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German Pages 359 [360] Year 1973
Maßanalyse Theorie und Praxis der klassischen und der Elektrochemischen Titrierverfahren
von D r . Gerhart Jander f o. Professor an der Technischen Universität Berlin und Dr. K a r l Friedrich Jahr o. Professor an der Freien Universität Berlin
13., unveränderte Auflage Mit 56 Figuren
mitbearbeitet von Dr. Heinz Knoll Freie Universität Berlin
DE
Sammlung Göschen Band 8221
Walter de Gruyter Berlin • New York • 1973
© Copyright 19 7 2 by Walter de Gruyter&Co.,vormals G. J . Göschen'sche Verlagsh a n d l u n g — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — K a r l J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle llechte, einschl. der Rcchte der Herstellung von Photokopien u n d Mikrofilmen vom Vorlag vorbehalten. — Satz u n d D r u c k : Mercedes-Druck, Berlin 61 — P r i n t e d in Germany
ISBN 3 11 005934 7
INHALT Seite
Literatur
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Einführung und Grundbegriffe
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Erster Teil: Die praktischen Grundlagen der Maßanalyse
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I. Die Praxis der Volumenmessung 1. Die Meßgefäße 2. Eichung und Nachprüfung der Meßgefäße 3. Das Reinigen und Trodcnen der M e ß g e f ä ß e u n d Glasgeräte II. Die Maßflüssigkeiten 1. Empirische Lösungen und Normallösungen 2. Die Bereitung und Einstellung der Lösungen
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Zweiter Teil: Die klassischen Methoden der Maßanalyse Erster Abschnitt: Die Oxydations- und Reduktionsanalysen
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III. Oxydations- und Reduktionsvorgänge 1. Definition der Begriffe Oxydation und Reduktion 2. Oxydations- und Reduktionspotentiale IV. Die Manganometrie 1. Die Oxydationswirkung des Kaliumpermanganats 2. Die Bereitung und Einstellung der Kaliumpermanganatlösung 3. Die Bestimmung des Eisen(II) und des Eisen(III) in schwefelsaurer Lösung 4. Die Bestimmung des Eisen (II) und des Eisen(III) in salzsaurer Lösung 5. Die Bestimmung des Urans und der Phosphate 6. Die Bestimmung der Oxalate und des Calciums 7. Die Bestimmung des Wasserstoffperoxids und der Peroxo-disulfate 8. Die Bestimmung der Nitrite und der Nitrose 9. Die Bestimmung des Hydroxylamins 10. Die Bestimmung des Mangan(IV)-oxids und des Mangans in Eisen, Stahl und manganhaltigen Eisenerzen 11. Die Bestimmung des Mangan(II) V. Die Kaliumdichromatmethode 1. Die Oxydationswirkung des Kaliumdichromats. Die Schwierigkeit der Endpunktserkennung 2. Die Bereitung der Kaliumdichromatlösung 3. Die Bestimmung des Eisens mit Kaliumhexacyanoferrat (III) als Tüpfelindikator 4. Die Bestimmung des Eisens mit Diphenylamin bzw. Natrium-N-Methyldiphenylamin-p-sulfonat als Redoxindikator
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Inhalt VI. Titrationen mit Eisen(II)-sulfat 1. Die Bereitung und Einstellung der Eisen(II)-sulfatlösung 2. Die Bestimmung der Chromate(VI) und des Chiom(III) 3. Die Bestimmung des Vanadin(V) 4. Die Bestimmung kleiner Wassermengen nach K. F. Jahr und J. Fuchs
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VII. Titrationen mit Kaliumbromat 1. Die Oxydationswirkung des Kaliumbromats 2. Die Bereitung der Kaliumbromatlösung 3. Die Bestimmung des Arsen(III) und des Antimon (III) 4. Die Bestimmung des Wismuts
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VIII. Die Jodometrie 1. Die Grundlagen der Jodometrie 2. Die Erkennung des Endpunktes bei jodometrischen Titrationen. Die Bereitung der Hilfslösungen 3. Die Bereitung und Einstellung der Natriumthiosulfatlösung 4. Die Bereitung und Einstellung der Jodlösung 5. Die Bestimmung der Sulfide und der Sulfite 6. Die Wasserbestimmung nach Karl Fischer 7. Die Bestimmung des Hydrazins 8. Die Bestimmung von Verbindungen des Arsen(III), des Antimon(III) und des Zinn(II) 9. Die Bestimmung der Quecksilber(I)- und der Quedcsilber(II)-salze 10. Die Bestimmung der Jodide 11. Die Bestimmung der Chlorate, Bromate, Jodate und Perjodate 12. Die Bestimmung des Wasserstoffperoxids, der Peroxide, Perkarbonate und Perborate 13. Die Bestimmung der höheren Oxide 14. Die Bestimmung der Hexacyanoferrate 15. Die Bestimmung der Cyanide und der Thiocyanate 16. Die Bestimmung des Kupfers
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Zweiter Abschnitt: Die Neutralisationsanalysen IX. Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen 1. Der Neutralisationsvorgang 2. Wasserstoffionenkonzentration und Wasserstoffexponent 3. Die Bedeutung des Ionenproduktes für den Neutralisationsvorgang; Titrationskurven 4. Stärke der Säuren und Basen 5. Die Erscheinung der Hydrolyse X. Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse 1. Die gebräuchlichsten Indikatoren 2. Umschlagspunkt und Umschlagsbereich 3. Die praktische Anwendung der Indikatoren in der Neutralisationsanalyse 4. Die Theorie der Indikatoren
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Inhalt
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XI. / !Kalimetrie und Acidimetrie 1. Die Bereitung und Einstellung der Säuren 2. Die Bereitung und Einstellung der Laugen 3. Die Bestimmung starker und schwacher Basen 4. Die Bestimmung der Karbonate, sowie die Bestimmung von Hydroxiden und Karbonaten nebeneinander 5. Die Bestimmung von Alkalikarbonat und Alkalihydrogenkarbonat nebeneinander 6. Die Bestimmung der vorübergehenden und der bleibenden Härte des Wassers 7. Die Verdrängung schwacher Säuren und schwacher Basen 8. Die Bestimmung des Ammoniaks in Ammoniumsalzen, der Salpetersäure in Nitraten und des Stickstoffgehaltes organischer Substanzen 9. Die Bestimmung starker und schwadler Säuren. Die Gehaltsermittlung von Acetaten und Boraten 10. Die Bestimmung mehrbasiger Säuren und saurer Salze 11. Die Bestimmung von Salzen durch Anwendung von Ionenaustauschern
Dritter Abschnitt: Die Fällungs- und KomplexbildungsAnalysen XII. Die Grundlagen der Fällungsanalysen 1. Der Fällungsvorgang 2. Die Änderung der Ionenkonzentration im Verlauf einer Fällungsanalyse. Die Titrationskurven 3. Die Methoden der Endpunktsbestimmung XIII. Die hydrolytischen Fällungsverfahren 1. Ihre Grundlage und ihre Bedeutung 2. Die Bereitung und Einstellung der Kaliumpalmitatlösung 3. Die Bestimmung der Gesamthärte und der Magnesiahärte des Wassers XIV. Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers und die Argentometrie 1. Die Bereitung und Einstellung der Maßlösungen 2. Die Bestimmung des Silbers nach Gay-Lussac 3. Die Bestimmung des Silbers und des Kupfers, der Halogenid-, Thiocyanat- und Cyanidionen in saurer Lösung nach J . Volhard 4. Die Bestimmung der Halogenidionen in neutralen Lösungen löslicher Halogenide nach Fr. Mohr 5. Die Bestimmung der Halogenid-, der Thiocyanat- und der Silberionen nach K. Fajans XV. Tüpfelanalysen 1. Die Bestimmung des Zinks mit Kaliumhexacyanoferrat (II) 2. Die Bestimmung des Bleis mit Ammoniummolybdat XVI. Komplexometrie 1. Die Bestimmung der Cyanide nach ]. v. Liebig 2. Die Grundlagen der Chelatometrie
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Inhalt 3. Die Bestimmung des Magnesiums und des Calciums sowie die Bestimmung der Gesamthärte des Wassers 4. Die Bestimmung des Zinks und des Cadmiums
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Dritter Teil: Die elektrochemischen Methoden der Maßanalyse
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Erster Abschnitt: Die Konduktometrie
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XVII. Obersidit über die elektrochemischen Indikationsverfahren der Maßanalyse
XVIII. Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration 1. Die Grundlagen der Leitfähigkeitstitration 2. Die Titriervorrichtung 3. Die Methoden der Leitfähigkeitsmessung X I X . Anwendungsmöglichkeiten und Kurventypen konduktometrischer Titrationen 1. Neutralisationsvorgänge 2. Konduktometrisdie Fällungsanalysen 3. Leitfähigkeitstitrationen in siedenden Lösungen XX. Die Hochfrequenztitration
Zweiter Abschnitt: Die Potentiometrie XXI. Die theoretischen Grundlagen der Potentiometrie 1. Die Elektrodenpotentiale und ihre Abhängigkeit von der Konzentration 2. Die Änderung des Elektrodenpotentials im Verlauf potentiometrischer Titrationen XXII. Die Praxis der Potentiometrie 1. Die Meßkette 2. Die Potentialmessung 3. Verschiedene Methoden der praktischen Durchführung potentiometrisdier Titrationen XXIII. Beispiele für die Anwendungsmöglichkeit potentiometrischer Titrationen 1. Fällungs- und Komplexbildungsanalysen 2. NeutTalisationsanalysen 3. Oxydatians- und Reduktionsanalysen
Dritter Abschnitt: Die Indikation mit polarisierten Elektroden XXIV. Die Polarisation der Elektroden XXV. Die Polarisationsspannungstitration und die Polarisationsstromtitration 1. Die Voltametrie und die Amperometrie 2. Die Deadstop-Methode
Anhang: Kurzer Überblick über die Geschichte der Maßanalyse Atomgewichte Namenregister Sachregister
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330 335 336 338
Literatur
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EINFÜHRUNG UND
GRUNDBEGRIFFE
D i e Durchführung quantitativer chemischer Analysen kann im wesentlichen auf zwei verschiedenen W e g e n erfolgen, die aber letzten Endes beide auf der Benutzung der Waage beruhen. D i e erste große Gruppe von quantitativen Bestimmungsmethoden wird unter dem Sammelnamen „Gravimetrie" Gewichtsanalyse, zusammengefaßt. Alle hierher gehörenden Methoden gehen grundsätzlich folgendermaßen vor: Durch Zugabe geeigneter gelöster Hilfsstoffe, „Reagenzien", zur Lösung der zu analysierenden Substanz wird einer ihrer Bestandteile in eine Verbindungsform übergeführt, die 1. praktisch unlöslich ist, 2. innerhalb weiter G r e n z e n der Versuchsbedingungen eine konstante und genau bekannte Zusammensetzung hat, 3. eine genaue Gewichtsbestimmung zuläßt. Um beispielsweise den Eisengehalt einer Eisen(III)-nitratlösung zu bestimmen, wird die verdünnte, schwach salpetersaure Lösung auf Siedetemperatur erhitzt. Dann wird tropfenweise, unter Umrühren, Ammoniaklösung bis zum Uberschuß hinzugegeben. Es fällt ein brauner Niederschlag von Eisen(III)-oxidhydrat, Fe 2 0 3 -aq., aus; er wird von der Lösung durch Filtration getrennt und durch Auswaschen mit heißem Wasser so weit wie möglich von allen noch anhaftenden Begleitstoffen gereinigt. Die Abscheidungsform genügt der ersten unserer drei Forderungen: Der Niederschlag enthält alles Eisen und ist praktisch unlöslich. Die Fällung besitzt aber nicht unter allen Umständen konstante Zusammensetzung: ihr Wassergehalt schwankt, und außerdem enthält sie geringe Mengen basischer Nitrate. Sie kann also ohne weiteres nicht zur Wägung verwendet werden. Durch Glühen im Porzellantiegel jedoch wird sie in eine geeignete Wägungsform verwandelt. Aus dem Eisen(III)-oxidhydxat entsteht dabei unter Wasserabgabe Eisen(III)-oxid, FejOj, und auch die basischen Eisen(III)-nitrate wandeln sich in Eisen(III)-oxid um.
Einführung und Grundbegriffe
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Dieses genügt nunmehr der zweiten und auch gleichzeitig der dritten Bedingung, denn es zieht weder Wasser noch Kohlendioxid aus der Atmosphäre an, läßt sidi also bequem und genau zur Wägung bringen.
Um in der Gravimetrie eine vollständige Abscheidung des zu bestimmenden Stoffes zu erzielen, muß die jeweilige Reagenslösung stets im Uberschuß angewandt werden. Das ist ein Charakteristikum aller gewichtsanalytischen Methoden. Ganz anders dagegen verfährt die zweite große Gruppe von quantitativen Bestimmungsmethoden, die „Volumetrie" oder „Maßanalyse". Hier werden zu der Lösung, die den zu bestimmenden Stoff enthält, nur gerade so viele Milliliter der Reagenslösung hinzugegeben, als für die quantitative Umsetzung eben erforderlich sind. Diese Methoden erfordern also zunächst, im Gegensatz zur Gravimetrie, eine genaue Messung des Volumens der Reagenslösung. Und noch ein weiterer Unterschied fällt sofort auf: der Gehalt oder chemische Wirkungswert der Reagenslösung, ihr „Titer", muß genau bekannt sein. Titrieren heißt, die unbekannte Menge eines gelösten Stoffes dadurch ermitteln, daß man ihn quantitativ von einem chemisch ivohl definierten Anfangszustand in einen ebensogut bestimmten Endzustand überführt, und zwar durch Zugabe einer geeigneten Reagenslösung, deren chemischer Wirkungswert bekannt ist, und derenVolumen genau gemessen wird. Selbstverständlich muß dabei das Ende der Reaktion von selbst erkennbar sein oder doch leicht erkennbar gemacht werden können. Aus der Kenntnis des zugrunde liegenden Reaktionsschemas, aus der Menge der verbrauchten Reagenslösung und aus ihrem Gehalt an chemisch wirksamer Substanz läßt sich dann auch die Menge des zu bestimmenden Stoffes berechnen. Ein Beispiel möge dies veranschaulichen: Wenn wir in eine warme, schwefelsaure Lösung von Eisen(II)-sulfat eine Kaliumpermanganadösung eintropfen lassen, so werden die Eisen(II)-ionen von den Permanganationen zu Eisen(III)-ionen oxydiert, während gleichzeitig die stark violett gefärbten Per-
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Einführung und Grundbegriffe
manganationen zu praktisch ungefärbten reduziert werden. 5 Fe 2 + + M n 0 4 " + 8 H +
Mangan(II)-ionen
5 Fe 3 + + Mn 2 + + 4 H.O.
Sobald aber die langsam eintropfende Kaliumpermanganatlösung die letzten Eisen(II)-ionen oxydiert hat, kann der nächste Tropfen nicht mehr entfärbt werden, so daß also die vorgelegte Lösung nunmehr ganz schwach rotviolett erscheint; der Endpunkt der Titration ist erreicht. Jetzt hat sich die Reaktion zwischen den Eisen(II)-ionen in der vorgelegten Lösung und den hinzugegebenen Permanganationen gerade quantitativ vollzogen. Kennen wir nun den genauen Gehalt unserer Kaliumpermanganatlösung, und haben wir die Anzahl ihrer bis zum Reaktionsende verbrauchten Milliliter in einer geeigneten Vorrichtung — Bürette — gemessen, so können wir auf Grund der uns bekannten, oben angeführten Reaktionsgleichung berechnen, wieviel Eisen(II)-sulfat in der vorgelegten Lösung dem hinzugesetzten Kaliumpermanganat entspricht. Der bisher unbekannte Gehalt an Salzen des zweiwertigen Eisens ist nunmehr ermittelt. Die Möglichkeit der Durchführung einer maßanalytischen Bestimmung ist also hauptsächlich an drei Voraussetzungen geknüpft: 1. Die zugrunde liegende chemische Reaktion muß mit großer Reaktionsgeschwindigkeit, quantitativ und eindeutig nach den stöchiometrischen Verhältnissen verlaufen, welche die Reaktionsgleichung angibt. Nur dann ist eine genaue Berechnung des Analysenergebnisses möglich. 2. E s muß möglich sein, eine geeignete Reagenslösung von genau bekanntem Gehalt herzustellen oder den Wirkungswert dieser Lösung mit größter Genauigkeit irgendwie anderweitig zu ermitteln. 3. Der Endpunkt der Titration, der „Äquivalenzpunkt" — so genannt, weil hier gerade die dem gesuchten Stoff äquivalente Reagensmenge verbraucht wurde — muß deutlich erkennbar sein. Diese letzte Bedingung nun macht häufig größere Schwierigkeiten, denn nur in den wenigsten Fällen ist der Endpunkt einer Titration so leicht zu erkennen wie in dem
Einführung und Grundbegriffe
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oben beschriebenen Fall einer Bestimmung von Eisen(II)sulfat mit Kaliumpermanganat. Meistens muß der Endpunkt durch Zugabe eines I n d i k a t o r s kenntlich gemacht werden, eines Hilfsstoffes, der den geringsten Uberschuß der Reagenslösung durch eine auffällige Farbänderung oder eine andere sinnfällige Erscheinung anzeigt. Auch physikalisch-chemische Meßmethoden können zur Auffindung des Äquivalenzpunktes dienen. Es ist gesagt worden, daß nicht nur die Gravimetrie, sondern auch die Maßanalyse auf der Anwendung der Waage beruht. Das scheint im Widerspruch zu stehen mit der bisher gegebenen Beschreibung des Wesens der Maßanalyse als einer Methode, die sich auf Volumenmessungen stützt. Aber abgesehen davon, daß der zu bestimmende Anteil eines Stoffgemisches von vornherein keineswegs immer im gelösten Zustand vorliegt, so daß also eine bestimmte Menge der Substanz abgewogen und daraus ein definiertes Volumen der eigentlichen Analysenlösung bereitet werden muß, darf man doch nicht vergessen, daß zur Bereitung der Reagenslösungen bekannten Gehaltes (Titers) die Waage benutzt wird und daß daher allen Titrationen letzten Endes Wägungen zugrunde liegen.
Friedrich Mohr (1806—1879), der deutsche Altmeister der Maßanalyse, charakterisiert diese Eigentümlichkeit der Volumetrie in der Einleitung zu seinem klassischen „Lehrbuch der chemisch-analytischen Titriermethode" (1855) mit folgenden Worten: „Titrieren ist eigentlich ein W ä g e n ohne Waage, und dennoch sind alle Resultate im Sinne des Ausspruchs der W a a g e verständlich. In letzter Instanz bezieht sich alles auf eine W ä gung. Man macht jedoch nur eine Wägung, wo man sonst viele zu machen hatte. Die Genauigkeit der einen Normalwägung ist in jedem mit der so bereiteten Flüssigkeit gemachten Versuche wiederholt. Mit einem Liter Probeflüssigkeit kann man mehrere Hundert Analysen machen. Die Darstellung von zwei und mehr Litern Probeflüssigkeit erfordert aber nicht mehr Zeit und nicht mehr Wägungen als die von einem Liter. Man wägt also, wenn man Zeit und Muße hat, im voraus und gebraucht die Wägungen, wenn man untersucht." 2
Jander-Jahr. Maßanalyse
18
Die Praxis der Volumenmessung
Diese Worte Friedrich Möhrs weisen zugleich auf den großen Vorteil der Zeitersparnis hin, den die maßanalytischen Methoden bieten, und der besonders überall dort zur Geltung kommt, wo es sich um die häufige Wiederholung gleichartiger Analysen handelt, unter anderem in den Laboratorien der chemischen Industrie, die sich dauernd mit der Betriebskontrolle beschäftigen.
Erster
Teil
Die praktischen Grundlagen der Maßanalyse I. Die Praxis der Volumenmessung 1. Die Meßgefäße Als Maßeinheit dient das sogenannte „wahre Liter", das heißt derjenige Raum, den 1 kg reinsten Wassers größter Dichte, also von 4° C einnimmt, wobei die Wägung am „Normalort" (45. Breitengrad, Meereshöhe) vorzunehmen und auf den luftleeren Raum zu korrigieren ist. Das Volumen wird meist in tausendstel Teilen eines (wahren) Liters, in Millilitern (ml) angegeben. Es sei hier daran erinnert, daß das Kubikzentimeter mit Hilfe des Normalmeterstabes definiert ist und daß 1 (wahres) Liter 1000,028 ccm enthält. Die Meßgefäße werden alle aus Glas hergestellt. Es ist zweckmäßig, ein Glas zu verwenden, das sich sowohl gegenüber thermischer wie chemischer Beanspruchung als möglichst widerstandsfähig erweist. Sehr gut hat sich hier das sogenannte „Jenaer Geräteglas" der Firma Schott bewährt. Da man in der Maßanalyse ebensowohl Flüssigkeitsmengen nach Litern wie nach Zehntelmillilitern und weniger zu messen hat, braucht man natürlich Meßgefäße ganz verschiedener Größe und Gestalt. Man unterscheidet nach der Art ihrer Eichung zwei Gruppen von Meßgeräten, die „auf Einguß" und die „auf
Die Meßgefäße
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Ausguß" graduierten Gefäße. Die an einem auf Einguß graduierten Gefäß angebrachte Eichmarke grenzt genau den zu messenden Raum ab. Ein auf Ausguß (oder Ausfluß) geeichtes Gerät umschließt einen Raum, der das zu messende Volumen um soviel übertrifft, als erfahrungsgemäß nach dem Ausguß oder Ausfluß infolge Adhäsion an der Glaswand hängen bleibt. Wir besprechen zunächst die auf Einguß geeichten Gefäße. M e ß k o l b e n . Die Meßkolben sind langhalsige Standkolben, etwa von Kochflaschenform (Fig. 1). Die Abgrenzung ihres Rauminhalts geschieht durch eine kreisförmige, um den ganzen Hals gezogene Eichmarke. Die Meßkolben sollen mit einem eingeschliffenen Glasstopfen verschlossen werden können. Es gibt Meßkolben zu 5000,3000,2000, 1000, 500, 250, 200, 100 und 50 ml Inhalt. Um die Abmessung dieser Volumina möglichst genau zu gestalten, schreibt der „Deutsche Normenausschuß" für die Meßkolben ganz bestimmte Halsweiten vor, die für 50 ml-Kolben 13 mm, für 100 ml-Kolben 15 mm, für 250 ml-Kolben 18 mm, für 500 ml-Kolben 20 mm und für Literkolben 22 mm betragen. Die Meßkolben werden hauptsächlich zur Herstellung von Maßflüssigkeiten (Reagenslösungen bekannten Gehalts) verwendet, aber auch zum Verdünnen einer Lösung auf ein erwünschtes, wohldefiniertes Volumen; dieser Fall tritt namentlich dann ein, wenn für eine Analyse nicht die ganze zur Verfügung stehende Substanzmenge verwendet werden soll, sondern nur ein aliquoter Teil. Zweck und Gestalt der von Wislicenus angegebenen Meßkolben werden später besprochen (S. 38). Zu den auf Einguß graduierten Meßgefäßen gehören auch die bekannten M e ß z y l i n d e r — auch Mensuren genannt — ohne oder mit Schliffstöpsel, die aber nur eine rohe Abmessung gestatten. 2*
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D i e Praxis der Volumenmessung
Auf Ausguß geeicht sind die „Pipetten" und „Büretten". P i p e t t e n nennt man gläserne Saugrohre von bestimmtem, durch eine oder mehrere Marken bezeichneten Rauminhalt, die das Abmessen eines definierten Flüssigkeitsvolumens durch Aufsaugen und Wiederausfließenlassen gestatten. Man unterscheidet Vollpipetten und Meßpipetten. Die Vollpipetten (Fig. 2), in der Mitte zylindrisch erweiterte Glasröhren, die unten in eine Spitze auslaufen und am oberen engen Hals eine kreisförmige Eichmarke tragen, erlauben jedesmal nur die Abmessung eines bestimmten Volumens etwa von 100, 50, 25, 20, 15, 10, 5, 3, 2 oder 1 ml. Die i x / Eichmarke muß mindestens 1 cm oberhalb der zylindrischen Erweiterung und etwa 10 bis 12 cm unter dem oberen Ende der Pipette liegen. Die Abmessung eines Flüssigkeitsvolumens mit einer Pipette gestaltet sich folgendermaßen: Die Pipette wird mit ihrem unteren, in eine Spitze auslaufenden Ende (tief genug) in das Gefäß mit der Flüssigkeit getaucht, die abgemessen werden soll. Dann saugt man mit dem Munde langsam am oberen Ende der Pipette, wobei man natürlich darauf F 'g 2 zu achten hat, daß kein Speichel in die Pipette gelangt. Die Flüssigkeit wird zunächst bis über die Eichmarke angesogen. Dann wird das obere Ende rasch mit dem (schwach feuchten) Zeigefinger geschlossen, und durch vorsichtiges Lüften des Fingers der Meniskus der Flüssigkeit in der Pipette solange gesenkt, bis er die Eichmarke berührt.
Stark ätzende oder giftige Flüssigkeiten, z. B. konzentrierte Schwefelsäure, werden zweckmäßig durch Ansaugen mit einer Ansaugvorriditung, z. B. einem „Peleusball" 1 ), in die Pipette gebracht. Lösungen leicht flüchtiger Gase, wie Ammoniak oder Sdiwefeldioxyd, werden besser in die Pipette hineingedrückt, etwa mit Hilfe eines Gummiballhandgebläses.
Das Entleeren der Pipetten geschieht folgendermaßen: Die Pipette wird senkrecht über das Aufnahmegefäß ge-
il Hersteller: F a . F . Bergmann K. G., 1 Berlin 37 (Zehlendorf), Berliner Str. 25.
Die Meßgefäße
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halten, unter dauerndem Anlegen ihrer Ablaufspitze an dessen Wandung; etwa 15 bis 20 Sekunden, nachdem sich die Pipette entleert hat, wird ihre Spitze an der Gefäßwand abgestrichen (nicht ausblasen!). Die Meßpipetten (Fig. 3) sind zylindrische, kalibrierte Glasröhren, die nun nicht nur, wie die Vollpipetten, ein einziges Volumen, sondern innerhalb gewisser Grenzen (etwa 10 ml) beliebige Flüssigkeitsmengen abzumessen gestatten. Sie werden hauptsächlich dann verwendet, wenn es sich um die Abmessung kleiner, gebrochener Milliliterzahlen handelt. Die Handhabung der Meßpipetten erfolgt genau so wie die der Vollpipetten. Pipetten sollen stets hängend, nicht liegend, aufbewahrt und oben durch ein Papierhütchen vor dem Hineinfallen von Staub geschützt werden. Unter B ü r e t t e n versteht man Meßpipetten, die an ihrem unteren Ende einen regulierbaren Ablauf besitzen. \ l Es sind lange zylindrische Röhren, die in der Regel 50 ml Flg 3 ' enthalten und ihrer ganzen Länge nach kalibriert sind; sie sind in Zehntelmilliliter unterteilt. Auch die Büretten sind auf Abfluß geeicht. Fig. 4 veranschaulicht die Mohrsche Quetschhahnbürette; sie hat an ihrem unteren Ende ein kurzes Gummischlauchstück mit einem in eine Spitze auslaufenden gläsernen Ausflußröhrchen. Der Versdbluß der Bürette erfolgt hier durch einen Quetschhahn oder (nach Bunsen) durch ein kleines in den Gummischlaudi gebrachtes Glasstäbchen. Fig. 5 zeigt eine durch einen Fig. 4 Fig. 5
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Die Praxis der Volumenmessung
Glashahn verschlossene Bürette. Für Mikroanalysen werden „Mikrobüretten" verwendet, die 5, 2 oder 1 ml enthalten und in Hundertstelmilliliter eingeteilt sind. Zum Gebrauch werden die Büretten in senkrechter Stellung in ein Stativ eingespannt und derart mit der abzumessenden Flüssigkeit gefüllt, daß ihr Meniskus auf die Marke Null einsteht. Die Ablesung des Flüssigkeitsstandes beim Abmessen bestimmter Volumina in Büretten oder anderen Meßgefäßen geschieht an der Stelle, wo eine durch den tiefsten Punkt des Meniskus senkrecht zur Achse der Röhre gelegte Ebene deren Wandungen schneidet. Die Achse der Bürette muß hierbei natürlich genau senkrecht stehen. Um einen parallaktischen Ablesefehler zu vermeiden, muß man die Augen in gleiche Höhe mit dem Meniskus bringen. Diese Forderung ist leicht zu erfüllen, wenn die Teilstriche den ganzen oder halben Umfang der Bürette umlaufen; man hebt dann die Augen so hoch, daß der vordere und hintere Teil der Marke einander decken. Leider erschweren aber auch gewisse Reflexerscheinungen im begrenzenden Flüssigkeitsspiegel die genaue Ablesung des Bürettenstandes. Hier helfen die Göckelsche V i s i e r b l e n d e und der S c h e l l b a c h s t r e i f e n . Die Visierblende (Fig. 6) besteht aus einem Kartonstückchen, das mit zwei horizontal verlaufenden, scharf gegeneinander abgesetzten Streifen aus weißem und schwarzem Papier beklebt ist und mit einer Holzklammer oder dergleichen an der Bürette befestigt wird. Dadurch, daß man die schwarzweiße Grenzlinie (die schwarze Fläche nach unten!) ein wenig unterhalb des abzulesenden Meniskus bringt, verringert man störende Lichtreflexe sowie den parallaktischen Fehler. Viele Büretten tragen auf ihrer Rückwand einen schmalen blauen Streifen auf einem Milchglashintergrund (Schellbachstreifen, Fig. 7). In richtiger Augenhöhe erscheint hier Fig.6 Fig. 7
I
Eichung und Nachprüfung der Meßgefäße
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die Berührungsstelle der von der oberen und der unteren Fläche des Meniskus entworfenen Spiegelbilder als deutliche Einschnürung des blauen Streifens. Die Ablesung mit dem Schellbachstreifen ist sehr bequem, erfordert aber auch die richtige Augenhöhe. Auch bei der Benutzung der Büretten, genau wie bei den Pipetten, hat die endgültige Ablesung des Flüssigkeitsstandes erst zu erfolgen, wenn das Nachrinnen der an der Bürettenwandung anhaftenden Flüssigkeit beendet ist. Hier genügt erfahrungsgemäß eine Wartezeit von 30 Sekunden bis zu 1 Minute. Eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift gibt Anlaß zu merklichen Fehlern. — Um ein Verdunsten oder Verstauben der Lösungen zu vermeiden, verschließt man die Büretten mit einem kurzen Präparatenoder Reagensgläschen. 2. Eichung und Nachprüfung der Meßgefäße
Bei der Eichung der Meßgefäße stößt man auf eine Reihe von Schwierigkeiten, die zunächst am Beispiel der Justierung eines Literkolbens erläutert werden sollen. Als Liter hatten wir bereits den Raum definiert, den 1 kg reinsten Wassers bei 4° C, der Temperatur seiner größten Dichte, einnimmt, gewogen am Normalort im luftleeren Raum. Soll dieses Volumen in einem Gefäß festgelegt werden, so hängt die Lage des begrenzenden Meniskus von der Temperatur des Gefäßes ab, da ja der Glaskolben infolge seiner Ausdehnung bei steigender Temperatur auch einen größeren Raum umschließt. Man muß daher für das Gefäß eine bestimmte Normaltemperatur wählen. Als solche gilt jetzt fast allgemein 20° C. Will man also einen Literkolben eichen, so steht man vor der experimentell undurchführbaren Aufgabe, Wasser von + 4° C in einem Gefäß von + 20° C abzuwägen, und gleichzeitig diese Wägung im luftleeren Raum auszuführen. Diese Schwierigkeit läßt sich aber auf rechnerischem Wege umgehen. Denn ebenso, wie man die Wägung nicht im luftleeren Raum ausführt, sondern Korrekturen für den Auftrieb von Wasser und Gewichtsstück im lufterfüllten Raum anbringt,
24
Die Praxis der Volumenmessung
benutzt man die Kenntnis der Gewichte von einem Liter Wasser bei anderen Temperaturen als 4 ° C und berücksichtigt die kubischen Ausdehnungskoeffizienten der Gläser. Wenn wir also die Temperatur des Wassers und des Gefäßes sowie die Dichte der Luft kennen, die ihrerseits eine Funktion des Luftdrucks, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit darstellt, so können wir berechnen, wieviel Gramm Wasser von t° C bei der gleichen Temperatur t° C in den noch nicht geeichten Kolben eingewogen werden müssen, damit der Kolbeninhalt gerade den oben definierten Raum des wahren Liters einnimmt. Diese Rechnung läßt sich folgendermaßen durchführen: 1 Liter Wasser von 4 ° C wiegt im Vakuum 1 kg, 1 Liter Wasser von t° C wiegt im Vakuum s kg, wenn s das spezifische Gewicht des Wassers bei t° C bezeichnet. Wird 1 Liter Wasser an der Luft gewogen, so wiegt es um so viel Gewichtseinheiten weniger, als das Gewicht des verdrängten Liters Luft ausmacht, verringert um das Gewicht der durch das Volumen der Messinggewichte verdrängten Luft (Auftrieb!). Das mittlere Litergewicht der Luft beträgt X = 0,001205 kg, das spezifische Gewicht des Messings ist ca. 8. Ein Liter Wasser wiegt also, an der Luft gewogen, um 0 , 0 0 1 2 0 5 — s • 0,001205 ^ g w e n j g e r
8
j
a s
j m Vakuum; das
durch Wägung an der Luft ermittelte Gewicht eines Liters Wasser von t° C beträgt somit p , = s — ( /0 n, 0^0 m 1 2n0 o
S ' 0 , 0 0 1 205 ) k g .
(1)
Die durch diesen Ausdruck zu berechnende Wassermenge müßte man also in den Kolben einwägen, um in ihm genau 1 Liter Wasser von t° C, also von der Versuchstemperatur, festzulegen. Das war aber nicht unsere Aufgabe, wir sollten vielmehr die Wassermenge von der Temperatur t° C berechnen, die, in unseren Kolben gebracht, bei 2 0 ° C ein Liter einnehmen würde.
Eichung und Nachprüfung der Meßgefäße
25
Wenn ein Glasgefäß bei 2 0 ° C gerade ein Liter enthält, so wird es bei einer anderen Temperatur, t° C, ein Volumen enthalten, das entweder größer oder kleiner ist als ein Liter. Denn das Glas dehnt sich aus, wenn es wärmer wird, zieht sich zusammen, wenn es sich abkühlt. Der mittlere kubische Ausdehnungskoeffizient des Glases beträgt pro 1° C: a = 0,000027. Ein Meßkolben, der bei 2 0 ° C bis zu seiner Eichmarke genau 1 Liter faßt, enthält also bei t ° C 1 + 0,000027 • (t — 2 0 ) Liter. Um in einem Meßkolben einen Raum festzulegen, der genau ein Liter bei der Versuchstemperatur t° C umschließt, muß man die nach Gleichung (1) berechnete Wassermenge p! (von der Temperatur t ° C) in den Kolben einwägen. Um in einem Meßkolben einen Raum abzugrenzen, der bei 2 0 ° C genau ein Liter umfaßt, muß man p = [1 + 0,000027 (t — 2 0 ) ] , P l
(2)
kg Wasser von t° C in den Kolben einwägen. Wir wollen die Rechnung an einem praktischen Beispiel durchführen. Ein noch nicht markierter Literkolben soll geeicht werden. Er wird zunächst gesäubert und getrocknet. Dann läßt man ihn längere Zeit in dem Räume stehen, in dem er „justiert" werden soll, zusammen mit dem reinen destillierten Wasser, das zu seiner Eichung dienen soll; Kolben und Wasser werden dadurch auf die gleiche Temperatur t° C gebracht. Diese möge 21° C betragen. Die vollständige Gleichung (2) lautet: s- 0,001205 p = [1 + 0,000027 (t — 20°)] • s —0,001205 + kgIn diesem Fall ist t = 21° C, und s, die Dichte des Wassers bei 21° C, beträgt 0,99802. Daraus ergibt sich: p = 0,99699 kg = 996,99 g. Wir müssen also 996,99 g Wasser in unseren Kolben einwägen. Das geschieht folgendermaßen: Wir stellen den Kolben auf die linke Waagschale einer guten Tarierwaage, stellen ein kg-Gewichtsstüdc daneben und bringen die Waage durch Auflegen von geeigneten Gewichtsstücken auf die rechte Waagschale ins Gleichgewicht. Dann nehmen wir das kß-Gewichts-
26
Die Praxis der Volumenmessung
Stüde von der linken Waagschale, legen statt seiner das Differenzgewicht (1000 — p), die sogenannte Z u l a g e hier 3,01 g — zum Kolben, und füllen nun in diesen vorsichtig so lange Wasser ein, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt ist. Der Kolben wird dann von der Waage genommen, ein Papierstreifen mit geradem Rand derart um den Kolbenhals geklebt, daß die durch den so entstandenen Kreis gelegte Ebene den tiefsten Punkt des Meniskus berührt, und die durch den Papierstreifen bezeichnete Marke in geeigneter Weise auf dem Glase angebracht (eingeätzt oder eingeritzt). Der aus Gleichung (2) für p errechnete Wert ist stets kleiner als 1 kg. Um die Zulage (1000 — p) nicht jedesmal umständlich ausrechnen zu müssen, benutzt man eine erstmalig von W. Schlösser (1903) angegebene Tabelle, der die für alle Tempeturen (t) zwischen 9,0° und 30,9° C gültigen Zulagen entnommen werden können. Diese Tafel gibt die Zulagen, die für die Eichung eines Liters Wasser erforderlich sind, in Milligrammen an und gilt für eine Normaltemperatur von 20° C, eine Temperatur der Luft von 15° C und eine normale mittlere Luftfeuchtigkeit (Tabelle 1). Beträgt der Luftdrude nicht 760 mm, so muß der aus der Tabelle entnommene Wert für jedes Millimeter über oder unter 760 mm um 1,4 mg vergrößert oder verringert werden, und falls die Temperatur der umgebenden Luft eine andere ist als 15° C, so erfordert jeder Temperaturgrad, um den sie höher liegt, eine Verkleinerung des Zulagewertes um 4 mg, und umgekehrt. Schließlich sei noch erwähnt, daß für den Fall der Wahl einer anderen Normaltemperatur (tn) als 20° C die in der Tabelle genannten Zahlenwerte um (t n — 20)-25 mg zu erhöhen sind, falls - Mn 2+ + 5 Fe 3 + + 4 H 2 0 . 2. Eine normale Natriumthiosulfatlösung enthält im Liter ein Mol Natriumthiosulfat = 248,183 g N a ^ O s - S HjO. Ein Mol Natriumthiosulfat entspricht z.B. einem Grammatom Jod, dieses wieder ist einem Grammatom Wasserstoff äquivalent: 2 S Ä 2 " + 2 J - > StOe2- + 2 J - . 3. Eine normale Silbernitratlösung enthält im Liter ein Grammol = 169,875 g Silbernitrat. Ein Mol Silbemitrat entspricht 1 Grammatom Chlor und damit 1 Grammatom WasserAg+ + Cl- - AgCl 4. Eine normale Kalilauge enthält im Liter ein Grammol = 56,102 g Kaliumhydroxid. Ein Mol Kalilauge neutralisiert ein Mol Chlorwasserstoffsäure, entspricht also einem Grammatom Wasserstoff: KOH + HCl = H s O + KCl, oder OH- + H + ^ H 2 0 . Eine normale Barytlauge jedoch enthält im Liter nur ein halbes Mol = 85,67 g Bariumhydroxid: stoff:
i Ba (OH) 2 + HCl = H , 0 + j BaCl 2 , oder OH- + H + ^ H z O. 5. Eine normale Kaliumdichromatlösung, die zu Oxydationsreaktionen in saurer Lösung verwendet werden soll, enthält 294 193 im Liter Ys Mol Kaliumdichromat, also — — - = 49,032 g, denn o die beiden „sechswertigen" Chromatome (Oxydationszahl + 6) des Dichromats können zusammen z. B. 6 Eisen(II)-Ionen zu 6 Eisen(III)-ionen oxydieren, wobei sie selbst zum „dreiwertigen" Chrom (Oxydationszahl + 3) reduziert werden: Cr 0 7 2 - + 6 F e 2 + + 14 H + - 2 C r 3 + + 6 F e 3 + + 7 H 2 0 . Dieser Vorgang läßt sich rein formal auch folgendermaßen beschreiben: 3
Jander-Jahr, Maßanalyse
34
Die Maßflüssigkeiten
2 Cr0 3 + 6 FeO = Cr 8 0, + 3 F ^ O , oder 2 CrOj = Cr2Os + 3 O. Die in einem Mol Kaliumdidiromat enthaltenen CrOs-Menge vermag also gleichsam drei Crammatome Sauerstoff abzugeben. Diese wiederum sind sechs Grammatomen Wasserstoff äquivalent. Einem Grammatom Wasserstoff entspricht also V . Mol Kaliumdidiromat. 6. Eine normale Kaliumdichromatlösung jedoch, die nicht zu Oxydationen, sondern zur Ausfällung von Bariumionen dienen soll, enthält im Liter V4 Mol Kaliumdidiromat; denn hiei fällt ein Mol Kaliumdidiromat 2 Grammatome Barium aus; diese entsprechen 4 Grammatomen Wasserstoff. Einem Grammatom Wasserstoff ist also in diesem Fall 1 / t Mol Kaliumdidiromat äquivalent: Cr-A 2 " + 2 Ba 2+ + HaO ^ 2 B a C r 0 4 1 + 2 H + . Aus den beiden letzten Beispielen geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß das Äquivalenteewicht eines Stoffes keine konstante Größe darstellt, sondern für verschiedene Reaktionsmöglidikeiten verschiedene Werte besitzen kann. Die großen Vorteile der Normallösungen liegen auf der Hand: 1. Gleiche Volumina " o n Lösungen gleicher „Normalität" (gleichen Titers) enthalten äquivalente Stoffmengen; 20 ml einer normalen Salzsäure neutralisieren gerade 20 ml einer normalen Kalilauge. Dadurch vereinfachen sich alle Rechnungen erheblich. 2. Ein Liter einer normalen Maßlösung zeigt die verschiedenen Stoffe, mit denen sie reagiert, im Verhältnis ihrer Äquivalentgewichte an. Ein Liter normaler Kaliumpermanganatlösung entspricht z. B. V2 Mol salpetriger Säure = 23,503 g, 1 Mol Eisen = 55,847 g, V2 Mol Mangan(IV)-oxid = 43,468 g. Auch dadurch wird die Berechnung der Analysen sehr erleichtert. 3. Die Zahl der bei einer Titration verbrauchten Milliliter der Normallösung ergibt direkt den Prozentgehalt der analysierten Substanz an dem gesuchten Bestandteil, wenn man von der Substanz soviel Gramm zur Analyse verwendet, wie einem Zehntel des Äquivalentgewichts des ge-
Die Bereitung und Einstellung der Lösungen
35
suchten Bestandteils entspricht. Es möge z. B. die in einem Gemisch von Natriumchlorid und Natriumnitrat enthaltene Natriumchloridmenge in Prozenten gesucht sein. Wir wägen dann 5,8443 Gramm unseres Gemisches ab, eine Menge also, die '/,„ Grammäquivalent Natriumchlorid entspricht, und titrieren mit einnormaler Silbernitratlösung. Da ein Liter einnormaler Silbemitratlösung 58,443 g NaCl entspricht, zeigt 1 ml 0,0584 g also V 100 oder 1% unserer Einwaage an. Die Analyse wird noch besser mit einer zehntelnormalen Lösung und 1/100 Äquivalentgewidit Einwaage durchgeführt. Praktisch arbeitet man überhaupt im allgemeinen nicht mit einnormalen (n/1, 1-n), sondern mit n/10, und n/5, seltener mit n/2, n/20 oder n/100 Lösungen. 2. Die Bereitung and Einstellung der Lösungen
Man unterscheidet zweckmäßig genaue Normallösungen und ungefähr normale Lösungen. Die Normallösungen werden grundsätzlich so hergestellt, daß man ein Grammäquivalent des fraglichen Stoffes (oder einen definierten Bruchteil davon) auf einer Analysenwaage abwägt, quantitativ in den sorgfältig gereinigten Meßkolben hinüberspült, diesen zu etwa drei Vierteln seines Raumes mit Wasser von Zimmertemperatur anfüllt, unter kräftigem Umschütteln die Substanz vollständig in Lösung bringt, vorsichtig, zuletzt tropfenweise Wasser genau bis zur Marke nachgibt und gut durchmischt. Da der Kolben auf 20° C geeicht ist, machen wir einen kleinen Fehler, wenn wir bei anderen Temperaturen auffüllen. Dieser Fehler muß bei exakten Bestimmungen korrigiert oder rechnerisch berücksichtigt werden. Geschieht das Auffüllen bei Temperaturen oberhalb 20° C, so ist die Lösung noch zu konzentriert, denn sie würde bei 20° C einen kleineren Raum einnehmen als den eines Liters; umgekehrt liegen die Dinge, wenn der Kolben bei niedrigeren Temperaturen aufgefüllt würde. Lösung und Literkolben mögen t° C haben. Bezeichnen a den kubischen Ausdehnungskoeffizienten des Glases (a = 3'
36
Die Maßflüssigkeiten
0,000027) und ß denjenigen der Lösung (ß = 0,00019 für Wasser und n/10 Lösungen), so hat der bei 20° C geeichte Meßkolben bei t° C das Volumen Vjo- [1 + a (t — 20)] (siehe S. 22) Das gleiche Volumen hat natürlich die Lösung im Kolben. Bei 20° C würde diese Lösung jedoch folgenden Raum einnehmen: 1 + a (t — 20) v *°' i + ß (t — 2 0 ) ' Dieser Ausdruck erlaubt die Berechnung der Beträge, um die ein bei Temperaturen oberhalb oder unterhalb 20° C bis zur Marke reichendes Flüssigkeitsvolumen bei 20° C vom wahren Liter abweicht. Diese Abweichungen hat W. Schlösser (1905) berechnet und in einer Tabelle niedergelegt, der wir folgende Zahlen entnehmen: Temperatur: Abweichung in ml: Temperatur: Abweichung in ml:
Tabelle 2 10° 11° 12° 13° 14° 15° 16° 17° 18° 19°
+
+ + +
+ + + + + +
1,23 1,16 1,08 0,99 0,88 0,76 0,63 0,49 0,340,17 20° 21° 22° 23° 24° 25° 26° 27° 28° 29° 30° 0,00 0,18 0,37 0,58 0,801,031,261,501,762,022,29
Die Zahlen gelten für Wasser und n/10 Lösungen. Ein Beispiel möge die Durchführung der Korrektur erläutern: Wir haben uns genau ein Grammäquivalent Kaliumbromat abgewogen und bei 25° C in einem auf 20° C geeichten Literkolben bis zur Marke aufgefüllt. Bei der Normaltemperatur von 20° C würde unsere Lösung dann (1000—1,03) ml = 998,97 ml einnehmen. Sie ist also zu konzentriert; sie enthält in 998,97 ml so viel Kaliumbromat, wie sie in 1000 ml enthalten sollte. 1 ml dieser Lösung also entspricht ggg'gy
=
1.001 ml
einer wirklich n/10 Lösung von 20° C. Der Bruch, der das theoretische Volumen im Zähler, das wirkliche im Nenner enthält, heißt N o r m a l f a k t o r oder N o r m a l i t ä t der Lösung. Durch Multiplikation mit diesem Faktor können beliebige Volumina unserer Lösung in die entsprechenden Milliliterzahlen einer wirklich normalen Lösung umgerechnet werden.
Die Bereitung und Einstellung der Lösungen
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Wollen wir lieber eine genau normale Lösung bereiten, so müssen wir noch die aus der obigen Tabelle zu entnehmende Milliliterzahl, im speziellen Fall unserer Kaliumbromatlösung also 1,03 ml, zu 11 unserer Lösung hinzugeben.
Diese direkte Herstellung genauer Normallösungen (durch einfaches Abwägen) ist aber nur dann möglich, wenn die zum Liter aufzulösende „Titersubstanz" drei Bedingungen erfüllt. Erstens muß sie chemisch absolut rein sein, also eine ihrer diemischen Formel genau entsprechende Zusammensetzung besitzen, oder sie muß wenigstens durch einfache Operationen, wie Umkristallisieren und Trocknen leicht und sicher auf den verlangten hohen Reinheitsgrad gebracht werden können. Zweitens muß sich die Titersubstanz ohne Schwierigkeit auf der W a a g e genau abwägen lassen; sie darf also z. B. nicht sauerstoffempfindlich sein oder Kohlendioxid und Feuchtigkeit der umgebenden Luft „anziehen". Und drittens darf sich der chemische Wirkungswert einer frisch bereiteten Normallösung der fraglichen Titersubstanz bei längerem Aufbewahren nicht mehr ändern, wie das z. B. bei Kaliumpermanganat- und Natriumthiosulfatlösungen der Fall ist. Durch direktes Abwägen lassen sich genaue Normallösungen z . B . folgender Titersubstanzen herstellen: Kaliumdichromat, Kaliumbromat, Natriumoxalat, Natriumchlorid, Silbernitrat, Natriumkarbonat u. a. F ü r hohe Genauigkeitsanforderungen (Präzisionsbestimmungen) muß beim Einwägen der Auftrieb in Luft berücksichtigt werden (Atom- und Molekulargewichte sind stets für eine Wägung im Vacuum berechnet). Die in Luft abzuwägende Substanzmenge ermittelt man durch Anbringung von Korrektionsgliedem, für die es tabellarische Zusammenstellungen gibt (vgl. [92]).
In allen Fällen, wo diese drei an die Titersubstanzen zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt sind, also z. B. bei allen verdünnten Säuren und Alkalien, muß man genaue Normallösungen auf indirektem W e g e bereiten, d. h. man muß zunächst durch eine rohe Einwaage eine Lösung herstellen, deren Konzentration etwas größer ist als die beabsichtigte, man muß dann den chemischen Wirkungs-
38
Die Maßflüssigkeiten
wert der so erhaltenen Lösung durch eine geeignete Titration, „Einstellung", ermitteln (siehe unten) und schließlich so viele Milliliter Wasser hinzufügen, als zur Bereitung einer genauen Normallösung noch erforderlich sind. Dazu verwendet man praktisch den sog „ W i s l i c e n u s k o l b e n " . Sein Hals ist, wie Fig. 9 zeigt, zu einer Kugel erweitert. Oberhalb und unterhalb dieser Kugel befindet sich je eine Markierung. Der Kolben faßt bis zur unteren Marke 1000 ml, bis zur oberen 1100 ml. Um diesen Kolben zur Herstellung einer Normallösung zu benutzen, bereiten wir uns also zunächst 1100 ml einer etwas zu starken (1—9%) Lösung und entnehmen dem Kolben mehrere Proben, insgesamt aber weniger als 100 ml, die wir zur Ermittlung ihres wahren Wirkungswerts benutzen. Dann entleeren wir den Kolben so weit, daß der Meniskus der Lösung genau auf die untere Marke (1000 ml) einsteht, und geben nun aus einer Bürette noch soviel Wasser hinzu, als nach dem Ergebnis der Gehaltsprüfung unserer Lösung erforderlich ist, um eine genaue Normallösung zu erhalten. Beispiel: Es soll eine genau 0,1-n Natriumthiosulfatlösung bereitet werden. Wir wägen ungefähr 0,13 Mole Natriumthiosulfat Na 2 S 2 0 3 -5H 2 0, also 28 g, in den Wislicenuskolben ein und füllen auf die obere Marke auf. Der Kolben enthält jetzt — die Temperatur betrage 20° C — 1100 ml. Wir füllen dann eine saubere und trockne Bürette mit unserer Lösung und titrieren nun mehrere Male je 25 ml einer Jodlösung genau bekannten Gehaltes (siehe S. 103). Wir finden so, daß durchschnittlich 24,36 ml unserer Natriumthiosulfatlösung 25 ml einer genau 0,1-n Jodlösung entsprechen. Unsere Lösung ist also zu stark. Um sie genau 0,1-normal zu machen, müssen wir ihr zu je 24,36 ml noch (25,0 — 24,36) = 0,64 ml Was-0,64 = 26,69 ml. Zu ser hinzufügen, für 1000 ml also diesem Zweck entnehmen wir dem Kolben so viel Milliliter unserer Lösung, daß der Meniskus genau auf die untere Marke einsteht, und lassen noch 26,29 ml Wasser aus einer Bürette in den Meßkolben einfließen. Die Lösung ist dann nach dem Umschütteln genau 0,1-normal.
Die Bereitung und Einstellung der Lösungen
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Im allgemeinen aber ist es gar nicht nötig, sich so große Mühe mit der Herstellung einer genau 0,1-n Lösung zu machen; man arbeitet vielmehr meistens mit Lösungen, die ungefähr 1,0-n, 0,1-n oder 0,01-n sind, stellt ihre Abweichung genau fest und setzt diese später stets in Rechnung. So werden insbesondere alle Reagenzien, deren Lösungen keinen zeitlich konstanten Wirkungswert haben (Permanganat-, Thiosulfatlösungen u. a.), im allgemeinen nur als ungefähr normale Lösungen verwendet. Ihre Herstellung ist denkbar einfach: Man wägt auf einer Handwaage ganz roh das gewünschte Äquivalentgewicht ab und füllt im Meßkolben auf das beabsichtigte Volumen auf. Um jedoch nunmehr den wahren chemischen Wirkungswert zu ermitteln, muß man ihren „Titer stellen". Diese „Titerstellung" oder „Einstellung" geschieht unter Zuhilfenahme sogenannter „Urtitersubstanzen", d. h. geeigneter chemischer Stoffe, die nun aber sämtliche oben an die Titersubstanzen gestellten Bedingungen mit besonderer Genauigkeit erfüllen. Sie müssen also absolut rein, leicht zu wägen und völlig haltbar sein. Besonders reine käufliche Substanzen tragen die Bezeichnung „pro analysi". Von den Lieferfirmen wird meist ein Attest über Art und Konzentration der Verunreinigungen beigegeben. Die T i t e r s t e l l u n g wird ganz allgemein folgendermaßen vorgenommen: Man wägt mehrere Proben der Urtitersubstanz bis auf ± 0 , 1 mg genau ab, löst sie in Erlenmeyerkolben von 300 bis 400 ml Inhalt auf und titriert sie mit der einzustellenden ungefähr normalen Lösung. Aus dem bekannten Gewicht der Urtitersubstanzprobe läßt sich berechnen, wieviel Milliliter einer g e n a u e n Normallösung bis zum Äquivalenzpunkt verbraucht würden. Der Bruch, der sich aus dieser Zahl als Zähler und aus dem wirklich verbrauchten Volumen als Nenner ergibt, bezeichnet die wahre Normalität der Lösung; man nennt ihn auch ihren N o r m a l f a k t o r . Es muß hier nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Titerstellung der Lösungen mit ganz besonders
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Die klassischen Methoden der Maßanalyse
großer Genauigkeit erfolgen muß, da ja jeder Fehler, der hier gemacht wird, in sämtlichen Bestimmungen wiederkehrt, die mit der fraglichen Lösung durchgeführt werden. Ein fehlerhafter Normalfaktor fälscht alle Analysen! Der Fehler, den man bei der Titerstellung macht, hängt von der Genauigkeit der benutzten Arbeitsmethode ab; er soll eine Grenze von ± 0 , 1 % nicht überschreiten. Eine ausführliche Darstellung der methodischen Fehler findet man z. B. in [80], [130], [145], auf die hier verwiesen sei (s. S. 157). Zweiter
Teil
Die klassischen Methoden der Maßanalyse Die Maßanalyse kann nach verschiedenen Gesichtspunkten gegliedert werden, z. B. nach der Art der Endpunktserkennung oder nach dem Charakter der chemischen Vorgänge, die den einzelnen Methoden zugrunde liegen. Die Endpunktserkennung erfolgt bei allen klassischen Methoden der Maßanalyse dadurch, daß eine deutlich sichtbare Farbänderung oder Fällung beim Äquivalenzpunkt eintritt. In den meisten Fällen muß man zu dieser Sichtbarmachung des Äquivalenzpunktes Indikatoren (s. S. 17 und 148) verwenden. In neuerer Zeit sind mehr und mehr auch physikalische Methoden in Aufnahme gekommen, die den Endpunkt in anderer Weise anzeigen (vgl. X V I I , S. 246). Wir besprechen im folgenden zunächst die klassischen Methoden. Nach dem Charakter der chemischen Reaktionen, die den maßanalytischen Methoden zugrunde liegen, unterscheidet man drei große Gruppen: die Oxydations- und Reduktionsanalysen (Oxydimetrie), die Neutralisationsanalysen (Acidimetrie und Alkalimetrie) und die Fällungs- und Komplexbildungsanalysen. Aus mancherlei Gründen, die der praktische Unterricht in der Maßanalyse nahelegt, beginnen wir im folgenden Abschnitt zunächst mit der Beschreibung der Manganometrie und der anderen oxydimetrischen Methoden.
Definition der Begriffe Oxydation und Reduktion
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Erster Abschnitt DIE OXYDATIONS- UND REDUKTIONSANALYSEN III. Oxydations- und Reduktionsvorgänge 1. Definition der Begriffe Oxydation und Redaktion Unter „Oxydation" im engeren Sinne versteht man den chemischen Vorgang der Sauerstoffaufnahme; jeder Verbrennungsprozeß z. B. bedeutet eine Oxydation: 2 H2 + O2 2 H2O oder 2 CO + O2 -»• 2 CO2. Aber auch der Vorgang der Wasserstoffentziehung gilt als Oxydation, z. B. 2 HBr + Cl 2 -»• Br2 + 2 HCl. Umgekehrt bedeutet die Aufnahme von Wasserstoff oder die Abgabe von Sauerstoff eine „Reduktion", z. B.: N2 + 3 H2 ^ 2 NHs oder PbO + H 2 Pb + H2O. Diese Reaktionen, bei denen wirklich Sauerstoff und Wasserstoff aufgenommen oder abgegeben werden, sind aber nicht die einzigen chemischen Prozesse, die als Oxydationen bzw. Reduktionen zu bezeichnen sind. Metalle können z. B. auch in einer Chloratmosphäre oder in Schwefeldampf „verbrennen". Untersucht man nun die wässrigen Lösungen der Produkte, die z. B. aus elementarem Natrium bei der Umsetzung mit Chlor und bei der Verbrennung bei unzureichendem Sauerstoffzutritt entstanden sind, 2 Na + CI2 2 NaCl 2 Na + V2 O2 Na20, dann stellt man fest, daß das Natrium, unabhängig vom Reaktionspartner, in beiden Lösungen im g l e i c h e n Zustand, als einfach positiv geladenes Ion vorliegt: HjO NaCl ^ Na+ + Cl" Na 2 0 + H2O — 2 Na+ + 2 OH".
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Oxydations- und Reduktionsvorgänge
Das Natrium wird also auch bei der Reaktion mit Chlor in den gleichen Zustand überführt wie bei einer „Oxydation". Dieser Oxydationsprozeß ist mit dem Verlust negativer elektrischer Ladung (Elektronen) verbunden. Allgemein betrachtet, besteht also der Oxydationsprozeß in einer Abgabe, der Reduktionsprozeß umgekehrt in einer Aufnahme von Elektronen. Wenn e ein Elektron bedeutet, so stellen folgende Gleichungen Oxydationsvorgänge dar: Fe24— e ^ Fe3+ 2J— Reduktionsvorgänge werden dagegen von folgenden Gleichungen beschrieben: Fe3+ + E ^ Fe2+ Sn^ + 2 £ ^ Sn2+. Wenn ein Stoff unter Abgabe von Elektronen oxydiert wird, so muß zwangsläufig zu gleicher Zeit ein anderer Stoff unter Aufnahme dieser Elektronen reduziert werden (Gesetz der Elektroneutralität). Jede Oxydation eines Stoffes bedeutet gleichzeitig die Reduktion eines anderen. Bei der schon beschriebenen Reaktion zwischen Natrium und Chlor verhält sich das Chlor gegenüber dem Natrium als „Oxydationsmittel", das Natrium gegenüber dem Chlor als „Reduktionsmittel"! Es wäre hiernach naheliegend, für die quantitative Beschreibung von Reduktions-Oxydations-Reaktionen (kurz: „Redox-Reaktionen") die Ionenladungszahl mit positivem oder negativem Vorzeichen, die „Ionen-Wertigkeit", zu verwenden. Nun ist aber die Ionen-Bindung nur ein Grenzfall der chemischen Bindung, und bei weitem nicht alle Verbindungen sind aus Ionen aufgebaut. Der Übergang von Elektronen ist also bei vielen Redoxvorgängen nicht erkennbar. Um nun aber die praktisch sehr brauchbare Definition der „Ionen-Wertigkeit" auch auf nicht ionisierbare Verbindungen anwenden zu können, muß eine solche Verbindung f o r m a l in positiv und negativ geladene Be-
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standteile zerlegt werden. Z. B. kann man sidi CO2 aus C4+ und 2 O2", NHs aus N3" und 3 H + , PCI3 aus P3+ und 3 Cl" aufgebaut denken. An die Stelle der „Ionen-Wertigkeit" tritt dann der umfassendere Begriff der „ O x y d a t i o n s s t u f e " des Elementes oder der „ O x y d a t i o n s z a h l " , die mit positivem oder negativem Vorzeichen über dem Elementsymbol geschrieben oder dem Elementnamen als römische Ziffer ohne Vorzeichen — z. B. Eisen(III) — angehängt wird: +4—2 —3+1 +3—1 CO2 NHs PCls. Für die Ermittlung der Oxydationszahlen kann folgende R e g e l angewandt werden: Zuerst wird berücksichtigt, daß die Metalle sowie Bor und Silicium stets positive Oxydationszahlen, Fluor stets die Oxydationszahl — 1, erhalten. Sind Wasserstoff und Sauerstoff in der Verbindung enthalten, dann bekommt zunädist Wasserstoff die Oxydationszahl + 1, dann der Sauerstoff die Oxydationszahl — 2. Wasserstoff kann auch die Oxydationszahl — 1 haben (z. B. in Alkalihydriden). Entscheidend für die Verteilung der Ladung zwischen den Atomen einer Verbindung ist die Elektronenaffinität der einzelnen Elemente. Einen Anhaltspunkt bietet die Elektronegativitätsskala von Pauling [112]. Bei Atom-Ionen stimmt die Oxydationszahl mit der Ionen-Wertigkeit überein. Da die Summe der Oxydationszahlen gleich der Ladung des Systems (Atom, Ion, Verbindung) sein muß, ergeben sich die Oxydationszahlen der restlichen Elemente aus der Differenz von Gesamtladung und Summe der bekannten Oxydationszahlen. Eine Tabelle der am häufigsten vorkommenden Oxydationszahlen findet man in [130]. Die Anwendung der Regel erläutern die folgenden Beispiele:
HSPÖ4: Wasserstoff hat die Oxydationszahl + 1, Sauerstoff die Oxydationszahl —2. Die Gesamtladung des Moleküls beträgt Null. Für den Phosphor in der Phosphorsäure ergibt sich also die Oxydationszahl 4- 5:
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Oxydations- und Reduktionsvorgänge 3( + l>
4 (—2)
+5
O
3H + 4O + P H 2 C 2 0 4 : Kohlenstoff hat in der Oxalsäure die Oxydationszahl + 3: 2( + l)
4 ( - 2)
2 ( + 3)
O
2 H + 4 0 + 2C =KACV KMn0 4 : Die Oxydationszahl von Kalium beträgt + 1 (IonenWertigkeit + 1). Für das Mangan in Kaliumpermanganat ergibt sich also die Oxydationszahl + 7: ( + 1)
4 (—2)
( + 7)
O
K + 4 O + Mn = KMn0 4 . H 2 0 2 : Sauerstoff hat im Wasserstoffsuperoxid die Oxydationszahl — 1: 2( + l)
2 (—1)
O
2 H + 2O = HA. Na 2 S 4 O s : In diesem Fall würde sich für den Schwefel die Oxvdationszahl + 2,5 ergeben. In derartigen Fällen ist es zweckmäßig, die Gesamtzahl der Atome zusammenzufassen: 2( + l)
6 ( —2) 4 ( + 2,5)
( + 10)
O
= Na 2 S 4 O e . 2 Na + 6 0 + 4 S oder 4 S Durch die Einführung der Oxydationszahlen ist nunmehr folgende umfassende Definition von Oxydation und Reduktion möglich: D i e E r h ö h u n g der Oxydationszahl eines Elements bedeutet eine O x y d a t i o n , die E r n i e d r i g u n g der Oxydationszahl eine R e d u k t i o n . E s wird empfohlen, die Darstellung von Seel [ 1 5 0 ] nachzulesen. 2. Oxydations- und Reduktionspotentiale D i e Fähigkeit eines diemischen Stoffes, als Oxydationsoder Reduktionsmittel zu wirken, hängt, wie oben gezeigt wurde, im wesentlichen von seiner Elektronenaffinität ab. T a u c h t man metallisches Zink in eine Kupfer(II)-sulfatlösung ein, so überzieht es sich mit metallischem Kupfer: Zn + Cu 2 + ^ Cu + Z n 2 \ D e r Vorgang besteht also in einer Oxydation in bezug auf das Zink und in einer Reduktion in bezug auf das Kupfer;
Oxydations- und Reduktionspotentiale
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er läßt sich in zwei Einzelprozesse auflösen, den Ubergang 1. Zn ^ Zn 2 * + 2 e und 2. Cu 2+ + 2 £ ^ Cu. Ein Zinkstab, der in einer Zinksalzlösung steht, reagiert prinzipiell nach Gleichung 1; der Vorgang kommt aber sehr bald mit seinem (durch den unteren Pfeil der Gleichung 1 bezeichneten) Gegenprozeß ins Gleichgewicht. Dadurch, d a ß das metallische Zink, wenn auch nur zu einem geringen Bruchteil, als Zn 2+ in Lösung geht, lädt sich der Zinkstab schwach negativ auf. An einem Kupferstab dagegen, der in einer Kupferlösung steht, scheidet sich nach Gleichung 2 eine geringe Menge metallischen Kupfers ab; dadurch erhält der Kupferstab gegenüber seiner Lösung eine schwach positive Ladung. Die Kombination Zn (metallisch)/Zn 2+ (gelöst) und Cu (metallisch)/Cu 2+ (gelöst) bezeichnet man als „Halbelemente", ihre Potentiale als „Einzelpotentiale". Durch Kombination zweier Halbelemente ergeben sich die bekannten galvanischen Elemente, das Daniellelement z. B. durch Verbindung eines Kupferhalbelements mit einem Zinkhalbelement. Auch der elementare Wasserstoff nimmt gegenüber der Lösung seiner Ionen ein bestimmtes Einzelpotential an; man bespült zu diesem Zweck ein in eine Säure (H + !) tauchendes, platiniertes Platinblech mit Wasserstoffgas, von dem sich ein wenig im Platin löst. Dieses an der Oberfläche mit Wasserstoffgas gesättigte Platin verhält sich dann wie ein „Wasserstoffstab". Die relative Größe der Einzelpotentiale hängt, wie später ausführlich dargelegt wird (s. XXI, S. 272), hauptsächlich von der Konzentration der Elektrolytlösungen ab, in die das betreffende Metall eintaucht; sie läßt sich experimentell dadurch ermitteln, d a ß man die verschiedenen Halbelemente nacheinander mit ein und demselben Halbelement als „Bezugselektrode" kombiniert und nun die verschiedenen Spannungen am Voltmeter abliest 1 ). Tabelle 3 enthält eine Reihe von Einzelpotentialen, gemessen bei 25° C gegenüber der „normalen Wasserstoffelektrode" als Auf die praktische Messung und Berechnung dieser Potentiale kann hier zunächst nicht näher eingegangen werden; siehe XXI—XXII.
