei Brettchen!" — „Hats Raum für mich?" — „Für dich und mich! Komm, schürze, spring und schwinge dich!

Die Hochzeitgäste hoffen; Die Kammer steht uns offen." — 19. Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang Sich auf das Roß behende; Wohl um den trauten Reiter schlang Sie ihre Lilienhände! Und hurre hurre, hop hop hop! Gings fort in sausendem Galopp, Daß Roß und Reiter schnoben Und Kies und Funken stoben. 20. Zur rechten und zur linken Hand, Vorbei vor ihren Blicken, Wie flogen Anger, Heid und Land! Wie donnerten die Brücken! — „Graut Liebchen auch?.. der Mond scheint hell! Hurrah! die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" —

„Ach nein! .. doch laß die Toten!" — 21. Was klang dort für Gesang und Klang? Was flatterten die Raben? . . Horch Glockenklang! horch Totensang: „Laßt uns den Leib begraben!" Und näher zog ein Leichenzug, Der Sarg und Totenbahre trug.

Das Lied war zu vergleichen Dem Unkenruf in Teichen. 22. „Nach Mitternacht begrabt den Leib

Mit Klang und Sang und Klage! Jetzt führ ich heim mein junges Weib.

Mit, mit zum Brautgelage! Komm, Küster, hier! komm mit dem Chor

Bürger.

[III] IS

Und gurgle mir das Brautlied vor! Komm, Pfaff, und sprich den Segen,

Eh wir zu Bett uns legen!" — 23. Still Klang und Sang. .. Die Bahre schwand ..

Gehorsam seinem Rufen,

Kams, hurre hurre! nachgerannt,

Hart hinters Rappen Hufen. Und immer weiter, hop hop hop! Gings fort in sausendem Galopp,

Daß Roß und Reiter schnoben Und Kies und Funken stoben. 24. Wie flogen rechts, wie flogen links Gebirge, Bäum und Hecken!

Wie flogen links und rechts und links Die Dörfer, Städt und Flecken! — „Graut Liebchen auch?.. der Mond scheint hell!

Hurrah! die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" „Ach! laß sie ruhn, die Toten." — 25. Sieh da! sieh da! am Hochgericht

Tanzt um des Rades Spindel, Halb sichtbarlich bei Mondenlicht, Ein lustiges Gesindel. — „Sasa! Gesindel, hier! komm hier! Gesindel, komm und ft.a mir!

Tanz uns den Hochzeitreigen,

Wann wir zu Bette steigen!" 26. Und das Gesindel, husch husch husch Kam hinten nachgepraffelt, Wie Wirbelwind am Haselbusch

Durch dürre Blätter raffelt, Und weiter, weiter, hop hop hop! Gings fort in sausendem Galopp,

Daß Roß und Reiter schnoben Und Kies und Funken stoben. 27. Wie flog, was rund der Mond beschien,

u [III]

Bürger.

Wie flog es in die Ferne! Wie flogen oben über hin Der Himmel und die Sterne! — „Graut Liebchen auch ?.. der Mond scheint hell! Hurrah! die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" —

„O weh! laß ruhn die Toten!" — 28. „Rapp! Rapp! mich dünkt, der Hahn schon ruft.. Bald wird der Sand verrinnen.. Rapp! Rapp! ich wittre Morgenluft..

Rapp! tummle dich von hinnen! — Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf:

Das Hochzeitbette thut sich auf! Die Toten reiten schnelle! Wir sind, wir sind zur Stelle."-------------29. Rasch auf ein eisern Gitterthor Gings mit verhängtem Zügel: Mit schwanker Gert ein Schlag davor Zersprengte Schloß und Riegel. Die Flügel flogen klirrend auf, Und über Gräber ging der Lauf. Es blinkten Leichensteine Rundum im Mondenscheine. 30. Ha sieh! ha sieh! im Augenblick, Huhu! ein gräßlich Wunder! Des Reiters Koller, Stück für Stück, Fiel ab, wie mürber Zunder. Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf, Zum nackten Schädel ward sein Kopf;

Sein Körper zum Gerippe Mit Stundenglas und Hippe. 31. Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp Und sprühte Feuerfunken; Und hui! wars unter ihr hinab Verschwunden und versunken. Geheul! Geheul aus hoher Luft,

Chamisso.

[UI] 16

Gewinsel kam aus tiefer Gruft. Lenorens Herz mit Beben Rang zwischen Tod und Leben. 32. Nun tanzten Wohl beim Mondenglanz

Rundum herum im Kreise Die Geister einen Kettentanz Und heulten diese Weise: „Geduld! Geduld! Wenns Herz auch bricht!

Mit Gott im Himmel hadre nicht! Des Leibes bist du ledig; Gott sei der Seele gnädig!"

Adelbert von Chamiffo geb. 31. I. 1781 auf Schloß Boncourt in Frankreich, f 21. VIII. 1838 zu Berlin.

9. Frisch gesungen. (Reg. II, 23, 45.)

1. Hab oft im Kreise der Lieben in duftigem Grase geruht Und mir ein Liedlein gesungen, und alles war hübsch und gut. Hab einsam auch mich gehärmet in bangem, düsterem Mut, Und habe wieder gesungen, und alles war wieder gut. 2. Und manches, was ich erfahren, verkocht' ich in stiller Wut,

Und kam ich wieder zu fingen, war alles auch wieder gut. Sollst nicht uns lange klagen, was alles dir Wehe thut, Nur frisch, nur frisch gesungen! und alles wird wieder gut.

