Lehrbuch des preussischen Privatrechts und der Privatnormen des Reichs: Band 3 [Reprint 2020 ed.] 9783112384442, 9783112384435


193 116 36MB

German Pages 748 Year 1879

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Lehrbuch des preussischen Privatrechts und der Privatnormen des Reichs: Band 3 [Reprint 2020 ed.]
 9783112384442, 9783112384435

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Lehrbuch des

Preußischen Privatrechts und der

Privatrechtsnormen des Reichs von

Dr. Heinrich Dernburg, Geheimem Justizrath, Professor an der Universität 8erlut, Mtglied des Herrenhauses.

Dritter Nand.

Halle a. S., Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1880.

Vorwort. Mit der Vollendung des dritten Bandes,

welcher dieses Werk

abschließt, fällt ein bedeutsamer Abschnitt meines Lebens zusammen. Es sind gerade fünfundzwanzig Jahre, seit ich die Professur mit dem

Lehramt des gemeinen Rechts an der Universität Zürich antrat.

Dann

nach Preußen berufen, widmete ich mich als Docent wie als Schrift­

steller neben dem gemeinen Recht dem Recht der neuen Heimat.

den

Rechtsdisciplinen

sollte

das

vorliegende

Werk

dienen.

Bei­

Die

deutsche historische Schule, welche die dauernden Grundlagen der wis­ senschaftlichen Jurisprudenz legte,

hat das reine römische Recht in

unvergleichlich höherm Maße als in frühern Epochen unserm Verständ­ niß erschlossen.

Derzeit nun wird es in weiterer Durchführung ihrer

Gedanken vorzugsweise Aufgabe der gemeinrechtlichen Wissenschaft sein, festzustellen, in welchem Umfang und Sinn die römischen Rechtssätze

thatsächlich in Deutschland ausgenommen wurden und in dem Recht

der Gegenwart lebendig wirksam sind, wobei die angebliche Reception der justinianischen Rechtssammlung als eines Ganzen der Wirklichkeit gegenüber kaum Stand halten dürfte.

Schwerlich aber führt irgend

eine Quelle den durchschnittlichen Rechtszustand Deutschlands nach der Receptionszeit treuer vor Augen, als das aus der Praxis des vorigen

Jahrhunderts heroorgegangene

und auf ihrem Boden römisches und

deutsches Recht verbindende preußische Landrecht,

welches nicht ein

Partikularrecht in gewöhnlichem Sinne sein, sondern das gemeine Recht zusammenfassen und ersetzen sollte.

Dieses Recht, in der praktischen

Anwendung eines beträchtlichen Gebietes, während eines fast hundert­

jährigen Zeitraums weiter entwickelt,

durch die Gesetzgebung eines

großen Staates unablässig ausgebildet, ist ein wichtiges Mittelglied der deutschen Rechtsentwicklung geworden und bildet naturgemäß das

Vorwort.

IV

wesentliche Fundament des dereinstigen deutschen Privatrechls.

Eine

derartige Anknüpfung liegt nicht blos im Interesse Preußens, welches

den Zusammenhang seines Privatrechts mit der fridericianischen Epoche und seiner späteren Geschichte nur zum Schaden von Volk und Staat völlig lösen würde,

sie ist nicht weniger für die übrigen deutschen

Stämme wünschenswerth, da diesen mit einer wurzellosen bloß eklekti­

schen , einer festen Jnterpretationsgrundlage entbehrenden Gesetzgebung

nicht gedient sein kann.

Zu solcher Anlehnung werden denn auch die

Verfasser des bürgerlichen Gesetzbuchs durch die Nothwendigkeit der

Dinge geführt werden.

Sind doch auch bisher die besseren Gesetze des

deutschen Reichs, das Strafgesetz, die Gesetze über Urheberrecht, die Konkursordnung auf der Grundlage praktisch bewährter preußischer Gesetze entstanden.

Hat dieses Werk dazu beigetragen, die Bedeutung des preußischen Privatrechts bestimmter zum Bewußtsein zu bringen, so darf ich mich

wohl seiner Vollendung freuen.

wie sehr

der Antheil,

Dabei habe ich dankbar anzuerkennen,

welchen das juristische Publikum an seinem

Fortgang nahm, dazu beitrug, meine Hingebung an dasselbe zu steigern und die Liebe zu dieser Arbeit zu fördern, welche neben ungestörter Rüstigkeit und voller Kraft zur Lösung der umfassenden Aufgaben, die

ich mir gestellt hatte, nothwendig war. Berlin, den 18. November 1879.

Heinrich Dernburg.

Inhaltsverzeichnis Mnftes Buch. Personeurecht und Familienrecht. §. 1.

Einleitende Bemerkungen S. 1.

Erster Abschnitt. Erstes Kapitel.

Eherecht.

Allgemeine Grundsätze.

§. 2. Die Ehe als Rechtsinstitut S. 5. — §. 3. Die Ehe zur linken Hand S. 7. — §. 4. Kollision der Statuten über Eherecht S. 10. — §. 5. Zwin­ gende und dispositive Eherechtsnormen S. 12. — §. 6. Vereinbarungen der Ehegat­ ten über die Vermögensfolgen der Ehe S. 14. — §. 7. Die Form der Verträge über das Vermögen der Eheleute S. 17. — §. 8. Ungültige und nichtige Ehen S. 19. — §. 9. Besonderes Verfahren in Ehesachen S. 21.

Zweites Kapitel.

Oie Ehegelöbnisse.

§. 10. Die Ehegelöbnisse nach preußischem §. 11. Nichterfüllung des Ehegelöbnisses S. 28. Drittes Kapitel.

und deutschem Recht S. 24. —

Die Eheschließung.

§. 12. Die Form der Eheschließung S. 30. — §. 13. Materielle Erforder­ nisse der Eheschließung. Einwilligung der Ehegatten S. 35. — §. 14. Heirathskonsens der Eltern und Vormünder S. 38. — §. 15. Die Ehehindernisse, a) Trennende S. 43. — §. 16. b) Einfache Ehehindernifse S. 47. Viertes Kapitel.

Auflösung der Ehe.

§. 17. Die Auflösungsgründe S. 49. — §. 18. Ehescheidung S. 49. — §. 19. Fortsetzung. Einzelpunkte S. 57. — §. 20. Wirkungen der Scheidung S. 61. Fünftes Kapitel.

§. 21. fähigkeit der S. 71.

Die persönliche Rechtsstellung der Ehegatten.

Allgemeines. Stellung nach Außen S. 64. — §. 22. Handlungs­ Ehefrauen S. 68. — §. 23. Gegenseitige Rechte und Pflichten A.

Gütertrennung.

§. 24. Die Grundlagen S. 73. — §. 25. Umfang des Frau S. 76. — §. 26. Liberalitäten unter Ehegatten S. 79. — §. gegen die Frau S. 81. — §. 28. Borbehaltnes Vermögen S. Die Jllaten, Umfang S. 86. — §. 30. Rechte des Mannes S. Rechte der Ehefrau S. 93. — §. 32. Auseinandersetzung S. Erbschatz S. 100.

B.

Vermögens der 27. Präsumtion 83. — §. 29. 88. — §. 31. 95. — §. 33.

Allgemeine Gütergemeinschaft.

§. 34. Fälle der Geltung S. 101. — §. 35. Wesen der allgemeinen Güter­ gemeinschaft S. 105. — §. 36. Die Rechtsverhältnisse im Allgemeinen S. 108. ♦♦

Inhaltsverzeichnis

VI

— §. 37. Die Verwaltung der gemeinsamen Masse S. 109. — H. 38. Auf­ hebung der Gütergemeinschaft während der Ehe S. 114. — §. 39. Beendigung der Gütergemeinschaft in Folge des Todes eines Ehegatten S. 116. — §. 40. Fortsetzung, Ehescheidung S. 120. — §.41. Die partikuläre Gütergemeinschaft S. 121.

Zweiter Abschnitt. Die eheliche Verwandtschaft und die väterliche Gewalt. Erstes Lapitel.

Die eheliche Verwandtschaft, Rechtsfolgen.

§. 42. Die eheliche Abstammung S. 124. — §. 43. Jllegitimitätsklage S. 127. — §. 44. Die Klage auf Anerkennung des Kindes Verhältnisses S. 130. — §. 45. Die Alimentationspflicht der Verwandten S. 131. — §. 46. Recht auf Ausstattung S. 138.

Zweites Lapitel.

Die väterliche Gewalt.

§. 47. Allgemeines S. 140. — §. 48. Die normale Beendigung der Ge­ walt S. 141. — §. 49. Außerordentliche Beendigung, Suspension und Beschrän­ kung der Gewalt S. 145. — §. 50. Rechte des Gewalthabers bezüglich der Person des Kindes S. 147. — §. 51. Das Erziehungsrecht der Eltern S. 148. — §. 52. Handlungsfähigkeit der Hauskinder S. 152. — §. 53. Vermögensrecht­ liche Wirkungen der Gewalt S. 156. — §. 54. Das freie Kindesvermögen S. 158. — §. 55. Das nichtfreie Kindesvermögen S. 161. — §. 56. Ausein­ andersetzung mit den Kindern beim Uebergang zur zweiten Ehe S. 167. — §. 57. Sicherstellung des nichtfreien Kindesvermögens S. 169. — §. 58. Ausantwortung des Kindesvermögens nach dem Erlöschen der Gewalt S. 173.

Drittes Lapitel.

Die außerordentliche Segründnng der väterlichen nnd elterlichen Lechtc.

§. 59. Die Legitimation durch nachfolgende Ehe S. 174. — §. 60 Legit imation durch Reskript S. 177. — §. 61. Annahme an Kindesstatt. Einleitung S. 178. — §. 62. Begründung des Adoptionsverhältnisses S. 180. — §. 63. Wirkungen der Kindesannahme. Endigung S. 181. — §. 64. Pflegekinder S. 183. -- §. 65. Einkindschaft. Begriff S. 185. - §. 66. Einkindschafts­ vertrag S. 186. — §. 67. Wirkungen der Einkindschaft. Endigung des Verhält­ nisses S. 188.

Dritter Abschnitt. Außereheliche Geschlechtsverbindung. Die Unehelichen. §. 68. Die Verwandtschaftsverhältnisse Unehelicher S. 191. — §. 69. An­ sprüche der Geschwängerten gegen den Schwangerer S. 193. — §. 70. Die Aus­ schließungsgründe S. 196. — §. 71. Rechte der unehelichen Kinder gegen den Erzeuger S. 199. — §. 72. Kinder aus nichtigen oder ungültigen Ehen S. 204

Vierter Abschnitt. Das Vormundschaftsrecht. §. 73. Einleitung S- 206. — §. 74. Die Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 S. 208. — §. 75. Vormundschaft und Pflegschaft S. 214. — §. 76. Fälle der Vormundschaft S. 215. — §. 77. Das Vormundschaftsgericht S. 217. — §. 78. Der Waisenrath S- 221. — §. 79. Vormünder und Gegen­ vormünder S. 222. — §. 80. Gesetzliche Vormundschaft S. 226. — §. 81. Richterliche Berufung zur Vormundschaft S. 228. — §. 82. Unfähigkeit zur Vor­ mundschaft, Entschuldigungsgründe S. 230/ — §. 83. Rechte und Pflichten des Vormundes S. 233. — §. 84. Gegenseitige Rechte und Pflichten von Vormund und Mündel S. 238. — §. 85. Genehmigung zu gewissen Verwaltungsakten S. 240. — §. 86. Die Kontrole des Vormundschaftsgerichts S. 244. — §.87. Beendigung der Vormundschaft S. 248. — §. 89. Die Pflegschaft S. 251.

Znhaltsverzeichniß.

VII

Sechstes Buch. Das Erbrecht. Erster Abschnitt. Die Grundzüge. §. 90. Stellung des Erbrechts im Rechtssystem S. 255. — §. 91. Das gemeine deutsche Erbrecht S. 256. — §. 92. Das preußische Erbrecht S. 260. — §. 93. Die Berufungsgründe S. 262. — §.94. Verhältniß der Berusungsgründe S. 264. — §. 95. Eröffnung der Erbschaft S. 267. — §. 96. Vererbliche Rechte S. 269. — §. 97. Der Nachlaß als Einheit S. 273. — § 98. Spe­ cialerbfolge S- 275. — §. 99. Der Erbschaftserwerb S. 277. — §. 100. Erb­ fähigkeit S- 278. — §. 101. Erbunwürdigkeit S. 282.

Zweiter Abschnitt. Die einseitigen letztwilligen Verfügungen. Erstes Kapitel.

tz. 102. Das Testament S. 286. tz. 104. Die Testirfähigkeit S, 290. — einer letztwilligen Verfügung S. 297.

Zweites Kapitel.

Einleitung.

— §. 103. Die Kodicille S. 288. — §. 105. Verhinderung an der Errichtung

Form vcr Errichtung -er lctztwilligen Verfügungen.

§. 106. Geschichtliches S. 299. §. 107. Die Urkundspersonen. Das Testamentsgericht S. 301. — §. 108. Zeugen und Dolmetscher S. 305. — §. 109. Erbunfähigkeit der bei der Errichtung mitwirkenden Personen S. 308. — §. 110. Der Akt der Errichtung S. 310. — §. 111. Die Details des Akts S. 312. — §. 112. Testamente der Blinden, Analphabeten, Tauben und Stum­ men S. 317. — §. 113. Testamente vor Dorfgerichten, Magistraten und Audi­ teuren S. 318. — tz. 114. Privilegirte Testamente. Das Soldatentestament S. 321. — §. 115. Quasimilitärische Testamente S. 324. — §. 116. Das privilegirte Testament unter Kindern S. 325. — §. 117. Außergerichtliche Ver­ mächtnisse S. 327. — §. 118. Nachzettel S. 329. Drittes Kapitel.

Die allgemeinen Grundsätze über letztwillige Verfügungen.

§. 119. Bestimmtheit und Selbständigkeit des Willens S. 332. — §. 120. Die Willenserklärung S. 335. —- §. 121. Vollendung der Erklärung S. 338. — §. 122. Auslegung letztwilliger Verordnungen S. 340. — §. 123. Zeitbestim­ mungen bei letztwilligen Zuwendungen S. 343. — §. 124. Bedingungen S. 345. — §. 126. Unmögliche und unsittliche Bedingungen S. 352. — §. 127. Wil­ lensmängel S. 355. Viertes Kapitel.

Die Erbeseinsrtzung.

§. 128. Erfordernist'e der Erbeseinsetzung S. 358. — §. 129. Die Mit­ erben S. 361. — §. 130. Das Anwachsungsrecht unter Miterben S. 366. — §. 131. Erbeinsetzung auf Einzelobjekte S. 368. Fünftes Kapitel. Die Vermachtniste.

1.

Begriff,

Inhalt, Umfang.

§. 132. Begriff des Vermächtnisses S. 370. — §. 133. Beschränkung der Vermächtnisse auf den Betrag des Nachlasses S. 373. — §. 134. Die falcidische Quart S. 375. — §. 135. Personen des Vermächtnisses S. 377. — §. 136. Fortsetzung. Der Belastete S. 379. — §. 137. Das Prälegat S. 382. — §. 138. Gegenstand des Vermächtnisses S. 384. — §. 139. Umfang des Ver­ mächtnisses S. 387. — §. 140. Lasten der vermachten Sache S. 389. — §. 141. Surrogate des vermachten Objekts S. 391. — §. 142. Ungültige Vermächtnisse S. 393.

vni

Inhaltsverzeichnis II.

Erwerb

der Vermächtnisse, Wirkungen des Erwerbs.

§. 143. Die Weise des Erwerbs S. 394. — §. 144. Die Wirkungen des Erwerbs S. 396. — §. 145. Die Rechtsmittel des Legatars S. 398. — §. 146. Sicherstellung der Vermächtnisse S. 401.

III. § . S. 404. S. 406. Befreiung §. 153. S. 420.

Besondre Arten von Vermächtnissen.

147. Vermächtniß eines Inbegriffs S- 403. — §. 148. Genuslegat — §. 149. Vermächtniß von Alimenten, der Aussteuer, von Renten — §. 150. Das Vermächtniß von Forderungen ^>. 408. — §. 151. von einer Schuld S- 411. — §. 152. Schuldvermächtniß S. 413. — Wahlvermächtniß S. 417. — tz. 154. Schenkungen von Todeswegen

Sechstes Lapitel.

Die Substitutionen.

§ . 155. Die gemeine Substitution S. 424. — §. 156. Die fideikommissa­ rische Substitution. Einleitung S. 427. — §. 157. Die Anordnung der fidei­ kommissarischen Substitution S. 429. — §. 158. Rechsverhältnisse vor Eintritt des Substitutionsfalles S. 432. — 159. Eintritt des Substitutionsfalles S. 436. — §. 160. Fideikommiß auf den Ueberrest S. 439. — §. 161. Pu­ pillarsubstitution S. 442.

Siebentes Kapitel.

§ . 162. Allgemeines. mungen S. 447.

Ändrc Arten von tchtwilligen Verfügungen.

Der Modus S. 445. —

Achtes Lapitel.

§. 163.

Einzelne Bestim­

Die Testamentscrekutorcn.

§ . 164. Einleitung. Wesen der Testamentsexekution S. 449. — tz. 165. Anordnung der Testamentsexekution S. 452. — §. 166. Umfang der Rechte der Testamentsexekutoren S. 454. — §. 167. Rechtsgeschäfte des Testamentsexeku­ tors S- 458. — §. 168. Rechte und Pflichten des Erben gegenüber dem Testamentsexekutor S. 460. — §. 169. Beendigung der Testamentsexekution S. 461.

Ueuutts Kapitel.

Entkräftung letztwilliger Verfügungen.

tz. 170. Einleitung. Entkräftung ohne den Willen des Erblassers S. 462. — §. 171. Entkräftung letztwilliger Verfügungen. Widerruf S. 464. — §. 172. Er­ richtung eines^ neuen Testaments oder Kodicills S. 467. — tz. 173. Rücknahme des Testaments aus der gerichtlichen Verwahrung S. 471.

Dritter Abschnitt. Erbverträge und wechselseitige Testamente. Erstes Kapitel.

Die Erbverträge.

§. 174. Einleitung S. 474. — §. 175. Affirmative Erbverträge. Der Erbeinsetzungsvertrag S. 475. — §. 176. Voraussetzungen und Abschluß des Erb­ vertrags S. 477. — §. 177. Wirkungen des Erbeinsetzungsvertrags S. 481. — §. 178. Entkräftung des Erbeinsetzungsvertrags S. 484. — §. 179. Partikulare Erbverträge S. 485. — §. 180. Erbentsagungsverträge. Erfordernisse S. 486. — §. 181. Inhalt und Wirkung des Erbentsagungsvertrags S. 489.

Zweites Lapitel.

Wechselseitige Testamente.

§. 182. Begriff. Zulässigkeit S. 491. — §. 183. Inhalt und Auslegung korrespektiver Testamente S. 483. — §. 184. Die Wirkungen der Korrespekttvität S- 497.

Vierter Abschnitt. Die gesetzliche Erbfolge. §. 181.

Allgemeine Sätze S. 501.

ix

Jnhaltsverzeichniß. Erstes Kapitel.

Die Verwan-tenerbfolge.

186. Die erbberechtigten Verwandten S. 503. — §. 187. Die Erbfolgeordnung. Einleitung S. 506. — §. 188. Die Klaffen und der Theilungsmodus S. 508. — §. 189. Detailpunkte S. 511. Zweites Kapitel.

Die Äntestaterbfolgc von Uichtverwandten.