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Oxydations- und Reduktionsvorgänge
Bezugselektrode, die definitionsgemäß das Potential 0 hat. Die Konzentration der Lösungen beträgt hier stets ein Grammol pro Liter. Diese Reihenfolge der metallischen Elemente, angeordnet nach steigenden (positiven) Einzelpotentialen, heißt die elektrochemische S p a n n u n g s r e i h e . Sie gibt uns einen brauchbaren Maßstab für die Bindungsfestigkeit der Elektronen in der äußersten Schale der Elemente. Von den in Tabelle 3 genannten Metallen z. B. gibt das Lithium am leichtesten Valenzelektronen ab, das Gold dagegen am schwersten (vgl. z. B. [97]). Tabelle 3 Vorgang Li - Li+2 Ca - Ca *2+ Mg - Mg AI ^ AP* Mn ^ Mn*" Zn ^Zn 22* Fe ^ Fe *
Potential + e — 3,05 Volt Co + 2 £— 2,87 „ Pb + 2e — 2,37 „ H + 3« — 1,66 „ Cu + 2 e — 1,18 „ Hg + 2 E — 0,76 „ Ag + 2 8 — 0,44 „ Au
Vorgang - Co2* ^ Pb+2* - H ^ Cu2* ^Hg* * Ag* ^ Au»*
Potential + 2s — 0,28 Volt + 2s — 0,13 „ + s ± 0,00 „ :-2s + 0,34 „ + • + 0,80 „ + • + 0,80 „ + 38 + 1,68 „
Ebenso wie man die Oxydations- und Reduktionskraft der Elemente durch Aufstellung einer Spannungsreihe messen und miteinander vergleichen kann, lassen sich auch alle anderen Oxydations- und Reduktionsmittel dadurch miteinander vergleichen, daß man ihre Einzelpotentiale, ihre sog. O x y d a t i o n s - u n d R e d u k t i o n s p o t e n t i a l e ermittelt. Eine blanke Platinelektrode, die in die Lösung eines Oxydations- oder Reduktionsmittels eintaucht, nimmt ein bestimmtes Potential an. Je größer die Oxydationskraft der Lösung ist, um so positiver, „edler", je stärker reduzierend die Lösung wirkt, um so negativer, „unedler" wird die Elektrode. Wenn wir also wieder die Lösungen unserer verschiedenen Oxydations- und Reduktionsmittel nacheinander gegen die gleiche, normale Wasserstoffelektrode schalten und die jeweiligen Spannun-
Oxydations- und Reduktionspotentiale
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gen auf dem Voltmeter ablesen, so erhalten wir z. B. die in Tabelle 4 aufgeführten Potentiale, die durch die angegebenen Oxydations- und Reduktionsvorgänge geliefert werden. Die Größe der gemessenen Spannung hängt auch hier wieder von den Konzentrationen der an dem Vorgang jeweils beteiligten Stoffe ab. Die in Tabelle 4 zusammengestellten Potentiale beziehen sich auf Lösungen von 25° C, in denen alle an der Umsetzung teilnehmenden Ionen in einmolarer Konzentration vorliegen (vgl. z. B. [97]). Tabelle 4 Vorgang Potential — 0,48 Volt HS" + OH" ^ S (fest) + H 2 0 + 2 e Cr32+ Cr* + e 2 — 0,41 „ + Ti 2+* + H.O ^ TiO * + 2 H + e + 0,1 „ l+ Sn Sn + 2 e + 0,15 „ 3 [Fe(CN)J*- * [Fe(CN)e] - + e + 0,36 „ 3 J2" ^ J , - 3++ 2e + 0,54 „ Fe * ^ Fe + e + 0,77 „ Cl- + 2 OH- ^ CIO- + H 2 0 + 2 E + 0,89 „ 2 B r ^ Br2 (gelöst) + 2 e + 1,07 „ J" + 3+3 H 2 0 JOs- + 6 H2 + + 6 e + + 1,09 „ 2 Cr + 7 HzO - Cr 8 0 7 - + 14 H + 6 e + 1,33 » 2 Cl- ^ Clj (gelöst) + 2 e + 1,38 » + 1,44 „ B r + 3 H t O - BrO," + 6 H+ ++ 6 e + 1,51 „ Mn*+ + 4 H t O - MnO«" + 8 H + 5 e + 1,61 „ Ces+ ^ Ce4* + e + 1,70 „ MnOs (fest) + 2 H,0 ^ Mn04" + 4 H+ + 3 e Die in der Tabelle 4 angeführten Reduktionsgleidiungen beschreiben, im Sinne der oberen Pfeile gelesen, Oxydationsvorgänge, umgekehrt dagegen Reduktionsprozesse. Die Reduktionskraft des Titan(III)-ions ist also z. B. größer als die des Zinn(II)-ions, und dieses wirkt wieder stärker reduzierend als das Ion [Fe(CN),,]4-. Andererseits ist die Permangansäure ein stärkeres Oxydationsmittel als etwa die Bromsäure oder die hypodilorige Säure. Ebenso kommt z. B. die in der Reihe Cl2 -»• Br2 -*• Jg abnehmende Oxydationskraft der Halogene in den angegebenen Potentialwerten überzeugend zum Ausdruck.
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Die Manganometrie
Zusammenfassend können wir sagen: Die Oxydations- oder Reduktionskraft jedes Oxydationsoder Reduktionsmittels läßt sich zahlenmäßig angeben durch die Größe des elektrischen Potentials, das eine in seine Lösung getauchte unangreifbare Elektrode gegenüber der normalen Wasserstoffelektrode annimmt. IV. Die Manganometrie 1. Die Oxydationswirkung des Kaliumpermanganats Die Manganometrie verwendet die große Oxydationskraft des Permanganations (siehe Tabelle 4). Der Verlauf der Oxydationsreaktionen, die das Permanganation eingeht, ist aber ganz verschieden, je nachdem, ob sie sich in saurer oder in neutraler bzw. alkalischer Lösung abspielen. Die überwiegende Mehrzahl der in der Manganometrie verwerteten Oxydationswirkungen des Kaliumpermanganats werden in saurer Lösung erzielt, und zwar nach der generellen Gleichung: Mn0 4 " + 8 H t + 5 £ - M n 2 + + 4 H 2 0 . Das Permanganat-Ion, in dem das Mangan die Oxydationszahl + 7 hat, wird also unter der Einwirkung von a dit Wasserstoffionen und unter Aufnahme von fünf negativen Elementarladungen, die das jeweilige Reduktionsmittel liefert, zum Mangan(II)-ion reduziert. Dabei entstehen aus je acht Wasserstoffionen je vier Moleküle Wasser. Noch einfacher beschreibt das folgende Schema den Vorgang: +7
+2
Mn + 5 s -*• Mn, doch kommt hier die entscheidende Mitwirkung der Wasserstoffionen nicht zur Geltung. In einigen wenigen Fällen muß man die Titration mit Kaliumpermanganat in neutraler oder alkalischer Lösung vornehmen. Das gilt hauptsächlich für solche Stoffe, die, wie z. B. das Hydrazin, nur in Lösungen geringer Wasserstoffionenkonzentration von dem Kaliumpermanganat in eindeutiger Weise oxydiert werden.
Die Bereitung der Kaliumpermanganatlösung
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In schwach sauren, neutralen und alkalischen Lösungen reagiert das Kaliumpermanganat folgendermaßen: M n 0 4 - + 4 H + + 3 e -»• M n 0 2 | + 2 H 2 0 . Hier wird also das Permanganation, dessen Manganatom die Oxydationszahl + 7 hat, unter dem Einfluß von nur vier Wasserstoffionen und unter Aufnahme von nur drei Elektronen, die das Reduktionsmittel abgibt, zum Mangandioxid reduziert, dessen Manganatom die Oxydationszahl + 4 hat. Es gilt also das Schema: +7
+4
Mn + 3 Mn. Der Wirkliche Verlauf jedoch, die Kinetik der Reaktionen, die sich in Lösungen abspielen, in denen Kaliumpermanganat als Oxydationsmittel verwendet wird, ist bedeutend verwickelter, als diese Formulierungen erkennen lassen. Beispiele werden wir später (S. 52, 59, 67) kennenlernen. 2. Die Bereitung und Einstellung der Kaliumpermanganatlösung Aus den Ausführungen über die Normallösungen und über die Oxydationswirkung des Kaliumpermanganats 158 038 folgt, daß eine normale Kaliumpermanganatlösung — — D oder 31,608 g K M n 0 4 enthalten muß. In der Praxis verwendet man meistens n/10 Lösungen. Trotz der Reinheit des heute im Handel erhältlichen Kaliumpermanganats kann man sich aber keine genaue n/10 Lösung; etwa durch Einwägen von genau 3,1608 g K M n 0 4 und Auffüllen zum Liter bereiten. Man wägt vielmehr auf einer Tarierwaage nur ungefähr die berechnete Menge des Salzes, etwa 3,2 g, ab, löst sie in einer sauberen Flasche zu einem Liter in destilliertem Wasser auf und läßt diese Lösung etwa acht bis vierzehn Tage lang ruhig stehen. Die Bereitung einer nur ungefähr n/10 Lösung ist deshalb vorzuziehen, weil der Titer einer frisch bereiteten Permanganatlösung, auch bei noch so sorgfältiger Arbeit, in den ersten Tagen langsam abnimmt. Denn Spuren von 4 Jander-Jahr, Maßanalyse
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Die Manganometrie
Ammoniumsalzen, Staubteilchen und andere organische Verunreinigungen, die sich im destillierten Wasser befinden können, werden allmählich auf Kosten des Gehalts an Permanganationen oxydiert. Anstatt die Lösung längere Zeit stehen zu lassen, kann man sie auch eine Stunde lang auf dem siedenden Wasserbad erwärmen. Dadurch wird der Oxydationsprozeß beschleunigt. Schließlich wird die Lösung durch eine sorgfältig mit Chromschwefelsäure gereinigte und danach gewaschene Glasfrittennutsche in die ebenfalls peinlich saubere, mit Glasstopfen verschließbare Vorratsflasche filtriert (kein Filtrierpapier!). Versäumt man dieses Filtrieren, so nimmt der Titer der Lösung auch weiterhin ab, da der bei der Oxydation der Staubteilchen entstandene Braunstein die Selbstzersetzung des gelösten Permanganats katalysiert, die etwa nach folgendem Schema vor sich gehen dürfte: 4 KMn0 4 + 2 H a O -»• 4 M n 0 2 | + 4 KOH + 3 0 2 f . Die Vorratslösung bewahre man gegen Licht geschützt auf. Der chemische Wirkungswert der gebrauchsfertigen Kaliumpermanganatlösung muß nunmehr genau festgestellt werden, und zwar mit Hilfe geeigneter Urtitersubstanzen. Als solche dienen gut wägbare Reduktionsmittel, welche durch die Bestandteile der Luft, wie Feuchtigkeit, Sauerstoff, Kohlendioxid usw., nicht merkbar verändert werden. In Frage kommt vor allem das Natriumoxalat, Na 2 (COO) 2 ; ferner auch noch Oxalsäure, H 2 C 2 0 4 • 2 H 2 0 , und chemisch reines Eisen. Die Einstellung der Kaliumpermanganatlösung mit Natriumoxalat bzw. Oxalsäure: Der Titerstellung der Kaliumpermanganatlösung mit Natriumoxalat ist auf Grund der klassisdien Untersuchungen von S. P. L. Sörensen (1897—1906) bei weitem der Vorzug zu geben. Sie wird im folgenden absichtlich in allen Einzelheiten beschrieben, weil sidi bei ihrer Besprechung nicht nur die für die Titerstellung von Permanganatlösungen wesentlichen Gesichtspunkte ergeben, sondern weil sich darüber hinaus audi alle die Faktoren erkennen lassen, weldie bei Titerstellungen allgemein von Einfluß sein können. Die Titerstellung beruht auf folgender Reaktionsgleichung:
Die Bereitung der Kaliumpermanganatlösung
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2 Mn0 4 - + 5 Q A 2 - + 16 H + 2 Mn 2+ + 10 C 0 2 1 + 8 H 2 0 . Die Oxydation des Oxalations zu Kohlendioxid verläuft in warmer, schwefelsaurer Lösung innerhalb relativ weiter Grenzen der Wasserstoffionen-Konzentration ohne störende Nebenreaktionen genau nach diesem Reaktionsschema. Die Vorzüge des Natriumoxalats als Titersubstanz sind nun folgende: Es läßt sich durch Umkristallisieren leicht völlig rein, „pro analysi" entsprechend seiner Formel NaiC 2 0 4 erhalten, es enthält kein Kristallwasser und läßt sich gut absolut trocknen, es ist ein neutrales Salz, das weder Wasser noch Kohlendioxid noch Ammoniak anzunehmen bestrebt ist, und läßt sich daher bequem abwägen. Als Verunreinigungen des Natriumoxalats, welche von der präparaüven Darstellung aus Soda und Oxalsäure dem Salz etwa noch anhaften, kommen in Frage: Feuchtigkeit, Natriumkarbonat, Natriumhydrogenoxalat, Natriumsulfat oder -chloricL F e u c h t i g k e i t ist leicht zu entfernen durch Trocknen des Salzes im Trockenschrank bei 230°—250° C. Erst oberhalb 330° C beginnt das Natriumoxalat sidi zu zersetzen: N a 2 C 2 0 4 - > NajCOj + CO f . Eine Beimengung von N a t r i u m k a r b o n a t oder von saurem Natriumo x a l a t läßt sich durch Titration mit 0,01-n HCl bzw. NaOH unter Verwendung von Phenolphthalein als Indikator ermitteln und durch Umkristallisieren entfernen. S u l f a t e u n d C h l o r i d e lassen sich durch geeignete Fällungsreaktionen in einer angesäuerten Auflösung von etwa 10 g des Salzes erkennen. Zur Feststellung der Abwesenheit o r g a n i s c h e r V e r u n r e i n i g u n g e n wird 1 g des Salzes mit 10 ml reiner, staubfreier, konzentrierter Schwefelsäure erhitzt. Die Schwefelsäure darf sich nicht bräunen oder gar schwarz färben. Die praktische Durchführung der Titerstellung mit Natriumoxalat gestaltet sich folgendermaßen: Zunächst wägt man drei oder vier Proben von ungefähr 0,15—0,2 g reinstem, bei 230° C im Trockenschrank getrocknetem Natriumoxalat auf der Analysenwaage, also mit einer Genauigkeit von ± 0,1 mg, ab. Dazu benutzt man ein längliches Wägeröhrchen mit aufgesetzter Glaskappe, das eine beliebige Menge der abzuwägenden Substanz enthält. Das Wägeröhrchen wird, nachdem es genau gewogen wurde, geöffnet und der Hals des Röhrchens vorsichtig tief in die Öffnung eines trockenen Weithals-Erlenmeyerkolbens (oder Philippsbechers) von etwa 400 ml Inhalt eingeführt. Durch 4°
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Die Manganometrie
vorsichtiges Klopfen auf das schräg gehaltene Röhrchen läßt sich erreichen, daß die gewünschte Menge der Substanz in den Kolben gleitet. Das Wägeröhrchen wird darauf verschlossen und erneut gewogen. Aus der Differenz der beiden Wägungen ergibt sich das Gewicht der nunmehr im Kolben befindlichen Substanzprobe. Man achte jedoch bei der Operation des Einschüttens in den Kolben peinlich darauf, daß die Substanz nicht verstäubt, da sonst keine Gewähr besteht, daß sich wirklich die gesamte durch Wägung ermittelte Substanzmenge im Kolben befindet und später titriert wird. Jede Probe wird in etwa 200 ml reinem Wasser gelöst und die Lösung mit je 10 ml reiner, staubfreier Schwefelsäure (konz. Schwefelsäure wird auf das vierfache Volumen verdünnt!) angesäuert und auf 75° bis 85° C erwärmt. Nunmehr wird sie titriert, indem man die genau auf die Nullmarke eingestellte Kaliumpermanganatlösung (bei undurchsichtigen Lösungen erfolgt die Ablesung am oberen Rande des Meniskus 1) unter fortwährend kreisendem Umschwenken des Erlenmeyerkolbens aus der Bürette in die heiße Natriumoxalatlösung eintropfen läßt. Man wartet vor jeder neuen Permanganatzugabe so lange, bis die Lösung sich entfärbt hat. Anfänglich nämlich findet die Oxydation des Oxalat-ions nur träge statt. Die mitgeteilte Reaktionsgleichung gibt nur das Anfangs- und Endstadium wieder. Die Reaktion verläuft in Wirklichkeit viel komplizierter, wobei das Mangan(Il)-ion eine nicht unwesentliche Rolle als Katalysator spielt (Skrabal, 1904). Es ist anfänglich nur spurenweise vorhanden, entsteht aber im Laufe der Titration in zunehmender Menge. Nach Zugabe einiger Milliliter kann man die PermanganatIösung etwas schneller einfließen lassen. Um den Endpunkt nicht zu überschreiten, m u ß sie aber gegen Ende der Titration wieder ganz langsam und vorsichtig eingetropft werden. Der Endpunkt gibt sich dadurch zu erkennen, daß die Permanganatlösung nicht mehr entfärbt wird, sondern der Lösung nunmehr eine schwache rotviolette Färbung erteilt. Die Farbintensität der Permanganat-Ionen erhellt daraus, daß — nach einer Angabe von Kotthoff [79] —noch eine 1 bis 2-10~ 6 -n Permanganatlösung äußerst schwach rosa gefärbt ist. Diesem Umstand sowie der Tatsache, daß das Mangan(II)-ion schon in mäßig verdünnten Lösungen völlig farblos erscheint, verdanken wir es, daß die Manganometrie ohne fremde Indikatorzusätze auskommt. Zur Erkennung des Endes der Reaktion ist also der
Die Bereitung der Kaliumpermanganatlösung
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überschüssige Zusatz einer gewissen kleinen Menge Permanganatlösung erforderlich. Ein Tropfen, 0,03 ml 0,1-n Permanganatlösung vermag 300 ml ungefärbter Lösung noch schwach rosa anzufärben. Bei einem Verbrauch von 20—30 ml 0,1-n Permanganatlösung wäre das ein Zuviel von etwa 0,1%. Denselben zusätzlichen Verbrauch an Permanganatlösung hat man aber auch bei den späteren Titrationen, so daß er bei gewöhnlichen Bestimmungen nicht berücksichtigt zu werden braucht. Bei ganz exakten Titrationen muß dieses Zuviel unter Berücksichtigung des Volumens der vorgelegten Lösung ebenso beachtet werden wie bei der dazugehörenden Titerstellung. Die Beobachtung, daß die schwache Rosafärbung einer „austarierten" Lösung nach einiger Zeit allmählich verschwindet, erklärt sich nicht nur aus dem Zutritt von oxydablen Staubteilchen aus der Luft, sondern auch dadurch, daß die im Lauf der Titration entstandenen Mangan(II)-ionen ihrerseits die Permanganationen langsam reduzieren. Die Berechnung der Normalität der Kaliumpermanganatlösung auf Grund der Titrationsergebnisse geschieht in folgender Weise: Angenommen, wir hätten drei Proben von 1. 0,2718 g, 2. 0,1854 g und 3. 0,1922 g NajCjO« mit unserer Kaliumpermanganatlölung titriert und 1. 40,15 ml, 2. 27,40 ml und 3. 28,47 ml bis zum Äquivalenzpunkt verbraucht. 1 ml einer genau 0,1-n Kaliumpermanganatlösung zeigt genau Vio Müli67 grammäquivalent Natriumoxalat, also J Q Q ^ Q g = 6,7 mg Na,C t 0 4 an. Die Brüche 1.
271
£
fi
1 4
' „ - = 40,55, 2. ^ ^ = 27,69 b, / b,1
192 2 _ ' = 28,69 geben also an, wieviele Milliliter einer b, l genau 0,1-n Kaliumpermanganatlösung unseren drei Proben entsprechen. In Wirklichkeit haben wir nicht 1. 40,55 ml, sondern nur 40,15 ml, 2. nicht 27,69 ml, sondern nur 27,40 ml und 3. nicht 28,69 ml, sondern nur 28,47 ml von unserer Lösung verbraucht. Sie ist also ein wenig stärker als n/10. Die , 40,55 „ 27,69 , „,„ ,„ 28,69 _ .. , B r ü A e L 40,15 = 1 ' 0 1 1 ' 2 " 27~40 = ^ ™dß28Ä7 = 1,010, also im Mittel 1,010, geben an, daß 1 ml unserer Kaliumpermanganatlösung 1,01 ml einer genau n/10 Lösung entsprechen; und 3.
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Die Manganometrie
diese Zahl ist der N o r m a l f a k t o r der Titerlösung. Unsere Lösung ist also 0,101-normal. Viel weniger gut eignet sich die Oxalsäure selbst, H 2 C 2 0 4 • 2 H , 0 , zur Einstellung der Permanganatlösungen, und zwar erstens, weil es schwieriger ist, ein genau dem Wassergehalt der Formel entsprechendes Präparat zu erhalten, und zweitens, weil sie als Säure leicht etwa in der Laboratoriumsluft vorhandenes Ammoniak anzieht und spurenweise in Ammonoxalat übergeht. Doch wird die Verwendung der Oxalsäure häufig deswegen empfohlen, weil sie auch als Titersubstanz für Laugen benutzt werden kann. Die Einstellung mit Oxalsäure erfolgt ganz analog der Titerstellung mit Natriumoxalat; die Substanz wird in lufttrockenem Zustand verwendet. 1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung entspricht einem Zehntel Milligrammäquivalent, also g = 6,303 mg H2C20« • 2 H 2 0. Die Einstellung der Kaliumpermanganatlösung mit chemisch reinem Eisen: Diese Methode ist sehr exakt, wenn wirklich reines Eisen zur Verfügung steht, das nach Mittasch (1928) durch thermische Zersetzung von Eisenpentakarbonyl, Fe(CO) 5 , dargestellt werden kann und auch im Handel erhältlich ist. Die Methode beruht darauf, daß metallisches Eisen unter Luftabschluß in verdünnter Schwefelsäure quantitativ zu Eisen(II)sulfat gelöst wird: Fe + 2 H + ->-Fe 2 * + H, t , das dann nach S. 55 mit Kaliumpermanganat titriert werden kann. Unter keinen Umständen darf man zur Einstellung sogenannten „Blumendraht" verwenden, den ältere Lehrbücher empfehlen. Blumendraht kann nämlich bis über 0,3% fremder Bestandteile, wie Kohlenstoff, Silicium, Phosphor und Schwefel enthalten, die sich in Schwefelsäure zum Teil zu ebenfalls oxydierbaren Verbindungen auflösen. Dadurch wird dann mehr Permanganatlösung verbraucht, als dem wahren Eisengehalt des Drahtes entspricht, und der Wirkungswert kann scheinbar über 100% der Theorie betragenl Hinzu kommt noch, daß der Carbidgehalt des Drahtes erheblichen Schwankungen unterworfen ist. Die Auflösung der abgewogenen Eisenproben in verdünnter Schwefelsäure muß zur Vermeidung von Oxydationen unter
Die Bestimmung des Eisens in schwefelsaurer Lösung
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Luftabschluß vorgenommen werden und geschieht am besten in einem Rundkölbchen mit Bunsenventil (vgl. S. 56). Die Titrierung der schwefelsauren Eisen(II)-sulfatlösung erfolgt so, wie es im folgenden Abschnitt beschrieben wird, 1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung zeigt ein Zehntel Milligrammäquivalent, also 5,585 mg Eisen, an. 3. Die Bestimmung des Eisen(II) und des Eisen(III) in schwefelsaurer Lösung
Die Bestimmung des zweiwertigen Eisens in schwefelsaurer Lösung erfolgt nach folgendem Reaktionsschema: MnOr + 5 Fe 2 * + 8 H+ Mn2+ + 5 Fe 8+ + 4 H2O. Das Eisen(II)-ion wird also zum Eisen(III)-ion oxydiert. Mit dieser Methode, die sehr genaue Ergebnisse liefert, begründete Margueritte im Jahre 1846 die Manganometrie. Titration einer Eisen(II)-milfatlösting:
Man mißt so viele Milliliter der zu bestimmenden Lösung ab, daß der Verbrauch an Fermanganatlösung 25 bis 40 ml beträgt, gibt 10 ml verdünnte Schwefelsäure (1 :4) hinzu und verdünnt mit luftfreiem Wasser auf etwa 200 ml. Die Titration kann in kalter oder auch heißer Lösung vorgenommen werden. Der Endpunkt ist erreicht, wenn die Lösung noch eine Minute lang nach dem letzten Permanganatzusatz schwach orange gefärbt bleibt. Diese Farbe resultiert aus der schwach gelblichen Farbe der entstandenen Eisen(III)-salzlösung und dem Rotviolett des überschüssigen Permanganats. Durch Zusatz von etwas Phosphorsäure lassen sich die Eisen(III)-salze in farblose Komplexverbindungen überführen, so daß in diesem Falle nach beendeter Titration die Rosafärbung der Permanganat-Ionen erhalten bleibt. Doch ist auch ohne Phosphorsäurezusatz der Endpunkt der Titration von Eisen(II)-salz in schwefelsaurer Lösung unschwer festzustellen. Die Berechnung des Analysenresultats soll hier, als Beispiel für die maßanalytischen Berechnungen überhaupt, mitgeteilt werden: Es seien in drei Bestimmungen gut übereinstimmende
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Die Manganometrie
Werte erhalten, deren arithmetisches Mittel 28,65 ml betragen möge. Unsere Kaliumpermanganatlösung sei 0,101 - normal; 28,65 ml dieser Lösung entsprechen also 28,65-1,01 = 28,94 ml einer genau zehntelnormalen Lösung. 1 ml einer genau 0,1 -n Kaliumpermanganatlösung zeigt 1 / 1 0 Milligrammäquivalent, also 5,585 mg F e an; 28,94 ml entsprechen also 28,94 -5,585 = 164,2 mg Eisen, die in dem zur Bestimmung verwendeten Bruchteil des Gesamtvolumens der Eisen(II)-sulfatlösung enthalten sind. Titration einer Eisen(III)-sulfatlösung: W e n n das Eisen nidit von vornherein in der zweiwertigen, sondern in der dreiwertigen F o r m vorliegt, m u ß es vor der Titration mit K a l i u m p e r m a n g a n a t quantitativ zu Eisen(II)-salz reduziert werden. Nur solche Reduktionsmittel sind hierzu geeignet, deren Uberschuß nach vollendeter Reduktion ohne Schwierigkeit aus der L ö s u n g entfernt werden kann. M a n verwendet u. a. schweflige Säure, naszierenden Wasserstoff u n d Zinn(II)-chlorid. Die R e d u k t i o n mit s c h w e f l i g e r Säure nach der G l e i c h u n g : 2 F e s + + S O j 2 - + H , 0 - 2 F e 2 + + SO« 2 " + 2 H + verläuft in stärker sauren Lösungen unvollständig (MassenWirkungsgesetz!). Die Eisen(III)-salzlösung wird daher, falls sie sauer ist, mit Sodalösung fast neutralisiert, mit überschüssiger, frisch bereiteter schwefli}\ ger Säurelösung versetzt, verdünnt und in dem durch Fig. 10 wiedergegebenen Reduktionskolben unter langsamem Durchleiten von luftfreiem Kohlendioxid eine viertel bis halbe Stunde lang zum Sieden erhitzt. Nachdem etwa 30 bis 40 ml Wasser aus dem Kolben abdestilliert sind, wird geprüft, ob der durchgeleitete Kohlendioxidstrom noch Schwefeldioxid enthält. Zu diesem Zweck wird das Ablaufrohr des Kühlers in ein Kölbdien mit schwach Schwefel-
Die Bestimmung des Eisens in schwefelsaurer Lösung
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saurem, durch einen Tropfen 0,1-n Permanganatlösung rosa gefärbtem Wasser getaucht. Tritt keine Entfärbung mehr ein, so wird die Lösung direkt im Kolben nach Zusatz von 10 ml verdünnter Schwefelsäure mit Kaliumpermanganatlösung titriert. Die R e d u k t i o n mit n a s z i e r e n d e m Wassers t o f f nach der Gleichung Fe3* + H-»- Fe2* + H* wird in schwefelsaurer Lösung durch Zugabe reinen metallischen Zinks oder Aluminiums vorgenommen. Der naszierende Wasserstoff bildet sich durch die Auflösung des Zinks: Zn + 2 H + -*- Zn 2+ + 2 H. Daneben findet natürlich auch folgende Reaktion statt: 2 Fe 3 + +Zn —>- Zn 2+ + 2 F e ^ . Man benutzt einen Reduktionskolben mit Bunsenventil (Fig. 11). Das Zink wird in das Glaskörbchen gebracht, welches sich an einem Glasstab befindet, der gasdicht, aber verschiebbar oben durch die Schliffkappe hindurchragt. Während der Reduktion wird das Glaskörbchen, das aus einem spiralig aufgewickelten Glasstab besteht, bis fast auf den Grund des Reduktionskolbens gesenkt. Die Flüssigkeit wird auf etwa 70°—80° C erhitzt. Ihr Volumen darf nicht unnötig groß sein, da die Reduktion sonst zu lange dauert. Der Wasserstoff, der sich lebhaft entwickelt, kann den Kolben durch das Bunsenventil verlassen, welches aus einem in der Mitte zu einer kleinen Kugel erweiterten Glasrohr besteht und mit dem unteren Ende durch die Schliffkappe in das Reduktionskölbchen hineinragt. Oben sitzt ein seitlich aufgeschlitztes Stückchen Gummischlauch auf, das seinerseits wieder mit einem Glasstab verschlossen ist. Durch den seitlichen Schlitz wird dem Wassertoff GelegenFig. 11 heit gegeben, den Kolben bei Überdruck zu verlassen. Herrscht aber Unterdruck im Kolben, so wird der Schlauch fest zusammengedrückt und der Schlitz verschlossen, so daß keine Luft eintreten kann. Die kugelförmige Erweiterung des Bunsenventils hat den Zweck, etwa mitge-
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Die Manganometrie
rissene Flüssigkeitstropfen absitzen und wieder in den Reduktionskolben zurückrinnen zu lassen. Das dem Schlitz entweichende Wasserstoff gas soll bei richtig konstruiertem Bunsenventil und vorschriftsmäßig geleiteter Reduktion blaues Lackmuspapier nicht röten, ein Beweis dafür, daß von der sauren Flüssigkeit im Reduktionskolben nichts mitgerissen wurde. Nach ein bis zwei Stunden ist die Reduktion beendet. Das Körbchen mit dem überschüssigen Zink bzw. Aluminium wird hochgezogen, die Schliffkappe wird abgenommen und alles sorgfältig mit ausgekochtem Wasser abgespült. Dann wird die noch warme Lösung titriert. — Die verwendeten Metalle müssen eisenfrei sein; gegebenenfalls muß man den Permanganatverbrauch einer abgewogenen und aufgelösten Probe ermitteln und als Korrektur berücksichtigen. Die Reduktion der Eisen(III)-ionen | | kann schließlich auch mit amalgamiertem Zink im J o n e s - R e d u k t o r (C. Jones 1888) vorgenommen werden (Fig. 12). Ein Glasrohr von etwa 20 mm Durchmesser und 35—40 cm Länge enthält oberhalb eines Ablaufhahnes eine grobe Glasfritte (G 2) oder ein Porzellanfilterplättdien mit feinen Löchern, darüber ein Polster aus Asbest-, Quarz- oder Glaswolle. Die Säule ist mit fein granuliertem, amalgamiertem Zink (eisenfrei!) gefüllt, das man durch Schütteln des Zinkgranulats mit einer Lösung, die bezogen auf das Zinkgewicht 2%Quecksilber(II)-chlorid oder -nitrat enthält, herstellt. Durch den Reduktor werden 50—100 ml 2—3 %iger warmer Schwefelsäure gesaugt. Ein Tropfen 0,1-n Permanganatlösung darf von der Schwefelsäure nach dem Passieren des Reduktors nicht mehr entfärbt werden. Andernfalls ist die Behandlung mit verd. Schwefelsäure zu wiederholen. Die verd. Eisen(III)-sulfatF i g . 12 lösung (etwa 100 ml) wird in einer Minute durch den Reduktor gesaugt und im Titriergefäß unter Schutzgasatmosphäre (N2, COj) aufgefangen. Dann wird mit 25—50 ml 2- bis 3 %iger Schwefelsäure, anschließend
s
Die Bestimmung des Eisens in salzsaurer Lösung
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mit 100—150 ml Wasser (luftfreil) nachgewaschen. Das Filtrat wird dann sofort titriert. Durch nochmaliges Auswaschen mit Wasser werden etwa im Reduktor verbliebene Eisen(II)-sulfatreste herausgespült. Das Waschwasser wird ebenfalls titriert; die für beide Titrationen verbrauchten Milliliter Permanganatlösung werden addiert. Der Reduktor wird mit Wasser gefüllt aufbewahrt und vor jeder Benutzung in der oben angegebenen Weise mit verd. Schwefelsäure behandelt. An Stelle von amalgamiertem Zink können auch mit Cadmium oder feinkörnigem Silber gefüllte Reduktoren benutzt werden (vgl. [134]). Die Bestimmung von Fe(II) neben Fe(III): Es werden nebeneinander zwei Analysen durchgeführt. Eine Probe der schwefelsauren Lösung wird direkt titriert; man erhält dadurch den Eisen(II)-salzgehalt. Eine zweite Probe der Lösung wird vor der Titration reduziert und so der Gesamtgehalt ermittelt. Die Differenz beider Werte gibt die Menge der Eisen(III)-ionen an. 4. Die Bestimmung des Eisen(II) und des Eisen(III) in salzsaurer Lösung Die Oxydation der Eisen(II)-ionen mit Kaliumpermanganat in schwefelsaurer Lösung verläuft bezüglich des Anfangs- und Endzustandes genau nach der mitgeteilten Ionengleichung, so daß diese Bestimmungsmethode sehr zuverlässige Werte liefert. Versucht man aber entsprechend Eisen(II)-salze bei Gegenwart von Salzsäure zu titrieren, so beobachtet man 1., daß sich der E n d p u n k t der Reaktion sehr viel schlechter erkennen läßt, 2., daß die Lösung während der Titration deutlich nach Chlor riecht, und 3., d a ß f ü r die gleiche Menge Eisen(II)-salzlösung nicht unerheblich mehr Permanganatlösung verbraucht wird als in schwefelsaurer Lösung. Die Gegenwart der Salzsäure bedingt also einen von dem angegebenen Schema abweichenden Reaktionsverlauf, indem auch die Salzsäure zum Teil von dem Kaliumpermanganat angegriffen und zu Chlor oxydiert wird. Eine quantitative Bestimmung salzsaurer Eisen(II)-salzlösungen durch Titration mit Kaliumperman-
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Die Manganometrie
ganatlösung ohne weitere Vorsichtsmaßregeln ist also undurchführbar. Zur Klärung dieses anomalen Reaktionsverlaufes tragen folgende Beobachtungen bei: 1. Verdünnte Salzsäure allein wird von Kaliumpermanganatlösungen nicht oxydiert (vgl. z. B. H. Schäfer, 1954). Obwohl eine Oxydation nach der Lage der Oxydationspotentiale der Redoxpaare möglich sein müßte, ist der Ablauf offenbar „gehemmt" (vgl. den Ablauf der Oxydation von C 2 O f - durch M n 0 4 " zu Anfang der Reaktion, S. 52). 2. Es muß also die Gegenwart des Eisens für die Chlorent wicklung und den dadurch bedingten Mehrverbrauch an Permanganat verantwortlich gemacht werden. Da aber auch Eisen(Ill)-salze auf die Reaktion zwischen Permanganationen und Salzsäure keinen Einfluß haben, muß der Fehler durch die Eisen(II)-ionen selbst verursacht werden. 3. Cl. Zimmermann (1882) hat die Beobachtung gemacht, daß die durch die Salzsäure verursachte Reaktionsstörung auf ein Minimum reduziert werden kann, wenn der Eisen(II)-salzlösung vor Beginn der Titration ein genügender Uberschuß an Mangan(II)-suIfat hinzugesetzt wird. Die Oxydation der Salzsäure wird also durch Eisen(II)-ionen gefördert, während die Gegenwart von Mangan(II)-ionen in genügend großer Konzentration offenbar eine Reaktion der Permanganationen mit den Chloridionen weitgehend verhindert. Man muß hiernach annehmen, daß der Reaktionsablauf bei der Oxydation des Eisen(II)-ions durch das Permanganation wesentlich komplizierter ist, als es das Reaktionsschema M n 0 4 " + 5 Fe 2 + + 8 H +
Mn 2 + + 5 Fe 3 + + 4 H s O
erkennen läßt. Die Induzierung der Oxydation von Chloridionen zu elementarem Chlor in Gegenwart von Eisen(II)-ionen haben vom Reaktionsablauf her zuerst, unabhängig voneinander, Cl. Zimmermann (1882) und W. Manchot (1902; W. Manchot u. O. Wilhelms 1902; W. Manchot u. H. Schmid 1932; vgl. auch A. Skrabal 1903) zu klären versucht. Auf Grund ihrer Untersuchungen nehmen sie die intermediäre Bildung einer labilen höheren Oxydationsstufe des Eisens an. Manchot konnte feststellen, daß bei der Oxydation von Fe 2 + zu Fe 3 + in Gegenwart eines „Acceptors" (d. h. eines Stoffes, dessen Oxydation durch Mn0 4 ~ von Fe 2 + induziert wird, z. B. Salzsäure oder Weinsäure) soviel Per-
Die Bestimmung des Eisens in salzsaurer Lösung
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manganat verbraucht wird wie der Bildung einer Eisenverbindung der Oxydationsstufe + 5 entspricht. Manchot nimmt nun an, daß ganz allgemein bei der Titration von Eisen(II)-salzlösungen mit Permanganatlösung als Zwischenprodukt Eisen dieser Oxydationsstufe in einer bisher nicht bekannten kurzlebigen Verbindung auftritt. Wenn auch bei anderen Reaktionen, wie z. B. der katalytischen Zersetzung von Wasserstoffperoxid, die Bildung von Eisen einer höheren Oxydationsstufe ( + 6, + 4 ) wahrscheinlich gemacht werden konnte (V. L. Bohnson u. A. C. Robertson 1923; W. C. Bray u. M. H. Gorin 1932) und die Darstellung von Verbindungen mit Eisen in der Oxydationsstufe + 4 bis + 6 möglich ist (R. S(holder 1952; W. Klemm u. K. Wahl 1954), so fehlt doch bisher jeder entscheidende Beweis dafür, daß bei der Titration von Eisensalzlösungen höhere Oxydationsstufen des Eisens auftreten. Eine andere Möglichkeit ist die intermediäre Bildung von niedrigeren Oxydationsstufen des Mangans, wie + 6 , + 5 , + 4 und + 3 bei der Reduktion des Permanganats. W. L. Birch hat bereits 1909 vermutet, daß in Abwesenheit von Mangan(II)-ionen, Mangan(III)-chlorid entsteht. Da in saurer Lösung Mangan(III)salze leicht zu Mangan(II)-salzen reduziert werden, oxydiert das gebildete Mangan(III) die Chlorionen zu elementarem Chlor. Obgleich über den Reaktionsablauf zu Beginn der Titration und über die Beteiligung der verschiedenen Oxydationsstufen des Mangans noch wenig bekannt ist, wird heute allgemein angenommen, daß für den Ablauf der Redoxreaktion das Gleichgewicht Mn3+ + s - Mn2+
(e„ = 1,51 V)
von entscheidender Bedeutung ist (F. Kessler 1863; A. Skrabal 1904; W. C. Birch 1909; A. Schleicher 1951, 52, 55; s. auch H. A. Laitinen [93]). Das Mangan(III) wird entweder zu Anfang der Reaktion durch Reduktion des Mn0 4 ~ gebildet oder entsteht später durch die Umsetzung von Mn0 4 ~ mit Mn2+ (vgl. die Beschleunigung der Redox-Reaktion durch die zunehmende Mn2+-konzentration bei der Titration von C ^ H [S. 52]). Im Gegensatz zu den Reaktionen mit M n 0 4 " laufen die Reaktionen mit Mn3+ sehr schnell ab (vgl. A. Schleicher 1951). Das Redoxpotential von Mn2+/Mns+ (e0 = + 1,51 V) liegt so hoch,
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Die Manganometrie
daß außer Fe 2+ (Fe2+/Fes+, e„ = + 0,77 V) auch in der Lösung vorhandene Cl~ oxydiert werden (2CI"/C14 gasf., e0 = + 1,36 V). Die Oxydation der Chloridionen bei der Eisentitration in salzsaurer Lösung wird jedodi weitgehend unterbunden, wenn man der Lösung eine Mischung aus Mangansulfatlösung, Phosphorsäure und Schwefelsäure (sogenannte ReinhardtZimmermann-Lösung) zusetzt. Wie zahlreiche Untersuchungen ergeben haben, kann die Oxydation der Chloridionen aber auch in Gegenwart von anderen Salzen, wie Sulfaten, Acetaten, Phosphaten, Fluoriden und Oxalaten mehr oder weniger wirkungsvoll unterbunden werden (A. Skrabal 1904, O. I. Barneby 1914, M. Ishibashi, T. Shigematsu u. S. Shibata 1956, K. M. Somasundaram u. C. V. Suryanarayana 1956). Hieraus kann auch eine gewisse Bestätigung für das Auftreten von Mangan(IlI) bei der Permanganattitration widerspruchsfrei abgeleitet werden: das zur Komplexbildung neigende Mn3+ geht mit den genannten Anionen in komplexe Ionen über, wodurch die Mn3+Konzentration gesenkt und das Oxydationspotential soweit erniedrigt wird (Nernstsche Gleichung! s. S. 275), daß eine Oxydation von Chloridionen nicht mehr möglich ist (vgl. J. Taube 1948). Die Titration läuft in Gegenwart von Reinhardt-Zimmermann-Lösung etwa in folgender Weise ab: Die hohe Mn2+-konzentration sorgt durch Bildung von Mn(III) für die Beseitigung der Reaktionshemmung und dadurch für einen schnellen Ablauf der Reaktion Fe 2+ + Mn3+ -»- Fe 3+ + Mn2+. Gleichzeitig wird durch die hohe Mn2+-konzentration das Oxydationspotential von Mn3+/Mn2+ soweit erniedrigt, wozu auch noch die Phosphorsäure durch Komplexbildung beiträgt, daß eine Oxydation von Cl" nicht mehr möglich ist. Die Phosphorsäure erleichtert außerdem durch Bildung eines farblosen Eisen(Ill)-komplexes nicht nur die Erkennung des Endpunktes der Titration, die durch tiefgelb gefärbte Chlorosäuren des Eisens —• z. B. H 3 [FeCl e ] — in salzsaurer Lösung erschwert ist, sondern bewirkt gleichzeitig durch Herabsetzung der Fe^-konzentration eine Abnahme des Oxydationspotentials von Fe3+/ Fe 2+ , was wiederum die Oxydation der Fe 2+ fördert.
Die Bestimmung des Eisens in salzsaurer Lösung
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Ausführlich sind die hier kurz gestreiften Vorgänge in [93] dargestellt. Zum Thema Induktion und Katalyse bei RedoxTitrationen vgl. auch [86], [130] und A. Schleicher (1951—58). Titration einer Eisen(II)-diIoridlösung: Die auf 100 ml verdünnte salzsaure Eisen(II)-chloridlösung wird mit 10 ml sog. „Reinhardt-ZimmermannLösung" versetzt und unter kräftigem, kreisendem Umschwenken titriert. Nach Kolthoff und Smit (1924) kann der Fehler bei der Bestimmung kleiner als 0,2 % gehalten werden, wenn die Eisen(II)-Konzentration bei 0,1-n liegt und die Salzsäure-Konzentration 1-m nicht übersteigt. Reinhardt-Zimmermann-Lösung soll reichlich zugegeben werden, und die Titration soll nidit zu schnell erfolgen. Die Reinhardt-Zimmermann-Lösung ist folgendermaßen zusammengesetzt: Ein aus 1 Liter reiner Phosphorsäure (spez. Gew. 1,3), 600 ml Wasser und 400 ml Schwefelsäure (spez. Gew. 1,84) bereitetes Gemisch wird zu einer Lösung von 200 g kristallisiertem Mangan(II)-sulfat in 1 Liter Wasser hinzugegeben. Titration einer Eisen(III)-chloridlösung: Dieses nach Reinhardt (1889) und Zimmermann benannte Verfahren ist für die metallurgischen und Eisenhüttenlaboratorien von größter Bedeutung. Gestattet es doch, die salzsauren Lösungen der Eisenerze und Eisenlegierungen direkt zu titrieren. Beimengungen wie Kobalt, Kupfer, Blei, Chrom und Titan, auch Arsen stören dabei nicht, nur Antimon darf nicht zugegen sein. Die Reduktion der Eisen(III)-ionen wird hier durch Zugabe von Zinn(II)-chlorid erreicht: Sn 2+ + 2 Fe** -»• 2 Fe 2 * + Sn4*, das aber nur in ganz geringem Uberschuß verwendet wird. Dieser wird durch Zugabe von ein wenig Quecksilber(II)chloridlösung wieder beseitigt: Sn 2 * + 2 H g 2 * - * Sn 4 * + 2 Hg + . Das ausgefällte Quecksilber(I)-chlorid: Hg, 2 * + 2 Cl- - HggCls .
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Die Manganometrie
wird vom Permanganat praktisch nicht oxydiert. Trotzdem darf aber nur wenig Quecksilber(I)-chlorid entstehen, da es unter Umständen das im Verlauf der Titration gebildete Eisen(III)-chlorid wieder reduzieren kann. Praktische Durchführung: Zu der siedenden, stark salzsauren Eisen (Ill)-salzlösung wird vorsichtig und tropfenweise so viel Zinn(II)-chloridlösung hinzugesetzt, daß die Flüssigkeit gerade völlig farblos geworden ist. Nach dem vollständigen Erkalten der Lösung werden 10 ml einer klaren, kalt gesättigten Sublimatlösung in einem Guß hinzugesetzt, wonach rein weißes, kristallines Quecksilber(I)-chlorid ausfallen muß. Entsteht hierbei ein durch metallisches Quecksilber grau gefärbter Niederschlag (besonders bei zu hoher Zinn(II)-ionenkonzentration kann das Quecksilber(I)-chlorid bis zum metallischen Quecksilber reduziert werden!), so darf nicht weiter gearbeitet werdenl Nach zwei Minuten wird auf 600 bis* 700 ml verdünnt, mit 10 ml Reinhardt-Zimmermann-Lösung versetzt und mit Kaliumpermanganatlösung titriert. Eine zu Reduktionszwecken geeignete Zinn(II)-chIoridlösung bereitet man folgendermaßen: Eine durch Auflösen von 120 g reinem Zinn in 500 ml Salzsäure (spez. Gew. 1,124) gewonnene Lösung wird in eine Vierliterflasdie gegossen, die bereits 1000 ml Salzsäure der gleichen Konzentration und außerdem 2 Liter Wasser enthält; die Vorratsflasche soll nach Kolthoff [79] metallisches Zinn enthalten. Die Bestimmung von Fe(II) neben Fe(III) ist natürlich auch in salzsauren Lösungen unter Verwendung der Reinhardt-Zimmermannschen Vorschrift ohne weiteres möglich. Ein praktisch vorkommendes Beispiel bietet die Titration von Auflösungen der Magneteisensteinsorten. 5. Die Bestimmung des Urans und der Phosphate1) Uranylsalze, in denen das Uran die Oxydationszahl + 6 hat, lassen sich in schwefelsaurer Lösung durch Aluminiumblech, ohne daß teilweise Uberreduktion zu Verbindungen des Uran(III) zu befürchten wäre, quantitativ zu Salzen des Uran(IV) reduzieren. 1) vgl. G. J a n d e r und K. R © e h , 1923.
Die Bestimmung der Oxalate und des Calciums
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U 0 2 2 t + 2 H + 2 H + -> U 4 t + 2 HiO. Bei Verwendung von Zink, amalgamiertem Zink oder Cadmium als Reduktionsmittel tritt dagegen stets teilweise Reduktion bis zu Verbindungen des Uran(III) ein. Die im Kölbchen mit Bunsenventil (Fig. 11, S. 57) reduzierte Lösung wird mit Kaliumpermanganatlösung titriert. Diese Methode der Uranbestimmung ermöglicht die manganometrische Bestimmung der Phosphorsäure (wichtig für die Bewertung künstlicher Düngemittel!). Das Verfahren beruht darauf, daß die Phosphationen aus einer schwach essigsauren, Ammonsalze enthaltenden Alkaliphosphatlösung beim Zusatz von überschüssiger Uranyl(VI)acetatlösung als schwerlösliches Uranylammoniumphosphat quantitativ gefällt werden: Na 2 HP0 4 + NH 4 (CH 3 COO) + U 0 2 ( C H 3 C 0 0 ) 2 N H 4 U 0 2 P 0 4 4- + 2 Na(CH 3 COO) + H(CH 3 COO). Das Ammoniumuranyl(VI)-Phosphat wird nach Filtration und Auswaschen in Schwefelsäure gelöst, die Lösung, wie oben angegeben, mit Aluminium reduziert und mit Kaliumpermanganatlösung titriert. 6. Die Bestimmung der Oxalate und des Calciums Die Titration der Oxalsäure und der Oxalate
ist schon anläßlich der Besprechung der Methoden zur Einstellung der Kaliumpermanganatlösungen beschrieben worden (s. S. 49). Die Bestimmung des Calciums:
Calcium läßt sich aus schwach ammoniakalischer, Ammoniumchlorid enthaltender Lösung in der Siedehitze mit Ammoniumoxalatlösung quantitativ ausfällen: Ca 2+ + CgO«1" CaC204 Löst man den Calciumoxalatniederschlag in Schwefelsäure oder Salzsäure, so kann die nunmehr in Freiheit gesetzte Oxalsäure mit Kaliumpermanganatlösung titriert und damit die äquivalente Calciummenge quantitativ ermittelt werden. 1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung zeigt l /i« 5
Tander-Jahr, Maßanalyse
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Die Manganometrie
Milligrammäquivalent = 4,502 mg H 2 C20 4 ) 2,004 mg Ca oder 2,804 mg CaO an. Die Bestimmung des Calciums nach dieser Methode ist hauptsächlich für die Mörtel- und Zementindustrie von großer Bedeutung. Auch dient sie zur Ermittlung der „Kalkhärte" des Trink- und Brauchwassers (s. S. 180). Praktische Durchführung: Es möge ein Kalkspat zu analysieren sein. Er besteht aus CaC0 3 mit Beimengungen von silikatischer „Gangart", fester Tonerde, A1203, und Eisen(III)oxid, Fe 2 0 3 . Eine abgewogene Menge des staubfein gepulverten Materials wird in einen mit einem aufgesetzten Trichter versehenen Erlenmeyerkolben gebracht und bei Siedetemperatur in Salzsäure gelöst. Die unlösliche „Gangart" wird abfiltriert. Die erkaltete Lösung wird in einem Meßkolben bis zur Marke aufgefüllt und durchmischt. Zur weiteren Analyse wird ein aliquoter Teil entnommen. Man entfernt zunächst nach Oxydation des Eisens dieses und das Aluminium, indem man sie in verdünnter Lösung nach den Vorschriften der Gewichtsanalyse bei Siedetemperatur durch tropfenweise erfolgenden Zusatz von ammonkarbonatfreiem (!) Ammoniak als Hydroxide ausfällt. Man filtriert den Niederschlag ab und wäscht ihn gut aus. Im Filtrat nimmt man die Calciumbestimmung vor, indem man die schwach ammoniakalische Lösung mit etwas Ammoniumchloridlösung versetzt, aufkocht und mit einem kleinen Überschuß heißer Ammonoxalatlösung ausfällt. Die Lösung wird einige Stunden sich selbst überlassen und dann, am besten durch ein Membranfilter [69],filtriert. Der zunächst mit ammonoxalathaltigem, zuletzt jedoch mit reinem Wasser gewaschene Niederschlag wird quantitativ vom glatten Membranfilter in einen WeithalsErlenmeyerkolben gespült. Mit warmer verdünnter Schwefelsäure wird alles gelöst. Arbeitet man nicht mit Membranfiltem, sondern mit (gehärteten!) Papierfiltern, dann spült man zunächst die Hauptmenge des auf dem Filter gesammelten und gewaschenen Calciumoxalatniederschlages in einen Weithals-Erlenmeyerkolben und löst die letzten Reste anhaftender Fällung durch Auftropfenlassen heißer, verdünnter Schwefelsäure quantitativ in denselben Weithals-Erlenmeyerkolben hinein. Werden zur Filtration Filtertiegel aus Glas oder Porzellan verwendet, so muß darauf geachtet werden, daß in den Poren der Filterplättchen keine Niederschlags- oder Lösungsreste zurückbleiben.
Die Bestimmung des Wasserstoffperoxids
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Dann wird mit heißem Wasser auf etwa 300 ml Flüssigkeitsvolumen verdünnt und mit Kaliumpermanganatlösung titriert. Schließlich wird der Gehalt des Kalkspats an CaO in Prozenten berechnet. 7. Die Bestimmung des Wasserstoffperoxids und der Peroxo-disulfate Die Titration des Wasserstoffperoxids: Wasserstoffperoxid reagiert in saurer Lösung mit Kaliumpermanganat nach folgender Gleichung: 2 Mn0 4 " + 5 H 2 0 2 + 6 H + ->• 2 Mn2+ + 5 0 2 f + 8 H a O. Diese glatt verlaufende Reaktion wird auch zur gasvolumetrischen Bestimmung des Wasserstoffperoxids verwendet. 1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung zeigt 1 / 2 0 Millimol, also 1,701 mg H 2 0 2 an. Die Titration wird nach Zusatz von 30 ml Schwefelsäure (1:4) zu der auf 200 ml verdünnten Lösung in der Kälte durchgeführt. Ist Salzsäure zugegen, so werden 10 ml Reinhardt-Zimmermann-Lösung (s. S. 63) hinzugefügt. Das Analysenergebnis wird in Gewichts- und Volumprozenten berechnet. Auch bei der Reaktion zwischen Kaliumpermanganat und Wasserstoffperoxid ist eine anfängliche Verzögerungserscheinung des sichtbaren Reaktionseinsatzes, eine „Inkubationsperiode" zu beobachten, welche auf ähnliche Ursachen zurückzuführen ist, wie die gleiche Erscheinung bei der Oxydation der Oxalsäure durch Kaliumpermanganat (s S. 52). Die manganometrische Wasserstoffperoxidbestimmung spielt in den Laboratorien der Bleichereien eine große Rolle. Auch Peroxide, Perborate und Perkarbonate können infolge der hydrolytischen Abspaltung von Wasserstoffperoxid in schwefelsauren Lösungen in analoger Weise titriert werden. Die Bestimmung der Peroxo-disulfate: Die Peroxodischwefelsäure läßt sich infolge ihrer geringen Hydrolyse nicht direkt mit Kaliumpermanganat titrieren. Da sie aber durch Eisen(II)-sulfat nach der Gleichung: S - A 2 - + 2 Fe 2+ -> 2 Fe** + 2 SO425°
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Die Manganometrie
zu Schwefelsäure reduziert werden kann, läßt sich ihr Gehalt auf indirektem Wege ermitteln. Man läßt die Peroxodisulfationen mit einer überschüssigen, aber ihrem Gehalt nach genau bekannten Eisen(II)-sulfatlösung (unter Luftausschluß 1) reagieren und titriert nach der Einwirkung den Uberschuß an Eisen(II)-ionen mit Kaliumpermanganatlösung zurück. 8. Die Bestimmung der Nitrite und der Nitrose Die Oxydation des Nitritions durch Kaliumpermanganat nach der Gleichung: 2 MnCV + 5 N 0 2 - + 6 H + ^ 5 N O , " + 2 Mn 2 + + 3 H 2 0 verläuft bei gewöhnlicher Temperatur nur langsam. In der Wärme aber wird die salpetrige Säure teilweise zersetzt; auch kann sie aus der schwefelsauren Lösung unzersetzt entweichen. Man titriert daher nach Lunge (1891, 1904; vgl. auch [79]) nicht die Nitritlösimg mit der Permanganatlösung, sondern läßt umgekehrt die zu titrierende Nitritlösung solange in eine verdünnte, mit Schwefelsäure angesäuerte, warme Permanganatlösung einfließen, bis diese farblos wird. Praktische Durchführung: Es soll z. B. der Reinheitsgrad eines Kaliumnitrits geprüft werden. Etwa 2 g des Präparates werden in Wasser gelöst und in einem Meßkolben auf 250 ml aufgefüllt. Die Lösung wird in eine Bürette gebracht. Dann werden 25 ml der 0,1-n Kaliumpermanganatlösung mit 20 ml 4-n Schwefelsäure versetzt, die Lösung auf etwa 300 ml verdünnt, auf 40° C (nicht höher!) erwärmt und mit der Nitritlösung ganz langsam und vorsichtig bis zur Entfärbung titriert. Dabei muß man ständig kreisend umschwenken und sich ganz besonders in der Nähe des Endproduktes vor zu raschem Titrieren hüten. Wenn man zu schnell arbeitet, kann der Fehler nach Kolthoff [79] über 1% betragen. 1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung zeigt 1 / 2 0 Millimol, also 4,255 mg K N 0 2 , oder 1,900 mg N 2 O s an. Die Methode wird zur Bestimmung des NjO s -Gehaltes der Nitrose viel verwendet.
Die Bestimmung des Mangans
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9. Die Bestimmung des Hydroxylamins
Wenn Hydroxylamin in saurer Lösung mit einem Überschuß von Eisen(III)-salzlösung gekocht wird, so wird es nach der Gleichung: 2 N H 2 O H + 4 F e v - * N 2 0 f + 4 F e 2 + + H 2 0 + 4 H+ zu Distidcstoffoxyd und Wasser oxydiert, während eine äquivalente Menge Eisen(III)-ionen zur Eisen(II)-stufe reduziert wird. Die Eisen(II)-ionen können dann mit Kaliumpermanganatlösung titriert werden. Man muß aber einen genügend großen Uberschuß an Eisen(III)-sulfat verwenden, weil sonst folgende störende Nebenreaktion eintritt: 4 NH2OH + 3 O, — 6 H 2 0 + 4 NO f . 10. Die Bestimmung des Mangan(IV)-oxids und des Mangans in Eisen, Stahl und manganhaltigen Eisenerzen Die Bestimmung des Mangan(IV)-oxids
beruht darauf, daß das Mangan(IV) bei Erwärmen mit überschüssiger Oxalsäure in schwefelsaurer Lösung zu Mangan(II) reduziert wird: Mn0 2 + C 2 O t + 4 H + Mn2+ + 2 C 0 2 f + 2 H 2 0 . Der Uberschuß an Oxalsäure kann mit Kaliumpermanganatlösung zurücktitriert werden. Die Reduktion des Mangan(IV)-oxids kann auch mit eingestellter, schwefelsaurer Eisen(II)-sulfatlösung vorgenommen werden.
Praktische Durchführung: Der Braunstein wird staubfein gepulvert (äußerst widitigl). Etwa 0,5 g davon werden abgewogen und in einen mit einem Trichter verschlossenen Erlenmeyerkolben gebracht. Aus einer Pipette werden dann 100 ml 0,1-n Oxalsäure bekannten Titers sowie 10 ml 4-n Schwefelsäure hinzugegeben. Auf dem Wasserbad wird so lange erwärmt, bis aller Braunstein zersetzt und nur noch die Gangart zurückgeblieben ist. Dann wird mit heißem Wasser verdünnt und die überschüssige Oxalsäure mit Kaliumpermanganatlösung zurücktitriert.
1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung entspricht 1 / 2 0 Millimol Oxalsäure und damit auch 1 / 20 Millimol Braunstein,
70
Die Manganometrie
also 4,347 mg M n 0 2 . Man berechnet den Prozentgehalt des Braunsteins an M n 0 2 . Die Bestimmung des Mangans im Roheisen, im Stahl nnd in manganhaltigen Eisenerzen: Die eben beschriebene manganometrische Titration des Mangan(IV) hat in den Laboratorien der Eisenindustrie eine sehr wichtige Anwendung erfahren, die außerdem auf der Möglichkeit der Oxydation des Mangan(II)-ions zu Mangan(IV)-oxid mit Hilfe geeigneter Oxydationsmittel, wie Kaliumdilorat (nach Hampe, 1883/85) und Kaliumperoxo-disulfat (nach Knorre, 1901), beruht: Mn2+ + S . A 2 - + 2 H 2 0 MnOs 4- + 2 SOi2- + 4 H + . Das ausgeschiedene Mangan(IV)-oxid wird filtriert, gewaschen und, wie geschildert, titriert. Die Methode eignet sich zur Bestimmung des Mangans in Roheisen, Ferromangan, Manganlegierungen und Manganeisenerzen. 11. Die Bestimmung des Mangan(ü) Wird eine fast neutrale, nur ganz schwach saure Mangan(II)-salzlösung bei etwa 80°—90° C mit Kaliumpermanganatlösung versetzt, so oxydiert das Permanganation die Mangan(II)-ionen zu Mangan(IV)-oxidhydrat und wird dabei selbst zu der gleichen Verbindung reduziert, die als dunkelbrauner Niederschlag ausfällt (Guyard, 1863): 2 MnCV + 3 Mn 2+ + 7 H 2 0 -»• 5 MnO, • H 2 0 | + 4 H + . D a aber das Mangan(IV)-oxidhydrat seiner Struktur nach eine Gallerte und seinem chemischen Charakter nach eine schwache Säure ist, so nimmt es leicht Bestandteile aus der Lösung auf, und zwar besonders Kationen, von denen wiederum die der Oxydationsstufe + 2 bevorzugt sind. Man beobachtet einen zu geringen Kaliumpermanganatverbrauch, der daher rührt, daß noch nicht oxydierte Mangan(II)ionen mit dem Mangan(IV)-oxidhydrat unlösliche „Man+ 2
+4
gan(II)-manganite" etwa von der Formel Mn(HMn0 3 ) 2 bilden, so daß ein gewisser Teil des Mangan(II)-salzes der Oxydation durch das Kaliumpermanganat entzogen wird. Diesem Ubelstand kann man aber nach Volhard (1879) dadurch abhelfen, daß man von vornherein reichlich fremde
Die Bestimmung des Mangans
71
Kationen mit der Oxydationszahl + 2, z. B. Zinkionen, in Form einer Zinksulfatlösung hinzusetzt. Dann fallen nämlich an Stelle der Mangan(II)-manganite Zinkmanganite aus. Liegen zur Analyse Auflösungen von eisenhaltigen Manganerzen oder Manganlegierungen (in Schwefelsäurel) vor, so muß das zuvor zur Eisen(III)-stufe oxydierte Eisen aus der in der Kälte mit Natriumkarbonat fast vollständig neutralisierten Lösung entfernt werden. Das geschieht am besten durch Zugabe von auf geschlämmtem Zinkoxid: Fe 2 (S0 4 ) 3 + 3 ZnO + 3 H z O
3 ZnS0 4 + 2 Fe(OH) s |
Praktische Durchführung nach W. M. Fischer (1909): Die neutrale oder neutralisierte Mangan(II)-salzlösung wird in einem Meßkolben von 500 ml Inhalt mit 1—1,5 g aufgeschlämmten Zinkoxid sowie mit einer Lösung von 5—10 g Zinksulfat versetzt und der Kolben mit Wasser aufgefüllt. Alles wird gut durchgemischt. Entweder filtriert man nun durch ein trockenes Filter und einen trockenen Trichter in ein trockenes Becherglas, verwirft die ersten 10—20 ml des Filtrates und verwendet von dem später ablaufenden Filtrat je nach der Manganmenge 100—200 ml zur Mangantitration, oder man läßt absitzen und pipettiert vorsichtig von der über dem Bodenkörper stehenden klaren Flüssigkeit 100 bzw. 200 ml in einen Erlennieyerkolben ab. Die noch etwas verdünnte, zum Sieden erhitzte Lösung wird schnell, unter ständigem Umschwenken, so lange mit 0,1-n Kaliumpermanganatlösung versetzt, bis die überstehende Lösung nach dem Absitzen des Niederschlages schwach rosa bleibt. Wir befinden uns jetzt aber erfahrungsgemäß, wohl wegen einer geringen Adsorption von Mangan(II)-salz an dem überschüssigen Zinkoxid, noch kurz vor dem eigentlichen Endpunkt! Dann wird mit 1 ml Eisessig angesäuert (das Zinkoxid löst sich, die Mangan(II)-ionen werden frei!) und zu Ende titriert. — Zinkoxid, Zinksulfat und Eisessig dürfen selbstverständlich für sich kein Kaliumpermanganat verbrauchen. Durch eine blinde Probe überzeugt man sich davon! Erfahrungsgemäß erhält der Anfänger bei der Bestimmung von Mangan nach der Methode von Volhard oft unbefriedigende Ergebnisse. Es wird daher empfohlen, bei der Durchführung der Titration die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. z. B. [13], [54]): 1. Die Titration muß schnell ausgeführt werden. Am besten bestimmt man zuerst durch eine
72
Die Manganometrie
rohe Titration den ungefähren Kaliumpermanganatverbraudi und läßt dann bei der zweiten genauen Titration die Hauptmenge an Kaliumpermanganat auf einmal zufließen. 2. Die Lösung soll bei der Titration stets kochend heiß sein. Es ist daher zweckmäßig, die Lösung nadh der Zugabe der Hauptmenge der Kaliumpermanganatlösung noch einmal kurz aufzukochen. 3. Der Endpunkt der Titration (schwache Rosafärbung der Lösung über dem Niederschlag) ist gut zu erkennen, wenn man der Lösung einen kleinen Uberschuß von aufgesdilemmtem Zinkoxid zusetzt, titriert und nach kräftigem Umschütteln unter Schrägstellung des Titrierkolbens den Niederschlag absitzen läßt. Am oberen Flüssigkeitsrand ist so schnell und sicher zu erkennen, ob die Lösung schon Rosafarbe zeigt. Besonders in Gegenwart von Sulfationen soll der Verbrauch an Kaliumpermanganatlösung geringer sein als dem theoretischen Wert entspricht. Die C h e m i k e r k o m m i s s i o n des V e r e i n s D e u t s c h e r E i s e n h ü t t e n l e u t e hat aus diesem Grunde ein modifiziertes Verfahren ausgearbeitet (1913). Das Eisen wird hiemach in der s a l z s a u r e n Lösung mit Zinkoxid gefällt. Dem Filtrat wird noch ein kleiner Uberschuß Zinkoxid zur Bindung der bei der Titration entstehenden Salzsäure zugesetzt und anschließend mit Kaliumpermanganat titriert (vgl. [54], [114]). Nach Reinitzer und Conrath (1926) läßt sich der Zusatz von Zinkoxid und Zinksulfat ganz entbehren, wenn man in schwach essigsaurer, durch viel Natriumacetat gepufferter Lösung arbeitet. Denn im Verlauf der Titration entsteht, wie die Reaktionsgleichung erkennen läßt, freie Mineralsäure, die den Reaktionsablauf hemmt. Das Natriumacetat führt nun die mineralsaure Lösung in eine essigsaure, also in eine solche von sehr niedriger Wasserstoffionenkonzentration über und erhält diese während der ganzen Reaktionsdauer. Dadurch werden die günstigsten Bedingungen für die Entstehung eines von niederen Oxiden freien Mangan(IV)-oxidhydrats geschaffen. Außerdem wird durch die Gegenwart der vielen Natrium-Ionen die Entstehung von Natriummanganiten begünstigt, die Bildung von Mangan(II)-manganiten aber verhindert, und der große Elektrolytüberschuß koaguliert das anfänglich kolloidal gelöste
Die Bestimmung des Mangans
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Mangan(IV)-oxidhydrat, läßt also den Endpunkt besser erkennen. Endlich werden etwa anwesende Eisen(III)ionen in der Siedehitze als basische Acetate gefällt. Bei Gegenwart von Eisen muß auf die Abwesenheit von Chloridionen geachtet werden, da sonst erfahrungsgemäß zuviel Permanganatlösung verbraucht wird. Die Erkennung des Endpunktes läßt sich, zumal dann, wenn viel Eisen zugegen ist, dadurch, daß man vor der Titration auch noch Kaliumfluorid hinzusetzt, sehr erleichtem. Es scheidet sich dann der größte Teil des Eisens als schweres, weißes K s [ F e F „ ] , ab. Außerdem fällt das Mangan(IV)-oxidhydrat in Gegenwart von Kaliumfluorid als dichter, dunkel gefärbter Niederschlag aus, der sich verhältnismäßig rasch absetzt. Praktische Durchführung nach B. Reinitzer und P. Conrath: Als Beispiel diene die Analyse eines Weißeisens (etwa 3 % Mn). Die Einwaage (hier 4—5 g) wird in Schwefelsäure (d = 1,12), zuletzt in der Siedehitze, gelöst, die heiße Lösung zur Oxydation der Eisen(II)-ionen mit 5 ml konzentrierter Salpetersäure versetzt und bis zur Entfernung der Stickoxide ausgekocht. Nach dem Erkalten wird die Lösung in einem Meßkolben auf 1 Liter verdünnt. Man entnimmt ihr einen aliquoten Teil, z. B. 50 ml, neutralisiei t ihn annähernd mit Sodalösung und läßt ihn schnell in eine zum Sieden erhitzte, ganz schwach essigsaure Lösung von 5 g reinstem, karbonatfreiem Natriumacetat und 5 g Kaliumfluorid in etwa 400 ml Wasser einlaufen. Der hier entstehende Niederschlag ( K , [ F e F J und basisches Eisen(III)-acetatl) setzt sich nach einigem Umschwenken rasch ab. Darauf wird, wie oben beschrieben, mit 0,1-n Kaliumpermanganatlösung titriert. Gegen Ende der Titration ist es zweckmäßig, nochmals aufzukochen, um die Beständigkeit der Entfärbung feststellen zu können. Auch hier dürfen natürlich die verwendeten Reagenzien selbst kein Kaliumpermanganat verbrauchen. Es ist vorteilhaft, den Titer der 0,1-n Kaliumpermanganatlösung je nach der Anwendung des Arbeitsverfahrens in gleicher Weise auf eine Mangan(II)-salzlösung bekannten Gehalts einzustellen. 1 ml 0,1-n Kaliumpermanganatlösung zeigt 3/ioo Millimol Mangan, also 1,648 m g Mn oder 2 , 1 2 8 mg MnO an.