10. Die Kreuzschau. (Reg. II, 21,2b, 48.) [®. 2, 579; L. u. N. 3,236; L. 1,126; Sinnig 45.)

1. Der Pilger, der die Höhen überstiegen, Sah jenseits schon das ausgespannte Thal In Abendglut vor seinen Füßen liegen. 2. Auf duftges Gras, im milden Sonnenstrahl, Streckt' er ermattet fich zur Ruhe nieder,

Indem er seinem Schöpfer sich befahl.

Chamisso.

[UI] 16

Gewinsel kam aus tiefer Gruft. Lenorens Herz mit Beben Rang zwischen Tod und Leben. 32. Nun tanzten Wohl beim Mondenglanz

Rundum herum im Kreise Die Geister einen Kettentanz Und heulten diese Weise: „Geduld! Geduld! Wenns Herz auch bricht!

Mit Gott im Himmel hadre nicht! Des Leibes bist du ledig; Gott sei der Seele gnädig!"

Adelbert von Chamiffo geb. 31. I. 1781 auf Schloß Boncourt in Frankreich, f 21. VIII. 1838 zu Berlin.

9. Frisch gesungen. (Reg. II, 23, 45.)

1. Hab oft im Kreise der Lieben in duftigem Grase geruht Und mir ein Liedlein gesungen, und alles war hübsch und gut. Hab einsam auch mich gehärmet in bangem, düsterem Mut, Und habe wieder gesungen, und alles war wieder gut. 2. Und manches, was ich erfahren, verkocht' ich in stiller Wut,

Und kam ich wieder zu fingen, war alles auch wieder gut. Sollst nicht uns lange klagen, was alles dir Wehe thut, Nur frisch, nur frisch gesungen! und alles wird wieder gut.

10. Die Kreuzschau. (Reg. II, 21,2b, 48.) [®. 2, 579; L. u. N. 3,236; L. 1,126; Sinnig 45.)

1. Der Pilger, der die Höhen überstiegen, Sah jenseits schon das ausgespannte Thal In Abendglut vor seinen Füßen liegen. 2. Auf duftges Gras, im milden Sonnenstrahl, Streckt' er ermattet fich zur Ruhe nieder,

Indem er seinem Schöpfer sich befahl.

16 [III]

Chamisso.

3. Ihm fielen zu die matten Augenlider, Doch seinen Wachen Geist enthob ein Traum

Der irdschen Hülle seiner trägen Glieder. 4. Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum Zu Gottes Angesicht, das Firmament Zu seinem Kleid, das Land zu deflen Saum. 5. „Du wirst dem, deffen Herz dich Vater nennt, Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden,

Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt. 6. Daß, wen ein Weib gebar, sein Kreuz hienieden

Auch duldend tragen muß, ich weiß es lange; Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden. 7. Mein Kreuz ist allzu schwer; sieh, ich verlange Die Last nur angemessen meiner Kraft; Ich unterliege, Herr, zu hartem Zwange." 8. Wie so er sprach zum Höchsten kmderhaft, Kam brausend her der Sturm, und es geschah, Daß aufwärts er sich fühlte hingerafft. 9. Und wie er Boden faßte, fand er da Sich einsam in der Mitte räumger Hallen, Wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah. 10. Und eine Stimme hört' er dröhnend hallen: „Hier aufgespeichert ist das Leid; du hast Zu wählen unter diesen Kreuzen allen." 11. Versuchend ging er da, unschlüssig fast,

Don einem Kreuz zum anderen umher, Sich auszuprüfen die bequemre Last. 12. Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu schwer,

So schwer und groß war jenes andre nicht,

Doch scharf von Kanten drückt es desto mehr. 13. Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht, Das lockt' ihn, unversucht es nicht zu lassen; Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht. 14. Er mochte dieses heben, jenes faffen,

Zu keinem neigte noch sich seine Wahl, Es wollte keines, keines für ihn paffen.

Claudius.

[in] 17

15. Durchmustert hatt' er schon die ganze Zahl — Verlorne Müh! vergebens wars geschehen!

Durchmustern mußt' er sie zum andernmal. 16. Und nun gewahrt' er, früher übersehen,

Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein, Und bei dem einen blieb er endlich stehen.

17. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein

Ihm paßlich und gerecht nach Kraft und Maß: „Herr," rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!" 18. Und wie ers prüfend mit den Augen maß —

Es war dasselbe, das er sonst getragen, Wogegen er zu murren sich vermaß.

Er lud es auf und trugs nun sonder Klagen.

Matthias Claudius Mb. 15. VIII. 1740 zu Neinfeld in Holstein, f 21. I. 1815 zu Hamburg.

Bei dem Grabe meines Balers.

11. [Reg. II, 22.)

1.

[L. u. N. 3, 291; L. 1, 149; Förster 67.]

Friede sei um diesen Grabstein her!

Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben Einen guten Mann begraben,

Und mir war er mehr; 2.

Träufte mir von Segen, dieser Mann,

Wie ein milder Stern aus bessern Welten! Und ich kanns ihm nicht vergelten,

Was er mir gethan.

3.

Er entschlief, sie gruben ihn hier ein.

Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben, Und ein Ahnen von dem erogen Leben Düst' um sein Gebein,

4.

Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr,

Freundlich wird erwecken! — Ach, sie haben

Einen guten Mann begraben, Und mir war er mehr. Hessel, Musterge-ichte.

Claudius.

[in] 17

15. Durchmustert hatt' er schon die ganze Zahl — Verlorne Müh! vergebens wars geschehen!

Durchmustern mußt' er sie zum andernmal. 16. Und nun gewahrt' er, früher übersehen,

Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein, Und bei dem einen blieb er endlich stehen.

17. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein

Ihm paßlich und gerecht nach Kraft und Maß: „Herr," rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!" 18. Und wie ers prüfend mit den Augen maß —

Es war dasselbe, das er sonst getragen, Wogegen er zu murren sich vermaß.

Er lud es auf und trugs nun sonder Klagen.

Matthias Claudius Mb. 15. VIII. 1740 zu Neinfeld in Holstein, f 21. I. 1815 zu Hamburg.

Bei dem Grabe meines Balers.

11. [Reg. II, 22.)

1.

[L. u. N. 3, 291; L. 1, 149; Förster 67.]

Friede sei um diesen Grabstein her!

Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben Einen guten Mann begraben,

Und mir war er mehr; 2.

Träufte mir von Segen, dieser Mann,

Wie ein milder Stern aus bessern Welten! Und ich kanns ihm nicht vergelten,

Was er mir gethan.

3.

Er entschlief, sie gruben ihn hier ein.

Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben, Und ein Ahnen von dem erogen Leben Düst' um sein Gebein,

4.

Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr,

Freundlich wird erwecken! — Ach, sie haben

Einen guten Mann begraben, Und mir war er mehr. Hessel, Musterge-ichte.

Dach.

18 [UI]

12

Baterlandslied.

(Reg. II, 14.) 1.

(Förster 141.]

Stimmt an mit Hellem, hohem Klang,

Stimmt an das Lied der Lieder, Des Vaterlandes Hochgesang; Das Waldthal hall' es wieder! 2. Der alten Barden Vaterland, Dem Vaterland der Treue, Dir, niemals ausgesungnes Land, Dir weihn wir uns aufs neue. 3. Zur Ahnentugend wir uns weihn, Zum Schutze deiner Hütten, Wir lieben deutsches Fröhlichsein Und alte deutsche Sitten. 4. Die Barden sollen Lieb und Wein, Doch öfter Tugend Preisen Und sollen biedre Männer sein In Thaten und in Weisen. 5.

Ihr Kraftgesang soll himmelan

Mit Ungestüm sich reißen, Und jeder echte deutsche Mann

Soll Freund und Bruder heißen!

Simon Dach geb. 29. VII. 1605 zu Memel, f 15. IV. 1659 zu Königsberg.

13.

Lied der Freundschaft (gekürzt).

(Reg. II, 21, 45.)

[S. u. N. 1, 289.]

1. Der Mensch hat nichts so eigen,

so wohl steht ihm nichts an,

Als daß er Treu erzeigen und Freundschaft halten kann, Wann er mit seines gleichen soll treten in ein Band,

Verspricht sich, nicht zu weichen, mit Herzen, Mund und Hand. 2. Die Red ist uns gegeben, damit wir nicht allein Für uns nur sollen leben und fern von Leuten sein:

Dach.

18 [UI]

12

Baterlandslied.

(Reg. II, 14.) 1.

(Förster 141.]

Stimmt an mit Hellem, hohem Klang,

Stimmt an das Lied der Lieder, Des Vaterlandes Hochgesang; Das Waldthal hall' es wieder! 2. Der alten Barden Vaterland, Dem Vaterland der Treue, Dir, niemals ausgesungnes Land, Dir weihn wir uns aufs neue. 3. Zur Ahnentugend wir uns weihn, Zum Schutze deiner Hütten, Wir lieben deutsches Fröhlichsein Und alte deutsche Sitten. 4. Die Barden sollen Lieb und Wein, Doch öfter Tugend Preisen Und sollen biedre Männer sein In Thaten und in Weisen. 5.

Ihr Kraftgesang soll himmelan

Mit Ungestüm sich reißen, Und jeder echte deutsche Mann

Soll Freund und Bruder heißen!

Simon Dach geb. 29. VII. 1605 zu Memel, f 15. IV. 1659 zu Königsberg.

13.

Lied der Freundschaft (gekürzt).

(Reg. II, 21, 45.)

[S. u. N. 1, 289.]

1. Der Mensch hat nichts so eigen,

so wohl steht ihm nichts an,

Als daß er Treu erzeigen und Freundschaft halten kann, Wann er mit seines gleichen soll treten in ein Band,

Verspricht sich, nicht zu weichen, mit Herzen, Mund und Hand. 2. Die Red ist uns gegeben, damit wir nicht allein Für uns nur sollen leben und fern von Leuten sein:

Dach.

[öl] 1»

Wir sollen uns befragen und sehn auf guten Rat, Das Leid einander klagen, so uns betreten hat.

3. Was kann die Freude machen, die Einsamkeit verhehlt? was Freunden wird erzählt. Der kann sein Leid vergessen, der es von Herzen sagt: Der muß sich selbst auffrefsen, der in geheim sich nagt. Das gibt ein doppelt Lachen,

4. Gott stehet mir vor allen,

die meine Seele liebt;

Dann soll mir auch gefallen, der mir sich herzlich gibt. Mit diesen Bundsgesellen verlach ich Pein und Not,

Geh auf den Grund der Höllen

14.

und breche durch den Tod.