§. 190. Die Erbfolge der Ehegatten. Einleitung S. 514. — §. 191. Das Erbrecht der Ehegatten im Einzelnen S. 517. — tz. 192. Erbrecht unehelicher Kinder S. 521. — §. 193. Erbrecht der Berpfleger S. 523. — §. 194. Erb­ recht des Fiskus, der Stadtgemeinden S. 526.

Fünfter Abschnitt. Das Pflichttheilsrecht. I.

Das Allgemeine.

§. 195. Geschichtliche Entwicklung S. 530. — §. 196. Die Grundgedanken des preußischen Pflichttheilsrechts S. 536. — §. 197. Der Pflichttheil als Theil der Jntestatportion S. 541. II. Das Pflichtth eilsrecht der Descendenten.

§. 198. Die berechtigten Personen S. 543. — §. 199. Die Höhe des Pflichttheils S. 546. — §. 200. Ausmittlung des Betrugs des Pflichttheils S. 552. — §. 201. Einrechnung auf den Pflichttbeil S. 555. — §. 202. Die EnterLungsgründe S. 558. — §. 203. Die Enterbung aus guter Absicht S- 563. §. 204. Form der Enterbung S- 565. — §. 205. Aufhebung der Enterbung S. 556. — §. 206. Die Zuwendung des Pflichttheils durch letztwillige Verfügun­ gen S. 568. — §. 207. Verletzung im Pflichttheil. Die Pflichttheilsklage S. 570. — §. 208. Uebergehung aus Irrthum S. 576. III. Pflichttheilsrecht des Ascendenten und Ehegatten.

§. 209. Recht der Ascendenten S. 579. Ehegatten S. 580.

-

§. 210.

Pflichttheilsrecht der

IV. Beschränkungen bei Lebzeiten des Erblassers. § . 211. Anspruch der Kinder im Fall der Scheidung der Eltern S. 581. — §. 212. Pflichtwidrige Schenkungen S. 583.

Sechster Abschnitt. Der Eintritt des Erbfalls. Erstes Kapitel.

Richterliche Fürsorge für den Nachlaß und den letzten Willen.

§ . 213. Das Nachlaßgericht S. 587. — §. 214. Siegelung S- 590. — §. 215. Die Publikation des Testaments S. 592. — §. 216. Der Nachlaßpfleger S. 595.

Zweites Kapitel.

Erwerb und Entsagung -er Erbschaft.

§ . 217. Einleitung S. 599. — §. 218. §. 219. Die Erklärung des Erben S. 605. — sagung S. 608.

Drittes Kapitel.

Die Ueberlegungsfrist S. 602. — §. 220. Die Folgen der Ent­

Der Erwerb unter Vorbehalt.

§ . 221. Einleitung S. 609. — §. 222. Die Wahrung des Vorbehalts durch die Jnventarerrichtung S. 611. — §. 223. Die Wirkungen der Benefieialeigenschaft. Allgemeines S. 614. — §. 224. Fortsetzung. Das Einzelne S. 617. — §. 225. Aufgebot der Nachlaßgläubiger S. 623. — §. 226. Der Konkurs über den Nach­ laß S. 626.

Inhaltsverzeichnis

X

Viertes Kapitel.

Sie Lechtsftelluug des Erben.

§. 227. Die Besitznahme der Erbschaft S. 628. — §. 228. Die Erbbescheinigung S. 630. — §. 229. Die Anerkennung letztwilliger Verfügungen S. 634. — §. 230. Die Erbschaftsklage S. 637. — §. 231. Uebergang des Eigenthums der Nachlaßsachen S. 643. — §. 232. Die Verbindlichkeiten des Erben. Die Erb­ schaftssteuer S. 644. — §. 233. Absonderungsrecht der Erbschaftsgläubiger S. 648. Fünftes Kapitel.

Sie Veräußerung des Erbrechts und der Erbschaft.

§. 234. Die Universalsuccession durch Erbschaftsverkauf S. 651. — §. 235. Voraussetzungen. Inhalt des Erbschaftsverkaufs S. 655. — §. 236. Die gegen­ seitigen Verbindlichkeiten aus dem Erbschaftskauf S. 657. Sechstes Kapitel.

Rechte der Miterben.

I. Die allgemeinen Rechte. §. 237. Einleitung. Römisches und gemeines Recht S. 659. — §. 238. Ver­ hältniß der Miterben nach preußischem Recht S. 662. — tz. 239. Gesammtrechte und Individualrechte S. 664. — §. 240. Verhaftung der Miterben gegenüber den Nachlaßgläubigern S. 667.

II. Die Ausgleichung unter Descendenten/die s. g. Kollation. §. 241. Einleitung S. 670. — §. 241. Voraussetzungen der Ausgleichung S. 673. — §. 242. Die Gegenstände der Ausgleichung S. 677. — §. 243. Der Anspruch auf Ausgleichung S. 680.

III.

Die Auseinandersetzung der Miterben.

§. 244. Das Verfahren S. 681. — §.,245. setzung S. 686.

Rechtsfolgen der Auseinander­

Nachträge und Verbesserungen zum ersten Bande in der zweiten Auflage S. 688. — Berichtigungen und Nachträge zum dritten Bande S. 698. — Sachregister S. 699. — Quellenregister S. 728.

Fünftes Buch.

Personenrecht und Familienrecht.1 2 1.

Einleitende Bernerkungen.

Die Familie wird gebildet durch den Kreis der ehelichen Verwandten.^

Es gehören zu derselben Männer und Weiber

und

stamm wie durch den Mannsstamm verbundnen.3

die

durch den Weiber­

Unehelich Erzeugte stehen

nur mit der Mutter und nicht ehelichen Kindern derselben in Verwandtschaft.

Die Verwandtschaft wird begründet durch Abstammung von einander — in

der

graben

Seitenlinie —.

gemeinsamen Dritten — in der

Linie — oder von einem Die in

grader Linie Verwandten bezeichneten

die Römer

als parentes und liberi ohne Unterschied des Grades; in demselben Sinne will das Landrecht die Ausdrücke Eltern und Kinder verwerthet wissen.4

Aber

diese gesetzliche Terminologie hat keine feste Grundlage in einem unzweideuti­

gen deutschen Sprachgebrauch.

Daher schwankt die Sprache des Gesetzes, und muß die Auslegung nach innern

wenn es von Eltern oder Kindern handelt,

Gründen

nicht

selten

die

unmittelbaren

Kinder verstehen.

Noch

weniger

1) L. R. Theil 2 Tit. 1 — 4. Schmidt das preußische Familienrecht nach dem A. L. R. mit Rücksicht auf das gemeine und deutsche Recht dogmatisch - kritisch dargestellt, 1843. 2) L. R. II, 3 §. 1, vgl. L. R. I, 1 §. 5. 3) L. R. II, 4 §. 2. Weiber und Verwandte durch den Weiberstamm sind nur bei Lehn und Fideikommissen, sowie wo Stiftungsbriefe und Familienverträge dies bestimmen, von den Rechten der Familie ausgeschlossen, L. R. II, 4 §. 3. Der Begriff der Agnaten wird im L. R. beim Lehn I, 18 §. 15 bestimmt. Solche sind hiernach Seitenverwandten männlichen Geschlechts, welche durch eine ununterbrochne Reihe ehelicher männlicher Nachkommen von eben dem ersten Erwerber des Lehns wie der Lehnsbesitzer abstammen. Vgl. oben Bd. I, §. 365 Anm. 12.

4) Vgl. 1.1 pr. I). de gradibus et affinibus 38, 10, 1. 51, 1. 220 pr. D. de V. 8. 50, 16. L. R. I, 1 §§. 40. 41 identificirt freilich Kinder und Descendenten nur bezüglich der Familienverhältnisse und wenn die nähern Verwandten weggefallen sind. Der Sprachgebrauch ist unter Anderm beibehalten L. R. I, 11 §. 1145. Jedoch die Bestimmungen des zweiten Titels des zweiten Theils des L. R. „von den Rechten und Pflichten der Eltern und Kinder" haben überwiegend den Zweck, die Rechts­ verhältnisse der unmittelbaren Eltern zu den unmittelbaren Kindern zu regeln. Dernburg, Preußisches Privatrecht. UL

1

Personenrecht und Famrlienrecht.

2

sicher ist die Bedeutung in Privatdispositionen, insbesondre in Testamenten

und Schenkungen.

In erster Linie muß daher die Erforschung der konkreten

Willensmeinung, wie sie sich aus dem Zusammenhang ergiebt, Aufgabe der Interpretation sein.

Nur wenn hier Zweifel bleiben,

ist der weitere Sinn

zu Grunde zu legen.

Die Systemen

Verwandtschaft

bezeichnet.

Zahl

der Geburten,

steigt

nur bis

in

Die

der Seitenlinie

wird

nach

bekanntlich

zwei

römische Zählung berechnet den Grad nach der

welche die

Verwandschaft Herstellen;^

zum gemeinsamen Stammvater

hinailf und

die

kanonische

läßt

dann bei

etwaiger Ungleichheit der Zahl der Generationen auf den beiden Seiten die

längere

Seite

entscheiden.5 6

Das

preußische

Recht

folgt

der

römischen

Zählung.7 Das Landrecht behandelt die Familie, soweit gemeinschaftliche Familien­ rechte bestehen, als eine Art von juristischer Person.8

Insbesondre ist dies

der Fall bezüglich der Familienfideikommisse und Familienstiftungen,

Vertretung der Familie vorzugsweise mittels Familienschlüsse

wo die

geschieht,

die

einstimmig sein müssen, so aber, daß die Zustimmung von Familiengenossen,

die ohne Grund dissentiren, vom Proceßrichter ergänzt werden kann.

Ueber

solche Familienschlüsse und deren Ausnahme besteht eine ausgebildete bei den Familienfideikommisien zu erörternde Theorie.

Hiervon abgesehen sind vom Gesetz die Grundlagen einer Organisation der Familie für Fälle gegeben,

Art zu wahren sind.

Andres

in

welchen gemeinschaftliche Rechte andrer

Als Vorsteher der Familie soll nämlich, sofern nichts

statutarisch bestimmt ist,

das

älteste Familienglied

anzusehen sein.

Der Vorsteher kann die Familie zur Berathung und Beschlußfassung gemein­

samer Familienangelegenheiten zusammenrufen.

Der Regel nach sind Män­

ner und Weiber jeden Verwandtschaftsgrades einzuladen,

sind deren Vormünder zu berufen.

für Minderjährige

Ist der Gegenstand der Berathung bei

der Einladung, die gerichtlich zu insinuiren ist, angegeben, so entscheidet die

— absolute — Mehrheit der Erschienenen.

5) §. 7 J. de gradibus cognationum 3, 6. 6) Ueber die kanonische Berechnung vgl. Glück Bd. 23 S. 177 ff. nung ist dem älteren deutschen Recht entnommen.

Diese Berech­

7) L. R. I, §. 45. Jedoch ist dies nicht durchgängig festgehalten, wenigstens spricht L. R. n, 3 §. 15 von Geschwistern „ersten Grades".

8) L. R. II, 3 §. 1. Nach L. R. I, 1 §. 3 macht die Verbindung zwischen Ehegatten und Eltern und Kindern die häusliche Gesellschaft aus, welcher auch das Gesinde zugezählt wird.

§. 1.

Auch

Einleitende Bemerkungen.

die Ehegatten treten mit einander in eine Familienverbindung,

wobei freilich der Ausdruck in einem andern Sinne die Ehe schließt sich die Schwägerschaft an,

gatten. 9 10 11 Fraglich ist,

gelöst wird,

3

ob die

An

d. h. das Verhältniß des Ehe­

Schwägerschaft durch

welche sie begründete.

nicht aber nach kanonischem

gebraucht wird.

Trennung der Ehe

Dies war nach römischem Rechte^9

der Fall.^

Auch nach preußischem Recht ist

anzunehmen,

daß die Schwägerschaft die Ehe,

überdauert.

Es entspricht dies der deutschen Auffassung; das Landrecht hat

an welche sie sich knüpfte,

auch nirgends ausgesprochen, daß die Schwägerschaft nicht länger dauern solle, als die sie begründende Ehe.12 Keine Familienbeziehung erzeugt die Vormundschaft. dadurch zum Familienrecht,

daß sie

durch die väterliche Gewalt bildet.

an, da sie bestimmt ist,

Sie wird nicht

ein Surrogat für den fehlenden Schutz Sie gehört vielmehr dem Personenrecht

den Mangel der Handlungsfähigkeit des Mündels

zu ersetzen und zu ergänzen.

Historisch hat jedoch das deutsche Familienrecht und die Vormundschaft

eine gemeinsame Wurzel in dem Mundium des älteren deutschen Rechts.13 Das­ selbe hatte die allgemeine Bestimmung,

solchen freien Personen Schutz und

Vertretung zu gewähren, welche aus natürlichen oder rechtlichen Gründen sich

selbst nicht zu vertreten im Stande waren, demgemäß bildete das Recht des Vaters über seine unmündigen Kinder eine Art der Vormundschaft;

nicht

weniger führte man das Verhältniß des Ehemannes zu der Frau, mit der er 9) L. R. I, 1 §. 43. Daraus, daß L. R. 1,1 §.44 die Stiefverbindung besonders erwähnt, folgt nicht, daß dieselbe nicht eine Unterart der Schwägerschaft im gesetzlichen Sinne bildet. 10) 1. 3 §. 1 D. de postulando 3, 1.

§. 6 J. de nuptiis 1, 10.

11) Das kanonische Recht erachtet nach dem Grundsatz, daß unter den Konkunbenten eine Einheit des Fleisches stattfinde, jeden Beischlaf als Grund der Schwäger­ schaft, setzt daher weder für die Entstehung noch für die Fortdauer derselben eine gültige Ehe voraus, vgl. can. 1 c. 35 qu. 10. Auch nimmt dasselbe außer der Schwä­ gerschaft im römischen Sinne noch zwei weitere Grade an. Beides ist dem preußischen Recht fremd.

12) L. R. I, 1 §. 43 erklärt als Schwägerschaft die Verbindung, „welche durch Heirath zwischen dem Ehegatten und den Blutsverwandten des andern entstehe". Daß sie an die Fortdauer der Ehe gebunden ist, wird hiermit nicht bestimmt. Das Ober­ tribunal hat jedoch in diesem Sinne erkannt einmal bezüglich der Frage, ob die Anfechtung auf Grund des §. 5 n. 3 des Gesetzes vom 9. Mai 1855 bei einer Ver­ äußerung an einen nahen Verwandten des frühern Ehegatten stattfinde — Entsch. Bd. 53 S. 347 — und dann, ob die Beschränkung des Zeugenbeweises nach A.G.O. I, 10 §. 228 n. 5 auf Schwäger zu beziehen sei, nachdem das sie begründende Ehe­ band gelöst ist. —- Entsch. Bd. 69 S. 251. Die entgegengesetzte Auffassung ist jedenfalls bei Auslegung der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 zu Grunde zu legen. Dern­ burg Vormundschaftsrecht S. 63 not. 3 a. E. Die Reichscivilproceßordnung §. 41 unter 3 nimmt Verschwägerung behufs Ausschließung vom Richteramt an, „auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht." 13) Kraut die Vormundschaft nach deutschem Recht Bd. 1 S. 51 u. a. a. O.

Hersonenrecht und Familienrecht.

4

in wahrer Ehe stand, auf eine Vormundschaft zurück.

Dieser Rechtsanschauung

stand freilich das römisch - justinianische Recht durchweg entgegen.

Denn hier

war das Recht des Vaters über seine Hauskinder als Gewaltverhältniß, nicht als Vormundschaft gedacht; die Ehefrau aber war nach Beseitigung der alten

Manusehe durchweg auf den Fuß der Gleichberechtigung mit dem Ehemann

Doch die Reception des römischen Rechts

gestellt.

Rechtsauffassungen keineswegs schlechthin.

larrechtlich und hatten namentlich in dem

überwand die deutschen

Sie erhielten sich vielmehr partiku­

ehelichen Güterrecht,

welches sich

nur in wenigen Territorien rein nach römischem Recht gestaltete, einen festen

Halt.

Auch im preußischen Landrecht sind die Rechte des Vaters, wie des

Ehemannes zum erheblichen Theil nach jenen deutschrechtlichen Gesichtspunkten geordnet.

Es hat die ältere deutsche Vormundschaft dem Familienrecht viel­

fältig die Form und Gestaltung gegeben, wenn auch selbstverständlich dessen wesentlichste Grundlagen in dem deutschen Familienleben, in den ethischen An­

schauungen der Nation und in den wirthschastlichen und socialen Bedingungen

des Gedeihens der Familien liegen.

Das Familienrecht des Landrechts ist in dessen Geltungsbereich nur in

beschränktem Umfange zur Geltung gekommen,

da, abgesehen davon, daß in

dieser Materie die statutarischen Rechte besonders zahlreich sind, in mehreren Provinzen die drei ersten Titel des zweiten Theils des Landrechts, welche von der Ehe, den Rechten der Eltern und denen der übrigen Verwandten handeln,

suspendirt blieben.

Wenn aber auch hier gemeines deutsches Recht gilt, so ist

es doch im Ganzen von denselben Grundanschauungen getragen, auf welchen die landrechtlichen Bestimmungen beruhen.14 14) Die Suspension der ersten drei Titel des zweiten Theils des L. R. hat in verschiednen Rechtsgebieten einen verschiednen Sinn. Nach dem Publikationspatent vom 5. Februar 1794 Nr. 7 sind nur solche Vorschriften suspendirt, welche das gerade Gegentheil eines klaren und unstreitig recipirt gewesnen römischen oder andern frem­ den Gesetzes enthalten, nicht aber Stellen, welche der üblichen Meinung einiger Rechtslehrer widersprechen oder eine Interpretation des bisherigen Gesetzes geben oder Zweifel entscheiden. Vgl. übrigens Korn in Behrend's Zeitschrift Bd. 7 364 ff. So gilt die Suspension in der Kurmark. Dagegen sind für das Herzogtum West­ phalen nach dem Publikationspatent vom 21. Juni 1825 §. 4 suspendirt: die voll­ ständigen drei ersten Titel des zweiten Theils nebst allen darauf sich beziehenden spätern Vorschriften, und es sollen in Absicht der bezüglichen Gegenstände die jetzt bestehenden Gemeinen Rechte und die darauf sich beziehenden Landesordnungen gültig bleiben. Es zeigt u. A. Striethorst Archiv Bd. 78 S. 138 ff. wie verschiedne Resultate sich aus den beiden Fassungen ergeben.

Erster Mschnilt.

E h e r e ch t 1 Kapitel.

Erstes

Allgemeine

§.2.

Die

Ehe

Krunäsätze.

R e ch t s i n st i t u t.

als

Fundamentale Institutionen, wie die Ehe,

definiren, sondern nur annähernd beschreiben.

lassen sich nicht erschöpfend

Die Ehe ist die lebenslängliche

Verbindung von Mann und Frau, welche das innigste Zusammenleben und

treues und opferwilliges Zusammenwirken

ben zum Ziele hat.2 3 Die Verwirklichung

für die beiderseitigen Lebensaufga­ des hiermit gegebnen Ideals ist

Sache der Liebe der Gatten, ihrer Gesinnung, ihrer ethischen und religiösen Ueberzeugung.

Mittel,

Der Einfluß des Rechts kann nur ein begrenzter sein, da die

welche ihm zu Gebote stehen,

auf die Gesinnung, welche hier das

Entscheidende ist, nicht bestimmend einwirken können.

Die Aufklärungsepoche des vorigen Jahrhunderts setzte einseitig den Zweck der Ehe in die Erzeugung und Erziehung der Kinder/ nur nebenbei ließ man

eine bloß zur wechselseitigen Unterstützung geschloßne meintliche

Hauptprincip

versuchte vielmehr bei Abfassung das Recht

Ehe zu.