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Die Kaliumdichromatmethode V. Die Kaliumdichromatmethode
1. Die Oxydationswirkung des Kaliumdidiromats Die Schwierigkeit der Endpunktserkennung
W i e das Mangan mit der Oxydationszahl + 7 der Permangansäure, so wird auch das Chrom mit der Oxydationszahl + 6 der Chromsäure durch eine große Anzahl von Reduktionsmitteln in saurer Lösung reduziert. Man macht von dieser Eigenschaft der Chromsäure ja Gebrauch bei der Reinigung von Glasgefäßen mit Chromschwefelsäure (S. 30). Das in saurer Lösung beständige Dichromation wird dabei unter Mitwirkung von Wasserstoffionen und unter Aufnahme von sechs Elektronen — drei für jedes Chrom(VI) — , die das jeweilige Reduktionsmittel liefert, nach der Gleichung: C r 2 0 7 2 - + 1 4 H + + 6 £ -*• 2 Cr* 4 , + 7 H a O zum Chrom(III)-ion reduziert. Die Wasserstoffionen werden unter Wasserbildung verbraucht. Die praktische Bedeutung der Methode ist aber nur gering, obwohl durch Abwägen von chemisch reinem Kaliumdichromat und Auflösen desselben in einem bekannten Volumen ohne weitere Titerstellung bequem eine Lösung bestimmten Wirkungswertes erhalten werden kann, obwohl Kaliumdichromatlösungen titerbeständig sind und mit ihnen auch die Titration in salzsauren Lösungen keine Schwierigkeiten bereitet, alles Vorzüge gegenüber der Manganometrie! Trotzdem wird die Dichromatmethode in der Hauptsache nur zur Bestimmung von Eisen(II)-salzen verwendet. Der Grund dafür ist in der schwierigen Erkennbarkeit des Titrationsendpunktes zu suchen. Aus den orangeroten Dichromationen entstehen im Laufe der Reaktion in zunehmendem Maße die smaragdgrünen Chrom(IlI)-ionen. Bis vor kurzem war man mangels eines geeigneten Indikators auf die sogenannte T ü p f e l r e a k t i o n angewiesen, d. h., man mußte der zu titrierenden Lösung (z. B. einer Eisen(Il)-salzlösung) gegen Ende der Bestimmung von Zeit zu Zeit einen Tropfen entnehmen und ihn mit
Die Oxydationswirkung
75
Hilfe einer geeigneten Reagenslösung, des „Tüpfelindikators" (hier einer K 3 [Fe(CN)„] -Lösung) darauf prüfen, ob er noch die zu titrierende Ionenart (hier die Eisen(II)ionen) enthalte. 1924 hat aber J. Knop in einer farblosen Lösung von 0,2 g Diphenylamin in 100 ml stickoxidfreier konzentrierter Schwefelsäure einen geeigneten Indikator gefunden, von dem jedesmal vier Tropfen der zu titrierenden Lösung hinzugefügt werden. Bei geringstem Uberschuß an DichromatIonen färbt sich der Indikator über grüne Zwischenfärbungen hinweg tief violett. Schon 0,1 ml einer 0,1-n Kaliumdichromatlösung genügt, um 100 ml Wasser mit vier Tropfen Indikatorlösung violett zu färben. Das Diphenylamin bildet ein typisches Beispiel für einen echten R e d o x i n d i k a t o r (Michaelis [103], vgl. z. B. auch [22]) mit reversiblem Umschlag, d. h. für einen Indikator, dessen Wirkung nicht vom spezifischen Charakter des oxydierenden bzw. reduzierenden Agens, sondern von der gegenseitigen Lage der Oxydationspotentiale (s. S. 47) des zu titrierenden Systems und des Indikators abhängt. Redoxindikatoren sind ganz allgemein leicht reversibel oxydierbare und reduzierbare organische Farbstoffe, deren reduzierte Form meist farblos ist. Derartige Verbindungen eignen sich als Indikatoren für die Endpunktbestimmung einer Redoxtitration, wenn das beim Farbumschlag gemessene „Umschlagspotential" mit dem „Äquivalenzpotential" (vgl. XXI, S. 272) am Äquivalenzpunkt der Titration übereinstimmt oder wenigstens innerhalb des Potentialbereidies liegt, der durch die potentialbestimmenden Reaktionen vor und nach dem Äquivalenzpunkt eingegrenzt wird. Beachtet werden muß, daß neben dem Elektronenaustausch oft auch HMonen an der dem Farbumschlag zugrunde liegenden Reaktion beteüigt sind, wodurch das Umschlagspotential p H - abhängig wird. Das Diphenylamin also ist kein spezifischer Indikator wie die Stärke in der Jodometrie, sondern könnte z. B. auch bei manganometrischen Titrationen verwendet werden. Andere oxydierend wirkende Säuren, vor allem Salpetersäure und salpetrige Säure, dürfen daher während der Titration nicht zugegen sein, da sie selbst auf den Indikator einwirken würden. In sauren Lösungen wird das Diphenylamin nach Kotthoff
76
Die Kaliumdidiromatmethode
und Sarver (1930) durch starke Oxydationsmittel zunächst irreversibel zum Diphenylbenzidin oxydiert: H
H
H
H
2 ( HC^ )>C-N—C 0,5 % , Reaktionszeit 10 Minuten, von 0 , 0 2 bis 0,5 % 3 0 Minuten; ein Wassergehalt unter 0,02 % läßt sich nicht bestimmen) in Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Trichloräthylen (5 Minuten), Diäthyläther, Dioxan (5 Minuten), Essigsäureäthylester (5 Minuten) und Pyridin (10 Minuten) bestimmen. Nach Testversuchen liegt die Reproduzierbarkeit der Meßwerte meist zwischen ± 0,2 und - 1,5 % , in ungünstigen Fällen (bei geringem Wassergehalt und manchmal in Abhängigkeit vom Lösungsmittel) wurden Abweichungen bis zu ± 3 % beobachtet. Soll der Wassergehalt von A c e t o n bestimmt werden, muß an Stelle von Ammoniak die organische Base Acridin zugesetzt werden. In diesem Fall können nur die Reaktionen 2 — 4 ablaufen. Das Verhältnis V : H 2 O beträgt dann 1 : 1,8. Die B e s t i m m u n g erfolgt wie beschrieben, nur die Auflösung des Niederschlages in der Schwefelsäure ist unvollständig. Es bleibt ein Niederschlag von Acridinsulfat zurück, der noch Acridindekavanadat festgehalten haben kann. Man zerdrückt größere Kristalle mit dem Glasstab und behandelt dann den Rüdestand mit Wasser, in dem Acridinsulfat wesentlich besser löslich ist als in Schwefelsäure. l m l 0,1-n Eisen(II)-sulfatlösung entspricht 3,234 mg H 2 0 .
Die Oxydationswirkung des Kaliumbromats
89
Das Wasserbestimmungsverfahren ist, ähnlidi wie das Karl-Fischer-Verfahren (s. S. 106), fast universell anwendbar. Die Bestimmung wird nur von stark sauren und stark reduzierend wirkenden Stoffen gestört. Der Umsatz mit dem Wasser erfolgt exakt stöchiometrisch. Eine Titerstellung erübrigt sich, da die Reagenzlösung immer im Uberschuß zugesetzt wird. Außerdem ist die Lösung beständig und bleibt auf Grund ihrer Eigenschaften stets wasserfrei. VII. Titrationen mit Kaliumbromat 1. Die Oxydationswirkung des Kaliumbromats Die Anwendung des Kaliumbromats zu oxydimetrischen Titrationen beruht auf seiner Eigenschaft, auf gewisse Reduktionsmittel, wie Verbindungen des Arsen(III), des Antimon(III), des Zinn(II), des Kupfer(I) und Thallium(I), oder auch z. B. auf Hydrazin in saurer Lösung nach dem Schema: BrCV + 6 H + + 6 £ -v Br" + 3 H 2 0 oxydierend zu wirken und selbst zum Bromid reduziert zu werden. Die Titration des Arsen(III) verläuft also z. B. folgendermaßen: BrO," + 3 As5* + 6 H + ^ Br" + 3 AsB+ + 3 H 2 0 oder Br0 3 " + 3 As0 3 -»- Br" + 3 As0 4 . Für die Erkennung des Äquivalenzpunktes macht man von der Einwirkung der ersten überschüssigen Bromationen auf die in der Lösung während der Titration entstandenen oder bereits vorher absichtlich hinzugesetzten Bromionen Gebrauch, die darin besteht, daß unter Mitwirkung von Wasserstoffionen eine Oxydation zu elementarem Brom einsetzt: BrCV + 5 Br" + 6 H + 3 H s O + 3 Br2. Sobald also der Endpunkt überschritten wird, färbt sich die zunächst farblose Lösung unter Ausscheidung von Brom schwach gelb. Da aber das Brom in geringen Konzentrationen an seiner eigenen Farbe nur schlecht zu er-
90
Titrationen mit Kaliumbromat
kennen ist, setzt man als Indikatoren gewisse Farbstoffe, wie Methylorange oder Methylrot hinzu, die durch das erste auftretende Brom entfärbt werden. Die Farbstoffe werden durch das Brom zerstört, die Reaktion ist also irreversibel, und da sie zu ihrem Ablauf eine gewisse Zeit erfordert, muß man die Bromatlösung gegen Ende der Titration langsam und tropfenweise hinzugeben. Kurz vor dem Endpunkt setzt man der Lösung zweckmäßig noch einmal einen Tropfen Indikatorlösung zu, weil ein lokaler Überschuß der Kaliumbromatlösung an der Eintropfstelle mitunter schon ein vorzeitiges Verblassen der Indikatorfarbe bewirkt. Die Temperatur soll etwa 40°—60°Cbetragen; dann spricht der Indikator besonders rasch an. — Auch Chinolingelb eignet sich bei Tageslicht oder bei Belichtung mit Tageslichtlampen vorzüglich zur Erkennung des Endpunktes. Die Entfärbung von Chinolingelb durch Oxydation ist sogar kurze Zeit nach dem Zusatz eines kleinen Bromatüberschusses noch reversibel und kann z. B. durch einige Tropfen Arsen(III)-oxidlösung wieder rückgängig gemacht werden. 2. Die Bereitung der Kaliumbromatlösong Da sich Kaliumbromat durch mehrfaches Umkristallisieren und Trocknen bei 180° C in genügender Reinheit gewinnen und auch ohne Schwierigkeiten abwägen läßt, bereitet man sich eine 0,1-n Lösung, indem man Vso Mol, also 2,7835 g KBrOs zum Liter auflöst. Das Salz darf keine Bromionen enthalten, da Bromat- und Bromionen für sich in saurer Lösung bereits freies Brom bilden würden (Reaktionsgleichung S. 89). Zur Reinheitsprüfung werden 5 ml l % i g e r Kaliumbromatlösung mit 2 ml 4-n Schwefelsäure und 1 Tropfen 0 , l % i g e r Methylorangelösung versetzt. Die rosa Farbe darf, wie Kolthoff [80] angibt, noch nach zwei Minuten nicht verschwunden sein. Kaliumbromatlösungen ständig.
sind gut haltbar und titerbe-
Die Bestimmung des Wismuts nach Reißaus
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3. Die Bestimmung des Arsen(III) und des Antimon(III) nach St Györy1) Die Reaktion ist auf S. 89 bereits formuliert worden. Das Arsenit- bzw. Antimonition wird zum Arsenat- bzw. Antimonation oxydiert. Praktische Durchführung: Die Lösung des Alkaliarsenits bzw. -antimonits wird mit Salzsäure stark angesäuert; die Lösung soll an Säure 1—2 normal sein. Nach Zugabe von 1—2 Tropfen 0,l%iger Methylorangelösung wird auf 50° C erwärmt und mit 0,1-n Kaliumbromatlösung bis zur Entfärbung titriert. Man muß dabei ständig kreisend umschwenken, die Bromatlösung gegen Ende der Titration nur langsam zutropfen lassen und kurz vor dem Endpunkt nodi 1 Tropfen Indikatorlösung hinzusetzen. 1 ml 0,1-n Kaliumbromatlösung entspricht 3 / 60 Millimol As bzw. Sb und s/i2o = 1Uo Millimol, also 4,946 mg As2C>3 bzw. 7,288 mg Sb 2 0 3 . 4. Die Bestimmung des Wismuts nach Reißaus2) Das Verfahren beruht auf folgender Grundlage: Zunächst wird die salzsaure Wismutchloridlösung durch metallisches Kupfer reduziert. Dadurch entsteht eine äquivalente Menge Kupfer(I)-chlorid: Bi5* + 3 Cu 3 Cu+ + Bi. Die Kupfer(I)-Ionen werden dann mit Kaliumbromat titriert: BrCV + 6 Cu+ + 6 H + Br" + 6 Cu* + 3 H 2 0 . Drei Kupfer(I)-ionen sind in einem Wismution äquivalent. Die Schwierigkeit der Bestimmung liegt in der außerordentlichen Empfindlichkeit der Kupfer(I)-ionen gegenüber dem Sauerstoff der Luft. Praktisdie Durchführung: Das Wismut wird zunächst als Oxidchlorid abgeschieden, um es von allen Begleitmetallen, wie Kupfer, Arsen und Antimon, zu trennen. Das Wismutoxidchlorid wird filtriert und in einem Erlenmeyerkolben von 500 ml Inhalt mit 30 ml konzentrierter Salzsäure gelöst. Man verdünnt !) 1893 ') 1927
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Die Jodometrie
mit Wasser auf 200 ml, erhitzt unter Durchleiten von Kohlendioxid zum Sieden und gibt nach vollständiger Verdrängung der Luft blanke Elektrolytkupferspäne hinein. Wenn nadi viertelstündigem Kochen ein frisch eingeworfener Kupferspan blank bleibt, wird die Lösung unter Ausschluß der Luft (unter einer Kohlendioxidatmosphäre!) durch eine Glasfrittennutsche in einen mit Kohlendioxid gefüllten Literkolben filtriert, und mit heißem, salzsäurehaltigem Wasser nachgespült. Die Lösung, jetzt etwa 400—500 ml, wird mit 2—3 Tropfen 0,l%iger Methylorangelösung versetzt und heiß mit 0,1-n Kaliumbromatlösung titriert. Der Farbumschlag von Rosa nadi Blau im Äquivalenzpunkt ist nach Angabe von Reißaus gut zu erkennen. 1 ml einer 0,1-n Kaliumbromatlösung zeigt V i o Millimol Kupfer oder 1 / 3 0 Millimol, also 6,966 mg Wismut an.
VIII. Die Jodometrie 1. Die Grundlagen der Jodometrie Eine der vielseitigsten oxydimetrischen Methoden ist die Jodometrie. Diese Vielseitigkeit beruht einerseits auf der oxydierenden Wirkung des elementaren Jods, andererseits auf der reduzierenden Wirkung des Jodidions, denn der grundlegende Vorgang: J2+2e^2J" ist vollkommen umkehrbar. Es gibt also grundsätzlich zweierlei Möglichkeiten in der Jodometrie: 1. R e d u k t i o n s m i t t e l können mit Jodlösung direkt titriert werden. Sie werden unter Reduktion des Jods zum Jodidion selbst oxydiert, z. B.: S2- + J 2 ^ 2 J - + S . 2. O x y d a t i o n s m i t t e l werden mit überschüssiger angesäuerter Kaliumjodidlösung behandelt. Sie werden unter Oxydation der Jodidionen zum elementaren Jod selbst reduziert, z. B.: 2 F e s + + 2 J - ^ J2 + 2Fe2+. Das entstandene Jod wird dann mit der eingestellten Lösung eines geeigneten Reduktionsmittels titriert. Hierzu können dienen: Natriumsulfit, arsenige Säure
Die Grundlagen der Jodometrie
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und Natriumthiosulfat. Dupasquier, der im Jahre 1840 die erste jodometrische Bestimmung durchführte, titrierte das Jod mit schwefliger Säure, ebenso R. Bunsen, der im Jahre 1853 die Aufmerksamkeit der Chemiker auf die von ihm systematisch bearbeiteten Methoden der Jodometrie lenkte. Noch im gleichen Jahre führte Schwarz das Natriumthiosulfat an Stelle der schwefligen Säure in die jodometrische Praxis ein. Heute wird zur Titration des elementaren Jods fast ausschließlich Natriumthiosulfat verwendet. Nur in stärker alkalischen Lösungen benutzt man arsenige Säure. Der Titration des Jods mit Natriumthiosulfat liegt folgender Vorgang zugrunde: 2S2Os2- + J 2 - * S 4 0 6 2 - + 2 J . Das Ion der Thioschwefelsäure wird also zum Ion der Tetrathionsäure oxydiert. Diese Reaktion ist für die Jodometrie von fundamentaler Bedeutung. Die Reduktion des Jods durch Thiosulfat, wobei das letztere zu Tetrathionat oxydiert wird, verläuft nach der angegebenen Gleichung quantitativ nur in neutraler oder schwach saurer Lösung. Durch vorgelegte, mehr oder weniger alkalische Jodlösungen wird das Thiosulfat teilweise bis zur Schwefelsäure weiter oxydiert etwa nach der Gleichung: S 2 O s 2 - + 4 J 2 + 10 OH2 S O / * + 8 J- + 5 H 2 0 . In alkalischen Lösungen erfordert die Reduktion der gleichen Jodmenge sehr viel weniger Thiosulfat als in neutralen oder schwach sauren Lösungen. Man beobachtet also einen Minderverbrauch. Das liegt daran, daß alkalische Jodlösungen ein höheres Oxydationspotential haben als neutrale oder schwach saure Lösungen von Jod, da sie hypojodige Säure, J O H , enthalten. Titriert man vorgelegte Jodlösungen mit Natriumthiosulfatlösung, so hat man also darauf zu achten, daß die Wasserstoffionenkonzentration der titrierten Lösung niemals einen gewissen Minimalwert unterschreitet. Diese untere Grenze der [H + ] liegt nach Angaben von Kolthoff [80] für 0,1-n Jodlösungen bei
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Die Jodometrie
- 2,5.10-® (pH = 7,6), für 0,01-n Jodlösungen bei - 3.10"' (pH = 6,5) und für 0,001-n Jodlösungen bei — 10-6 (pH = 5), steigt also stark mit der Verdünnung. Ferner dürfen natürlich auch Salze wie Natriumkarbonat, Ammoniumkarbonat, sekundäres Natriumphosphat, Borax usw. nicht zugegen sein, weil ihre wäßrigen Lösungen infolge Hydrolyse mehr oder weniger stark alkalisch reagieren. Alle diese Einschränkungen gelten, wenn Jod mit Natriumthiosulfatlösung titriert wird. Läßt man aber umgekehrt die Jodlösung in die Natriumthiosulfatlösung einfließen, so fällt die störende Nebenwirkung der Hydroxidionen fast vollständig fort, weil das eintropfende Jod von den in großem Überschuß vorhandenen Thiosulfationen unter Tetrathionatbildung abgefangen wird, bevor es Gelegenheit findet, mit den Hydroxidionen hypojodige Säure zu bilden. Bei der Titration von Natriumthiosulfat mit Jodlösung veranlassen also geringe Hydroxidionenkonzentrationen, etwa infolge der Gegenwart der genannten Salze, kaum wesentliche Störungen. Ob die umkehrbare Reaktion J2 + 2 e ^ 2 J" nach der linken oder nach der rechten Seite der Gleichung hin quantitativ verläuft, hängt lediglich von der Größe des Oxydations- bzw. Reduktionspotentials des zu bestimmenden Stoffes ab. Ein Reduktionsmittel wird von der Jodlösung oxydiert, wenn sein Oxydationspotential niedriger ist als dasjenige des Jods, ein Oxydationsmittel wird von Jodwasserstoff reduziert, wenn sein Reduktionspotential unter dem des Jodwasserstoffs liegt. Da aber die Größe des Oxydations- bzw. Reduktionspotentials eines beliebigen Oxydations-Reduktionsvorganges stark von der Wasserstoffionenkonzentration, der Temperatur und anderen Faktoren abhängt, ist es möglich, ein und dieselbe Reaktion durch geeignete Wahl der Versuchsbedingungen entweder in Richtung des Oxydations- oder des Reduktionsvorganges quantitativ verlaufen zu lassen. So läßt sich z. B. die Arsensäure in stark saurer Lösung durch Jodidionen quantitativ zu arseniger Säure reduzieren, während arsenige Säure in neutraler oder schwach alkalischer Lösung durch Jod quan-
Die Erkennung des Endpunktes
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titativ zu Arsensäure oxydiert wird. Beide Vorgänge werden durdi die Gleichung: AsO,*" + J2 + H z O ^ AsO/- + 2 H + + 2 Jzum Ausdrude gebracht. Die Verwendung der arsenigen Säure zur Titration von Jod in schwach alkalischer Lösung beruht auf der gleichen Reaktion. 2. Die Erkennung des Endpunktes bei jodometrischen Titrationen. Die Bereitung der Hilfslösungen
Der Endpunkt der jodometrischen Titrationen ist durch das erste Auftreten oder durch das vollständige Verschwinden des Jods gekennzeichnet. Die in der Jodometrie verwendeten Jodlösungen enthalten außer Jod auch Kaliumjodid und damit das tief braun gefärbte, komplexe Trijodidion, [J3]~. Sie erscheinen daher auch in starker Verdünnungen, bis zu etwa 5-10"5-n an Jod, noch gelb gefärbt, so daß ihre Eigenfarbe als Indikator genügen würde. Arbeitet man aber mit sehr verdünnten oder gefärbten Lösungen, so setzt man als Indikator noch eine geringe Menge einer Stärkelösung hinzu. Die Stärke bildet nämlich mit den geringsten Jodspuren eine tiefblaue Verbindung, die J o d s t ä r k e . So lassen sich noch Jodkonzentrationen von 1 bis 2 • 10~5-n erkennen. Die Färbung der Jodstärke übertrifft also die des freien Jods allein noch erheblich. Außerordentlich wichtig jedoch für die analytische Praxis ist die Tatsache, daß diese hohe Empfindlichkeit der Jodstärkereaktion an die gleichzeitige Anwesenheit von Jodidionen, an die Gegenwart von Jodwasserstoffsäure oder löslichen Jodiden gebunden ist. Durch einige Versuche kann man sich sofort davon überzeugen. Läßt man zu ca. 200 ml destilliertem Wasser, das nur mit etwas Stärkelösung versetzt ist, aus einer Bürette gesättigtes Jodwasser — die gesättigte Auflösung von Jod in reinem Wasser ist ca. 1/700-n — hinzufließen, dann beobachtet man erst nach dem Zusatz von mehreren Millilitern eine schwache Blaufärbung der vorgelegten Flüssigkeit. Gibt man jedoch zu dem Wasser außer der Stärkelösung auch etwas Kalium-
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Die Jodometrie
jodidlösung hinzu, so beobachtet man schon nach Zusatz von wenigen Tropfen Jodwasser eine intensive Blaufärbung. Die Konstitution der blauen Jodstärke kann heute nach den Untersuchungen von F. Cramer [28] als geklärt angesehen werden. Die blaue Verbindung, die das Jod mit der Amylose, dem aus unverzweigten Ketten in a-l-4-glucosidischer Bindung
H
OH
bestehenden löslichen Bestandteil der Stärke bildet, gehört zu den „Einschlußverbindungen". Dies sind Verbindungen, deren Aufbau und Zusammensetzung weitgehend durch die räumlichen Verhältnisse und nicht durch die Valenzkräfte bestimmt werden. Die Glucoseketten der Amylose sind nicht geradlinig angeordnet, sondern schraubenförmig aufgewickelt (Fig. 14). In den hierdurch entstehenden kanalartigen Hohlraum ist das Jod eingelagert und zwar nicht in Form von J 2 - Molekülen, sondern als atomare Jodketten (Fig. 15). Die blaue Farbe der J) f) J !
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kanatarligtr Hohlraum
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Fig. 14
Jod-Stärke ist auf eine weitgehende freie Beweglichkeit aller sieben Valenzelektronen, ähnlich wie bei den Metallen, zurückzuführen. Eine zur Endanzeige geeignete Stärkelösung läßt sich folgendermaßen herstellen: 3 g lösliche Stärke werden mit wenig kaltem Wasser in der Reibschale solange verrieben,
Die Erkennung des Endpunktes
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/////////////////////////////////////////A
Fig. 15
bis ein gleichmäßig konsistenter Brei entstanden ist. Dieser Brei wird zu 600 ml siedenden Wassers gegeben und noch einige Minuten gekocht. Dann läßt man in einem schmalen, hohen Gefäß abkühlen und von etwa ungelösten Anteilen absitzen. Die klare Lösung über dem Bodensatz gießt oder hebert man in eine saubere Flasche und setzt einige Milligramme Quecksilber(II)-jodid hinzu, welche die Pilzbildung in der Stärkelösung hintanhalten und ihre Haltbarkeit ganz erheblich erhöhen. Hat man keine lösliche Stärke, so benutzt man Kartoffel- (nicht Weizen-) stärke und arbeitet im übrigen wie angegeben. Die Stärkelösung, von der für jede Bestimmung 1 bis 3 ml verwendet werden, soll mit Jod einen rein blauen Farbton geben. Gelegentlich benutzt man zur Erkennung geringer Jodmengen im Äquivalenzpunkt auch die Eigenschaft des Jods, in sauerstoffreien, mit Wasser nicht mischbaren organischen Lösungsmitteln, wie Tetrachlorkohlenstoff oder Chloroform mit rotvioletter Farbe in Lösung zu gehen. Auch diese Methode der Endpunktserkennung ist sehr empfindlich und kann unter Umständen gewisse Vorteile bieten. Man titriert hier in weithalsigen Flaschen, die sich durch eingeschliffene Glasstopfen verschließen lassen (Jodzahlkolben), arbeitet mit etwa 5—10 ml des organischen Lösungsmittels, und schüttelt den geschlossenen Kolben nach jedem Reagenszusatz kräftig durch. Man braucht für die jodometrischen Bestimmungen eine 0,1-n Jodlösung und eine 0,1-n Natriumthiosulfatlösung, beide mit genau bekanntem Wirkungswert. Ferner benötigt man eine etwa 0,2-n Kaliumjodidlösung (3,3%ig) und zur Endpunktserkennung die bereits ausführlich besprochene verdünnte Stärkelösung. Wegen der hohen 7
Jandei-Jahr, Maßanalyse
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Die Jodometrie
Preise des Jods und des Kaliumjodids wird heute vielfach empfohlen, alle jodometrischen Arbeiten mit 0,01-n Lösungen durchzuführen. 3. Die Bereitung und Einstellung der Natriumthiosulfatlösung Aus der Gleichung: 2S s O, 2 " + J 2 - > S 4 ( V - + 2 J ergibt sich, daß eine 0,1-n Natriumthiosulfatlösung V 10 Mol N a 2 S 2 0 s - 5 H 2 0 im Liter gelöst enthalten muß. Das Salz muß natürlich frei von Verunreinigungen, wie Karbonat, Chlorid, Sulfat, Sulfit, Sulfid und elementarem Schwefel sein. Es läßt sich aber gegebenenfalls durch mehrfaches Umkristallisieren und Trocknen über Calciumchlorid leicht reinigen. Das kristallisierte Natriumthiosulfat ist jedodi im Handel bereits in großer Reinheit zu bekommen. Trotzdem bereitet man sich nur eine ungefähr 0,1-n Lösung, weil die Thiosulfatlösungen erfahrungsgemäß innerhalb der ersten acht bis vierzehn Tage nicht titerbeständig sind. Dafür werden nun mehrere Ursachen als wahrscheinlich angegeben: Die Vermutung, daß im Wasser gelöste Kohlensäure eine Zersetzung des Thiosulfats verursache, konnte durch die Untersuchungen von Kolthoff [80] u. a. nicht bestätigt werden. Als mögliche Ursache für eine Verminderung des Wirkungswertes von Natriumthiosulfatlösungen (Erhöhungen werden seltener beobachtet) kann nach den bisherigen Untersuchungen Oxydation durch Luftsauerstoff angesehen werden. Sie kann durch Spuren von Schwermetallionen, wie Cu2+ oder durch die Stoffwechselvorgänge gewisser Mikroorganismen, hauptsächlich des bacillus thioxydans, katalytisch beschleunigt bzw. ausgelöst werden. Oxydationsprodukte sind das Tetrathionat- und das Sulfation. Eine Titerverminderung kann auch die Gegenwart von H + bewirken, möglicherweise auf Grund der Reaktion ÖSiO, 2- + 6H+ - * 2 Sj062~ + 3H s O; die so entstandenen Pentathionationen zerfallen in Tetrathionationen und Schwefel. Wie weit sich eine Verunreinigung des
Die Bereitung der Natriumthiosulfatlösung
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Natriumthiosulfats mit Polythionaten auf seine Titerbeständigkeit auswirkt, ist noch nicht systematisch untersucht worden. Uber die Frage nach den zahlreichen möglichen Reaktionen in Thiosulfatlösungen, welche offenbar bei zufälliger Gegenwart von kleinen Mengen gewisser Begleitstoffe nach der einen oder anderen Richtung bevorzugt verlaufen können, existiert eine bis in die jüngste Zeit reichende Spezialliteratur, auf welche her verwiesen sei (Literatur hierzu vgl. z. B. [80]). Wegen der Kompliziertheit des Systems und seiner Reaktionsmöglichkeiten haben jedoch auch die vielen sorgfältigen Untersuchungen keine restlos befriedigende Klarstellung bringen können. Zur Haltbarmachung von Thiosulfatlösungen werden empfohlen: E i n Zusatz von 1 g Amylalkohol oder von 0,1 g Quecksilber(II)-cyanid pro Liter Thiosulfatlösung, ferner gründliche Sterilisierung der Lösung durch Einleiten von Wasserdampf (R. A. Kölliker, 1932). Man wägt also ungefähr 0,1 Mol NajSjOs • 5 H 2 0 (M = 248,183), d. h. rund 2 5 g reinsten Natriumthiosulfats, ab und löst zu einem Liter in ausgekochtem, doppelt destilliertem Wasser. Nach etwa achttägigem Stehen ermittelt man den genauen T i t e r der Lösung. D i e Lösung wird gegen Lichteinwirkung geschützt aufbewahrt. Einstellung der 0,1-n Natriumthiosulfatlösung: Als Urtitersubstanzen können dienen Jod, Kaliumjodat, Kaliumdichromat, Kaliumpermanganat u. a. 1. M i t J o d : Genau abgewogene Portionen reinsten Jods werden in Lösung gebracht und mit der Natriumthiosulfatlösung titriert: 2 S2032~+J2 - S 4 0 6 2 - + 2 J - . Das im Handel gelieferte Jod kann noch durch Chlor, Brom und Wasser verunreinigt sein. Es wird durch doppelte Sublimation gereinigt und getrocknet: 10 g reines Handelsjod werden mit 1 g Kaliumjodid und etwa 2 g gebranntem Kalk gemischt und verrieben, und aus einem trockenen Becherglas unter den trockenen Boden eines mit kaltem Wasser gefüllten Rundkolbens sublimiert, der das Becherglas nach obenhin abschließt. Die Sublimation wird — jedoch nunmehr ohne Zusatz von Kaliumjodid und Kalk —, noch einmal wiederholt. Das so gewonnene reine Jod wird in einem Exsikkator mit T
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Die Jodometrie
nicht eingefettetem Deckel über CalciumdJorid aufbewahrt. Der hohe Dampfdrude des Jods erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen für das Abwägen der Jodproben: Man löst in einem Wägegläschen etwa 2 g reines, jodatfreies Kaliumjodid in 2 ml Wasser, wägt das Gläschen, um den Temperaturausgleich abzuwarten, etwa eine Viertelstunde nach der völligen Auflösung des Kaliumjodids, bringt rasch ungefähr 0,3 g Jod hinein, verschließt das Wägegläschen und wägt es wieder zur genauen Feststellung der zugegebenen Jodmenge. Das Jod löst sich sofort in der konzentrierten Kaliumjodidlösung. Das gewogene Wägegläschen wird nun in einen mit etwa 300 ml Wasser und etwa 1 g Kaliumjodid beschickten Erlenmeyerkolben gebracht, und zwar derart, daß man es während des Hineingleitens in den sdiräg gestellten Kolben öffnet und den Deckel nachwirft. Dann wird sofort mit der Natriumthiosulfatlösung, die sich in einer Glashahnbürette befindet, titriert Wenn die Jodlösung nur noch ganz schwach gelb gefärbt ist, gibt man 2 ml Stärkelösung hinzu und titriert die nunmehr dunkelblaue Lösung bis zur völligen Entfärbung. Der Normalfaktor der Lösung wird auf Grund von drei bis vier gut übereinstimmenden Titrationen berechnet. 1 ml einer genau 0,1-n Natriumthiosulfatlösung zeigt Vi« Milligrammäquivalent, also 12,690 mg Jod an. Die Berechnung des Normalfaktors erfolgt in der für die Einstellung der Kaliumpermanganatlösung beschriebenen Weise (s. S. 53). 2. K a l i u m j o d a t wird in schwach saurer Lösung durch überschüssiges Kaliumjodid zu Jod reduziert, das mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden kann: JO," + 5J" + 6 H + -> 3 J 2 + 3 H 2 0 . Das Kaliumjodat ist bereits in sehr großer Reinheit im Handel erhältlich; durch mehrmaliges Umkristallisieren aus Wasser und durcii Trocknen bei 180° C kann es völlig rein erhalten werden. Es läßt sich auf der Waage ausgezeichnet handhaben. Eine Menge von 0,08—0,1 g Kaliumjodat wird genau abgewogen und in einem Erlenmeyerkolben in etwa 200 ml Wasser gelöst. Nach Zugabe einer Auflösung von ungefähr 1 g Kaliumjodid wird mit verdünnter Salzsäure angesäuert und mit Natriumthiosulfatlösung, wie oben beschrieben, titriert. 1 ml einer genau 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht Vio Milligrammäquivalent, also 3,567 mg KJO a .
Die Bereitung der Natriumthiosulfatlösung
101
3. Die Methode der Titerstellung mit K a l i u m d i c h r o m a t (vgl. G. Jander und H. Beste, 1924) beruht darauf, daß das Chrom(VI) des Kaliumdichromats durch konzentrierte Salzsäure zum Chrom(III) reduziert wird, während eine äquivalente Menge von Chlorwasserstoffsäure zu Chlor oxydiert wird: Cr s 0 7 2 " + 6C1" + 14 2Cr s + + 7 H 2 0 + 3C1 S . Schon R. Bunsen (1853), der diese Methode entwickelte, nahm die Reaktion in einer kleinen, geschlossenen Destillationsapparatur vor, die das entwickelte Chlor überzutreiben und in einer Vorlage mit überschüssiger Kaliumjodidlösung aufzufangen gestattete. Hierin scheidet sich eine äquivalente Jodmenge ab: C12 + 2 J - ^ J 2 + 2C1", die mit der Natriumthiosulfatlösung titriert werden kann. Die Gewinnung eines analysenreinen Kaliumdichromats ist bereits beschrieben worden (s. S. 77). Aus Gründen, welche an späterer Stelle (s. S. 122) näher auseinandergesetzt sind, erfolgt die Titerstellung am besten mit Hilfe der ebenfalls dort (Fig. 17, S. 123) abgebildeten und beschriebenen Apparatur. Etwa 0,1 g reines Kaliumdichromat wird aus einem längeren Wägeröhrchen in den Zersetzungskolben eingewogen. Statt dessen kann man auch 5—10 ml einer 0,5—0,25-n Kaliumdichromatlösung genau bekannten Wirkungswertes einpipettieren. Der Tropftrichter wird mit 40 ml konzentrierter Salzsäure beschickt. In den Erlenmeyerkolben sowie in das P61igotrohr, die beide von außen mit Eiswasser gekühlt werden, gibt man insgesamt 40 ml einer etwa 0,2-n Kaliumjodidlösung. Dann wird der Tropftrichter mit einem Kohlendioxidentwidder verbunden, der Schliffhahn geöffnet und die Salzsäure durch das Kohlendioxid in das Kölbchen gedrückt. Während der Bestimmung soll dauernd ein ganz langsamer Kohlendioxidstrom durch die Apparatur gehen. Schließlich wird langsam bis zum eben beginnenden Sieden erhitzt und 30—40 Minuten lang destilliert. Nadi beendeter Destillation wird der Inhalt des Peligotrohres in den Erlenmeyerkolben hinübergespiilt und das ausgeschiedene Jod mit der Natriumthiosulfatlösung titriert. Aus mehreren Einzeltitrationen wird der Normalfaktor berechnet. 1 ml einer genau 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht Yio Milligrammäquivalent, also 4,903 mg K 2 Cr 2 0 T . Zulkowski (1868) hält die Chlordestillation für überflüssig. Er gibt die Lösungen des Kaliumdichromats, der Salzsäure und
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Die Jodometrie
des Kaliumjodids zusammen und titriert das ausgeschiedene Jod: Cr 2 0 7 2 - + 14H + + 6J" 2 0 * + + 3J S + 7 H 2 0 in dem Lösungsgemisch direkt mit der einzustellenden Natriumthiosulfatlösung. Wenn man diese Methode verwendet, so muß man jedoch auf die Ausschaltung einer Reihe von Fehlermöglichkeiten bedacht sein. Die Reaktion zwischen Chromsäure und Jodwasserstoffsäure verläuft nämlich nur in konzentrierten und genügend stark angesäuerten Lösungen quantitativ zu Ende. Vor allem aber erfordert sie einige Zeit zum vollständigen Ablauf. Man darf also die Titration mit der Natriumthiosulfatlösung nicht unmittelbar nach der Zugabe der Dichromatlösung zur angesäuerten Kaliumjodidlösung vornehmen, sonst bewirkt die noch unangegriffene freie Chromsäure einen Mehrverbrauch an Thiosulfat, dessen Zustandekommen noch nicht näher geklärt werden konnte. Es wird angenommen, daß bei zu großer Säurekonzentration die Oxydation von Jodid durch den Luftsauerstoff für den Mehrverbrauch verantwortlich ist. Die Titration wird aus diesem Grunde vielfach unter einer Kohlendioxid-Atmosphäre durchgeführt, die man durch Zugabe von Natriumhydrogenkarbonat zur Lösung erzeugt Die praktische Durchführung der Titerstellung gestaltet sich folgendermaßen: In einen von außen mit Eiswasser gekühlten Erlenmeyerkolben werden 40 ml etwa 0,2-n Kaliumjodidlösung und 40 ml konzentrierter Salzsäure gebracht. Dann wird etwa 0,1 g Kaliumdichromat genau abgewogen, in wenig Wasser gelöst und zu der salzsauren Kaliumjodidlösung hinzugegeben. Erst nach 15—20 Minuten langem Stehen wird das ausgesdiiedene Jod mit der Natriumthiosulfatlösung titriert. Der Endpunkt ist erreicht, wenn die Lösung nicht mehr durdi die Jodstärke blau, sondern nur noch durch die Chrom(III)-ionen bläulich-grün gefärbt ist; er ist nach einiger Übung ganz gut zu erkennen. Bei richtiger Durchführung ergeben sowohl die Bunsensche Destillationsmethode wie auch die Arbeitsweise von Zulkowski ausgezeichnete, miteinander übereinstimmende Resultate. Einfacher — ohne daß wesentlich schlechtere Ergebnisse erzielt werden — titriert man nach Kolthoff (1920) gleich nach Zusatz der Kaliumjodidlösung und der Salzsäure, wenn „die Salzsäurekonzentration wenigstens 15 ml 4-n auf 100 ml entspricht".
Die Bereitung und Einstellung der Jodlösung
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Höchstens um 0,5°/oo zu hoch soll der Wirkungsgrad der Natriumthiosulfatlösung gefunden werden, wenn eine genau abgewogene Kaliumdichromatmenge in so viel Wasser gelöst wird, daß die Lösung etwa 0,1-n ist. J e 50 ml dieser Lösung werden mit 12—13 ml 25%iger Salzsäure, sowie mit 10 ml 1-n Kaliumjodidlösung versetzt und nadi vollkommener Durchmischung mit der Natriumthiosulfatlösung titriert. 4. K a l i u m p e r m a n g a n a t wird nach Volhard (1879) durch angesäuerte Kaliumjodidlösung nach der Gleichung: 2 M n C V + 10 J " + 16 H + - > 2 Mn 2 + + 5 J 2 + 8 H z O unter Abscheidung einer äquivalenten Jodmenge quantitativ zu Mangan(II)-salz reduziert. Das ausgeschiedene Jod kann mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden. 4. Die Bereitung und Einstellung der Jodlösung Bereitung der 0,1-n Jodlösung: 2 0 bis 2 5 g reinen, jodatfreien Kaliumjodids werden in einem Literkolben in etwa 4 0 ml W a s s e r gelöst und 12,7 bis 12,8 g J o d hinzugegeben. D e r verschlossene Kolben wird ohne weitere Wasserzugabe so lange geschüttelt, bis alles Jod in Lösung gegangen ist. E r s t jetzt wird mit W a s ser bis zur Marke aufgefüllt. W e n n man nämlich zu früh mit viel Wasser verdünnt, geht der noch ungelöste Jodrest nur ganz außerordentlich langsam in Lösung 1 D i e so bereitete ungefähr 0,1-n Jodlösung wird dann mit einer 0,1-n Natriumthiosulfatlösung bekannten Gehalts oder mit arseniger Säure eingestellt. Die Einstellung der 0,1-n Jodlösung erfolgt im allgemeinen durch Titration mit einer Natriumthiosulfatlösung bekannten Gehalts. Als Urtitersubstanz kann aber auch Arsen(III)-oxid dienen, dessen Lösung mit J o d nach der Gleichung: A s ( V - + HaO + J2 AsO/" + 2 H+ + 2 J" reagiert. U m die Reaktion quantitativ zu E n d e zu führen, müssen die entstehenden Wasserstoffionen durch Hydroxidionen neutralisiert werden. Doch darf die Hydroxidionenkonzentration der Lösung nicht so hoch sein, daß die
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Die Jodometrie
Jodlösung unter Bildung von Jodid-, Hypojodit- oder Jodationen verbraucht würde: J2 + 2 O H ' J O - + J" + H 2 0 , und 3 J 2 + 6 O H " -»- J 0 3 " + 5 J" + 3 H a O . Man gibt deswegen zu der Lösung der arsenigen Säure weder L a u g e noch Natriumkarbonatlösung hinzu, sondern man arbeitet in hydrogenkarbonatalkalischer Lösung, in der das Jod durch die Arsenitionen quantitativ reduziert wird: J 2 + AsOs*- + 2 H C O s - ^ 2 J " + A s O / " + 2 C 0 2 f + H a O . R e i n e s A r s e n ( I I I ) - o x i d erhält man durch doppelte Sublimation des im Handel erhältlichen porzellanartigen Arseniks; man sublimiert aus einem Porzellanschälchen auf die Unterseite eines darüber gedeckten Uhrglases. Entsteht dabei ein gelbes Sublimat, so ist Arsen(III)-sulfid zugegen, und das Arsen (Ill)-oxid muß zuvor durch mehrfaches Umkristallisieren — zunächst aus 20%iger Salzsäure, in welcher Arsen(III)-sulfid unlöslich ist, dann aus Wasser — gereinigt werden; die Arsen(III)oxidkristalle werden auf dem Wasserbade getrocknet und dann sublimiert. Die sublimierte arsenige Säure muß vor dem Gebrauch noch etwa einen Tag lang im Exsikkator über Calciumchlorid getrocknet werden. D i e T i t e r s t e l l u n g : 0,1—0,15g reinsten Arsen(III)oxids werden in etwa 10 ml 1-n Natronlauge schnell gelöst. Da jedoch alkalische Arsenitlösungen durch Luftsauerstoff allmählich zu Arsenatlösungen oxydiert werden, muß diese Lösung sofort mit etwa 12 ml 1-n Schwefelsäure angesäuert werden. Es werden nunmehr 2 g reines Natriumhydrogenkarbonat hinzugegeben. Nach Verdünnen auf ungefähr 200 ml und Zugabe des Stärkeindikators wird die Lösung unter kreisendem Umschwenken bis zur bleibenden Blaufärbung mit der Jodlösung titriert. 1 ml einer genau 0,L-n Jodlösung entspricht Vio Milligrammäquivalent, also 4,946 mg As 2 0 3 . 5. Die Bestimmung der Sulfide und der Sulfite Schwefelwasserstoff und Jod reagieren miteinander unter Oxydation der Sulfidionen zu elementarem Schwefel:
Die Bereitung und Einstellung der Jodlösung
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S2- + J . - » 2 J - + S Die direkte Titration von Schwefelwasserstoffwasser mit Jodlösung führt zu schwankenden, stets zu niedrigen Werten, weil der Schwefelwasserstoff während der Titration sich zum Teil verflüchtigt und weil störende Nebenreaktionen stattfinden. Man läßt daher ein bestimmtes Volumen des Schwefelwasserstoffwassers aus einer Pipette in überschüssige Jodlösung einlaufen, und titriert den Überschuß der Jodlösung mit Natriumthiosulfatlösung zurück. Praktische Durchführung: 10—20 ml Schwefelwasserstoffwasser mittlerer Konzentration werden in 50 ml 0,1-n Jodlösung hineinpipettiert, und die Lösung wird auf etwa 200 ml verdünnt. Der Überschuß der Jodlösung wird mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert. Sollte der ausgeschiedene Schwefel braun gefärbt sein, so enthält er noch Jod, das der Titration entgangen ist. Man nimmt dann den Schwefel, der als zusammenhängende Haut auf der Lösung schwimmt, heraus, und schüttelt ihn in einem mit Glasstopfen verschließbaren Fläschchen mit 5 ml Schwefelkohlenstoff. Dieser färbt sich unter Aufnahme des Jods violett. Durch tropfenweise erfolgende Zugabe von 0,1-n Natriumthiosulfatlösung aus einer Bürette bis zur Entfärbung des Schwefelkohlenstoffs läßt sich so auch die im Schwefel eingeschlossene Jodmenge ermitteln und in Rechnung setzen. 1 ml 0,1-n Jodlösung entspricht Vio Milligrammäquivalent, also 1,704 mg H 2 S. Auflösungen von Alkalisulfiden werden in derselben Weise bestimmt. Da die Alkalisulfide vielfach durch Alkalihydroxide verunreinigt sind, die einen Mehrverbrauch an Jodlösung hervorrufen würden, gibt man zu der überschüssigen Jodlösung noch ein wenig Essigsäure. Unlösliche Sulfide können mit Salzsäure in der Wärme zersetzt werden. Der entweichende Schwefelwasserstoff wird durch einen indifferenten Gasstrom, z. B. Stickstoff oder Kohlendioxid, quantitativ in überschüssige 0,1-n Jodlösung übergeführt, die dann mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert wird. Eine geeignete Apparatur zeigt Fig. 17, S. 123. Schweflige Säure und Alkalisulfite: Auch hier erhält man stets fehlerhafte Werte, wenn man direkt mit Jodlösung titriert. Das liegt wieder einerseits an
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Die Jodometrie
der Flüchtigkeit der schwefligen Säure, andererseits aber auch an störenden Nebenreaktionen, welche bei dieser Arbeitsweise eintreten, z. B. wird die durch den Luftsauerstoff bewirkte Oxydation der Sulfitionen zu Sulfationen durch die Titrationsreaktion, also die Oxydation der Sulfitionen durch Jod, in merklicher Weise induziert und beschleunigt. Richtige Werte dagegen erhält man, wenn man eine abgemessene Menge der nicht zu konzentrierten Sulfitlösung in überschüssige Jodlösung hineinlaufen läßt und mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert (Raschig, Ruff; 1904/05). Diese Reaktion geht nach folgendem Schema vor sich: S0 1 2 --i-J, + H s 0 - > S 0 4 2 - + 2 H + + 2 J-. Praktische Durchführung: 10 ml der zu bestimmenden schwefligen Säure werden in einem Meßkolben zu einem Liter verdünnt. 50 ml dieser verdünnten Lösung werden dann in 50 ml 0,1-n Jodlösung hineinpipettiert, und die Lösung wird auf etwa 200 ml verdünnt. Der Jodüberschuß wird mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert. Sind Sulfite zu analysieren, so wird die Jodlösung vor der Zugabe der Sulfitlösung mit Salzsäure schwach angesäuert. 1 ml einer 0,1-n Jodlösung entspricht Vio Milligrammäquivalent, also 3,203 mg S0 2 . 6. Die Wasserbestimmung nach Karl Fischer.1) Grundlagen: Schwefeldioxyd wird von Jod nur oxydiert, wenn Wasser zugegen ist. Nach der Gleichung S 0 2 + J 2 + 2 H 2 0 -v H 2 S 0 4 + 2 H J sind für die Umsetzung 2 Mole Wasser erforderlich. Man kann annehmen, daß erst das durch Reaktion mit einem Mol Wasser gebildete Hydrogensulfit- oder Sulfition: S 0 2 + H 2 0 ^ S 0 2 • H 2 0 ^ HSOs- + H+ ^ SO3 2 - + 2 H + , von elementarem Jod oxydiert wird. Das zweite Mol Wasser liefert hierbei den Sauerstoff für den Aufbau des Sulfations: l ) Vgl. hierzu [34], [35].
Die Wasserbestimmung nach Karl Fischer
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S0 3 2 " + h + H 2 0 S04*- + 2 J- + 2 H + . K. Fischer (1935) hat diese Reaktion für die Entwicklung einer jodometrischen Wasserbestimmungsmethode ausgenutzt, die große praktische Bedeutung gewonnen hat, z. B. für die Bestimmung kleiner Wassermengen in organischen Lösungsmitteln. Die Maßlösung für die titrimetrische Wasserbestimmung, die sogenannte Karl-Fischer-Lösung („KF-Lösung"), besteht aus einem Gemisch der in Gegenwart von Wasser reagierenden Lösungen von Schwefeldioxid in Pyridin und von Jod in Methylalkohol. Pyridin und Methylalkohol haben nach Fischer nur die Funktionen von Lösungsmitteln, Pyridin soll außerdem als Base die bei der Reaktion entstehenden Säuren binden und damit einen quantitativen Ablauf der Reaktion fördern: (C5H5N)2 • S0 2 + J2 + 2 H 2 0 + 2 C 5 H 5 N (C5H5N)2 • H 2 S0 4 + 2 C 5 H 5 N • HJ. Hiernach müßten 2 Mole Wasser einem Mol Jod äquivalent sein. Die Vorgänge, die sich in der KF-Lösung selbst und bei der Reaktion abspielen, sind in Wirklichkeit viel komplizierter, als nach der von K. Fischer formulierten Umsetzungsgleichung vermutet werden kann. An der Umsetzung sind nämlich auch die Lösungsmittel selbst beteiligt, und gerade der von Fischer nur als Lösungsmittel angesehene Methylalkohol spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Dies äußert sich in einer ständigen Abnahme des Titers der KF-Lösung (auch wenn die Einwirkung anderer möglicher Faktoren, wie der Luftfeuchtigkeit, des Luftsauerstoffs oder von Verunreinigungen, ausgeschlossen ist) und in einer möglichen Abweichung der Titrationsergebnisse vom wahren Wert. Für die Größe des Fehlers sind das Methanol/Pyridin-Verhältnis und das Methanol/WasserVerhältnis bei der Titration von entscheidender Bedeutung. Die Mitwirkung des Methanols bei der Karl-FischerReaktion haben D. M. Smith, W. M. D. Bryant und J. Mit-
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Die Jodometrie
chell jr. (1939) nachgewiesen. D a s Methanol kann infolge seiner Wasserähnlichkeit stellvertretend für das Wasser an der Reaktion teilnehmen. Im Gegensatz zu der von Karl Fischer formulierten Umsetzung, nach der zwei Mole H a O einem Mol J 2 in Gegenwart von Methylalkohol äquivalent sein sollen, findet nach Smith, Bryant und Mitchell in erster Stufe nur die Oxydation des SO a unter Bindung von einem Mol Wasser statt: C 5 H s N • S 0 2 + J2 + H 2 0 + 2 C5H5N — C 5 H 5 N • S 0 3 + 2 C 5 H 5 N • HJ. Anschließend läuft in Gegenwart von Methanol die Reaktion g 5 h 5 n • s o 3 + CH3OH »
c5h5n
ab. Das C 5 H 5 N • S 0 3 kann aber auch mit Wasser reagieren: C5H5N • S 0 3 + H , 0 C5H5N • H2S04. E s erscheint hiernach sinnvoll, auf Zusatz von Methanol bei der Karl-Fischer-Titration überhaupt zu verzichten. Warum das nicht möglich ist, erhellt am besten das Verhalten der einzelnen Komponenten der KF-Lösung (vgl. [34]): 1. Jod löst sich in Methylalkohol, ohne seine Oxydationswirkung einzubüßen. In reinem Pyridin löst sich Jod nur in der Hitze, in Gegenwart von S 0 2 auch in der Kälte. In beiden Fällen wird das Jod als Oxydationsmittel unwirksam, vermutlich durch die Umsetzung c5h5n +
j
2
- c
5
h j n - h j .
2. Schwefeldioxid löst sich in Methylalkohol. Eine Verbindungsbildung konnte bisher nicht festgestellt werden. In Pyridin geht das Schwefeldioxid unter Bildung von C 5 H 5 N • S 0 2 in Lösung. 3. Eine Lösung von Jod und Schwefeldioxid in Pyridin ist als KF-Lösung unbrauchbar, denn das Jod ist in kurzer Zeit nach der unter 1. genannten Gleichung unwirksam geworden.
Die Wasserbestimmung nach Karl Fischer
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4. Eine Lösung von Jod und Schwefeldioxid in Mfethylalkohol ist als KF-Lösung ebenfalls nicht brauchbar. Infolge seiner Wasserähnlichkeit kann das Methanol das Wasser bei der Redoxreaktion zwischen J2 und S0 2 vertreten: S0 2 + J2 + 2 CH s OH -> (CH 3 ) 2 S0 4 + 2 HJ. Die Lösung wird aus bisher nicht geklärten Gründen erst bei Zusatz von Pyridin für einen längeren Zeitraum stabil. Entsprechend wird die Lösung von Jod und Schwefeldioxid in Pyridin erst durch Zusatz von Methylalkohol stabil. Vielleicht ist hierfür die stärkere Bindung des S0 2 durch das Pyridin und des J 2 durch das Methanol entscheidend. Als K F - L ö s u n g k a n n a l s o n u r e i n G e m i s c h b e n u t z t w e r d e n , in dem P y r i d i n und Methylalkohol n e b e n e i n a n d e r v o r h a n d e n sind. Nach der Formulierung von Smith, Bryant und Mitchell sollte das Verhältnis H 2 0 : J2 = 1 : 1 sein. Der Jodverbrauch liegt aber praktisch höher (H 2 0 : J 2 = 1 :1,2). Durch systematische Änderung des Pyridin/Methanol-Verhältnisses konnte E. Eberius (vgl. [34]) zeigen, daß hierfür der Gehalt von Methanol verantwortlich ist. Das Verhältnis H 2 0/J 2 verschiebt sich mit steigendem Methanolgehalt in Richtung eines stärkeren Jodverbrauchs. In methanolfreier KF-Lösung ist 1 Mol H 2 0 0,5 Molen J äquivalent. Schon der Zusatz von wenig Methanol verschiebt das Verhältnis nach etwa 1 :1,2. In einem weiten Bereich der Methanolkonzentration bleibt schließlich ein Verhältnis von H 2 0 : J 2 = 1 : 1 , 5 konstant, das folgender Umsetzungsgleichung entspricht: 3 C5H5N • S0 2 + 3J 2 + 2 H 2 0 + 4CH 3 OH + 6 C 5 H 5 N 2 C5H5N
2[HgJ 4 ] 2 -+2 Cl". Verwendet man also überschüssige Jodlösung, so kann der nichtverbrauchte Anteil mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert werden. Praktische Durchführung: 0,2—0,25 g Kalomel werden in einem Erlenmeyerkolben mit l g festem Kaliumjodid und 50 ml 0,1-n Jodlösung so lange geschüttelt, bis eine klare gelbe Lösung vorliegt Dann wird der Jodüberschuß mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung in der üblichen Weise zurücktitriert. 1 ml 0,1-n Jodlösung entspricht V10 Milligrammäquivalent, also 23,604 mg Hg 2 Cl 2 oder 20,059 mg Hg. Quecksilber(II)-sa]ze müssen zunächst, nachdem sie in das komplexe K2[HgJ4] übergeführt wurden: Hg 2+ + 4 J " ^ t H g J 4 ] 2 z. B. mit Formaldehyd zu metallischem Quecksilber reduziert werden: [HgJJ + H C H O + 3 OH"-»-Hg+4 J"+(HCOO)"+2 H 2 0, Das metallische Quecksilber kann dann durch überschüs-
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Die Jodometrie
sige Jodlösung in Gegenwart von Kaliumjodid wieder oxydiert werden: Hg + J2 + 2 J - - > [ H g J 4 ] ^ . Das dazu verbrauchte Jodäquivalent wird durch Rücktitration des überschüssig hinzugesetzten Jods ermittelt. Praktische Durchführung (nach E. Rupp, 1905/07): Eine ungefähr 0,2 g HgCl 2 enthaltende Sublimatlösung wird in einer weithalsigen Flasche mit eingeschliffenem Gasstopfen mit 1—2 g Kaliumjodid versetzt und so lange umgeschwenkt, bis eine klare gelbe Lösung entstanden ist. Diese wird mit 30 ml Wasser verdünnt. Es werden 20 ml 2-n Natronlauge hinzugegeben, und endlich wird ein Gemisch von 3 ml reiner, 40%iger Formaldehydlösung mit 10 ml Wasser unter dauerndem Umschwenken in die alkalische Lösung eingegossen. Die Flasche wird nun verschlossen und zwei bis drei Minyten lang ununterbrochen kräftig geschüttelt (wichtig!). Darauf säuert man mit 20 ml Eisessig an und gibt 30 ml 0,1-n Jodlösung hinzu. Nunmehr wird abermals so lange geschüttelt, bis alles Quecksilber in Lösung gegangen ist. Schließlich wird der Jodüberschuß mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert Das Bestimmungsverfahren ist in der angegebenen Weise möglich, weil Formaldehyd in saurer Lösung durch Jod nicht oxydiert wird. 1 ml 0,1-n Jodlösung entspricht V 10 Milligrammäquivalent, also 13,575 mg HgClj oder 10,030 mg Hg. 10. Die Bestimmung der Jodide Jodide werden zweckmäßig nach dem Verfahren von A. F . Duflos (1845) bestimmt. Die Jodidionen werden durch Eisen(III)-sulfat zu Jod oxydiert: 2 J" + 2 F e 3 + J2 + 2 Fe2+. Das ausgeschiedene Jod wird in überschüssige Kaliumjodidlösung hinüberdestilliert und in der Vorlage mit Natriumthiosulfatlösung titriert. Bromide stören dabei nicht, da sie im Gegensatz zu den Jodiden von Eisen(III)-salzen nicht oxydiert werden. Praktische Durchführung, beschrieben am Beispiel der Analyse von Kaliumjodid: Benutzt wird der durch Fig. 17 (S. 123) dargestellte Destillationsapparat. Etwa 0,3 g Kaliumjodid wer-
Die Bestimmung der Chlorate, Bromate und Jodate
119
den in den kleinen Destillierkolben eingewogen und mit wenig Wasser gelöst. Dann werden ungefähr 1 g festes Ammonium-eisen(III)-sulfat und 10 ml 2-n Schwefelsäure hinzugegeben. Mit Wasser wird nun bis auf ungefähr 50 ml verdünnt und das Kölbchen verschlossen. In dem vorgelegten Erlenmeyerkolben und dem P61igotrohr befinden sich insgesamt etwa 30 ml 0,2-n Kaliumjodidlösung, die noch mit Wasser verdünnt werden. Der Erlenmeyerkolben wird von außen mit Eiswasser gekühlt. Während nun durch das Gaszuleitungsrohr ganz langsam Kohlendioxid eingeleitet wird, erhitzt man den Inhalt des Destillierkölbchens vorsichtig zum Sieden und destilliert so lange, bis keine Joddämpfe mehr übergehen. Der Inhalt der Vorlage wird schließlich mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung titriert. 1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht V 1 0 Milligrammäquivalent, also 12,690 mg J 2 oder 1 6 , 6 0 1 m g KJ. 11. Die Bestimmung der Chlorate, Bromate, Jodate und Perjodate Chlorate werden in Gegenwart von Kaliumbromid in stark salzsaurer Lösung reduziert: C10 3 " + 6 H + + 6 Br" - * 3 Br 2 + Cl" + 3 H 2 0 . Das Brom scheidet dann nach Zugabe von Kaliumjodidlösung eine äquivalente Jodmenge aus, die mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden kann. Exakter ist aber eine Bestimmung der Chlorate nach der Bunsenschen Destillationsmethode (s. S. 121). Praktische Durchführung: 10 ml der etwa 0,2-n Kaliumchloratlösung werden in einer weithalsigen Flasche mit eingeschliffenem Glasstopfen mit 1 g reinem Kaliumbromid und 20 ml konzentrierter Salzsäure vermischt. Die Flasche wird 10 Minuten lang verschlossen stehen gelassen. Dann gibt man 30 ml 0,2-n Kaliumjodidlösung hinzu, verdünnt und titriert mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung. 1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht 1 / 1 0 Milligrammäquivalent, also 2,042 mg KC10 S , 1,408 mg HC10 S oder 1,391 mg CIO,". Bromate werden besser nach J. Volhard argentometrisch be-
120
Die Jodometrie
stimmt, nachdem man sie mit salpetriger Säure reduziert hat (s. S. 222). Sollen sie jodometrisch bestimmt werden, so muß nach Kotthoff (1921) die Salzsäurekonzentration ziemlich hoch, nämlich mindestens 0,5-normal sein. Femer muß man einige Zeit warten, bevor man titriert. Ein Zusatz von 3 Tropfen 1-n Ammoniummolybdatlösung zu dem stark salzsauren Bromat-Kaliumjodidgemisch beschleunigt die Einstellung des Endgleichgewichtes erheblich. Jodate
lassen sich dagegen jodometrisch vorzüglich bestimmen. Denn die Reaktion: J ( V + 5 J" + 6 H+ ->- 3 J 2 + 3 H 2 0 verläuft mit großer Geschwindigkeit.
Praktische Durchführung: Etwa 0,1 g Kaliumjodat wird zusammen mit 3 g Kaliumjodid in etwa 200 ml Wasser gelöst und 20 ml 2-n Salzsäure hinzugefügt. Nachdem gut durchgeschüttelt ist, wird mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung titriert.
1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht Vi0 Milligrammäquivalent, also 3,567 mg KJOs, 2,932 mg HJ0 3 und 2,782 mg J2Os. Perjodate
reagieren in saurer Lösung mit Jodiden nach der Gleichung: J0 4 ~+7 J~+8H + -»-4 J 2 + 4 H 2 0 . Die Titration wird genau so durchgeführt, wie das für die Jodate beschrieben wurde. 1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht Vio Milligrammäquivalent, also 2,399 mg HJ0 4 . 12. Die Bestimmung des Wasserstoffperoxids, der Peroxide, Perkarbonate and Perborate
Wasserstoffperoxid reagiert mit Kaliumjodid in saurer Lösimg nach der Gleichung: H 2 0 2 + 2 J"+2 H + J 2 + 2 H 2 0. Doch verläuft die Reaktion nur mit geringer Geschwindigkeit; durch die Gegenwart geringer Molybdänsäureoder Wolframsäuremengen kann sie nach Brode (1901) katalytisch beschleunigt werden.
Die Bestimmung der höheren Oxyde
121
Praktische Durchführung: 10 ml einer etwa 3%igen Lösung von Wasserstoffperoxid werden in einem Meßkolben auf 250 ml aufgefüllt. Von dieser verdünnten Lösung werden je 25 ml zur Analyse verwendet. Man gibt in eine weithalsige Flasche mit Glasstopfen 30 ml der 0,2-n Kaliumjodidlösung, säuert mit 20 ml 2-n Schwefelsäure an und läßt dann 25 ml verdünntes Wasserstoffperoxid langsam und tropfenweise, unter ständigem Umschwenken der Flasdie, aus einer Pipette zu der sauren Jodidlösung fließen. Die Flasdie wird verschlossen und das Gemisch zur Beendigung der Reaktion etwa }A bis V2 Stunde lang stehen gelassen. Dann wird 0,1-n Natriumthiosulfatlösung langsam und vorsichtig solange titriert, bis die Lösung nur noch schwach gelb gefärbt ist. Schließlich wird die Stärkelösung hinzugegeben und zu Ende titriert. Will man sofort titrieren, so gibt man noch drei Tropfen 1-n Ammoniummolybdatlösung hinzu (Kolthoff, 1921). 1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht V 1 0 Milligrammäquivalent, also 1,701 mg H 2 0 2 . Die jodometrische Bestimmung des Wasserstoffperoxids hat gegenüber der manganometrischen den Vorzug, daß gewisse organische Konservierungsmittel, wie Glyzerin oder Salicylsäure, die im technischen Wasserstoffperoxid enthalten sein können, keinerlei störenden Einfluß haben. Alkali- und Erdalkaliperoxide, Perkarbonate und Perborate werden in entsprechender W e i s e titriert. 13. Die Bestimmung der höheren Oxide Zur Bestimmung einer Reihe von Stoffen, die in zwei verschiedenen, wohldefinierten Oxydationsstufen auftreten können, hat R. Bunsen (1853) ein Destillationsverfahren angegeben. E s beruht darauf, daß bei der Einwirkung von konzentrierter Halogenwasserstoffsäure auf die in der höheren Oxydationsstufe befindlichen Stoffe — z. B. höhere Oxide wie Bleioxid — Halogen in Freiheit gesetzt, in einer geeigneten Apparatur abdestilliert und in gekühlter, überschüssiger Kaliumjodidlösung aufgefangen wird: p b 0 2 + 4 HCl - > P b C l , + 2 H , 0 + Cl 2 f . Das ausgeschiedene Jodäquivalent: Cl 2 4- 2 J " t I S + 2 C 1 wird dann mit Natriumthiosulfatlösung titriert.