Ännchen von Tharau.

(Original niederdeutsch, gekürzt ins Hochdeutsche übertragen von Herder.) (Reg. II, 20, 44.)

1.

Ännchen von Tharau ist, die mir gefällt,

Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld. Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz

Auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz. Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut. 2. Käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,

Wir find gesinnt, bei einander zu stahn; Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein Soll unsrer Liebe Verknotigung sein. Ännchen von Tharau, mein Licht und mein Sonn, Mein Leben schließ ich um deines herum. 3. Recht als ein Palmenbaum über sich steigt, Hat ihn erst Regen und Sturmwind gebeugt, So wird die Lieb in uns mächtig und groß Nach manchen Leiden und traurigem Los. Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.

4.

Würdest du gleich einmal von mir getrennt,

Lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt: Ich will dir folgen durch Wälder und Meer, Eisen und Kerker und feindliches Heer.

20 [III]

Dohm. Ännchen von Tharau, mein Licht und mein Sonn,

Mein Leben schließ ich um deines herum.

Ernst Dohm geb. 24. V. 1819 zu Breslau, t 5. II. 1883 zu Berlin. 15.

Die Schlacht von Metz (am 14., 16. und 18. Aug. 1870>.

(Reg. II, 17.) Das war eine Schlacht!

Drei Tage lang Vom Morgen bis zur sinkenden Nacht Der männermordende Donner kracht' Und des Todes mähende Sichel klang. Das war eine Schlacht! Zwischen Kampf und Kampf Hat der Tod je einen Rasttag gemacht, Umnebelt vom schwebenden Pulverdampf, Satt und übersatt Des Blutes, das er zu gierig trank, Vom blutigen Mähen so müd und matt, Daß dem knöchernen Arm die Sichel entsank. Das war eine Schlacht! Und als des dritten Tages Gestirn Zur Rüste ging und von der Berge Firn Ihren Schattenschleier senkte die Nacht, Da lagen, Freund und Feind,

An die dreißigtausend! vereint,

Im stummen Tode friedlich gesellt — Ein unabsehbar Leichenfeld. Und auf das klaffende Völkergrab Lächelt der Mond vom Sternenzelt Schweigend des Todes Frieden herab. Das war eine Schlacht! Die ihr, das Vaterland

20 [III]

Dohm. Ännchen von Tharau, mein Licht und mein Sonn,

Mein Leben schließ ich um deines herum.

Ernst Dohm geb. 24. V. 1819 zu Breslau, t 5. II. 1883 zu Berlin. 15.

Die Schlacht von Metz (am 14., 16. und 18. Aug. 1870>.

(Reg. II, 17.) Das war eine Schlacht!

Drei Tage lang Vom Morgen bis zur sinkenden Nacht Der männermordende Donner kracht' Und des Todes mähende Sichel klang. Das war eine Schlacht! Zwischen Kampf und Kampf Hat der Tod je einen Rasttag gemacht, Umnebelt vom schwebenden Pulverdampf, Satt und übersatt Des Blutes, das er zu gierig trank, Vom blutigen Mähen so müd und matt, Daß dem knöchernen Arm die Sichel entsank. Das war eine Schlacht! Und als des dritten Tages Gestirn Zur Rüste ging und von der Berge Firn Ihren Schattenschleier senkte die Nacht, Da lagen, Freund und Feind,

An die dreißigtausend! vereint,

Im stummen Tode friedlich gesellt — Ein unabsehbar Leichenfeld. Und auf das klaffende Völkergrab Lächelt der Mond vom Sternenzelt Schweigend des Todes Frieden herab. Das war eine Schlacht! Die ihr, das Vaterland

Dohm.

[111] 21

Zu schützen vor Gewaltthat und Schänd, Euch selber zum blutigen Opfer gebracht —

Ihr treuen Toten, du und du, Die im Gefecht Mit dem Leben besiegelt Deutschlands Recht,

Niedergemäht von des Todes Macht, Ausgesät als des Friedens Saat, Fahrt Wohl, zur ewigen Ruhl Das war eine Schlacht! Des Feindes Plan, so keck erdacht, Zu schänden gemacht, Zerrissen, zerschlissen wie sein Heer! Er selbst nach knirschender Gegenwehr Zurückgeworfen in die Feste Metz! Dort fest umsponnen mit ehernem Netz, Mit eiserner Klammer regungslos An den Fels geschmiedet bewegungslos, Aller Hilf und alles Entrinnens bar, Ausbäumend in ohnmächtigem Schmerz — Und der deutsche Aar Stückweis ihm zerhackend das zuckende Herz. Das war eine Schlacht! Westwärts in wehender Fahnen Pracht, Mit klingendem Spiele, dran und drauf, In nimmer aufgehaltenem Lauf, Weit, weit übern Rhein

Nach Frankreich hinein Deutschlands Banner tragend, sein Recht und Ehr,

Im Sturmmarschtritt, Im Siegesschritt Wälzt gen Paris sich das deutsche Heer.

Droste-Hülshoff.

22 [III]

Annette Freiin von Droste-Hülshoff geb. 12. I. 1798 zu Hülshoff b. Münster, f 24. V. 1848 zu

Meersburg a. Bodensee.