Jenes

der Ehe nahm man nicht einfach naiv hin,4

der Scheidung

des Landrechts

das Eherecht,

nach demselben zu gestalten,

was

ver­

man

insbesondre zu Abwegen

1) L. R. Theil 2 Titel 1. Gitzler Handbuch des gemeinen und Preußischen Kirchen- und Eherechts Abth. 2, Breslau 1840; Altmann Praxis der preußischen Gerichte in Kirchen-, Schul- und Ehesachen 2. Abth. Eherecht S. 572ff. Vgl. auch Schulte katholisches Eherecht, Gießen 1855. Die Schriften über die Eingehung der Ehe nach dem Reichsgesetz vom 5. Februar 1875 siehe unten bei Kapitel 3 dieses Abschnittes. 2) 1. 1 D. de ritu nuptiarum 23, 2: nuptiae sunt conjunctio maris et feminae, consortium omnis vitae, divini et humani juris communicatio. 3) L. R. II, 1 §§. 1 und 2. So auch Projekt des corp. jur. Frid. p. I, lib. II, tit. III, §. 1. 4) Die alte römische Anschauung, welche in der Formel zu Tage tritt, uxorem habere liberorum quaerendorum causa traf hiermit zusammen.

Allgemeine Grundsätze.

6

Indessen beruhte das historisch überkommne und gegebne Ehe­

führen mußte.

recht auf tieferen Auffasiungen und Motiven; da nun das gegebne Recht im

Ganzen und Großen in

neue Legislation herüberging, so wurden im

die

Grunde doch nur Einzelheiten durch jenes realistische Princip bestimmt.

Auch für

bildet

Eherecht

das

die Ehe grundsätzlich reiche Einzelheiten,

römische

das

eine Grundlage

welches die Monogamie zur ausnahmslosen und

Recht,

alleinigen Form machte,^

als eine lebenslängliche Verbindung ansah und zahl­ insbesondre

die Ehehindernisse wegen Verwandschaft und

Verschwägerung mit sittlichem Tatt und in entsprechender Weise regelte.

Bei

dem Allen hat jedoch die Freiheit der Ehescheidung, welche Privatsache blieb,

die römische Ehe praktisch

niedergezogen und die schweren Strafen,

die christliche Kaiserzeit an die schuldhafte Scheidung knüpften,

welche

haben hieran

Die katholische Kirche des Mittelalters hob die

nichts Wesentliches geändert.

Ehe in großartigem Idealismus zu einem religiösen Institut, zu einem Sa­ krament empor b und leitete hieraus die Unauflösbarkeit des Ehebandes her.

Grund

dieser Anschauungen

ausschließlich.

Die

Aus

unterwarf sie das Eherecht ihrer Machtsphäre

kirchliche Gesetzgebung

allein sollte die Normen

die geistliche Obrigkeit allein über streitige Ehesachen

sprechen,

geben,

nur sie ins­

besondre über die Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett, wie über

die Frage der Gültigkeit der Ehe rechtskräftig erkennen.75 86 Die Entwicklung des modernen Eherechts ist in Folge dessen ein wich­

tiger Theil der Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche geworden.

Seit Anfang des Mittelalters

die Ehesachen stückweise,

bis

dieser Angelegenheiten völlig verlor. stützung

in der Lehre

entnahm

sie ihren Antheil

an

der Staat der

Kirche

der äußeren Regelung

Dabei fand der Staat erhebliche Unter­

der protestantischen Kirche,

welche den Sakraments­

charakter der Ehe verwarf und ihre absolute Unauflöslichkeit nicht anerkannte.

Die Staaten.

Bewegung

vollzog sich

Ein erster Schritt

daher

war es,

zunächst

in

den

protestantischen

die Entscheidung der Ehesachen der

Protestanten den aus Geistlichen und Juristen zusammengesetzten Konsistorien zu übertragen.

erhalten.

Aber

diese Vermittlung konnte sich auf

die Dauer

nicht

Für die Mark Brandenburg hob bereits Friedrich n. die Konsisto-

rialgerichtsbarkeit in Ehesachen auf und verwies dieselben an das Kammergericht? Im Anschluß hieran wurde die weltliche Jurisdiktion der Ehesachen der Pro-

5) 1.1 D. de bis qui not. infamia 3, 2, 1. 2 C. de incestis et inutilibus nuptiis 5, 5. Dagegen erklärten sich im Interesse der Steigerung der Population einige Monenten des allgemeinen Gesetzbuchs ernstlich für Polygamie. 6) Concilium Tridentinum sess. 24 cap. 1. 7) Concilium Tridentinum sess. 24 cap. 12. 8) Edikt vom 10. Mai 1748 cont. IV. c. c. M. p. 51.

lestanten durchweg Regel, sie erstreckte sich in mehreren Provinzen auch über die

Katholiken, während in andern, insbesondre in Schlesien, Posen und Preu­

ßen die bischöflichen Gerichte ihre Jurisdiktion in Ehesachen bis in die neuere Erst die Verordnung vom 2. Januar 1849 beseitigte sie

Zeit erhielten.9 durchgängig.10 11

Auch die materielle Ehegesetzgebung wurde in Preußen, ohne daß man

zwischen den Angehörigen der verschiednen Konfessionen unterschied, für alle

Unterthanen geregelt,"

es bleibt

aber zu beachten, daß die bischöflichen

Gerichte, so lange sie bestanden, nicht auf Grund dieser Gesetzgebung Recht

sprachen.

Die Eingehung der Ehe war bei alledem bis zur neuesten Zeit eine kirchliche

für Protestanten und Katholiken, woraus

sich Konflikte

mit

staatlichen Ehegesetzgebung ergeben konnten und in der That eintraten.

der

Seit

dem 1. Oktober 1874 hat in Folge des Gesetzes vom 9. März 1874 bje

kirchliche Eheschließung

in Preußen ihre rechtliche Bedeutung verloren, da die

Eheschließung vor dem Standesbeamten — die s. g. Civilehe — zur all­ gemeinen nothwendigen Form erhoben wurde.

Durch das Reichsgesetz vom

6. Februar 1875 wurde dann das Institut der Civilehe zum Reichsrecht. Eine

letzte

Einwirkung

der

kirchlichen

Autorität

auf

die

rechtliche

Behandlung der Ehesachen lag darin, daß eine Ehescheidung vor den Gerichten

nur zur Verhandlung kam,

wenn ein Sühneversuch

vorausgegangen und erfolglos geblieben war.12

treten der Reichscivilproceßordnung

weggefallen.

vor

dem Geistlichen

Dies ist mit dem Inkraft­

Statt des Geistlichen der

bezüglichen Konfession hat nunmehr der Amtsrichter den Sühneversuch zwischen den Eheleuten in das Werk zu setzen.13 §. 3.

Die Ehe zur linken Hand.

Im Mittelalter war die Ebenbürtigkeit Erforderniß der Ehe, nicht bloß die Ehe

zwischen Freien und Unfreien,

so daß

sondern auch zwischen

9) Löwenberg in Hinschius' Wochenschrift 1835 S. 137 ff., Uebersicht der Ver­ fassung der katholisch-geistlichen Geistlichkeit. Meinck bei Schering ^Archiv für Ab­ handlungen Bd. I, S. 151 ff. 10) Verordnung vom 2. Januar 1849 §. 1 Abs. 2. Reichsgesetz vom 6.Webr. 1875 § 76: In streitigen Ehe- und Verlöbnißsachen sind die bürgerlichm Gerichte ausschließlich zuständig; eine geistliche oder eine durch die Zugehörigkeit zu einem Glaubensbekenntniß bedingte Gerichtsbarkeit findet nicht statt. Ebenso §. 15 Abs. 3 des Gerichtsverfaffungsgesetzes des Reichs.

11) Es geschah dies durch das Projekt des corp. jnris Fridericiani, dann durch das Landrecht. Auch in Oestreich war durch das Ehepatent Joseph II. vom 16. Ja­ nuar 1783 die Ehegesetzgebung staatlich geordnet.

12) Verordnung vom 8. Juni 1844 über das Verfahren 13) Deutsche Civilproeeßordnung §> 570 ff.

in Ehesachen §. 10 ff.

Allgemeine Grundsätze.

8

Freien verschiednen Standes unzulässig war.

fremden,

In Folge

der Reception des

insbesondre des kanonischen Rechts verlor zwar die Ebenbürtigkeit

gemeinrechtlich — vom hohen Adel abgesehen — ihre Bedeutung, aber -par-

behauptete sich die alte Auffassung noch lange Zeit,

ttkularrechtlich

sie hat

insbesondre im preußischen Rechte nachgewirkt.1

Waren hier also vollkräftige Ehen zwischen Unebenbürtigen nicht verstat­ tet, so ließ man doch mit landesherrlicher Genehmigung Verbindungen zur

linken Hand $u,2 welche die juristische Theorie mehr oder weniger mit dem römischen Konkubinat

ibentifkirte.3 4 Das Gesetzbuch

allgemein Männern von Adel

und

von

1791

gestattete

von dem Amtscharakter eines königlichen

Raths die Ehe zur linken Hand mit Personen niederen Standes, wenn der Mann aus

einer vorhergehenden Ehe zur rechten Hand Kinder am Leben

oder wenn er kein zu standesmäßigem Unterhalt einer Familie nöthiges Ver­

mögen hatte,

vorausgesetzt,

daß er die erforderlichen Nachweise

bei

dem

Landesjustizkollegium der Provinz vorbrachte, welches die Erlaubniß ertheilte/

Bei der Revision des Gesetzbuchs übertrug man indessen die Prüfung

der

Erheblichkeit der Gründe wiederum im Anschluß an die frühern Bestimmun­

gen ausschließlich dem Landesherrn, so daß eine besondre von dessen Ermes­ sen abhängige Erlaubniß erfordert wurde.5 6 Man verlangte zur Abschließung, daß die Voraussetzungen einer gültigen

Ehe, abgesehen von dem Erforderniß der Standesgleichheit, vorhanden seien; der Konsens der Eltern und Vormünder konnte vom Gericht nicht

werden.

lobten eine Abfindung für den Fall Kontrakt

ergänzt

Nothwendig war ein schriftlicher Ehekontrakt, in welchem der Ver­ der Ehetrennung zugesagt war, dieser

war nach Ertheilung der landesherrlichen Erlaubniß dem Landes­

justizkollegium der Provinz zur Bestätigung vorzulegen.

Hierauf wurde die

Trauung an die linke Hand vollzogen, es mußte im Kirchenbuch ausdrücklich bemerkt werden, daß die Ehe zur linken Hand geschlossen war/

Die persönlichen Rechte und Pflichten wie bei einer vollgülügen Ehe.

der Ehegatten

waren dieselben

Die Frau erhält jedoch nicht Namen

und

1) Vgl. Schröder Zeitschrift für Rechtsgeschichte Bd. 3 S. 461 ff.: Zur Lehre von der Ebenbürtigkeit nach dem Sachsenspiegel. Gerber deutsches Privatrecht §. 224. 2) Die renovirte Constitution von Verlöbniß- und Ehesachen vom 15. Decbr. 1694 (C. C. M. p. I, Abth. 2 p. 118) verlangte zuerst Genehmigung des Landesherrn zur morganatischen Ehe zwischen Adlichen und Bürgerlichen. 3) Projekt des corpus juris Fridericiani part. I, lib. II, tit. III: „Von der Trauung zur linken Hand (de matrimonio, ad morganaticum) und von den Beischläferinnen (de concubinis)". 4) Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten Theil II, Tit. 1 §. 836 ff. 5) L. R. II, 1 §. 836 ff., insbesondere §. 841. 6) L. R. II, 1 §§. 860. 861 über Aufgebot vgl. §. 855 ff.

Die Ehe zur linken Hand.

§. 3.

Stand des Mannes.

Sie hatte nur Anspruch auf den ihrem Stand gemä­

Der Mann hatte kein Recht am Vermögen der Frau, ins­

ßen Unterhalt.

besondre nicht den Nießbrauch.

Geschenke

weise

9

machen,

so

Die Ehegatten konnten sich nicht gültiger­ lange

Kinder

aus

sonst waren Geschenke gültig,

vorhanden waren;

einer

ohne Kinder zu hinterlassen.

zurück, wenn die Frau starb,

vollkräftigen

Ehe

fielen aber an den Mann

Jntestaterbrecht

der Ehegatten existirte nicht, die Capacität der Frau bezüglich letztwilliger

Zuwendungen ihres Gatten war beschränkt, wenn Kinder aus einer vollgül­

tigen Ehe vorhanden waren.

Die Verwandlung

der Ehe

in eine vollgültige war zulässig,

jedoch

damit den Anträgen der Frau, rechtmäßige Ehegattin zu werden, ein Zügel

angelegt werde, nur nach landesherrlicher Erlaubniß.7 8 9 Durch Scheidungsurtheil konnte die Ehe zur linken Hand unter densel­

ben Voraussetzungen getrennt werden, wie die vollgültige.

ten auch minder erhebliche Beschimpfungen Mann

zum Scheidungsantrag,

Jedoch berechtig­

und Thätlichkeiten der Frau den

bei Beschimpfungen

und Thätlichkeiten des

Mannes dagegen sollte auf die Verschiedenheit des Standes zwischen beiden Eheleuten billige Rücksicht genommen werden.^

Abfindung und Geschenke,

Die

schuldige Frau verlor

der schuldige Mann hatte eine durch richterliches

Ermessen zu bestimmende Abfindung bis auf das Doppelte der im Ehekontrakt verschriebnen Summe zu leisten.3

Kinder aus einer Ehe zur linken Hand führten

nicht den Namen des

Vaters, sondern den der Mutter und traten nicht in seine Familie, gehörten

vielmehr der mütterlichen Familie an. über ihre Person,

Der Vater hatte die väterliche Gewalt

nicht über ihr Vermögen,

aber nicht den Nießbrauch.10

er hatte dessen Verwaltung,

Unterhalt und Erziehung konnten die Kinder

nur nach dem Stande der Mutter beanspruchen.

Hinterließ der Vater Kin­

der aus einer Ehe zur rechten Hand, so hatten die Kinder aus der linken

Hand kein Erbtheil, und nur auf Erziehungs- und Ausstattungskosten gesetz­ lichen Anspruch.

Waren keine Kinder aus rechter Ehe vorhanden, so erhiel­

ten die Kinder der linken Ehe ein Drittel,

waren,

die Hälfte,

wenn mehr als drei solcher da

wenn keine Verwandte des Erblassers bis zum sechsten

Grade vorhanden waren, das Ganze des väterlichen Nachlasses.

theilsrecht hatten solche Kinder nicht.11

7) 8) 9) 10) 11)

L. R. L. R. L. R. L. R. L. R.

II, II, II, H, II,

1 1 1 2 2

§. 909 ff. §§. 920. 921. §. 922 ff. §. 561. §. 579 ff.

Ein Pflicht­

Allgemeine Grundsätze.

10

War die Ehe

von Militärpersonen

wegen mangelnden Konsenses oder

eine andre Ehe wegen Standesungleichheit nichtig,

so erhielten die daraus

erzeugten Kinder die Rechte der Kinder aus einer Ehe zur linken Hand?^

Nach dem

jetzigen Eherecht sind solche Ehen

gültige und die Kinder voll­

berechtigte. 12 13

Das Institut der Ehe zur linken Hand und religiösen Anschauungen,

Zeit und ist aus dem Leben verschwunden. gehoben.

Ehe.14

entsprach weder

den sittlichen

noch den socialen Anforderungen der neuern

Es

ist aber auch gesetzlich auf­

Das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 kennt nur eine vollgülüge Der Standesbeamte ist nur berechtigt, die Verlobten als Eheleute zu

verbinden ohne Beschränkungen zufügen zu dürfen,

ebenso wenig darf er

in

das Heirathsregister einen Vermerk über Abschluß zur linken Hand eintragen. Eine Trauung zur linken Hand ist daher nicht mehr möglich,

und da eine

Form der Eingehung nicht mehr existirt, das Institut beseitigt.15 §. 4.

Kollision der Statuten über Eherecht.

Bezüglich der Frage,

welches von verschiedenen Rechten für die Ehe-

verhältnifse maßgebend ist, sind folgende Grundsätze entscheidend. Die Fähigkeit zur Eingehung der Ehe bemißt sich für Jeden der Ver­

lobten nach dem Recht seines bisherigen Domicils, über die Form der Ehe­ schließung entscheidet der Ort der Vollziehung.1

Die persönlichen,

wie die

12) L. R. II, 2 §. 56, vgl. II, 1 §§. 938. 940. 13) Gesetz vom 22. Februar 1869.

14) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 L. R. II, 1 §§. 860. 861.

§. 52 und §. 54 in Verbindung

mit

15) Die Meinungen der Schriftsteller stimmen hiermit freilich nicht überein. Hinschius bei Koch zu L. R. II, 1 §. 861 bemerkt: „Sollte, was kaum anzunehmen ist, eine solche Ehe noch Vorkommen, so wird der Vermerk gegenüber dem gedachten Gesetz nicht unzulässig sein, da dasselbe nur die Form der Eheschließung normirt, über die rechtlichen Folgen aber nichts bestimmt und hat bestimmen wollen." Das Reichsgesetz hat allerdings nur die Form geregelt, aber keine Form für die Ehe der linken Hand geschaffen, sie ist hiermit unmöglich geworden. 1) Es ist dies Alles bestritten. Ziemlich einig ist man darüber, daß bezüglich der Form des Abschlusses der Grundsatz locus regit actum zur Anwendung kommt. Doch dissentirt Savigny Bd. 8 S. 326, welcher wenigstens in der damals erforderten kirchlichen Eheschließung absolut zwingendes Recht sah. Des Weiteren ist aber streitig, ob die Fähigkeit zum Eheschluß nach dem bisherigen Domicil der Verlobten oder nach dem ersten Ehedomicil zu beurtheilen sei. Das erstere ist um deswillen richtig, weil die Unfähigkeit die gültige Eheschließung eben verhinderte, so daß das Ehedomicil keine maßgebende Kraft erhielt. Endlich ist bestritten, welches Recht bezüglich Irrthum, Betrug, Zwang bei der Eheschließung anzuwenden ist. Sicherer, Personenstand S. 130, will das Recht des Ortes entscheiden lassen, an welchem die Eheschließung geschah. Dies kann aber ein ganz zufällig gewählter Ort sein, dessen Recht zu berücksichtigen den Verlobten sehr fern lag. Das Recht zur Anfechtung der ungültigen oder nichti­ gen Ehe ist eben eine persönliche Befugniß, für welche das Domicil eines Jeden im Augenblick der Eheschließung maßgebend ist.