122
Die Jodometrie
Als Beispiel für die historische Entwicklung einer Apparatur sei hier etwas ausführlicher auf die Abwandlung eingegangen, die die ursprüngliche von Bunsen benutzte Apparatur im Laufe der Zeit erfahren hat. Bunsen bediente sich für diese Bestimmungen einer einfachen Apparatur, die aus einem runden Zersetzungskölbchen von etwa 50—80 ml Inhalt mit nicht zu engem und kurzem Hals besteht. Der Hals wird durch ein Stück Gummischlauch mit einem längeren, zweimal abgebogenen Überleitungsrohr verbunden, das in den Bauch einer umgekehrten Retorte eingeführt wird, deren Hals eine oder mehrere kugelförmige Erweiterungen besitzt. Der Bauch der Retorte ist vollständig mit Kaliumjodidlösung gefüllt, der Hals mit den kugelförmigen Erweiterungen nur zu einem kleinen Teil. Bei der Destillation soll er die durch die übergehende Luft aus dem Retortenbauch verdrängte Kaliumjodidlösung vollständig aufnehmen können. Fig. 16 veranschaulicht die beschriebene Apparatur. Beim Arbeiten mit dieser Apparatur sind folgende
Fehlermöglichkeiten zu beachten: Einerseits kann die Vorlageflüssigkeit sehr leicht während der Destillation, besonders aber gegen Ende der Bestimmung, in das Zersetzungskölbchen steigen. Andererseits können Jodverluste eintreten, und zwar sowohl infolge von Verdunstung aus dem schwer gut zu kühlenden Retortenhals, als auch nach beendeter Destillation durch das Umgießen der Vorlageflüssigkeit aus der Retorte in ein für die Titration geeignetes Gefäß. Und endlich kann schon während der Beschickung der Apparatur mit einem geringen Chlorverlust gerechnet werden, wenn höhere Oxide bestimmt werden sollen, die bereits durch kalte, konzentrierte Salzsäure schnell angegriffen werden. Man hat daher vielfach versucht,
Die Bestimmung der höheren Oxyde
123
die Apparatur umzugestalten und eine geeignetere zu schaffen (Ulimann, 1894; Marc, 1902; Farsoe, 1907). Aber E. Rupp (1918, 1928) erkannte, daß der Methode außer den apparativen Mängeln auch noch ein prinzipieller Fehler anhaften könne: Das mit den Wasserdämpfen zugleich in die Vorlage hinüberdestillierende Chlor kann merklich nach der Gleichung: 2 H 2 0 + 2 Cl2 ^ 4 HCl + 0 2 in Chlorwasserstoff zurückverwandelt werden und verliert dadurch teilweise seinen jodometrischen Wirkungswert, denn der zugleich entstehende Sauerstoff wirkt nur ganz langsam und träge auf eine angesäuerte Jodkaliumlösung unter Jodabscheidung ein. Er durchstreicht größtenteils wirkungslos die Vorlageflüssigkeit Auf Grund der Überlegung, daß der Anteil des Chlors, welcher durch die genannte Reaktion mit dem Wasserdampf für die Bestimmung verlorengeht, um so kleiner ist, 1. je höher von vornherein die Konzentration des Chlorwasserstoffs im Zersetzungskolben und damit auch in den übergehenden Dämpfen ist (Massenwirkungsgesetz I) und 2. je kürzere Zeit Wasserdampf und Chlor nebeneinander vorhanden sind, bzw. je kleiner der Raum zwischen der Flüssigkeitsoberflädie im Zersetzungskolben und dem Ende des Uberleitungsrohres an der Berührungsstelle mit der Vorlageflüssigkeit ist, wurde
124
Die Jodometrie
dann später die durch Fig. 17 veranschaulichte, verbesserte Destillationsapparatur geschaffen und eine Arbeitsweise angegeben, welche die Chlorreduktion zu vermeiden gestattet und auch das lästige Zurücksteigen der vorgelegten Kaliumjodidlösung verhindert (G. Jander und H. Beste, 1924). Die Zersetzung der Analysensubstanz wird in einem kleinen, birnenförmig gestalteten Destillationskölbchen von etwa 60 bis 80 ml Inhalt vorgenommen, an das ein kurzes, nur 40 cm langes, rechtwinklig nach unten gebogenes Überleitungsrohr seitlich angesetzt ist. In den Hals des Kölbchens ist ein mit einem Glashahn versehener Tropftrichter von etwa 20 ml Inhalt gasdicht eingeschliffen, dessen zu einer Spitze ausgezogenes Ablaufrohr bis fast an den Boden des Kölbchens reicht. Oben ist der Tropftrichter durch ein kurzes, rechtwinklig abgebogenes Glasrohr, das durch einen Gummistopfen führt, mit einem Kohlendioxidentwickler verbunden. Das Uberleitungsrohr reicht von dem Zersetzungskolbchen bis auf den Boden eines etwa 200—300 ml fassenden Erlenmeyerkolbens, in dessen Hals es durch einen doppelt durchbohrten Gummistopfen eingeführt wird. Durch die andere Öffnung des Gummistopfens führt ein kurzes, rechtwinklig gebogenes Glasrohr, das durch ein kurzes Schlauchstück mit einem Peligotrohr — Glas an Glas stoßend — verbunden ist. Erlenmeyerkolben und Peligotrohr dienen zur Aufnahme der vorgelegten, überschüssigen Kaliumjodidlösung und stehen während der Destillation in Eiswasser. In das Zersetzungskolbchen wird die zu bestimmende Substanz eingewogen bzw. als wenig möglichst konzentrierte Lösung einpipettiert. Der Tropftrichter nimmt die zur Zersetzung erforderliche konzentrierte Salzsäure auf, etwa 40 ml. Bei Beginn der Analyse wird die Salzsäure vorsichtig unter dem Druck des Kohlendioxids in das Zersetzungskolbchen gebracht, die Flüssigkeit im Kölbchen zum ganz gelinden Sieden erhitzt und etwa 30 Minuten lang unter langsamem Durchleiten von Kohlendioxid destilliert. Nach beendeter Destillation wird der Inhalt des Peligotrohrs, welcher höchstens eine ganz geringe Jodfärbung zeigen soll, in den Erlenmeyerkolben hinübergespült, und dessen Inhalt mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung titriert. Die Methode ergibt vorzügliche Werte. Ihre Durchführung wurde bereits anläßlich der Titerstellung der 0,1-n Natriumthiosulfatlösung mit Kaliümdichromat beschrieben (S. 101). F. Hahn (1930) treibt das gebildete Chlor mit Tetrachlor-
Die Bestimmung der höheren Oxyde
125
kohlenstoff über und verwendet hierfür ebenfalls eine modifizierte Bunsenapparatur. Nach
der
Bunsen-Methode
können
11. a.
bestimmt
werden (vgl. Tab. 5): Braunstein: M n 0 2 + 4 HCl -»• MnCl 2 + 2 H 2 0 + Cl 2 f Bleidioxid : PbO, + 4 HCl -»• PbCL + 2 H 2 0 + Cl 2 f Sclcnsäurc* H 2 S e 0 4 - f 2 HCl-»- H 2 S e 0 3 + H 2 0 + Cl 2 f Tellursäure: H 2 0 + Cl 2 f u. H 2 T e 0 4 + 2 HCl -> H 2 TeO s + C h l o rKClOj a t e : + 6 HCl -»• KCl + 3 H 2 0 + 3 Cl 2 f .
V a n a d i n s ä u r e läßt sich nadi Holverscheidt (Dissertation, Berlin 1890) nur mit Bromwasserstoffsäure statt Salzsäure einheitlich zum vierwertigen, blauen Vanadylsalz reduzieren: V 2 0 5 + 2 HBr V 2 0 4 + H 2 0 + Br 2 . Hier wird also Brom überdestilliert. Man gibt zu dem in den Zersetzungskolben eingewogenen Vanadat 2 g Kaliumbromid und verfährt im übrigen genau so wie bei den anderen Bestimmungen. C e r (IV) - V e r b i n d u n g e n : Reines Cer(IV)-oxid läßt sich nur durch Jodwasserstoff reduzieren: Ta b e l l e 5 Substanz
MnOa Pb02 K2Se04 K2Te04
KCIO3 V2O6
Ce02
zweckmäßige Einwaage etwa
0,2 0,5 0,3 0,4 0,05 0,2 0,4
g g g g g g g
1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht '/to Milligrammäquivalent, also
4.347 11,959 11,058 13,490
mg mg mg mg
MnO, oder 2,747 mg Mn Pb02 „ 10,359 mg Pb 3,948 mg Se K 2 Se0 4 „ 6,380 mg Te K2Te04 „ 2,043 mg KCIO3 „ 1,391 m g C l O r 5,094 mg V 9,094 mg V 2 O s „ 17,212 mg C e 0 2 „ 14,012 mgCe
126
Die Jodometrie
2 C e 0 2 + 2 KJ + 8 HCl -*• 2 KCl + 2 CeCl 3 + 4 H 2 0 + J 2 . Hier wird also Jod abdestilliert. Man gibt zu dem in den Zersetzungskolben eingewogenen Cer(IV)-salz 2 g Kaliumjodid und destilliert in der üblichen Weise nach Zugabe von 40 ml Salzsäure. 14. Die Bestimmung der Hexacyanoferrate Die der Bestimmung des Hexacyanoferrats(III) zugrunde liegende Reaktion: 2 [Fe(CN) 6 ] J " + 2 J" ^ J 2 + 2 [FeCCN),] 4 " ist umkehrbar und verläuft nur in stark saurer Lösung quantitativ zu Ende. Fr. Mohr (1858) sowie E. Müller und O. Diefenthäler (1910) erreichen durch einen Zusatz von Zinkionen, die mit den [Fe(CN) 9 ] 4 ~ einen schwer löslichen Niederschlag von Zn 2 [Fe(CN) 6 ] bilden, daß die während der Titration entstehenden [Fe(CN) 6 ]*~ dauernd aus der Lösung entfernt werden, die Reduktion der [FeiCNJa] 3 " also auch in neutralen Lösungen quantitativ zu E n d e verläuft: [FeiCN)«,] 4 " + 2 Zn 2+ -*• Zn 2 [Fe(CN) 8 ] j . Das verwendete Zinksulfat m u ß absolut eisenfrei sein. Die Hexacyanoferrat(III)-lösung m u ß neutral reagieren; sie wird gegebenenfalls neutralisiert. Praktische Durchführung: Ungefähr 0,3 g K3[Fe(CN)6] werden genau abgewogen, in etwa 50 ml Wasser gelöst und mit einigen Tropfen 2-n Salzsäure versetzt. Dann werden 50 ml 0,2-n Kaliumjodidlösung und endlich 2—3 g Zinksulfat, gelöst in 25 ml Wasser, hinzugegeben. Nachdem man kräftig umgeschüttelt hat, titriert man in der üblichen Weise mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung. Nach Kolthoff (1921) läßt sich die Bestimmung auch ohne Zinksulfat, aber in stark saurer Lösung, mit gutem Erfolg durchführen. Die Lösung des K3[Fe(CN)6] wird dann mit 50 ml 0,2-n Kaliumjodidlösung versetzt, mit 5—20 ml 25%iger Salzsäure angesäuert und mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung titriert. 1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht X / I0 Milligrammäquivalent, also 32,927 mg K 3 [Fe(CN) 8 ] oder 21,196 mg [Fe(CN) 6 ]^.
Die Bestimmung der Cyanide und der Thiocyanate
127
Soll das Hexacyanoferrat(II) jodometrisch bestimmt werden, so muß es zunächst oxydiert werden. Die entstandenen [Fe(CN) 6 ] s _ werden dann, wie angegeben, titriert. O x y d a t i o n der [ F e ( C N ) , ] ^ nach R. Lang (1924): Die an Salzsäure einnormale Lösung wird solange mit 0,1-n Kaliumpermanganatlösung versetzt, bis die rote Farbe eben bestehen bleibt. Durch Zugabe von 1 g Kaliumbromid wird dann das überschüssige Permanganat zerstört. Dabei tritt freies Brom auf, das durch 1 ml einer 0,3—0,4%igen Hydrazinsulfatlösung wieder reduziert wird. Das überschüssige Hydrazin reduziert in der stark sauren Lösung weder [Fe(CN),] 3 - noch das Jod. Nach der Oxydation wird nach der Vorschrift von Kolthoff in stark saurer Lösung ohne Zinksulfatzusatz, wie beschrieben, mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung titriert.
1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht 1 / 1 0 Milligrammäquivalent, also 36,837 mg K 3 [Fe(CN) 6 ] oder 21,196 mg [Fe(CN) a ]*". Die beschriebenen Methoden erlauben die Bestimmung der [Fe(CN) 6 ]*- und [FeiCN),] 3 " nebeneinander. 15. Die Bestimmung der Cyanide und der Thiocyanate Gibt man zu einer schwach sauren Alkalicyanidlösung überschüssiges Bromwasser hinzu, so spielt sich folgende Reaktion ab: HCN+Br2-> BrCN+H++Br", es bildet sich also quantitativ Bromcyan. In analoger Weise reagieren Alkalithiocyanate: KCNS+4 H 2 0 + 4 B r 2 — BrCN+ 7 HBr+KHS04. E. Schulek (1923) hat auf Grund dieser Vorgänge ein jodometrisches Verfahren zur Bestimmung der Cyanide und Thiocyanate ausgearbeitet. Entfernt man nämlich das überschüssige Brom durch Zugabe von Phenol, das mit dem Bromcyan nicht reagiert, so kann man durch Kaliumjodid nach der Gleichung: BrCN + H + + 2 J" -> J 2 + B r " + H C N eine äquimolekulare Jodmenge in Freiheit setzen, die sich mit Natriumthiosulfatlösung titrieren läßt.
128
Die Jodometrie
Die Schuleksche Methode bietet den großen Vorteil, daß weder die Gegenwart von Sulfiden, Sulfiten und Thiosulfaten noch die von Chloriden und Bromiden die Bestimmung beeinträchtigt. Praktische Durchführung: 50 ml einer Lösung, die etwa 0,04 g HCN bzw. 0,09 g HCNS enthält, werden in einer weithalsigen Flasche mit eingeschliffenem Glasstopfen mit 0,20,3 ml 20%iger Phosphorsäure (bis ein p^-Wert von 3 erreicht ist) und soviel Bromwasser versetzt, daß aas Gemisch tief gelb gefärbt ist. Nach fünf Minuten werden zur Entfärbung des überschüssigen Broms 2 ml einer 5%igen Phenollösung zugesetzt. Man schüttelt mehrmals kräftig durch und gibt schließlich nach 15 Minuten 20 ml 0,2-n Kaliumjodidlösung hinzu. Die Lösung wird jetzt eine halbe Stunde lang in der verschlossenen Flasche sich selbst überlassen — der Umsatz des Bromcyans mit der Jodwasserstoffsäure verläuft nur langsam — und schließlich mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung in der üblichen Weise titriert. Gewöhnlich wird die Lösimg einige Minuten, nachdem sie zum erstenmal völlig farblos geworden war, wieder blau. Man titriert dann nach 10 Minuten durch erneuten Zusatz einiger Tropfen der Natriumthiosulfatlösung bis zum wirklichen Endpunkt. 1 ml 0,1-n Natriumthiosulfatlösung entspricht V 1 0 Milligrammäquivalent, also 1,351 mg H C N bzw. 2,954 mg HCNS. 16. Die Bestimmung des Kupfers Die jodometrische Bestimmung der Kupfer(II)-salze nach de Haen-Low (1854/1905) beruht auf der umkehrbaren Reaktion: 2 Cu 2 + + 4 J- ^ 2 CuJ | + J ? . (1) Das Kupfer(I)-jodid ist schwer löslich und fällt als gelblichweißer Niederschlag aus. Dadurch und durch den Umstand, daß das ausgeschiedene Jod im Verlauf der Titration mit Natriumthiosulfat immer wieder aus dem System herausgenommen wird, gelingt es, die Reaktion überwiegend in der durch den oberen Pfeil angedeuteten Richtung zu leiten. Praktisch vollständig verläuft sie aber nur dann, wenn durch Zugeben eines großen Uberschusses von Kaliumjodid zugleich die Konzentration der Jodidionen stark erhöht wird.
Die Bestimmung des Kupfers
129
Das überschüssige Kaliumjodid löst zwar das ausgeschiedene Kupfer(I)-jodid wieder auf, aber es bilden sich hierbei Komplexionen des einwertigen Kupfers, welche die Lage des Gleichgewichtes nicht im ungünstigen Sinne beeinflussen. Ferner ist es notwendig, die Konzentration der zu titrierenden Kupfer(II)-salzlösung nicht zu gering zu wählen und in schwach schwefelsaurer Lösung zu arbeiten. In höheren Konzentrationen lösen nämlich Mineralsäuren, vor allem Salzsäure, das ausgefällte Kupfer(I)-jodid teilweise wieder auf: Es befinden sich dann in der Lösung Kupfer(I)-ionen, deren Anwesenheit die Oxydation des Jodwasserstoffs durch den Sauerstoff der Luft induzieren, also zu einer Vermehrung des freiwerdenden Jods und damit zu einem Mehrverbrauch an Natriumthiosulfatlösung Anlaß geben kann. Praktische Durchführung: Etwa 0,6 g des zu bestimmenden Kupfer(II)-salzcs werden in einer verschließbaren Flasche genau eingewogen und in 50 ml Wasser gelöst. Nach dem Ansäuern mit 2 ml konzentrierter Schwefelsäure wird die Lösung mit 2 g jodatfreiem Kaliumjodid versetzt, die Flasche wird verschlossen und kurze Zeit geschüttelt. Dann wird das ausgeschiedene Jod so lange mit 0,1-n Natriumthiosulfatlösung titriert, bis die Lösung nur noch schwach gelb ist. Nach Zusatz von 2 ml Stärkelösung wird schließlich langsam und unter dauerndem Umschwenken zu Ende titriert. Der Endpunkt ist erreicht, wenn der bläuliche Farbton eben verschwunden ist und die trübe Flüssigkeit nur noch gelblich- bis bräunlichweiß erscheint. Eisen und Arsen dürfen nicht zugegen sein. 1 ml 0,1-n N a t r i u m t h i o s u l f a t l ö s u n g entspricht V 10 Millig r a m m ä q u i v a l e n t , also 6,354 m g C u . Die Bestimmung des Kupfers nach de Haen-Low erfordert zu ihrer Durchführung viel Kaliumjodid. Der Preis des Kaliumjodids aber ist recht hoch. G. Bruhns (1917/18) hat daher versucht, die jodometrische Kupfertitration auf folgender Grundlage zu modifizieren: Kupfer(I)-thiocyanat ist etwa zehnmal schwerer löslich als Kupfer(I)-jodid. Verwendet man also neben dem Kaliumjodid auch Kaliumthiocyanat, so werden die durch Reduktion: 2Cu 2 + + 2 J " ^ 2 C u + + J 2 (1) entstandenen Kupfer(I)-ionen nicht als Kupfer(I)-jodid, sondern als Kupfer(I)-thiocyanat gefällt: 2 Cu + + 2 CNS" -»- 2 CuCNS | (2) 9
Jander-Jahr, Maßanalyse
130
Die Jodometrie
Titriert man nun das ausgeschiedene Jod mit Natriumthiosulfatlösung: j2 + 2 S203*S 4 0 6 2 " + 2 J-, (3) so werden die Jodionen zurückgewonnen und können erneut nach (1) reagieren. Das Kaliumjodid dient zusammen mit der Stärke gleichsam nur als Indikator für den Gesamtvorgang: 2 Cu 2 + + 2 CNS" + 2 SjOa 2 2 CuCNS | + S f i ^ . Leider hat dieses so elegant erscheinende Verfahren den Nachteil, daß Kupfer(II)-salze in neutraler oder ganz schwach saurer Lösung langsam durch Thiocyanationen reduziert werden können: 6 Cu 2 + + 7 CNS- + 4 H 2 0 6 CuCNS | + HCN f + SCV" + 7 H + . Nur dadurch, daß man genügend stark ansäuert und die Titration sofort nach Zugabe der gemischten Thiocyanat- und Jodidlösung vornimmt, läßt sich diese störende Nebenreaktion auf ein Mindestmaß beschränken. Nach der unten angegebenen Vorschrift findet man einen konstanten Minderverbrauch an Thiosulfatlösung von 0,5%. Praktisch läßt sich dieser Fehler dadurch ausschalten, daß man die Thiosulfatlösung auf eine Kupfer(II)-salzlösung bekannten Gehalts empirisch einstellt. Die Auflösung der kupferhaltigen Legierungen wird zweckmäßig mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure vorgenommen. Die dabei entstehende salpetrige Säure muß durch Zusatz von Harnstoff entfernt werden: CO(NH 2 ) 2 + 2 H N 0 2
C 0 2 f + 2 N2 f + 3 H 2 0 .
Enthält die Legierung mehr als 0,2% Eisen, so muß es durch Zugabe von 2 g Natriumpyrophosphat komplex gebunden werden. Quecksilber und Silber dürfen nicht zugegen sein. Blei dagegen erleichtert die Endpunktserkennung, da das schmutzig grauviolette Kupfer(I)-thiocyanat in Gegenwart von Bleiionen einen schwach gelblichen Farbton annimmt, von dem die kurz vor Erreichung des Endpunkts schwach blaue Farbe der Jodstärke besser absticht. Praktische Durchführung: Die abgewogene Legierungsmenge, die etwa 0,2 g Cu enthalten soll, wird mit 10 ml der Lösungssäure (500 ml H 2 S 0 4 , 1 : 1 , 200 ml HNO a , Dichte 1,40, 300 ml H 2 0 ) solange gekocht, bis alles gelöst ist und keine braunen Dämpfe mehr sichtbar sind. Darauf werden 10 ml
Die Bestimmung des Kupfers
131
einer Lösung zugesetzt, die im Liter 100 g Harnstoff, 1,5 g Bleinitrat und wenig Salpetersäure enthält. Das Gemisch wird kräftig geschüttelt und vollständig bis auf Zimmertemperatur abgekühlt. Man versetzt nun mit 10 ml einer Lösung, die 100 g KSCN und 10 g KJ im Liter enthält, schüttelt noch einmal um, und titriert die schmutzig grüne Lösung sofort mit der Thiosulfatlösung. Der Niederschlag nimmt dabei eine schmutzig violettgraue Farbe an. Gegen E n d e der Titration werden 5 ml Stärkelösung hinzugegeben. Die nunmehr dunkelblaue Lösung wird langsam und tropfenweise (!) zu Ende titriert. Die Endpunktserkennung wird dadurch erleichtert, daß sich der nunmehr gelblichgraue Niederschlag zusammenballt und sich abzusetzen beginnt.
Die Methoden der Jodometrie zeichnen sich durch elegante Ausführbarkeit und große Zuverlässigkeit aus, zumal der Endpunkt vermittels der Jodstärkereaktion ausgezeichnet zu erkennen ist. Aber ihrer häufigen Anwendung, namentlich bei Serienbestimmungen in Industrielaboratorien, steht der verhältnismäßig hohe Preis des Jods und des Kaliumjodids hindernd im Wege. Deswegen hat man sich vielfach bemüht, die Jodometrie durch eine Bromometrie zu ersetzen. Doch bestehen hier noch nach zweierlei Richtungen hin gewisse Schwierigkeiten. Erstens haben Bromlösungen eine erheblich höhere Halogentension als Jodlösungen und sind darum viel weniger titerbeständig und zweitens ist die Endpunktserkennung bei den bromometrischen Bestimmungen nicht ganz so leicht wie bei den jodometrischen, für die wir in der Jodstärkereaktion einen so eindeutigen Indikator besitzen. Außer den beschriebenen oxydimetrischen und reduktometrischen Methoden gibt es noch eine Reihe weiterer Verfahren, die auf Oxydations- und Reduktionsvorgängen beruhen. So werden z. B. die Lösungen der Oxydationsmittel Kaliumjodat und Cer(IV)-sulfat, der Reduktionsmittel, Zinn(II)-chlorid, Chrom(II)-sulfat und Titan(III)chlorid als Titerflüssigkeiten verwendet. Bei allen diesen Verfahren macht jedoch die Endpunktserkennung größere Schwierigkeiten. Sie haben daher eigentlich erst in neuerer Zeit infolge der Möglichkeit, den Endpunkt mit Hilfe
132
Die Jodometrie
elektrochemischer Methoden zu erkennen, wirkliche Bedeutung erlangt und werden daher zum Teil später (s. XXIII, S. 299) besprochen werden. Im übrigen verweisen wir auf die größeren Lehrbücher und Monographien sowie auf die Originalliteratur.
Zweiter Abschnitt D I E NEUTRALISATIONSANALYSEN IX. Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen 1. Der Neutralisationsvorgang Es soll nunmehr mit der Besprechung einer Reihe von maßanalytischen Methoden begonnen werden, die darauf abzielen, die Konzentration von Basen oder Säuren zu ermitteln, und zwar dadurch, daß man entweder die zu bestimmende Säure mit dem zu ihrer Neutralisation gerade hinreichenden Volumen einer Base bekannten Gehaltes reagieren läßt (Acidimetrie), oder daß man umgekehrt die unbekannte Menge der Lauge durch Titration mit einer eingestellten Säure ermittelt (Alkalimetrie). Den Verfahren liegen also Neutralisationsvorgänge zugrunde.
Das Wesen der Neutralisation ist die Vereinigung der Wasserstoffionen der Säure mit den Hydroxidionen der Base zu undissoziiertem Wasser:
i T + OH-^HaO. 1 ) (1) Diese Reaktion ist die Grundlage aller acidimetrischen und alkalimetrischen Titrationen in wäßriger Lösung. Der Neutralisationsvorgang verläuft von selbst, mit großer Geschwindigkeit und unter erheblicher, positiver Wärmetönung. Die bei der Neutralisation aller starken (d. h. vollständig dissoziierten) Basen mit allen starken Säuren und umgekehrt entwickelte Neutralisationswärme ist immer gleich 13 700 cal. pro Mol, ein Beweis dafür, daß ein und dieselbe, eben die durch Gleichung (1) beschriebene Reaktion allen Neutralisationen zugrunde liegt. 1) Das Wasserstoffion (Proton) ist in wäßrigen Lösungen hydratisiert; es wird allgemein als „Hydronium-Ion" bezeichnet (unbestimmter Hydratationsgrad). Das einfach hydratisierte Proton [H s O] + nennt man „Oxonium-Ion". Die Hydratation ist jedoch für die folgenden Betrachtungen nicht von Bedeutung und wird daher nicht berücksichtigt.
134
Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen
Diese Reaktion ist eine Gleichgewichtsreaktion; lesen wir Gleichung (1) von rechts nach links, so beschreibt sie uns den Vorgang der Dissoziation des Wassers. Zwar liegt das Gleichgewicht fast ganz auf der Seite des undissoziierten Wassers, doch enthält auch das reinste Wasser eine geringe Menge von Wasserstoff- und Hydroxidionen zu gleichen Anteilen. Wendet man das Massenwirkungsgesetz von Guldberg und Waage (1867) auf den Vorgang der Neutralisation bzw. der Dissoziation des Wassers an, so ergibt sich für den Gleichgewichtszustand die Beziehung: [H + ] . [OH"] [H z O] =konst. = Kc
(2)
Die eckigen Klammern um die Formelzeichen bedeuten, daß es sich um die molaren Konzentrationen handelt. Da nun die Konzentration des Wassers in verdünnten wäßrigen Lösungen praktisch konstant (und zwar 55,5 molar) ist, so können wir Gleichung (2) auch folgendermaßen schreiben: [H + ] • [OH"] = K c • [ H 2 0 ] , oder [H + ] • [OH"] = K W a g s e r .
(3)
Gleichung (3) besagt also, daß das Produkt der molaren Konzentrationen der Wasserstoff- und Hydroxidionen, das sog. I o n e n p r o d u k t , eine konstante Größe darstellt. Dies gilt allerdings nur für ein und dieselbe konstante Temperatur. Die Dissoziation des Wassers ist ein endothermer Prozeß und muß daher mit steigender Temperatur zunehmen. In Tabelle 6 sind die Ionenprodukte des Wassers bei Temperaturen von 0 ° bis 100° C (nach Messungen von Kohlrausch und Heydweiller, 1909) zusammengestellt: Tabelle Temperatur : K
Wasser:
- 1 4 93
25°
18°
0° 1 0
6
10
-14,23
10
-13,»8
50° 1 0
-13,25
100° 10
-12,24
Wasserstoffionenkonzentration und Wasserstoffexponent
135
Es muß hier darauf hingewiesen werden, daß ganz allgemein der nach dem Massenwirkungsgesetz f ü r eine Reaktion, z. B. die Dissoziation AB ^ A + + B~ formulierte Quotient j-g_j [AB]
=
im strengen Sinne nicht eine von der Konzentration der Reaktionsteilnehmer unabhängige Konstante ist. V i e l m e h r spielt infolge der gegenseitigen elektrostatischen Anziehung der Ionen deren Konzentration f ü r den W e r t von K c eine wesentliehe Rolle. Auch an der Reaktion nicht beteiligte Fremdionen beeinflussen die Größe von K c . Die wirkliche Konstante erhält man, wenn an Stelle der einzelnen Ionenkonzentrationen die entsprechenden I o n e n a k t i v i t ä t e n a I o n = [ c l o n ] - f [ o n in die Gleichung für K c eingesetzt werden. Der sogenannte A k t i v i t ä t s k o e f f i z i e n t f ist abhängig von der Ionenart, deren Konzentration sowie von den in der Lösung anwesenden Fremdionen. In stark verdünnten Lösungen wird f = 1, so daß in diesem Falle mit den Ionenkonzentrationen gerechnet werden kann. Weitere Einzelheiten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, entnehme man ausführlicheren Lehrbüchern, z. B. [40], [88], [130] 1 ). Erwähnt sei hier, daß aus praktischen Gründen vielfach an Stelle der Gleichgewichtskonstanten K, deren negativer dekadischer Logarithmus pk = — log K verwendet wird. 2. Wasserstoffionenkonzentration und Wasserstoffexponent D a s I o n e n p r o d u k t des r e i n e n W a s s e r s h a t also bei gewöhnlicher T e m p e r a t u r , „ Z i m m e r t e m p e r a t u r " , d e n Z a h l e n w e r t — 10~ 14 . In r e i n e m W a s s e r u n d in neutral reagier e n d e n L ö s u n g e n ist die K o n z e n t r a t i o n der W a s s e r s t o f f ionen genau gleich d e r K o n z e n t r a t i o n d e r Hydroxidionen. Da nun: [H + ] • [OH"] ^ 1 0 1 4 ist, SO gilt
I [H + ] = [OH-] =» | / 1 0 - 1 4 ^ 1 0 -
Bei allen folgenden Betrachtungen wird a ¡ o n — [ c j o n ] und K a = K c gesetzt. Diese Näherungsausdrücke gelten praktisch jedoch n u r f ü r sehr v e r d ü n n t e Lösungen.
136
Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen
In reinem Wasser und in neutral reagierenden Lösungen beträgt also die Wasserstoff- bzw. Hydroxidionenkonzentration — 10 - 7 , mit anderen W o r t e n : 10 Millionen (10 7 ) Liter Wasser enthalten gerade 1 Mol Wasserstoffionen (=10"7>[OH-]. Alkalische Lösungen enthalten mehr Hydroxidionen als Wasserstoffionen, d. h.: [OH-]>l()-7>[H+]. D a aber das Ionenprodukt des Wassers bei Zimmertemperatur immer denselben konstanten W e r t hat, so läßt sich aus der Gleichung: [H + ] • [ O H - ] 1(T 1 4 für jede beliebige Wasserstoffionenkonzentration die zugehörige Hydroxidionenkonzentration berechnen und umgekehrt. U m alle Rechnungen und Überlegungen zu vereinfachen, operiert man heute ganz allgemein nur mit der Wasserstoffionenkonzentration; um z . B . die alkalische Reaktion einer n/10000 Natronlauge zahlenmäßig auszudrücken, gibt man also nicht an, ihre [OH~] sei 10" 4 , sondern man sagt, ihre [H + ] betrage io~14 io~14 — - — = — - —4 = i c r ( 1 4 " 4 ) = 1 ( T 1 0 . [OH ] 10" E i n e n Überblick über die [H + ] in sauren und alkalischen Lösungen gibt folgendes Schema: 10° Es ist also:
Die Bedeutung des Ionenproduktes P H = — log [ H + ] =
137
log-j—-.
Wenn z. B. [H + ] = 10" 3 -n ist, so ist p H = log
= log 1 0 3 = 3 .
Oder wenn [ H + ] = 3 , 7 • 1 0 - " ^ = 10 (log 3,7)-8_ n = 10-7,43_ n i s t , so gilt: p H = 7,43. Andererseits bedeutet z. B. p H = 5,8 eine [ H + ] von 10-5.8-n = 1 0 + o > 2 - 6 - n = 1,59 • 1 0 - 6 - n 1 ) . In neutral reagierenden Lösungen ist also p H = 7, in sauren Lösungen gilt p H < 7 und in alkalischen Lösungen ist p H > 7. J e größer also der p H -Wert, um so alkalischer reagiert die Flüssigkeit, je kleiner das p H , desto saurer ist ihre Reaktion. Der Begriff des Wasserstoffexponenten bietet häufig Vorteile, wenn die Änderung der Wasserstoffionenkonzentration als Funktion irgendeiner andern Variablen graphisch aufgetragen werden soll. 3. Die Bedeutung des Ionenproduktes für den Neutralisationsvorgang; Titrationskurven
Wie groß die Bedeutung des Ionenproduktes für den Neutralisationsvorgang ist, ergibt sich aus folgenden Uberlegungen: Die [H + ] einer 0,01-n Salzsäure ist 10"2. Setzen wir bei Zimmertemperatur zu einem bestimmten Volumen dieser Lösung einen Tropfen der wäßrigen Lösung einer starken Base hinzu, so erhöhen wir dadurch die Hydroxidionenkonzentration und damit den Wert des Ionenproduktes [H + ] • [OH"]. Dieses größere Ionenprodukt entspricht aber nicht mehr dem Gleichgewichtszustand der Lösung, und daher treten solange Wasserstoffionen und Hydroxidionen nach der Gleichung: H++OH^H2O zu undissoziiertem Wasser zusammen, bis der ursprüngliche, dem Gleichgewicht entsprechende Wert des Ionen! ) Hier sei daran erinnert, daß man beim Aufschlagen des Numerus zu einem negativen Wert des Logarithmus diesen erst als Summe einer positiven Zahl zwischen 0 und 1 und einer ganzen negativen Zahl darstellt.
138
D i e Grundlagen der Neutralisationsanalysen
Produktes 1 0 1 4 wiederhergestellt ist. Die Wasserstoffionenkonzentration ist aber dabei gesunken. Setzen wir mehr L a u g e hinzu, so nimmt weiterhin dauernd die relative Menge der Wasserstoffionen ab und die der Hydroxidionen zu, während das anfänglich überschrittene Ionenprodukt immer wieder auf den alten W e r t 10~" zurücksinkt. Im Laufe einer solchen Titration erreichen wir schließlich einen Punkt, wo gerade die Hydroxidionenkonzentration und die Wasserstoffionenkonzentration in der Lösung einander gleich geworden sind: W i r haben den Neutralpunkt mit der [H + ] = 10~7 erreicht. Setzen wir den Laugezusatz noch weiter fort, so überwiegen mehr und mehr die Hydroxidionen, d. h., die vorher saure Lösung nimmt nunmehr alkalische Reaktion an. Am Beispiel der Neutralisation einer Lösung von Chlorwasserstoffsäure mit Natronlauge soll nun im einzelnen besprochen werden, wie sich im Verlauf einer Titration, also nach jedem Reagenszusatz, die [H + ] der Lösung ändert. Dabei soll die vereinfachende Annahme gemacht werden, daß sich das Volumen der Ausgangslösung während der Titration nicht ändert. In der Praxis kommt man dieser Forderung sehr nahe, wenn man zur Titration der vorgelegten 0,01-n Salzsäure eine 1-n Natronlauge verwendet, die man einer Mikrobürette entnimmt. Tabelle 7 gibt an, Tabelle 7 Die zu 100 ml 0,01-n HCl zugesetzte Menge Natronlauge: m l 1-n N a O H
Ä q u i v a l e n t e L a u g e auf je 100 Ä q u i v a l e n t e d e r a n fangs vorhandenenSäure
0,000 0,900 0,990 0,999 1,000 1,001 1,010 1,100
0,0 90,0 99,0 99,9 100,0 100,1 101,0 110,0
[H + ]
io- a3 io10^ io- 5
10- 7 10-" 10- 19 10-"
PH
2
3 4 5 7 9 10 11
Die Bedeutung des Ionenproduktes
139
wieviel ml der 1-n Natronlauge zu 100 ml 0,01-n Salzsäure jeweils hinzugegeben wurden, wieviel Äquivalenten 0,01-n NaOH diese Laugemenge entspricht, und wie groß die [H + ] bzw. das p R der Lösung nach jedem Reagenszusatz ist. Die in der Tabelle niedergelegten p H -Werte lassen sich als Ordinaten, die zugesetzten Anteile der Natronlauge als Abszissen in ein rechtwinkliges Koordinatensystem graphisch eingetragen (Fig. 18). TU
3
u
5 6
7
8 9 10 11
go ioo JTö Aequivalente 0,01-n Na OH Fig. 18
Es ergibt sich eine c h a r a k t e r i s t i s c h e , s o g . T i t r a t i o n s - , hier N e u t r a l i s a t i o n s k u r v e . Der p H -Wert der Säure nimmt bei steigendem Hydroxidionenzusatz zunächst langsam, dann aber schneller und immer schneller zu und ändert sich schließlich geradezu sprunghaft, um zuletzt nur noch langsam und immer langsamer zuzunehmen. Die Kurve geht also durch einen Wendepunkt. Dieser Wendepunkt der Kurve, an dem die Zunahme der p H -Zahl den größten Wert erreicht, an dem also ein bestimmter kleiner Hydroxidionenzusatz die größte prozentuale Änderung in der [H + ] der Lösung hervorruft, ist der Ä q u i v a l e n z p u n k t des Systems, so genannt, weil hier gerade so viel Lauge hinzugegeben wurde, als zur Neutralisation der
140
Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen
Säure nötig war, nicht mehr und nicht weniger, d.h. gerade die der Säure äquivalente Laugenmenge. Es ist das Ziel jeder Neutralisationsanalyse, möglichst genau den Äquivalenzpunkt des jeweils vorliegenden Titrationssystems zu erfassen. Wenn wir, wie das eben beschrieben wurde, eine starke Säure mit einer starken Base (oder umgekehrt) titrieren, so fallen der Äquivalenzpunkt und der wahre Neutralpunkt — charakterisiert durch die [H+] = 10"7 — praktisdi zusammen. Das ist aber durchaus nicht immer so. Der Äquivalenzpunkt liegt sehr häufig bei einer Wasserstoffionenkonzentration oberhalb oder unterhalb 10~7. Der Äquivalenzpunkt liegt im alkalischen Gebiet, wenn wir eine schwache Säure mit einer starken Base (oder umgekehrt) versetzen. Tabelle 8 gibt z. B. die Werte für die Neutralisation einer 0,1-n Essigsäure mit Natronlauge wieder, während Fig. 19 die zugehörige graphische Darstellung bietet. Tabelle 8 Die zu 100 ml 0,1-n CHjCOOH zugesetzte Menge Natronlauge: rnl 10-n NaOH
0,000 0,100 0,500 0,900 0,990 0,998 0,999 1,000 1,001 1,002 1,010
Äquivalente Lauge auf je 100 Äquivalente der anfangs vorhandenenSäure
0,0 10,0 50,0 90,0 99,0 99,8 99,9 100,0 100,1 100,2 101,0
[H+] 1,32-10^ 1,60-10- 4 1,78 -10- 5 1,98 -10"8 1,80 -10- 7 3,56 -10- 8 1,78-10^ 1,35 -10- 190
1,01 -io-
5,01-10- 11u
1,01 - i o -
PH
2,88 3,80 4,75 5,70 6,75 7,45 7,75 8,87 10,0 10,3 11,0
Der Äquivalenzpunkt liegt hier nicht am wahren Neutralpunkt mit der [H+] = 10"7, sondern bei der [H+] = 10"8>87,
141
Stärke der Säuren und Basen
also schon deutlich im alkalischen Gebiet. Obwohl am Äquivalenzpunkt die Essigsäure und die Natronlauge in genau äquivalenten Mengen nebeneinander vorliegen, ist doch die Anzahl der Hydroxidionen in der Lösung größer als die der Wasserstoffionen. Der Grund für diese Erscheinung liegt in der „Hydrolyse" des im Verlauf der Titration entstehenden Natriumacetats. Um sie zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit dem Begriff der Stärke der Säuren und Basen beschäftigen. Aequiv. Pkt.
go roo Aequivalente 0,1-n Na OH
uo
Fig. 19
4. Stärke der Säuren und Basen Säuren sind dadurch charakterisiert, daß sie in wäßriger Lösung in positiv geladene Wasserstoffionen (hydratisierte Protonen) und negativ geladene Anionen dissoziiert sind. Bezeichnen wir die undissoziierte Säure als HS und ihr Anion mit S", so können wir diesen Vorgang folgendermaßen formulieren: HS ^ H + + S-, Basen dagegen dissoziieren in positiv geladene Kationen und negativ geladene Hydroxidionen; bezeichnen BOH die undissoziierte Base und B+ ihr Kation, so gilt:
142
Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen
BOH^B++OH". J. N. Brönsted (1924) hat als umfassendere, auch auf Reaktionen in nicht wäßrigen Lösungen anwendbare Definition vorgeschlagen, solche Substanzen als „Säuren" zu bezeichnen, die Protonen abgeben können und entsprechend Stoffe, die mit Protonen unter Säurebildung reagieren können, „Basen" zu nennen (vgl. hierzu z. B. [130]).
Starke Säuren, wie Perchlorsäure, Salpetersäure oder die Halogenwasserstoffsäuren sind in verdünnten Lösungen praktisch vollkommen dissoziiert, ebenso die starken Basen, wie Kalilauge, Natronlauge oder Barytlauge. Schwache Säuren und schwache Basen sind dagegen nur teilweise in ihre Ionen gespalten; ihre Lösungen enthalten außer den Ionen H + und S" bzw. OH" und B + noch mehr oder weniger große Mengen der undissoziierten Verbindungen HS bzw. BOH. Wenden wir das Massenwirkungsgesetz auf die Gleichgewichtsreaktion H S ^ H + + S~ (1) an, so ergibt sich: j-j^+j j-g-j = K d ' (2) [HS] K d nennen wir die Dissoziationskonstante der Säure. Sie hat für jede Säure einen ganz charakteristischen Wert. Gleichung (2) erlaubt uns auch, die Wasserstoffionenkonzentration einer schwachen Säure zu berechnen, wenn wir ihre Dissoziationskonstante und die Konzentration ihres undissoziierten Anteils HS kennen. Dann gilt nämlich: Kd-[HS]
[sT~
.
oder, da in einer reinen Säurelösung immer [H + ] = [S ], ¡Hl
1
?
K
( 1
- I H S ] .
(3)
W i e man diese Gleichung zum Zweck ihrer praktischen Anwendung noch weiter umformt und wie man die Dissoziationskonstanten mißt und berechnet, kann hier nicht weiter ausgeführt werden. W i r verweisen auf die Lehrbücher der physkalischen Chemie und andere ausführliche Werke, z. B. [130], [145], Hier sei nur noch gesagt, daß die Dissoziationsverhält-
Stärke der Säuren und Basen
143
nisse bei Basen selbstverständlich in entsprechender Weise zu behandeln sind. Die Dissoziationskonstanten der Basen und Säuren und damit die Wasserstoffionenkonzentrationen ihrer Lösung (gleicher Normalität) bilden also ein Maß für ihre Stärke bzw. Schwäche. Tabelle 9 Bezeichnung des Elektrolyten
Dissoziationskonstante Ka
In einer 0,! -n Lösung herr: cht: die [H l ]
das p H
Starke Säuren nicht anzugeben 10 _1 .42 Oxalsäure 10-1,96 Phosphorsäure 10-4,75 Essigsäure 10-6,52 Kohlensäure 10-6,9 Schwefelwasserstoff
4,79-10"2 2,82-10-2 1,32-10"3 1,74-10"4 1,12-10 4
1,33 1,55 2,88 3,76 3,95
Starke Basen Ammoniak Pyridin
~ 10-13 8,32 10-12 8,71-10-1°
nicht anzugeben 10-4,75 10-8,80
Aequiv. Pkt.
Aequivalente 0,1-n Na OH Fig. 20
=^13 11,08 9,06
In der vorstehenden, für 25° C geltenden Tabelle 9 sind die Dissoziationskonstanten und die näherungsweise, d.h. ohne Berücksichtigung der Aktivität berechneten (vgl. z. B. [130], [145]) zugehörigen Wasserstoffionenkonzentrationen von einigen wichtigen Säuren und Basen zusammengestellt. Bei „mehrbasigen" oder „mehrsäurigen" („mehrwertigen", vgl. [130]) Elektrolyten ist nur die Größe der ersten Dissoziationskonstanten Kd(i) angeführt.
144
Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen
Fig. 20 zeigt uns, welchen Einfluß die Dissoziationskonstanten verschieden starker Säuren auf den Verlauf ihrer Neutralisation durch ein und dieselbe starke Base ausüben. Es handelt sich um die Titration 0,1-n Säuren mit Natronlauge. Wir sehen sofort 1. daß die sprunghafte Abnahme der Wasserstoffionenkonzentration in der Nähe des Äquivalenzpunktes um so größer ist, je stärker die titrierte Säure dissoziiert, 2. daß die L a g e des Äquivalenzpunktes (Wendepunktes der Kurve) um so mehr vom Neutralpunkt mit dem Pu = 7 abweicht und sich ins alkalische Gebiet hineinverschiebt, je schwächer die titrierte Säure ist, und 3. daß in der Kurve das Ubergangsgebiet zwischen der eindeutig sauren und der eindeutig alkalischen Reaktion der Lösung einen um so breiteren Raum einnimmt, je kleiner die Dissoziationskonstante der titrierten Säure ist. Aequi v. Pkt.
Neutral-
0,9
Aequivalente
1.0
0,1-n NH3 • aq
1,1
(NHßH)
F i g . 21
Ein noch breiteres und verschwommeneres Ubergangsgebiet zwischen dem sauren und dem alkalischen Gebiet, eine noch geringere Änderung der [H + ] in der Nähe des Äquivalenzpunktes zeigt das Titrationsbild (Fig. 21) einer schwachen Säure (0,1-n Essigsäure) mit einer schwachen Base (Ammoniak). Doch liegt hier, wie auch die Figur zeigt, der Äquivalenzpunkt wieder in der Nähe des wahren Neutralpunktes.
Die Erscheinung der Hydrolyse
145
5. Die Erscheinung der Hydrolyse E s ist bereits gesagt w o r d e n , d a ß eine g e n a u bis zum Ä q u i v a l e n z p u n k t mit N a t r o n l a u g e titrierte Essigsäure, d. h . mit a n d e r e n W o r t e n , eine v e r d ü n n t e w ä ß r i g e L ö s u n g von N a t r i u m a c e t a t nicht neutral, sondern sdiwach alkalisch reagiert. G a n z allgemein k a n n m a n feststellen, d a ß Lösungen von Salzen schwacher Basen mit starken Säuren (z. B. solche von Ammoniumdilorid) m e h r oder weniger sauer reagieren, w ä h r e n d u m g e k e h r t Lösungen von Salzen schwacher Säuren mit starken Basen (z. B. solche von Kaliumcyanid) alkalische Reaktion zeigen. In d e m einen Fall überwiegt also in der L ö s u n g die M e n g e der Wasserstoffionen g e g e n ü b e r d e r der Hydroxidionen, im a n d e r e n Fall ist es u m g e k e h r t , o b w o h l ä q u i v a l e n t e M e n g e n der Säure u n d der L a u g e v o r h a n d e n sind. W i e ist diese als H y d r o l y s e bezeichnete Erscheinung zu erklären? Wir besprechen zunächst ein konkretes Beispiel: In einer wäßrigen Kaliumcyanidlösung existieren K+-, CN"-, H + - und OH~-Ionen. Alle diese Ionen können miteinander zu undissoziierten Verbindungen zusammentreten, so daß sich in der Lösung folgende Reaktionen auf ihren Gleichgewichtszustand einstellen: K* + CN- ^ KCN (1) K+ + OH" ^ KOH (2) H+ + O H - ^ H 2 0 (3) H + + CN" ^ HCN. (4) Blausäure ist eine außerordentlich schwache Säure und als solche sehr wenig dissoziiert. Für die Gleichung (4) liegt also das Gleichgewicht weitgehend zugunsten der rechten Seite, d. h. Wasserstoff- und Cyanidionen können in größeren Mengen nicht nebeneinander bestehen. Diese Ionen treten vielmehr solange zu undissozuertem Cyanwasserstoff zusammen, bis sich der für sie charakteristische Gleichgewichtszustand eingestellt hat. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß sich im gleichen Maße undissoziierte Wassermoleküle im Sinne der Gleichung (3) in Wasserstoff- und Hydroxidionen aufspalten. Die Wasserstoffionen verschwinden sofort aus der Lösung unter Bildung des undissoznerten Cyanwasserstoffs (Gleichung 4), aber die Hydroxidionen bleiben übrig, da das 10 Jander-Jahr, Maßanalyse
146
Die Grundlagen der Neutralisationsanalysen
Gleichgewicht der Gleichung (2) weitgehend auf der Seite der freien Ionen liegt. Eine Kaliumcyanidlösung reagiert daher im Endeffekt infolge der Gegenwart der Dissoziationsprodukte der Kalilauge alkalisch. Die Hydrolyse kommt ganz allgemein dadurdi zustande, daß das Wasser mit dem Basenion B+ und dem Säureion S" des gelösten Salzes BS in Reaktion tritt. In einer wäßrigen Lösung des Salzes BS existieren daher stets folgende Gleichgewichte: BS^B++S~ (5) B+ + HÖH BOH + H + (6) S" + HÖH ^ HS + OH". (7) Handelt es sich nun um das Salz einer starken Säure mit einer starken Base, so ist keinerlei Hydrolyse zu bemerken, da die durch die Gleichungen (6) und (7) wiedergegebenen Vorgänge weitgehend in Richtung des unteren Pfeils verlaufen. Ausschlaggebend ist hier nur die Dissoziation des Salzes (Gleichung 5): Seine Lösung reagiert neutral. Liegt das Salz einer starken Säure mit einer schwachen Base vor, so werden so lange die durch die Dissoziation des Salzes gelieferten Kationen nach der Gleichung (6) mit dem Wasser reagieren, bis dieser Vorgang, d. h. die Entstehung undissoziierter Basenmolelcüle und freier Wasserstoffionen, ins Gleichgewicht gekommen ist. Der Grad der Hydrolyse hängt hier also wesentlich von der Gleichgewichtslage des Vorgangs (6) ab, während Gleichung (7), da HS weitgehend dissoziiert ist, praktisch vernachlässigt werden kann. Lösungen solcher Salze reagieren sauer. In ganz entsprechender Weise spielt in der Lösung des Salzes einer schwachen Säure mit einer starken Base Gleichung (6) keine Rolle, da BOH nahezu vollständig dissoziiert ist, während hier die Einwirkung des Wassers auf die Ionen der schwachen Säure im Sinne der Entstehung undissoziierter Säuremoleküle und freier Hydroxid-Ionen (Gleichung 7) für den Grad der Hydrolyse den entscheidenden Ausschlag gibt. Derartige Salzlösungen zeigen alkalische Reaktion. Für den Hydrolysegrad der Lösung des Salzes
Die Erscheinung der Hydrolyse
147
einer schwachen Säure mit einer schwachen Base endlich sind ausschlaggebend die Vorgänge (6) und (7). Von den Dissoziationsgraden der schwachen Säure u n d der schwachen Base wird es also abhängen, ob in der Lösung, die vorwiegend undissoziierte Säure- und Laugenmoleküle enthält, die Menge der Wasserstoffionen diejenige der Hydroxidionen übertrifft oder umgekehrt. Lösungen solcher Salze können auch praktisch neutral reagieren (z. B. NH4CH3COO). Quantitativ läßt sich der Grad der hydrolytischen Spaltung durch den Wert der H y d r o l y s e k o n s t a n t e angeben, die in folgender Weise definiert ist: Als Beispiel möge das Salz einer starken Säure mit einer schwachen Base dienen. Ausschlaggebend für den Verlauf der Hydrolyse ist hier also der durch Gleichung (6) wiedergegebene Vorgang. Wendet man das Massenwirkungsgesetz auf ihn an, so ergibt sich: »
•
H
-
B
O
«
^
,
,
,
Aus dieser Gleichung ergibt sich, daß sich die Hydrolysekonstante, Kjj y d r > berechnen läßt, wenn man das Ionenprodukt des Wassers, K w , durch die Dissoziationskonstante der schwachen Base, K h , dividiert: [H+HOH-] = K , [B+HOH-] _ h [BOH] [H+HOH-] • [BPH] = [BOHHH+] = K H dr [B+HOH-] [B+] kh y Man muß also die Dissoziationskonstante der schwachen Base, K h , kennen, um die Hydrolysekonstante berechnen zu können. Die Dissoziationskonstante Kh läßt sich durch Messung der [H + ] einer Lösung der freien, schwachen Base bekannter Konzentration leicht bestimmen. In einmolarer Lösung z. B. kann man die Konzentration der undissoziierten schwachen Base praktisch der Gesamtkonzentration 1 gleichsetzen, so daß sich ergibt: =
[OH"]2 = K ,
148
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
Die Dissoziationskonstante des Ammoniaks, NH 4 OH, beträgt bei 25 ° C : Kh = 1,8 • 10-®, K w ist 10 J 4 . Die Berechnung der Hydrolysekonstante einer Ammoniumchloridlösung gestaltet sich also folgendermaßen: Hydr. - ^
-
l g
^
-
^
- 5,5-10
.
In ganz entsprechender Weise läßt sich ableiten, daß die Hydrolysekonstante für das Salz einer schwachen Säure mit einer starken Base nach der Gleichung: [OH-] • [HS] = K w [Si
Ks
Hydr.
berechnet werden kann. Alle diese Ableitungen, aus denen hervorgeht, daß die Hydrolysekonstante in weiten Grenzen konzentrationsunabhängig ist, gelten nur dann, wenn die in den Gleichungen (6) und (7) erscheinenden, u.idissoziierter. Moleküle der schwachen Säuren und Basen in der Lösung monomolekular sind und bleiben. Diese Voraussetzung ist aber für sehr viele schwache, mehrbasige Säuren und mehrsäurige Basen, z. B. für die Wolframsäure und das Eisen(III)-hydroxid, keineswegs erfüllt. Diese aggregieren vielmehr mit fortschreitender Hydrolyse mehr und mehr. Die Hydrolysekonstante ihrer Salze ist daher stark abhängig von der Verdünnung der Lösungen. X. Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse 1. Die gebräuchlichsten Indikatoren Ziel jeder Titration ist die Ermittlung des Äquivalenzpunktes. Da aber der Neutralisationsvorgang ohne jede sichtbare Farbänderung abläuft, der Äquivalenzpunkt also nicht, wie z. B. in der Manganometrie, ohne weiteres an der plötzlichen Entfärbung der Lösung oder ähnlich sinnfälligen Erscheinungen erkannt werden kann, m u ß man in der Acidimetrie und Alkalimetrie Indikatoren zu Hilfe nehmen. Als solche dienen uns verschiedene organisch-chemische Farbstoffe, deren sehr verdünnte Lösungen eine deutliche Abhängigkeit ihrer F a r b e von der Wasserstoffionenkonzentration zeigen.
Die gebräuchlichsten Indikatoren
149
Die wichtigsten in der Neutralisationsanalyse verwendeten Farbindikatoren sind (Umschlagsbereiche s. Tab. 10, S. 154): 1. Methylorange (Dimethylaminoazobenzolsulfonsaures Natrium). Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 1—3 Tropfen einer 0,l%igen wäßrigen Lösung des Farbstoffs. Methylorange ist in sauren Lösungen orangerot, in neutralen Lösungen orange und in alkalischen Lösungen gelb gefärbt 2. Methylrot (p-Dimethylaminoazobenzol-o-karbonsäure.) Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 5 Tropfen einer 0,2%igen Lösung des Farbstoffs in 60%igem Alkohol Methylrot färbt saure Lösungen rot, alkalische gelb. 3. Neutralrot (As. Dimethyldiaminophenazinchlorid). Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 10 Tropfen einer 0,l%igen Lösung des Farbstoffs in 60%igem Alkohol. Neutralrot ist in sauren Lösungen rot, in alkalischen gelborange gefärbt. 4. Phenolphthalein (p-Dioxy-diphenylphthalid). Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 1—2 Tropfen einer 0,l%igen Lösung des Farbstoffs in 60%igem Alkohol. Phenolphthalein ist in sauren Lösungen farblos, in alkalischen Lösungen rot gefärbt. In zweiter Linie sind aus der großen Fülle geeigneter Farbindikatoren noch folgende zu nennen: 5. Dimethylgelb (Dimethylamino-azobenzol). Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 5—10 Tropfen einer 0,1%igen Lösung in 90%igem Alkohol. Dimethylgelb färbt saure Lösungen rot, alkalische gelb; es ist überall dort sehr brauchbar, wo man gewöhnlich Methylorange verwendet, weil seine Farbänderung leichter zu erkennen ist. 6. p-NitrophenoI. Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 5—10 Tropfen einer 0,2%igen wäßrigen Lösung des Farbstoffs. Paranitrophenol ist in sauren Lösungen farblos, in alkalischen gelb. 7. Thymolphthalein. Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 5 Tropfen einer 0,l%igen alkoholischen Lösung. Thymolphthalein ist in sauren und neutralen Lösungen farblos, in alkalischen Lösungen blau. 8. Alizarin (1,2-Dioxy-anthrachinon). Man gibt zu 100 ml der zu titrierenden Lösung 10 Tropfen einer 0,2%igen Lösung des Farbstoffs in 90%igem Alkohol. — Der Indikator wird viel zur Härtebestimmung des Wassers verwendet. Alizarin färbt saure Lösungen gelb, alkalische Lösungen violett. —
150
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
Lademus, der älteste Indikator, wird von Säuren rot, von alkalischen Lösungen blau gefärbt, während Kongorot in stärker sauren Lösungen eine blauviolette Farbe annimmt, in schwächer sauren, neutralen und alkalischen Lösungen dagegen rot erscheint. Die hauptsächlich verwendeten Indikatoren sind Methylorange und Phenolphthalein. Es sei bereits hier darauf hingewiesen, daß Methylorange in heißen Lösungen nicht brauchbar ist, daß dagegen Phenolphthalein vielfach auch in heißen Lösungen verwendet wird. In stark alkalischen Lösungen wird Phenolphthalein (wie alle Phthaleine) umgewandelt (vgl. S. 166) und dadurch wieder entfärbt. In manchen Fällen ist der Übergang der „alkalischen" Farbe des Indikators in die „saure" Farbe nicht ganz leicht zu erkennen, z. B. beim Methylorange. In solchen Fällen haben sich I n d i k a t o r g e m i s c h e gut bewährt, die infolge stärkerer Kontrastwirkung ein schärferes Erkennen der Farbänderung in der Lösung ermöglichen, z. B.: 1. Methylorange-Indigo. 10 ml Methylorangelösung (1%) und 50 ml einer Lösung von indigosulfonsaurem Natrium (1%) werden gemischt und in dunkler Flasche aufbewahrt. 10 Tropfen dieser Indikatorlösung färben deutlich 30 ml der zu titrierenden Lösung. Der Indikator färbt saure Lösungen violett, neutrale grau und schwach alkalische Lösungen schön grün; stark alkalische Lösungen endlich werden gelb, weil alsdann auch Indigo einen Farbumschlag erfährt (der Indikator Indigo erlaubt z. B. Lösungen von NaOH und Na 2 C0 3 zu unterscheiden!). Man titriert auf die graue Farbe im Umschlagspunkt, p H = 4,1. 2. Neutralrot-Methylenblau. 25 ml einer 0,l%igen alkoholischen Lösung von Neutralrot werden mit 25 ml einer 0,1%igen alkoholischen Methylenblaulösung gemischt und in dunkler Flasche aufbewahrt. Man braucht pro Titration wenige Tropfen der Indikatorlösung, die saure Lösungen violettblau und alkalische Lösungen grün färbt. Der Indikator ändert genau bei p R = 7,0 seine Farbe und eignet sich daher nach Kolthoff [SO] zur direkten Titration von Essigsäure mit Ammoniak ohne Vergleichslösung. 3. PhenoIphthalei'n-a-Naphtolphthalcin. 50 ml einer 0,1%igen Lösung von Phenolphthalein in 50%igem Alkohol werden
Umschlagspunkt und Umschlagsbereich
151
mit 25ml einer 0,l%igen Lösung von Naphtolphthalein in 50%igem Alkohol gemischt. Wenige Tropfen dieses Indikators färben saure und neutrale Lösungen schwach rosa, alkalische Lösungen violett. Bei p H = 9,6 ist die Farbe grün, so daß dieser Indikator nach KolthofF [80] eine genaue Titration der Phosphorsäure bis zum Dialkaliorthophosphat (z. B. NajHPOO gestattet.
2. Umschlagspunkt and Umsdilagsbereich Wenn wir eine verdünnte Lauge mit wenigen Tropfen einer Indikatorlösung, z. B. von Methylrot, versetzen, so nimmt der Indikator seine „alkalische" Farbe an. Titrieren wir nun die Lauge langsam mit einer verdünnten Säure, so ändert sich die Wasserstoffionenkonzentration der Lösung, und schließlich erreichen wir einen Punkt, bei dem die „alkalische" Farbe des Indikators (hier gelb) deudich in die „saure" Farbe (hier rot) „umschlägt". Dieser U m s c h l a g s p u n k t des Indikators ist durch eine ganz bestimmte Wasserstoffionenkonzentration charakterisiert. Hier erhebt sich die Frage, ob diese Wasserstoffionenkonzentration am Umschlagspunkt für alle Indikatoren den gleichen Wert hat, ob etwa die Indikatoren immer am Neutralpunkt, bei P h = 7 , ihre Farbe wechseln. Wäre das richtig, so müßte bei der Titration ein und derselben Lauge mit ein und derselben Säure, aber unter Verwendung verschiedener Indikatoren stets die gleiche Anzahl Milliliter verbraucht werden. Das ist aber nicht der Fall! Von einer genau 0,01-n Salzsäure wurden 10 ml mit genau 0,01-n Natronlauge unter Verwendung verschiedener Indikatoren titriert. Der Versuch ergab, wenn als Indikator verwendet wurde: Methylorange Methylrot Neutralrot Phenolphthalein Thymolphthalei'n
folgenden Verbrauch an Natronlauge (ml): 9,2 9,9
10,0 10,2 11,0
152
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
Daraus folgt, daß die Umschlagspunkte der Indikatoren bei verschiedenen Wasserstoffionenkonzentrationen liegen, die sich zwar alle in der Nähe des Neutralpunkts befinden, aber nicht genau mit ihm zusammenfallen. Der Umschlagspunkt eines Indikators ist dadurch charakterisiert, daß hier ein deutlicher Farbwechsel zu beobachten ist. Dieser Farbwechsel muß notwendig darauf beruhen, daß sich der Indikator unter dem Einfluß der sich kontinuierlich ändernden Wasserstoffionenkonzentration aus seiner typisch „alkalischen" Form in seine typisch „saure" Form (oder umgekehrt) umwandelt. Und diese Umwandlung geschieht nicht plötzlich, sondern kontinuierlich im Sinne der schematischen Gleichung: Indikator+ H + ^ Indikator (alk. Form) (saure Form) Wir können dieser Gleichung sofort entnehmen, daß der Indikator bei jeder [H + ] in seinen beiden Formen vorliegt, und daß nur das Verhältnis der Konzentration der sauren und alkalischen Form zueinander bei einer Änderung der [H + ] verschoben wird. In der Nähe des Umschlagspunktes werden die Konzentrationen der sauren und alkalischen Indikatorform miteinander vergleichbar, so daß beide Farben nebeneinander sichtbar werden und sich zu einer Mischfarbe überlagern. Man spricht daher von einem U m s c h l a g s b e r e i c h , einem Gebiet der Wasserstoffionenkonzentration, das beiderseits begrenzt ist durch die p H -Werte, bei denen gerade noch die saure Indikatorform neben der alkalischen — oder umgekehrt — an einer Farbänderung der Lösungen mit Sicherheit erkannt werden kann. Die Größe dieses Umschlagsbereichs der einzelnen Indikatoren ist u. a. deshalb verschieden, weil bei dem einen Indikator die Konzentration der sauren, bei einem anderen die der alkalischen Form höher sein muß, um durch unser Auge neben der zweiten Form deutlich erkannt zu werden. Unser Auge reagiert auf die Farben des sichtbaren Spektrums mit verschieden großer Empfindlichkeit. Wenn wir die Konzentrationen der alkalischen Formen
Umschlagspunkt und Umschlagsbereidi
153
verschiedener Indikatoren (in Prozenten ihrer Gesamtkonzentration) in Abhängigkeit vom p H ihrer Lösung in ein rechtwinkliges Koordinatensystem einzeichnen, so erhalten wir die durch Fig. 19, S. 141 wiedergegebenen charakteristischen Kurven. D i e Kurven haben alle einen typischen, bei 5 0 % der alkalischen (bzw. sauren) F o r m liegenden Wendepunkt und verlaufen asymptotisch zur x-Achse, da ja auch in stark sauren bzw. alkalischen Lösungen immer noch eine kleine, aber endliche M e n g e des alkalischen bzw. sauren Anteils vorhanden ist. Als Umschlagspunkte der Indikatoren definieren wir also nunmehr die Wendepunkte der durch Fig. 2 2 wiedergegebenen Kurven, d . h . im Einzelfall diejenige Wasserstoffionenkonzentration, bei der die Konzentrationen der „sauren" und der „alkalischen" F o r m des Indikators einander gleich sind, und zwar der halben Gesamtkonzentration des Indikators in der Lösung entsprechen.
0
1
3
5 7 Fig. 22
9
11 PH
Eine große Anzahl von Forschem hat nadi verschiedenen Methoden der Wasserstoffionenkonzentrationsmessung die Umschlagsbereiche und Umschlagspunkte der Indikatoren experimentell bestimmt. Wir können hier auf die Methoden dieser Messungen nicht eingehen, müssen vielmehr auf die umfangreicheren, einschlägigen Darstellungen verweisen, z. B. [38]. Doch bringen wir im folgenden eine Tabelle (Tab. 10), in der die Umschlagsgebiete, Umschlagspunkte und Farben der wichtigsten, im vorigen Unterabschnitt bereits angeführten Indikatoren der Neutralisationsanalyse zusammengestellt sind.