16.

Die junge Mutter. (Reg. II, 22.)

1.

Im grün verhangnen duftigen Gemach,

Aus weißen Kiffen liegt die junge Mutter; Wie brennt die Stirn! sie hebt das Auge schwach Zum Bauer, wo die Nachtigall das Futter Den nackten Jungen reicht: „Mein armes Tier," So flüstert sie, „und bist du auch gefangen Gleich mir, wenn draußen Lenz und Sonne prangen, So hast du deine Kleinen doch bei dir." 2. Den Vorhang hebt die graue Wärterin Und legt den Finger mahnend auf die Lippen; Die Kranke dreht das schwere Auge hin. Gefällig will sie von dem Tranke nippen; Er mundet schon, und ihre bleiche Hand

Faßt fester den Kristall — o milde Labe! — „Elisabeth, was macht mein kleiner Knabe?" „Er schläft," versetzt die Alte abgewandt. 3. „Wie mag er zierlich liegen! — Kleines Ding!" — Und selig lächelnd sinkt sie in die Kiffen;

Ob man den Schleier um die Wiege hing, Den Schleier, der am Erntefest zerriffen? Man sieht es kaum, sie flickte ihn so nett, Daß alle Frauen höchlich es gepriesen, Und eine Ranke ließ sie drüber sprießen. „Was läutet man im Dom, Elisabeth?" 4. „Madame, wir haben heut Mariatag." So hoch im Mond? sie kann sich nicht besinnen. —

Wie war es nur? — doch ihr Gehirn ist schwach, Und leise suchend zieht sie aus den Linnen Ein Häubchen, in dem Strahle kümmerlich

Droste-Hülshoff.

[III] 28

Läßt sie den Faden in die Nadel gleiten; So ganz verborgen will sie es bereiten, Und leise, leise zieht sie Stich um Stich.

5. Da öffnet knarrend sich die Kammerthür, Vorfichtge Schritte übern Teppich schleichen. „Ich schlafe nicht, Rainer, komm her, komm hier! Wann wird man endlich mir den Knaben reichen?" Der Gatte blickt verstohlen himmelwärts, Küßt wie ein Hauch die kleinen heißen Hände: „Geduld, Geduld, mein Liebchen, bis zum Ende! Du bist noch gar zu leidend, gutes Herz." 6. „Du duftest Weihrauch, Mann." — „Ich war im Dom; Schlaf, Kind!" und wieder gleitet er von dannen. Sie aber näht, und liebliches Phantom Spielt um ihr Aug von Auen, Blumen, Tannen. — Ach, wenn du wieder siehst die grüne Au, Siehst über einem kleinen Hügel schwanken Den Tannenzweig und Blumen drüber ranken, Dann tröste Gott dich, arme junge Frau!

17.

Die Unbesungenen. (Reg. II, 22.)

1. 's gibt Gräber, wo die Klage schweigt Und nur das Herz von innen blutet,

Kein Tropfen in die Wimper steigt Und doch die Lava drinnen flutet; 's gibt Gräber, die wie Wetternacht An unserm Horizonte stehn

Und alles Leben niederhalten Und doch, wenn Abendrot erwacht,

Mit ihren goldnen Flügeln wehn Wie milde Seraphimgestalten. 2. Zu heilig sind sie für das Lied

Und mächtge Redner doch vor aßen: Sie nennen dir, was nimmer schied, Was nie und nimmer kann zerfallen;

24 [III]

Droste-Hülshoff.

O, Wenn dich Zweifel drückt herab, Und möchtest atmen Ätherluft

Und möchtest schauen Dann tritt an deines Dann tritt an deines Dann tritt an deines

18.

Seraphsflügel,

Vaters Grab! Bruders Gruft! Kindes Hügel!

Des alten Pfarrers Samstag. (Reg. II, 20, 35.)

1. Wie funkeln hell die Sterne, Wie dunkel scheint der Grund, Und aus des Teiches Spiegel Steigt dort der Mond am Hügel Gerad um die elfte Stund. 2. Da hebt vom Predigthefte Der müde Pfarrer sich; Wohl war er unverdrossen, Und endlich ists geschlossen Mit langem Federstrich. 3. Nun öffnet er das Fenster, Er trinkt den milden Duft Und spricht: „Wer sollt' cs sagen, Noch Schnee vor wenig Tagen, Und dies ist Maienluft."

4. Die strahlende Rotunde Sein ernster Blick durchspäht, Schon will der Himmelswagen Die Deichsel abwärts tragen: „Ja, ja, cs ist schon spät!" 5. Und als dies Wort gesprochen,

Es fällt dem Pfarrer auf, Als müss' er eben deuten Auf sich der ganz zerstreuten, Arglosen Rede Lauf.

6. Nie schien er sich so hager, Nie fühlt' er sich so alt,

Als seit er heut begraben Den langen Moritz Raben,

Den Förster dort vom Wald. 7. Am gleichen Tag geboren, Getauft am gleichen Tag! Das ist ein seltsam Wesen Und läßt uns deutlich lesen, Was wohl die Zeit vermag! 8. DerNachtgeheimesFunkeln, Und daß sich eben muß, Wie Mondesstrahlen steigen,

Der frische Hügel zeigen, Das Kreuz an seinem Fuß: 9. Das macht ihn ganz beklom­ men, Den sehr betagten Mann, Er sieht den Flieder schwanken Und längs des Hügels wanken

Die Schatten ab und an. 10. Wie oft sprach nicht der Tote Nach seiner Weise kühn: „Herr Pfarr, wir alten Knaben,

Wir müssen sachte traben, Die Kirchhofsblumen blühn." 11. „So mögen sie dennblühenl" Spricht sanft der fromme Mann. Er hat sich aufgerichtet,

[III] 25

Eichendorfs.