Bermögensverhältnisse der Ehegatten werden geregelt durch das an ihrem Ehedomicil geltende Recht. Dies gilt auch für Gegenstände, die sich außer­ halb dieses Domicils befinden. Wenn also am Ehedomicil Gütergemeinschaft besteht, so werden auch Grundstücke eines Ehegatten, welche an einem Orte andern Güterrechts belegen sind, den Ehegatten gemeinsam.2 Das Domicil der Ehegatten wird durch den Ehemann bestimmt.3 4 Es gilt der Wohnsitz, welchen er nach Abschluß der Ehe inne hat, selbst dann als Ehedomicil, wenn ihm die Frau thatsächlich, sei es mit oder ohne seine Genehmigung, nicht folgte, da sie im Rechtssinne fortan seinen Wohnsitz theilt.^ Hatte der Ehemann ein doppeltes Domicil, und in einem herrscht Gütergemeinschaft, in dem andern nicht, so soll angenommen werden, daß unter den Ehegatten keine Gütergemeinschaft entstand. Ueberhaupt haben die gemeinrechtlichen Nor­ men des Landrechts im Zweifel den Vorzug.5

Verlegt der Ehemann sein Domicil nach Abschluß der Ehe, so verän­ dert sich das Domicil der Frau von Rechtswegen, auch wenn die Verlegung gegen ihren Willen geschah und wenn sie den neuen Wohnsitz thatsächlich nicht theilt; eine Ausnahme wird dies nur erleiden, wenn die Frau berechtigt ist, dem Manne nicht nach demselben zu folgen. Welche Rechtsfolgen hat eine Verlegung des Ehedomicils? Die per­ sönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten sind nach ihrem jeweiligen Do­ micil zu bemessen. Insbesondre verändert sich die Handlungsfähigkeit der Frau, z. B. zum Abschluß von Rechtsgeschäften, wenn das Recht des neuen Domicils von dem des bisherigen verschieden ist.6 Bezüglich der Eheschei­ dungsgründe und der gesetzlichen Folgen der Ehescheidung muß das jeweilige Ehedomicil gleichfalls entscheiden, und nicht, wie man manchmal behauptet hat, das erste Ehedomicil, da die Ehe nicht mit dem Recht unter bestimmten Voraussetzungen geschieden zu werden, geschlossen wird, vielmehr grundsätzlich lebenslänglich ist. Ein Thatumstand jedoch, der sich am frühern Ehedomicil ereignete und dort keinen Scheidungsgrund abgab, kann zu einem solchen durch Verlegung des Ehedomicils nicht werden.

2) L. R. II, 1 §§. 368. 369. 3) Die Reichscivilproceßordnung §. 17 spricht nur aus: die Ehefrau theilt in Ansehung des Gerichtsstandes den Wohnsitz des Ehemannes. So auch A. G. O. I, 2 §. 87. Darüber, daß dasselbe für die Regel auch bezüglich der Rechtsverhältniffe der Ehefrau gilt, ist aber Einverständniß.

4) Striethorst Archiv Bd. 24 S. 256.

5) L. R. II, 1 §. 348. erste thatsächliche Aufenthalt Bd. 17 S. 122.

Äußerstenfalls wird das Domicil, an welchem der genommen wurde, den Vorzug haben, vgl. Gruchot

6) Anerkannt bei Striethorst Archiv Bd.36 S. 108.

12

Allgemeine Grundsätze.

Hat endlich die Verlegung nach einem Ort andern Güterrechts auch die

Veränderung des bisher

hältnisses zur Folge?

auf Grund des Gesetzes bestehenden Vermögensver­

Diese Frage ist gemeinrechtlich sehr bestritten.

Aeltere

Schriftsteller verneinen dieselbe, gestützt auf die Annahme, daß mit der Ehe­

schließung ein stillschweigender Vertrag verbunden sei,

daß sich

gensverhältnisse nach dem ersten Ehedomicil zu regeln hätten.

die Vermö­

Doch dies ist

eine unhaltbare Fiktion, so daß sich viele Stimmen für die Veränderung des

aber zu Mißständen; angesehen

sprechend

entschieden.

des Domicils

Güterrechts mit Verlegung

nicht als

es kann auch werden.

Diese

Praktisch führt dies

der Absicht der Gesetze ent­

bezwecken die Güterverhältnisse

solcher

Ehegatten zu bestimmen, welche in ihrem Herrschaftsgebiet ihr erstes Ehedo­

nicht aber solcher,

micil finden,

die,

nachdem ihr Güterrecht bereits fixirt

war, später hier ihren Wohnsitz nahmen.^

man

neuerdings

zurückgekehrt.

überwiegend

im

Von diesem Standpunkt aus ist

gemeinen

Recht zu jener

ältern Ansicht

Das preußische Recht hat sie ausdrücklich adoptirt.7 8

Eine ganz andre Frage ist es, ob bona fide Dritte mit Recht verlan­ gen dürfen,

daß Ehegatten,

mit denen

sie

in Kontraktsverhältnisse

treten,

nach dem am Orte gewöhnlichen von ihnen beim Vertragsschluß unterstellten ehelichen Güterrecht behandelt werden.

Gesetzlich ist der Satz insbesondre

Es ist dies für die Regel zu bejahen.

für den Fall anerkannt,

daß am

neuen

Domicil Gütergemeinschaft gilt.9

§. 5.

Zwingende und dispo^itive Eherechtsnormen.

Die Ehe gehört zwar dem Privatrecht an, da sie von den Einzelnen in Folge ihrer Selbstbestimmung ihrem Interesse und ihrer Neigung entsprechend

eingegangen

wird,

aber

der Ehestand ist gleichwohl

und die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft.

ein öffentlicher Stand

Zahlreiche zwingende Nor­

men bringen es zum Ausdruck, daß das gemeine Wesen

bei seiner gesunden

Gestaltung unmittelbar betheiligt ist.

Einen zwingenden Charakter haben vor Allem die Vorschriften über die

Form

der

Eheschließung

und

die

gesetzlichen

Anforderungen

bezüglich

der

7) Vgl.,vorzugsweise Savigny System Bd. 8 S. 328, und Bar internatio­ nales Privat- und Strafrecht S. 341. So auch Striethorst Archiv Bd. 20 S. 182. vgl. aber auch Bd. 38 S. 336.

8) L. R. II, 1 §. 350 ff. Die Redaktoren des Landrechts giengen allerdings von dem Gedanken aus, daß sich die Eheleute, wenn sie nichts Andres ausmachten, durch pactum tacitum dem ehelichen Güterrecht des ersten Ehedomicils unterwerfen. Aber diese Konstruktion ist nicht im Gesetz enthalten, dasselbe weist vielmehr aus die richtige Erklärung des Rechtssatzes hin. 9) Vgl. unten §. 34.

§. 5.

Zwingende und dispositive Eherechtsnormen.

Auch die Rechtssätze über die persönlichen

Fähigkeit zur Eingehung der Ehe. Rechte und Pflichten der

13

Ehegatten

sind

überwiegend

zwingender Natur.

Insbesondre gehört hierher die Vorschrift, daß Ehegatten vereint mit einan­ der leben müssen und ihre Verbindung nicht eigenmächtig trennen dürfen.1

Zwar wird nicht mehr wie früher gegen Eheleute, die sich eigenmächtig tren­ nen , eine

von Amtswegen

dauernde

verfahren.2

Es sind

aber Vereinbarungen,

thatsächliche Trennung der Ehegatten bezwecken,

als

welche gegen

ein Verbotsgesetz streitend, in der Regel unverbindlich; sie werden auch nicht dadurch rechtsverbindlich, daß ein Ehescheidungsgrund vorlag und die hiernach drohende rechtliche Trennung durch sie in eine bloß thatsächliche umgewandelt wird;

jeder Theil kann also trotz des Vertrags das eheliche Zusammenleben fordern; ob gleichzeitige pekuniäre Abmachungen als

unkräftig

sind,

oder ob sie

behalten, ist eine Auslegungsfrage,

schieden zu beantworten ist.3

untheilbar verbunden gleichfalls

eine selbständige Existenz haben die nach Verschiedenheit

Ausnahmsweise ist

und Geltung der Fälle ver­

gültig der vor der Ehe

geschloßne Vertrag, wonach die Frau dem Manne bei Verlegung des Domicils ohne ihren Willen nicht folgen muß.4 Freie Hand haben die Betheiligten in der Regel bezüglich der vermö­

gensrechtlichen Folgen der Ehe.

Als ungültig sind aber unter Anderm zu

1) L. R. II, 1 §. 175.

2) Vgl. Verordnung vom 5. December 1676 wider die, so sich eigenmächtig a thoro et mensa separiren, zu inquiriren, c. c. M. I, Abth. 2 p. 87. 3) In dem in den Entsch. des O. Trib. Bd. 20 S. 143 behandelten Falle hatte die Ehefrau zugegeben, daß die Bestimmung des §. 673 Tit. I, Th. II des A. L. R. wegen unerlaubten Umgangs als Ehescheidungsgrund gegen sie angenommen werde, sie verpflichtete sich nach dem Wohnorte ihres Mannes nicht zurückzukehren, wogegen dieser die Ehescheidungsklage nicht anstellen wollte und entsagte ihrem Erbrecht in das Vermögen ihres Mannes. Diese Erbentsagung war Gegenäquivalent gegen die Nichterhebung der Ehescheidungsklage und konnte daher nicht um deswillen angefochten werden, weil die andre der Ehefrau aufgelegte Belastung, nicht an den Wohnort des Mannes zurückzukommen, rechtlich unverbindlich war. So richtig die Entscheidung war, so unrichtig war der in der Ueberschrist zu derselben formulirte Satz, daß ein Vertrag unter Eheleuten, in welchem verabredet worden, künftig der fortbestehenden Ehe unerachtet getrennt von einander leben zu wollen, wenn die Ehe durch den Tod aufgelöst würde, als ein unerlaubter und deshalb in sich nichtiger Vertrag nicht mehr anzufechten sei. Vql. Striethorst Archiv Bd. 6 S. 253. Für die Unverbind­ lichkeit derartiger Verträge hat sich namentlich Entsch. des O. Trib. Bd. 41 S. 183, Striethorst Archiv Bd. 96 S. 286 ausgesprochen. 4) L. R. II, 1 §. 682. Auch dieser Vertrag muß ein förmlicher — gerichtlicher oder notarieller — sein. Striethorst Archiv Bd. 63 S. 57. Gemeinrechtlich ist die Frage, ob ein derartiger Vertrag Geltung habe, bestritten. Ueberwiegend erklären die Schrift­ steller den Vertrag als dem Wesen der Ehe widersprechend. Glück Bd. 25 S. 344. Andrer Ansicht ist aber u. A. die kurhessische Praxis, vgl. Pfeiffer Prakt. Ausfüh­ rungen Bd. 5 S. 98, 131 und 145. Insbesondre kommt der Fall in Betracht, in welchem eine Wittwe, die Landbesitz oder auch ein Gewerbe hat, heirathet, um einen männlichen Beistand zu haben. Uebrigens nimmt man an, daß der Vertrag nur Geltung haben könne rebus sic stantibus und nicht si justa et urgens supervenerit domicilii mutandi causa.

Allgemeine Grundsätze.

14 erachten Vereinbarungen,

welche vor Abschluß der Ehe oder doch vor Ein­

treten des Falles geschlossen wutden,

dem

um

die

gesetzlichen Ansprüche,

welche

unschuldigen Theil in Folge einer Ehescheidung erwachsen können,

Voraus zu beschränken, da eine Verzichtleistung auf Rechte,

im

die aus künfti­

gen unerlaubten Handlungen eines Paciscenten erwachsen können, unverbindlich

Nachdem

ist5

der Ehescheidungsgrund eingetreten ist,

den Erlaß oder das Maß der Abfindung gültig,

sind Verträge über

der Erlaß muß jedoch ein

ausdrücklicher sein.6 Vereinbarungen der Ehegatten

§. 6.

über die Bermögensfolgen

der Ehe.

Die Ehegatten sind befugt,

vor oder

auch nach Eingehung der Ehe

Vereinbarungen zu treffen, welche das unter ihnen geltende Güterrecht belie­

big regeln,

vorausgesetzt,

gesetzelich Form wahren und unvor-

daß sie die

greiflich der erworbnen Rechte Dritter.*1 2 3Sie 4 können ferner über die gegen­ seitigen Erbansprüche Verträge schließen.^ Es ist also die Ehefrau befugt

im Ehevertrag ihrem Manne auf den

Todesfall besondre Zuwendungen zu machen, sei es, indem sie ihn zum Erben einsetzt oder mit einem Vermächtniß bedenkt;

das Landrecht nennt derartige

Zuwendungen Ehevermächtnisse/ sie fallen aber unter die Erbverträge, deren

Eigenthümlichkeiten sie, abgesehen von der Form des Abschlusses, theilen. Einen andern Charakter haben die in Eheverträgen den Ehefrauen zum

Zweck ihrer Versorgung im Wittwenstand zugewendeten Vortheile, welche man im weiteren Sinne als Gegenvermächtnisse bezeichnet.

Zur richtigen Auffas­

sung dieser

bei Beamtungen

Zuwendungen

an die Analogie der

ist

und

Dienststellen für den Fall der Endigung des Verhältnisses üblichen Versor­

gungen zu denken.

Eine eines

derartige Versorgung

Kapitals,

sei

dies Geld

kann der Frau oder

Eigenthum sofort übertragen oder bloß

Gunsten

begründet

werden.

gewährt werden in Form

eine Species.

Dabei kann

ein persönlicher Anspruch

Das Gesetz spricht bei

ihr

das

zu ihren

der Versorgung durch

eine Kapitalzuwendung im engern Sinne von einem Gegenvermächtniß. * 5) L. R. I, 16 §. 400.

6) L. R. II, 1 §. 824 ff.

Striethorst Archiv Bd. 14 S. 341. Vgl. noch Striethorst Archiv Bd. 24 S. 123.

1) L. R. II, 1 §§. 205, 251 ff., 360 ff. 2) L. R. II, 1 §. 438. Suarez in der Schlußrevision v. Kamptz Jahrb. Bd. 41 S. 118. 3) L. R. II, 1 §. 452. 4) L. R. II. 1 §. 456 ff. Das mittelalterliche Recht kannte vorzugsweise das Leibgeding, wodurch der Frau ein Nießbrauch an bestimmten Vermögen des Mannes unter Lebenden überwiesen wurde, so jedoch, daß die Ausübung bis zum Tode des Mannes suspendirt blieb, Sachsenspiegel I, 21.

§. 6.

Vereinbarungen über die Vermögensfolgen der Ehe.

15

Für den Fall, daß ein derartiges Gegenvermächtniß bestimmt ist, nicht aber dessen Höhe, soll es, wenn es im Verhältniß zum Eingebrachten stehen

sollte^ auf dessen Hälfte fixirt werden, wenn ein Ehevermächtniß verschrieben ist, dessen Betrag haben, sonst aber als unbestimmbar wirkungslos fein.5 Häufig

erfolgt die Versorgung durch Zuwendung des Nießbrauchs an

bestimmten Objekten des Vermögens des Ehemannes.

hier den Ausdruck Leibgeding technisch an.6

vom Gesetz Witthum genannt.7

Rente geschehen,

artigen Witthums

unbestimmt geblieben,

gemäße Unterhalt geleistet werden,

so

Das Landrecht wendet

Die Versorgung

kann auch in

Ist die Höhe eines der­

soll der nothdürftige,

soweit die Frau denselben

standes­

nicht in den

Nutzungen des eignen Vermögens findet, jedenfalls aber soll der vierte Theil

jener Unterhaltungskosten geschuldet fein.8 Aus Leibgeding und Witthum verfallen

sich

die Wittwe nicht weiter verheirathet.9

nur so lange Ansprüche,

als

Der Wiederverheirathung steht

die auf Grund einer Klage des Belasteten erfolgte rechtskräftige Anerkennung

einer zum öffentlichen Aergerniß gereichenden liederlichen Lebensart der Wittwe Diese Verlustgründe treten jedoch nicht

gleich.

ein,

die Frau Leib­

wenn

geding oder Witthum statt ihres Eingebrachten empfing.10

Das durch Wie­

derverheirathung verlorne Recht lebt durch einen spätern neuen Wittwenstand nicht aus.

Die Abtretung

der Ausübung nach

des Leibgedings

des Witthums sind zulässig.

und die Cession

Das Recht des Cessionars hört auf, wenn die

Wittwe sich wieder verheirathet oder sonst ihres Rechts verlustig geht; er hat dann aber einen Rückgriff gegen die Wittwe, wenn diese sich die Verheirathung nicht

vorbehielt.

Wittwe

statt

Beim

des

Witthum

bisher

führt der Regreß dazu,

Belasteten

dem

Cessionar

die

daß

Rente

nun die zu

ent­

richten hat.11 War der

Frau

vorbehalten,

zwischen

ihrem Eingebrachten

und dem

Witthum zu wählen, so hat sie während des Trauerjahrs eine Ueberlegungs-

frist.12

Wählte sie nicht längstens mit dessen Ablauf,

so

ist anzunehmen,

5) L. R. II, 1 §. 459 ff. wurden erst bei der Revision des Gesetzbuchs einge­ schoben; sie sind wenig praktisch. 6) L. R. II, 1 §. 457. Es entspricht dies dem historischen Gebrauch des Wortes. 7) L. R. II, 1 §. 458. Gemeinrechtlich bezeichnet man auch den Nießbrauch der Frau als Witthum. 8) L. R. II, 1 §. 462 ff. 9) L. R. II, 1 §. 471 ff. 10) L. R. II, 1 §. 474. 11) Vgl. aber Entscheidungen des O. Trib. Bd. 3 S. 324.

12) L. R. II, 1 §. 475 ff.

Allgemeine Grundsätze.

16

daß sie das Recht auf das Witthum verliert,

da es ihr nur

in bedingter

Weise zugedacht war.13

In allen gedachten Fällen ist das Gegenvermächtni§ aufzufassen als ein dessen Verwirklichung jedoch bedingt ist durch den

Geschäft unter Lebenden,

Wittwenstand der Ehefrau.14 15 Dasselbe

ist nicht als Schenkung

oder eine

freigebige Verfügung zu erachten, da die Frau dagegen ihr Leben dem Manne

widmet und dieser natürlicherweise verpflichtet

überlebenden Ehefrau zu sorgen. die Ehefrau

ist,

für

das Schicksal

seiner

Es bildet auch keinen Erbvertrag, weshalb

unter Lebenden wegen

des Gegenvermächtnisses gegenüber

dem

Ehemanne denselben Anspruch auf Sicherstellung hat wie wegen ihres Einge­

brachten43 und im Fall des Konkurses ihres Mannes Konkursgläubiger ist.16 17 Hiernach gehört sie nach dem Tode ihres Ehemannes zu den Erbschaftsgläu­

bigern und steht denselben nicht

willig Honorirten nach. zur Zuwendung

von

wie Vermächtnißnehmer und sonstige

letzt­

Endlich ergiebt es sich aus dem Ausgeführten, daß Gegenvermächtnissen

in

Eheverträgen

auch Personen

befugt sind, welche zu freigebigen letztwilligen Verfügungen über ihr Vermögen

nicht berechtigt sind,

sei es in Gemäßheit eines mit einem Dritten geschloß-

nen Erbvertrags oder in Folge des Erwerbs der Erbschaft eines Mittestalors in einem korrespektiven Testament.4^

13) Das Gesetz hat sich über die Frage nicht ausgesprochen. 14) Dies entspricht der historischen Entwicklung, vgl. oben Anm. 4. Allerdings ist es auch zulässig, einen regulären Erbvertrag mit der Frau zu schließen. Ob ein solcher vorliegt, oder ein Gegenvermächtniß, ist eine Thatfrage, welche unter Umstän­ den nicht leicht zu entfcheiden sein wird. Das Gegenvermächtniß charakterisirt sich vorzugsweise durch seinen Zweck als Wittwenversorgung und dem hiernach bemeßnen Umfang. 15) L. R. II, 1 §. 465. 16) L. R. II, 1 §. 466 ff. gewährte der Frau ein Vorrecht, — welches nach.der Konkursordnung vom 8. Mai 1855 weggefallen ist, — nachstehen sollten die bezüg­ lichen Forderungen andern Gläubigern der Frau nur, wenn der Mann zur Zeit der Einräumung der Vortheile bereits überschuldet war. Nach der Konkursordnung vom 8. Mai 1855 sollten alle Forderungen, welche Zuwendungen auf den Todesfall ent­ hielten, auch wenn sie in Ehevertrügen zugesichert waren, allen andern Forderungen nachstehen und im Konkurse des Gemeinschuldners nicht geltend gemacht werden kön­ nen. Weit günstiger stehen aber die bezüglichen Forderungen nach der Reichskonkurs­ ordnung §. 56, denn nach dieser sind vom Konkursverfahren nur ausgeschloffen Forderungen aus einer Freigebigkeit des Gemeinschuldners, wohin eben die Ansprüche der Wittwe auf das Gegenvermächtniß nicht zu zählen sind. Sie unterliegen daher im Konkurse nur der Anfechtung nach §. 24 sub 2 der Reichskonkursord­ nung, wenn sie im letzten Jahre vor Eröffnung des Verfahrens zugebilligt wur­ den, sofern der Bedachte nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschlus­ ses eine Absicht des Gemeinschuldners, die Gläubiger zu benachtheiligen, nicht bekannt war.