154
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
3. Die praktische Anwendung der Indikatoren in der Neutralisationsanalyse Für die praktische Durchführung alkalimetrischer und acidimetrisdier Bestimmungen steht also eine große Reihe von Indikatoren verschiedener Umschlagsbereiche zur Verfügung. Es erhebt sich nun die Frage, welche Indikatoren T a b e l l e 10 Indikator Dimethylgelb Kongorot Methylorange Methylrot p-Nitrophenol Alizarin Lackmus Neutralrot Phenolphthalein Thymolphthalein
P H "
Bereich
p j j des Umschlags punkts
Farbe Farbe im beim Um- Farbe im sauren schlags- alkalischen Gebiet Gebiet punkt
2,9—4,0 3,0—5,2 3,0—4,4 4,4—6,2 5,0—7,0 5,5—6,8 5,0—8,0 6,8—8,0 8,2—10,0
3,9 rot orange gelb 4,0 blauviolett blau-rot rot 4,0 rot orange orangegelb orange 5,8 rot gelb 6,0 farblos hellgelb gelb gelb violett rot 6,1 6,8 rot blau-rot blau 7,0 rot rosa-rot gelborange 8,4 schwach farblos rot rosa 9,3—10,5 10,0 blau farblos schwach bläulich
für die verschiedenen Aufgaben der Neutralisationsanalyse jeweils am zweckmäßigsten und daher zu wählen sind. Die Aufgabe jeder maßanalytischen Bestimmung besteht darin, den Äquivalenzpunkt zu ermitteln. Dieser fällt, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, nicht immer mit dem Neutralpunkt zusammen, sondern liegt infolge hydrolytischer Prozesse, die ihrerseits wieder eine Folgeerscheinung des verschieden großen Dissoziationsgrades der Säuren und Basen sind, entweder mehr im sauren oder mehr im alkalischen Gebiet. Wir werden also möglichst den Indikator auswählen, dessen Umschlagspunkt den gleichen oder doch nahezu gleichen Wasserstoffexponenten hat wie der Äquivalenzpunkt des zu titrierenden Systems.
Die praktische Anwendung der Indikatoren
155
Damit gewinnen die im vorigen Kapitel besprochenen Neutralisationskurven erhöhtes Interesse; denn aus ihnen lassen sich alle wichtigen Grundregeln, die für die sachgemäße Verwendung der Farbindikatoren gelten und unbedingt befolgt werden müssen, ohne weiteres ablesen. Die Neutralisationskurve einer starken Säure mit einer starken Base zeichnet sich 1. durch einen großen und steilen Sprung der p H -Werte in der Nähe des Äquivalenzpunktes sowie durch ein relativ schmales Ubergangsgebiet aus, und 2. dadurch, daß der Äquivalenzpunkt praktisch mit dem Neutralpunkt zusammenfällt. Brauchbar sind also zunächst einmal alle Indikatoren, die nahe bei Pe = 7 umschlagen. Da aber die Genauigkeit der Bestimmungen gewöhnlich ± 0,1% nicht zu überschreiten braucht, so können wir auch noch alle Indikatoren verwenden, deren Umschlagspunkte erreicht werden, wenn bis zu 0 , 1 % Lauge mehr oder weniger zugesetzt wird. Diese eben noch zulässigen Grenzen sind pjj = 4 und pu = 10, wenn es sich um die Titration von starken 0,1-n Säuren und Laugen handelt. Wir können also vom Methylorange bis zum Phenolphthalein (siehe Tabelle 10) alle Indikatoren brauchen. Bei der Titration 0,01-normaler starker Säuren und Laugen dürfen die Umschlagspunkte die p H -Grenzwerte 5 und 9 nicht überschreiten; das bedeutet also, daß Methylorange nicht mehr verwendet werden darf, daß vielmehr Methylrot nach der Seite der im sauren Gebiet umschlagenden Indikatoren der äußerste noch zulässige ist. Aus der Neutralisationskurve einer schwachen Säure mit einer starken Lauge, z. B. von 0,1-n Essigsäure mit Natronlauge, ergibt sich dagegen, daß der Äquivalenzpunkt hier im alkalischen Gebiet, z. B. bei p H = 8,87 liegt, und daß die eben noch zulässigen Indikatorumschlagspunkte bei p H = 7,75 und 10 liegen. Hier ist kein einziger im sauren Gebiet umschlagender Indikator mehr verwendbar. Schwache Säuren dürfen also mit starken Basen weder unter Verwendung von Methylorange noch von Methylrot titriert werden; Phenolphthalein ist hier der richtige Indikatorl
156
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
Umgekehrt liegt der Äquivalenzpunkt bei der Titration einer schwachen Base mit einer starken Säure im sauren Gebiet. Die noch zulässigen Indikatorumschlagspunkte liegen z. B. für die Titration von 0,1-n Ammoniak mit Salzsäure bei p H = 4,0 und 6,25, während im Äquivalenzpunkt das p H = 5,13 beträgt. Wir können also alle Indikatoren verwenden, deren Umschlagspunkte zwischen denen des Methylorange und des Alizarins liegen. Der gegebene Indikator wird hier Methylrot sein. Auf keinen Fall aber darf man Phenolphthalein benutzen; nicht einmal Neutralrot wäre hier angebracht! Die Neutralisationskurven schwacher Säuren mit schwachen Basen endlich lassen erstens nur eine ganz minimale Änderung der Wasserstoffionenkonzentration und zweitens ein breites Ubergangsgebiet erkennen. Wollten wir hier auf ± 0 , 1 % genau titrieren, so dürfte der von uns benutzte Indikator nur zwischen p H = 6,96 und pg = 7,04 umschlagen! Hier käme fast nur Neutralrot in Frage. Aber auch mit Neutralrot ist infolge der geringen Änderung der [H+] am Äquivalenzpunkt (s. Fig. 21, S. 144) kein scharfer Farbumschlag zu erreichen. Man müßte also unter Zuhilfenahme von neutralen Vergleichslösungen arbeiten, die das Neutralrot in der gleichen Konzentration enthalten wie die zu titrierende Lösung, und trotzdem wäre nur ein annähernd genaues Resultat zu erwarten. Man könnte auch einen Mischindikator benutzen (siehe oben!). Wie wichtig die Wahl des richtigen Indikators ist, ergibt sich auch aus der Betrachtung des Titrationsverlaufs einer mehrbasigen Säure. Titrieren wir z. B. Phosphorsäure mit Natronlauge, so herrscht in der Lösung am ersten Äquivalenzpunkt, wenn also gerade das primäre Natriumphosphat entstanden ist, das pg = 4,4. Titrieren wir aber weiter bis zum sekundären Phosphat, so beträgt das p H der Lösung 9,6! Wollen wir also eine dieser Sättigungsstufen titrimetrisch genau erfassen, so müssen wir wieder den richtigen Indikator wählen.
Die praktische Anwendung der Indikatoren
157
Aus alldem ergeben sidi folgende vier Grundregeln für die Praxis: 1. Starke Säuren und starke Basen können miteinander unter Zuhilfenahme aller Indikatoren titriert werden, die zwischen Methylorange und Phenolphthalein umschlagen. 2. Schwache Säuren lassen sich mit starken Basen nur unter Verwendung solcher Indikatoren titrieren, die im schwach alkalischen Gebiet umschlagen, d. h. vor allem mit Phenolphthalein, nicht aber mit Methylorange. 3. Schwache Basen lassen sich mit starken Säuren nur in Gegenwart solcher Indikatoren titrieren, die im schwach sauren Gebiet umschlagen, d. h. vor allem mit Methylorange oder besser mit Methylrot, nicht aber mit Phenolphthalein. 4. Titrationen schwächer Basen mit schwachen Säuren und umgekehrt ergeben nur ungenaue Besultate. Lassen sie sich aber — was kaum jemals der Fall sein dürfte — nicht vermeiden, so kommen nur ganz wenige, für jeden Fall besonders zu ermittelnde Indikatoren in Frage. Auch kann mit dem Indikator nur unter Zuhilfenahme einer Vergleichslösung titriert werden, die vorher auf das pH des erstrebten Äquivalenzpunktes gebracht wurde und die gleiche Indikatorkonzentration hat wie die zu titrierende Lösung. Ein sogenannter „Titrierfehler" — worunter man die nicht genaue Übereinstimmung von Umschlagspunkt des Indikators und Äquivalenzpunkt der Titration versteht — kann abgesehen von der Wahl eines ungeeigneten Indikators in bezug auf die Art der Titration auch durch die Vernachlässigung der Abhängigkeit des Indikatorumschlages von einer Reihe Faktoren, der Temperatur, der Verdünnung der Lösungen, ihrem Neutralsalzgehalt, der Indikatorkonzentration u. a. entstehen. Auf die Zunahme des Fehlers mit steigender Verdünnung sei hier besonders hingewiesen. Nähere Einzelheiten und die Methoden zur Berechnung der Titrierfehler lese man in ausführlicheren Darstellungen, z. B. [80], [130], [135], [145] nach.
158
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse 4. Die Theorie der Indikatoren
Eine Erklärung der Wirkungsweise der Säure-BasenIndikatoren verdanken wir Wilhelm Ostwald (1891). Die Grundlagen seiner Vorstellungen sind auch heute noch für die wissenschaftliche Behandlung der Indikatorenfrage maßgebend, doch wurde die Theorie in den letzten Jahrzehnten durch die Vorstellungen und Experimentalarbeiten von Hantzsch und Schäfer, ferner von Thiel, Bjerrum, Diltey, Wizinger und anderen erweitert und vertieft. Die Theorie von Wilhelm Ostwald sieht in den Indikatoren schwache Basen oder schwache Säuren, deren Ion eine andere Farbe besitzt als die undissoziierte Verbindung. Bezeichnen wir z. B. eine solche schwache Indikatorsäure als RH und ihr Anion als R", so besteht das Wesen der Indikatorwirkung in dem Dissoziationsvorgang: RH^R-+H+, (1) und für eine schwache Indikatorbase ROH mit dem Kation R + gilt ganz analog: R O H ^ R + + OH'. (2) Da nun nach Ostwald das undissoziierte Molekül RH eine andere Farbe besitzt als sein Radikalion R", so wird eine Erhöhung der [H + ] und damit eine Zurückdrängung der Dissoziation der schwachen Indikatorsäure eine Verminderung der Konzentration vonR" und eine Erhöhung der Konzentration von RH zur Folge haben, so daß solange eine Verschiebung der Indikatorfärbung eintritt, bis praktisch nur noch die reine Farbe von RH, d. h. die Endfarbe im sauren Gebiet, zu beobachten ist. Eine Verminderung der [H + ] bewirkt dagegen, daß schließlich praktisch nur noch R"-Ionen in der Lösung vorhanden sind, und daß damit deren Farbe, d. h. die Endfarbe im alkalischen Gebiet vorherrscht. Entsprechende Überlegungen gelten für schwache Indikatorbasen (Gleichung 2). Als Beispiel sei der Farbumschlag des p-Nitrophenols angeführt, der sich nach Ostwald in folgender Weise vollzieht:
Die Theorie der Indikatoren OH I I Ih x / NO2
farbloses
159
o—" I I
II
+ H+
I NO,
gelbes
Molekül Radikalion Der große Vorteil der Theorie Wilhelm Ostwalds besteht darin, daß sie eine exakte mathematische Behandlung aller an den Indikatoren beobachteten Erscheinungen zuläßt. Denn wir können nun auf die Gleichungen (1) bzw. (2) das Massenwirkungsgesetz anwenden und damit z. B. die Tatsache verständlich machen, daß die verschiedenen Indikatoren bei verschiedenen Wasserstoffionenkonzentrationen umschlagen. Für zwei Indikatorsäuren RH und RjH gilt dann nämlich: [ R 1 • [H + ] [ R f ] • [H + ] = K, -[RH] - = K u n d - [ R ; H ] und wenn, wie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, die Dissoziationskonstanten K und Kj verschieden groß sind, so geht aus diesen Formulierungen unmittelbar hervor, daß die völlige Zurückdrängung der Dissoziation, also der Farbumschlag, nur bei verschiedenen Wasserstoffionenkonzentrationen erreicht werden kann. An der Grundvorstellung Wilhelm Ostwalds, daß sich die Indikatoren wie schwache Basen oder Säuren verhalten, wird auch heute noch festgehalten, doch sind gegen die Erklärung des Farbumschlags lediglich aus dem Dissoziationsvorgang heraus eine Reihe von Einwänden erhoben worden, die zu einer Umgestaltung und Vertiefung der Ostwaldschen Theorie geführt haben. Insbesondere ist das durch die Arbeiten von A. Hantzsch (vgl. z.B. 1907/08, 1923) und auch von K. Schäfer (vgl. z. B. 1920) geschehen. Hier soll nur auf zwei Beobachtungen hingewiesen werden, die gegen die Ostwaldsche Theorie in ihrer ursprünglichen Fassung sprechen:
160
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
1. Der Indikatorfarbumschlag, der ein Dissoziationsvorgang, also eine Ionenreaktion sein soll, müßte als solcher unmeßbar schnell verlaufen. Einige Indikatoren, z. B. Phenolphathale'in, schlagen aber nur langsam um, eine Tatsache, die auf den Ablauf einer Molekülreaktion hindeutet. 2. Die meisten anorganischen und organischen Säuren, Basen und Salze haben im dissoziierten Zustand dieselbe Farbe wie im undissoziierten. Beispiel hierfür bieten: Schwefelsäure, Phosphorsäure, Essigsäure, Cyanwasserstoffsäure, Natronlauge, Anilin usw. Wo charakteristische Farbänderungen auftreten, sind immer auch gleichzeitig Konstitutionsänderungen zu beobachten. So enthält eine ursprünglich saure, hellblau gefärbte, auf Zusatz von Ammoniak aber tiefblau gewordene Kupfersalzlösung nicht mehr Aquokupfer(II)-ionen, etwa [Cu(H 2 0) 4 ] 2+ , sondern Amminkupfer(II)-ionen, etwa [Cu(NH3)4]2+, also Ionen von ganz anderer Konstitution. Und während eine hellgelb gefärbte, alkalische Alkalichromatlösung die Anionen Cr042~ enthält, wird sie auf Zusatz von Säure orange, enthält aber nicht mehr Chromat-, Cr0 4 2 ", sondern Dichromationen, Cr 2 0 7 2 ". Also auch in diesem Falle ist die Farbänderung mit einer Konstitutionsänderung des färbenden Ions verbunden. Die Theorie von Hantzsch nimmt daher an, daß die eigentliche Ursache des Farbenwechsels der Indikatoren nicht in dem Dissoziationsvorgang als solchem, sondern in einer Konstitutionsänderung des Indikatormoleküls zu erblicken ist, die dem Auftreten oder der Zurückdrängung der Dissoziation parallel läuft. Das in saurer Lösung farblose p-Nitrophenol lagert sich nach dieser Theorie bei sinkender Acidität der Lösung in ein anderes, gelb gefärbtes Molekül um, das nun seinerseits als schwache Säure fungiert und leicht dissoziierende Salze bildet. Der Vorgang verläuft nach Hantzsch folgendermaßen:
161
Die Theorie der Indikatoren
I
II
III
|OH
|0|
IOI II II
I
/ lo|
N
IIII
\
/ lo
Pseudosäure
lol
N
II
+ H+
II
\ lOH
aci-Form
N
/ lol
\ lo-
aci-Anion
Die farblose Verbindung I, die in saurer Lösung beständig ist, hat kaum den Charakter einer Säure. Sie steht im Gleichgewicht mit der isomeren, gelbgefärbten Verbindung II, die als „wahre Säure" in ihre Ionen (Form III) und Wasserstoffionen zu dissoziieren vermag. Man nennt die Verbindung II, die nur in Form ihrer Salze, also nur in alkalischen Lösungen beständig ist, auch die „ionogene" oder „aci"-Form des Indikators, während die „normale" Verbindung I, die ja erst nach einer intramolekularen Umlagerung den Charakter einer Säure annimmt, als „Pseudosäure" bezeichnet wird. Als Ursache der Farbänderung des Indikators, hier also des Auftretens der gelben Farbe im alkalischen Gebiet, ist nach Hantzsch die Ausbildung des „chinoiden" Ringes bei den aci-Verbindungen zu betrachten. Es gibt zahlreiche Beispiele für den farbvertiefenden, „chromophoren" Charakter der Chinongruppe. Durch ein umfangreiches, experimentelles Material von Hantzsch wie auch von Schäfer konnten diese Anschauungen gestützt weiden. So zeigten z. B. Messungen der Lichtabsorption im sichtbaren und im ultravioletten Spektralbereich, daß die Absorptionskurven ein und desselben Indikators im sauren und im alkalischen Gebiet grundsätzlich verschieden sind, was sich nur durch konstitutive Veränderungen erklären läßt. In einigen Fällen gelang es soll
Jander-Jahi. Maßanalyse
162
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
gar, Derivate der Pseudo- und der aci-Form des Indikators darzustellen und damit den strengen Beweis für die wirkliche Existenz beider Isomeren zu liefern. Das gilt z. B. für das Pseudo- und das aci-Phenvlnitromethan: Die Ester der PseudoVerbindungen sind farblos, die der aci-Form gelb gefärbt. Schematisch läßt sich nach den Vorstellungen von Hantzsch der Vorgang des Farbwechsels der Indikatorsäuren also folgendermaßen formulieren: I II _ III _ _ Pseudosäure ^ aci-Verbindung ^ I Anion der (normale Form) (ionogene Form) | aci-Verbin- + H + Nichtelektrolyt Säure |_ dung Es ist klar, daß ein Zusatz von Hydroxidionen die Gleichgewichte im Sinne der oberen Pfeile verschieben muß, während ein Zusatz von Wasserstoffionen zur Bildung der Pseudosäure (Form I) führt. Da die Umlagerung der normalen oder Pseudoform in die ionogene oder aci-Form als Molekülreaktion langsam erfolgen kann, findet die Beobachtung, daß manche Indikatorfarbumschläge Zeitreaktionen sind, eine befriedigende Erklärung. Ganz analog läßt sich der Farbwechsel bei den Indikatorbasen beschreiben; normale oder Pseudobasen wandeln sich hiernach reversibel in ionogene oder baso-Verbindungen um. Die sich hieraus ergebende Auffassung von der Wirkungsweise der Indikatoren hat J. M. Kolthoff [79] unter Berücksichtigung der grundlegenden Vorstellungen von Wilhelm Ostwald in der folgenden Definition wohl am kürzesten zum Ausdruck gebracht: „Indikatoren sind (scheinbar) schwache Säuren oder Basen, deren ionogene oder aci- (bzw. baso-) Form eine andere Farbe und Konstitution besitzt als die Pseudo- oder normale Verbindung." Es sei erwähnt, daß auch einige andere Vorstellungen über die Wirkungsweise der Indikatoren entwickelt worden sind, die von der hier wiedergegebenen nicht un-
Die Theorie der Indikatoren
163
wesentlich abweichen, bisher jedoch für die weitere Entwicklung der Theorie der Indikatoren keine Bedeutung erlangt haben. So wies z. B. K. Fajans (1923) auf Grund zahlreicher Beispiele vorwiegend aus dem Gebiet der anorganischen Chemie darauf hin, daß Farbänderungen, die im Verlauf eines Dissoziationsvorganges auftreten, vielfach lediglich durch eine Deformation der Elektronenhüllen der Anionen und durch die verschiedene (in der Hauptsache vom Radius und der Anzahl der Ladungen abhängige) deformierende Wirkung des Kations erklärt werden können, daß also zum mindesten die Annahme von Hantzscli und Schäfer, „die undissoziierte Säure könne selbst in zwei verschiedenen isomeren Formen existieren, einer ionisierbaren und einer nichtionisierbaren, für Fälle wie C10 3 H, ClOH, NO a H, CH 3 COOH usw. zur Erklärung der optischen Tatsachen unnötig erscheint. Daß auch bei Indikatoren der Farbumschlag bei dem Ubergang vom Anion zur undissoziierten Säure erfolgen kann, ohne daß dabei andere Konstitutionsänderungen im Molekül stattfinden müssen, versteht sich nach dem obigen von selbst". Wolfgang Ostwald (1912) endlich machte darauf aufmerksam, daß der Farbumschlag der Indikatoren vielfach von einer Änderung im Dispersitätsgrad begleitet wird, und zog aus seinen Untersuchungen den Schluß, daß hierbei „kolloid- respektive allgemein dispersoidchemische Vorgänge eine wichtige, in manchen Fällen vielleicht ausschlaggebende Rolle spielen". Wenn auch das von Wo. Ostwald angeführte Beweismaterial, soweit es bisher kritisch geprüft wurde, vielfach nicht bestätigt werden konnte, so ist damit doch andererseits die Frage, ob und in welchem Umfange sich in den Indikatorlösungen tatsächlich Aggregationsprozesse abspielen können, die den Farbumschlag begleiten oder gar bewirken, noch keineswegs entschieden worden. Die Ansichten von Hantzsch und Schäfer über die Zusammenhänge zwischen Konstitution und F a r b e gelten auch heute insofern noch, als die Farberscheinung in der Gesamtstruktur des Farbstoffmoleküls erblickt wird, die von der Konzentration der Wasserstoffionen abhängig sein kann. Es ist jedodi verständlich, daß mit der Fortentwicklung der Anschauungen über die chemische Bindung, insbeson-
164
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
dere auch über die „Doppelbindung", an der klassischen Auffassung von der Struktur der Farbstoffe und vor allem an dem enggefaßten Chromophorbegriff nicht mehr festgehalten werden kann. Die ersten Versuche, zwischen chemischer Konstitution und Farbe einen Zusammenhang zu ergründen und zu formulieren, wurden von Witt (1873) unternommen. Danach wird ein chemischer Stoff zu einem Farbstoff, wenn er eine „chromophore" und eine „auxochrome" Gruppe enthält. Dabei gilt audi insbesondere die chinoide Struktur als diromophor. In der Folgezeit wurden dann aber die Anschauungen über das Wesen eines Farbstoffes vielfach abgewandelt (Armstrong, Hantzsdi, Baeyer, Willstätter u. a.), bis sich schließlidi eine Theorie besonderer Eigenart (von Pfeiffer, Diltey und Wizinger) herausbildete. Nach den modernen Auffassungen werden für das chemische Geschehen die Elektronen der äußeren Hülle verantwortlich gemacht. Bei den Doppelbindungen treten sogenannte „JtElektronen" auf, die besonders leicht anregbar sind und als die eigentlichen Urheber der Farbe angesehen werden. Wesentlich ist dabei aber noch die Anordnung der Doppelbindungen und ihre Anzahl. Zur Erklärung moderner Anschauungen verwendet man Begriffe, wie „quantenmechanische Resonanz", „Mesomerie" und „Zwischenzustände", auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Es muß vielmehr auf moderne Monographien über das Wesen der Farbe und des Farbstoffes und auf neuere Lehrbücher der Organischen Chemie hingewiesen werden (vgl. z. B. [76]). Mit den Ausdrucksmitteln der klassischen Chemie können die aus modernen Vorstellungen hergeleiteten strukturellen Zusammenhänge gar nicht wiedergegeben werden, und man muß sich immer bewußt sein, daß durch die — audi im folgenden gewählten — klassischen Formeln die sidi abspielenden Vorgänge nur eingegrenzt werden. Zum Schluß seien die Reaktionen kurz erläutert, die dem Farbumschlag der beiden wichtigsten Indikatoren, des Methylorange und des Phenolphthaleins, zugrunde liegen.
165
Die Theorie der Indikatoren
1. Methylorange ist das gut in Wasser lösliche Natriumsalz der p-Dimethylamino-azobenzol-sulfonsäure: (Na+)"03S—^
—N = N
—
N
^
CH CH 3
D a ß beim Ansäuern aus dem Natriumsalz die freie Säure gebildet wird, ist für den Farbumschlag von gelb nach rot, der dabei beobachtet wird, ohne Bedeutung. D e r Farbwechsel beim Ubergang vom neutralen bzw. basischen Medium in das saure oder umgekehrt kann vielmehr folgendermaßen formuliert werden: I
II
so311
SO3-
11
IIII
1 •N 11 II N
1 iN-H 11 : N II II
— H+
11 IIII V 11 :N
/
L 1 11II + H+
|
H3C
|
\
CH 3
Gelborange
/II \ II II
II
II II N(+>
/
\
H3C
CH;
rot
Bei genügend großer H + -Konzentration nimmt die Aminogruppe im Grenzzustand die Struktur eines Ammoniumderivates [NR 4 ] + an, wobei der Benzolring in die chinoide
166
Die Farbindikatoren der Neutralisationsanalyse
Form übergeht und ein Proton in die Azogruppe eingelagert wird. Die Formel II läßt den Farbstoff als ein starr formulierbares Molekül bzw. Ion erscheinen. Damit ist jedoch den neueren Auffassungen von der chemischen Bindung und von der Struktur der Farbstoffe nicht Rechnung getragen. Vielmehr wird angenommen, daß in dem stark ungesättigten System des Farbstoffmoleküls die xt-Elektronen nicht lokalisierbar sind. Die wirkliche Struktur des Farbstoffs läßt sich also nicht wiedergeben, sie liegt zwischen den „mesomeren" Grenzformen (siehe unten). Man hat das also so zu verstehen, daß die Atomkerne zwar in einer festen Anordnung verbleiben, die Elektronen aber innerhalb des Moleküls ihren Platz ständig wechseln.
so3-
so3-
I
I
I V
II
I (+) N—
I •
N
I
II , N (+)
1
/
I ¡N—H IN
11
:N
c
II V
\
CH 3
/ H3C
\
CHJ
2. Phenolphthalein, p-Dioxy-diphenyl-phthalid, ist ein farbloses Lacton, das in schwach alkalischen Lösungen eine tiefrote Farbe annimmt. Dieser Vorgang kann wie folgt formuliert werden:
Die Bereitung und Einstellung der Säuren HO
OH I
II
I
II
C \ +2NaOH I ° ^ (farblos)
|
O II
I
I
C I (!ot)
|
/
C O
°
f
V
VcOONa
NaO
ONa I
N a
II
/NOK
NaOH ^ V
I
0:H '
C TT (farblos)
||
NaO I
NaO \ / \ I II
167
II
I C N
(farblos)
II
O H
, ^ Y
C O O N a
Zunächst wird bei der Zugabe von Laugen der Lactonring geöffnet (II) und dadurch die Abspaltung von einem Mol Wasser ermöglicht. Das geschieht dann in der durch die punktierten Linien angedeuteten Weise, wobei sich ein chinoider Ring ausbildet und ein konjugiertes System über das ganze Molekül hinweg entsteht (III). Dieses lebhaft rote Dinatriumsalz wird unter weiteren Umlagerungen in ganz stark alkalischen Lösungen in ein farbloses Trinatriumsalz (IV) umgewandelt. XI. Alkalimetrie und Acidimetrie 1. Die Bereitung und Einstellung der Säuren Die wichtigsten in der Neutralisationsanalyse als Titerflüssigkeiten dienenden Säuren sind Salzsäure und Schwefelsäure, in zweiter Linie sind Salpetersäure und Perchlorsäure zu nennen. Für manche Zwecke ist Oxalsäure gut geeignet. Alle diese Säuren werden gewöhnlich als n/5- oder n/10-Lösungen verwendet. Die Bestimmung sehr schwacher Basen wird mit 1-n Säuren durchgeführt.
16S
Alkalimetrie und Acidimetrie
Bei der Bereitung einer ungefähr 0,2-normalen, starken Säure kann man von den reinen konzentrierten Lösungen des Handels ausgehen, mit einem guten Aräometer deren spezifisches Gewicht messen und die der gemessenen Dichte entsprechende Normalität (bzw. den Prozentgehalt) der konzentrierten Säure einer Tabelle entnehmen, wie eine solche z. B. in den „Logarithmischen Rechentafeln für Chemiker" von F. W. Küster und A. Thiel [92] zu finden ist. Kennt man so den Gehalt der konzentrierten Säure, dann kann man leicht berechnen, wieviel Milliliter in einen Meßkolben zu bringen und durch Auffüllen bis zur Marke mit destilliertem Wasser zu verdünnen sind, um eine Lösung von der gewünschten Normalität zu erhalten.
Beispiel: D i e verwendete konzentrierte Salzsäure habe das spez. Gewicht 1,190 ( 2 0 ° C ) , sei a l s o 12,50-n. U m d a r a u s einen Liter u n g e f ä h r 0,2-n S a l z s ä u r e zu bereiten, lassen wir also
aus einer B ü r e t t e in den L i t e r k o l b e n einfließen u n d füllen in der üblichen W e i s e bis zur M a r k e a u f (gut umschütteln]). D a m a n bei d i e s e m V e r f a h r e n F e h l e r b i s zu 1 % machen kann, ist unter allen U m s t ä n d e n noch eine g e n a u e T i t e r s t e l l u n g erforderlich.
Salzsäurelösungen definierter Normalität lassen sich nach Raschig (1904) auch dadurch bereiten, daß man in eine gewogene Menge reinen Wassers so lange trockenen Chlorwasserstoff einleitet, bis eine dem gewünschten Gehalt entsprechende Gewichtszunahme zu konstatieren ist. Hierbei ist selbstverständlich darauf zu achten, daß durch die beim Einleiten des Chlorwasserstoffs entstehende Wärmeentwicklung kein Wasser verdunstet, und daß vom Chlorwasserstoffentwickler her keine Schwefelsäurenebel mit in die Vorlage gelangen. Wegen dieser Fehlermöglichkeiten ist auch in diesem Falle noch eine genauere Einstellung der Lösung anzuraten. Aus dem Ergebnis der Titerstellung, die nach einer dei unten besprochenen Methoden erfolgen soll, berechnet man
Die Bereitung und Einstellung der Säuren
169
dann den Normalfaktor der Säure und benutzt für die Analyse entweder die ungefähr normale Lösung selbst, oder man stellt sich mit Hilfe des Wislicenuskolbens aus der angenähert Vä-normalen eine genau 0,2-normale Lösung her (s. S. 38). Genau 0,2-n Oxalsäurelösungen lassen sich direkt durch Auflösen der berechneten Menge von reinstem, lufttrockenem Oxalsäuredihydrat zum Liter darstellen. Ein solches Präparat erhält man, wenn über das fein gepulverte Oxalsäuredihydrat ein Luftstrom geleitet wird, der vorher ein Gemisch von wasserfreier (bei 100° C getrockneter) und hydratischer Oxalsäure passiert hatte. Der Wassergehalt des Luftstroms entspricht dann genau der Tension des Dihydrates. Zur genauen Einstellung der Säurelösungen stehen uns verschiedene Urtitersubstanzen zur Verfügung. Hier sind vor allem Natriumkarbonat, Natriumoxalat und Quecksilberoxid zu nennen: Wir besprechen: Die Einstellung der Säuren mit Natriumkarbonat: Das Natriumkarbonat muß genau der Formel Na 2 C0 3 entsprechen, darf also kein Natriumhydroxid oder Natriumhydrogenkarbonat enthalten, und muß völlig dilorid-, sulfat- und wasserfrei sein. Ein solches Präparat läßt sich in folgender Weise gewinnen: Man bereitet sich eine bei Zimmertemperatur gesättigte Lösung von 250 g kristallisiertem Natriumkarbonat und filtriert sie durch ein Faltenfilter in einen größeren Kolben aus Jenaer Glas. Dann leitet man einen langsamen Strom von reinem, mit Natriumhydrogenkarbonatlösung gewaschenem Kohlendioxidgas durdi die Sodalösung und bringt dadurch reines Natriumhydrogenkarbonat zur Ausscheidung. Ein Kühlen der Lösung und ein gelegentliches Umschütteln beschleunigen den Prozeß. Nach etwa 2 Stunden wird das abgeschiedene Salz auf einer Glasfrittennutsche aus Geräteglas abgesaugt und mit eiskaltem, kohlensäurehaltigem Wasser so lange ausgewaschen, bis im Waschwasser keine Chlorid- und Sulfationen mehr nachzuweisen sind. Nachdem man dann das Salz bei 105° C getrocknet hat, bringt man es in einen geräumigen Platintiegel, wägt diesen, und erhitzt den gewogenen Tiegel im Stockschen Alu-
170
Alkalimetrie u n d Acidimetrie
miniumblodc auf 270° bis 300° C; dabei soll man den Tiegelinhalt von Zeit zu Zeit mit einem Platindraht intensiv umrühren. Nach etwa einer Stunde unterbricht man die Operation, läßt den Tiegel im Exsikkator, der mit Calciumchlorid frisdi gefüllt sein soll, erkalten, und wägt. Man wiederholt schließlich das Erhitzen und Wägen bis zur Gewichtskonstanz. Die so gewonnene titerreine Soda m u ß in einem gut verschlossenen Glase aufbewahrt werden. Zur Titerstellung werden aus einem gut verschließbaren Wägegläschen hintereinander drei Proben von je 0,3—0,4 g reinsten, wasserfreien Natriumkarbonats in drei Erlenmeyerkolben (aus Geräteglas!) von 300—400 ml Inhalt genau eingewogen. Beim Abwägen ist äußerste Vorsicht geboten, denn reinstes, wasserfreies Natriumkarbonat stäubt leicht, andererseits zieht es recht begierig Wasser an. Jede Probe wird in etwa 100 ml Wasser gelöst, mit 2—3 Tropfen Methylorangelösung versetzt (nicht zuviel Indikatorlösung nehmen, die ja auch mittitriert werden muß!), und unter dauerndem Umschwenken des Erlenmeyerkolbens so lange mit der Säure titriert, bis der Indikatorfarbton gerade umschlägt, d. h. eben etwas kräftiger orange ist als der einer Vergleichslösung, bestehend aus 125 ml Wasser und der gleichen Anzahl Tropfen der Methylorangelösung. Mit diesem Farbumschlag ist aber der Äquivalenzpunkt noch nicht ganz erreicht! Denn die Lösung ist ja an Kohlensäure gesättigt, und ein an Kohlensäure gesättigtes Wasser verändert die Farbe des Methylorange schon ein wenig nach der „sauren" Farbe hin, wenn auch die Abweichung nur gering ist. Man läßt daher die Lösung zwei bis drei Minuten lang kochen, um die Kohlensäure zu vertreiben, kühlt ab (I) und titriert die nun wieder gelb gefärbte Lösung weiter bis zum eben beginnenden Farbumschlag. Aus der Menge der verbrauchten Säure berechnet man dann in der üblichen Weise den „Gebrauchstiter" der Säure bei Verwendung von Methylorange als Indikator. Den „korrigierten Titer" erhält man bei Berücksichtigung des Titrierfehlers (vgl. S. 157), den man folgendermaßen experimentell bestimmt: In dem gleichen Volumen destillierten Wassers, das die titrierte Lösung beim Umschlagspunkt einnimmt, löst man eine etwa äquivalente Menge Kochsalz auf, gibt die gleiche Menge Indikator hinzu und titriert mit der Säure bis zur Farbgleichheit mit der titrierten Lösung. Bei Zimmertemperatur beträgt die Korrektur auf 100 ml ungefähr 0,1 ml
Die Bereitung und Einstellung der Säuren
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0,1-n Säure. Dieses Volumen zieht man von der für die Titration verbrauchten Säuremenge ab und berechnet dann den „korrigierten Titer". Wesentlich empfindlicher ist der Farbumschlag, wenn an Stelle von Methylorange Methylrot als Indikator verwendet wird. Dies hängt damit zusammen, daß die Empfindlichkeit des Indikators von dem p H -Wert abhängt, bei dem er umschlägt. Diese nimmt mit steigendem p H -Wert zu. Es sind nämlich bei einem Endvolumen von 100 ml für eine Änderung des p H -Wertes von 4,4 auf 3,0 (Umschlagsgebiet von Methylorange) theoretisch 0,96 ml 0,1-n Säure erforderlich, während die Änderung des p n -Wertes von 6,2 auf 4,4 (Methylrot) schon durch 0,1 ml Säure erreicht wird. Kolthoff [80] empfiehlt die Einstellung der Säure gegen Rosolsäure (p H -Änderung 6,9—8,0) oder Phenolrot (6,8—8,0) in der Hitze. Ein Titrierfehler tritt hierbei nicht auf, eine Vergleichslösung wird also nicht benötigt. Will man den Titer für die Verwendung von Phenolphthalein als Indikator ermitteln, so gibt man zu der Natriumkarbonatlösung 1—2 Tropfen Phenolphthaleinlösung, titriert in der Kälte bis gerade zur Entfärbung, erhitzt die Lösung 5 Minuten lang zum Sieden und titriert die wieder rote Lösung nochmals bis zum Verschwinden der Rotfärbung. Diese Operationen werden vorsichtig so lange wiederholt, bis auch bei einem 10 Minuten langen Kochen keine Rosafärbung mehr auftritt. Verwendet man Phenolphthalein als Indikator, so ist das vollständige Auskochen der Kohlensäure unerläßlich; würde man es versäumen, so würde der Säureverbrauch viel zu gering werden, denn Phenolphthalein schlägt schon im schwach alkalischen Gebiet um. Alle Farbänderungen während der Titration soll man gegen einen weißen Untergrund (weiße Kachel, Porzellanplatte, mattes reinweißes Papier) betrachten und beurteilen I 1 ml 0,2 -n Säure (Salzsäure, Salpetersäure, Oxalsäure usw.) entspricht Ys Milligrammäquivalent, also 10,598 mg Na 2 C0 3 . Die Einstellung der Säuren mit Natriumoxalat: Reinstes, wasserfreies Natriumoxalat (s. S. 51) wird auf 330° bis 350° C erhitzt. Es zersetzt sich dabei entsprechend der Gleichung: Naü(COO)2 -»- Na 2 C0 3 + CO f . Das Natriumkarbonat wird dann in der eben beschriebenen Weise mit der einzustellenden Säure titriert. Die Zersetzung der genau abgewogenen Probe (ca. 0,2 g)
172
Alkalimetrie und Acidimetrie
wird in einem Platintiegel vorgenommen, der entweder, in einer schräggestellten Asbestplatte hängend, über einer kleinen Leuchtgasflamme direkt erhitzt wird — der Tiegel soll bedeckt sein; Flammengase dürfen mit seinem Inhalt nicht in Berührung kommen! — oder aber in einem Stockschen Aluminiumheizblock langsam auf die erforderliche Temperatur gebracht wird. Nach etwa einer halben Stunde ist das Natriumoxalat quantitativ in Natriumkarbonat übergegangen, und wird, wie beschrieben, titriert. Diese von Sörensen (1897—1905) angegebene Methode macht die ausgezeichneten Eigenschaften der Urtitersubstanz Natriumoxalat auch für die Neutralisationsanalyse nutzbar. 1 ml 0,2-n Säure entspricht 1 / 5 Milligrammäquivalent, also 13,401 mg N a , C 2 0 4 . Die Einstellung der Säuren mit Quecksilber(II)-oxid nach Incze 1 ): Diese sehr bequeme Methode zur Einstellung von Säuren beruht darauf, daß Quecksilber(II)-oxid mit überschüssigem Kaliumjodid und Wasser nach der Gleichung: H g O + 4 KJ + H 2 0 = K 2 [ H g J J + 2 KOH das stark komplexe, in verdünnter Lösung nur ganz schwach gelb gefärbte Kaliumtetrajodomercurat (II) bildet und gleichzeitig zwei Äquivalente Kaliumhydroxid in Freiheit setzt, die mit der Säure titriert werden können. Man verwende reinstes Quecksilber(II)-oxid. Incze schreibt das gelbe Oxid vor, doch ist auch das rote verwendbar. Es soll im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure bis zum konstanten Gewicht getrocknet werden (nicht durch Erhitzenl). Das Quecksilber(II)-oxid darf kein Chlorid enthalten. Ein Sodaauszug aus 1 g darf nach dem Ansäuern mit Salpetersäure auf Zusatz von Silbernitratlösung keine Opaleszenz zeigen. Auch darf das Präparat kein metallisches Quecksilber enthalten. Eine Lösung von 3 g Quecksilber(II)-oxid in 10 ml 4-n Salzsäure soll vollkommen klar sein. Von dem Herstellungsprozeß des Quecksilber(Il)-oxids her darf dem Präparat selbstverständlich auch kein Alkalihydroxyd anhaften. Auch davon hat man sich zu überzeugen. Eine Probe muß sich rückstandslos verflüchtigen lassen. Da Quecksilber(II)-oxid am Licht zersetzt wird, soll es nur im Dunkeln aufbewahrt werden. Etwa 0,4 bis 0,5 g Quecksilber(II)-oxid werden genau ge1) 1917/18
Die Bereitung und Einstellung der Laugen
173
wogen und in einem Erlenmeyerkolben mit etwa 6 g reinstem, neutralem Kaliumjodid zusammen in zunächst höchstens (I) 20 ml Wasser unter Umschwenken und gelindem Erwärmen gelöst. Damit aus der Luft kein Kohlendioxid hinzutreten kann, wird auf den Erlenmeyerkolben ein Natronkalkrohr aufgesetzt. Wenn alles Quecksilber(II)-oxid gelöst ist, wird die Lösung mit ausgekochtem Wasser auf etwa 100 ml verdünnt und unter Verwendung von Methylorange oder Phenolphthalein als Indikator mit der einzustellenden Säure titriert. Die Methode ist äußerst bequem und auch wegen der vorzüglichen Titereigenschaften des Quedcsilber(II)-oxids — hohes Äquivalentgewicht, nicht hygroskopisch, exakte Zusammensetzung — sehr zu empfehlen. 1 ml 0,2-n Säure entspricht 1 / 5 Milligrammäquivalent, also 21,661 mg HgO. 2. Die Bereitung und Einstellung der Laugen Die für acidimetrische Bestimmungen verwendeten verdünnten Laugen, meistens n/5- bzw. n/10-Natronlauge oder Kalilauge, sollen möglichst karbonatarm sein, da die Anwesenheit der Kohlensäure die Färbung des Methylorange, ganz besonders aber die Farbe des im schwach alkalischen Gebiet umschlagenden Phenolphthaleins deutlich beeinflußt; besonders bei der Titration mit Phenolphthalein als Indikator verbraucht eine karbonathaltige Lauge weniger Milliliter der gleichen Säure als eine kohlensäurefreie Lauge, mit anderen Worten, die Titration ergibt nicht den wahren Äquivalenzpunkt. Daraus ergeben sich zwei Forderungen für die B e r e i t u n g und B e n u t z u n g eingestellter Laugen: 1. die Lauge soll von Anfang an möglichst karbonatarm bzw. ganz karbonatfrei sein, und 2. die Lauge muß so aufbewahrt werden, daß sie kein Kohlendioxid aus der umgebenden Luft anziehen und dadurch an Titer verlieren kann. Dieser letzten Forderung läßt sich immer dadurch genügen, daß man die Lauge in einer geräumigen Vorratsflasche aus Geräteglas aufhebt, die, wie Fig. 23 zeigt, durch einen doppelt durchbohrten Gummistopfen verschlossen ist. Durch die
174
^jSiL. "T^s^^Tpl g (E^.
Alkalimetrie und Acidimetrie eine Bohrung dieses Stopfens reicht die mit einem seitlichen Ablaufhahn versehene Bürette bis auf den Boden der Flasche, während durch die zweite Öffnung ein kurzes, knieförmig gebogenes Glasrohr führt, an das sich, unter Zwischenschaltung eines Natronkalkröhrchens, ein Gummiballgebläse anschließt Die Bürette läßt sich gegen die Vorratsflasche durch einen Glashahn abschließen und trägt oben ebenfalls ein Natronkalkröhrchen zum Schutz gegen das Kohlendioxid der Luft, ö f f n e t man den Hahn zar Vorratsflasche, so kann man die Bürette mit Hilfe des Gummigebläses füllen. Damit nicht aus der Lauge bei längerem Stehen der ganzen Apparatur Wasser in die Natronkalkröhrchen hineindestillieren kann (wodurch der Laugentiter zunehmen würde), werden diese durch Zwis c h e n g e s c h ä f t e Quetsdihähne von der Vorratsflasche abgeschlossen, solange die Apparatur nicht in Gebrauch ist.
Eine für die weitaus meisten praktischen Zwecke genügend karbonatFig. 23 arme ungefähr 0,2-n Natronlauge erhält man auf folgende Weise: Man wägt 9—10 g reinsten Natriumhydroxids (e natrio!) in Pastillenform roh auf einer Handwaage ab, spült sie in einer Porzellanschale rasch dreimal hintereinander mit destilliertem Wasser ab, um die anhaftende Natriumkarbonatkruste abzulösen, bringt das Natriumhydroxid sofort in die saubere Vorratsflasche (aus Geräteglas), durch die man zuvor etwa zwei Stunden lang einen kohlendioxidfreien Luftstrom geleitet hatte, und füllt mit frisch ausgekochtem, destilliertem Wasser zu dem gewünschten Volumen auf. Schließlich wird die saubere und trockene Bürette in der bereits beschriebenen Weise auf die Vorratsflasche aufgesetzt. Wenn sich alles Natriumhydroxid gelöst hat, schüttelt man die Flasche gut um, wartet den Temperaturausgleich ab, füllt die Bürette mit
Die Bereitung und Einstellung der Laugen
175
Hilfe des Gummigebläses und ermittelt den genauen Titer der Lauge. Durch konduktometrische Titrationen läßt sich der Nachweis liefern, daß eine solche L a u g e praktisch karbonatfrei ist. Eine völlig karbonatfreie Lauge läßt sidi aus metallischem Natrium darstellen, das in absolutem Alkohol gelöst wird. Das entstandene Natriumalkoholat wird mit portionsweise zugesetztem, zuvor ausgekochtem destilliertem Wasser hydrolisiert, der Alkohol völlig verkocht, und die Lösung mit ausgekochtem destilliertem Wasser in geeigneter Weise verdünnt. Alle Operationen müssen unter Durchleiten von kohlendioxidfreier Luft durchgeführt werden. Eine genaue Anleitung findet man in der Originalarbeit (F. W. Küster, Z. f. anorg. u. allgem. Chem. 13, 134 [1897]). Zu der von Sörensen (1909), Cowles (1908), Pregl (1925/26) und anderen empfohlenen Methode zur Darstellung karbonatfreier Natronlauge (nicht Kalilaugel) durch Verdünnen der höchstkonzentrierten sog. „öllauge", in der Natriumkarbonat praktisdi unlöslich ist, möchten wir deshalb nidit raten, weil die konzentrierte Natronlauge auch gute Gläser unter Herauslösen von Kieselsäure und Aluminiumoxid merklich angreift. Die Lauge kann leicht durch Natriumsilikat- und NatriumaluminatBildung verunreinigt werden und infolgedessen nicht ganz titerbeständig sein. Völlige Gewähr für die Abwesenheit von Kohlensäure bietet die Benutzung von Barytlauge, natürlich unter den genannten Vorsichtsmaßregeln. Eine ungefähr 0,1-n Barytlauge erhält man folgendermaßen: E t w a 2 0 g kristallisiertes Bariumhydroxid werden mit einem Liter destillierten Wassers unter kräftigem Umschütteln in Lösung gebracht. Wenn sich die durch Bariumkarbonat getrübte Lösung nach längerem Stehen geklärt hat, wird die Lösung vorsichtig in eine mit kohlendioxidfreier Luft (siehe oben!) gefüllte Flasche abgehebert, und diese sofort durch Aufsetzen der sauberen und trockenen Bürette, wie oben beschrieben, gut verschlossen. Die T i t e r s t e l l u n g d e r L a u g e n erfolgt am besten durch Titration mit einer 0,2-n Säure, deren Gehalt nach einer der im vorigen Abschnitt mitgeteilten Methoden
176
Alkalimetrie und Acidimetrie
genau ermittelt wurde. Als Indikatoren dienen Methylorange oder Phenolphthalein. D i e mit diesen Indikatoren gefundenen Gebrauchstiter dürfen um nicht mehr als 0 , 1 % voneinander abweichen. Vor allem aber m u ß die Lauge, wenn sie direkt in der Kälte mit Phenolphthalein titriert wird, die gleiche Säuremenge verbrauchen, die benötigt wird, wenn sie kurz vor der Erreichung des Umschlagspunktes aufgekocht, dann wieder abgekühlt und titriert wird; anderenfalls enthält sie zuviel Kohlensäure. D i e Titerstellung der Barytlauge erfolgt nur mit Phenolphthalein als Indikator. Man kann den Titer der Laugen auch direkt bestimmen mit kristallisierter Oxalsäure, Amidosulfonsäure, Benzoesäure und anderen geeigneten Urtitersubstanzen. W i r beschreiben die Einstellung mit kristallisierter Oxalsäure: Von reinstem Oxalsäuredihydrat (s. S. 50) werden 0,3 bis 0,4 g genau abgewogen, in etwa 2 0 0 ml ausgekochten, destillierten Wassers gelöst und unter Verwendung von Phenolphthalein (!) mit der einzustellenden 0,2-n L a u g e bis zur Rosafärbung titriert. 1 ml 0,2-n L a u g e entspricht V 5 Milligrammäquivalent, also 12,607 mg, 1 ml 0-1-n Lauge zeigt 6 , 3 0 3 mg (COOH)o • 2 H 2 0 an. F ü r alle Titerstellungen in der Acidimetrie und Alkalimetrie benutze man nur ausgekochtes Wasser zum Verdünnen der Lösungen! 3. Die Bestimmung starker und schwacher Basen Alle starken und schwachen Basen werden mit starken Säuren, meist Salzsäure oder Schwefelsäure, titriert. D i e Auswahl des Indikators erfolgt nach den auf S. 157 gegebenen Gesichtspunkten. D i e molare Konzentration der zu titrierenden L a u g e soll der zur Titration verwendeten Säure ungefähr entsprechen. Handelt es sich um die Gehaltsbestimmung fester Hydroxide, so m u ß bei der Abwaage die Aufnahme von Wasserdampf und Kohlendioxid aus der umgebenden L u f t möglichst vermieden werden.
Die Bestimmung starker und schwacher Basen
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Das geschieht durch Abwägen in gut schließenden Wägeröhrchen. Auch konzentriertes Aminoniakwasser wird stets iip verschlossenen Wägegläschen abgewogen, das Gläschen wird dann unter Wasser geöffnet, wodurch ein Ammoniakverlust während des Verdünnens vermieden wird. Die erhaltene verdünnte Ammoniaklösung wird schließlich in einem geeigneten Meßkolben bis zur Marke aufgefüllt. Verdünntes Ammoniakwasser wird mit der Pipette abgemessen, doch ist es zweckmäßig, das Ammoniakwasser in die Pipette hineinzudrücken, nicht einzusaugen. Die eigentliche Bestimmung kann entweder durch direkte Titration oder durch Zurücktitrieren erfolgen. Als Beispiel möge die Bestimmung des Gesamtalkaligehaltes eines technischen Natriumhydroxids („kaustische Soda") dienen. Praktische Durchführung: Etwa 5 g der Substanz werden im verschlossenen Wägeglas abgewogen, in Wasser gelöst und in einem Meßkolben zu einem Liter aufgefüllt. Die Bestimmung erfolgt: a) D u r c h d i r e k t e T i t r a t i o n : 50 ml der Lösung werden in der Kälte mit n/5 Schwefelsäure in Gegenwart von Methylorange als Indikator titriert. Hierbei wird auch derjenige Anteil des gesamten Alkaligehaltes ermittelt, der als Karbonat vorliegt, da Methylorange gegen Kohlensäure wenig empfindlich ist. — b) D u r c h Z u r ü c k t i t r i e r e n : 50 ml der Lösung werden mit 30 ml n/5 Schwefelsäure versetzt. Die durch die überschüssige Schwefelsäure verdrängte Kohlensäure wird dann durch gelindes Kochen der Flüssigkeit völlig vertrieben, einige Tropfen Phenolphthalein werden hinzugesetzt, und die noch heiße Lösung wird mit n/5 Natriumhydroxidlösung bis zur beginnenden Rosafärbung zurücktitriert. Die Subtraktion der hierzu verbrauchten Milliliter Natriumhydroxidlösung von den 30 ml n/5 Schwefelsäure ergibt die zur Neutralisation des gesuchten Gesamtnatrongehaltes verbrauchte Menge der n/5 Schwefelsäure. 1 ml n/5 Schwefelsäure entspricht V 5 Milligrammäquivalent, also 6,198 m g N a 2 0 . Man gebe das Analysenergebnis in Gewichtsprozenten an. 12
Jander-Jahr, Maßanalyse
178
Alkalimetrie und Acidimetrie
4. Die Bestimmung der Karbonate, sowie die Bestimmung von Hydroxiden und Karbonaten nebeneinander
Alle Karbonate reagieren mit Säuren im Sinne der Gleichung: Na2C03 + H2S04 Na 2 S0 4 + H 2 0 + C 0 2 f . Die schwache und leicht flüchtige Kohlensäure wird durch die Mineralsäure vollständig verdrängt. Die Karbonate lassen sich daher, genau wie die Hydroxide, direkt mit Säuren titrieren. Die Bestimmung erfolgt mit Hilfe von Methylorange in der Kälte. Arbeitet man mit verdünnteren, z. B. 0,1-normalen Säurelösungen, so ist es richtiger, die Karbonatlösung zunächst in der Kälte bis zum Farbumschlag des Methylorange mit der Säure zu versetzen, die Lösung sodann kurz aufzukochen, um die Kohlensäure völlig zu vertreiben, und die wieder abgekühlte und von neuem mit 2 Tropfen Methylorange versetzte Lösung nunmehr zu Ende zu titrieren. Diese Operationen wurden bereits anläßlich der Beschreibung der Titerslellung von Säuren mit Natriumkarbonat eingehend besprochen. Man kann auch die Karbonate unter Verwendung von Phenolphthalein als Indikator in der Siedehitze titrieren; dann verfährt man genau so, wie es im vorigen Unterabschnitt anläßlich der Titration von Alkalihydroxidlösungen beschrieben wurde. Auch die Karbonate können durch direkte Titration oder durch Zurücktitrieren bestimmt werden; die letztgenannte Methode findet immer dann Anwendung, wenn es sich um die Bestimmung wasserunlöslicher Karbonate handelt.
Sollen, etwa in einer älteren, kohlensäurehaltigen Natronlauge, der Hydroxid- und der Karbonatgehalt nebeneinander bestimmt werden, so arbeitet man am besten nach der Methode von Cl. Winkler [146]. Zunächst wird der Gesamtalkaligehalt der Lauge durch alkalimetrische Titration in der Kälte mit Hilfe von Methylorange als Indikator ermittelt. In einer zweiten Probe werden sodann die Karbonationen durch Zugabe eines Uberschusses von neutraler Bariumchloridlösung als unlösliches Bariumkarbonat ausgefällt: N a 2 C 0 3 + BaCl 2 2 NaCl + BaCO a i .
Alkalikarbonat und Alkalihydrogenkarbonat
179
Und endlich werden die in der Lösung verbliebenen Hydroxidionen unter Verwendung von Phenolphthalein als Indikator mit 0,1-n Oxalsäure titriert. Die hierzu verbrauchte Oxalsäure ergibt also die Menge des ursprünglich vorhandenen Alkalihydroxids, und nach dessen Abzug vom Gesamtalkaligehalt ergibt sich der Gehalt an Alkalikarbonat. Praktische Durchführung: Eine etwa zweinormale, ältere Natronlauge soll auf ihren Gehalt an Natriumhydroxid und Natriumkarbonat untersucht werden. 25 ml der Lauge werden mit ausgekochtem, kohlensäurefreiem Wasser in einem Meßkolben auf 500 ml aufgefüllt, a) 25 ml dieser Lösung werden nach Zusatz von Methylorange in der Kälte mit 0,1-n Salzsäure titriert. Ergebnis: a ml 0,1-n Salzsäure, ß) 50 ml 0,1-n Bariumchloridlösung werden mit einigen Tropfen Phenolphthalein versetzt und mit Natronlauge genau neutralisiert. Dann werden 25 ml der zu untersuchenden Lösung hinzugegeben. Nach einer Wartezeit von ca. 10 Minuten wird die durch ausgeschiedenes Bariumkarbonat getrübte Flüssigkeit langsam und unter beständigem Umschwenken mit 0,1-n Oxalsäure bis zur Entfärbung des Indikators titriert. Ergebnis: b ml 0,1-n Oxalsäure. 25 ml der verdünnten Lauge enthalten also b X 4,000 mg NaOH und (a—b) X 5,299 mg Na 2 C0 3 . Es ist zweckmäßiger, Oxalsäure und nicht Salz- oder Schwefelsäure zu verwenden, da diese audi bei sehr vorsichtigem Zusatz das Bariumkarbonat teilweise angreifen können! 5. Die Bestimmung von Alkalikarbonat und Alkalihydrogenkarbonat nebeneinander Diese Aufgabe läßt sich nach Cl. Winkler [ 1 4 6 ] folgendermaßen lösen: Zunächst wird durch Titration mit einer Säure bekannten Gehalts der Gesamtalkaligehalt der zu untersuchenden Lösung ermittelt (s. S. 176). Sodann wird festgestellt, wieviel ml einer kohlensäurefreien (!) Natronlauge bekannten Gehalts erforderlich sind, um das Hydrogenkarbonat entsprechend der Gleichung: H C 0 3 - + OH" ^ C 0 3 2 - + H a O quantitativ in das neutrale Karbonat umzuwandeln. Die gefundene Natronlaugemenge gibt direkt den Gehalt an Hydrogenkarbonationen an.
180
Alkalimetrie und Acidimetrie
Praktisch wird diese Bestimmung so durchgeführt, daß man die x Mole Alk 2 C0 3 + y Mole AlkHC0 3 enthaltende Lösung mit einem gemessenen Uberschuß von eingestellter Natronlauge (a Mole) versetzt: x Mole Alk2COa + y Mole AlkHCO s +a Mole NaOH -*• (x+y) M oi o Alk 2 C0 3 + (a — y) Mole NaOH + y Mole H 2 0, und dann den Überschuß an Natriumhydroxid nach der bereits beschriebenen Methode (s. S. 178) neben dem Karbonat bestimmt. Diese Titration ergibt den Wert (a — y), die Titration des Gesamtalkaligehaltes ergibt (x+y). Da a bekannt ist, läßt sich y und damit auch x berechnen. Die verwendete Natronlauge muß absolut kohlensäurefrei sein. Gegebenenfalls muß ihr Kohlensäuregehalt in einer gesonderten Bestimmung ermittelt und ihr Titer entsprechend korrigiert werden. 6. Die Bestimmung der vorübergehenden und der bleibenden Härte des Wassers
Kesselspeisewasser muß möglichst „weich" sein, d. h. es muß möglichst wenig Calcium- und Magnesiumsalze (Hydrogenkarbonate, Sulfate, auch Chloride) enthalten. Denn ein „hartes" Wasser, das solche „Härtebildner" in verhältnismäßig großer Menge enthält, scheidet beim Verdampfen mehr oder weniger große Mengen schwerlöslicher Calciumund Magnesiumsalze ab, die sich als „Kesselstein" an den Kesselwandungen festsetzen und sich nicht nur sehr schwer entfernen lassen, sondern vor allem als Wärmeisolatoren den Wärmeaustausch stark behindern. Die Gesamtmenge der im Wasser gelösten Calcium- und Magnesiumverbindungen bezeichnet man als G e s a m t h ä r t e . Ferner unterscheidet man die K a l k - und die M a g n e s i a h ä r t e . Sehr wichtig ist die Kenntnis der v o r ü b e r g e h e n d e n oder K a r b o n a t h ä r t e und die der b l e i b e n d e n oder M i n e r a l s ä u r e h ä r t e . Kocht man nämlich hartes Wasser, so werden die darin enthaltenen (löslichen) Hydrogenkarbonate Ca(HC0 3 ) 2 und Mg(HC0 3 ) 2 , z. B. entsprechend der Gleichung Ca(HC0 3 ) 2 ->• C0 2 f + H 2 0 + CaCO a 4-, als (schwerlösliche) neutrale Karbonate ausgefällt (vorüber-
Die Bestimmung der Härte des Wassers
181
gehende Härte!), während die Sulfate und Chloride des Calciums und Magnesiums in Lösung bleiben (bleibende Härte!). Auch Eisen(II)- und Mangan(II)-hydrogenkarbonat sind löslich und verwandeln sich in der Hitze in die schwerlöslichen neutralen Karbonate. Magnesiumkarbonat hat, verglichen mit dem Calciumkarbonat, eine zwar geringe, aber doch nicht zu vernachlässigende Löslichkeit. Die wirklich gemessene vorübergehende Härte umfaßt daher auch die genannten Eisen(II)und Mangan(II)-verbindungen, gibt aber stets zu wenig Magnesiumhydrogenkarbonat an, während die praktisch gefundene bleibende Härte stets um einen der Löslichkeit des Magnesiumkarbonates entsprechenden Betrag zu hoch liegt! Die Resultate aller Härtebestimmungen sollen in „Millival", d. h. in MiZiigrammäquiuaZenten pro Liter angegeben werden. Diese Berechnung ermöglicht einen sinnvollen Vergleich der verschiedenen Härtewerte. In der Praxis ist vielfach noch die Angabe der Analysenresultate in deutschen „Härtegraden" üblich. Die deutschen Härtegrade geben an, wieviele Milligramme CaO in 100 ml Wasser enthalten sind 1 ). Die Gewichtsmenge der Magnesiumverbindungen wird dabei ebenfalls in mg CaO gerechnet. Die Umrechnung der Millivalwerte in deutsche Härtegrade erfolgt durch Multiplikation mit 2,8 (das Äquivalentgewicht von CaO beträgt 28,04, die Millivalwerte beziehen sich auf 1000, die Härtegrade aber auf 100 ml). Praktische Durchführung nach O. Hehner: Bestimmung der Karbonathärte: Ein abgemessenes Volumen des zu prüfenden Wassers (100 ml) wird nach Zugabe von Methylorange mit 0,1-n Salzsäure in der Kälte titriert. Dadurch wird die gesamte Menge der im Wasser gelösten Calcium- und Magnesiumhydrogenkarbonate ermittelt. Berechnungsbeispiel: 100 ml Wasser verbrauchen z. B. 5,1 ml 0,1-n Salzsäure. Da 1 ml 0,1-n Säure pro 100 ml Wasser 1 ml 1-n Säure pro 1000 ml Wasser entspricht, gibt der Säureverbrauch direkt die Karbonathärte in mval an. Das Wasser hatte also 5,1 mval oder 5,1X2,8 = 14,3 deutsche Härtegrade. 1 ) Ein französisdier Härtegrad CaCO, pro 100 ml.
entspricht
einem Gebalt
von 1 mg
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Alkalimetrie und Acidimetrie
Bestimmung der bleibenden Härte: Ein abgemessenes Volumen des zu prüfenden Wassers (100 ml) wird in einer Porzellanschale mit einer genau abgemessenen, überschüssigen Menge (25 ml) 0,1-n Natriumkarbonatlösung versetzt und auf dem Wasserbad zur Trodcne verdampft; dabei spielen sich z. B. folgende Reaktionen ab: CaS04 + Na2C03 Na 2 S0 4 + C a C 0 3 MgCl 2 + N a 2 C 0 3 -*• 2 NaCl + MgCO s j . Der Trockenrückstand wird mit ausgekochtem Wasser aufgenommen, filtriert, und das im Filtrat befindliche überschüssige Natriumkarbonat unter Verwendung von Methylorange als Indikator mit 0,1-n Salzsäure zurücktitriert. Berechnungsbeispiel: 100 ml Wasser waren mit 25 ml 0,1-n Natriumkarbonatlösung eingedampft worden, das Filtrat verbrauchte 23,6 ml 0,1-n HCl. 25—23,6 = 1,4 ml 0,1-n Natriumkarbonatlösung wurden zur Ausfällung der mineralsaurcn Salze des Ca und Mg verbraucht. Die bleibende Härte des Wassers beträgt also 1,4 mval oder 1 , 4 x 2 , 8 = 3,92 deutsche Härtegrade. 7. Die Verdrängung schwacher Säuren und schwacher Basen W i e die Alkalikarbonate, so lassen sich auch die Alkalisalze anderer schwacher Säuren, z. B. der arsenigen Säure, der Cyanwasserstoffsäure, der Tellursäure oder der Borsäure, durch direkte Titration mit 0,2-n Mineralsäure unter Verwendung von Methylorange oder noch besser Methylrot analytisch bestimmen. D i e schwache Säure wird von der starken Mineralsäure verdrängt, z. B.: Na2B407 + H2S04 Na2S04+H2B407. D i e hier in Freiheit gesetzte Borsäure (siehe auch S. 189) hat eine derartig geringe [H + ], daß sie auf das Methylrot bzw. das Methylorange ohne Einwirkung bleibt. Praktische Durdiführung: beschrieben am Beispiel der Bestimmung des Alkaligehaltes von krist. Borax: Etwa 6 bis 7 g (kohlensäurefreier) Borax werden mit ausgekochtem Wasser zu 250 ml gelöst. Je 50 ml dieser Lösung werden mit Methylrot als Indikator versetzt und in der Kälte mit 0,2-n Salzsäure titriert. 1 ml 0,2-n Säure entspricht 0,2 Milligrammäquivalenten, also 20,122 mg N a ^ O , oder 4,598 mg Na.