Sein Auge, mild umlichtet, Schaut fest den Äther an.

Den, der Dein Siegel trägt. Doch nachdem letzten Sturme" —

12. „Hast Du gesandt ein Zei­

chen Durch meinen eignen Mund Und willst mich gnädig mahnen

An unser aller Ahnen Uralten ewgen Bund; 13. Nicht lässig sollst Du finden

Da eben summts vom Turme, Und zwölf die Glocke schlägt. 14. „Ja, wenn ich bin entladen Der Woche Last und Pein, Dann führe, Gott der Milde, Das Werk nach Deinem Bilde In Deinen Sonntag ein!"

Joseph Freiherr von Eichendorff geb. 10. III. 1788 zu Lubowitz bei Ratibor, f 26. XI. 1857 zu Neiße.

19» Abschied.

[Im Walde bei Lubowitz.)

(Reg. II, 10, 45.)

[Förster 67.]

1. O Thäler weit, o Höhen, o schöner grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen andächtger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, saust die geschäftge Welt, Schlag noch einmal die Bogen um mich, du grünes Zelt! 2. Wenn es beginnt zu tagen, die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen in junger Herrlichkeit!

3. Da steht im Wald geschrieben ein stilles, ernstes Wort Bon rechten! Thun und Lieben, und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen die Worte, schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen wards unaussprechlich klar. 4. Bald werd ich dich verlaßen, fremd in der Fremde gehn, Auf buntbewegten Gaffen

Und mitten in dem Leben Mich Einsamen erheben,

des Lebens Schauspiel sehn;

wird deines Ernsts Gewalt

so wird mein Herz nicht alt.

20. Sehnsucht. (Reg. II, 7, 45.)

1. Es schienen so golden die Sterne,

Und hörte aus weiter Ferne

am Fenster ich einsam stand

ein Posthorn im stillen Land.

[III] 25

Eichendorfs.

Sein Auge, mild umlichtet, Schaut fest den Äther an.

Den, der Dein Siegel trägt. Doch nachdem letzten Sturme" —

12. „Hast Du gesandt ein Zei­

chen Durch meinen eignen Mund Und willst mich gnädig mahnen

An unser aller Ahnen Uralten ewgen Bund; 13. Nicht lässig sollst Du finden

Da eben summts vom Turme, Und zwölf die Glocke schlägt. 14. „Ja, wenn ich bin entladen Der Woche Last und Pein, Dann führe, Gott der Milde, Das Werk nach Deinem Bilde In Deinen Sonntag ein!"

Joseph Freiherr von Eichendorff geb. 10. III. 1788 zu Lubowitz bei Ratibor, f 26. XI. 1857 zu Neiße.

19» Abschied.

[Im Walde bei Lubowitz.)

(Reg. II, 10, 45.)

[Förster 67.]

1. O Thäler weit, o Höhen, o schöner grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen andächtger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, saust die geschäftge Welt, Schlag noch einmal die Bogen um mich, du grünes Zelt! 2. Wenn es beginnt zu tagen, die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen in junger Herrlichkeit!

3. Da steht im Wald geschrieben ein stilles, ernstes Wort Bon rechten! Thun und Lieben, und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen die Worte, schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen wards unaussprechlich klar. 4. Bald werd ich dich verlaßen, fremd in der Fremde gehn, Auf buntbewegten Gaffen

Und mitten in dem Leben Mich Einsamen erheben,

des Lebens Schauspiel sehn;

wird deines Ernsts Gewalt

so wird mein Herz nicht alt.

20. Sehnsucht. (Reg. II, 7, 45.)

1. Es schienen so golden die Sterne,

Und hörte aus weiter Ferne

am Fenster ich einsam stand

ein Posthorn im stillen Land.

Eichendorff.

26 [III]

Das Herz mir im Leib entbrennte,

da hab ich mir heimlich gedacht:

Ach, wer da mitreisen könnte in der prächtigen Sommernacht! 2. Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern fie singen die stille Gegend entlang: Don schwindelnden Felsenschlüften, wo dieWälder rauschen so sacht, Don Quellen, die von den Klüften sich stürzen in die Waldesnacht. 3. Sie sangen von Marmorbildern, von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, wann der Lauten Klang erwacht,

Und dieBrunnenverschlafenrauschen in der prächtigen Sommernacht.

21.

Die Stille.

(Reg. II, 45.) 1. Es weiß und rät es doch keiner, wie mir so wohl ist, so wohl! Ach, wußt' es nur einer, nur einer, kein Mensch es sonst wissen soll! So still ists nicht draußen im Schnee, so stumm und verschwiegen sind Die Sterne nicht in der Höhe, als meine Gedanken sind. 2. Ich wünscht', es wäre schon morgen, da fliegen zwei Lerchen aus, Die überfliegen einander, mein Herze folgt ihrem Lauf. Ich wünscht', ich wäre ein Vöglein und zöge über das Meer, Wohl über das Meer und weiter, bis daß ich im Himmel wär!