17) Vgl. die Ausführungen bei Striethorst Archiv Bd. 69 S. 61 ff.

§. 7.

§. 7. 1.

Die Form der Verträge über das Vermögen der Eheleute.

17

Die Form der Verträge über das Vermögen der Eheleute. Verträge, welche vor Abschluß der Ehe über das vermögen der

künftigen Eheleute, insbesondre über das Einbringen oder die Verwaltung des Vermögens der Frau geschlossen werden, bedürfen der gerichtlichen oder notariellen Form.1 * Auch die Vereinbarungen über die künftige Erbfolge der Ehegatten in solchen Verträgen werden bezüglich der Form nicht als Erbver­ träge, sondern als Eheverträge beurtheilt.^

Die Ausschließung der Gütergemeinschaft in Fällen, in welchen sie an sich statutarisch eintreten würde, bedarf jedoch stets der Gerichtlichkeit; 3 hierüber später das Nähere. 2. Nach Abschluß der Ehe bedarf es zur Aenderung des ehelichen Güterrechts der Form der Gerichtlichkeit. Insbesondre gilt dies für Verträge, durch welche während der Ehe das eingebrachte Vermögen für vorbehaltnes erklärt loird,4 oder vorbehaltnes für eingebrachtes oder die Gütergemeinschaft eingeführt oder auch aufgehoben wird. 3. Außerdem bedürfen der gerichtlichen Vollziehung Rechtsgeschäfte, durch welche die Frau in stehender Ehe zu etwas, wozu die Gesetze sie nicht verpflichten, dem Manne oder zu seinem Vortheil verbindlich gemacht werden soll.5 6 Bei den gerichtlichen Verhandlungen zwischen Mann und Frau ist ein Beistand der letzteren zuzuziehen.G 7 Die Gerichtlichkeit sollte die Frau vor Allem gegen übereilte Jnterces-

sionen schützen; in dieser Hinsicht ist dieselbe jedoch durch das Gesetz vom 1. December 1869, welches die Formen der Jntercessionen beseitigte, außer Kraft gesetzt.8 Die gerichtliche Form ist noch nothwendig bei obligatorischen 1)

. 2)

L. R.II,1 §§. 82 u. 209.

A. G. O. II,

1 §. 10unter

5.

L. N.II,1 §§. 440. 441.

3)

L. R.II, 1 §. 422.

Gesetz vom 20. März 1837.

4)

L. R.II, 1 §. 209.

Gruchot Bd. 15 S. 127, Bd. 17S. 852.

5) Es besteht wohl ein historischer Zusammenhang dieser Vorschrift mit der älteren deutschen Rechtssatzung, wonach die Frau dem Manne nichts zuwenden konnte, Sachsenspiegel I, 31 §. 2, Martitz eheliches Güterrecht des Sachsenspiegels S. 231. Kravt Vormundschaftsrecht Bd. II S. 432 ff., was man wenigstens in späterer Zeit auf dessen Vormundschaft zurücksührte, so daß man Zuziehung eines Beistandes für genügend erachtete. Carpzov des. for. 2 cap. 14 des. 22. 6) L. R. II, 1 §§. 200. 201, vgl. L. R. II, 1 §. 343.

7) Die bloße gerichtliche Anerkennung der Unterschrift eines außergerichtlichen Ver­ trags reicht nicht hin, weil der Richter die Frau gegen Uebereilung und Hintergehung schützm soll; es ist also erfordert eine Darlegung des Inhalts des Geschäfts bei Ge­ richt und dessen richterliche Prüfung. Vgl. Präjudiz des O. Trib. 587. 8) Die entgegengesetzte Ansicht hat zwar das Appellationsgericht zu Naumburg bei Zohow Bd. 1 S. 125 vertheidigt, weil der §.198 nicht auf der jetzt aufgegebnen Dernburg, Preußisches Privatrecht.

HL

2

Allgemeine Grundsätze.

18

Verträgen der Frau zu Gunsten ihres Mannes, die einen lukrativen Charak­

ter Habens

desgleichen bei zweiseitigen Geschäften,

wie Kauf-, Tausch-,

Pachtkontrakten mit dem Ehemanne.10 * * * * *Auch * * * 9 ist wohl nicht in Abrede zu

stellen, daß ste bei Darlehnsverträgen und andern Realkontrakten, durch welche

sich die Frau verbindet, anzuwenden ist,11 so daß der Mann im Fall ihrer Versäumung nur eine Kondiktion auf Rückgabe des Hingegebnen hat. fragliche Geschäft muß aber die Verbindlichmachung der Frau

Das

zum Haupt­

inhalt haben, so daß z. B. die Frau ihrem Manne auch aus einem außer­ gerichtlich ertheilten Mandat verbunden wird, da die hieraus gegen sie erwach­ sende a. mandati contraria nicht den Zweck des Geschäfts ausmacht.12

Die Vorschrift kann auch in den Fällen nicht zur Anwendung kommen, in welchen die Frau sich nicht dem Manne verpflichtet, sondern unmittelbar zu seinen Gunsten etwas aufgiebt, z. B. einem Anspruch entsagt, eine For­

derung cedirt.

Doch sind die Meinungen hierüber getheilt.13

Verträge zwischen Mann und Frau, Form entbehren,

gelten

nicht als nichtig,

welche der

hier vorgeschriebnen

sie sind nur Seitens der Frau

Annahme einer allgemeinen levitas sexus beruhe, sondern auf dem besondern Ver­ hältniß der Ehefrau zum Ehemann, für welches sie Specialgefetz seien. Diese Aufsaffung ist weiter von v. Kräwel in Behrend's Zeitschrift Bd. 4 S. 113 und bei Gruchot Bd. 21 S. 762 ausgeführt. Es war indessen bei Erlaß des Gesetzes vom 1. December 1869 die Absicht, jede besondre Form für die Jntercessionen der Frauen zu beseitigen, namentlich also auch die besondern Formen der Jntercession der Frauen für ihre Ehemänner aufzuheben. Grade die Bürgschaftsbestimmungen der Frauen für ihre Ehemänner sind die praktisch wichtigsten Jntercessionen der Frauen. Es ist daher auch für das gemeine Recht die autheutica si qua mulier ausdrücklich besei­ tigt worden. So auch Entsch. des Obertribunals Bd. 78 S. 181, Möller bei Gruchot Bd. 16 S. 212 ff., oben Bd. I, §. 48 Anm. 7. Es ist andrerseits nicht zu leugnen, daß dieses Vorgehen der Gesetzgebung eine Inkonsequenz enthält und daß es ein legislati­ ver Mißgriff war, andre Verträge der Frau zu Gunsten des Mannes an die Gerichtlichkeit zu binden, hinsichtlich der Jntercessionen aber diesen Schutz fallen zu lassen. Daß die Form der Gerichtlichkeit in der That für Verträge der Frau mit ihrem Ehe­ gatten ihre guten Gründe hat und heilsam wirken kann, hat Kräwel bei Gruchot a a. O. hervorgehoben.

9) Dies trotz L. R. II, 1 §§. 310. 311, wonach Schenkungen unter Ehegatten wie unter Fremden zulässig sind, denn hierdurch wird nur über die Zulässigkeit der Schenkungen unter Ehegatten an sich entschieden, die besondre Form aber nicht berührt. So mit Recht Koch zum §. 198. 10) Vgl. Striethorst Archiv Bd. 43 S. 94. Ist eine Auflassung zum Ver­ äußerungsvertrag hinzugetreten, so wird der Vertrag trotz der mangelnden Form gültig, mag nun der Mann von der Frau oder die Frau vom Manne gekauft haben-

11) Es hat jedoch das Obertribunal bei Striethorst Archiv Bd. 43 S. 94 die entgegengesetzte Entscheidung getroffen. 12) Daß die außergerichtliche Vollmacht den Mann Dritten gegenüber als Ver­ treter der Frau legitimirt, ist keinenfalls zu bezweifeln. Der §.200 der Titels bezieht sich hierauf nicht, Präj. n. 508. Aber auch der Meinung des Textes steht Striet­ horst Archiv Bd. 43 S. 94 zur Seite. 13) Andrer Ansicht v. Kräwel bei Johow Bd. 4 S. 177.

wegen des Formmangels anfechtbar.14 Der Mann „ist seinerseits durch den außergerichtlichen Abschluß des fraglichen Vertrags gebunden, es treten daher die Grundsätze des Landrechts über hinkende Verträge ein. Das Geschäft

wird nach Auflösung der Ehe, auch durch eine außergerichtliche Anerkennung geheilt, namentlich also auch dadurch, daß die Frau fortan die für sie aus demselben entspringenden Vortheile in Anspruch nimmt.15 §. 8.

Ungültige und nichtige Ehen.

Wurden beim Eheschluß die wesentlichen Formen der Eingehung gewahrt, so verliert die prima facie bestehende Ehe, auch wenn ihr die materiellen rechtlichen Voraussetzungen fehlen, nur durch rechtskräftiges Urtheil ihre Geltung. Die Terminologie des preußischen Rechts, welcher sich die Reichscivilproceßordnung angeschlossen hat,4 unterscheidet ungültige und nichtige Ehen. Nichtig ist die Ehe, welche einem im öffentlichen Interesse ergangnen Verbot zuwider läuft, insbesondere die blutschänderische, die bigamische, die zwischen Ehebrechern verbotene Ehe. Die Nichtigkeitsklage kann im öffentlichen Inter­ esse von Amts wegen durch den Staatsanwalt erhoben werden;2* 1 es ist außerdem Jeder zu deren Geltendmachung legitimirt, welcher an derselben ein Interesse hat. Ungültig ist die Ehe, welche vorzugsweise Privatinteressen verletzt; die Anfechtungsklage kann stets nur von Demjenigen, dessen beson­ deres Recht durch die Eheschließung verletzt, nicht aber von Dritten oder von Amts wegen geltend gemacht werden. Da das Erkenntniß präjudicielle Bedeutung gewinnen soll, so kann die Nichtigkeits- und die Ungültigkeitsklage, so lange die Ehegatten leben, nur in einem Rechtsstreit verhandelt werden, an welchem die Ehegatten beide, sei es als Kläger und Verklagte, sei es als gemeinsame Verklagte Theil nehmen.3 44 Das zwischen ihnen oder ihnen gegenüber gefällte Erkenntniß 14) L. R. II, 1 §. 199. Vgl. den Fall bei Striethorst Archiv Bd. 38 S. 70 u. Koch zu L. R. II, 1 §. 199.

15) Striethorst Archiv Bd. 38 S. 70 ff. 1) L. R. II, 1 §§. 933 ff., 950, 951, 934, 973, 975; R. C. P. O. §. 592. In ähnlicher Weise unterscheidet man auch gemeinrechtlich impedimenta Juris publici und solche Juris privati. Vgl. Uihlein im Archiv für civ. Pr. Bd. 14 S. 38.

2) L. R. II, 1 §. 951: Reichscivilproceßordnung §. 586. 3) Die R. C. P. O. §. 586 spricht nur für die Nichtigkeitsklage aus: die von dem Staatsanwalt oder einem Dritten erhobene Klage ist gegen beide Ehegatten, die von einem Ehegatten erhobene Mage ist gegen den anderen Ehegatten zu richten. Das Gleiche muß aber — natürlich abgesehen vom Staatsanwalt — bei der Ungül­ tigkeitsklage gelten. 4) Reichscivilproceßordnung §.588 bestimmt: so lange die Ehegallenleben, kann die Nichligkeit der Ehe nur auf Grund einer Nichtigkeitsklage ausgesprochen werden.

Allgemeine Grundsätze.

20

gegen jeden Dritten.

macht Rechtskraft

dem Tode eines oder beider

Nach

Ehegatten kann die Nichtigkeit auch incidenter verhandelt werden, und es

kann gegenüber verschiedenen Betheiligten denkbarerweise in verschiedenem Shin rechtskräftig über sie erkannt werden.

Eine nichtige Ehe kann

nicht nachträglich konvalesciren, sie bleibt stets

mit dem

Fehler behaftet;

möglich;

eine ungültige Ehe kann konvalesciren.

nur

eine neue Verbindung ist unter Umständen

ungültige wie die nichtige Ehe sind bis zur richterlichen Entschei­

Die

dung wie eine wahre Ehe zu respektiren.

Insbesondere liegt das Verbrechen

der Bigamie vor, wenn der in einer ungültigen oder nichtigen Ehe lebende

Ehegatte vor, der rechtskräftigen Ungültigkeits - oder Nichtigkeitserklärung zu einer neuen Ehe schreitet. 5* * *

rechtskräftige Erkenntniß ergiebt das Nichtbestehen

das

Erst

der Ehe

Die derselben entsprungenen Kinder sind illegi­

und zwar von Anfang an.

tim und zwar von Anfang an, doch ist ihre Stellung unter den unehelichen

Kindern

eine

welche sich

verhältnißmäßig

bevorzugte.6

Auch

an die gültige Ehe geknüpft hätten,

ehelich Verbundnen

aberkannt wird.7

eingetreten,

wenn

der

die

Vermögensfolgen,

gelten als nicht unter den

Ehe *Sie

Geltung

rechtskräftig

Der Mann wird daher als Ver^valter fremder Güter be­

trachtet,, soweit er das Gut der Frau in seine Veriüaltung genommen hat.8

Doch hat er wegen der Nutzungen, welche er bis zu rechtskräftiger Vernich­ tung

keine Rechnung zu legen,

der Ehe gezogen hat,

Nutzungen gegen die Kosten der Ehe angerechnet.

vielmehr werden diese

War der Mann bei Ein­

gehung der Ehe bona fide, die Frau mala fide, so hat er nur für grobes Versehen einzustehen.

Wußte dagegen der Mann das Ehehinderniß, während

dasselbe der Frau bei Eingehung der Ehe unbekannt war, so gilt der Mann als unredlicher Besitzer des von ihm

die Nutzungen, aufrechnen,

was

wie ein er

verwalteten Gutes der Frau,

unredlicher Besitzer,

erweislich zum Unterhalt

herauszugeben

oder

er hat

und kann nur

zum Nutzen der Frau

verwendet hat.9

Für die Ungültigkeit gilt aber dasselbe. Denn auch sie kann nicht bloß im Wege der Einrede geltend gemacht werden, erfordert ist vielmehr auch hier ein positives Resultat, welches nur durch Klage oder Widerklage zu gewinnen ist.

5) Strafgesetzbuch §. 171. 6) Vgl. hierüber die spätere Ausführung im dritten Abschnitt dieses Buches. 7) L. R. II, 1 §. 952. Im Fall der Anfechtbarkeit liegt juristisch ein Schwebeverhältniß vor. Von dem Umstand, ob die Anfechtung erhoben und rechtskräftig anerkannt wird, hängt die Gestaltung des Rechtsverhältnisses ab. 8) L. R. II, 1 §. 953.

Vgl. oben Bd. 2 §. 184.

9) Das in L. R. II, 1 §. 958 den in bona fide befindlichen Frauen zuge­ billigte Vorzugsrecht ist weggefallen.

Gegenüber redlichen Dritten, welche bis zur rechtskräftigen Aufhebung

der Ehe mit den Ehegatten Rechtsgeschäfte schlossen, treten dieselben Rechts­ folgen ein, wie wenn die Ehe gültig gewesen toöre.10 Im Fall einer Schuld eines der Ehegatten an Eingehung einer nichtigen oder anfechtbaren Ehe hat der getäuschte Ehegatte Anspruch auf die Ehescheidungsstrasen.11 §. 9.

Besonderes Verfahren in

Ehesachen.

Das Verfahren in Ehesachen, welches sich bereits gemeinrechtlich und auch nach früherem preußischen Proceß eigenthümlich gestaltet hatte, erfuhr durch die unter König Friedrich Wilhelm dem Vierten erlassene Verordnung vom 28. Juni 1844 zu dem Zweck eine neue Regelung, um leichtfertigen Ehescheidungen entgegenzutreten. Diese Verordnung wurde zwar mit dem Inkrafttreten der Reichscivilproceßordnung außer Kraft gesetzt; ihre Bestim­ mungen sind jedoch zu einem erheblichen Theil in dieses Proceßgesetz über­ gegangen. *1 Ehesachen sind im Sinn der Proceßgesetzgebung diejenigen Rechtsstreitigkeiten, welche die Trennung einer gültigen Ehe, sowie die Erklärung der Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer anfechtbaren Ehe zum Gegenstände haben, endlich die Klage zur Herstellung des ehelichen Lebens.2 Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit derartiger Sachen ist das Landgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig.3 Die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, die Ehescheidungsklage und die Un­ gültigkeitsklage können zusammen verhandelt werden, sei es in Folge einer Klagekumulation oder einer Widerklage, eine Verbindung mit einer Klage oder Widerklage anderer Art ist unzulässig. Es bezieht sich dies auch auf diejenigen Klagen, welche die vermögensrechtlichen Folgen der Ehetrennung zum Gegenstand haben, natürlich aber nicht auf den richterlichen Ausspruch über die Schuld des einen oder des andern Ehegatten.4

Mit der Nichtig-

10) L. R. II, 1 §. 961.

11) L. R. II, 1 §. 974.

Striethorst Archiv Bd. 47 S. 107.

1) Vgl. A. G. O. Th. I, Tit. 40 „Ehesachen" insbesondere §. 20 ff. Die Ver­ ordnung vom 28. Juni 1844 ist ausdrücklich außer Kraft gesetzt durch das preußische Ausführungsgesetz zur deutschen Civilprozeßordnung vom 24. März 1879 §. 5 Abs. 1.

1844

2) Reichscivilproceßordnung §. 568 Abs. 1; vgl. Verordnung vom 28. Juni 1.

3) Reichscivilproceßordnung §. 568 Abs. 1. Gegen den Ehemann, welcher seine Frau verlassen und seinen Wohnsitz nicht mehr im deutschen Reich hat, kann von der Ehefrau die Klage beim Landgericht seines letzten Wohnsitzes in Deutschland erho­ ben werden, sofern der Beklagte zur Zeit, als er die Klägerin verließ, ein Deutscher war. 4) R. C. P. O. tz. 575.

Allgemeine Grundsätze.

22

keitsklage kann eine andere Klage nicht

verbunden und widerklagend gegen

sie nur eine Nichtigkeitsklage erhoben werden.5

1.

die

Da

Ehesachen

unter­

nicht

der Betheiligten

der Verfügung

worfen sind f so hat bei denselben die Verhandlungsmaxime keine Anwendung.