Die Bestimmung des Ammoniaks
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Umgekehrt lassen sich auch schwache und schwerlösliche Basen aus ihren mineralsauren Salzen durch Zugabe starker Basen verdrängen, z. B.: C u S 0 4 + 2 NaOH -»• N a 2 S 0 4 + Cu(OH) 2 j . In gleicher Weise reagieren z. B. die Nitrate, Chloride und Sulfate von Kobalt, Nickel, Mangan und Magnesium. Man neutralisiert die Lösungen zunächst genau gegen Methylorange, gibt dann einen gemessenen Uberschuß von 0,2-n Natronlauge hinzu, filtriert den Hydroxidniederschlag durch ein trockenes Filter ab und titriert in einem aliquoten Teil des Filtrates den Überschuß der Natronlauge mit 0,2-n Säure zurück. Diese Methode wird z. B. zur Bestimmung der Magnesiahärte natürlicher Wässer (s. S. 181 u. 212) benutzt. Praktische Durchführung: beschrieben am Beispiel der Bestimmung des Magnesiumgehaltes einer MagnesiumMoridlösung: Die Lösung darf keine Ammoniumsalze enthalten. Sie sei ungefähr 1-normal und zeige schwach saure Reaktion. 25 ml dieser Lösung werden in einem 250 ml Meßkolben durch tropfenweise Zugabe von 0,2-n Natronlauge in Gegenwart von Dimethylgelb oder Methylorange als Indikator genau neutralisiert. Der Kolben wird bis zur Marke mit ausgekochtem Wasser aufgefüllt. 100 ml dieser etwa 0,1-normalen, neutralen Magnesiumchloridlösung werden in einem zweiten Meßkolben mit 100 ml 0,2-n Natronlauge versetzt, wieder auf 250 ml verdünnt, gut durchgeschüttelt, und der Kolbeninhalt durch ein trockenes Filter filtriert. Der Niederschlag wird nicht ausgewaschen! In 100 ml des Filtrats — die ersten 50 ml werden verworfen — wird unter Verwendung von Dimethylgelb oder Methylorange als Indikator mit 0,2-n Säure der Uberschuß der Natronlauge zurückgemessen. 1 ml 0,2-n NaOH entspricht 0,2 Milligrammäquivalenten, also 9,522 mg MgCl2 oder 2,431 mg Mg. 8. Die Bestimmung des Ammoniaks in Ammoniumsalzen, der Salpetersäure in Nitraten und des Stickstoffgehaltes organischer Substanzen Alle diese Methoden beruhen darauf, daß die schwache Base Ammoniumhydroxid aus den Lösungen ihrer Salze durch Zugabe überschüssiger Natronlauge, also starker
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Alkalimetrie und Acidimetrie
Alkalilauge, verdrängt, d. h. als gasförmiges Ammoniak ausgetrieben wird: NH 4 + + O H - ^ 4 N H 4 O H ) N H 3 f + H2O und durch Absorption in einer überschüssigen, aber genau abgemessenen Menge einer Säure bekannten Gehaltes bestimmt werden kann. Liegt der zu bestimmende Stickstoff nicht in Form eines Ammoniumsalzes vor, so muß er zuvor durch geeignete Operationen darin umgewandelt werden. Nitrate müssen also zunächst reduziert werden. Organische stickstoffhaltige Substanzen, insbesondere Aminoverbindungen, werden nach Kjeldahl (1883) durch Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure zerstört; der Kohlenstoff wird zu Kohlendioxid oxydiert, während der zuvor organisch gebundene Stickstoff nach dieser Behandlung quantitativ als Ammoniumsulfat vorliegt. D i e Reduktion der Nitrate kann sowohl in saurer wie in alkalischer Lösung vorgenommen werden. Nach Ulsch (1891) wird das Nitration in siedender, schwefelsaurer Lösung durch Reduktion mit ferrum reductum ohne Bildung von Zwischenprodukten quantitativ in das Ammoniumion umgewandelt. In alkalischer Lösung führt man die Reduktion am zweckmäßigsten mit der von Devarda (1894) angegebenen Legierung durch; sie setzt sich aus 5 0 % Kupfer, 4 5 % Aluminium und 5% Zink zusammen, ist sehr spröde und läßt sich leicht pulverisieren. D i e Zerstörung der organischen, stickstoffhaltigen Verbindungen nach Kjeldahl wird durch Zugabe wasserentziehender Mittel, wie Phosphor(V)-oxid oder Kaliumsulfat, sehr erleichtert. Eine beschleunigende Wirkung hat ferner die Gegenwart von geringen Mengen gewisser Katalysatoren, w i e Quecksilber(II)-oxid, metallisches Quecksilber, wasserfreies Kupfer(II)-sulfat oder Platin(IV)chlorid. D i e Umwandlung des gebundenen Stickstoffs organischer Nitro- und Cyanverbindungen in Ammoniumsulfat gelingt quantitativ nur, wenn die Zerstörung der organi-
Die Bestimmung des Ammoniaks
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sehen Substanz in Gegenwart von Phenolschwefelsäure vorgenommen wird. Anderenfalls entweicht der Stickstoff, zum mindesten teilweise, in Gestalt von nichtbasischen, flüchtigen Verbindungen. Pyridin- und Chinolinverbindungen lassen sich nach der Methode von Kjeldahl nicht bestimmen. Zu allen Bestimmungen verwendet man die gleiche, durch Fig. 24 veranschaulichte Apparatur. Ein meist birnenförmiger Langhalskolben (Kjeldahlkolben) aus Geräteglas mit einem Fassungsvermögen von etwa 500 ml wird mit einem doppelt durchbohrten Gummistopfen verschlossen, durch dessen eine Bohrung ein mit Hahn versehener Tropftrichter eingeführt wird, während in die zweite Öffnung ein sog. „Tropfenfänger" eingepaßt wird, d. h. ein Destillationsaufsatz, der ein Überspritzen von Flüssigkeitströpfchen aus dem Langhalskolben in die anschließenden Apparateteile wirksam verhindert. Der Tropfenfänger wird durch einen zweiten Gummistopfen mit einem Liebig-
schen Kühler, und dieser durch einen dritten Gummistopfen mit einem Absorptionsgefäß nach Volhard-Fresenius von etwa 300 ml Inhalt verbanden. Folgende praktische Beispiele sind zum Studium der Ammoniakdestillationsmethode geeignet und lassen außerdem deren große Bedeutung für die industrielle Praxis gut erkennen.
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Alkalimetrie und Acidimetrie
Die Bestimmung des Stickstoffgehaltes von Leunasalpeter: 10 g des zu analysierenden Salzes werden in Wasser zu einem Liter aufgelöst, und von dieser Lösung, die nicht filtriert wird, werden für jede der folgenden Bestimmungen je 50 bzw. 25 ml verwendet. Bestimmung des Ammoniumgehaltes: Man gibt in den Kjeldahlkolben 50 ml der Ausgangslösung, verdünnt sie mit etwa 200 ml Wasser und verbindet den Kolben sorgfältig mit der übrigen Apparatur, nachdem man, um ein gleichmäßiges Sieden zu erreichen, noch einige Glasperlen mit angerauhter Oberfläche hineingeworfen hat. Das Absorptionsgefäß wird mit 50 ml 0,2-n Schwefelsäure und etwa 150 ml Wasser beschickt. Sodann werden etwa 30 ml einer ca. 2-n Natronlauge durch den Tropftrichter in den Kolben gebracht. Der Tropftrichter wird verschlossen, und der Kolbeninhalt ungefähr 30 Minuten lang zu lebhaftem Sieden erhitzt. Nach Beendigung der Destillation wird die überschüssige, durch das übergetriebene Ammoniak nicht neutralisierte Schwefelsäure durch Titration des erkalteten Destillats mit 0,2-n Natronlauge, unter Verwendung von Methylrot oder Methylorange als Indikator, zurüdcgemessen. 1 ml 0,2-n H„S0 4 entspricht 0,2 Milligrammäquivalenten, also 3,406 mg NH3 oder 3,608 mg NH4+ oder 2,801 mg N. Bestimmung des Nitratgehaltes: a) N a c h R e d u k t i o n in s a u r e r L ö s u n g : 25 ml der Ausgangslösung werden im Kjeldahlkolben mit 5 g ferrum reductum und 10 ml einer Schwefelsäure versetzt, die durch Mischen von 1 Vol. konz. Säure und 2 Vol. Wasser bereitet wurde. Durch Einhängen eines unten zugeschmolzenen, mit Wasser gefüllten Trichters in den Kolbenhals wird für Kühlung gesorgt. Der Kolben wird nun mit kleiner Flamme langsam angeheizt. Erst nach etwa 5 Min. soll die Flüssigkeit zu sieden beginnen; sie wird noch 20 Min. lang gekocht. Schließlich läßt man den Kolbeninhalt abkühlen, spült den Kühltrichter sorgfältig ab und verdünnt die Lösung mit etwa 100 ml Wasser. Der Kolben wird dann mit den übrigen Teilen der Destillationsapparatur verbunden, und etwa 30 ml einer ca. 2-n Natronlauge werden durch den Tropftrichter hinzugegeben. Schließlich wird, wie oben beschrieben, weiter verfahren. b) N a c h R e d u k t i o n i n a l k a l i s c h e r L ö s u n g : 25 ml der Ausgangslösung werden im Kjeldahlkolben mit etwa 2 g feingepulverter Devardascher Legierung versetzt und auf etwa 100 ml mit Wasser verdünnt. Der Kolben wird dann an
Die Bestimmung des Ammoniaks
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die Destillationsapparatur angeschlossen. Durch den Tropftrichter werden nun 50—60 ml einer etwa 2-n Natronlauge hinzugegeben. Durch schwaches Erwärmen wird die Reduktion des Kolbeninhalts begünstigt. Erst nach einstündigem, schwachem Heizen wird mit der eigentlichen Destillation begonnen. In beiden Fällen enthält das Absorptionsgefäß 50 ml 0,2-n Schwefelsäure. Der Versuch ergibt hier die Summe des Nitratund Ammoniakstickstoffs. Es ist in beiden Fällen notwendig, durch einen Blindversuch festzustellen, wieviel Ammoniak das verwendete Reduktionsmittel von sich aus bildet. 1 ml 0,2-n H 2 S 0 4 entspricht 0,2 Milligrammäquivalenten, also 12,401 mg N 0 3 " . Die Bestimmung des Stickstoffgehaltes von Steinkohle. Etwa 0,75 g der feingepulverten Kohle werden in den Langhalskolben genau eingewogen und 10 g wasserfreies Kaliumsulfat und 1— 2 g entwässertes Kupfer(II)-sulfat hinzugegeben. Nach Zugabe von 10—12 ml konzentrierter Schwefelsäure wird der Kolben mit einem in seine Öffnung eingehängten, als Kühler wirkenden Trichter lose verschlossen und über einem Asbestdrahtnetz langsam und vorsichtig bis nahe zum Sieden der Schwefelsäure solange erhitzt, bis sein anfangs braunschwarzer Inhalt vollkommen klar und farblos geworden ist. Diese Operation erfordert in den meisten Fällen zwei bis drei Stunden. Nach dem vollständigen Abkühlen seines Inhalts wird der Kolben mit der Destillationsapparatur verbunden. Nach Zugabe von zunächst 100 ml Wasser, darauf 80 ml einer etwa 6-n Natronlauge durch den Tropftrichter kann man mit der Destillation beginnen. Die Vorlage enthält 10 ml einer 0,2-n Schwefelsäure, deren Rücktitration mit einer 0,2-n Natronlauge erfolgt, die einer Mikrobürette von 5 ml Fassungsvermögen entnommen wird. An Stelle des Kupfer(II)-sulfats kann man 0,1 g Quecksilber(Il)-oxid verwenden. Doch müssen dann nach der Zersetzung außer der Natronlauge noch einige Milliliter einer konzentrierten Natriumsulfidlösung hinzugesetzt werden, um das Quecksilber als Sulfid auszufällen und so die Bildung komplexer Quecksilberammoniakverbindungen zu verhindern. Danach kann die Destillation beginnen. Die Bestimmung des Gesamtstickstoffgehalts eines Gartendüngers, bestehend aus Harnstoff, Kaliumnitrat und Ammoniumphosphat. 1 g der Substanz wird in den Kjeldahlkolben
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Alkalimetrie und Acidimetrie
eingewogen und in 15 ml Phenolschwefelsäure aufgelöst. (Diese wird dadurch gewonnen, daß man eine erkaltete Lösung von 20 g P 4 O 10 in konz. Schwefelsäure und eine ebenfalls kalte Lösung von 4 g Phenol in wenig konz. Schwefelsäure miteinander mischt und das Gemisch mit konz. Schwefelsäure auf 100 ml auffüllt.) Nach vollendeter Auflösung werden 1—2 g Natriumthiosulfat, und nadi dessen Zersetzung noch 10 ml konz. Schwefelsäure und ein Tropfen Quecksilber hinzugegeben. D a n n wird vorsichtig angeheizt und, wie oben beschrieben, weiter verfahren. Der Zusatz der Phenolsdiwefelsäure führt zur Entstehung von Nitrophenol, das durch die Zersetzungsprodukte des Natriumthiosulfats zu Aminophenol reduziert wird. 9. Die Bestimmung starker und schwacher Säuren. Die Gehaltsermittlung von Acetaten und Boraten
Für die Titration starker und schwacher Säuren gilt mutatis mutandis das gleiche, was für die Bestimmung starker und schwacher Basen bereits gesagt wurde. Als Titriermittel werden stets Lösungen starker Basen, also Alkalilaugen und Barytlauge, verwendet. Auf die richtige Auswahl des Indikators ist besonders zu achten. Konzentrierte und rauchende Säuren werden stets abgewogen, nicht abpipettiert, weil sonst erhebliche Verluste durch Verdampfung entstehen. Zum Abwägen von rauchender Schwefelsäure z. B. kann man einfache, dünnwandige Glaskugeln verwenden, die in lange Kapillaren auslaufen; sie sollen nicht mehr als 2 g der Säure aufnehmen können. Die Kugeln werden zunächst sorgfältig getrocknet und gewogen. Dann werden sie vorsichtig erwärmt und mit der Spitze in die rauchende Säure eingetaucht. In dem Maße, wie sich die Kugel wieder abkühlt, steigt nun durch die Kapillare die Säure hinein. Nachdem man die Spitze sorgfältig gesäubert und zugeschmolzen hat, wägt man die Kugel und zertrümmert sie sodann in einer wenig Wasser enthaltenden dickwandigen Stöpselflasdie durch kräftiges Schütteln. Es muß darauf geachtet werden, daß auch die Kapillare vollständig zertrümmert wird! Nach geeigneter Verdünnung der Lösung kann man mit der Titration beginnen.
Die Bestimmung starker und schwacher Säuren
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Schwächere, vor allem organische Säuren, wie O x a l s ä u r e oder E s s i g s ä u r e , werden stets unter Verwendung von Phenolphthalein als Indikator titriert. Auch muß hier auf die Abwesenheit von Kohlensäure geachtet werden. Man titriert daher mit Alkalilaugen in der Hitze oder, nach Verdünnen mit kohlensäurefreiem Wasser, mit Barytlauge in der Kälte. Vielfach ist es zweckmäßig, die organische Säure mit überschüssiger, karbonatfreier Lauge zu versetzen und den Laugenüberschuß mit eingestellter Mineralsäure zurückzutitrieren. Als Beispiel sei die Gehaltsbestimmung von Acetaten angeführt. Praktische Durchführung: Etwa 0,5 g des zu prüfenden Acetates werden genau abgewogen und mit wenig Wasser in den Kolben des durch Fig. 10, S. 56 wiedergegebenen Apparates hineingespült. Dann werden etwa 100 ml 50%iger Phosphorsäure oder Schwefelsäure hinzugegeben. Ein kurzes Thermometer wird in den Kolben gestellt, der Schliff wird eingesetzt und der Apparat wird mit einem Dampfentwickler verbunden, dessen Wasser durch Einbringen von festem Bariumhydroxid kohlensäurefrei gemacht wurde. Als Vorlage dient ein mit 50 ml 0,2-n Natronlauge (kohlensäurefrei!) beschickter Erlenmeyerkolben. Das Kühlrohr soll in die Lauge eintauchen. Nunmehr beginnt die Dampfdestillation, die so geleitet wird, daß die Temperatur im Inneren des Destillationskolbens im Laufe einer Stunde 110° C erreicht. Nach Beendigung der Destillation wird der Inhalt der Vorlage unter Verwendung von Phenolphthalein als Indikator mit 0,2-n Säure zurücktitriert. 1 ml 0,2-n Lauge entspridit 0,2 Milligrammäquivalenten, also 12,010 mg CH3COOH oder 11,809 mg CH3COODie freie B o r s ä u r e hat eine derartig geringe Dissoziationskonstante, daß sie die Farbe von Methylorange nicht verändert; man kann daher, wie schon beschrieben, Alkaliborate direkt mit starken Säuren titrieren. Aber auch in Gegenwart von Phenolphthalein läßt sich die Borsäure mit Alkalilaugen nicht titrieren, da dieser Indikator infolge der starken hydrolytischen Spaltung der Alkaliboratlösungen schon lange vor Erreichung des Äquivalenz-
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Alkalimetrie und Acidimetrie
punktes umschlägt. Will man trotzdem freie Borsäure titrieren, so muß man von der Tatsache Gebrauch machen, daß verschiedene mehrwertige Alkohole, wie Glyzerin, Mannit, Glukose und Fructose (und daher auch Invertzucker) mit Borsäure zu komplexen Verbindungen zusammentreten können, die sich wie mittelstarke einbasische Säuren verhalten und mit Alkalilaugen gegen Phenolphthalein titriert werden können. Das Gelingen derartiger Bestimmungen ist jedoch an folgende Voraussetzungen geknüpft: Erstens muß der verwendete Alkohol absolut neutral reagieren; Glyzerin z. B. reagiert gewöhnlich sauer und muß daher vor seiner Verwendung gegen Phenolphthalein genau neutralisiert werden. Zweitens muß für einen ausreichenden Uberschuß des Polyalkohols gesorgt werden, damit die Borsäure vollständig in die Komplexverbindung übergeführt wird, und drittens muß die Titration unter sorgfältigem Ausschluß von Kohlensäure durchgeführt werden. Die einzelnen Vorgänge, die zur Bildung der besprochenen Komplexverbindungen führen, sind noch nicht völlig geklärt. (Vgl. hierzu [56], [76], [80] und besonders J. Boeseken, 1913, P. H. Hermans, 1925, H. Schäfer, 1941.) Bei der Umsetzung verdünnter Borsäurelösung mit einem Polyalkohol entsteht in Abhängigkeit von der Konzentration des Polyalkohols entweder eine Verbindung mit einem Mol Polyalkohol auf 1 Mol Borsäure, oder es bildet sich bei Überschuß des Alkohols ein PolyolBorsäurekomplex. Beide Verbindungen verhalten sidi wie einbasige Säuren, jedoch ist der saure Charakter beim Molverhältnis Borsäure: Polyalkohol = 1 : 2 wesentlich ausgeprägter. Die Reaktion verläuft vielleicht so, daß in erster Stufe unter Ausnutzung der Tendenz des Boratoms die Koordinationszahl 4 zu betätigen zwei benachbarte Hydroxylgruppen eines Moleküls des Alkohols in cis-Stellung reagieren, wobei eine Hydroxylgruppe die 4. Koordinationsstelle des Bors besetzt, während zwischen der zweiten Hydroxylgruppe des Alkohols und einer Hydroxylgruppe der Borsäure eine Kondensation (Veresterung) stattfindet (Gleichung 1). Ein Übersdiuß des Alkohols bewirkt schließlich in zweiter Stufe die Veresterung der restlichen beiden Hydroxylgruppen der Borsäure mit zwei benachbarten Hydroxylgruppen des Alkohols in cis-Stellung
Die Bestimmung starker und schwacher Säuren
191
(Gleichung 2). Zu bemerken ist allerdings, daß die Reaktion mit einer für eine Veresterung erstaunlich großen Geschwindigkeit abläuft. Der saure Charakter dieser Komplexverbindungen wird durch die komplexe Bindung des Sauerstoffs einer Hydroxylgruppe an das Bor erklärt. Der Wasserstoff der Hydroxylgruppe kann hierdurch leicht als H + abgespalten werden [76], HC—OH H O ^ / O H — H2O H C — O ^ ( - ) / O H HC—OH
OH HC-Ox( I / HC—O^
OH
HC—O I H ) / B
OH \ xOH
+ H+
HC—O y - ) / O H HO—CH - 2 H 2 O HC—O I (+)/B\ + I " I (+)/ HC—O OH HO—CH HC—O I H | | H HC—O\ H / O—CH I I HC—O O—CH
+ H+
(1)
B
/O-CH \ I ^ xO-CH | (2)
Die Titration der Borsäure wird überwiegend in Gegenwart eines Überschusses von Glycerin (Bildung der Diglycerinoborsäure) gegen Phenolphthalein durchgeführt (p H — 8). Wesentlich stärkere Säuren als die Diglycerino-borsäure sind jedoch die entsprechenden komplexen Verbindungen mit Fructose, Mannit, Dulcit oder Sorbit (die Leitfähigkeit desGlycerinBorsäurekomplexes verhält sich zur Leitfähigkeit der anderen komplexen Borsäureverbindungen mit Fructose, Mannit usw. wie 1:70 bis 801 vgl. Boeseken). Bei genügend großer Konzentration eines dieser Polyalkohole wird der saure Charakter der Borsäure-Komplexverbindung soweit verstärkt, daß auf p n
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Alkalimetrie und Acidimetrie
(mit Methylrot oder Bromkresolpurpur — p H 5,2—6,8; gelb/ blau — als Indikator) titriert werden kann (Schäfer). Dieses Verhalten hat eine wesentliche Bedeutung für die Bestimmung der Borsäure neben hydrolytisch spaltbaren Salzen oder schwachen Säuren, die bei einer Titration gegen Phenolphthalein mit erfaßt werden. Eisen und Aluminium müssen allerdings auch beim Arbeiten nach diesem abgeänderten Verfahren (vgl. H. Schäfer und A. Sieverts, Z. analyt. Chem. 121, 170 [1941]) vor der Bestimmung abgetrennt werden. — Als praktisches Beispiel sei die Bestimmung des Borsäuregehaltes eines Alkaliborates beschrieben. Praktische Durchführung: Etwa 1,5 g des (karbonatfreien 1) Borats werden genau abgewogen und in ausgekochtem Wassel gelöst. Die Lösung wird auf genau 100 ml aufgefüllt. In 25 ml dieser Lösung wird nun mit 0,2-n Salzsäure unter Verwendung von Methylorange als Indikator nach S. 182 der Alkaligehalt des Borats bestimmt. Eine zweite Probe von 25 ml der Boratlösung wird dann durch Zugabe der im ersten Versuch ermittelten Säuremenge genau neutralisiert und nach Zusatz von einigen Tropfen Phenolphthalein sowie von 50 ml eines gegen Phenolphthalein genau neutral reagierenden Glyzerins mit karbonatfreier 0,2-n Natronlauge bis zur eben bleibenden Rosafärbung titriert. Man fügt dann noch einmal 10 ml Glyzerin hinzu und titriert, falls die Färbung wieder versehwindet, nochmals auf Rosa. Wenn auf erneuten Glyzerinzusatz der Indikator nicht mehr entfärbt wird, ist der Endpunkt erreicht. Enthält das Borat Kohlensäure, so wird die Probe, wie oben beschrieben, mit Salzsäure gegen Methylorange neutralisiert und die Kohlensäure durch kurzes Kochen am Rückflußkühler (damit nicht auch Borsäure mit dem Wasserdampf entweicht!) und durch langsames Durchleiten eines kohlendioxidfreien Luftstroms vertrieben. Nach dem völligen Abkühlen der Lösung wird der Rückflußkühler ausgespült und mit der Titration der Borsäure begonnen. 1 ml 0,2-n Natronlauge entspricht 0,2 Milligrammäquivalenten, also 6,962 mg B 2 0.,.
Die Bestimmung mehrwertiger Salze
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10. Die Bestimmung mehrbasiger Säuren und saurer Salze. Die Titration der Phosphorsäure
Die Neutralisation mehrbasiger Säuren erfolgt stufenweise unter Bildung ihrer sauren Salze. Neutralisiert man z. B. die dreibasige Orthophosphorsäure, H 3 P0 4 , mit Lauge, so entstehen nacheinander das primäre, das sekundäre und das tertiäre Phosphat. Jede dieser Sättigungsstufen hat ihre eigene, charakteristische Dissoziationskonstante, und demgemäß herrschen auch in den Lösungen der primären, sekundären und tertiären Phosphate verschiedene Wasserstoffionenkonzentrationen. Die [H+] der Lösung eines primären Phosphats ist durch das geometrische Mittel aus den beiden ersten Dissoziationskonstanten der Phosphorsäure, 10~1,96 und 10""7'12, gegeben und beträgt jQ-4.54 j-jj+j (J er Lösung eines sekundären Phosphates, in gleicher Weise aus der zweiten und der dritten Dissoziationskonstanten, KT7-12 und KT12-32, berechnet, ist lO"®'72. Die [H+] der Lösung eines tertiären Phosphates beträgt etwa 10~12-5. Es ist also möglich, mehrbasige Säuren, z. B. die Orthophosphorsäure, stufenweise zu titrieren, wenn die Dissoziationskonstanten der verschiedenen sauren Salze weit genug auseinanderliegen, und wenn ein Indikator zur Verfügung steht, dessen Umschlagspunkt möglichst genau mit der [H+] zusammenfällt, die in der Lösung des gewünschten sauren Salzes herrscht. Als Beispiel sei die stufenweise Titration der Phosphorsäure beschrieben. Praktische Durchführung: Etwa 4 ml der sirupösen, etwa 50%igen Phosphorsäure werden genau abgewogen und in einem Meßkolben auf 500 ml verdünnt. Es werden der Reihe nach 50, 25 und 15 ml der Lösung, wie folgt, mit 0,2-n Natronlauge titriert. a) Titration bis zur Bildung des primären Phosphats: Es muß die [H + ] = 10 -4 . 5 erreicht werden. Man titriert mit Methylorange bis zur kräftigen Orangefärbung, oder besser mit Dimethylgelb auf eine rein gelbe Farbe. Am exaktesten ist die Verwendung von Bromphenolblau, dessen Umschlagsintervall bei 10~3-° bis 10-4-6 liegt. Stets wird auf die Farbgleichheit mit einer Ver13 Jander-Jahr, Maßanalyse
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Alkalimetrie und Acidimetrie
gleichslösung titriert, die 0,05 molar an NaH 2 P0 4 ist und dieselbe Indikatormenge enthält. b) Titration bis zur Bildung des sekundären Phosphats: Es muß die [H+] = 10~9,T erreicht werden. Man verwendet als Indikator Thymolphthalei'n, dessen Umschlagsintervall bei 10~®'3 bis 10"lu'5 liegt, und titriert bis zur schwachen Blaufärbung. Will man Phenolphthalein verwenden, so muß man die Hydrolyse des sekundären Natriumphosphats durdi Sättigen der zu bestimmenden Lösung mit Natriumchlorid zurückdrängen. Die Genauigkeit der Bestimmung beträgt in beiden Fällen nur etwa 1%. c) Titration bis zur Bildung des tertiären Phosphats: Eine direkte Titration ist infolge der Kleinheit der dritten Dissoziationskonstanten nicht möglich. Doch läßt sich durch Zugabe von Calciumchlorid in geeigneter Konzentration erreichen, daß die Phosphorsäure als tertiäres Calciumphosphat ausfällt, und daß die entsprechend der Gleichung: 2 H 2 P0 4 - + 3 Ca5+
Ca 3 (P0 4 ) 2 | + 4 H +
entstehenden Wasserstoffionen gegen Phenolphthalein titriert werden können. — Vorschrift nach Kolthoff [79]: Die auf Dimethylgelb neutralisierte Lijsung wird mit 30 ml einer neutralen (!) 40%igen Calciumchloridlösung versetzt, zum Sieden erhitzt und auf 14° C abgekühlt. Nach Zusatz von Phenolphthalein wird mit karbonatfreier Lauge unter kräftigem Umschütteln bis zur Rosafärbung titriert. Der Kolben wird nun verschlossen und die Lösung, deren Farbe langsam wieder verschwindet, nach zwei Stunden Stehen bei 14° C zu Ende titriert. Genauigkeit: 1—2%. 11. Die Bestimmung von Salzen durch Anwendung von Ionenaustauschern1) Eine Reihe von Bestimmungen, die analytisch umständlich sind oder Schwierigkeiten bereiten, wie z. B. die Ermittlung des Gehalts von Salzlösungen an Alkaliionen, Nitrat-, Perchlorat-, Acetat- und anderen Ionen, die Titerstellung von Salzlösungen usw. können neuerdings l ) Vgl
z. B. Blasius [16], [17].
Die Bestimmung von Salzen
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bequem und ausreichend genau mit Hilfe von Ionenaustauschern durchgeführt werden. Die für analytische Zwecke verwendbaren Ionenaustauscher sind Kunstharze (z. B. Polystyrol-Harze), die zum Austausch befähigte Gruppen enthalten. Diese können als Kationenaustauscher (Symbol: RH) H+ bzw. als Anionenaustauscher (Symbol: ROH) OH" stöchiometrisch gegen Kationen (Me+) bzw. Anionen (A") austauschen, z. B.: RH + M e * ^ RMe + H* R O H + A" ^ RA + O H " . Die Bestimmung läuft also letzten Endes auf eine acidimetrische bzw. alkalimetrische Titration hinaus. Der schematische Aufbau eines Ionenaustauschers geht aus dem Formelbild eines mit p-Divinylbenzol vernetzten Polystyrols mit sauren Sulfongruppen hervor: SOr (Na+) SC>7 (Na + )
Für maßanalytische Zwecke sind nur die stark sauren bzw. stark basischen Ionenaustauscher zu verwenden. Der
196
Alkalimetrie und Acidimetrie
Kationenaustausdi erfolgt an Sulfongruppen (1), der Anionenaustausch an quaternären Ammoniumgruppen (2): R(S0 3 ") n ( H + ) n + n Me+ - R(SO,")n (Me + ) n +n H + (1) R(NRV)„ (OH-) n + n A~ -»- R(NR V ) n (A")n + n OH" (2) Die Ionenaustauscher sind im Handel unter den Bezeichnungen „Amberlite", „Dowex", „Ionenaustauscher", „Lewatite", „Permutit", „Wofatit" erhältlich. Der Austausch wird in Glaszylindern („Säulen"), in die das Harz eingefüllt ist, vorgenommen. Die Säulendimensionen richten sich nach der Konzentration der zu bestimmenden Ionen in der Lösung und nach der Zahl der Analysen, die ohne Regeneration des Austauschers hintereinander vorgenommen werden sollen. Eine Austauschersäule zeigt Fig. 25. Die zylindrische Säule ist etwa 20 cm lang, hat einen Durchmesser von 2 cm und ist über dem Ablaßhahn mit einer Glasfritte (G 2) oder einer Siebplatte aus Glas mit einer Lage Glaswolle, auf der das Harz ruht, abgeschlossen. Polystyrolharze eignen sich wegen ihrer Kugelform besonders gut zur Säulenfüllung. Säulen mit den oben angegebenen Dimensionen sind für die Untersuchung etwa 0,1-n normaler Lösungen geeignet. Die Säule wird mit dem Harz zu % bis 94 ihrer Höhe gefüllt. Um den Einschluß von Luftblasen zu verhindern, trägt man das Harz in die mit Wasser gefüllte Säule ein. Die für maßanalytische Zwecke brauchbaren Ionenaustauscher sind in der „Na + -" bzw. „Cl~Form" handelsüblich. Es ist daher notwendig, sie in ihre saure bzw. basische Form umzuwandeln. Die Uberführung in die „H + -Form" wird mit 3-n Salzsäure vorgenommen; für die Bildung der „OH~-Form" des Anionenaustauschers benutzt man 1 - 2-n Natronlauge. Die Säure bzw. Base muß langsam durch das Harz laufen, damit der Austausch stattfinden kann. Die Durchlaufgeschwindigkeit reguliert man mit dem Ablaufhahn. Eine hierbei zu beobachtende Fig. 25 Braunfärbung der Lösung durch organische
Die Bestimmung von Salzen
197
Hai -.1 .tandteile tritt nur anfangs auf und ist ohne Bedeu'. 1 D a s E n d e der Regenerierung wird am Ausbleiben einer :.ir das ersetzte Ion spezifischen Reaktion geprüft, wobei der Entfernung der letzten Spuren keine Bedeutung beizumessen ist. Anschließend wird das „beladene" Harz bis zur neutralen Reaktion mit Wasser gewaschen. Die Austauscher werden unter Wasser aufbewahrt. Dies ist besonders wichtig für Basenaustauscher, die im trockenen Zustand Veränderungen erleiden. Vor der Benutzung der Austauschersäule ist zweckmäßig die Reaktion des Wassers zu prüfen. Im Falle einer sauren bzw. basischen Reaktion muß das Harz bis zur Neutralität mit Wasser gewaschen werden. Anionenaustauscher aus Polystyrolharzen haben eine Austauschkapazität von etwa 1 mval/ml feuchtes Harz. Die Kapazität von Kationenaustauschern ist doppelt so groß. Eine Säule mit den hier angegebenen Dimensionen enthält etwa 50 ml Harz. Nimmt man an, daß f ü r jede Analyse 20 ml einer etwa 0,1-n neutralen Lösung benutzt werden, so m u ß bei einer Nutzung von 70—80% der Anionenaustauscher nach 18—20 Bestimmungen, der Kationenaustauscher nach 35—40 Bestimmungen regeneriert werden. Die Bestimmung von Alkaliphosphaten, -nitraten und -Perchloraten durch Verwendung eines Anionenaustauschers: Die verdünnte Lösung wird in die Säule gegeben, aus der das Wasser bis zur Harzoberflädie abgelassen worden ist. Anhaftende Salzlösung wird mit wenig Wasser von den Wänden abgespült. Man wäscht mit 150—200 ml Wasser in kleinen Portionen nach und wartet jedesmal das Absinken bis auf die Harzoberfläche ab. Die Durchlaufgeschwindigkeit soll 5—10 ml/Min. betragen. Zum Schluß spült man noch mit etwa 50 ml Wasser nadi. Der Zeitbedarf für jede Bestimmung beträgt etwa 30 Minuten. Die entstandene Lauge wird in üblicher Weise titriert. Zur Regeneration — nach etwa 18—20 Bestimmungen von Lösungen der oben angegebenen Konzentration — läßt man 1 Liter etwa 1—2-n Natronlauge mit einer Geschwindigkeit von 10—12 Tropfen/Minute durch die Austauschersäule laufen und wäscht anschließend bis zur neutralen Reaktion mit Wasser nach.
198
Die Grundlagen der Fällungsanalysen Dritter
Abschnitt
DIE FÄLLUNGSU N D KOMPLEXBILDUNGSANALYSEN XII. Die Grundlagen der Fällungsanalysen 1. Der FällungsVorgang Als Fällungsanalysen bezeichnet man eine Reihe maßanalytischer Methoden, denen ein Fällungsvorgang zugrunde liegt: Die Maßlösung bekannten Gehalts, die zur Titration verwendet wird, wirkt auf die zu titrierende Lösung derart ein, daß ein schwerlöslicher Niederschlag von bekannter und einheitlicher Zusammensetzung ausgeschieden wird. Sobald die gesamten reaktionsfähigen Bestandteile der zu analysierenden Lösung niedergeschlagen sind, ist der Endpunkt der Titration erreicht. Ein weiterer Zusatz der Maßlösung ruft keine weitere Fällung hervor. Ein bereits früher (S. 70) besprochenes Beispiel für eine Fällungsanalyse ist die manganometrische Bestimmung der Mangan(II)-ionen nach Guyard-VolhardReinitzer. Obwohl nun in der Gravimetrie eine außerordentlich große Anzahl von Fällungsvorgängen zur Durchführung quantitativer Bestimmungen verwendet wird, gibt es doch nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl wirklich brauchbarer volumetrisdier Fällungsanalysen. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst einmal kurz mit den physikalisch-chemischen Grundlagen der Niederschlagsbildung beschäftigen. Wir betrachten zunächst die gesättigte Lösung eines schwachen Elektrolyten, die mit der festen Phase als Bodenkörper in Berührung steht. Ein gutes Beispiel bietet die schwerlösliche Benzoesäure, C 6 H 5 COOH, deren Dissoziationskonstante K d = 10"4,19 beträgt (vgl. Essigsäure: K d = 10^ 7 5 ). Durch das Lösungsgleichgewicht C 6 H 5 COOH ( g e l ö s t ) ^ C 0 H 5 COOH (fest) ist die Konzentration der Benzoesäuremoleküle in der gesättigten Lösung bei gegebener Temperatur ebenso ein-
Der Fällungsvorgang
199
deuti? festgelegt wie der Dampfdruck eines mit seinem Damp; im Gleichgewicht stehenden festen Stoffes. Es gilt a,s0
[C 6 H 5 COOH (gelöst)] =konst. (1) In der Lösung herrscht aber auch das Dissoziationsgleichgewicht der Benzoesäure: [c6H5coo-Hir]
(z> [C 6 H 5 COOH (gelöst)] durch Kombination von Gleichung (1) mit Gleichung (2) ergibt sich: [C 6 H 5 COO-] • [H + ] = K d • const. = L (3) Gleichung (3) besagt, daß das Produkt der molaren Konzentrationen der Benzoat- und der Wasserstoffionen, also das „Ionenprodukt", bei gleichbleibender Temperatur eine konstante Größe darstellt. Diese wichtige Beziehung gilt erfahrungsgemäß auch dann noch, wenn mit der Gegenwart undissoziierter Moleküle gar nidit gerechnet werden kann. Dies ist der Fall bei der Mehrzahl der schwerlöslichen Niederschläge, die bei den Fällungsanalysen erzeugt werden. Diese Niederschläge sind nämlich fast immer starke, in Lösung vollständig dissoziierte Elektrolyte. Sie kristallisieren (im Gegensatz z. B. zur Benzoesäure) in Ionengittern, die ihre Ionen direkt mit der Lösung austauschen. Versetzt man z. B. eine Silbernitratlösung mit einer Lösung von Natriumchlorid, so scheidet sich festes Silberchlorid aus: Ag+ + Cl" ^ AgCl (fest). Der Vorgang ist umkehrbar, denn wir können festes Silberchlorid, wenn auch nur in geringer Menge, in Wasser lösen. Dabei treten Silberund Chloridionen in äquivalenter Menge aus der Oberfläche der Kristalle heraus und werden im Wasser frei beweglich. Wenn das Lösungsgleichgewicht erreicht ist, wenn also die Silberchloridkristalle mit ihrer gesättigten Lösung in Berührung stehen, ist die „Gitterabbaugeschwindigkeit" v 1; d. h. die Zahl der in der Sekunde aus 1 cm 2 der Gitteroberfläche austretenden Ionenpaare, konstant und gleich der „Gitteraufbaugeschwindigkeit" v 2 :
200
Die Grundlagen der Fällungsanalysen
v , = k ! = v2 (4) Diese, d. h. die Zahl der in der S e k u n d e aus der Lösung heraus auf 1 cm 2 der Gitteroberfläche a u f t r e f f e n d e n u n d hier festgehaltenen I o n e n p a a r e , ist aber — wie durch \Vahrscheinlichkeitsbctrachtungen u n d -rechnungen 1 ) gezeigt w e r d e n k a n n — direkt proportional d e m Produkt der Ionenkonzentrationen in der L ö s u n g : v s = k 2 • [Ag + ] • [C1-]
(5)
Im Lösungsgleichgewicht gilt also [Ag + ] • [C1-] = £ ' = c o n s t . = L
(6)
Gleichung (6) entspricht, wie m a n sieht, vollkommen Gleichung (3). W i r d durch eine E r h ö h u n g d e r Silber- o d e r d e r Chloridionenkonzentration das I o n e n p r o d u k t vergrößert, so ist die L ö s u n g übersättigt. E s fällt n u n solange festes Silberchlorid aus, bis das I o n e n p r o d u k t seinen ursprünglichen, d e m Löslichkeitsgleichgewicht e n t s p r e c h e n d e n W e r t w i e d e r erreicht hat. D a s I o n e n p r o d u k t ist also ein M a ß f ü r die Löslichkeit u n d wird d a h e r auch Löslichkeitsprodukt g e n a n n t . D a die molaren K o n z e n t r a t i o n e n d e r Kationen [Ag + ] u n d d e r Anionen [Cl~] in einer reinen L ö s u n g von Silberchlorid e i n a n d e r gleich sind, k ö n n e n wir statt Gleichung (6) auch schreiben: [ A g + ] 2 = [C1~]2 = L D a n u n AgCl = Ag + + Cl" u n d — w e n n wir im folgenden mit [AgCl] die G e s a m t k o n z e n t r a t i o n an Silberchlorid bezeichnen — auch [AgCl] = [Ag + ] = [Cl-] ist, so folgt: [AgCl] 2 = L o d e r [AgCl] = | / L .
(7)
Nach Gleichung (7) ist also die Sättigungskonzentration oder die „Löslichkeit" des Silberchlorids in reinem Wasser Auf a n a l o g e n Ü b e r l e g u n g e n u n d R e c h n u n g e n b e r u h t d i e kinetische A b l e i t u n g des M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z e s . Vgl. d i e L e h r b ü c h e r d e r physikalischen C h e m i e .
Der Fällungsvorgang
201
gleich der Quadratwurzel aus dem Löslichkeitsprodukt. Das Löslichkeitsprodukt des Silberchlorids beträgt rund L = 10_1°, eine gesättigte Lösung von Silberchlorid hat daher die Konzentration j/10~ 10 m, ist also 10"5 molar. Durch Zugabe von überschüssigen Silber- und Chloridionen zu einer gesättigten Lösung von Silberchlorid in reinem Wasser läßt sich die Löslichkeit des Silberchlorids noch weiter herabdrücken. Die Löslichkeit des Silberchlorids in einer an Silberionen 10"4 molaren Silbernitratlösung läßt sich z. B. folgendermaßen berechnen: Aus Gleichung (6) folgt: T 10- 10 [ c n
= [A
g +
ri(H
= 1
°-
6 m
-
®
Da nun das gelöste Silberchlorid praktisch dissoziiert ist, so daß [AgCl(geiöst)] = [Cl~] zu setzen ist, gilt auch [AgCl(geiöst)] = 10-" m. Prinzipiell gleichartige Betrachtungen lassen sich auf alle anderen Fällungsvorgänge übertragen, z. B. auch auf solche Reaktionen, an denen Ionen höherer Oxydationsstufe teilnehmen. Es läßt sich auch in diesen Fällen die Gültigkeit folgender Fundamentalsätze ableiten: 1. Die Ausscheidung eines schwerlöslichen Niederschlages erfolgt immer dann, wenn das Löslichkeitsprodukt der beteiligten Ionenarten überschritten wird. 2. Die Löslichkeit eines schwerlöslichen Niederschlages läßt sich durch einen Überschuß des Fällungsmittels noch weiter herabdrücken. Das Maximum der Löslichkeit liegt am Äquivalenzpunkt. Ausnahmen von dieser Regel sind immer nur dann zu beobachten, wenn das überschüssige Reagens mit dem schwerlöslichen Niederschlag eine lösliche Komplexverbindung eingeht. So ist z. B. Silberchlorid in überschüssiger Salzsäure beträchtlich löslich. Es bilden sich komplexe Säuren vom Typus H[AgCl 2 ]. Schon aus diesen Feststellungen geht eine allen direkten
202
Die Grundlagen der Fällungsanalysen
Fällungsanalysen gemeinsame Fehlerquelle hervor, die darin besteht, daß es absolut unlösliche Niederschläge nicht gibt, und daß gerade am Äquivalenzpunkt, dessen möglichst genaue Ermittlung doch das Ziel jeder maßanalytischen Methode ist, die Ausfällung relativ am unvollständigsten ist! 2.
Die Änderung der Ionenkonzentration im Verlauf einer Fällungsanalyse. Die Titrationskurven
Ein tieferes Verständnis für den Verlauf der Fällungsvorgänge ermöglicht uns die theoretische Betrachtung der mit der Ausfällung verbundenen Änderung der Ionenkonzentration. Wir wollen z. B. den Fall der Titration einer 0,1-n Silbernitratlösung mit einer konzentrierten Natriumchloridlösung untersuchen und dabei zur Vereinfachung unserer Ableitungen die Voraussetzung machen, daß während der Titration weder die Temperatur noch das Volumen der titrierten Lösung eine Änderung erfahren. Die Konzentration an Silberionen beträgt zunächst 10"1 m. Der Zusatz von Natriumchlorid führt zur Ausfällung von Silberchlorid. Dadurch sinkt die Silberionenkonzentration. Sind 0,9 Äquivalente NaCl hinzugesetzt worden, so ist [ Ag+] = 10~2 m. Nach Zugabe von 0,99 Äquiva-
F i g . 26
Die Änderung der Ionenkonzentration
203
lenten NaCl beträgt [Ag+] =10" 3 m, und wenn 100% der dem Silbergehalt der Lösung äquivalenten Natriumchloridmenge hinzugegeben sind, herrscht in der Lösung die [Ag+] = 10"5 m. Schon wenn der molare Uberschuß an Natriumchloridlösung nur 0,1% beträgt, sinkt [Ag+] auf 10"6 m. Ein Uberschuß an Natriumchlorid von 1% ergibt [Ag+] =10~ 7 m, und ein 10%iger Uberschuß des Fällungsmittels läßt [Ag+] = 10 -8 m erreichen. Zeichnet man die negativen Logarithmen (Exponenten) der angegebenen Silberionenkonzentrationen 1 ) als Ordinaten, die zugehörigen Anteile der Natriumchloridlösung (angegeben in Äquivalenten) als Abszissen in ein rechtwinkliges Koordinatensystem ein, so ergibt sich (zwischen 0,9 und 1,1 Äquivalenten) die durch Fig. 26 wiedergegebene charakteristische Titrationskurve. Fig. 26 läßt deutlich erkennen, daß der Äquivalenzpunkt, also der gesuchte Endpunkt der Titration, identisch ist mit dem Wendepunkt der Titrationskurve, dem Punkt also, an dem die relative Änderung der [Ag+] im Verlauf der Titration ihren größten Wert erreicht. Fig. 27 gibt die Titrationskurve wieder, die für die Titration einer um eine Zehnerpotenz verdünnteren, also 0,01-n Silbernitratlösung, mit der gleichen Natriumchloridlösung gilt. Der Sprung in der Kurve ist wesentlich kleiner als in Fig. 26. Fig. 28 schließlich stellt die Titrationskurve dar, die erhalten wird, wenn dieselbe 0,01-n Silbernitratlösung mit einer konzentrierten Natriumjodidlösung titriert wird. Das Löslichkeitsprodukt des Silberjodids ist etwa 10~16, also erheblich kleiner als das des Silberchlorids: Der Sprung in der Kurve ist sehr groß. Die besprochenen Titrationskurven lassen deutlich erkennen, daß das Ergebnis einer Fällungsanalyse um so genauer wird, je besser folgende Bedingungen erfüllt sind: Analog zum „Wasserstoffionenexponenten" p H wird die Metallionenkonzentration in Lösungen durch den „Metallionenexponenten" pM> -== -log [ M e n + ] definiert.
204
Die Grundlagen der Fällungsanalysen
0,9
1,0
1,1
Aequivalcnte
Na I
F i g . 27
1. Das Löslichkeitsprodukt möglichst klein sein, 2. die Anfangskonzentration muß groß genug sein, und
%
des
der zu titrierenden
Aequiv.
3 i*
Niederschlages
I
Pkt.
5 6
7 8 9 10
11 12
73 0,9
1,0
Acquhialente Fig.23
1,1
NaJ
muß Lösung
Die Methoden der Endpunktsbestimmung
205
3. der praktisch erkennbare Endpunkt der Titration muß möglichst nahe am Wendepunkt der jeweiligen Titrationskurve liegen. Die Erfüllung der letztgenannten Forderung bietet in der Mehrzahl der Fälle ganz besondere Schwierigkeiten, und gerade der Mangel an allgemein verwendbaren, zuverlässigen Methoden zur Endpunktsbestimmung ist schuld daran, daß von den zahlreichen gravimetrisch verwerteten Fällungsvorgängen nur so wenige auch zur Grundlage volumetrischer Fällungsverfahren gemacht werden konnten. 3. Die Methoden der Endpunktsbestimmung
Die älteste und einfachste Methode der Endpunktserkennung arbeitet ohne jeden Indikatorzusatz. Die Titration wird so lange fortgesetzt, bis ein weiterer Reagenszusatz in der jedesmal durch kräftiges Umschütteln und Sedimentieren des Niederschlags geklärten Lösung keine Trübung mehr hervorruft. Diese Art der Endpunktsbestimmung ist aber naturgemäß nicht nur umständlich und zeitraubend, sondern auch in allen den Fällen weniger genau, in denen ein rasches Absitzen des entstandenen Niederschlags nicht erreicht werden kann. Die Ausscheidungen bleiben nämlich vielfach vor ihrer endgültigen Ausfällung in kolloider Verteilung oder doch in Form feinster Suspension in Lösung. So hat sich z. B. die schon im Jahre 1828 von Gay-Lussac angegebene maßanalytische Sulfatbestimmung mit Hilfe einer Bariumsalzlösung bekannten Gehaltes nicht durchsetzen können. Die ebenfalls von Gay-Lussac (1832, s. S. 217) angegebene Bestimmung des Silbers mit eingestellter Natriumchloridlösung gehört dagegen zu den genauesten Methoden der Maßanalyse, weil das während der Titration zunächst in kolloidaler Verteilung ausgeschiedene Silberchlorid im Äquivalenzpunkt, wo alle Ionen verbraucht sind, die das Silberchloridhydrosol stabilisieren können, vollkommen ausflockt; man titriert hier also bis zur Erreichung des sog. „Klarpunktes". Gewissermaßen die Umkehrung eines Fällungsverfah-
206
Die Grundlagen der Fällungsanalysen
rens, das ohne Indikatorzusatz arbeitet, stellt die von Liebig, (vgl. S. 234) angegebene Bestimmung des Cyangehaltes löslicher Cyanide dar. Die Cyanidlösung wird mit eingestellter Silbernitratlösung titriert. Solange sich noch in der titrierten Lösung das Alkalicyanid im Uberschuß befindet, entstehen mit den hinzukommenden Silberionen die komplexen Dicyanoargentationen [Ag(CN)2]~, so daß also hier der Endpunkt der Titration am Auftreten und nicht an der Beendigung einer Niederschlagsbildung erkannt wird. Eine zweite Methode der Endpunktsbestimmung verwendet einen Indikator, der am Titrationsendpunkt die Farbe der Lösung verändert. Der Indikator vermag entweder mit den bei der Titration verschwindenden oder mit den infolge des Zusatzes der Maßlösung neu hinzukommenden Ionen eine deutlich gefärbte, lösliche Verbindung zu bilden, die in dem Augenblick verschwindet bzw. entsteht, wo der Äquivalenzpunkt erreicht wird. Möglichst im Äquivalenzpunkt muß also die Konzentration des neu hinzukommenden Ions schon so groß werden, daß sie ausreicht, um mit dem Indikator unter Bildung der gefärbten Verbindung reagieren zu können, oder es muß umgekehrt die Konzentration des verschwindenden Ions gerade im Äquivalenzpunkt schon so gering geworden sein, daß sie nicht mehr genügt, um weiterhin mit dem Indikator die gefärbte Substanz zu bilden. In beiden Fällen wird also der Endpunkt an einer Farbänderung der Lösung erkannt. Ein praktisches Beispiel für diese Art der Endpunktsermittlung bietet die Verwendung von Eisen(III)-ionen als Endanzeiger bei der Titration der Silberionen mit einer Alkalithiocyanatlösung nach Volhard (s. S. 219). Die [CNS - ] einer gesättigten Lösung des schwerlöslichen AgCNS genügt nicht, um mit den Eisen(III)-ionen zusammen die Entstehung des dunkelroten, uiudissoziierten Eisenthiocyanats zu ermöglichen; erst ein geringer Uberschuß an Thiocyanationen färbt die Lösung schwach rosa. Bei den hydrolytischen Fällungsverfahren dienen die bereits ausführ-
Die Methoden der Endpunktsbestimmung
207
lieh besprochenen Indikatoren der Neutralisationsanalyse zur Endpunktsermittlung. Die dritte für die Durchführung von Fällungsanalysen brauchbare Methode der Endpunktserkennung benutzt Indikatoren, die mit der zugesetzten Reagenslösung einen deutlich gefärbten, schwerlöslichen Niederschlag bilden, sobald mit der Erreichung des Äquivalenzpunktes sämtliche reaktionsfähigen Ionen in der titrierten Lösung als schwerlöslicher Niederschlag ausgefällt sind, d. h. also, sobald die Möglichkeit für das Auftreten eines geringen Uberschusses des Fällungsmittels gegeben ist. Als Beispiel muß hier die Verwendung von Chromationen als Endanzeiger bei der Titration der Halogenidionen nach Mohr (s. S. 224) genannt werden. Sobald z. B. im Verlauf der Titration einer Natriumchloridlösung die gesamten Chloridionen als schwerlösliches Silberchlorid ausgefällt sind, vermag schon ein geringer Uberschuß an Silberionen zusammen mit den Chromationen das Löslichkeitsprodukt des roten, schwerlöslichen Silberchromats zu überschreiten. Die wichtigste Voraussetzung für die Verwendbarkeit eines solchen Indikators besteht darin, daß in der gesättigten Lösung des während der Titration ausfallenden Niederschlages (z. B. AgCl) die Konzentration derjenigen Ionen (z. B. Ag+), die mit den Indikatorionen (z. B. Cr0 4 2 - ) den zur Erkennung des Endpunktes dienenden, ebenfalls schwerlöslichen Niederschlag (z. B. Ag 2 Cr0 4 ) bilden können, nicht ausreicht, um dessen Löslichkeitsprodukt zu überschreiten. Denn anderenfalls würde der praktisch erkennbare Titrationsendpunkt noch vor dem wirklichen Äquivalenzpunkt liegen, d. h. also, der Umschlag würde zu früh eintreten. In solchen Fällen kann eine vierte Methode der Endpunktserkennung zum Ziele führen, die Tüpfelmethode. Hier wird der titrierten Lösung nach jedem neuen Zusatz der Reagenzlösung ein klarer Tropfen entnommen und auf einer geeigneten Unterlage, z. B. auf einer Porzellanplatte oder einem Blatt Filtrierpapier, mit einem Tropfen der Indikatorlösung zusammengebracht. Die Endpunkts-
208
Die Grundlagen der Fällungsanaiysen
ermittlung geschieht also außerhalb der titrierten Lösung. Als Beispiel sei die Zinkbestimmung nach Schaffner (1858) angeführt: Die Zinklösung wird mit einer Natriumsulfidlösung bekannten Gehaltes titriert. Als Tüpfelindikator dient eine Kobaltsalzlösung, die mit dem der titrierten Lösung entnommenen Tropfen unter Abscheidung von schwarzem Kobaltsulfid reagiert, sobald ein geringer Uberschuß an Sulfidionen vorhanden ist. Der Probetropfen darf aber keine Spur des Niederschlages (hier ZnS!) enthalten, denn sonst reagiert schon dieser mit dem Tüpfelindikator, und der Endpunkt erscheint zu früh. Mit Hilfe eines Tüpfelindikators wird auch die bereits auf S. 77 beschriebene Bestimmung der Eisen(II)-ionen mit Kaliumdichromat durchgeführt. Dort finden sich auch Angaben über die Größe des Fehlers, den man durch die Entnahme der Probetropfen begeht. Alle Tüpfelmethoden sind umständlich und meist auch wenig genau. Man zieht daher, wo es möglich ist, die Titrationsmethoden mit direkter Endpunktsermittlung vor. Eine fünfte Methode der Endpunktsbestimmung wurde von K. Fajans (1921/24, vgl. z. B. [41]) angegeben: Die Benutzung der „Adsorptionsindikatoren" in der Argentometrie. Diese Methode macht sich die Adsorptionserscheinungen zunutze, die sich bei den Fällungsvorgängen sonst häufig dadurch als Fehlerquelle bemerkbar machen, daß sie das sog. „Mitreißen" fremder Bestandteile, vor allem noch unverbrauchter Titersubstanz, durch Okklusion oder Adsorption an der Oberfläche des Niederschlages verursachen. Die gebräuchlichsten Adsorptionsindikatoren sind Eosin und Fluoresze'fn. Ihre Wirkungsweise ist etwa folgende: Eine Kaliumbromidlösung werde in Gegenwart einer geringen Menge von Eosinnatrium mit Silbernitratlösung titriert. Dadurch entstehen in der rosa gefärbten Lösung kolloidale Partikel von Silberbromid, deren Oberfläche die noch in der Lösung befindlichen Bromionen adsorbiert, wodurch sie sich negativ auflädt. Sobald jedoch der Äquivalenzpunkt überschritten wird, so daß nunmehr
Grundlage und Bedeutung
209
Silberionen in geringem Überschuß in der Lösung vorhanden sind, adsorbieren die kolloidalen Silberbromidteilchen Silberionen. Sie laden sich also nunmehr positiv auf und sind daher imstande, die Anionen des Farbstoffs anzulagern. Hierdurch werden die Elektronenhüllen des Farbstoffes „deformiert", was als Farbänderung in Erscheinung tritt. Sobald der Äquivalenzpunkt überschritten wird, färben sidi infolgedessen Niederschlag und kolloidale Lösung rotviolett. Diese Färbung verschwindet, sobald die Lösung wieder Bromidionen im Uberschuß enthält, und kehrt zurück, wenn wieder die Silberionen überwiegen; die Erscheinung ist so lange reversibel, als noch kolloidale Silberbromidteilchen in der Lösung vorhanden sind. Ein Adsorptionsindikator ist jedoch nur dann gut geeignet, wenn er erst in unmittelbarer Nähe des Äquivalenzpunktes stark adsorbiert wird und nicht schon, wie z. B. das Eosin, falls man es statt des Fluoresze'ins zur Bestimmung der Chloridionen verwendet, lange vor Erreichung des Endpunktes den Niederschlag anfärbt. Die Gegenwart größerer Elektrolytmengen kann dadurch stören, daß sie die Ausflockung des Silberhalogenidsols begünstigt; dem kann jedoch vielfach durch Verwendung eines Schutzkolloids entgegengetreten werden. Wir besprechen nun im folgenden die wichtigsten Methoden der Fällungsanalyse, und zwar zunächst die sog. „hydrolytischen Fällungsverfahren". XIII. Die hydrolytischen Fällungsverfahren 1. Ihre Grundlage und Bedeutung Das allen hydrolytischen Fällungsverfahren gemeinsame Prinzip besteht darin, daß die neutral reagierende Lösung, z. B. von Zinksulfat, deren Gehalt an Kationen bestimmt werden soll, mit einer Maßlösung titriert wird, die das Alkalisalz einer sehr schwachen Säure, z. B. Natriumsulfid, enthält, deren Anionen mit den zu bestimmenden Kationen zu einer schwerlöslichen Verbindung, z. B. ZnS, zusammentreten. Solange noch ein Niederschlag ausfällt, bleibt die 14
Jander-Jahr, Maßanalyse
210
Die hydrolytischen Fällungsverfahren
[H + ] der Lösung praktisch konstant. ZnS scheidet sich aus, und an die Stelle der ursprünglichen, neutralen Lösung von ZnS0 4 tritt eine solche von Na 2 S0 4 ; sobald jedoch der Äquivalenzpunkt überschritten wird, verursacht schon ein geringer Überschuß der Maßlösung infolge seiner starken Hydrolyse eine sprunghafte Abnahme der [H + ], die durch den Umschlag eines geeigneten Farbindikators, z. B. Methylrot, erkennbar gemacht werden kann. Natürlich sind auch Analysenmethoden denkbar, bei denen ein Anion mit dem stark hydrolysierten Salz einer schwachen Base titriert wird, mit deren Kation es in Form eines schwerlöslichen Niederschlages ausfällt. Doch müssen mehrere wichtige Voraussetzungen erfüllt sein, wenn derartige Titrationsmethoden zu genauen und reproduzierbaren Resultaten führen sollen. So muß erstens die zu bestimmende Lösung gegenüber dem verwendeten Indikator neutral reagieren, und es dürfen auch keine anderen Anionen schwacher Säuren (z. B. Natriumacetat!) zugegen sein, weil die Lösung sonst zu stark gepuffert ist. Zweitens muß der ausfallende Niederschlag eine absolut konstante, wohldefinierte Zusammensetzung haben, und sein Löslichkeitsprodukt muß möglichst klein sein. Und endlich muß die Maßlösung möglichst stark hydrolysieren und doch titerbeständig sein. Man findet in der Literatur eine ganze Reihe von hydrolytischen Fällungsmethoden. So ist z. B. das Natriumsulfid zur Bestimmung des Zinks, das Kaliumchromat zur Bestimmung von Barium und Blei und das Natriumkarbonat zur Titration von Blei- und Zinklösungen vorgeschlagen worden. Doch diese Fällungsverfahren haben praktisch keine Bedeutung, weil sie nicht allen oben angeführten Voraussetzungen entsprechen und somit zu ungenau sind, weil ihr Anwendungsgebiet beschränkt ist, und weil sie schließlich keinem wirklichen Bedürfnis in der Praxis entgegenkommen. Lediglich die Titrationen, die sich mit Kaliumpalmitatlösungen ausführen lassen, haben wirkliche Bedeutung er-
Die Bereitung und Einstellung
211
langt. Die Palmitationen sind nämlich imstande, die Ionen der Erdalkalien und des Magnesiums als unlösliche „Seifen" auszufällen, und schon ein geringer Uberschuß der stark hydrolysierten Palmitatlösung färbt Phenolphthalein rot. Damit ergibt sich nun eine exakte und schnelle Methode zur Calcium- und Magnesiumbestimmung, die hauptsächlich in der Praxis der Trink- und Brauchwasseruntersuchung zur Ermittlung der Kalk- und Magnesiahärte (s. auch S. 180) in ausgedehntem Maße benutzt wird. Diese von C. Blacher (s. S. 212) angegebene Methode ist weit eleganter und genauer als das früher hauptsächlich verwendete Clarksche Seifenverfahren, das den gleichen chemischen Vorgang benutzt, aber den Titrationsendpunkt an der Schaumfähigkeit der überschüssigen Seifenlösung erkennen läßt. 2. Die Bereitung und Einstellung der Kaliumpalmitatlösung Man bringt in einen Meßkolben von 1 Liter Inhalt 25,6 g reinster, stearinsäurefreier Palmitinsäure und 0,1 g Phenolphthalein, gibt 500 ml reinen Propylalkohol und 300 ml destilliertes Wasser hinzu, und erwärmt das Gemisch auf dem Wasserbad. An Stelle des Propylalkohols kann man auch Äthylalkohol (96%) verwenden, doch scheidet die äthylalkoholische Lösung unter 15° C allmählich Palmitinsäure aus! Ferner bereitet man aus 15 g reinem Kaliumhydroxid und 100 ml warmem Äthylalkohol (96 % ) eine alkoholische Kalilauge, die man in kleinen Anteilen so lange zur Palmitinsäurelösung hinzusetzt, bis diese völlig klar geworden und schwach rosenrot gefärbt ist. Hat man zuviel Lauge zugegeben, so entfärbt man mit einigen Tropfen 0,1-n Salzsäure und titriert, unter gutem Umschütteln, noch einmal tropfenweise bis zum Farbumschlag. Nach dem Abkühlen wird die Lösung mit Propylalkohol auf 1 Liter aufgefüllt und eventuell filtriert; sie ist etwa 0,1-normal an Kaliumpalmitat. Die Einstellung der Palmitatlösung erfolgt entweder auf
212
Die hydrolytischen Fällungsverfahxen
eine gegen Phenolphthalein genau neutrale Lösung von Calciumchlorid, deren Calciumgehalt gravimetrisch ermittelt wurde, oder in folgender Weise auf klares, aus reinstem Ätzkalk mit kohlensäurefreiem Wasser bereitetes Kalkwasser: 10 bis 20 ml Kalkwasser werden zunächst auf etwa 100 ml verdünnt, mit 0,1-n Salzsäure gegen Phenolphthalein als Indikator bis zur eben erreichten Entfärbung titriert und aus der hierzu verbrauchten Säuremenge der Gehalt an Calciumhydroxid berechnet. Dann wird noch ein Tropfen 0,1-n Salzsäure im Uberschuß hinzugegeben. Die farblose Flüssigkeit wird nach Zusatz von 1 ml einer l%igen, alkoholischen Phenolphthaleinlösung langsam und unter kräftigem Umschütteln mit der Kaliumpalmitatlösung bis zur eben bemerkbaren Rosafärbung titriert. Wird der Titer mit einer gravimetrisch eingestellten Calciumchloridlösung ermittelt, so muß diese zunächst durch kurzes Aufkochen von Kohlensäure befreit und mit 1-n Natronlauge auf den Phenolphthaleinumschlag eingestellt werden. 3. Die Bestimmung der Gesamthärte und der Magnesiahärte des Wassers
Gesamthärte: (s. S. 180) nach C. Blacher (1913): Durch Titration des kohlensäurefreien, gegen Phenolphthalein neutralen Wassers mit Kaliumpalmitatlösung werden Calcium und Magnesium als neutrale Salze der Palmitinsäure, C 15 H 31 COOH, vollständig ausgefällt. Die eben beginnende Rotfärbung von Phenolphthalein zeigt den Endpunkt an. Genauigkeit: Bei Härten von 0,5 bis 15 mval beträgt der Höchstfehler 0,1 mval. Oberhalb 15 mval sind die Werte zu hoch, da der Niederschlag Kaliumpalmitat „mitreißt"; man verdünnt dann die zu untersuchende Wasserprobe in geeigneter Weise. Bei sehr geringen Härtegraden verursacht die zur Erzielung des Indikatorumschlags notwendige Kaliumpalmitatmenge ebenfalls einen Mehrverbrauch.