88.

Morgengebet.

(Reg. II, 6, 21.)

1. O wunderbares, tiefes Schweigen, Wie einsam ists noch aus der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, Als ging' der Herr durchs stille Feld. 2. Ich fühl mich recht wie neu geschaffen, Wo ist die Sorge nun und Not? Was mich noch gestern wollt' erschlaffen, Ich schäm mich des im Morgenrot. 3. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke Will ich, ein Pilger, srohbereit

Betreten nur wie eine Brücke Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.

Eichendorff.

23

Der Einsiedler. (Reg. II, 7.)

1.

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht I

Wie steigst du von den Bergen sacht,

Die Lüfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermüd, Singt übers Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hasen. 2. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen; Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. 3. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd gemacht, Das weite Meer schon dunkelt; Laß ausruhn mich von Lust und Not, Bis daß das ewge Morgenrot Den stillen Wald durchfunkelt. 24.

Auf meines Kindes Tod. (Reg. II, 22, 45.)

1.

1. Freuden wollt' ich dir bereiten, Zwischen Kämpfen, Lust und Schmerz Wollt' ich treulich dich geleiten

Durch das Leben himmelwärts. 2. Doch du hasts allein gefunden, Wo kein Bater führen kann,

Durch die ernste, dunkle Stunde Gingst du schuldlos mir voran. 3. Wie das Säuseln leiser Schwingen Draußen über Thal und Kluft,

[III] 27

28 [III]

Eichendorff.

Ging zur selben Stund ein Singen Ferne durch die stille Luft. 4. Und so fröhlich glänzt der Morgen, war, als ob das Singen sprach: Jetzo lasset alle Sorgen, Liebt ihr mich, so folgt mir nach.

2. 1. Ich führt> dich oft spazieren in Wintereinsamkeit, Kein Laut ließ sich da spüren, du schöne, stille Zeit!

2. Lenz ists nun, Lerchen singen im Blauen über mir, Ich weine still — sie bringen mir einen Gruß von dir. 3. 1. Die Welt treibt fort ihr Wesen, die Leute kommen und gehn, Als wärst du nie gewesen, als wäre nichts geschehn.

2. Wie sehn ich mich aufs neue hinaus in Wald und Flur! Ob ich mich gräm, mich freue, du bleibst mir treu, Natur. 3. Da klagt vor tiefem Sehnen schluchzend die Nachtigall, Es schimmern rings von Thränen die Blumen überall. 4. Und über alle Gipfel und Blütenthäler zieht Durch stillen Waldes Wipfel ein heimlich Klagelied. 5. Da spür ichs recht im Herzen, daß Dus, Herr, draußen bist — Du weißts, wie mir von Schmerzen mein Herz zerrissen ist! 4.

es ist schon tiefe Nacht, dein Bettlein ist gemacht.

1. Von fern die Uhren schlagen, Die Lampe brennt so düster,

2. Die Winde nur noch gehen wehklagend um das Haus, Wir sitzen einsam drinnen und lauschen oft hinaus. 3. Es ist, als müßtest leise du klopfen an die Thür,

Du hältst dich nur verirret und kämst nun müd zurück. 4. Wir armen, armen Thoren! wir irren ja, im Graus Des Dunkels noch verloren — du fandst dich längst nach Haus.

FeuchtcrSleben.

[HI] 2»

5. 1. Dort ist so tiefer Schatten, du schläfst in guter Ruh; Es deckt mit grünen Matten der liebe Gott dich zu. 2. Die alten Weiden neigen Die Vöglein in den Zweigen

fich auf dein Bett herein, sie singen treu dich ein.

3. Und wie in goldnen Träumen

geht linder Frühlingswind

Rings in den stillen Bäumen — schlaf wohl, mein süßes Kind!

6. 1. Mein liebes Kind, ade! Ich konnt' ade nicht sagen,

Und lächelst aus dem Glanze

Als sie dich fortgetragen, Bor tiefem, tiefem Weh. 2. Jetzt auf lichtgrünem Plan Stehst du im Myrtenkränze

3. Und Jahre nahn und gehn, Wie bald bin ich verstoben — £) bitt für mich da droben, Daß wir uns Wiedersehn!

Uns still voll Mitleid an.

Ernst Freiherr von FeuchtcrSleben geb. 29. IV. 1806 zu Wien, f 3. IX. 1849 daselbst.

25.

Nach altdeutscher Weise.

(Reg. II, 8, 44.) 1.

[$>. 2, 26.]

Es ist bestimmt in Gottes Rat,

Daß man, was man am liebsten hat, Muß meiden; Wiewohl nichts in dem Lauf der Welt Dem Herzen, ach! so sauer fällt, Als Scheiden! ja Scheiden! 2. So dir geschenkt ein Knösplein was, So thu es in ein Wasserglas, —

Doch wisse: Blüht morgen dir ein Röslein aus, Es welkt wohl noch die Nacht darauf; Das wisie! ja wiffe!

FeuchtcrSleben.

[HI] 2»

5. 1. Dort ist so tiefer Schatten, du schläfst in guter Ruh; Es deckt mit grünen Matten der liebe Gott dich zu. 2. Die alten Weiden neigen Die Vöglein in den Zweigen

fich auf dein Bett herein, sie singen treu dich ein.