Um

ist

deswillen

der Staatsanwalt

Theil

befugt, am Processe

zu

Er hat in Ehescheidungssachen die Stellung eines defensor matri-

nehmen.

monii, und kann zu diesem Zweck die Richtigkeit der Anführungen der Pro­

ceßparteien kontroliren, wie Thatsachen und Beweise vorbringen.6

dehnter sind die Befugnisse ist

selbständig zu deren Erhebung

Anderen

erhoben

Anträge

stellen

den

ist,

Ausge­

des Staatsanwalts bei der Nichtigkeitsklage;

befugt,

Rechtsstreit

und Rechtsmittel

er kann ferner,

betreiben,

einlegen, sei

er

wenn sie von

insbesondere

selbständige

es zur Vernichtung,

sei es

zur Aufrechthaltung der Ehe.

Auch das Gericht ist befugt, Thatsachen, welche von den Parteiell nicht zu

berücksichtigen

vorgebracht

sind,

Amtswegen

zu verordnen.

rechterhaltung

der Ehe,

und die Aufnahme

von Beweisen von

In Ehescheidungssachen ist dies nur zur Auf­

bei Nichtigkeitsklagen ohne Zweifel auch zum Zweck

der Vernichtung der Ehe zulässig.7 8

Die Vorschriften des ordentlichen Processes über die Folgen des Nicht­ erscheinens einer Partei, erkennungen

Thatsachen,

sollen,

ist

kommen

welche

die Trennung,

unzulässig,

Partei anordnen,

einer unterlassenen Erklärung von Verzichten, An­

nicht zur Anwendung;

das

Gericht

Zuschiebung von Eiden

Ungültigkeit

kann

oder Nichtigkeit

begründen

das persönliche Erscheinen

gegen den Ausgebliebenen

über

einer

ist wie gegen einen Zeugen zu

verfahren, die Haft ist jedoch ausgeschlossen.^ 2.

Der Ehescheidungsklage, sowie der Klage auf Herstellung des ehe­

lichen Lebens9 10 soll ein richterlicher Sühneversuch vorhergehen?9

Sein Anstellen

5) R. C. P. O. §. 587. 6) Reichscivilproceßordnung §. 569. Nach der Verordnung vom 28. Juni 1844 §. 4 ff. war die Mitwirkung des Staatsanwalts in Ehesachen nothwendig. Nach der Civilproceßordnung ist sie nur fakultativ. Sind Rechte oder Interessen der Kinder im Ehescheidungsproceß wahrzunehmen, so hat die Staatsanwaltschaft dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen nach der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 § 16 Abs. 3. 7) Insoweit ist Reichscivilproceßordnung §. 581 nicht erschöpfend. 8) R. C. P. O. §§. 577, 578, 579 enthält das Nähere. 9) R. C. P. O. §. 570 ff. ' Ein Sühneversuch findet nicht statt bei Klagen auf Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe. Vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 20 S. 244.

10) Nach der A. G. O. I, 40 §. 24 mußte der Richter unter Zuziehung des gewöhnlichen Seelsorgers oder eines andern Predigers auch nach Befinden der Eltern oder nächsten Freunde die Sühne versuchen. Nach Anhang §. 289 konnten die Ge­ richte den Kläger anweisen, sich wegen des Sühneversuchs an den Geistlichen seiner Konfession zu wenden, so daß die Klage nur unter Beibringung des Attests des

erfordert die Gegenwart beider Gatten; der Beklagte kann aber nicht mehr wie früher zwangsweise zu demselben sistirt werden; bleibt er aus, so gilt vielmehr die Aussöhnung als zurückgewiesen; erscheint der Kläger nicht, so ist die Ladung ohne Wirkung.11 ****** Die Anstellung des Sühneversuchs ist nicht erfordert, falls ihm ein schwer zu beseitigendes, vom Kläger nicht verschuldetes Hinderniß entgegen­ stehe, oder seine Erfolglosigkeit bestimmt vorauszusehen ist. Hierüber ent­ scheidet der Vorsitzende des Landgerichts.12 Neue Vorbringen, sowie die Erhebung einer Widerklage erfordern kei­ nen erneuten Sühneversuch.13 3. Das Gericht kann die Aussetzung des Verfahrens über eine Ehe­ scheidungsklage und über die Klage wegen Herstellung des ehelichen Lebens auf längstens ein Jahr einmal anordnen, wenn es die Aussöhnung der Parteien für nicht unwahrscheinlich erachtet. Falls die Scheidung wegen Ehebruchs beantragt ist, ist es hierzu nicht befugt. 14 Es verfolgt dies den­ selben Zweck, wie das dem preußischen Recht nicht angehörende gemeinrecht­ liche Institut der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett. Die Bestim­ mung des früheren preußischen Rechts, wonach die Verkündung des Urtheils ein Jahr lang ausgesetzt werden konnte, ist aufgehoben. 4. Die Eröffnung des Verfahrens in einer Ehesache bringt an sich eine rechtliche Veränderung in den Verhältnissen der Ehegatten nicht hervor. Sie haben daher zusammen zu leben,15 die Befugnisse bezüglich der Erzie­ hung der Kinder werden nicht angetastet. Es können jedoch auf Antrag eines Theils gerichtliche einstweilige Ver­ fügungen erlassen werden, namentlich zum Zweck der Gestattung vorläu­ figer Trennung der Ehegatten und der Entrichtung von Alimenten.16 17 Geistlichen über die fruchtlos versuchte Sühne eingeleitet werden konnte; die Verord­ nung vom 28. Juni 1844 §. 10 ff. forderte schlechthin den Sühneversuch vor dem Geistlichen. Die R. C. P. O. §. 571 wiederum überweist die Vornahme des Sühne­ versuchs dem Richter ausschließlich und zwar dem Amtsrichter. Die Reichstagskom­ mission hat — schwerlich zum Vortheil der Sache — die Vorschläge, daß der Richter den Seelsorger der Parteien zuziehen solle oder doch könne, verworfen. 11) So Verordnung von 1844 §. 11. 12) R. C. P. O. §. 573. Archiv Bd. 82 S. 130.

Vgl.

bezüglich

des früheren Rechts,

Striethorst

13) R. C. P. O. §.574. Früher bestand hierüber eine Kontroverse, vgl. Korn in Behrends Zeitschrift Bd. 4 S. 40 ff.

14) R. C. P. O. §. 580. — Urtheile in Ehesachen dürfen nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, R. C. P. O. §. 644 Abs. 2.

15) L. R. II, 1 §. 723, vgl. §. 175. 16) R. C. P. O. §. 584, vgl. A. G. O. I, 40. §. 53. 17) Das Preußische Ausführungsgesetz zur deutschen Civilproceßordnung vom 24. März 1879 bestimmt hierüber im §. 7: Daß die bezüglichen Verfügungen erst

Die Ehegelöbnisse.

24

Bei Ehescheidungsklagen kann insbesondere dann vorläufige Trennung verfügt werden, wenn die Ehescheidung aus Gründen gesucht wird, welche

eine dem Leben oder der Gesundheit des Antragstellers drohende Gefahr ent­ halten. 18 * * * *Die * Frau ist im Fall der Anordnung interimistischer Trennung zum Verlangen

befugt, daß ihre Versorgung

außer dem Hause geschehe.19

Ist der Mann zu solcher Leistung außer Stande, so ist der Frau ihr Ein­ Unter Umständen kann auch die Frau ihrerseits

gebrachtes zu überweisen.20 zur Alimentation

ihres Mannes angehalten werden.21

kräftigen Erkenntniß

in

der Hauptsache

erlischt

die

Mit

dem rechts­

weitere Wirkung

der

interimistischen Verfügung.22

Zweites Kapitel.

Die Ellegeköbaisse. §. 10.

Die Ehegelöbnisse nach preußischem und deutschem Rechts

Das Verlöbniß, das gegenseitige Versprechen der Ehe bildete für die Römer einen Akt von socialer und ethischer Bedeutung zur Vorbereitung der

Ehe,

hatte

aber

einen

Rechtszwang

nicht im Gefolge.2

Das Verlöbniß

wurde formlos eingegangen,3 die Fähigkeit der Verlobten zu künftiger Ehe

mit einander genügte, wenn diese Fähigkeit auch derzeit noch nicht bestand/

erlassen werden dürfen, nachdem die Anberaumung des Sühnetermins beantragt, oder der Termin zur mündlichen Verhandlung auf die Klage festgestellt oder der Befehl zur Herstellung des ehelichen Zusammenlebens erlassen ist. Ist der Kläger im Sühnetermine oder in dem aus die Klage bestimmten Termine nicht erschienen, so ist die einstweilige Verfügung nicht zu erlassen oder auf Antrag des Gegners aufzuheben.

18) L. R. 11,1 §.724. Diese Bestimmungen werden jedenfalls, selbst wenn sie formell durch die R. C. P. O. aufgehoben sein sollten, dem Richter einen Anhalt geben. 19) L. R. n, 1 §. 725.

20) Striethorst Archiv Bd. 6 S. 121. 21) Entsch. des O. Trib. Bd. 59 S. 220. 22) Striethorst Archiv Bd. 22 S. 276. 1) L. R. II, 1 §. 75 ff. Die Geschichte des Verlöbnisses und der Eheschließung nach deutschem und kanonischem Recht hat bekanntlich in neuerer Zeit den Gegenstand anregender Untersuchungen und Disllrsfionen gebildet. Es kommt in Betracht Fried­ berg das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung 1865, Sohm das Recht der Eheschließung aus dem deutschen und kanonischen Recht geschichtlich entwickelt 1875, die Gegenschrift von Friedberg Verlobung und Trauung 1876, sowie Sohm Trauung und Verlobung 1876, vgl. auch Brunner Recension dieser beiden Schriften in der Jenaer Litteraturzeitung 1876 Art. 439. 2) I. 2 D. de sponsalibus 23, 1.

3) 1. 4 pr. §. 1, I. 7 pr. D. eod. 23, 1. 4) 1. 4 D. eod. 23, 1, 1. 38 pr. D. de ritu nuptiarum, anders im Fall der 1.15 D. h. t. 23, 1.

aus dem Verlöbniß entsprang keine Klage auf Erfüllung, selbst die Zufiigung

einer Konventionalstrafe

konnte einen rechtlichen Zwang

nicht schaffen, da

man sie als ungehörigen Eingriff in die Freiheit der Entschließung für unsitt­ lich und nichtig erklärte.5

Doch stellte man singulärerweise die Braut der

Ehefrau gleich, worin vielleicht eine Nachwirkung älterer Anschauungen liegt. Die christliche Kaiserzeit knüpfte an den ungerechtfertigten Rücktritt Vermögens­

nachtheile. 6 7

Das ältere deutsche Recht sah als nothwendig für die Ehe an eine förmliche Verlobung — desponsatio — und die auf Grund derselben voll­

zogene Trauung, d. h. die Uebergabe der Braut an den Bräutigam.

Dem­

nach war die Verlobung Beginn und Bestandtheil des Eheschlusses1

hatte

eine

ganz andere Stellung als nach römischem Recht.

und

Es hat dies

die Rechtsgestaltung der Ehegelöbnisse dauernd bestimmt und zwar vorzugs­

weise

in

den protestantischen deutschen Landen.

Zahlreiche Partikularrechte

knüpften die Ehegelöbnisse an bestimmte Formen, so daß formlose Gelöb­

nisse — Winkelverlöbnisse — keine Kraft hatten.8

Dagegen gewährte man

aus dem gültigen Ehegelöbniß eine Klage auf Erfüllung — actio matri-

monialis

oder ex sponsu

— indem man die Trauung erzwang, sei es

durch Geld- oder Gefängnißstrase, sei es durch Zwangstrauung, etwa auch

dadurch, daß man

die Trauung mit einem fiskalischen Bedienten vornahm,

welcher das Jawort abgab.9

Seit man mit dem achtzehnten Jahrhundert

die Sponsalien im römischen Sinn als bloße Beredungen über eine künftige

Ehe zu

betrachten anfing, wurde dies zum Theil modificirt.

Man hielt

zwar an der Form der Ehegelöbnisse fest und gab aus gültigen Gelöbnissen

5) 1. 71 §. 1 D. de conditionibus 35, 1, 1. 134 pr. D. de V. 0. 45, 1, cfr. 1. 2 C. de inutilibus stipulationibus 8, 39. 6) 1. 5 C. de sponsalibus 5, 1. 7) Dies wird in den Anm. 1 citirten Schriften übereinstimmend anerkannt, während' freilich die Auffassungen über das Verhältniß der altdeutschen Verlobung und Trauung sich scharf gegenüberstehen.

8) Vgl. Brandenburgische Visitations - und Konsistorialordnung von 1573 — C. C. M. 1,1 S. 313 — „sollen die Ehe mit dem Gebeth und öffentlicher Dispensation in Beisein etlicher ehrlicher Leute, ungefährlich zwei oder drei auf jeder Seite, wo sie mit Eltern oder Vormunden nicht versehen, als Zeugen an fangen", ähnlich lautet die Ehekonstitution vom 15. December 1694 C. C. M. I, 2 p. 118. Hiernach for­ derte insbesondere die Deklaration vom 2. September 1717 Gegenwart der Eltern und zweier ehrlicher Zeugen (C. C. M. 1,2 p. 218); das Edikt vom 8. Februar 1770 (N. C. C. tom. IV p. 6669) über die Schriftlichkeit der Verträge verlangte noch außerdem im §. 11 Schriftlichkeit der Verlöbnisse, für Ehestiftungen aber und Erb­ folgeverträge gerichtliche und notarielle Errichtung. Auf diefer Grundlage beruhen die Normen von L. R. II, 1 §. 82. Nach gemeinem Recht gelten Ehegelöbnisse als formlos vgl. Striethorst Archiv Bd. 66 S. 128. 9) Glück Bd. 23 S. 90 ff., Projekt des corp. Juris Frid. p. I lib. 2 tit. 3 tz. 27,

Die Ehegelöbnisse.

26

immer

noch eine Klage auf Erfüllung, aber ein direkter Zwang aus Ehe­

schließung fand nicht mehr statt.10 11 12 13 Auf dem Boden dieser Entwicklung steht das preußische Verlöbnißrecht. 1.

Das rechtsgültige Verlöbniß bedarf der Form und zwar ist dieselbe

für die Regel

gerichtliche

oder notarielle

Errichtung."

Gemeine Landleute

können jedoch ihre Ehegelöbnisse auch vor gehörig besetztem Dorfgerichte voll­ Die Verlobten müssen der Regel nach in Selbstperson zum

ziehen lassen."

Verlöbniß bei Gericht erscheinen. befinden,

kann

Gegenwart

geschehend

jedoch

Wenn

sich

sie

an

verschiednen Orten

das Verlöbniß am Aufenthaltsort der Braut in deren

mit einem gerichtlich ernannten Bevollmächtigten des Bräutigams Es

der Zustimmung

bedarf

der

Personen

deren Konsens zur Schließung der Ehe erfordert ist.

zum

Verlöbniß,

Bis die Genehmigung

eingetroffen ist, bleibt der andre Theil nach der Theorie der hinkenden Ver­ träge gebunden.14

Ist

die Braut großjährig und nicht in väterlicher Ge­

walt, so ist Zuziehung eines Beistands zum förmlichen Verlöbniß erfordert.15

Die Vornahme des Aufgebots mit Bewilligung beider Theile macht das

bisher formlose Verlöbniß zum vollwirksamen.16 2.

Das Ehegelöbniß

fordert zu

seiner

Gültigkeit die Fähigkeit

der

Verlobten mit einander eine gültige Ehe abzuschließen.

Es genügt nicht, können;

daß sie künftig diese Fähigkeit erhalten werden oder

daher ist z. B. das Verlöbniß von Personen,

die noch nicht ehe­

mündig sind, nicht, wie nach römischem Rechte, rechtsbeständig, ebensowenig

10) Friedberg Eheschließung S. 297 ff. 11) L. R. II, 1 §. 82. Diese Bestimmungen gelten auch in der Mark Branden­ burg als dem Provinzialrecht entsprechend. Striethorst Archiv Bd. 45 S. 363. Im Herzogthum Westfalen genügt dagegen nach kanonischem und gemeinem Recht die formlose Abschließung der Ehegelöbnisse, Präjudiz des O. Trib. 179, Entsch. Bd. 2 S. 368, auch Striethorst Archiv Bd. 66 S. 128, jedoch nicht für die Juden, Striethorst Archiv B. 71 S. 262. 12) So ist L. R. II, 1 §. 83 zu verstehen, da eine Singularität — Nichtzu­ ziehung des Gerichtsschreibers nicht zu unterstellen ist. So auch Koch zu §. 83. 13) L- R. II, 1 §§. 86, 87. Gemeinrechtlich konnten Verlöbnisse unter Abwesen­ den und durch Vertreter geschlossen werden, 1. 18 D. de sponsalibus 23, 1.

14) L. R. II, 1 §. 78 ff. Nach kanonischem Recht war das Ehegelöbniß eines Hauskindes trotz des Mangels der väterlichen Genehmigung gültig. Schulte Eherecht S. 284. Für nichtig erachten es Entsch. des O. Trib. Bd. 3 S. 1 ff. 15) L. R. II, 1 §. 88. Fehlte der Beistand, so ist das Gelöbniß unwirksam und zwar auch sür den Bräutigam. Entsch. d. O. Trib. Bd. 62 S. 144. 16) L. R. II, 1 §. 92. Nach dem jetzigen Recht kommt nur das Aufgebot des Standesamts in Betracht. Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 44 ff. Nothwendig ist, daß das Aufgebot an einem der gesetzlich bestimmten Orte geschah. Das Auf­ gebot verliert nach dem Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 51 seine Kraft, wenn seit dessen Vollziehung sechs Monate verstrichen sind, ohne daß die Ehe geschlossen ist. Auf die Geltung des durch das Aufgebot bekräftigten Verlöbnisses hat das keinen Einfluß.

das Verlöbniß eines Adoptivkindes mit dem Adoptivvater vor gelöster Adoption. Die Ehehindernisse, welche das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 feststellte, sind demnach auch für das preußische Verlöbnißrecht maßgebend.^ Außer­ dem hindert ein dem andern Theil bekanntes früheres, noch nicht aufgelöstes Verlöbniß die Gültigkeit eines spätern.17 18 Wesentlicher Irrthum, Betrug, Zwang, rechtfertigen den Rücktritt desjenigen, dessen Willen durch sie bestimmt wurde.19 20 Ehegelöbnisse, deren Erfüllung von einer aufschiebenden Bedingung ab­ hängig gemacht oder auf eine ungewisse Zeit hinaus gesetzt sind, können, so lange die Bedingung oder der Zeitpunkt noch nicht eingetroffen ist, von jedem Theile einseitig widerrufen werden.^9 Ist im Ehegelöbniß keine Zeit bestimmt, oder die Ehe bloß nach Möglichkeit versprochen oder der Willkühr eines Theils überlassen, so kann jeder Theil zurücktreten, wenn die Vollziehung nicht in zwei Jahren geschah.21 3. Die Ehegelöbnisse verlieren ihre Rechtswirkung durch eintretende Unfähigkeit, die Ehe mit einander zu schließen; z. B. durch Eintritt einer Verschwägerung, welche ein Ehehinderniß begründet, durch Einwilligung beider Theile, endlich auch durch einseitigen, erlaubten Rücktritt. Der Rücktritt kann wie ausdrücklich, so auch durch Handlungen erklärt werden. Er wird stets gerechtfertigt durch Gründe, welche eine Ehescheidung ermöglichen würden.22 Außerdem berechtigen zum Rücktritt auch geringere Verstöße des Verlobten gegen die Verlöbnißtreue,23 sowie nach dem Verlöbniß entdeckte oder entstandne grobe Laster oder schimpfliche Strafverurthei17) L. R. II, 1 §. 76 ; vgl. Suarez in v. Kamptz Jahrb. Bd. 41. S. 108. Das bloß dilatorische Ehehinderniß des Reichsgesetzes im §. 35 steht einem Verlöbniß nicht entgegen. So Koch zu L. R. II, 1 §. 76. Es kommt 1. 10 §. 1 D. de bis qui not. 3, 2 zur Geltung. 18) L. R. II, 1 §. 134. 19) L. R. II, 1 §§. 105, 106. Irrthum über das Vermögen des Verlobten ist nur dann wesentlich, wenn es den künstigen Ehegatten voraussichtlich an dem nöthigen Auskommen fehlen wird. Gemeinrechtlich ist die Frage kontrovers. Siehe Glück Bd. 22 S. 439. Betrug auch nur in Bezug auf das Vermögen giebt dem betroffenen Theil ein Rücktrittsrecht. Nichtkenntniß ekelhafter oder unheilbarer Krankheiten, sowie einer verheimlichten auffallenden Häßlichkeit, oder eines andern Ekel und Widerwillen erregenden Gebrechens gibt gleichfalls ein Rücktrittsrecht. L. R. II, 1 §§. 103. 104. Kahlköpfigkeit, Zahnlosigkeit und dergleichen kann nicht hierher gerechnet werden.