Die Bestimmung der Gesamthärte des Wassers
213
Nach J. Leick (1932) ist hier folgende Korrekturtabelle anzuwenden (Tab. 11): T a b e l l e 11 Gefundene Härte 0,15 0,25 0,35 0,45 0,55
mval rnval mval mval mval
Wirkliche Härte 0,05 0,17 0,30 0,425 0,55
mval mval mval mval mval
Bei geringen Härten beträgt der Höchstfehler also maximal 0,1 mval. Neutralsalze stören praktisch nicht, ebensowenig Eisen, Aluminium, Kieselsäure und organische Bestandteile in den gewöhnlich vorkommenden Mengen. Nur Mangan, das ebenfalls als Palmitat gefällt wird, erhöht das Ergebnis; man bestimmt dann die Kalk- und Magnesiahärte nach anderen Methoden (s. S. 66 und S. 180) und erfährt durch Subtraktion ihrer Summe von dem Ergebnis der Titration nach Blacher den Mangangehalt. Praktische Durchführung: Man verwendet 100 ml der Wasserprobe, neutralisiert mit 0,1-n Salzsäure bis zur Entfärbung von Phenolphthalein, kocht die Lösung auf und gibt noch einen überschüssigen Tropfen Säure zu der erkalteten farblosen Lösung. Dann titriert man, wie oben beschrieben, mit 0,1-n Kaliumpalmitatlösung. 1 ml 0,1-n Kaliumpalmitatlösung entspricht einer Gesamthärte (CaO + MgO) von 0,1 mval in 100 ml oder 1 mval im Liter (0,1 mval CaO = 2,804 mg; 0,1 mval MgO = 2,016 mg. Magnesiahärte: nach V. Fromboese (1914): Das Calcium wird mit Kaliumoxalatlösung als Calciumoxalat ausgefällt. Dann ermittelt man die Magnesiahärte, ohne zuvor die Lösung zu filtrieren, durch Titration mit 0,1-n Kaliumpalmitatlösung. Ammoniumoxalat darf zur Fällung des Calciums nicht verwendet werden, da Ammoniumsalze den Umschlag des Phenolphthaleins verhindern! Praktische Durchführung: 200 ml des zu prüfenden Wassers werden nach Zugabe von Methylorange (2 Tropfen!) bis zur
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Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers
deutlichen Rotfärbung mit 0,1-n Salzsäure versetzt. Die Lösung wird zum Sieden erhitzt, und 5 ml einer 10%igen Kaliumoxalatlösung werden in die siedende Lösung eingetropft. Nach 2 Minuten wird diese abgekühlt, mit Phenolphthalein versetzt und mit 0,1-n Natronlauge bis zur eben beginnenden Rosafärbung neutralisiert. Nach Zugabe eines Tropfens 0,1-n Salzsäure wird die Lösung mit 0,1-n Kaliumpalmitatlösung titriert. J. Leide (1932) empfiehlt, die Magnesiahärte aus der Differenz zwischen der Gesamthärte nach Blacher und der Kalkhärte nach der manganometrischen Methode (s. S. 66) zu bestimmen. Infolge der nicht völligen Unlöslichkeit des Calciumoxalates ergibt zwar die Oxalatmethode stets ein wenig zu niedrige Werte. Der Auswaschfehler läßt sich jedoch eliminieren, wenn man den Titer der etwa 0,05-n Kaliumpermanganatlösung auf ein Kalkwasser bekannten Gehaltes unter den bei der Ermittlung der Kalkhärte später einzuhaltenden Versuchsbedingungen empirisch einstellt. XIV. Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers und die Argentometrie 1. Die Bereitung und Einstellung der Maßlösungen
Die wichtigsten Methoden der Fällungsanalyse beruhen auf der Schwerlöslichkeit der Silberhalogenide und des Silberthiocyanats, ermöglichen also die Bestimmung des Silbers mit Hilfe eingestellter Halogenid- und Thiocyanatlösungen und die Gehaltsermittlung löslicher Halogenide und Thiocyanate mit einer Silbernitratlösung bekannten Gehaltes (Argentometrie). Die Methoden der Endpunktserkennung sind bereits im XII. Kapitel kurz beschrieben worden. Zur Durchführung argentometrischer Bestimmungen sind 0,1-n Maßlösungen von Silbernitrat, Natriumchlorid und Ammonium- oder Kaliumthiocyanat erforderlich. Bereitung und Einstellung einer 0,1-n Silbernitratlösung:
Man geht entweder von reinstem metallischem Silber oder von chemisch reinem Silbernitrat aus. Reinstes metallisches Silber (Feinsilber) ist in Form von Blech oder Draht im Handel erhältlich. Nach Richards und Wells (1908) läßt es sich auch durch Reduktion von Silbernitrat
Die Bereitung und Einstellung der Maßlösungen
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mit Ammoniumformiat rein darstellen: Die Ammoniumformiatlösung wird durch Einleiten von Ammoniak in frisch destillierte Ameisensäure bereitet; der Silberniederschlag wird ammoniakfrei ausgewaschen und schließlich im Wasserstoffstrom geschmolzen. 10,7870 g Feinsilber werden genau abgewogenen 100 ml reinster, chloridfreier Salpetersäure von der Dichte 1,20 gelöst, und die Lösung bis zur Zerstörung der salpetrigen Säure und vollständigen Entfernung der Stickoxide gekocht. Nach dem Abkühlen wird die Lösung in einen Literkolben gebracht, und dieser wird mit destilliertem Wasser genau bis zur Marke aufgefüllt. Die Lösung ist etwa halbnormal an Salpetersäure. Eine besondere Einstellung ist nicht erforderlich. Wird aber für die Bestimmungen nach Mohr eine neutrale Silbernitratlösung gebraucht, so wägt man 16,9875 g reines, bei 150° C bis zur Gewichtskonstanz getrocknetes Silbernitrat genau ab, löst es in Wasser und verdünnt die Lösung auf 1 Liter. Das verwendete Silbernitrat darf kein metallisches Silber enthalten, seine Lösung muß neutral reagieren. Es kann durch Umkristallisieren aus schwach salpetersäurehaltigem Wasser rein erhalten werden. Audi hier ist eine besondere Titerstellung nicht notwendig; doch ist es zweckmäßig. den Titer der Silbernitratlösung mit Hilfe genau abgewogener Mengen von reinstem Natriumchlorid nach einer der später beschriebenen Methoden zu kontrollieren. Die Silbernitratlösung wird zum Schutz gegen die direkte Einwirkung des Sonnenlichtes in einer braunen Glasstöpselflasche aufbewahrt. Sie muß vor Staub geschützt werden. Bereitung und Einstellung einer 0,1-n Natriumchloridlösung:
Zur Bereitung der Lösung dient reinstes Natriumchlorid, das man sich folgendermaßen darstellt: In eine gesättigte Lösung des reinsten käuflichen Salzes wird unter äußerer Kühlung mit Eiswasser gasförmiger Chlorwasserstoff eingeleitet. Dann scheidet sich Kochsalz aus, das mit Hilfe einer Glasfilternutsche abgesaugt und mehrmals mit wenig
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Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers
Eiswasser ausgewaschen wird. Das Salz wird dann bei 110° C vorgetrocknet, fein gepulvert und schließlich im elektrischen Ofen bei etwa 500° C bis zum konstanten Gewicht erhitzt; benutzt man die Leuchtgasflamme, so muß man den Zutritt der Verbrennungsgase zum Tiegelinhalt verhindern. Das Salz muß bromid-, jodid- und sulfatfrei sein, es darf kein Kalium, kein Magnesium und keine Erdalkalien enthalten. Etwa 5,85 g reinstes Natriumchlorid werden zum Liter gelöst und die erhaltene, annähernd 0,1-n Lösung auf eine genaue 0,1-n Silbernitratlösung oder auf Feinsilber eingestellt. Diese Einstellung wird nach der gleichen Methode vorgenommen, nach der später mit der Maßlösung gearbeitet werden soll, also entweder nach Gay-Lussac(S. 217) oder nach Fajans (S. 227), und möglichst unter denselben Bedingungen. Dann ergibt sich ein empirischer Normalfaktor, der (z. B. durch Berücksichtigung der Löslichkeit des Silberchlorids!) den durch die Methode bedingten Fehler in gewissem Grade ausschaltet. Bereitung und Einstellung einer 0,1-n Ammoniumthiocyanatlösung:
Ammoniumthiocyanat ist hygroskopisch und zersetzt sich, wenn man es bei höheren Temperaturen zu trocknen versucht. Man stellt daher eine nur ungefähr 0.1-normale Lösung her, indem man etwa 8 bis 9 g von dem möglichst trockenen und chlorfreien Salz in einem Liter Wasser auflöst. Das verwendete Ammoniumthiocyanat muß absolut chloridfrei sein. Die Prüfung auf Chlorid wird nach Kolthoff [80] folgendermaßen durchgeführt: „200 mg Thiocyanat werden in 25 ml Wasser gelöst, mit 15 ml 4-n Schwefelsäure und dann mit so viel Permanganatlösung versetzt, bis die rotbraune Farbe bestehen bleibt (braun vom abgeschiedenen Braunstein). Dann wird im Abzug 10—15 Minuten gekocht, bis sich alle Cyanwasserstoffsäure verflüchtigt hat, und das Volumen etwa 10—15 ml beträgt. Der Braunstein wird mit Perhydrol reduziert; nach dem Abkühlen darf mit Silbernitrat nicht mehr als eine schwache Opaleszenz entstehen."
Die Bestimmung des Silbers nach Gay-Lussac
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Die Thiocyanatlösung wird nach Volhard (s. S. 219) auf 0,1-n Silbemitratlösung genau eingestellt, indem 25 ml der Silbernitratlösung mit 20 ml ausgekochter 2-n Salpetersäure und 2 bis 3 ml der salpetersauren Ammonium-eisen(Ill)-sulfat-Indikatorlösung (S. 219) versetzt, auf etwa 100 ml verdünnt und langsam, unter ständigem Umschwenken, mit der Thiocyanatlösung titriert werden, bis in der Flüssigkeit ein schwach rotbrauner Farbton eben noch dauernd bestehen bleibt. 2. Die Bestimmung des Silbers nach Cay-Lussac Diese Methode wird wegen ihrer großen Genauigkeit hauptsächlich in den Münzlaboratorien verwendet, um den Silbergehalt von Legierungen zu ermitteln. Ihr Prinzip haben wir bereits auf S. 205 kurz auseinandergesetzt: Die salpetersaure Silberlösung wird mit eingestellter Kochsalzlösung bis zum „Klarpunkt" titriert, d. h. so lange, bis auf weiteren Zusatz der Maßlösung keine neue Chlorsilberabscheidung mehr beobachtet wird. Man verwendet eine unter den Bedingungen der späteren Titrationen gegen Feinsilber oder eine Silbernitratlösung bekannten Gehaltes eingestellte Natriumchloridlösung und vermeidet so den der Methode anhaftenden, etwa 0,1% betragenden Titrierfehler, der durch die Löslichkeit des Silberchlorids (L = 1,12 • 10 J0 ) und den zur Erreichung der vollständigen Ausfällung eben notwendigen Überschuß an Kochsalzlösung bedingt ist. In den Münzlaboratorien werden empirische Kochsalzlösungen verwendet, und zwar sog. „normale", die in 1 Liter die zur Ausfällung von 10 g Silber erforderliche Natriumchloridmenge enthalten, und „dezime" deren Konzentration an Natriumchlorid nur Vio derjenigen der „Normallösung" beträgt. Zur Titerstellung der „normalen" Kochsalzlösung wird stets genau 1 g Feinsilber verwendet, eine Menge also, die genau 100 ml der Lösung verbrauchen muß. Zur Analyse wägt man von der zu prüfenden Silberlegierung eine Probe ab, die möglichst genau ebenfalls 1 g Silber enthält.
Für die Analyse von S i l b e r l e g i e r u n g e n ist die
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Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers
Kenntnis des Einflusses fremder Metalle auf die Genauigkeit der Bestimmung notwendig. Metalle, die leichtlösliche Nitrate und Chloride bilden, stören nicht. Quecksilber muß vor der Bestimmung durch Umschmelzen der Legierung im elektrischen Ofen entfernt werden. Blei darf nur spurenweise zugegen sein. Antimon und Wismut werden durch Zusatz von Weinsäure in Lösung gehalten. Enthält die Lösung mehr als ein Sechstel ihres Gewichtes an Gold, so ist sie in Salpetersäure nicht mehr vollständig löslich; man schmilzt sie dann mit einer genau abgewogenen Menge reinsten Silbers zusammen. Die Legierung wird in 10 ml chlorfreier Salpetersäure von der Dichte 1,2 gelöst, die Lösung wird zur Vertreibung der Stickoxide kurz aufgekocht. Die wieder abgekühlte salpetersaure Lösung wird (eventuell nach dem Abfiltrieren von unlöslich abgeschiedener Metazinnsäure!) auf 1 0 0 m l aufgefüllt und wie folgt titriert. Praktische Durchführung: 25 ml der schwach sauren Silbernitratlösung werden in einer gut schließenden Glasstöpselflasche von etwa 200 ml Inhalt mit 50 ml Wasser verdünnt, 0,1-n Natriumchloridlösung wird in Anteilen von je 1, später 0,5 ml hinzugegeben und die Flasche nach jedem Zusatz fest versdilossen und kräftig geschüttelt. Sobald der Zusatz eines weiteren halben Milliliters in der über dem Niederschlag stehenden klaren Lösung keine Trübung mehr hervorruft, ist der erste, nur orientierende Vorversuch beendet. Man mißt wieder 25 ml ab, verdünnt mit 50 ml Wasser und gibt nun einen Milliliter weniger als das im Vorversuch verbrauchte Volumen der 0,1-n Kochsalzlösung auf einmal hinzu. Die Flüssigkeit wird wieder so lange geschüttelt, bis sich das Silberchlorid genügend zusammengeballt hat. Nach dem Absitzen des Niederschlages gibt man aus einer Mikrobürette je 0,5 ml einer 0,01-n Natriumdiloridlösung, die man sidi durch Verdünnen der 0,1-n Lösung vorher bereitet hat, in der Weise hinzu, daß die Lösung an dei Glaswand hinunter fließt. Dann beobaditet man, solange noch nicht alles Silberchlorid ausgefällt ist, an der Oberfläche der Flüssigkeit eine deutlich sichtbare Trübung, die besonders leicht erkennbar wird, wenn man die Sdiüttelflasdie im reflektierten Licht betrachtet. Die Flüssigkeit wird wieder gesdiüttelt, und mit dem Zusatz der 0,01-n Natriumdiloridlösung
Die Bestimmung des Silbers und des Kupfers
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fortgefahren, bis weitere 0,5 ml keine neue Opaleszenz mehr hervorrufen. Der letzte Reagenszusatz wird bei der Ablesung der Bürette nicht berücksichtigt. Mindestens zwei Kontrollbestimmungen sind zur Sicherung des Ergebnisses notwendig Mit der so durchgeführten Methode der Silberbestimmung ist eine Genauigkeit von 0,05% zu erreichen, wenn auf Gleichheit der Temperatur beim Einstellen und beim Gebrauch der Titerlösungen sorgfältig geachtet wird. 1 ml 0,1-n Natriumchloridlösung entspricht Vi 0 Milligrammäquivalent, also 10,787 mg Ag oder 16,987 mg A g N 0 3 . Bei Silberlegierungen ist das Ergebnis in Tausendsteln (Promille) anzugeben. Richards und Wells (1904/06) benutzten zur Beobachtung der Opaleszenz ein „Nephelometer": Ein starker Lichtstrahl wurde durch die Lösung geschickt und das vom Niederschlag diffus zerstreute Licht beobachtet. Zum Vergleich der in der Nähe des Äquivalenzpunktes auftretenden Trübungen dienten Standardlösungen. Dadurch konnte die Genauigkeit der Bestimmung so weit gesteigert werden, daß sie zur Revision der Atomgewichte des Chlors und des Natriums herangezogen werden konnte. Noch bequemer und genauer als mit einer Natriumdiloridlösung nach der üblichen Methode läßt sidi das Silber nach dem Prinzip von Gay-Lussac bestimmen, wenn man eine Kaliumbromidlösung verwendet. Reinstes diloridfreies Kaliumbromid stellt man durch vorsichtiges Schmelzen von Kaliumbromat (p. a.) in einer Platinschale her; das Bromat zersetzt sich unter Abgabe von Sauerstoff. Der Schmelzkuchen wird gepulvert, und das Kaliumbromid wird bis zur Gewiditskonstanz im elektrischen Ofen erhitzt. 3. Die Bestimmung des Silbers und des Kupfers, der Halogenid-, Thiocyanat- und Cyanidionen in saurer Lösung na dt J. Volhard Die Bestimmung des Silbers: Weniger umständlich als das an sich äußerst genaue Verfahren von Gay-Lussac ist die von J. Volhard (1874) angegebene Methode zur Bestimmung des Silbers. Sie beruht auf der Ausfällung des schwerlöslichen Silberthiocyanats (L = 6 , 8 4 • IQ" 13 ):
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Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers
AgN03 + NH4CNS N H 4 N O s + AgCNS \ Ein Uberschuß an Thiocyanationen wird mit Hilfe einer Eisen(III)-salzlösung erkannt (s. S. 206): 6 NH 4 CNS + Fe 2 (S0 4 ) 3 = 2 Fe(CNS) 3 + 3 (NH 4 ), S 0 4 . Als Indikatorlösung dient eine kalt gesättigte Lösung von Ammonium-eisen(III)-sulfat, die mit (ausgekochter) Salpetersäure bis zum Verschwinden der Braunfärbung versetzt wird. Von dieser Lösung werden stets 2 ml f ü r je 100 ml der zu titrierenden Lösung verwendet. Die Titration geschieht in kalter salpetersaurer Lösung. Der Säuregrad soll demjenigen einer 0,4-n Salpetersäure etwa entsprechen, geringe Schwankungen der [H + ] haben keinen Einfluß. Die Salpetersäure darf aber keine salpetrige Säure enthalten, weil diese das Thiocyanation zerstört. Handelt es sich daher um die Analyse einer Silberlegierung, so m u ß deren salpetersaure Lösung (s. S. 218) vor der Titration ausgekocht werden. Die Gegenwart fremder Metallionen stört nicht, wenn sie leichtlösliche, dissoziierte Thiocyanate bilden und nicht allzu stark gefärbt sind. Quecksilber bildet ebenfalls ein schwerer lösliches, in Lösung undissoziiertes Thiocyanat, m u ß also vor der Analyse entfernt werden (s.S.218). Liegt der Kupfergehalt einer Legierung unter 7 0 % , so stört er nur sehr wenig. Praktische Durchführung: Sie erfolgt möglichst unter den gleichen Bedingungen, wie sie auf S. 216 für die Titerstellung der Ammoniumthiocyanatlösung beschrieben sind. Das ist wichtig, weil infolge merklicher Adsorption von Silberionen an dem frisch gefällten Silberthiocyanat ein gewisser, unter gleichen Versuchsbedingungen gleichbleibender Überschuß an Thiocyanationen erforderlich ist, bevor die rote Färbung des Eisen(III)-thiocyanats auftreten kann. Die Bestimmung der Thiocyanationen und des Kupfers: Die Thiocyanatlösung wird mit überschüssiger Silbernitratlösung versetzt und der Silbernitratüberschuß, wie beschrieben, zurücktitriert. Die direkte Titration ist nicht möglich, weil das ausfallende Silberthiocyanat Eisen(III)-thiocyanat mitreißt, so daß die Entfärbung, auf die hier titriert werden müßte, nidit exakt beobachtet werden kann.
Die Bestimmung des Silbers und des Kupfers
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1 ml 0,1-n Silbemitratlösung entspricht 0,1 Milligrammäquivalent, also 5,808 mg CNS". Eine Anwendung der argentometrischen Thiocyanatbestimmung bildet die Bestimmung des Kupfers. Kupfer(Il)-ionen lassen sich durch schweflige Säure zu Kupfer(I)ionen reduzieren: 2 CU2+ + H 2 0 + S 0
3 2
" ^ 2 Cu+ + S 0 4 A " + 2 H+,
und die Kupfer(I)-ionen fallen nach Zusatz überschüssiger Alkalithiocyanatlösung als schwerlösliches Kupfer(I)-thio cyanat aus: C u + + C N S - ^ C u C N S Im Filtrat des weiß (mit einem Stich ins Violette) gefärbten Niederschlages läßt sich die überschüssige Thiocyanatlösung aus dem soeben angeführten Grund n i c h t direkt mit Silbernitrat zurückmessen; man muß vielmehr überschüssige Silbernitratlösung hinzugeben und den Silberüberschuß mit Ammoniumthiocyanatlösung zurücktitrieren. Silber-, Quedcsilber-, Chlorid-, Bromid-, Jodid- und Cyanidionen dürfen nicht zugegen sein! In silberhaltigen Kupfererzen bestimmt man zuerst nach der hier beschriebenen Methode die Summe des Kupfer- und Silbergehaltes, sodann den Silbergehalt allein nach Gay-Lussac.
Praktische Durchführung: 50 ml der neutralen oder nur ganz schwach schwefelsauren Kupfer(II)-sulfatlösung werden mit frisch bereiteter schwefliger Säure im Überschuß (etwa 30 ml) und mit 100 ml 0,1-n Ammoniumthiocyanatlösung versetzt. Nunmehr erhitzt man die Lösung, um das überschüssige Schwefeldioxid zu vertreiben, zum Sieden. Nach dem Erkalten wird die Flüssigkeit mit dem Niederschlag quantitativ in einen Meßkolben von 250 ml Inhalt gebracht und bis zur Marke mit Wasser verdünnt. D a n n schüttelt man die Lösung gut durch und filtriert sie durch ein trockenes Filter, das in einem ebenfalls trockenen Trichter liegt. Nachdem die ersten 25 ml der Lösung verworfen wurden — an dem Filter muß sich zunächst das Adsorptionsgleichgewicht einstellen — , wird der Rest der Lösung in einem trockenen Becherglas aufgefangen. E i n Fünftel der Lösung, also 50 ml, wird nun in ein Becherglas abpipettiert
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Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers
Dann werden 30 ml 0,1-n Silbernitratlösung, 20 ml 2-n Salpetersäure und 2 ml Indikatorlösung zugegeben. Der Silberüberschuß wird mit 0,1-n Ammoniumthiocyanatlösung zurücktitriert. — Berechnung: Bezeichnet man mit an das zur Ausfällung des Kupfers verwendete Volumen der (genau!) 0,1-n Thiocyanatlösung, mit b die dem 5. Teil der Lösung zugegebene 0,1-n Silbernitratlösung und mit a2 die zur Bestimmung des Silberüberschusses verbrauchte 0,1-n Thiocyanatlösung in ml (ebenfalls in 1 / 5 der Lösung), so gibt x = a, — 5 (b — a2) das zur Fällung des Kupfers verbrauchte Volumen der genau 0,1-n Ammoniumthiocyanatlösung in ml an.
1 ml 0,1-n Ammoniumthiocyanatlösung entspricht 0,1 Milligrammäquivalent, also 6,354 mg Cu. Die Bestimmung der Halogenid- und der Cyanidionen:
J. Volhards Methode der Silberbestimmung ist vor allem deshalb sehr brauchbar, weil sie als „Restmethode" die Ermittlung des Halogengehaltes saurer Halogenidlösungen ermöglicht: Die Halogenidlösung wird mit überschüssiger Silbernitratlösung versetzt, und der Überschuß an Silberionen wird, wie oben besdirieben, mit Ammoniumthiocyanatlösung zurücktitriert. Bromide:
25 ml der zu bestimmenden Bromidlösung werden mit 20 ml ausgekochter 2-n Salpetersäure, 2 ml Indikatorlösung und 50 ml 0,1-n Silbernitratlösung versetzt, worauf die überschüssige Silbermenge durch Titration mit 0,1-n Ammoniumthiocyanatlösung ermittelt wird. Chloride:
Die Bestimmung der Chloride kann nicht nach der einfachen, für die Bromide gültigen Vorschrift erfolgen. Man kann vielmehr das überschüssige Silbernitrat erst mit der Thiocyanatlösung titrieren, nachdem man das ausgeschiedene Silberchlorid abfiltriert hat! Anderenfalls würde der Umschlag des Indikators sehr unscharf sein, weil sich das bereits abgeschiedene Silberchlorid nach der Reaktionsgleichung: 3 AgCl | + Fe(CNS)3 ^ 3 Ag(CNS) | + FeCl3.
Jodide — Cyanide
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so lange mit dem Eisen(III)-thiocyanat in das 164mal schwerer lösliche Silberthiocyanat umwandeln würde, bis das Silberchlorid und das Silberthiocyanat miteinander und mit der Lösung im Gleichgewicht ständen, die Lösung also auf 1 Thiocyanation 164 Chloridionen enthalten würde. Die zunächst erreichte Rotfärbung würde dann dauernd wieder verblassen, und ein zu hoher Verbrauch an Thiocyanatlösung, damit aber auch ein zu geringer Verbrauch an Silbernitrat für die Chloridfällung würden die Folgen sein. Die Löslichkeiten des Silberbromids und Silberthiocyanats sind dagegen nahezu gleich. Praktische Durchführung: 25 ml der zu bestimmenden, etwa zehntelnormalen Chloridlösung werden in einem Meßkolben von 100 ml Inhalt mit 0,1-n Silbernitratlösung bis zur Marke aufgefüllt. Dann wird die einige Minuten lang gut durchgeschüttelte Lösung durch ein trockenes Filter filtriert. Nachdem man die ersten 20 ml verworfen hat, fängt man die übrige Lösung in einem absolut trockenen Becherglas auf. 50 ml des Filtrats werden genau abgemessen. Darin wird der Überschuß an Silber in der bereits wiederholt beschriebenen Weise bestimmt. Da jedoch das frisch gefällte Silberchlorid Silberionen adsorbiert, verbraucht man stets ein wenig zuviel Silbernitrat; praktisch hat sich ergeben, daß man von der gefundenen Choridmenge 0,7% abziehen muß, um den richtigen W e r t zu erhalten Jodide:
Die Bestimmung wird, wie für die Bromide beschrieben, durchgeführt und liefert ausgezeichnete Werte, wenn man die Eisen(III)-salz-Indikatorlösung erst zusetzt, nachdem durch einen Überschuß an Silbernitrat die gesamten Jodidionen bereits ausgefällt sind und die Lösung 5 Minuten lang kräftig durchgeschüttelt wurde. Anderenfalls würden die Jodidionen das Eisen(III)-salz reduzieren: 2 Fe 3 + + 2 J" J 2 + 2 Fe 2 *. Cyanide: Die Bestimmung erfolgt genau nach der für die Chloride gegebenen Vorschrift. Auch Silbercyanid adsorbiert Silber-
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Die fällungsanalytisdie Bestimmung des Silbers
ionen, so daß man hier ebenfalls eine Korrektur von — 0,7% an der durch den Versuch ermittelten Cyanidmenge anbringen muß. 1 ml 0,1-n Silbernitratlösung entspricht 0,1 Milligrammäquivalent, also 3,545 mg C1 oder 7,991 mg Br" oder 12,690 mg J" oder 2,602 mg CN". 4. Die Bestimmung der Halogenidionen in neutralen Lösungen löslicher Halogenide nach Fr. Mohr
Als d i r e k t e Methode zur Bestimmung der Halogenidionen ist zunächst diejenige zu nennen, die sich aus der Umkehrung des Verfahrens von Gay-Lussac (S. 217) ergibt. Ihrer Umständlichkeit halber wird sie jedoch praktisch kaum verwendet. Dagegen hat sich die Methode von Fr. Mohr (1856) sehr bewährt: Die Halogenidionen werden durch Zugabe einer eingestellten Silbernitratlösung als unlösliches Silberhalogenid ausgefällt. Der Endpunkt wird mit Hilfe von Kaliumchromat als Indikator dadurch erkannt, daß ein geringer Uberschuß an Silberionen zur Ausfällung eines rotbraunen Niederschlages von Silberdiromat führt (s. S. 207): 2 Ag+ + Cr0 4 2 " Ag,Cr0 4 Die Titration gelingt nur in neutraler Lösung: Die in sauren Lösungen beständigen Dichromationen bilden kein schwerlösliches Silbersalz. Schwach saure Lösungen müssen daher mit Hilfe von Natriumhydrogenkarbonat oder Borax abgestumpft werden. Auch darf die Lösung nicht stärker alkalisch sein, da sonst auch Silberhydroxid (eventuell auch Silberkarbonat) ausfallen könnte. Vielmehr soll die [H+] der Lösung den Wert 10~10-5 nicht unterschreiten und nicht höher sein als 10~6,5. Phosphat-, Arsenat-, Sulfit- und Fluoridionen stören. Als geeignetste Indikatorkonzentration haben sich 2 ml einer neutralen 5%igen Kaliumdiromatlösung für je 100 ml der titrierten Lösung erwiesen. Die Empfindlichkeit des Indikators für Silberionen sinkt stark mit steigender Temperatur. Man darf d a h e r n u r bei Z i m m e r t e m p e r a t u r titrieren.
Die Bestimmung der Halogenidionen
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Alle Titrationen nach Mohr müssen möglichst unter den gleichen Bedingungen bezüglich der Konzentration an Halogenid- und Chromationen durchgeführt werden, wie sie bei der Titerstellung der Silbernitratlösung herrschten, damit der zur Erreichung der ersten merkbaren Rotbraunfärbung der Lösung notwendige Uberschuß an Silberionen stets der gleiche bleibt. Das ist ganz besonders zu beachten bei der Bestimmung der Jodide. Denn infolge des großen Unterschiedes in der Löslichkeit des Silberjodids (L=10" 1 8 ) und des Silberchromats (L=10" 1 2 ) ist schon ein merklicher Uberschuß^ an Silberionen notwendig, um überhaupt nur das Löslichkeitsprodukt des Silberchromats zu überschreiten. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Aus der Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf die Vorgänge: A g + + J" ^ Agj4und 2 Ag+ + CrO«2- - AgjCr0 4 | ergibt sich, daß das erste Silberchromat ausfällt, sobald die Jodid-Ionenkonzentration unter den durch die Beziehung [J"] = LAgJ = IQ- 1 6 ^ = 1 ( H , . „ n"Cr04-]
VLAg2Cr04
fifr^
gegebenen Wert [ J - ] = ICH - • ]/[CrO, 2 -] sinkt. Ist nun (bei der üblichen Indikatorkonzentration!) [Cr0 4 2 - ] = 10 -2 ' 3 , so kann also erst Silberchromat ausfallen, sobald [J-] = 10- 10 - 15 • /lO- 2 - 3 d. h. = lO"11-3 ist. Da nun [Ag+] • [ J i = [AgJ] = 1(H 6 , so wird [J-] = ICH1-3 erst erreicht, wenn [Ag+] = 1(H-7 ist, also um einige Zehnerpotenzen höher liegt als am Äquivalenzpunkt mit [Ag+] = 10-®I Der praktische Titrationsendpunkt liegt natürlich bei einem noch höheren Silberionenüberschuß, so daß man unbedingt eine Silbemitratlösung benutzen muß, die unter den Bedingungen der späteren Titration auf Kaliumjodid eingestellt wurde I 0 15
Die Mohrsche Methode dient hauptsächlich zur Titration der Chlorid- und Bromidionen und gibt auch in verhältnismäßig verdünnten Lösungen noch gute Resultate. Als praktische Beispiele beschreiben wir: Die Bestimmung des Chloridgehaltes einer neutralen Natriumchloridlösung: Zu 25 ml der etwa 0,1-n Natriumchloridlösung werden 2 ml einer neutralen Kaliumchromatlösung (5%) gegeben, und die deutlich gelb gefärbte Lösung wird langsam 15
Jander-Jahr, Maßanalyse
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Die fällungsanalytische Bestimmung des Silbers
und unter beständigem Schütteln so lange mit 0,1-n Silbernitratlösung titriert, bis die bei jedem neuen Reagenszusatz zunächst zu beobachtende Rotfärbung nicht mehr verschwindet, sondern auch noch nach einigen Minuten eben bestehen bleibt. Die Bestimmung des Chloridgehaltes eines Trink- oder Abwassers: Das p H des Wassers muß den Erfordernissen der Mohrschen Methode entsprechen. Handelt es sich um ein stark gefärbtes oder schwefelwasserstoffhaltiges Abwasser, so wird 1 Liter 5 Minuten lang mit ein wenig Permanganatlösung gekocht. Die noch rote Flüssigkeit wird mit Perhydrol entfärbt, nach dem Abkühlen wieder mit destilliertem Wasser auf 1 Liter aufgefüllt und (unter Verwerfung der ersten Anteile!) filtriert. Je 100 ml des zu prüfenden Wassers werden mit 2 ml 5%iger Kaliumchromatlösung versetzt und mit 0,01-n Silbernitratlösung (Mikrobürette!) bis zur ersten schwachen Rotbraunfärbung titriert. Dann wird mit destilliertem Wasser auf insgesamt 150 ml verdünnt. Dabei entfärben sich die Lösungen wieder. Während man nun die eine Probe als Vergleichslösung benutzt, titriert man die andere bis zum eben erkennbaren, bleibenden Umschlag zu Ende. Wenn man so arbeitet, hat man immer das gleiche Endvolumen, kann also immer dieselbe Korrektur, nämlich 0,6 ml 0,01-n Silbernitratlösung, für den notwendigen Uberschuß von dem verbrauchten Volumen abziehen. Die technische Bestimmung des Reincarnallits im RohcarnalIit (nach Precht, 1879; vgl. auch Noll, 1913): Die Bewertung des Rohcarnallits, der als Beimengungen Steinsalz, Kieserit und Anhydrit enthält, richtet sich nach seinem Gehalt an reinem Carnallit, KCl • MgCl 2 • 6 H 2 0 , den man dadurch annähernd bestimmen kann, daß man das Rohsalz mit Alkohol extrahiert. Darin löst sich nur das Magnesiumchlorid, und man kann nun den Chloridgehalt der alkoholischen Lösung durch Titration nach Mohr ermitteln. Das untersuchte Rohsalz darf natürlich kein f r e i e s Magnesiumchlorid (Bischoffit) enthalten. In einer gut schließenden Stopfenflasche schüttelt man 10,00 g der feingepulverten Durchschnittsprobe Vi Stunde lang mit 100 ml wasserfreiem (!) Äthylalkohol (zur Darstellung von wasserfreiem Äthylalkohol vgl. [144]). Dann wird der alkoholische Extrakt durch ein trockenes Filter in eine verschließbare Flasche filtriert (die ersten 10 ml verwirft manl). 10 ml werden abpipettiert, mit Wasser verdünnt, mit 1 ml einer 5 % -
Die Bestimmung der Halogenidionen
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Kaliumchromatlösung versetzt und mit 0,1-n Silbemitratlösung titriert. 1 ml 0,1-n Silbernitratlösung zeigt 0,01399 g reinen Carnallit an. 5. Die Bestimmung der Halogenid-, der Thiocyanat- und der Silberionen nach K. Fajans Diese neue Methode der argentometrischen Halogenidbestimmungen ermittelt den Endpunkt mit Hilfe von Adsorptionsindikatoren, deren Wirkungsweise bereits auf S. 208 kurz besprochen wurde. Wir beschränken uns daher an dieser Stelle auf einige praktische Hinweise. Die Bestimmung der Bromid-, Jodid- und Thiocyanationen: Als Indikatorlösung dient eine Lösung von 1% Eosinnatrium in Wasser, von der man für je 10 ml 0,1-n Halogenidlösung 2 Tropfen verwendet. Mit dieser Lösung lassen sich Bromide, Jodide und Thiocyanate ausgezeichnet titrieren, nicht aber Chloride! Die Halogenidlösungen werden unter kräftigem Schütteln so lange titriert, bis der Niederschlag plötzlich eine deutlich rote, in 0,01-n Lösungen eine rosarote Farbe annimmt. In 0,001-n Lösungen flockt das Silberhalogenid nicht mehr aus, aber die Farbe der Lösung ändert sich am Äquivalenzpunkt scharf von Rosa nach Purpurrot. Stets wird in schwach essigsaurer Lösung titriert. Selbst äußerst verdünnte Lösungen lassen sich noch mit ausreichender Genauigkeit bestimmen. Die Bestimmung der Chloridionen: Chloridlösungen lassen sich mit Eosin nicht titrieren, weil das Silberchlorid schon bei Beginn der Titration, also bei noch ganz «lieblichem Überschuß an freien Chloridionen, den Farbstoff adsorbiert. Dagegen ist eine Lösung von 0,2% Fluoreszei'nnatrium in Wasser (oder die gleiche Menge Fluoreszein in Alkohol) sehr brauchbar. Man verwendet stets 2 Tropfen dieses Indikators für je 10 ml der zu titrierenden, etwa 0,1-n Chloridlösung und titriert bis zur plötzlidien Hellrotfärbung des Niederschlags. Nach Kolthoff [79] kann man das Silberchlorid kolloid in Lösung halten, wenn man pro 25 ml der etwa 0,1-n Chloridlösung 5 ml 2%ige, chlorfreie Dextrinlösung zugibt. Dann schlägt die Farbe der Flüssigkeit am Äquivalenzpunkt scharf nach rosa um. Neutralsalze stören nicht; nur mehrwertige Ionen können, infolge ihrer stärker fällenden Wirkung auf kolloide Lösungen, die Erkennung des Endpunktes erschweren. Die titrierte Lösung muß 15»
228
Tüpfelanalysen
unter allen Umständen neutral — nicht sauer — sein. Stärker verdünnte Lösungen, deren [Cl~] unter 5 - 10~3 m sinkt, lassen sich nicht mehr genau titrieren, so daß also eine direkte Chloridbestimmung im Trinkwasser nach dieser Methode nicht möglich ist; man verwendet dafür vielmehr die Mohrsche Methode (s. S. 2 2 6 ) . Die Bestimmung der Silberionen: Die umgekehrte Titration, also eine Bestimmung der Silberionen, ist möglich, wenn man einen geeigneten basischen Indikatorfarbstoff zu Hilfe nimmt. Als solcher hat sich nach Fajans und Wolff (1924) „RhodaMIN 6 G " , C 2 OH 27 0 3 N 2 C1, bewährt. Man titriert mit eingestellter Kaliumbromidlösung und erkennt den Endpunkt an der plötzlich auftretenden Blauviolettfärbung des Silberbromids. Die Lösung soll essigsauer sein. Die Genauigkeit beträgt etwa 0,1%. Schließlich sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß die photodiemische Zersetzung der Silberhalogenide durch die hier verwendeten Indikatorfarbstoffe stark sensibilisiert wird. Man soll daher alle soeben beschriebenen Titrationen ohne unnötigen Zeitverlust und möglichst nicht im direkten Sonnenlicht durchführen! X V . Tüpfelanalysen
Tüpfelmethoden werden in den Betriebslaboratorien der Technik, und zwar hauptsächlich in Hüttenwerken, auch heute noch verwendet, wenn etwa Erzproben auf ihren Gehalt an gewissen Einzelbestandteilen rasch, aber ausreichend genau mit Hilfe einer Fällungsreaktion untersucht werden müssen, deren Endpunkt in der Lösung selbst aus irgendeinem Grunde nicht erkannt werden kann. Das Prinzip des „Tüpfeins" haben wir bereits auf S. 208 kurz besprochen. Die meist recht unbequemen Tüpfelanalysen werden heute wohl auch in technischen Betrieben mehr und mehr durch die im dritten Teil dieses Buches ausführlich besprochenen Methoden der potentiometrischen und konduktometrischen Maßanalyse verdrängt. Wir besprechen im folgenden zwei auch heute noch gebräuchliche Tüpfelmethoden zur Bestimmung des Zinks und des Bleis in ihren Erzen.
Die Bestimmung des Zinks
229
1. Die Bestimmung des Zinks mit Kaliumhexacyanofcrrat(II) nach Galletti 1 ) und Fahlberg 2 )
Versetzt man eine schwach chlorwasserstoffsaure Lösung von Zinkchlorid tropfenweise mit einer K 4 [Fe(CN) 8 ]-Lösung bekannten Gehaltes, so beobachtet man eine milchartige Trübung der Flüssigkeit, hervorgerufen durch die gallertartige Abscheidung eines Doppelsalzes von Kaliumund Zinkhexacyanoferrat(II): 3 ZnCU + 2 K 4 [Fe(CN) 6 ] K 2 Z n 3 [ F e ( C N ) G ] 2 } + 6 KCl. Nach dieser Reaktionsgleichung ist der Äquivalenzpunkt erreicht, wenn der Lösung zwei Drittel Mole K 4 [Fe(CN) 8 ] pro Mol Zink hinzugesetzt wurden. Da aber in der stark getrübten Flüssigkeit, deren Niederschlag sich nicht absetzt, der Endpunkt nicht an dem Ausbleiben einer weiteren Fällung erkannt werden kann, benutzt man einen Indikator, der auf [Fe(CN) e ] 4 " anspricht, also schon einen geringen Überschuß der Maßlösung erkennen läßt. Dazu kann eine Uransalzlösung dienen, die mit K 4 [Fe(CN)„] die bräunliche Färbung des ausfallenden Uranyl(VI)-hexacyanoferrat(II) annimmt: [Fe(CN)„] 4 - + 2 U 0 2 2 + - > (U0 2 ) 2 [Fe(CN) 6 ] Da aber das frisch gefällte, gallertartige K 2 Zn 3 [Fe(CN) a ] 2 ebenso wie eine K 4 [Fe(CN) 6 ]-Lösung mit Uranyl(VI)-ionen reagiert, kann man den Indikator nicht in der Lösung selbst verwenden. Man muß dieser vielmehr von Zeit zu Zeit einen klaren (!) Tropfen entnehmen und ihn auf einer geeigneten Unterlage, z. B. einer Porzellanplatte, mit einem Tropfen der Indikatorlösung reagieren lassen. Eine schwache ßraunfärbung zeigt den Endpunkt an. Man titriert in der Wärme, um ein besseres Zusammenballen des Niederschlages zu erreichen. Die Lösung muß schwach mineralsauer sein und soll möglichst wenig Fremdsalze enthalten. Vor allem aber dürfen keinerlei Oxydationsmittel, wie Salpetersäure, Chlor, Brom oder Wasserstoffperoxid, zugegen sein, da sie die [Fe(CN) 6 ] 4 ~ oxy1) 1864/99 2) 1874.
230
Tüpfelanalysen
dieren würden. In sehr verdünnten Lösungen versagt die Methode. Aus alledem folgt, daß nur dann brauchbare Ergebnisse zu erwarten sind, wenn die Einstellung der K 4 [Fe(CN)„]-Lösung und die spätere Titration unter möglichst den gleichen Bedingungen der Temperatur sowie der Konzentration an Zink, Säure, Fremdsalzen usw. vorgenommen werden. Bereitung und Einstellung der K 4 [Fe(CN) s ]-Lösung: Etwa 26 g K 4 [Fe(CN) 6 ] werden mit Wasser abgespült und zusammen mit 7 g Natriumsulfit (zur Verhinderung der Oxydation) in einem Wislicenuskolben gelöst. Dann wird der Kolben bis zur oberen Marke (1100 ml) aufgefüllt. Diese Lösung wird auf eine Zinklösung eingestellt, die genau 5 g Zink im Liter enthält und durch Auflösen von reinem Zink in wenig Salzsäure und Verdünnen bereitet wurde. Die Einstellung erfolgt genau, wie unten beschrieben. Die K 4 [Fe(CN) 6 ]-Lösung wird, entsprechend dem Ergebnis der Titerstellung, so verdünnt, daß 1 ml genau 5 mg Zink entspricht. Durchführung der Zinkbestimmung: 25 ml der neutralen bzw. schwach sauren Zinklösung pipettiert man in ein Becherglas, setzt 5 ml konzentrierte Salzsäure hinzu, verdünnt mit destilliertem Wasser auf ca. 200 ml und läßt nunmehr die Maßlösung in Mengen von 2 zu 2 ml unter Umrühren in die auf 50° C erwärmte Zinklösung einfließen, bis ein herausgenommener klarer Tropfen, den man auf einer Porzellanplatte mit einem Tropfen der l%igen Uranyl(VI)-acetat-Indikatorlösung zusammenbringt, eine schwache Rotbraunfärbung zeigt. Man beurteilt die Farbe nach einer halben Minute. Nun titriert man, unter fortgesetztem Tüpfeln, mit der Zinklösung zurück, bis die Braunfärbung gerade nicht mehr auftritt. Mehrere Kontrollbestimmungen sind unerläßlich. Die Genauigkeit der Bestimmung beträgt etwa 0,5%. 2. Die Bestimmung des Bleis mit Ammoniummolybdat nach Alexander1) Versetzt man die schwach essigsaure Lösung eines Bleisalzes tropfenweise mit einer Lösung des bekannten Ammoniummolybdats (richtiger: Ammoniumhexamolybdat), ( N H 4 ) 5 H M o 6 0 2 1 • aq, so fällt ein weißer Niederschlag aus. 1)
1893.
Die Bestimmung des Bleis
231
E r besteht aber n i c h t aus Bleihexamolybdat, sondern aus Bleimonomolybdat. Das hat folgenden Grund: Die Ionen der Hexamolybdänsäure stehen im Gleichgewicht mit den Ionen der Monomolybdänsäure und den Wasserstoffionen: 6 MoCV+7 HMO602I^+3H20. Das Gleichgewicht liegt nun zwar in schwach saurer Lösung weitgehend auf der Seite der Hexamolybdänsäure. D a aber die Blei-Ionen nur mit den Mono- und nicht mit den Hexamolybdänsäureionen zusammen das Löslichkeitsprodukt überschreiten, fällt das gesamte Blei alsMonomolybdat aus: Pb 2+ + M0O4 2 " -*• P b M o 0 4 4r. Ebenso fällt aus einer essigsauren Kaliumdichromatlösung auf Zusatz einer Bariumsalzlösung nicht Bariumdichromat, sondern Bariumdiromat ausl D e r Reaktionsendpunkt läßt sich nur durch Tüpfeln mit einer Tanninlösung erkennen, die sich mit einem geringen Uberschuß an Molybdationen intensiv gelb färbt. Auch hier ist es notwendig, dis Einstellung der MolybdatIösung und die eigentliche Bestimmung unter möglichst den gleichen Bedingungen, insbesondere der Konzentration an Blei und freier Säure, durchzuführen. Kleine Mengen von Eisen und Calcium, Kieselsäure und Zink stören nicht. Nach den Methoden der Gravimetrie wird zunächst das Blei aus dem Erz (etwa 2,5 g) extrahiert. Es liegt dann als Bleisulfat vor, das man in einer schwach essigsauren Ammoniumazetatlösung auflöst. Die Auflösung des Bleisulfats: 50 ml einer aus 300 ml konzentriertem Ammoniak, 250 ml 80%iger Essigsäure und 150 ml Wasser bereiteten, deutlich essigsauren Ammoniumacetatlösung werden in einem Meßkolben von 500 ml Inhalt auf dem Wasserbad erwärmt. Das Bleisulfat wird hineingespült und unter Umschütteln gelöst, der Kolbeninhalt wird abgekühlt und bis zur Marke mit Wasser aufgefüllt. Sollte sich die Lösung trüben, so wird noch ein wenig Essigsäure zugegeben. Man arbeitet auch hier mit einer Vergleichslösung, der man etwa den gleichen Gehalt an reinem Blei gibt, wie die Erzprobe vermutlich enthält: Das Blei wird abgewogen und in Salpetersäure gelöst, die Lösung mit 3 ml konz. Schwefelsäure versetzt und so lange erhitzt, bis keine Schwefelsäuredämpfe mehr ent-
232
Tüpfelanalysen
weichen. D a s z u r ü c k b l e i b e n d e B l e i s u l f a t wird g e n a u L ö s u n g gebracht w i e das B l e i s u l f a t aus der E r z p r o b e .
so
in
D i e Bereitung der A m m o n i u m m o l y b d a t l ö s u n g : 9 g reines A m m o n i u m m o l y b d a t w e r d e n zu e i n e m L i t e r gelöst. Ist die L ö s u n g nicht ganz klar, so g i b t m a n einige T r o p f e n N a t r o n lauge zu. Durchführung der B l e i b e s t i m m u n g : I n ein größeres B e c h e r glas b r i n g t m a n 100 ml der zu p r ü f e n d e n B l e i l ö s u n g u n d verdünnt sie m i t genau 3 0 0 ml W a s s e r . D a n n kocht m a n auf und läßt u n t e r g u t e m U m r ü h r e n die A m m o n i u m m o l y b d a t l ö s u n g einfließen. Kurz vor E r r e i c h u n g des E n d p u n k t e s unterbricht man den Zufluß der M o l y b d a t l ö s u n g , läßt den Niederschlag absitzen, e n t n i m m t d e m B e c h e r g l a s drei klare T r o p f e n und läßt sie a u f einer T ü p f e l p l a t t e mit zwei T r o p f e n e i n e r T a n n i n ' ö s u n g r e a g i e r e n , d i e zuvor durch Auflösen von 0 , 2 g T a n n i n in 5 0 m! W a s s e r unter Z u g a b e von 2 ml E s s i g s ä u r e b e r e i t e t wurde. M a n titriert n u n weiter, bis sich die T a n n i n l ö s u n g bei der T ü p f e l p r o b e schwach g e l b f ä r b t . I n der gleichen W e i s e wird die Vergleichslösung titriert. D i e G e n a u i g k e i t b e t r ä g t e t w a 0 , 5 % . H a n d e l t es sich u m die U n t e r s u c h u n g einer reinen, salpetersäurelöslichen B l e i v e r b i n d u n g , so braucht m a n nicht den U m w e g über das B l e i s u l f a t zu g e h e n . M a n löst v i e l m e h r das P r ä parat direkt in Salpetersäure, neutralisiert mit A m m o n i a k u n d säuert mit 5 ml E s s i g s ä u r e an. D i e Vergleichslösung m u ß danD ebenso bereitet werden.
Komplexometrie
233
XV. Komplexometrie Grundlegende Voraussetzung für die maßanalytische Bestimmung einer Ionenart ist die Auffindung einei geeigneten Reaktion, die zur weitgehenden Verminderung der Konzentration des zu bestimmenden Ions führt, im Idealfall Cion — 0 werden läßt. Dieses Ziel wird, wie in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt werden konnte, bei den Oxydations-Reduktionsanalysen durch Uberführung in eine andere Wertigkeitsstufe, bei der Acidimetrie und Alkalimetrie durch Bildung von wenig dissoziiertem Wasser und schließlich durch Ausfällung als schwerlösliche Verbindung bei den Methoden der Fällungsanalyse erreicht. Noch auf einem anderen Wege gelingt es, die Konzentration der zu bestimmenden Ionenart herabzusetzen, nämlich durch die Uberführung in eine zwar lösliche, aber wenig dissoziierende Verbindung oder in ein beständiges komplexes Ion. Die Eigenschaft der Quecksilber(II)-ionen, mit Halogenidionen nur wenig dissoziierende Verbindungen einzugehen, hat zur Ausbildung einer als M e r c u r i m e t r i e bezeichneten maßanalytischen Bestimmungsmethode für Halogenide geführt. Zur Titration werden Lösungen von normal dissoziierenden Quecksilber(II)-salzen, wie Hg(N0 3 ) 2 , benutzt. Die maßanalytische Verwendung unter Komplexbildung verlaufender Reaktionen blieb lange Zeit auf die von J. v. Liebig (1851) eingeführte Cyanidbestimmung mit Lösungen von Silbersalzen beschränkt, bis es neuerdings gelungen ist, geeignete organische Verbindungen aufzufinden, die mit Metallionen innere Komplexsalze (Chelate) bilden. Erst hierdurch ist aus noch zu erörternden Gründen eine breitere Anwendung von komplexometrischen Methoden in der Maßanalyse möglich geworden. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung haben die Untersuchungen von G. Schwarzenbach [125], [126].
234
Komplexometrie 1. Die Bestimmung der Cyanide nach J. v. Liebig
Versetzt man eine schwach alkalische Alkalicyanidlösung tropfenweise mit Silbernitrat, so beobachtet man an der Eintropfstelle das Auftreten eines weißen Niederschlages von Silbercyanid, der aber beim Umrühren sofort wieder verschwindet, da das überschüssige Alkalicyanid mit dem Silbercyanid zu dem löslichen, stark komplexen Alkalidicyanoargentat(I) zusammentritt, z. B.: AgCN + KCN ^ K[Ag(CN)2]. Sind aber sämtliche Cyanidionen in dieser Weise gebunden worden, so erzeugt der nächste Tropfen der Silberlösung eine bleibende Trübung von Silberdicyanoargentat(I) bzw. Silbercyanid: K[Ag(CN)2] + A g N 0 3 ^ K N 0 3 + Ag[Ag(CN)2] 1 Ag[Ag(CN)2]^2AgCN|. Das erste Auftreten einer bleibenden Trübung zeigt also, daß die Gesamtreaktion: 2 KCN + A g N 0 3 KNOa + K[Ag(CN)2] quantitativ zu E n d e verlaufen ist, und für die Berechnung ist maßgebend, daß ein Mol A g + zwei Mole CN~ anzeigt. Die Titration soll, besonders gegen Ende der Bestimmung, langsam und unter dauerndem Schütteln durchgeführt werden, da das an der Eintropfstelle primär ausgeschiedene Silbercyanid bei nur noch geringem Uberschuß an Alkalicyanid nur langsam in Lösung geht. Die Lösung soll ganz schwach alkalisch sein (unter 0,1-n an Lauge) und darf keine Ammoniumsalze enthalten, weil deren Gehalt an Ammoniak die Ausfällung des Silbercyanids verhindert. Die Gegenwart von Chlorid-, Bromid-, Jodid- und Thiocyanationen hat keinen störenden Einfluß auf die Anwendbarkeit der Liebigschen Methode. — Als Beispiel sei die Analyse des technischen Kaliumcyanids beschrieben. Praktische Durchführung: Mehrere Proben von etwa 0,3 g Kaliumcyanid werden genau abgewogen, in 100 ml Wasser gelöst und nach Zusatz von 2 ml 2-n Kalilauge mit 0,1-n Silbernitratlösung langsam und unter Umschütteln bis zur eben erkennbaren, bleibenden Trübung titriert. Zur Erleichterung der Endpunktserkennung stellt man das Becherglas auf eine dunkle
Die Grundlagen der Chelatometrie
235
Unterlage (z. B. schwarzes Glanzpapier). Das Ergebnis wird in % KCN umgerechnet. Enthält das technische Produkt Natriumcyanid, so kann die gefundene scheinbare Prozentzahl über 100 liegen! 1 ml 0,1-n Silbernitratlösung entspricht 0,2 Milligrammäquivalenten, also 5 , 4 0 5 m g H C N oder 1 3 , 0 2 4 m g K C N . 2. Die Grundlagen der Chelatometrie 1 ) 2 ) Wesentliche Voraussetzungen für die Eignung einer Reaktion zur maßanalytischen Bestimmung sind, wie schon wiederholt gezeigt werden konnte (vgl. z. B . I X , S. 133 und X I I , S. 198) die sprunghafte Abnahme der Konzentration der zu bestimmenden Ionenart im Äquivalenzpunkt und die Auffindung geeigneter Indikationsmethoden hierfür. D i e Titration einer starken Säure mit N H 3 • aq 8 z. B . zeigt in der graphischen —i • • > Darstellung der Abhängigkeit 0 1 2 1 4 5 des p H - W e r t e s von der zugeAequivalente NH3 • aq setzten M e n g e N H 3 • a q eine F i g . 29 sprunghafte Änderung des p H Wertes im Äquivalenzpunkt, ähnlich der auf S. 141 wiedergegebenen F i g u r 19. Das Gleichgewicht der Neutralisationsreaktion n j j ^ + JJ+^i [NH 4 ] + ist weitgehend nach der Seite der [ N H 4 ] + verschoben, wie aus dem W e r t der Gleichgewichtskonstanten K = 10~°'25 hervorgeht. Betrachten wir nun in Analogie zu der soeben beschriebenen Reaktion die Bildung z. B . des [Cu(NH 3 ) 4 ] 2 + -Komplexes g e m ä ß der Gleichung ! ) D i e in der angelsächsischen Fachliteratur übliche Bezeichnung „ C h e l a t o m e t r i e " weist a u f die A l t der gebildeten K o m p l e x v e r b i n d u n g e n — „chelate Compounds" — hin und dürfte daher der im Bereich der deutschen Sprache üblichen, viel allgemeineren Bezeichnung „Komplexom e t r i e " vorzuziehen sein. 2)
V g l . hierzu besonders G . Schwarzenbach [125] und H . Flaschka [43],
Komplexometrie
236
Cu 2 + + 4 N H 3 ^ [ C u ( N H 3 ) J 2 •
»)
als „Neutralisation", titrierten wir also eine Kupfer(II)-saIzlösung mit Ammoniak und stellen den „MetallionenExponenten" (vgl. XII) der [Cu2+] in Abhängigkeit von der zugesetzten Menge Ammoniaks graphisdi dar, so sollte auf Grund des Wertes der Gleichgewichtskonstanten K = 10 J2-59 ein deutlicher Sprung beim Äquivalenzpunkt Cu : NH 3 = 1 : 4 zu erwarten sein. Wie Fig. 29 zeigt, ist dies jedoch nicht der Fall. Die Reaktion erfolgt nämlich schrittweise nach dem Schema Cu2f
+ NH3 ^
[CUNH3]=+
[Cu(NH 3 ) 3 ] 2 +
+NH3 ^
[CU(NH3)2]2+
+NHJ ^
'
+NH3 ^ [CU(NH 3 )J 2 + .
Die Gleichgewichtskonstanten der Teilreaktionen betragen Kj = 10"413, K2 = 10 j - 48 , K s = 10-2'87, K4 = 10-2-u. Wie hieraus zu ersehen ist, können die Werte der Konstanten Kj bis K3 gegenüber K4 nicht vernachlässigt werden, eine Bildung des Komplexes in einem Schritt beim Molverhältnis Cu : NH 3 = 1 :4 ist also nicht zu erwarten. Dies wäre nur der Fall, wenn die Verhältnisse Ki/K2, K2/K3, K3/K4 sehr große Werte ergeben würden, die ersten drei Stufen also im Vergleich zur vierten Stufe [Cu(NH)s)4]2'' in der Lösung viel stärker dissoziiert wären. Sprünge bei den Molverhältnissen Cu : NH 3 = 1 : 1 , 1 : 2 , 1 : 3 , 1 : 4 können ebenfalls nicht auftreten, da die Gleichgewichtskonstanten nicht weit genug auseinander liegen. Die Verhältnisse sind also ganz ähnlich wie bei der Titration mehrbasiger Säuren: die Titration der zweibasigen Schwefelsäure ergibt nur einen Äquivalenzsprung, während die drei Wasserstoffatorne der Orthophosphorsäure stufenweise titriert werden können (S. 193). Hier ist noch zu erwähnen, daß aus praktischen Erwägungen an Stelle der Gleichgewichtskonstanten, in diesem Falle der „Komplexbildungskonstanten", oft deren reziproker Wert, die sogenannte „Beständigkeitskonstante", angegeben wird. i) Kupfer(II)-ionen liegen in wäßrigen Lösungen als Aquokomplexe vor, was aber für die {olgende Betrachtung ohne Bedeutung ist.
Die Grundlagen der Chelatometrie
237
Die Beständigkeit des [Cu(NH 3 ) 4 ] 2 + z. B. ist also durch _[ i NO,
Das Proton der stark sauren Sulfogruppe ist in dem hier interessierenden pH-Bereich (von 7 bis 12) bereits abgespalten (abgekürzte Formel: [H2 Ind]~). Die Farbe des Indikators ist gemäß — H+ —H + 2 [H 2 I n d ] ~ = = = = [H Ind] ~ ^ [Ind] weinrot pH = 6,3 tiefblau pH = 1 1 , 5 orange
von der H+-Konzentration abhängig. Im Bereich unterhalb PH = 6 neigt das Erio-T zur Polymerisation unter Gelbbraun-Färbung, die durch N a \ K4 oder [NH 4 ] + in größerer Konzentration beschleunigt wird. Gegenwart von Aceton oder Alkohol oder erhöhte Temperatur der Lösung wirkt der Polymerisation entgegen. Dies ist neben der roten Farbe von [H2 Ind]", die der Farbe des Metall-Indikatorkomplexes sehr ähnlich ist, der Grund, weshalb der Indikator oberhalb pH = 6,5 verwendet wird. Der Farbumschlag erfolgt z. B. bei der Magnesiumtitration, gemäß folgender Gleichung: Mg2t" + [H Ind] blau ' ) K o m p l e x vgl. [126], S. 39.
[Mg Ind] rot
+ H+
Die Bestimmung des Magnesiums
243
Lösungen von Erio-T in Wasser oder Alkohol sind unbeständig. Dagegen wirkt Triäthanolamin als Lösungsmittel stabilisierend (durch Komplexbildung). In 15 ml Triäthanolamin und 5 ml absolutem Äthylalkohol werden 0,2 g des Farbstoffes gelöst. Die Lösung ist mindestens einen Monat lang haltbar. Der Indikator kann audi in fester Form — gemischt mit Kochsalz — der zu titrierenden Lösung zugesetzt werden. Bei seltenem Gebrauch vermeidet man so eine Zersetzung der nicht unbegrenzt haltbaren Lösung. Der Farbstoff wird mit Natriumchlorid (p. A.) im Verhältnis 1: 200 bis 1: 400 zu einem staubfeinem Pulver verrieben. 3 bis 7 mg Farbstoffmenge werden je 100 ml Titrationsflüssigkeit benötigt. Verschiedene Metalle, wie z. B. Co, Ni, Cu, AI, Ti bilden mit Erio-T stabilere Komplexe als mit den Komplexonen. Eine Verunreinigung der zu titrierenden Lösung mit den Kationen dieser Metalle verhindert also die Durchführung einer Titration mit Erio-T durch Blockierung des Indikators. Besonders auf die Kupferfreiheit des verwendeten dest. Wassers (Destillierapparat aus Kupferl) muß geachtet werden. Die Bestimmung des Magnesiums: Die Titration des Magnesiums mit AeDTE und Erio-T als Indikator wird in alkalischer, gepufferter Lösung (PH = 10) durchgeführt. Die Reaktion verläuft bei diesem p H -Wert gemäß dem Schema (s. S. 240): M g 3 + + [HY-]*- ^ [ M g Y ] 2 " + H + . Der Zusatz der Pufferlösung verhindert eine Beeinflussung des Gleichgewichtes durch die bei der Reaktion frei werdenden Wasserstoffionen. Außerdem ist hierdurch der Farbumschlag des pH-empfindlichen Indikators von rot (Farbe des Magnesium-Indikatorkomplexes) nach blau gewährleistet. Die Pufferlösung wird durch Übergießen von 70 g Ammoniumchlorid (p. A.) mit 570 ml konz. Ammoniaks (Dichte 0,90) und durch Auffüllen mit dest. Wasser zu einem Liter hergestellt. Da käufliche Ammoniaklösung meist Calcium enthält (aus dem Glas der Vorratsflaschen), stelle man die Lösung durch Einleiten von gasförmigem Ammoniak aus einer Drudcflasche in reinstes Wasser her. Zweckmäßig ist es für die Darstellung, wie auch für die Aufbewahrung der Pufferlösung, Flaschen aus Polyäthylen zu verwenden. 16»
244
Komplexometrie
In der zu titrierenden Lösung etwa vorhandene andere Erdalkaliionen werden mit Ammoniumkarbonat gefällt. Die ebenfalls störenden Elemente Mn, Cr, Fe, AI, Pb, Bi, Sb, Ti, Zr, Th, Seltene Erden, Ta, Ga müssen entfernt werden, z. B. durch Ausfällung als Hydroxide. Kolloid in Lösung bleibendes Eisen(III)hydroxid wird mit Na 2 S als Sulfid gefällt. Co, Ni, Cu, Zn, Cd, Hg und die Platinmetalle können mit KCN „maskiert", d. h. in die Cyanidkomplexe übergeführt werden. Das Magnesium bildet mit Oxalationen einen Oxalatokomklex, der einen schleppenden Endpunkt der Titration verursacht. Praktische Durchführung: 100 ml der Lösung (saure Lösungen werden zuvor mit Natronlauge neutralisiert), die nicht mehr als 10~2 Mol/1 Magnesium enthalten soll, werden mit 2 ml Pufferlösung und 2—4 Tropfen Indikatorlösung (bzw. einer Spatelspitze Indikator-Kochsalzgemisch) versetzt und mit einer 0,1-m AeDTE-Lösung bis zum Umschlag von rot nach blau, bis zum Verschwinden der letzten rötlichen Nuance, titriert. Wegen des verhältnismäßig langsamen Ablaufs der Komplexbildungsreaktion titriere man in der Nähe des Endpunktes langsam. Eine Erwärmung zur Beschleunigung des Reaktionsablaufs ist aber nicht notwendig. Die Bestimmung kann auch als Mikro-Titration mit 0,01-m, sogar mit 0,001-m AeDTE-Lösung durchgeführt werden. 1 ml 0,1-m AeDTE entspricht 2,431 mg Mg. Die Bestimmung des Calciums: Die Grundlage der Titration ist bereits auf S. 241 erörtert worden. Die Bestimmung des Calciums wird ebenfalls durch die bereits bei der Magnesiumbestimmung aufgeführten Kationen gestört. Diese sind vor der Titration zu entfernen. Entsprechend den Ausführungen auf S . 2 4 1 muß der zu titrierenden Calciumsalzlösung das Magnesiumkomplexonat der A e D T E zugesetzt werden. Eine entsprechende Lösung dieses Komplexes bereitet man sidi folgendermaßen: Äquivalente Mengen einer Magnesiumsulfat- und einer AeDTE-Lösung werden gemischt, und durch Zugabe von Natronlauge wird ein p H -Wert zwischen 8und9(Phenolphthaleinumschlag nach rot) eingestellt. Das Verhältnis Mg : AeDTE = 1 : 1 ist gegeben, wenn nach Zugabe von etwas Pufferlösung (p H = 10) zugesetztes Erio-T der Lösung eine schmutzig vio-
Die Bestimmung des Calciums
245
lette Färbung verleiht, die mit einem einzigen Tropfen 0,01-m AeDTE in Blau und mit einem Tropfen 0,01-m MgS0 4 in Rot umschlägt. Je nach Ausfall der Probe wird entweder AeDTEoder MgS0 4 -lösung zugesetzt. Schließlich wird durch Auffüllen mit dest. Wasser eine 0,1-m oder 0,01-m Lösung hergestellt. Eine Titerstellung ist nicht notwendig. Praktische Durchführung: 100 ml der Lösung (saure Lösungen werden zuvor mit Natronlauge neutralisiert), die nicht mehr als 10" 2 Mol/1 Calcium enthalten soll, werden mit 2 ml Pufferlösung, 1 ml 0,1-m Magnesiumkomplexonatlösung und 2 bis 4 Tropfen Indikatorlösung (bzw. einer Spatelspitze Indikator-K ochsalzgemisch) versetzt. Die Titration wird der Magnesiumbestimmung entsprechend durchgeführt. 1 ml 0,1-m AeDTE entspricht 4,008 mg Ca. Die Bestimmung der Gesamthärte des Wassers (CaO und MgO) (vgl. S. 180 und S. 212): Die Methode eignet sich für die Bestimmung des Erdalkaligehaltes in Wässern beliebiger Herkunft. Ba und Sr stören und müssen abgetrennt werden. Die bereits bei der Bestimmung des Magnesiums genannten als Hydroxide fällbaren Kationen werden lediglich als Verunreinigungen in nicht allzu großen Konzentrationen in den Wässern enthalten sein und bei der Zugabe der Pufferlösung quantitativ ausfallen. Kolloidales Eisen(III)-hydroxid stört in kleinsten Spuren. Man fällt es mit Na 2 S aus. Die übrigen, bereits bei der Magnesiumbestimmung genannten Kationen können mit KCN „maskiert" werden. Phosphationen sollten, am bequemsten mit Hilfe eines Anionenaustauschers, vor der Titration entfernt werden. Praktische Durchführung: Die Titration wird analog der Magnesiumbestimmung mit einer 0,01-m AeDTE-Lösung durchgeführt. Ein Zusatz von Magnesiumkomplexonat wird notwendig, wenn das Wasser keine Magnesiumionen enthält. Der Umschlagspunkt wird schärfer, wenn man die Karbonate in der Wasserprobe durch Zugabe von Salzsäure und Aufkochen zersetzt. Nach dem Abkühlen wird die Lösung mit Natronlauge neutralisiert, dann wird wie üblich verfahren. l m l 0,01-m AeDTE entspricht einer Gesamthärte (CaO + MgO) von 0,02 mval in 100 ml oder 0,2 mval im Liter (0,02 mval CaO = 0,561 mg CaO; 0,02 mval MgO = 0.403 mg MgO).
246
Komplexometrie
4. Die Bestimmung des Zinks und des Cadmiums Zink und Cadmium lassen sich ähnlich wie Magnesium durch Titration mit Ae D T E und Erio-T als Indikator in alkalischer, gepufferter Lösung bei PH = 10 titrieren (Pufferlösung s. S. 243). Der Farbumschlag von Rot nach Blau ist extrem scharf und wird durch pH-Werte zwischen 7 und 10 nicht beeinflußt. Selbst in Gegenwart von viel Ammoniak kann der Endpunkt noch gut bestimmt werden. Unterhalb pH = 7 ist eine Titration mit Erio-T als Indikator wegen der Bildung des weinroten [H 2 I n d . ] nicht möglich (vgl. S. 242). Die Bestimmung wird durch zahlreiche andere Metallionen gestört. Metallionen, die Cyanidkomplexe bilden, können durch Zugabe von Cyanidlösung maskiert werden. Das hierbei ebenfalls komplex gebundene Zink oder Cadmium wird in ammoniakah'scher Lösung durch Reaktion mit Formaldehyd (Bildung von Glykolsäurenitril) wieder in Freiheit gesetzt. Andere Cyanidkornplexbildner wie Fe (III), Fe (II), Hg, Cu, Ni, Co werden dagegen nur sehr langsam oder gar nicht entbunden. Jedoch ist zu beachten, daß Spuren dieser Metallionen, besonders Kupfer, durch Blockieren des Indikators die Titration stören können. Über die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen in diesem Fall vgl. [126], S. 209. Wegen der scharfen Endpunktanzedge sind Mikro- und Ultramikrobestimmungen ohne Schwierigkeiten möglich. Sehr reines Zink oder Zinkoxid sind als Urtitersubstanzen zur Einstellung von Ae DTE-Maßlösungen geeignet.
Praktische Durchführung (in Abwesenheit von Cu, Co, Ni): 100 ml der Lösung (dreiwertige Metalle werden zuvor mit Acetat abgetrennt, saure Lösungen mit Natronlauge neutralisiert), die nicht mehr als 25 mg Zink (oder 50 mg Cadmium) enthalten sollen, werden mit 2 ml Pufferlösung, 2—-4 Tropfen Indikatorlösung versetzt und mit einer 0,1-m Ae DTE-Lösung bei 30 bis 40°C bis zum Umschlag von Rot nach Blau titriert. Die rötliche Färbung verschwindet am Umschlagspunkt schlagartig nach Zugabe eines Tropfens der Maßlösung. 1 ml 0,1-m Ae D T E entspricht 6,537 mg Zn (11,240 mg Cd).