3. Und wie in goldnen Träumen

geht linder Frühlingswind

Rings in den stillen Bäumen — schlaf wohl, mein süßes Kind!

6. 1. Mein liebes Kind, ade! Ich konnt' ade nicht sagen,

Und lächelst aus dem Glanze

Als sie dich fortgetragen, Bor tiefem, tiefem Weh. 2. Jetzt auf lichtgrünem Plan Stehst du im Myrtenkränze

3. Und Jahre nahn und gehn, Wie bald bin ich verstoben — £) bitt für mich da droben, Daß wir uns Wiedersehn!

Uns still voll Mitleid an.

Ernst Freiherr von FeuchtcrSleben geb. 29. IV. 1806 zu Wien, f 3. IX. 1849 daselbst.

25.

Nach altdeutscher Weise.

(Reg. II, 8, 44.) 1.

[$>. 2, 26.]

Es ist bestimmt in Gottes Rat,

Daß man, was man am liebsten hat, Muß meiden; Wiewohl nichts in dem Lauf der Welt Dem Herzen, ach! so sauer fällt, Als Scheiden! ja Scheiden! 2. So dir geschenkt ein Knösplein was, So thu es in ein Wasserglas, —

Doch wisse: Blüht morgen dir ein Röslein aus, Es welkt wohl noch die Nacht darauf; Das wisie! ja wiffe!

30 [III]

Flemming.

3. Und hat dir Gott ein Lieb beschert, Und hältst du sie recht innig wert, Die Deine —

Es werden Wohl acht Bretter sein. Da legst du fie, wie bald! hinein; Dann weine! ja weine! 4. Nur mußt du mich auch recht verstehn,

Ja, recht verstehn. Wenn Menschen auseinandergehn, So sagen sie: auf Wiedersehn! Ja Wiedersehn!

Paul Flemming geb. 17. X. 1609 zu Hartenstein im Erzgebirge, f 2. IV. 1640 zu Hamburg.

26.

Das getreue Herz (gekürzt). (Reg. II, 20.)

1. Hat Der Der Mir

Ein getreues Herze wiffen, des höchsten Schatzes Preis; ist selig zu begrüßen, ein treues Herze weiß! ist Wohl bei höchstem Schmerz,

Denn ich weiß ein trmes Herz. 2. Läuft das Glücke gleich zu Zeiten Anders als man will und meint, Ein getreues Herz hilft streiten

Wider alles, was ist feind. Mir ist wohl bei höchstem Schmerz, Denn ich weiß ein treues Herz.

3.

Sein Vergnügen steht alleine

In des andern Redlichkeit,

Hält des andern Not für seine. Weicht nicht auch bei böser Zeit.

30 [III]

Flemming.

3. Und hat dir Gott ein Lieb beschert, Und hältst du sie recht innig wert, Die Deine —

Es werden Wohl acht Bretter sein. Da legst du fie, wie bald! hinein; Dann weine! ja weine! 4. Nur mußt du mich auch recht verstehn,

Ja, recht verstehn. Wenn Menschen auseinandergehn, So sagen sie: auf Wiedersehn! Ja Wiedersehn!

Paul Flemming geb. 17. X. 1609 zu Hartenstein im Erzgebirge, f 2. IV. 1640 zu Hamburg.

26.

Das getreue Herz (gekürzt). (Reg. II, 20.)

1. Hat Der Der Mir

Ein getreues Herze wiffen, des höchsten Schatzes Preis; ist selig zu begrüßen, ein treues Herze weiß! ist Wohl bei höchstem Schmerz,

Denn ich weiß ein trmes Herz. 2. Läuft das Glücke gleich zu Zeiten Anders als man will und meint, Ein getreues Herz hilft streiten

Wider alles, was ist feind. Mir ist wohl bei höchstem Schmerz, Denn ich weiß ein treues Herz.

3.

Sein Vergnügen steht alleine

In des andern Redlichkeit,

Hält des andern Not für seine. Weicht nicht auch bei böser Zeit.

Freiligrath.

[III] 81

Mir ist Wohl bei höchstem Schmerz,

Denn ich weiß ein treues Herz. 4. Gunst, die kehrt sich nach dem Glücke, Geld und Reichtum, daS zerstäubt,

Schönheit läßt uns bald zurücke, Ein getreues Herze bleibt. Mir ist wohl bei höchstem Schmerz, Denn ich weiß ein treues Herz. 5. Eins ist da sein und geschieden:

Ein getreues Herze hält, Gibt sich allezeit zufrieden, Steht auf, wenn es nieder fällt. Ich bin froh bei höchstem Schmerz, Denn ich weiß ein treues Herz. 27.

Gottvertrauen.

(Reg. II, 21.) 1. Laß dich nur nichts dauern Mit Trauern: Sei stille! Wie Gott es fügt, So sei vergnügt, Mein Wille. 2. Was willst du heute sorgen Auf morgen? Der Eine

Steht allem für,

Er gibt auch dir Das deine. 3. Sei nur in allem Handel Ohn' Wandel: Steh feste! Was Gott beschleußt, Das ist und heißt Das beste.

Ferdinand Freiligrath geb. 17. VI. 1810 zu Detmold, f 18. HI. 1876 zu Cannstatt b. Stuttgart. 28.

Wär' ich im Bann von Mekkas Thoren.