20) L. R. II, 1 § 95 ff. Gemeinrechtlich ist die Frage der Kraft bedingter Ver­ löbnisse bestritten. Vgl. die Ausführung von Glück Bd. 23 S. 1 ff.

21) L. R. II, 1 §§. 97, 98. salibus 5, 1.

Aehnlich das römische Recht, 1. 2.

C. de spon-

22) L. R. II, 1 §. 100.

23) L. R. II, 1 § 101. Es gehört hierher ein verdächtiger Umgang; vgl. 1. 5. C. h. t. 5, 1: „propter turpem vel impudicam conversationem geringere Thätlichkeiten, verächtliche Begegnung, Beleidigung des Vaters des Verlobten erachtet als genügend Präjudiz des O- T. n. 1106.

Die Ehegelöbnisse.

28 hingen;24

ferner solche Veränderungen

in der Person

in den persönlichen oder Vermögensumständen,

er sie hätte

voraussehen können,

des andern Theils,

welche den Verlobten,

falls

wahrscheinlich zur Unterlassung der Ver­

lobung bestimmt Rütten;25 endlich die Unmöglichkeit

der Erfüllung der vom

andern Theil ausdrücklich im Ehegelöbniß oder dem Ehevertrag übernommnen Verbindlichkeiten.

Eltern und Vormünder sind befugt, ihre Einwilligung zurückzunehmen, wenn sich Umstände, weswegen sie zur Versagung der Genehmigung berechtigt

wären, erst in der Folge ereignen oder offenbaren.

§. 11.

Nichterfüllung des Ehegelöbnisses.

Was die Folgen der Nichterfüllung eines Ehegelöbnisses anlangt, so kann: 1.

Die Trennung mit

beiderseitigem Einverständniß

rechtlichen Gründen geschehen sein,

der Schuld

zur Last

oder

Dann kann jeder Theil verlangen,

liegt.

Geschenke zurück gegeben werden.

sonst aus

ohne daß einem Theil ein Uebergewicht daß die

So weit sie beim Beschenkten nicht mehr

in Natur existiren, hat derselbe den Betrag seiner Bereicherung zu erstatten.*1 2

2.

Wird die Erfüllung des Verlöbnisses durch den Tod des einen Ver­

lobten gehindert, so steht dem Ueberlebenden die Wahl zu, entweder die von

dem Verstorbnen empsangnen Geschenke zu Erben zu

belassen,

oder

behalten und die (einigen dessen

unter Rückgabe des

die

seinerseits

Ehegelöbnisses

beharrlich

Empfangnen

gemachten Brautgeschenke zurück zu fordern.^

3.

Wer

ohne Grund

die Erfüllung

eines

verweigert, oder sich dazu außer Stand setzt, verliert die dem andern Theil

24) L. R. II, 1 §. 102, vergl. §§. 61, 62, 63. 25) L. R. II, 1 §. 107. c. un C. XXIX qu. 1, vgl. cap. 25 X de jurejurando 2,24.. quodsi post hujusmodi juramentum mulier fieret non solum leprosa sed etiam paralytica vel oculos vel nasum amitteret . . numquid vir teneretur eam ducere in uxorem? Es kann hierher auch Religionsveränderung des Verlobten gehören, ungeachtet sie ein Ehehinderniß niemals bildet. Der die Religion Verän­ dernde erhält in Folge der Veränderung kein Rücktrittsrecht. L. R. II, 1 §. 108. Auch der Umstand, daß sich der Verlobte noch einmal, zum zweitenmale, verlobt, gibt dem ersten Verlobten ein Rücktrittsrecht. L. R. II, 1 §. 135.

1) L. R. II, 1 §. 122. Dies ist dem gemeinen Rechte konform. Es frägt sich aber, ob die Bestimmung bloß bei einem formgerechten Verlöbniß anwendbar ist, wie das O. Trib. bei Striethorst Archiv Bd. 45 S. 363, Bd.62 S. 253 erkannt hat, oder ob, roie Koch annimmt, das gleiche Rückforderungsrecht auch bei formlosen Verlöb­ nissen stattfindet. Die letztere Ansicht wird darauf gestützt, daß die Geschenke unter Verlobten in der Voraussetzung geschehen, daß das Verhältniß zur Ehe führe, min­ destens nicht in willkührlicher Weise gelöst werde, so daß die condictio sine causa auch bei Geschenken aus Grund unförmlicher Verlöbnisse Platz greift. Das O. Trib. sieht in der künftigen Ehe nur einen Beweggrund der Schenkung. 2) L. R. II, 1 §. 123. Es ist dies eine positive Bestimmung zu Gunsten des Ueberlebenden.

gemachten Geschenke,^

wird ihm außerdem

entschädigungspflichtig und hat

unter gewissen Umständen eine Abfindung zu leisten. Die Entschädigung ersetzt alle wegen des Ehegelöbnisses in an sich ent­

sprechender Weise aufgewendete Kosten, z. B. für Reisen, ein Festmahl und

für Einrichtungskosten, insbesondre

für Ausgaben für die angeschaffte Aus­

steuer oder das Miethen einer Wohnung.^

Die Abfindung kann

in einer Konventionalstrafe bestehen,

welche auf

den Rücktritt gesetzt war und mit demselben verfällt.53 64 7 War

eine Strafe

so bildet die Abfindung ein Viertel des im

Ehegelöbniß

nicht bedungen,

oder Ehevertrag als Mitgabe oder als Gegenvermächtniß — auch Leibgeding

und Wittthum b — Ausgesetzten und in Ermangelung solcher Zuwendungen ein Viertheil des dem unschuldigen Theil in einem Erbvertrag Verschriebnen.

Dabei wird

die

geringste

nach

der

Verschiedenheit der

Fälle bestimmten

Summen in Anschlag gebracht.1 Hat die Verlöbnißklage ihren

Theils, die Ehe zu schließen,

Grund in der Weigerung

des

andern

so muß sie zunächst auf Erfüllung des Ver­

löbnisses gerichtet werden.8 9 Sie ist daher in diesem Fall nur zulässig, wenn der Kläger im Stande und bereit ist, die Ehe zu schließen.

Entschädigung

und Abfindung kann erst gefordert werden, wenn sich der Verklagte beharr­ lich, d. h. noch in der Klagbeantwortung,

der Erfüllung weigert.^

auf Abfindung

und Entschädigung ist die Klage nur dann zulässig,

sich der

Theil

andre

Stande setzte,

— insbesondre

durch anderweite

das Verlöbniß zu erfüllen.

Heirath —

Direkt wenn

außer

Hat sich der Kläger früher ver-

heirathet als der Verklagte, so kann er nicht etwa gestützt darauf klagen, daß

derselbe sich seinerzeit zuerst der Erfüllung des Verlöbnisses weigerte.10 11

Der Verlobte kann auch dann Geschenke, Entschädigung und Abfindung direkt fordern, wenn ihm die Schuld des andern Theils gerechten Grund zum Rücktritt gab, wegen eines vor dem Verlöbniß bestehenden Grundes kann aber

Abfindung nur im Fall seiner dolosen Verheimlichung beansprucht werden." 3) L. R. II, 1 §. 112. 4) L. R. II, 1 §.112 spricht von den wegen des Ehegelöbnisses ausgewendeten Kosten. Vergeblich aufgewendete Einrichtungskosten will Koch nicht hierher rechnen. Hierzu fehlt es aber an zureichenden Gründen. 5) So auch nach gemeinem Recht. Glück Bd. 23 S. 89 und dort Citirte. 6) L. R. II, 1 §. 114 ff., vgl. auch Striethorst Archiv Bd. 14 S. 1. Die be­ züglichen Bestimmungen gelten auch in der Mark als anwendbar. 7) Striethorst Archiv Bd. 14 S. 1 ff. L. R. II, 1 §. 116. 8) L. R. II, 1 §. 112. Dies trotzdem, daß ein direkter Zwang zum Ehefchluß uicht mehr stattfindet. 9) Entfch. d. O. Trib. Bd. 23 S. 173, Bd. 56 S. 192.

10) L. R. II, 1 §. 131. 11) L. R. II, 1 §§. 120, 121.

30

Die Eheschließung. Die Eltern des Verlobten haften subsidiär für die Abfindung, wenn sie

in das Verlöbniß willigten und den Rücktritt veranlaßten oder genehmigten.12

Die

Erben

des

unschuldigen Verlobten

Entschädigung und Abfindung nur

rechtskräftig,

haben

fordern,

bei Lebzeiten ihres Erblassers,

kein Klagrecht,

sie

können

der andre Theil bereits

wenn

verurtheilt war.

Die Erben

des zurücktretenden Verlobten sind zur Leistung von Entschädigung und Ab­

wenn der Geldanspruch bereits in der Person des

findung nur verpflichtet,

Erblassers entstanden war, oder schriftlich,

weil er auf die Klage zum Eheschluß, gerichtlich

seine Weigerung

erklärte oder

sich

zum

Ehevollzug z. B.

durch eine Heirath außer Stand gesetzt hatte.13

Der Anspruch aus dem Verlöbniß erlischt, Zeit bestimmt war,

falls zur Vollziehung

nach deren Ablauf,

wenn binnen eines Jahres,

Aufforderung zur Eheschließung

unterblieb,

wenn

eine die

keine Zeit bestimmt war,

falls seit der letzten Aufforderung ein Jahr verflossen ist oder zwei Jahre lang seit dem Abschluß

keiner zur Erfüllung aufforderte.14 15 Die Geschenke

können nur innerhalb eines Jahres, nach Auflösung des Verlöbnisses, zurück-

gefordert werden.4^ Ein älteres Ehegelöbniß gibt kein Recht zum Einsprllch gegen den Ab­ schluß der Ehe des Verlobten mit einem Dritten.16

Drittes

Kapitel.

Die Ebeschkiepung. §. 12.

Die Form der Eheschließung. 1

Während nach dem römischen 2 und dem sich anschließenden kanonischen Rechte3 die Ehe durch den beliebig erklärten Willen

12) L. R. II, 1 §. 117.

der Betheiligten einge-

Den Eltern muß eine Schuld zur Last fallen.

13) L. R. II, 1 §. 124 ff. 14) L. R. II, 1 §. 128 ff.

15) L. R. II, 1 §. 132. 16) So Preußisches Civilehegesetz vom 9. März 1874 §. 31 Abs. 2, Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 39 im Gegensatz zu dem im L. R. II, 1 §. 158 enthaltnen Recht. 1) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875, Hinschius das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstands, zweite Auflage 1876. Sicherer Personenstand und Eheschließung 1879. Vgl. ferner Glück Bd. 24 S. 321 ff. Reichhaltig ist das Werk

von Friedberg das Recht der Eheschließung in seiner historischen Entwickelung 1865. Es gehört hierher auch zum Theil, Sohm das Recht der Eheschließung, Weimar 1875, sieh ferner Friedberg Verlobung und Trauung 1876. 2) 1. 22. C. de nuptiis 5, 4, vgl. auch nov. 117 cap. 3. 3) Cap. 1. X. de spons. et matr. 4, 1. Daß ursprünglich die Kirche die Ein­ haltung der Formen des Stammesrechts für unentbehrlich erachtete und die Form­ losigkeit erst mit dem dreizehnten Jahrhundert obsiegte, darüber vergl. Sohm Ehe­ schließung S. 147.

§. 12.

gangen wurde,

31

Die Form der Eheschließung.

hat bekanntlich das Tridentinische Konzil den Abschluß der

Ehe zu einem Formalakt gestaltet, welcher in der persönlichen Erklärung des

Willens der Eheschließung vor- dem eignen Pfarrer und vor zwei Zeugen

bestand.^

Die protestantische Sitte führte in

analoger Weise priesterliche

Kopulation zur Sollenisirung der ehelichen Verbindungen ein.4 5 6 Das Land­

recht aber erhob gradezu priesterliche Trauung zur Form der Ehe-^

Ehen

von Dissidenten und Juden wurden jedoch durch Eintragung in ein von den Gerichten geführtes Register perfekt. 7 8

Die obligatorische Civilehe nach französischem Vorbild galt als Forde­ rung des vorgeschrittnen Liberalismus und wurde durch die Verfassungsurkunde

vom

5. December 1848 in Aussicht gestellt, während

fassung nur die gesetzliche Regelung der Frage vorsah, führung aber dem Gesetze vorbehielt.

die revidirte Ver­

die Weise der Aus­

In Folge der Zerwürfnisse des Staates

mit der katholischen Kirche kam man zur durchgreifenden Lösung, indem das

Preußische Gesetz vom 9. März 1874 die Civilehe, d. h. die Eheschließung vor dem Standesbeamten zur allgemeinen und nothwendigen Form machte,

worauf sie denn durch das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 zum Reichs­

recht wurde. 8 Die Eheschließung ist derzeit ein Formalakt unter Gegenwärtigen, sie dies auch im bisherigen Recht war.

des Willens, die Ehe zu schließen,

wie

Sie verlangt die persönliche Erklärung

durch die Verlobten vor dem Standes­

beamten in Gegenwart von zwei Zeugen und die mündliche Erklärung des

Standesbeamten, daß dieselben ehelich verbunden seien.9

Im Einzelnen sind

folgende Punkte hervorzuheben: 4) 8688. 24 Cap. I de reformatione matrimonii, Schulte katholisches Eherecht S. 56: der parochus proprius ist der Pfarrer, bei welchem der Mann oder die Frau ihr Domicil oder ihren dauernden Aufenthalt Huben. 5) Bereits daS Projekt des corp. jur. Fridericiani p. 1, lib. 2, tit. 3 behandelt daS Verlöbniß nicht mehr als Beginn der Ehe. Dieselbe wurde in Gemäßheit dieses Gesetzes geschlossen, entweder durch benedictio sacerdotalis oder in Folge der copula carnalis der Verlobten.

6) L. R. II, 1 §. 136. 7) Gesetz vom 30. März 1847 §. 5, vom 23. Juli 1847 §. 12.

8) Nach §. 82 des Reichsgesetzes werden „die kirchlichen Verpstichtungen in Bezug auf Taufe und Trauungen durch dieses Gesetz nicht berührt." Geistliche oder andere Religionsdiener aber, welche zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreiten, bevor ihnen der Abschluß der Ehe 'nachgewiesen ist, verfallen in öffentliche Strafe. Citirtes Reichsgesetz §. 67.

9) Das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 52 bestimmt: die Eheschießung erfolgt in Gegenwart von zwei Zeugen durch die an die Verlobten einzeln und nach einander geäußerte Frage des Standesbeamten, ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen wollen, durch die bejahende Antwort der Verlobten und den hierauf erfolgenden Ausspruch des Standesbeamten, daß er sie nunmehr Kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre. Es kann jedoch keineswegs dies Alles für wesentlich erachtet werden. Nicht wesentlich ist namentlich die besondere Frage

32

Die Eheschließung.

1. Die Zuständigkeit zur Eheschließung hat jeder Standesbeamte, in dessen Bezirk eines der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen ständigen Aufenthalt * * 11 10 * * Der 12 * * * *zuständige * Standesbeamte ist befugt, durch eine schriftliche Ermächtigung dem Standesbeamten eines andern Orts die Befugniß zur Eheschließung zu übertragen." Diese Bestimmungen betreffen jedoch nur die Ordnung des Dienstes, nicht die Gültigkeit der Ehe. Auch die vor einem nichtzuständigen Standes­ beamten abgeschlossene Ehe ist daher rechtsbeständig." Erforderlich ist aber, daß der Standesbeamte die Eheschließung inner­ halb seines Bezirks vornahm, da er nur in diesen Grenzen zur Vornahme der standesamtlichen Funktionen staatlich ermächtigt ist.13 des Standesbeamten. Zwar behauptet Sicherer a. a. O. S- 382: „die Frage des Standesbeamten sei zur Gültigkeit der Ehe ebenso unentbehrlich wie die bejahende Antwort der Verlobten!^ Also wäre, wenn die Frage unterblieb, die Ehe absolut nichtig. Dies kann das Gesetz nicht gewollt haben, weil die Ehe nicht rationeller­ weise von einer bedeutunglosen Phrase abhängig gemacht werden kann. Richtig ist nur, daß sich das Gesetz nicht entsprechend ausgedrückt hat, da das Bestreben den Akt der „Civil-Trauung" elegant zu gestalten, hauptsächlich bestimmend war. Auch die vom Gesetz verlangten Worte sind nicht der Art solenn, daß nicht andere gleich­ bedeutende denselben Dienst thäten. So ist beispielsweise die Phrase „Kraft des Ge­ setzes" bedeutungslos. Das preußische Gesetz vom 9. März 1874 §. 35 hob in Folge der Fassung des Herrenhauses im Widerspruch mit der Regierungsvorlage scharf nur das Wesentliche hervor, indem dasselbe bestimmte: die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten in Gegenwart von zwei Zeugen vor dem Standesbeamten persönlich ihren Willen erklären, die Ehe mit einander eingehen zu wollen, daß die Erklärung vom Standesbeamten in das Heirathsregister eingetragen und daß die Eintragung von den Verlobten und von dem Standesbeamten vollzogen wird. Da das preußische Gesetz auf den jetzt aufgehobenen §. 337 des Strafgesetzbuches nothgedrungen Rücksicht nehmen mußte, so forderte es zur Vollziehung der Ehe die Eintragung in das Heiraths­ register, machte also die Ehe zum Litteratkontrakt. Das Reichsgesetz, welches freie Hand in dieser Hinsicht hatte, knüpfte dagegen die Ehe an den mündlichen Ausspruch des Standesbeamten. In dieser Hinsicht ist seine Bestimmung eine bessere. 10) Jemand ständig. Ort des Wohnsitz Wohnsitz Deutsche

Reichsgesetz §. 42. Die Zuständigkeit ist also eine weit gegriffne. Hat ein doppeltes Domicil, so sind die bezüglichen Standesbeamten beide zu­ Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben unter Andern Dienstboten an dem Dienstes, Militärpersonen in der Garnisonstadt. Der s. g. Unterstützungskommt nicht in Betracht. Verlobte, die im deutschen Reich weder einen noch einen festen, gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind, auch wenn sie sind, von deutschen Standesbeamten nicht zu verheirathen.