247
Dritter Teil
Die elektrochemischen Methoden der Maßanalyse XVII. Übersicht über die elektrochemischen Indikationsverfahren der Maßanalyse Es ist schon verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß man allgemein bei quantitativen, analytischen Untersuchungen vor allem wegen der Kürze der Durchführungszeit volumetrischen, maßanalytischen Verfahren den Vorzug vor gravimetrischen Bestimmungen gibt. So haben sich im Laufe der Zeit die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen klassischen Titrierverfahren entwickelt: Die mit Farbindikatoren arbeitende Alkalimetrie und Acidimetrie, die Manganometrie, die Jodometrie und andere mehr. Um aber den in den letzten Jahrzehnten an sie gestellten, immer mehr gesteigerten Anforderungen der wissenschaftlichen und technischen Chemie auch weiterhin entsprechen zu können, mußte sich die Maßanalyse nach neuen Mitteln umsehen, mit deren Hilfe sich das Ende einer eindeutig verlaufenden, zur analytischen Bestimmung an und für sich brauchbaren Reaktion auch in solchen Fällen sicher erkennen ließe, in denen die klassischen Titrierverfahren versagen. Man denke doch nur an zahlreiche Oxydations- oder Reduktionsreaktionen, an Fällungs- oder Komplexbildungsreaktionen, deren Beendigung noch durch keinen Indikator erkannt werden kann, oder auch an die Titration stark getrübter oder gefärbter Lösungen irgendwelcher Art. Diese Hilfsmittel bot nun die physikalische Chemie in Form der elektrochemischen Indikationsverfahren, die in den letzten Jahrzehnten bei maßanalytischen Bestimmungen immer mehr an Bedeutung gewonnen haben. Gemeinsame Grundlage dieser Methoden ist die Möglichkeit, den Endpunkt einer Titration an der sprunghaften Änderung einer elektrischen Größe zu erkennen. Man unterscheidet in Abhängigkeit von der elektrischen Größe,
248 Übersicht über die elektrochemischen Indikationsverfahren die bei der Titration gemessen wird: d i e K o n d u k t o m e t r i e (oder Leitfähigkeitstitration) und die eng mit dieser zusammenhängende H o c h f r e q u e n z t i t r a tion, die P o t e n t i o m e t r i e , die Polarisat i o n s s p a n n u n g s t i t r a t i o n ( V o l t a m e t r i e ) und die P o l a r i s a t i o n s s t r o m t i t r a t i o n ( A m p e r o metrie, Deadstop-Verfahren). Die breiteste Anwendung haben Konduktometrie und Potentiometrie gefunden. Es wird daher auf diese beiden Verfahren ausführlich eingegangen werden. Die übrigen Methoden werden bevorzugt in Spezialfällen eingesetzt, wenn z. B. in sehr verdünnten Lösungen gearbeitet werden muß, wenn die Fremdelektrolytkonzentration in der Lösung sehr groß ist oder wenn in wasserfreien Lösungsmitteln titriert werden soll, in allen Fällen also, in denen Konduktometrie und Potentiometrie zu ungenaue Werte liefern, oder deren Anwendung aus sonstigen stofflichen oder methodischen Gründen nicht möglich ist. Was die elektrochemischen Methoden vor den mit Indikatoren arbeitenden auszeichnet, ist die Tatsache, daß bei den letzteren durch den Indikatorumschlag nur ein einzelner Punkt — der Äquivalenzpunkt — im Gange der Titration angezeigt wird, während bei jenen die graphischen Darstellungen ein Bild des gesamten Titrationsverlaufes geben und alle Besonderheiten und weiteren Reaktionen erkennen lassen, soweit sie mit Änderungen der Leitfähigkeit oder der Spannung verbunden sind. So hat man sehr oft die Möglichkeit, durch eine einzige Titration mehrere Stoffe nebeneinander bzw. nacheinander zu bestimmen, wie z. B. mehrere Halogene oder mehrere verschieden starke Säuren nacheinander. Die schrittweise Verfolgung des Titrationsverlaufes sichert in solchen Fällen allermeist eine recht scharfe Erkennung des Endpunktes. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, mit kleineren Mengen und verdünnteren Lösungen zu arbeiten, so daß sich in besonderen Fällen eine Steigerung der Meßgenauigkeit, z.B. bei mikro-
Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration
249
analytischen Untersuchungen, ergibt. Vor allem aber ist — worauf bereits hingewiesen wurde — eine Anzahl von Reaktionen maßanalytisch zu verwerten, deren Endpunkt durch einen Indikator bisher nicht markiert werden konnte. Erster Abschnitt D I E KONDUKTOMETRIE Bei der L e i t f ä h i g k e i t s t i t r a t i o n oder K o n d u k t o m e t r i e beobachtet man die Änderung der Leitfähigkeit einer Lösung, die durch eine anteilweise zugesetzte Reagenslösung hervorgerufen wird. Die erhaltenen Werte der Leitfähigkeit — oder Proportionale davon — werden nun in Abhängigkeit von der jeweils hinzugesetzten Menge der Reagenslösung in einem rechtwinkligen Koordinatensystem dargestellt. Hierbei resultieren Kurvenzüge, wie sie durch Fig. 32 schematisch wiedergegeben sind. Die Projektion z. B. des Schnittpunktes B der Reaktionsgeraden AB mit der Geraden des Reagensüberschusses B C auf die Milliliterachse zeigt den Reagensverbrauch bis zum Äquivalenzpunkt an. Zu beachten ist dabei, daß die Leitfähigkeit sich additiv zusammensetzt aus den Einzelleitvermögen der in der Lösung vorhandenen Ionen, gleichgültig, ob diese an der Reaktion beteiligt sind oder nicht, während bei der Potentiometrie lediglich die Konzentration des Ions (bzw. der Ionen) eine Rolle spielt, auf das die Indikatorelektrode anspricht. Günstige Bedingungen für die Konduktometrie sind also dann vorhanden, wenn wenig fremde, an der Titrationsreaktion unbeteiligte Ionen vorhanden sind. Bei zu großem Fremdelektrolytgehalt sind die Leitfähig- jj keitsänderungen während der Ti- l 1 tration oft so gering im Verhältnis §• zur Gesamtleitfähigkeit, daß die Er- s kennung des Endpunktes der Reaktion schwierig wird. p^
32
l ^
m
Maaslösung
250
Die Grundlagen der Leitfähigkeitstitration
XVIII. Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration 1. Die Grundlagen der Leitfähigkeitstitration Die Leitfähigkeitstitration benutzt die Eigenschaft wäßriger Elektrolytlösungen, den elektrischen Strom zu leiten. Diese L e i t f ä h i g k e i t beruht auf der elektrolytischen Dissoziation der gelösten Säuren, Basen und Salze, also darauf, daß diese Stoffe in wäßriger Lösung in elektrisch geladene Teilchen, die Ionen, zerfallen sind. Im elektrischen Feld wandern die Ionen (die Anionen zur positiv geladenen „Anode", die Kationen zur negativ geladenen „Kathode") und transportieren pro Grammäquivalent stets die gleiche Elektrizitätsmenge, nämlich 96 494 Coulomb, zu den Elektroden (Faradaysches Gesetz). Die Leitfähigkeit einer verdünnten Elektrolytlösung wird nun bestimmt: 1. Durch die Anzahl der Elektrizitätsträger (Ionen) in der Lösung, d. h. also durch deren Konzentration, 2. durch die Anzahl der Elementarladungen, die jedes Ion zu transportieren vermag, d. h. also durch die Ionenladungszahl (vgl. S. 42), und 3. durch die „Wanderungsgeschwindigkeit" oder „Beweglichkeit" der Ionen, d. h. durch die Geschwindigkeit, gemessen in cm pro Sekunde, mit der sie in der Richtung der Kraftlinien des elektrischen Feldes fortschreiten1). Die Beweglichkeit hängt von der Natur der Ionen, von der Feldstärke und von der Viskosität des Lösungsmittels ab und wird in Wasser von 25° C bei einem Spannungsgefälle von 1 Volt je cm gemessen. Die Leitfähigkeit eines Elektrolyten ist, da ja die Wertigkeit und in verdünnt wäßriger Lösung auch die Beweglichkeit seiner Ionen die gleichen bleiben, eine lineare Funktion seiner Konzentration bei konstanter Temperatur. Leitfähigkeitsmessungen sind gleichbedeutend mit Widerstandsmessungen, denn als Leitfähigkeit einer Substanz für den elektrischen Strom bezeichnet man den rezii ) „Wanderungsgeschwindigkeit" bedeutet die in cm • s e c - 1 gemessene Geschwindigkeitsgröße bei beliebigem Potentialgefälle, „Ionenbeweglichkeit", die in c m 2 • sec- 1 Volt-1 gemessene Gesdiwindigkeitsgröße im Potentialgefälle 1 Volt/cm (vgl. [120]).
Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration
251
proken Wert seines Widerstandes: X D e r Widerstand ist der Länge des Leiters (1) direkt, seinem Querschnitt (q) umgekehrt proportional: R = ß • Der Proportionalitätsfaktor q wird nach Übereinkunft auf ein Leiterstück von 1 cm Länge und 1 cm2 Querschnitt bezogen und als spezifischer Widerstand bezeichnet. Sein reziproker Wert ist die spezifischeLeitfähigkeit. x= — = • Man Q K q mißt die spezifische Leitfähigkeit in reziproken Ohm ) pro cm (Q"1 cm"1). Für die Konduktometrie ist von besonderer Bedeutung der Begriff der Ä q u i v a l e n t l e i t f ä h i g k e i t A, d. h. der Quotient aus der spezifischen Leitfähigkeit und der Konzentration, gemessen in Grammäquivalenten pro ml (rj): Also A = ^ • cm2/val). Die spezifische Leitfähigkeit strebt mit abnehmender Konzentration gegen Null, die Äquivalentleitfähigkeit jedoch gegen einen Grenzwert, A oo, der sich additiv aus den I o n e n ä q u i v a l e n t l e i t f ä h i g k e i t e n (diese sind den I o n e n b e w e g l i c h k e i t e n proportional) des Anions (lA) und des Kations (1K) zusammensetzt: A » = + lg. Auf einem Wege, der hier nicht besprochen werden kann, hat man die Äquivalentleitfähigkeiten der einzelnen Ionen miteinander verglichen und die in Tab. 12 zusammengestellten Werte gefunden, die für 25° gelten. Wie ändert sich nun die Leitfähigkeit im Verlauf einer Titration? Als Beispiel möge die Neutralisation von Salzsäure mit Natronlauge dienen, die als Ionengleichung folgendermaßen zu formulieren ist: H+ + C l " + N a + + O H " Na++Cl"+H20. Die Hydroxidionen der Lauge treten mit den Wasserstoffionen der titrierten Säure zu praktisch undissoziiertem In der angelsächsischen Literatur werden reziproke Ohm durch eine umgekehrte Schreibweise — Mho — bezeichnet.
252
Die Grundlagen der Leitfähigkeitstitration
T a b e l l e 12 Ionenäquivalentleitfähigkeiten (Q"1 • cm 2 ) in H 2 O (c = 0) bei 25° C 1 ) Anionen
Kationen H+
Li + Na + K+ Rb+ Cs + NH 4 AR*
Tl +
349,6 38,7 1/2 Mg 2+ 50,1 1/2 Ca 2+ 73,5 1/2 Sr 2+ 1/2 Ba 2+ 77 77,7 1/2 Zn 2+ 1/2 Cd 2+ 74 62,2 1/2 Pb 2+ 1/2 Mn 2+ 74 1/2 Cu 2+ 1/2 Ni2+ l/2Be2T
45 58 59 60 63,2 54 54 65 50 55,5 49
OH- 197 55 Fci- 76,4 Br 78 77,1 JCN- 82 CNS 66 CIO, 65,3 BrOa- 56,0 j o , - 41,6 NO," 71,1
cio 4 JOr
67 55,6 MnCV 61 56 (HCOO)(CH,COO)- 41,4 1/2 S O ^ 79 1/2 CrO«2" 83 1/2 CO*74 1/2 (C.OJ*- 63 2 ) l/2(C 4 H 4 O a ) 1 -55 2 ) 1/3 P 0 4 3 " 69 2 )
Wasser zusammen, während die Natriumionen mehr und mehr an Stelle der Wasserstoffionen treten. Am Äquivalenzpunkt sind alle in der vorgelegten Lösung ursprünglich vorhandenen Wasserstoffionen durch Natriumionen ersetzt worden. Da nun, wie Tabelle 12 entnommen werden kann, die Natriumionen eine wesentlich geringere Äquivalentleitfähigkeit (entsprechend einer geringeren Beweglichkeit) zeigen als die Wasserstoffionen, so muß die Gesamtleitfähigkeit der titrierten Lösungen proportional dem Fortschritt der Neutralisation mehr und mehr abnehmen. Setzt man nun über den Äquivalenzpunkt hinaus Lauge hinzu, so findet natürlich keine weitere Verminderung, sondern vielmehr sukzessive ein Anwachsen der Leitfähigkeit statt, denn zu der am Äquivalenzpunkt nur durch das vorhandene Natriumchlorid bedingten Leitfähigkeit treten additiv die Einzelleitfähigkeiten der jedesmal überschüssig hinzugesetzten Natrium- und Hydroxidionen. Graphisch dargestellt ergibt sich ein Leitfähigkeitsverlauf, wie ihn Fig. 32, S. 249, erkennen läßt. 1) nach H. Falkenhagen [42], 2) bei 18° C.
Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration
253
Die Titrationskurven verlaufen geradlinig, solange die vorhandenen Ionenarten im einzelnen entweder garnicht oder quantitativ reagieren. Ein großer Vorteil für die Konduktometrie ist, wie hieraus hervorgeht, die Tatsache, daß man bei einer Titration den Äquivalenzpunkt selbst garnicht zu fassen braucht, sondern ihn durch zeichnerische Extrapolation findet. Der jeweilige Kurvencharakter eines Titrationsdiagrammes ist allgemein dadurch gekennzeichnet, daß an Stelle der verschwindenden Ionenart der vorgelegten Versuchslösung eine neue aus der Reagenslösung tritt mit größerer oder kleinerer Leitfähigkeit. Im ersteren Falle erhält man ein Steigen, im letzteren ein Fallen der Gesamtleitfähigkeit bis zum Äquivalenzpunkt. Nach Überschreiten des Äquivalenzpunktes wird natürlich, wenn keine weiteren Reaktionen folgen, immer eine Leitfähigkeitszunahme beobachtet. Zu bemerken ist, daß möglichst für Temperaturkonstanz gesorgt werden muß, weil die Leitfähigkeit einer Salzlösung bei einer Temperaturerhöhung um 1 ° C durchschnittlich um 2 , 5 % steigt. Aber trotzdem ist nur in Ausnahmefällen die Verwendung eines Thermostaten erforderlich, weil die meisten Titrationen in wenigen Minuten beendet sind. 2. Die Titriervorrichtung Um eine konduktometrische Bestimmung durchführen zu können, bedarf man geeigneter L e i t f ä h i g k e i t s g e f ä ß e , die zur Aufnahme der zu titrierenden Flüssigkeit dienen. Es sind für gewöhnlich Glasgefäße mit platinierten Platinelektroden. Fig. 33 zeigt ein zu manchen Titrationszwecken sehr geeignetes Leitfähigkeitsgefäß. Ein ähnliches Leitfähigkeitsgefäß, das jedoch unten mit einem durch Schliffstopfen verschließbaren Auslauf versehen ist, wird, kombiniert mit einem kleinen Rührer und einer Mikrobürette, durch Fig. 34 veranschaulicht.
254
Die Titriervorrichtung
Die Größe und der Abstand der Elektroden des Leitfähigkeitsgefäßes richtet sich nach dem Widerstand, der bei der zu titrierenden Flüssigkeit zu erwarten ist. Im allgemeinen sollen die Elektroden um so größer und ihr Abstand um so kleiner sein, je schlechter die Lösung leitet. Es muß darauf geachtet werden, daß der GefäßwiderFig.33 stand gut meßbar bleibt, d. h. daß er nicht unter 30 und nicht über einigen tausend Ohm liegt. Das Platinieren der Elektroden bezweckt eine außerordentliche Vergrößerung ihrer Oberfläche. Dadurch wird einer Polarisation der Elektroden, die die Leitfähigkeitsmessung stören würde, wirksam entgegentreten (vgl. S. 256). Zum Zweck der P l a t i n i e r u n g wird das peinlich gesäuberte Gefäß mit einer Lösung von 3 g H 2 [Pt(Cl) 6 ] und 25 mg Bleiacetat in 100 ml destilliertem Wasser gefüllt. Die beiden Elektroden werden leitend verbunden und möglidist genau in die Mitte des sie trennenden Zwischenraums eine Platinhilfselektrode eingeführt. An diese als Anode und an die miteinander verbundenen Gefäßelektroden als Kathode wird eine Spannung Fig. 34 von 4 Volt gelegt, worauf die Lösung mit einer Stromdichte von höchstens 30 Milliampère pro cm2 Elektrodenfläche (einseitig gemessen) etwa 10 Minuten lang elektrolysiert wird. Dann wird die Platinierungslösung entfernt, das Gefäß mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt und durch nochmaliges kurzes Elektrolysieren der noch an den Elektroden anhaftende Rest von H 2 [Pt(Cl) 6 ] entfernt. Zum Schluß wird das Leitfähigkeitsgefäß mit destilliertem Wasser gründlich gereinigt. Leitfähigkeitsgefäße sollen niemals trocken stehenbleiben, sondern, um die Wirksamkeit der Platinierung
Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration
255
zu erhalten, bei Nichtgebrauch stets mit destilliertem Wasser gefüllt seinl Jedes Leitfähigkeitsgefäß hat eine vom Abstand und vom Querschnitt seiner Elektroden sowie von seiner Füllhöhe und von anderen Umständen abhängige W i d e r s t a n d s k a p a z i t ä t C . Es ist x = 4 • — oder, da 1/q 1 K q hier nicht ausmeßbar ist: x = — • C oder, C = x-R. C ist K der Widerstand, den ein Leitfähigkeitsgefäß haben würde, wenn es mit einer Flüssigkeit der spezifischen Leitfähigkeit 1 gefüllt wäre. Mit geeigneten Eichlösungen bekannter spezifischer Leitfähigkeit (z. B. 1-n KCl: = 0,11173 Q_1 cm"1) läßt sich die Widerstandskapazität ermitteln. Um die Widerstandskapazität der Leitfähigkeitsgefäße nicht zu verändern, dürfen einmal die Elektroden nicht zu dicht unterhalb der Flüssigkeitsoberfläche angebracht sein, andererseits ist das Volumen der zuzusetzenden Reagenslösung gering zu halten; zu 50 ml Lösung sollten insgesamt höchstens 5 ml einer relativ konzentrierten Reagensflüssigkeit hinzugegeben werden. Man bedient sich dabei vorteilhaft kleinerer Büretten, die in 0,01 ml unterteilt sind, so daß die Ablesegenauigkeit die gleiche bleibt wie bei den gewöhnlichen Titrationen mit den in 0,1 ml unterteilten Büretten von 50 ml Fassungsvermögen. 3. Die Methoden der Leitfähigkeitsmessang Die Brückensthaltung mit Telefon: Die Leitfähigkeit einer Lösung ist der reziproke Wert ihres Widerstandes. Leitfähigkeitsmessungen sind daher gleichbedeutend mit Widerstandsmessungen, wie sie heute allgemein mit Hilfe einer W h e a t s t o n e s c h e n B r ü c k e n s c h a l t u n g durchgeführt werden. Ihre einfachste Form ist die Telefonmethode (Nullpunkt- oder Minimummethode), deren Schaltschema Fig. 35 zeigt. Ein Induktionsapparat kleiner Leistung, bei dem Primär- und Sekundärspule nicht miteinander in Verbindung stehen dürfen, liefert den Wechselstrom geeigneter, d.h.
256
Die Methoden der Leitfähigkeitsmessung
hörbarer Frequenz für die Brüdce. Der Hammerunterbrecher des Induktoriums muß möglichst leise arbeiten, damit eine genaue Einstellung des Tonminimums möglich ist. p
8
A
F i g . 35
Die Verwendung von Gleichstrom für die Messung der Leitfähigkeit von Elektrolyten scheidet aus, da die Lösung dann elektrolytisch zersetzt würde. Die Anreicherung der Elektrolyseprodukte an den Elektroden würde zur Ausbildung eines Potentials, der sogenannten Polarisationsspannung (über die Polarisation von Elektroden vgl. S. 319) führen, die der angelegten Spannung entgegengerichtet ist. Mit steigender Frequenz eines angelegten Wechselstromes und bei starker Vergrößerung der Elektrodenoberfläche (Platinierung!) nimmt die Polarisationsspannung ab (s. S. 322). Bei sorgfältiger Platinierung der Elektroden kann die Polarisationsspannung bereits bei 50 Hz vernachlässigt werden. Die Verwendung sehr hoher Frequenzen bietet keinen weiteren Vorteil, da mit zunehmender Frequenz der störende Einfluß von Induktivitäten und Kapazitäten wächst. Es sei hier daran erinnert (s. die Lehrbücher der Physik), daß der einen Leiter durchfließende Wechselstrom nicht nur vom Ohmschen Widerstand des Leiters abhängt, wie dies beim Gleichstrom der Fall ist. Vielmehr werden für einen Wechselstrom induktive und kapazitive Widerstände von Bedeutung. Man mißt also bei Verwendung von Wechselstrom nicht den Ohmschen, sondern einen „Scheinwiderstand". Der Wechselstromwiderstand (auch „Impedanz" genannt) setzt sich zusammen aus einem „Wirkwiderstand", der einem Ohmschen Wider-
Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration
257
stand entspricht und einem weiteren Widerstandsanteil, dem „Blindwiderstand", der von der Frequenz, der Induktivität und der Kapazität abhängt. Da Teile der Meßanordnung induktive und kapazitive Widerstände darstellen, wird die Leitfähigkeitsmessung hierdurch verfälscht. Besonders bei Präzisionsmessungen müssen diese Störfaktoren soweit wie möglich eleminiert werden. Die Selbstinduktion kann jedoch meist vernachlässigt werden, da die Präzisionswiderstände bifilar gewickelt sind. Kapazitäten lassen sich meist befriedigend durch eine dem Vergleichswiderstand parallel geschaltete Kapazität (Kondensator) abgleichen (s. hierzu z. B. [37], [120]). Gut geeignet für die Telefonmethode sind Frequenzen von 1000 bis 3000 Hz. Da infolge der Uberlagerung von Strömen verschiedener Frequenz bei Verwendung eines Induktionsapparates das Tonminimum oft nur schlecht zu erkennen ist, sollte für genauere Messungen ein Röhrengenerator (Tonfrequenzgenerator) als Stromquelle einem Induktorium vorgezogen werden. Dieser liefert einen „monochromatischen" Strom, d. h. einen Strom ganz bestimmter Frequenz. Außerdem läßt der Röhrengenerator eine bequeme Regelung der an die Brücke angelegten Spannung zu, die nicht höher als 5 V sein soll. Ein zu großer Stromfluß kann zu Störungen in der Messung führen (z. B. durch Erwärmung der Elektrolytlösung). AB ist ein Widerstandsdraht (Meßbrücke, Präzisionspotentiometer) von etwa 50 Ohm, der auf einer in m m unterteilten Latte aufgespannt (oder auf eine Walze gewickelt) u n d an seinen E n d e n mit der Stromquelle verb u n d e n ist. D e m Strom steht außerdem noch ein zweiter W e g von A nach B zur Verfügung, nämlich durch das Leitfähigkeitsgefäß L (mit der zu untersuchenden Lösung) u n d durch den bekannten Vergleichswiderstand R v . Als Vergleichswiderstände dienen Präzisions-Stöpselrheostaten von f ü n f z i g bis zu einigen hundert Ohm. Der Vergleichswiderstand bleibt während ein u n d derselben Messung bzw. Titration konstant. Beide Stromwege verbindet die Brückenleitung PS, in der das Telefon T liegt. Sein Widerstand soll zwischen 20 und 100 Ohm liegen. S ist ein Gleitkontakt, der auf dem Brückendraht beliebig verschoben werden kann. Man wählt den Vergleichswiderstand so, daß zu Beginn der 17
Jander-Jahr, Maßanalyse
258
Die Methoden der Leitfähigkeitsmessung
Messung der Gleitkontakt etwa in der Mitte der Brüdce steht (Tonminimum). Für Leitfähigkeitstitrationen ist ein gleichbleibender Durchmesser des Brückendrahtes über seine gesamte Länge besonders wichtig, da der Gleitkontakt im Verlauf der Titration um ein beträchtliches Stüde verschoben wird. Steht eine Präzisions-Meßbrücke nicht zur Verfügung, ist es zweckmäßig, den Meßdraht über seine ganze Länge durch Vergleich mit einem Präzisions-Stöpselwiderstand zu kalibrieren und eine Eichkurve aufzunehmen (vgl. [67] oder [120]). Ein Ablese- oder Einstellfehler von 1 mm am Meßdraht bedeutet bei einer Gesamtlänge von 1 m einen Fehler in der Leitfähigkeitsmessung von 0,4%.
Wird der Induktionsapparat eingeschaltet, so fließt der Strom zum Teil direkt, zum Teil aber auch über L und R v von A nach B. Auch durch die Brückenleitung PTS fließt im allgemeinen ein Strom, der im Telefon ein summendes Geräusch hervorruft. Man schiebt nun den Gleitkontakt so lange hin und her, bis man einen Punkt findet, bei welchem das Telefon schweigt oder doch ein Tonminimum erkennen läßt. Durch die Brüdcenleitung fließt dann praktisch kein Strom, ein Beweis dafür, daß zwischen P und S keine Spannung herrscht, bzw. daß diese Punkte gegenüber A (oder B) die gleiche Spannung haben. Dann ist der Widerstand des Brückendrahtes durch den Gleitkontakt im gleichen Verhältnis unterteilt wie der Widerstand des Stromweges über das Leitfähigkeitsgefäß und den Vergleichswiderstand durch den Punkt P, und es gilt: L / R v = a/b, und der Widerstand im Leitfähigkeitsgefäß ist L = ^ • R v . Sein reziproker Wert, X = l/L, ist also dem Verhältnis der Brückenwiderstände oder, bei gleichmäßig kalibriertem Meßdraht, dem Längenverhältnis der Brückenabschnitte b/a direkt proportional. Bei der Leitfähigkeitstitration wird nach jedem Reagenszusatz erneut die Leitfähigkeit der titrierten Lösung gemessen. Da man jedoch hier nur Relativwerte benötigt, kann man statt der Leitfähigkeit selbst die jeweils gemessenen Werte von b/a direkt ins Analysendiagramm eintragen.
Theorie und Praxis der Leitfähigkeitstitration
259
Die visuellen Methoden: Das akustische Meßverfahren mittels Telefon hat sich für Zwecke der Titration jedoch in der Praxis kaum einbürgern können, wohl weil Beobachtungen mit dem Ohr auf die Dauer recht anstrengend und unangenehm sind und weil das dauernde Aufsuchen des Tonminimums außerdem einen absolut ruhigen Arbeitsraum voraussetzt. Ein solcher steht aber gerade in technischen Betrieben nur höchst selten zur Verfügung. Dieser Nachteil der Telefonmethode läßt sich nun durch Umstellung der Versuchsanordnung auf eine solche mit visueller Beobachtung — Ablesung eines Zeigerinstrumentes — beheben. Für die Nullstromindikation wird an Stelle eines Telefons ein empfindliches Wechselstrom-Galvanometer oder nach Gleichrichtung des Wechselstromes ein empfindliches GleichstromGalvanometer benutzt. Neuere Meßanordnungen arbeiten mit der sehr empfindlichen, in der Rundfunktechnik als „Magisches Auge" bekannten Elektronenröhre oder benutzten Wechselstrom-Röhrenvoltmeter (s. S. 296). Für Präzisionsbestimmungen der Leitfähigkeit muß der Wechselstromwiderstand (Wirk- und Blindkomponente; siehe S. 256) der Lösung berücksichtigt werden. Mit Vorteil wird daher der Kathodenstrahloszillograph als Nullindikator eingesetzt [72]. Dieser erlaubt gleichzeitig die Prüfung der Sinusform (zum Nadiweis, daß „monochromatischer" Wechselstrom, also Wediselstrom e i n e r Frequenz vorliegt) und die Prüfung der Phasenlage des Wechselstroms (was für den Abgleidi der Kapazitäten notwendig ist). Hierauf, wie auch auf Fehlerquellen bei Präzisionsmessungen, die hauptsächlich in nidit abgeglichenen Kapazitäten der Meßanordnung zu suchen sind, und deren Beseitigung kann hier nicht eingegangen werden (s. z. B. [37], [120]). Für Titrationen eignen sich besonders solche Einrichtungen, bei denen auf der Skala eines Meßinstrumentes die durch die Titration hervorgerufenen Leitfähigkeitsänderungen der vorgelegten Lösung, oder Proportionale hiervon, direkt abgelesen werden können, ohne daß nach jedem Reagenszusatz der Brückenkontakt verschoben zu werden braucht; dieser wird vielmehr vor Beginn der Titration einmalig in geeigneter Weise eingestellt. D i e beim Arbeiten nach einer solchen A u s s c h l a g m e t h o d e gewon17'
260
Die visuellen Methoden
nene Zeit ist nicht unbeträchtlich, zumal alle Umrechnungen der abgelesenen W e r t e fortfallen. Die Ausschläge werden vielmehr direkt zum Zeichnen des Analysendiagramms benutzt. Allerdings sind bei Titrationen nach der Aussdilagmethode durch die Art der Messung bedingte Fehlermöglichkeiten zu berücksichtigen, die bei stromloser Brückendiagonale (PS in Fig. 35) nicht stören oder hierbei überhaupt nicht auftreten können. Einmal ist zu beriidcsichtigen, daß bei einer Aussdilagmessung die durch das Brückeninstrument angezeigte Stromänderung nur dann Folge einer Leitfähigkeitsänderung ist, wenn die an der Brücke liegende Spannung für die Dauer der Messung konstant ist. Zum anderen besteht bei stromdurdiflossener Brüdcendiagonale, wie die Berechnung des durch das Anzeigeinstrument fließenden Stromes zeigt (vgl. Harms [55]), kein linearer Zusammenhang zwischen Galvanometerausschlag und Leitfähigkeitsänderung. Während die Beseitigung von Spannungssdiwankungen durch geeignete elektrotechnisdie Maßnahmen (Eisenwasserstoff-Widerstand, magnetischer Konstanthalter, elektronisdie Stabilisierung) verhältnismäßig einfach und wirksam gelingt, ist es sdiwieriger bei optimaler AnzeigeEmpfindlichkeit über einen größeren Bereich für alle möglidien Fälle (kleine und große Leitfähigkeitsänderungen bei der Titration) eine ausreidiende Linearität der Anzeige zu erreidien. Durch geeignete Dimensionierung der Brüdcenglieder kann diese Voraussetzung für eine Messung nach der Aussdilagmethode befriedigend genau erfüllt werden (vgl. [55]). Ein einfadies Gerät für Messungen sowohl nach der Nullpunkt- wie Aussdilagmethode haben G. Jander und O. Pfundt entwickelt (vgl. [35] und 1953). An Stelle des Telefons dient ein empfindlidies Wechselstrom-Galvanometer (10~8 Amp./Skalenteil) als Meßinstrument. Als Ausschlagbrücke arbeitet das Gerät über einen für die meisten Titrationen genügend großen Bereich annähernd linear. Während für Messungen nach der Nullpunktmethode versdiiedene Geräte im Handel zu erhalten sind, kann für Titrationen nach der Aussdilagmethode nur auf das „Konduktoskop" der Firma Metrohm 1 ) hingewiesen werden, da die von Jander und Pfundt entwickelte Ausschlagbrücke nicht mehr hergestellt wird. Das „Konduktoskop" arbeitet mit der Netzfrequenz (50 Hz). Die einem Transformator entnom1) Deutsche Metrohm, 7 Stuttgart-Echterdingen.
Anwendungsmöglichkeiten und Kurventypen
261
mene Brückenspannung von 2 V ist elektronisch stabilisiert. Die Messung erfolgt mit einem empfindlichen Röhrenvoltmeter, das die relative Änderung der Leitfähigkeit anzeigt 2 ). Auf zahlreiche andere, in der chemischen Fachliteratur vorgeschlagene Einrichtungen für visuelle Leitfähigkeitstitrationen kann hier nur hingewiesen werden (vgl. z. B. [67], [120] und die dort angegebene Literatur).
XIX. Anwendungsmöglichkeiten und Kurventypen konduktometrischer Titrationen 1. Neutralisationsvorgänge Die Titration starker Säuren mit starken Basen ist bereits auf S. 250 behandelt und durch Fig. 32 (S. 248) graphisch dargestellt. Starke Säuren und starke Basen lassen sich auch bis zu sehr großen Verdünnungen herunter gegenseitig exakt konduktometrisch bestimmen. Allerdings muß man dann k o h l e n s ä u r e f r e i e Laugen und zum Verdünnen k o h l e n s ä u r e f r e i e s Wasser verwenden. Bei der graphischen Darstellung der Neutralisation von Lösungen schwacher Säuren — Cyanwasserstoffsäure, Borsäure, nicht zu verdünnte Essigsäure usw. — mit einer starken, z. B. 1-n Base erhält man einen Kurvenverlauf, wie er schematisch durch Kurve I der Fig. 36 wiedergegeben ist. Anfänglich hat die Lösung wegen der geringen Dissoziation der schwachen Säure eine verhältnismäßig geringe Leitfähigkeit, die infolge einer weiteren Verminderung der H + durch die Bildung von wenig dissoziiertem Wasser zu Anfang der Titration noch abnimmt, denn an Stelle der H + treten N a \ die eine viel geringere Äquivalentleitfähigkeit (vgl. S. 252, Tab. 12) haben als die H*, und zugleich drängt das entstehende Natriumacetat die Dissoziation der Essigsäure zurück. Erst im Laufe der Titration bildet sich allmählich so viel stark dissoziierendes Natriumacetat, daß die nunmehr durch Natrium- und Acetationen bedingte Leitfähigkeit ansteigen kann (AB). Nach dem Uberschreiten des Äquivalenzpunktes findet nunmehr ein stärkeres Ansteigen der Leitfähigkeit statt 2) Metrohm-Bulletin. Vol. 1, Heft 3 u. 4, (1950/51).
262
Neutralisationsvorgänge
(BC), weil die Hydroxidionen der Base nicht weiter verbraucht werden. Die Reaktionsgerade und die Gerade des Laugenüberschusses schneiden sich unter einem stumpfen Winkel, welcher um so stumpfer ausfällt, je schwächer die zu titrierende schwache Säure ist. In der Nähe des Äquivalenzpunktes ist ein gebogenes, in der Figur gestrichelt gezeichnetes Ubergangsstück vorhanden, das seinen Grund in der Hydrolyse des jeweils gebildeten Salzes hat, welche hier weder durch einen Säure- noch durch einen Laugenüberschuß hinreichend zurückgedrängt wird. Ganz analog liegen die Verhältnisse bei der Neutralisation schwacher Basen — z. B. Ammoniak — durch eine starke, z. B. 1-n Mineralsäure. Die Kurvenform, welche man bei der Neutralisation mittelstarker Säuren oder Basen mit starken Basen oder Säuren erhält, kann zwischen den beiden bisher besprochenen extremen Typen liegen. Das hängt jeweils ganz von den Dissoziations- und Konzentrationsverhältnissen in dei vorgelegten Lösung ab. Je schwächer und konzentrierter die vorgelegte mittelstarke Säure ist, um so mehr wird bei der Neutralisation mit starker Lauge die Kurvenform der von Fig. 36, I ähneln, je stärker und verdünnter sie aber ist, um so mehr wird die Kurvenform der Fig. 32 gleichen. Dazwischen sind mancherlei Ubergangsformen mit mehr oder weniger langen gebogenen Teilstüdcen möglich, so
Aliwendungsmöglichkeiten und Kurventypen
263
daß mitunter die exakte Festlegung des Äquivalenzpunktes Schwierigkeiten bereiten kann. Aus dem bisher Mitgeteilten ergibt sich die Möglichkeit, in einer Lösung, welche eine starke und schwache Säure (z. B. Schwefelsäure und Essigsäure) oder eine starke und schwache Base nebeneinander enthält, diese beiden in einem einzigen Titrationsgang mittels starker Base oder Säure quantitativ zu bestimmen. Man erhält dann Kurvenformen von der Art der Kurve II in Fig. 36. AB zeigt die Leitfähigkeitsabnahme der Lösung an, welche durch die Neutralisation der starken Säure bedingt ist, BC die Leitfähigkeitszunahme, welche durch die nun folgende Neutralisation der schwachen Säure hervorgerufen wird, CD die stärkere Leitfähigkeitszunahme durch den Laugenüberschuß. Die Projektionen von AB und BC auf die Reagensachse geben die Anzahl ml Lauge für die Neutralisation der starken bzw. schwachen Säure an. Die Lage der Schnittpunkte B und C ist praktisch identisch mit der für die Äquivalenzpunkte zu erwartenden, wenn die Dissoziationskonstanten der beiden Säuren hinreichend voneinander verschieden sind. Andernfalls können die gestrichelt gezeichneten, gebogenen Übergangsstücke so groß werden, daß eine geradlinige Extrapolation fehlerhaft wird. Verdrängungsvorgänge: In den Lösungen von Salzen schwacher Basen mit starken Säuren (z. B. Ammoniumchlorid) läßt sich konduktometrisch die gebundene Base durch v e r d r ä n g e n d e T i t r a t i o n mit starken Laugen bestimmen, in den Lösungen von Salzen schwacher Säuren mit starken Basen (z. B. Natriumacetat, Kaliumcyanid usw.) die gebundene schwache Säure durch verdrängende Titration mit starker Säure. Voraussetzung für diese Möglichkeit der quantitativen Bestimmung ist, daß die Dissoziationskonstanten der schwachen Basen oder Säuren, deren Salzlösungen jeweils titriert werden sollen, genügend unterschiedlich sind von denen der starken Basen und starken Säuren, mit denen titriert wird.
264
Neutralisationsvorgänge
Die Kurvenform richtet sich bei der Verdrängungstitration von Salzen schwacher Basen nach dem Verhältnis der Äquivalentleitfähigkeiten der Kationen, bei der Verdrängungstitration von Salzen schwacher Säuren nach dem Verhältnis der Äquivalentleitfähigkeiten der Anionen. Kurve I der Fig. 37 gibt die Titration einer Ammonsalzlösung mit Natronlauge, Kurve I I mit Kalilauge wieder:
I.NH 4 + + C l - + N a + + O H - ^ N H 3 f + H 2 0 + Na + + Cl", I L N H 4 + + C l - + K + + O H - - * N H 3 1 + H 2 O + K + + CI-. Im ersten Falle tritt an die Stelle des besser leitenden Ammoniumions das schlechter leitende Natriumion, im zweiten Falle das etwa gleich gut leitende Kaliumion (vgl. T a belle 12 auf S. 252). Man sieht hieraus sehr schön, wie man durch Wahl einer geeigneten Reagenslösung die Kurvenform beeinflussen und so einen für die Festlegung des Äquivalenzpunktes möglichst geeigneten Schnittwinkel erzielen kann.
In diesem Zusammenhange sei nodi einmal darauf hingewiesen, daß man auch bei der konduktometrischen Neutralisationsanalyse mit möglidist kohlensäurefreien Laugen (Ba(OH)j, N a O H ) und Reagenslösungen arbeiten sollte; anderenfalls können nidit unerhebliche Fehler entstehen. Titriert man eine vorgelegte, karbonathaltige L a u g e mit einer starken Säure, so werden zunächst ihre Hydroxidionen neutralisiert, daran schließt sich die Überführung des Karbonates in das Hydrogenkarbonat, und dann wird die Kohlensäure endgültig in Freiheit gesetzt, „verdrängt".
Anwendungsmöglichkeiten und Kurventypen
265
a) N a O H + HCl NaCl + H 2 0 , b) N a 2 C 0 3 + HCl -»- N a H C O j + N a C l , c) N a H C 0 3 + HCl H s O + C 0 2 f + NaCl. Diese Vorgänge können bei der Feststellung des Äquivalenzpunktes einfach durch geradliniges Verlängern des ersten, größeren Stückes der Reaktionsgeraden und der Geraden des Säureüberschusses bis zum Schnittpunkt bei einem größeren Karbonatgehalt zu groben Fehlern Veranlassung geben. Ähnlich liegen die Verhältnisse im F a l l e der Neutralisation vorgelegter Säure mit karbonathaltiger L a u g e .
2. Konduktometrische Fällungsanalysen Besonders wichtig ist die konduktometrische Fällungsanalyse, weil es zahlreiche analytisch verwertbare Fällungsreaktionen gibt, für deren Endpunktserkennung ein geeigneter Indikator fehlt. Ihre Prinzipien seien am Beispiel der Fällung der Bromionen einer vorgelegten verdünnten Natriumbromidlösung durch die Silberionen einer relativ konzentrierten Maßlösung von Silberacetat erläutert: Na + + Br" + Ag + + (CH 3 COO)- ->AgBr 4- + Na + + (CH a COO)-. Das entstehende Silberbromid ist praktisch unlöslich und beteiligt sich nicht an der Leitfähigkeit der Lösung. Die Konzentration der Natriumionen bleibt während der Titration praktisch konstant. Das Wesentliche ist, daß zunächst die besser leitenden Bromidionen mehr und mehr verschwinden und durch schlechter leitende Acetationen ersetzt werden. Die Leitfähigkeit nimmt also bis zur beendeten Fällungsreaktion ab. Dann steigt sie durch den Uberschuß der Reagenslösung an. Für die Genauigkeit der konduktometrischen Fällungsanalyse ist die mehr oder weniger große Löslichkeit des betreffenden Niederschlages von Bedeutung. Bei der Bildung extrem schwer löslicher Niederschläge hat der experimentell ermittelte Kurvenzug am Äquivalenzpunkt praktisch kein gebogenes Übergangsstück. Je stärker löslich der Niederschlag jedoch ist, um so länger wird auch das gebogene Ubergangsstück d e Kurvenzuges am Äquivalenzpunkt.
266
Leitfähigkeitstitrationen in siedenden Lösungen
Ferner muß man auf die Beschaffenheit des jeweiligen Niederschlages achten. Am günstigsten ist es, wenn er gleich seine konstante Endzusammensetzung annimmt und nicht noch nachträglich weiter mit der Mutterlauge in Reaktion tritt. Ebenso soll sich die Fällung nach dem Reagenszusatz möglichst schnell bilden und quantitativ abscheiden. Auch dürfen die Niederschläge nicht in nennenswerter Weise Adsorptionserscheinungen zeigen, Einschlüsse enthalten usw. Auf alle diese Fehlerquellen sei hier hingewiesen. 3. Leitfähigkeitstitrationen in siedenden Lösungen
Viele Fällungsreaktionen ergeben die gewünschte Endzusammensetzung des Niederschlages erst nach einigem Stehen. Konduktometrisch bemerkt man dabei, daß die nach jedem Zusatz eines Reagensanteiles sofort gemessene Leitfähigkeit der zu titrierenden Flüssigkeit noch veränderlich ist. Sie strebt im Laufe kürzerer oder längerer Zeit einem konstanten Endwert zu. Bei höheren Temperaturen jedoch stellen sich diese Endwerte in vielen Fällen wesentlich schneller ein. Die während der Titration stets gleichbleibende, aber höhere Temperatur erreicht man leicht mittels eines Dampfthermostaten. Das Leitfähigkeitsgefäß wird hierbei dauernd von reichlichen Mengen Dampf einer konstant siedenden Flüssigkeit (Aceton, Alkohol, Wasser) umspült. Auf diese Weise läßt sich z. B. das sonst schwer titrierbare Sulfation mit Bariumacetat maßanalytisch bestimmen. Die Konstanz der Leitfähigkeit ist in der Nähe von 100° C bei jedem Reagenszusatz nach längstens einer Minute erreicht. Die Kurvenform einer solchen Titration ähnelt der Kurve Fig. 32, S. 249. Die ganze Bestimmung dauert nicht viel mehr als 10 Minuten. Vorbedingung ist, daß die zu titrierende Sulfatlösung, z. B. A m m o n s u l f a t l ö s u n g , neutral reagiert. Nach der Methode läßt sich auch bequem der S u l f a t g e h a l t v o n T r i n k w ä s s e r n bestimmen. Eine A p p a r a t u r , welche sich bei der kondukto-
Anwendungsmöglichkeiten und Kurventypen
267
metrischen Titration heißer Lösungen gut bewährt hat, stellt Fig. 38 dar. Der Rundkolben, der den um das Leitfähigkeitsgefäß gelegten weiten Dampfmantel mit Wasserdampf versorgt, befindet sich seitlich von dem Dampfmantel und dem Leitfähigkeitsgefäß. Dadurch wird es möglich, vom Boden des Leitfähigkeitsgefäßes aus ein während der Titration durch einen guten Schliffkonus verschlossenes Abflußrohr durch den umgebenden Dampfmantel hindurch nach außen zu führen. Durch zwei Federn aus Stahldraht wird der das Rohr verschließende Konus festgehalten. Nach der Titration läßt sich das Leitfähigkeitsgefäß durch Herunterziehen des Verschlußkonus unter Anspannen der Federn entleeren und ausspülen. Diese Anordnung erlaubt eine sehr bequeme Neufüllung des Leitfähigkeitsgefäßes durch den darüber angebrachten Rückflußkühler oder durch einen oben seitlich angebrachFig. 38 ten Tubus. Nach beendeter Titration brauchen die einzelnen Apparateteile nicht auseinandergenommen zu werden, sondern sie bleiben zusammen; dadurch wird eine nicht unerhebliche Zeitersparnis erreicht. Der Rückflußkühler ist durch einen Glasschliff mit dem Leitfähigkeitsgefäß verbunden. Die Anordnung der Elektroden und die Art ihrer Verbindung mit der Meßapparatur sind ähnlich wie bei den in Fig. 33 und 34, S. 254 abgebildeten Leitfähigkeitsgefäßen. Der für konduktometrische Fällungstitrationen in siedenden Lösungen unentbehrliche Rülirer wird durch das Kühlerrohr in das Leitfähigkeitsgefäß eingeführt. Als Bürette verwendet man mit Vorteil eine nach Art der alten Gay-Lussacschen Uberdruck-Büretten umgestaltete Mikrobürette, die 5 ml umfaßt und durch ein kurzes Schlauchstück mit einem seitlich in das Leitfähigkeitsgefäß führenden Kapillarrohr verbunden wird. Die Reagenslösung wird mit einem durch einen Schlauch mit der Bürette verbundenen Gummigebläse in das Leitfähigkeitsgefäß hinübergedrückt.
268
Die Hodifrequenztitration
Der Hauptvorteil dieser Überdruckbürette gegenüber einer auf das Leitfähigkeitsgefäß aufgesetzten Bürette besteht darin, daß eine allzu große Höhenausdehnung der Apparatur vermieden wird. Dadurch wird das Ablesen der Bürette erleichtert.
XX. Die Hochfrequenztitration Im Gegensatz zur Leitfähigkeitstitration, bei der die Änderung des Widerstandes mit in die Probelösung eintauchenden Elektroden gemessen wird, arbeitet die H o c h f r e q u e n z t i t r a t i o n mit Elektroden, die außen am Meßgefäß angebracht sind. Diese Anordnung hat den großen Vorteil, daß eine Veränderung der Elektroden durch chemische Umsetzung und Adsorption ausgeschlossen ist. Auch eine Polarisation wird hierdurch sicher verhindert. Ein Nachteil der Methode ist der wesentlich größere meßtechnische Aufwand. Gleichstrom ist für die Messung der Leitfähigkeit auch bei Außenelektroden nicht brauchbar, denn die Glaswand des Titrationsgefäßes hat einen sehr hohen Ohmschen Widerstand. Eine Änderung des Widerstandes der Lösung bei der Titration bedeutet dem gegenüber eine vemachlässigbar kleine Größe und kann daher nicht gemessen werden. Anders ausgedrückt, bilden Außenelektrode und die Lösungsschicht auf der inneren Glaswand einen Kondensator mit dem Dielektrikum Glas, der für Gleichstrom einen großen Widerstand darstellt. Anders liegen die Verhältnisse, wenn Wechselstrom verwendet wird. Auf Grund der Abhängigkeit der Größe des Wechselstromwiderstandes von der Kapazität und Frequenz, nimmt der gemessene Widerstand mit zunehmender Kapazität und Frequenz ab. Bei hoher Frequenz ist also das Meßgefäß „durchlässig" für Wechselstrom und die Änderung des Wechselstromwiderstandes bei der Titration kann verfolgt werden. Für die Feststellung der Änderung hochfrequenter Ströme ist ein „Schwingkreis" (vgl. die Lehrbücher der Physik) ein geeigneter Indikator. Ein Schwingkreis besteht aus einer Kapazität und einer Induktivität. Bei äußerer An-
Die Hochfrequenztitration
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regung entstehen in diesem Kreis Schwingungen, mit maximaler Amplitude im Fall der „Resonanzfrequenz", d. h., wenn die anregende Frequenz und die des Schwingkreises gleich sind. Die Eigenfrequenz des Schwingkreises hängt von der Dimensionierung seiner Kapazität und seiner Induktivität ab. Die Amplitude der Schwingung wird durch den Ohmschen Widerstand des Schwingkreises bestimmt. Bei zunehmendem Widerstand erfährt die Amplitude eine Dämpfung, d. h. sie wird kleiner. Diese Eigenschaft des Schwingkreises macht man sich bei der Hochfrequenztitration zunutze: die zu titrierende Lösung wird einfach zum Bestandteil des Schwingkreises gemacht, und entweder als Kapazität oder als Induktivität eingeschaltet. Im ersten Fall bildet die Probe das Dielektrikum eines Kondensators, der durch den Ohmschen Widerstand der Lösung überbrückt wird. Im zweiten Fall ist sie die Permeabilität einer Spule. Durch die Eigenschaften der Probe (ihren Ohmschen Widerstand, ihre Kapazität und ihre Induktivität) sind nun die Bedingungen für die Frequenz und die Amplitude der Eigenschwingung des Kreises festgelegt. Im Lauf der Titration ändert sich die Leitfähigkeit der Lösung, d. h. ihr Widerstand, was sich in einer kleiner oder größer werdenden „Dämpfung" des Schwingkreises auswirkt. Am Äquivalenzpunkt kehren sich die Verhältnisse um. Die Titrationskurven nehmen einen ähnlichen Verlauf wie bei der Leitfähigkeitstitration (Fig. 39, nach Cruse). Die Schärfe des Umschlagspunktes ist aber von der Anfangsleitfähigkeit der Lösung abhängig und wird durch die „Kennkurve" der Titrationszelle bestimmt (s. weiter unten). Die „Kapazitätszelle" ist ein Glasgefäß, das die zu titrierende Lösung enthält und das außen mit den Kondensatorplatten versehen ist; bei der „Induktivitäts"- oder „Spulenzelle" stedct das Meßgefäß in der Spule. Grundlage der Messung sind die „Kennkurven" der Zellen, die je nach dem verwendeten Meßverfahren (Wirkkomponenten-Verfahren, wenn der Meßwert Ausdruck des Wirkwiderstandes der Impedanz ist oder Blindkomponenten-Verfahren, wenn er sich auf den Blindwider-
270
Die Hochfrequenztitration
! ! 1 i : : ' j ! •1 : j ! ' j j I ' j i Leitfähigkeit F i g . 39
stand bezieht) eine andere Form haben. Die Kennkurven stellen die Abhängigkeit des Leitwertes (das ist der reziproke Wert des Wirk- oder Blindwiderstandes) vom Logarithmus der Leitfähigkeit dar und haben Glocken- oder S-Form. Bei der Titration soll man sich wegen der Meßempfindlichkeit möglichst in einem Bereich der Leitfähigkeit bewegen, der auf den steilen Flanken der Kurven liegt (Fig. 39), was eine ungefähre Kenntnis der Leitfähigkeit der zu titrierenden Lösung voraussetzt. Die Titrationskurven selbst haben zwar die Form der bei der Leitfähigkeits-Titration entstehenden Kurven, jedoch ist ihre Gestalt abhängig von der Leitfähigkeit am Äquivalenzpunkt und damit von der Lage auf der Kennkurve. In der Fig. 39 ist die Kennkurve einer Kapazitätsmeßzelle wiedergegeben und zwar für die Wirkkomponente (als Wirkleitwert ist der reziproke Wirkwiderstand aufgetragen). Man sieht deutlich anhand der aufgetragenen Titrationskurven, daß die Bedingungen für eine Indikation in den steilen Ästen der Kennkurve am günstigsten sind. Trotz der Notwendigkeit, die Frequenz und die Zelldimensionierung zur Erreichung optimaler Empfindlichkeit dem Titrationsproblem anzupassen und auch die Leitfähig-
Die Potentiometrie
271
keit und Dielektrizitätskonstante annähernd zu kennen, ist die elektrodenlose Hochfrequenztitrationsmethode in starker Entwicklung begriffen. Bei manchen Problemen bietet sie gegenüber der Konduktometrie Vorteile: z. B. entfallen alle Elektrodenstörungen, wie sie durch Polarisation, Adsorption usw. bei der Konduktometrie auftreten können. Bestimmungen in sehr schlecht leitenden Lösungen (z. B. bei geringer Konzentration) oder in Lösungen mit sehr guter Leitfähigkeit (z. B. bei hohem Fremdelektrolytgehalt) sind möglich. Bemerkenswert ist, daß sämtliche Äquivalenzpunkte mehrbasiger Säuren, z. B. der Phosphorsäure (A. H. Johnson u. A. Timmick 1956), in einer Titration erfaßt werden können. Ein besonderes Anwendungsgebiet der Hochfrequenztitration ist die Titration in nichtwäßrigen Lösungsmitteln. Im Rahmen dieses Buches kann auf Einzelheiten nicht näher eingegangen werden. Es sei auf die Darstellungen [30] und [31] hingewiesen. Zweiter Abschnitt DIE POTENTIOMETRIE Die P o t e n t i o m e t r i e beruht auf der Spannungsänderung, die eine eingetauchte Indikatorelektrode während der Titration gegen die Lösung zeigt. Die Elektrode muß so gewählt werden, daß sie nur auf die Konzentration des Ions anspricht, das bestimmt werden soll. Es besteht also hier eine Parallele zu der Titration mit Farbindikatoren. Um z. B. eine Silbersalzlösung zu titrieren, wird man eine Silberelektrode wählen, zur Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration einen von WasserFig 40 umspülten Platindraht, der sich wie eine Wasserstoffelektrode verhält. Man mißt also die Änderung, die das Potential einer in die ml der Masat&nmg titrierte Lösung tauchenden Elektrode im Verlauf der Titration erfährt, und trägt die so
272
D i e E l e k t r o d e n poten tialr
erhaltenen, verschiedenen Spannungswerte in Abhängigkeit von der Reagensmenge graphisch auf (Fig. 40). Die Abszisse des Wendepunktes der erhaltenen Kurve zeigt den gesuchten Reagensverbrauch bis zum Äquivalenzpunkt an. XXI. Die theoretischen Grundlagen der Potentiometrie 1. Die Elektrodenpotentiale und ihre Abhängigkeit von der Konzentration
Unter O x y d a t i o n s und Reduktionsrea k t i o n e n versteht man, wie bereits im III. Kapitel S. 41 auseinandergesetzt wurde, Vorgänge, für die ein wechselseitiger Austausch elektrischer Ladungen zwischen den Reaktionsteilnehmern, dem Oxydations- und dem Reduktionsmittel, charakteristisch ist. Das Reduktionsmittel gibt Elektronen ab, das Oxydationsmittel nimmt sie auf: Reduktionsmittel ^ Oxydationsmittel + ne. Taucht man in eine Lösung, in der oxydierende und reduzierende Stoffe miteinander reagieren, eine metallische Elektrode, so findet ein der Konzentration der Reaktionsteilnehmer in der Lösung proportionaler Umsatz an der Oberfläche der Elektrode statt. Für diesen Anteil stellt also die Elektrodenoberfläche gewissermaßen das Medium dar, in dem der Elektronenaustausch stattfindet, und man beobachtet, daß die Elektrode ein meßbares und — wenn der Oxydations-Reduktionsvorgang seinen Gleichgewichtszustand erreicht hat — ein konstant bleibendes und reproduzierbares elektrisches Potential gegenüber der Lösung annimmt. Dieses E l e k t r o d e n p o t e n t i a l wird bedingt durch die in jedem Zeitelement gerade im Austausch befindlichen, an der Elektrodenoberfläche haftenden freien Elektronen. Maßgebend für seine Größe ist also der Elektronenumsatz an der Elektrode und damit die Konzentration der an dem Oxydations- und Reduktionsvorgang beteiligten Stoffe. Umgekehrt muß daher das Elektrodenpotential Rückschlüsse auf die Konzentrationsver-
Die theoretischen Grundlagen der Potentiometrie
273
hältnisse der Lösung erlauben: Das ist die Grundlage der potentiometrischen Maßanalyse! Wenn also ein Platindraht oder eine andere mit den Bestandteilen der Lösung nicht reagierende „indifferente" Edelmetallelektrode, in eine Lösung taucht, die Eisen(II)und Eisen(III)-ionen enthält, so spielt sich an seiner Oberfläche der Vorgang p e 2 + ^ p e 3 + + e ab, und die mit £ bezeichneten freien Elektronen laden die Oberfläche der Platinelektrode im Moment ihres Austausches gegenüber der Lösung negativ auf. Die Elektrode nimmt ein meßbares elektrisches Potential an, das einen konstanten Endwert erreicht, sobald der potentialliefernde Vorgang seinen Gleichgewichtszustand erreicht hat. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Gleichgewichtseinstellung vollzieht, ist natürlich von Reaktion zu Reaktion verschieden und hängt auch von den Versuchsbedingungen ab. Auch andere Oxydations- und Reduktionsvorgänge vermögen sich an einer Edelmetallelektrode ins Gleichgewicht zu setzen und ihr ein Potential zu erteilen. Eine palladinierte Palladiumelektrode, die in verdünnte Salzsäure taucht, werde an ihrer Oberfläche mit gasförmigem Wasserstoff beladen. Dieser ungeladene, elementare Wasserstoff setzt sich nun mit den Wasserstoffionen der Säurelösung gemäß dem Oxydations-Reduktionsvorgang: H2 ^ 2 H + + 2 e an den Elektrodenoberflächen ins Gleichgewicht, und die Elektrode nimmt wieder gegenüber der Lösung ein meßbares Potential an. Und ebenso wie der Ladungsaustausch zwischen dem ungeladenen Wasserstoff und seinen Ionen ein potentialliefernder Oxydations-Reduktionsvorgang ist, so vermögen auch alle Gleichgewichtsreaktionen, die sich zwischen ungeladenen Metallen und ihren Ionen abspielen, z. B.: Ag ^ Ag+ + e Hg^Hg++£ Cu ^ Cu 2+ + 2 e Bi ^ B i 3 + + 3 £ 18
Jander-Jahr, Maßanalyse
274
Die Elektrodenpotentiale
die Oberfläche metallischer Elektroden elektrisch aufzuladen. Auch hier können indifferente Edelmetallelektroden zur Verwendung kommen: ein amalgamierter Platindraht, der in eine Quecksilber(I)-salzlösung taucht, ein verkupferter Platindraht in einer Kupfer(I)-salzlösung oder endlich ein blanker Platindraht, der mit irgendeinem metallischen Niederschlag, z. B. Wismut, in der zugehörigen Metallsalzlösung, z. B. Wismutnitratlösung, in Berührung steht; sie alle nehmen ein Potential an, das jeweils durch den entsprechenden Oxydations-Reduktionsvorgang bestimmt wird. In allen bisher besprochenen Fällen hat die Natur des Elektrodenmetalls, da es sich ja an dem potentialliefernden Vorgang selbst nicht beteiligt, sondern lediglich das Medium für den Elektronenaustausch darstellt, keinerlei Einfluß auf das Potential: Sowohl eine Palladium- wie eine Platinelektrode nehmen, mit Wasserstoff von 1 at beladen, gegenüber der gleichen Säurelösung das gleiche Potential an. Wenn sich dagegen der Elektronenaustausch zwischen einem Metall, z. B. Silber, und seinen Ionen, z. B. Silberionen, vollzieht, so ist eine indifferente, am eigentlichen Vorgang unbeteiligte Edelmetallelektrode nicht unbedingt erforderlich. An ihre Stelle kann dann vielmehr als guter elektrischer Leiter auch das an der Reaktion teilnehmende Metall selbst treten: Ein in eine Silbersalzlösung tauchender Silberdraht, Stäbe von Zink oder Kupfer, die in Zinkbzw. Kupfersalzlösungen tauchen, nehmen also an ihrer Oberfläche ebenfalls Potentiale an, die durch die zugeordneten Oxydations-Reduktionsprozesse bestimmt werden. Die Elektrode hat in solch einem Spezialfall zwei scharf voneinander zu trennende Funktionen: Sie ist erstens, wie die indifferente Elektrode, das Medium für den Elektronenaustausch, und ihr Metall erscheint zweitens als niedere Oxydationsstufe in der Reaktionsgleichung des potentialbestimmenden Vorgangs. Diese zweite Funktion der Elektrode hat natürlich zur Folge, daß hier ein
Die theoretischen Grundlagen der Potentiometrie
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spezifischer Einfluß des Elektrodenmaterials auf die Größe des Potentials konstatiert werden kann. Ganz allgemein wird die als Elektrodenpotential beobachtete Spannungsgröße bestimmt: 1. Durch den diemischen Vorgang, der sich an der Elektrode ins Gleichgewicht setzt, 2. durch die Temperatur, 3. durch die im Verlauf des Oxydations-Reduktionsprozesses ausgetauschten und in der Reaktionsgleichung erscheinenden L a d u n g e n (e) und 4. durch die Konzentrationen der a m Umsatz beteiligten Stoffe. Auf die Größen, die das makroskopisch in Erscheinung tretende und meßbare Elektrodenpotential zusammensetzen und auf die Mikrovorgänge an den Elektroden kann hier nicht näher eingegangen werden. Es wird Gelegenheit sein, bei der Besprechung der Polarisation von Elektroden einige wichtige Zusammenhänge anzudeuten (s. S 319). Für ein eingehendes Studium der Grundlagen seien die Darstellungen von Kortüm [89] und Vetter [139] empfohlen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, muß aber nach drücklich darauf hingewiesen werden, daß das Elektrodenpotential Folge einer Gleichgewichtseinstellung an der Elektrodenoberfläche ist, d. h. die potentialbestimmenden Reaktionen laufen im Gleichgewichtszustand mit g l e i c h e r G e s c h w i n d i g k e i t ab. Die eine Reaktion wird von der anderen, gleich schnell verlaufenden, kompensiert. Voraussetzung für das konstante Gleichgewichtspotential ist das Fehlen eines chemischen Umsatzes an der Elektrode, die ja die Phasengrenze Metall/Metallion darstellt. Ein äußerer Strom darf also nicht durch die Phasengrenze fließen (vgl. auch 5. 293 u. 320), da sonst Umsatz erfolgen würde (Faradaysches Gesetz). Diese Forderung steht nicht im Widerspruch zum dynamischen Gleichgewicht, das ja mit einem Umsatz verbunden ist, denn die durch den Austausch bedingten anodischen und kathodischen Stromdichten kompensieren sich. Die „Austauschstromdichte", das ist die Größe der Stromdichte im Gleichgewichtszustand, ist in der Elektrochemie besonders als Maß für die Störempfindlichkeit (Uberspannung, Polarisation) des Gleichgewichtspotentials von Bedeutung geworden (vgl. [138]). Erwähnt sei ferner, daß die Verhältnisse an den Elektroden nicht immer so einfach zu übersehen sind wie z. B. bei der Gleichgewichtsreaktion Ag Ag+ + e, die a l l e i n po18*
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Die Elektrodenpotentiale
tentialbestimmend ist (sog. „einfädle Elektroden"). Bei „Mehrfachen Elektroden" können zwei oder mehrere Vorgänge potentialbestimmend sein. Der Elektrodenreaktion Zn ^ Zn 2 + + 2 e z. B. läuft die Reaktion 2 H t + 2 e ^ H ! parallel. Stehen die potentialbestimmenden Ionen gleichzeitig noch mit einer weiteren festen Phase im Gleichgewicht (z. B. Ag + mit Ag und AgCl in der als B e z u g s e l e k t r o d e bekannten Silber-Silberchloridelektrode), dann sprechen wir von einer „Elektrode zweiter Art".
Hypothetische Vorstellungen über die Entstehung des Elektrodenpotentials hat W. Nernst (1889) entwickelt und hieraus die nach ihm benannte N e r n s t s c h e G l e i c h u n g abgeleitet. Die Abhängigkeit der Größe des Potentials findet in der Gleichung ihren quantitativen Ausdruck. Nernst ging von der Vorstellung aus, daß die Metalle ein unterschiedliches Bestreben haben, in Lösung zu gehen (elektrolytische Lösungstension des Metalls), d. h. unter Abgabe von Elektronen positiv geladene Ionen zu bilden. Maß hierfür ist nach Nernst der „Lösungsdruck" P des Metalles. Diesem Lösungsdruck wirke, der osmotische Druck p der Metallionen in der Lösung entgegen, der bestrebt sei, die positiv geladenen Metallionen als ungeladene Metallatome abzuscheiden. Ist P > p, so gehen aus dem Metall positiv geladene Ionen in Lösung, und das Metall bleibt negativ geladen zurück, ist aber umgekehrt p > P, so überträgt ein Teil der positiv geladenen Ionen in der Lösung seine Ladung auf das Metall; dieses lädt sich also positiv, die Lösung dagegen negativ auf. Mit Hilfe eines Kreisprozesses (vgl. die Lehrbücher der physikalischen Chemie) hat Nernst nun für das Elektrodenpotential eines Metalls, das in die Lösung eines seiner Salze eintaucht, die folgende Beziehung ermittelt n •i7
-m
p
(1)
In diesem Ausdruck bedeutet e das Potential der Elektrode gegen die Lösung. Es soll in den folgenden Ableitungen als negativ angenommen und mit einem Minuszeichen gekennzeichnet werden. T ist die absolute Temperatur,
Die theoretischen Grundlagen der Potentiometrie
277
R die allgemeine Gaskonstante, n die Anzahl der pro Mol ausgetauschten Elektronen und F die beim Austausch einer elektrischen Elementarladung durch ein Grammäquivalent übergeführte Elektrizitätsmenge (1 F = 1 Faraday = 96 494 Coulomb). P bedeutet die elektrolytische Lösungstension des Metalls der der osmotische Druck p der Metallionen in der Lösung entgegen wirkt. Der elektrolytische Lösungsdruck P ist der Konzentration der Lösung an ungeladenem Metall, C, der osmotische Druck p ihrer Metallionenkonzentrationen, c direkt proportional. Daher gilt: P = kj-C und p = k 2 - c. Man kann also schreiben: I n f 1 ' C Volt (2) n•F k2 • c / R - T , k,\ / R - T . C \ „ , (n • F ' k^/ ("nTF' cj ® Wenn nun ein bestimmtes Metall bei einer definierten Versuciistemperatur als Elektrode in die Lösung eines seiner Salze getaucht wird, so sind die Größen R, T, n und F, sowie definitionsgemäß auch k } und k2 konstant. Und da die Lösung an ungeladenem Metall sozusagen gesättigt ist. so ist auch dessen Konzentration, C, als konstant einzusetzen. Gleichung (3) läßt sich also folgendermaßen umformen: e ==
und man erhält, wenn man die natürlichen durch die dekadischen Logarithmen ersetzt: R-T 1 kt , n-F" 0 , 4 3 4 3 ' l 0 g k ; ' C j + (g) In Gleichung (5) erscheinen sämtliche Größen des ersten Gliedes als Konstanten. Man kann daher setzen:
278
Die Elektrodenpotentiale
/'R-T
1
k,
~ I n T F " 0 4 3 4 3 ' l o g k, ' C J
=
k
°nSt
=
Durch Einsetzen in Gleichung (5) ergibt sich: e
^eo + (ni|-(Mb-loSC)Volt
6
°"