11) Reichsgesetz §. 43. Es entspricht dies den kirchlichen Dimifsorialien conc. Trid. 8688. 24 de ref. matrimonii cap. 1. Nur bedingte dort das Dimissoriale die Geltung der Ehe, die vor dem unzuständigen Pfarrer geschlossen ist, was nach dem Reichsgesetz nicht der Fall ist. 12) Reichsgesetz §. 42 Abs. 2. Dasselbe Princip galt nach protestantischem Kirchen­ recht. L. R. II, 1 §. 169. Nach dem Concilium Tridentinum war die Zuständig­ keit wesentlich, doch hielt man hieran beim parochus putativus nicht schlechthin fest, Schutte katholisches Eherecht S. 62. 13) Hinschius zum Reichsgesetz §. 42. Die Vornahme im Lokal des Standes­ amts ist nichts Wesentliches. Ueber die Stellvertretung siehe §§. 3 und 4 des Gesetzes. In einem Fall, in welchem der Standesbeamte des Bezirks A. auf Aufforderung des Standesbeamten deS Bezirks B. im Amtslokal des Letzteren eine Eheschließung voll­ zog , war Irie Ehe nicht rechts beständig geschlossen.

2.

Jeder zur Ehe­

Der Eheschließung soll ein Aufgebot vorhergehen.

schließung zuständige Standesbeamte darf dasselbe anordnen.14 ihm

lichen Erfordernisse der Eheschließung sind

Die gesetz­

vorher nachzuweisen.

Die

Bekanntmachung des Aufgebots soll erfolgen am Wohnsitz der Verlobten, wie auch an deren frühern Wohnsitz, wenn derselbe binnen sechs Wochen gewechselt

wurde, ferner an dem gewöhnlichen Aufenthalt, wenn derselbe vom Wohnsitz verschieden ist15 16 Die Veröffentlichung des Aufgebots geschieht an den zu

Bekanntmachungen der Gemeindebehörden bestimmten Stellen. Die Befugniß

der Dispensation vom

Aufgebot steht dem Staate zu

und ist dem Minister des Innern übertragen.^ einer lebensgefährlichen Krankheit,

welche

Bei ärztlicher Bescheinigung

einen Aufschub der Eheschließung

nicht gestattet, kann der Standesbeamte auch ohne Aufgebot die Ehe schließen.

Das Aufgebot verliert seine Kraft, wenn binnen sechs Monaten die Ehe nicht geschlossen ist.

Die Geltung der Ehe ist durch das Aufgebot nicht bedingt.

3.

Die Erklärung der Eheschließung vor dem Standesbeamten,

die Verlobten,

Jede

durch

muß unbedingt und ohne Zeitbestimmung abgegeben werden.

Erklärung unter

Bedingungen und

Vorbehalten ist

als

nicht erfolgt

anzusehen.17 18

-Ist auch die Mündlichkeit der Erklärung Regel,

so kann sie doch,

Stummen und zeitweilig an der mündlichen Erklärung Verhinderten,

bei

schrift­

lich oder durch deutliche Zeichen geschehen. Die deutsche Sprache ist kein unbedingtes Erforderniß für die Erklärung,

sofern der Standesbeamte die fremde Sprache versteht. Eheschließung durch Stellvertreter ist unzulässig." 19

Die Zuziehung von zwei Zeugen ist wesentliche Förmlichkeit.

14) Reichsgesetz §. 44. Das Aufgebot ist alten kirchlichen Rechts gewesen. Es wurde durch das Lateranische Koncil von 1215 vorgeschrieben cap. 3 X. de cland. despons. 4, 3, vom Tridentinum sessio 24 bestätigt und ging in den Brauch des protestantischen Kirchenrechts über. So hat es auch das L. R. ausgenommen, die Gültigkeit der Ehe war jedoch nicht von ihm abhängig. 15) Reichsgesetz §. 46. 16) Reichsgesetz §. 50. Preußische Verordnung, betreffend die Ausübung der Befugnisse zur Dispensation vom Aufgebote vom 8. Januar 1876. Bei vorhandner Lebensgefahr hat auch der Vorstehende der Auffichtsbehörde das bezügliche Recht. 17) Nach kanonischem Recht sind bedingte Ehen gültig. Schulte kath. Eherecht S. 132 ff. Anders nach protestantischem Kirchenrecht. Sohm Eheschließung S. 271. 18) Das kanonische Recht läßt Abschließung durch Specialbevollmächtigte zu. Schulte a. a. O. S. 72. 19) Bezüglich der Landesherrn oder der Mitglieder ihrer Familien tritt der Vor­ behalt des Reichsgesetzes §. 72 ein. Dernburg, Preußisches Privatrecht.

III.

3

Es ist nicht nothwendig, daß dieselben Männer seien, nicht leicht als Zeugen bei

diesem Akt

zugezogen

obgleich Weiber

auch ist ihre

werden;20

Großjährigkeit nichts Wesentliches, wenn auch nach dem Gesetz Minderjährige nicht zugezogen werden sotten.21

Endlich sind auch Personen,

welchen die

bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, nicht als Zeugen zu benutzen, da sie unfähig finb,

Zeugen bei Aufnahmen von Urkunden zu sein;22

aber

Hiernach

Nichtigkeit ist im Fall ihrer Zuziehung nicht anzunehmen.

eine

ist zur

Gültigkeit des Zeugnisses nur erfordert, daß die Zeugen die natürliche Fähig­ keit hatten, das Verhandelte zu beobachten und zu verstehen.

Die Eintragung in das Heirathsregister ist nicht, wie nach dem preu­ ßischen Gesetz für die Eheschließung, wesentlich, sondern geschieht nur behufs

ihrer Beurkundung.2 3

Unterbleibt die

Eintragung in Folge eines Zufalls

oder Versehens, so ist die Ehe um nichts weniger gültig.24

Fehlen die nothwendigen

äußeren Requisite,

nichtig, ohne daß es einer Nichtigkeitsklage bedarf.

so

ist die Ehe

absolut

Solche absolute Nichtig­

keit begründet es namentlich: a)

wenn sich zwei Personen desselben Geschlechts,

z. B. zwei Weiber

mit einander zu verehelichen erklärten; b)

wenn

die Ehe im Inland nicht vor einem Standesbeamten abge­

schlossen ist;

c)

wenn einer der Verlobten den Willen,

sich zu verheirathen,

nicht

persönlich erklärt hat; d)

wenn der Standesbeamte die Abschließung der Ehe nicht konstatirt hat.

Unmittelbar

mit der formgerechten

beamten vollzieht sich Pflichten, persönlicher,

vor

Eheschließung

wie vermögensrechtlicher Art.

Dieselben

grundsätzlich nicht abhängig von der kirchlichen Trauung.

Ehegatten

ausdrücklich

dem Standes­

der Eintritt in den Ehestand mit seinen Rechten und

oder

stillschweigend

sind daher

Waren jedoch die

übereingekommen,

daß

sich die

kirchliche Trauung an die Eheschließung vor dem Standesbeamten anschließe,

20) Auch nach katholischem Kirchenrecht haben Weiber die Fähigkeit, Ehezeugen zu sein. Schulte a. a. O. S. 69. 21) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 53,

vgl. Sicherer a. a. O. S. 379 ff.

22) Strafgesetzbuch §. 34 unter Ziffer 5. Die Bestimmung des Strafgesetzbuchs wird an sich auch auf mün-liche Akte zu beziehen fein. Darüber aber daß eine Nichtigkeit des Akts nicht anzunehmen ist vgl. auch Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 §. 21 unter 3, §. 25 unter 3. 23) Vgl. über die Eintragung in das Heirathsregister Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 54.

24) Die zur Zeit der Eheschließung geltenden Gesetze entscheiden über die Gültig­ keit der abgeschloßnen Ehe. Kennt aber das spätere Recht einen Anfechtungsgrund nicht, welcher nach dem Recht zur Zeit der Eheschließung bestand, so kann derselbe Unter seiner Herrschaft nicht mehr geltend werden, vgl. Gruchot Bd. 21 S. 121 ff.

§. 13.

Materielle Erfordernisse der Eheschließung.

Einwilligung rc.

35

so ist jeder der Ehegatten als verbunden anzusehen, dem desfallsigen Ver­ langen des Ehegatten unmittelbar Folge zu geben.25 Es ist schließlich zu bemerken, daß beide Ehegatten die Kosten des Aufgebots, der Trauung und der Hochzeit gemeinschaftlich zu tragen haben, sofern nicht ausdrücklich oder durch Usance des Wohnorts der Braut etwas Andres festgestellt ist26 Dies wird auch auf die Kosten der kirchlichen Trauung zu beziehen sein. §. 13.

Materielle Erfordernisse der Eheschließung. der

Einwilligung

Ehegatten.

Bei der Einführung des Instituts der Civilehe im Reiche glaubte man gemeinsame Bestimmungen über die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Eheschließung und über die Ehehindernisse nicht entbehren zu können. Es wurden daher diese Materien in dem dritten Abschnitt des Gesetzes vom 6. Februar 1875 reichsgesetzlich geregelt. * Während aber das Reichsgesetz die Erfordernisse der Eheschließung und die Ehehindernisse erschöpfend bestimmt, verweist es bezüglich der Folgen, im Fall des Zuwiderhandelns, auf das bestehende partikulare Recht.2* 1 Dies von dem Gesichtspunkt aus, daß diese Folgen für die Thätigkeit des Standesbeamten nicht in Betracht kommen. Hiernach treten zwar die vom Reichsgesetz normirten Ehehindernisse an die Stelle der entsprechenden, von der preußischen Legislation festgesetzten,3 es bleiben dagegen die an solche Hindernisse angeknüpften Folgen dieser Gesetz­ gebung in Geltung. Sämmtliche vom Reichsgesetz nicht anerkannten Hinder­ nisse des frühern Rechts sind schlechthin beseitigt. 4 25) Vgl. L. R. II, 1 §. 173. Das Verlangen einer Konsummation der Ehe, vor der in Aussicht genommnen kirchlichen Eheschließung, wäre unsres Erachtens contra bonos moros. 26) L. N. II, 1 §. 171.

1) Der dritte Abschnitt deö Neichsgesetzes trat in Preußen, in Folge der Ver­ ordnung vom 14. Februar 1875, mit dem 1. März 1875 in Kraft. 2) Reichsgesetz §. 36. Dies gilt jedoch mir soweit, als das Reichsgesetz nicht selbst, direkt oder indirekt, etwas über die Folgen bestimmt. 3) Soweit das Reichsgesetz ein Ehehinderniß sormulirt, können Ausnahmen, welche das preußische Recht bezüglich des entsprechenden, von ihm aufgestellten Hinder­ nisses traf, nicht übernommen werden. So bestimmt das Reichsgesetz im §. 35, Frauen dürfen erst nach Ablauf des zehnten Monats, seit Beendigung der frühern Ehe, eine weitere Ehe schließen, Dispensation ist zulässig. Dies tritt an die Stelle der landrechtlichen neunmonatlichen Wartefrist L. R- II, 1 §.20, aber auch die an sich entsprechenden Ausnahmen des Landrechts, wenn die Frau vorher entbunden ist oder wenn die Ehe wegen böslicher Verlassung getrennt wurde L. R. II, 1 §.21, können nicht als übernommen gelten. Dispensation ist auch hier zuvörderst einzu­ holen, so wenig zu verkennen ist, daß man sie in diesen Fällen sehr gut entbehren könnte. Doch ist dies in der Praxis nicht allgemein angenommen worden, vgl. Stölzel im Justizministerialblatt von 1878 S- 161 ff.

4) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 39.

36

Die Eheschließung.

Voraussetzung für die Eheschließung ist vor Allem die freie Einwilligung der

Ehegatten und

Personen,

derjenigen

deren

Zustimmung

das

Gesetz

erfordert.

Die Einwilligung des Ehegatten^ kann fehlen in Folge

von Willens­

unfähigkeit oder von Willensmängeln. Nicht rechtsbeständig ist die Erklärung von Geisteskranken5 6 und Geistesschwachen, ebenso

solchen

welche der Einsicht in die Bedeutung des Akts entbehren,

von derart Trunkenen,

daß sie

ihrer Sinne

nicht mächtig

waren.

Die Ehe solcher Personen ist ungültig, sie kann, wenn der Erklärende interdicirt ist, von dessen Vormund, sonst von dem Erklärenden selbst angefochten

werden.7 Auch die in Folge Zwangs,8 Betrugs9 oder

abgeschlossene Ehe ist nicht gültig.

bezüglich der Identität des Ehegatten,

Eigenschaften,

welche gewöhnlich

wesentlichen Irrthums

Wesentlich ist natürlich stets der Irrthum aber

auch der Irrthum

vorausgesetzt werden,

ist

in

solchen

wesentlich.10 11

5) Vgl. Reichsgesetz §.28. „Zur Eheschließung ist die Einwilligung und die Ehemündigkeit der Eheschließenden erfordert.^ 6) L. R. II, 1 §. 39. Nach L. R. I, 4 §. 25 sind im Gegensatz zum gemeinen Recht Geisteskranke, die unter Vormundschaft gestellt sind, auch in lichten Zwischen­ räumen nicht handlungsfähig, sie waren daher auch für unfähig zur Eheschließung zu erachten. Dies ist aber — anders Hinschius a. a. O. S. 100 a. E. — nicht mehr nach Inkrafttreten des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 in Geltung. Denn dieses hebt im §. 39 alle Vorschriften auf, welche das Recht zur Eheschließung weiter beschränken, als dies durch das Reichsgesetz geschah. Da nun das Reichsgesetz in fraglicher Beziehung nur die Einwilligung §. 28 verlangt, diese aber bei einem interdicirten Gristeskränken in lichten Zwischenräumen vorhanden ist, so muß dies genügen. 7) L. R. II, 1 §. 39 erklärt die Ehe wegen Mangel gehöriger Einwilligung für „nichtig." Man kann dahin gestellt lassen, ob dies, wie das Reskript vom 23. Sep­ tember 1837 behauptet, auf einen: Druckfehler beruht. Entscheidend ist, daß L. R. II, 1 §. 971, dort wo die Frage der Nichtigkeit oder Ungültigkeit ex professo behandelt wird, die fragliche Ehe für ungültig erklärt. Es ist dies auch auf die von einem Geisteskranken oder Trunknen geschloßne Ehe zu beziehen; ein Grund, der­ artige Ehen durch den Staatsanwalt trennen zu lassen, existirt nicht. Auch Striethorst Archiv Bd. 99 S. 201 erklärt die von einem Blödsinnigen eingegangne Ehe bloß für ungültig, nicht für nichtig. Vgl. jedoch Hinschius bei Koch Kommentar zu L. R. II, 1 §. 39. 8) L. R. II, 1 §. 39 ff. So auch c. 14 c. 28 X. de sponsalibus 4, 1. 9) Das kanonische Recht hatte dem Betrug als sochem keine rescindirende Kraft gegeben, wohl aber geschah dies durch das protestantische Kirchenrecht. Es kann aber nur dolus causam dans in Betracht kommen, wohin etwa die dülose Vertuschung ekelerregender Gebrechen gezählt werden könnte. 10) Das kanonische Recht zog nur den s. g. error circa qualitatem in personam redundantem, d. h. über eine Eigenschaft, durch welche sich dem Eheschließen­ den die Individualität des andern Theils bestimmt, in Betracht, abgesehen vom Irrthum über die Freiheit des andern Theils; vgl. hierüber u. A. Schilling in Scherings Archiv Bd. 1 S. 91 ff. Der Irrthum über wesentliche Eigenschaften als solcher wurde vom kanonischen Recht nicht berücksichtigt. Wohl aber geschah dies nach protestantischem Kirchenrecht. 11) L. R. II, 1 §. 40 erklärt als relevant einen Irrthum in solchen persönlichen Eigenschaften, welche bei Schließung einer Ehe von dieser Art vorausgesetzt zu werden

§. 13.

Materielle Erfordernisse der Eheschließung.

Einwilligung rc.

37

Es gehört hierher Irrthum über die Jungfernschaft der als Jungfer geheiratheten Verlobten;12 * * ferner hat als wesentliche Eigenschaft zu gelten Besitz der bür­ gerlichen

Ehrenrechte

insbesondre,

und

bürgerliche

er nicht etwa

daß

zu

Integrität

ehrender Vergehen verurtheilt war.13 14 Auch

denkbar und könnte

des andern Theils,

Zuchthaus und Gefängniß

also

wegen ent­

die Simulation einer Ehe ist

die Einwilligung gleichfalls

in Frage stellen,

es findet

sich jedoch dieser Fall als ein höchst seltener im Recht nicht berücksichtigt.

Ausdrückliche Genehmigung nach

entdecktem Irrthum oder Betrug oder

nach aufgehobnem Zwang macht die Ehe Anfechtung auch

nach

dann ausgeschlossen,

jenem Zeitpunkt,

Anfechtungsklage nur eingelegt

hat,

gerichtlich

rechtsgültig^^

gerügt

toirt).15

erheben oder fortsetzen,

im Fall

auch dann,

Die Erben

können die

wenn ihr Erblasser die Rüge

eines Zwangs und falls

haben die Erben einen Auspruch

Es ist aber die

wenn sie nicht binnen sechs Wochen,

wenn

kein Kind vorhanden ist,

ihr Erblasser

während

der Rügefrist, ohne sich zu erklären, start).16 pflegen. Das Landrecht scheint also die konkreten Bildungs- und Standesverhältnisse der Ehegatten berücksichtigt wissen zu wollen. 12) Die Frage gehört zu den besonders ventilirten. Das kanonische Recht verneint sie ausdrücklich cap. un infine causa 29 qu. 1 und cap. 25 X. de jurejurando 2, 24; die protestantischen Kirchenrechtslehrer dagegen sahen in der Virginität eine conditio tacita der Ehe; vgl. Glück Bd. 22 S. 438. Das Obertribunal erachtet den Irrthum bezüglich der Virginität der Braut schlechthin für wesentlich. In den bezüg­ lichen Fällen — Striethorst Archiv Bd. 45 S. 173, Bd 60 S. 218 — war übrigens die Ehefrau zur Zeit der Verheirathung von Dritten geschwängert. Hatte die Frau die Virginität verloren, ohne geschwängert zu sein, so wird man in concreto zu beur­ theilen haben, ob der Mann präsumtiv auf jene Eigenschaft feiner Verlobten ein ent­ scheidendes Gewicht legte. Für unwesentlich erachtet es das Obertribunal, wenn die Ehefrau nicht davon unterrichtet war, daß der Ehemann schon vor der Ehe ein uneheliches Kind erzeugt hat. Striethorst Archiv Bd. 86 S. 169. 13) Vgl. Förster Bd. 3 §. 203. Auch unheilbare Impotenz kann hierher gerechnet werden. 14) Es muß die Absicht, die Ehe als eine gültige zu behandeln, geäußert sein. Ob dieselbe ausdrücklich, d. h. direkt und zuverlässig erklärt wurde, ist Thatfrage. In bloßer „Verzeihung^ wurde sie nicht gefunden bei Striethorst Archiv Bd. 45 S. 173. 15) Nach §. 41 des Titels wird die Ehe verbindlich, wenn dieselbe länger als sechs Wochen fortgesetzt wurde, vgl. auch §. 721 des Titels. Das Obertribunal nimmt an, daß die Ehe auch dann fortgesetzt sei, wenn sich die Ehegatten eigenmächtig und faktisch trennten, da sie rechtlich fortbestehe. Entsch. Bd. 20 S. 239, Bd. 26 S. 435. Präjudiz n. 2457 a. Dies wird unterstützt durch L. R. II, 1 §. 976, wonach das Ehehinderniß gehoben sein soll, wenn es „innerhalb der durch die Gesetze bestimmten Frist nicht gerügt worden" ist, vgl. auch L. R. II, 1 §. 42. Das Obertribunal fordert hiernach Klaganmeldung, welche derzeit nicht mehr stattfindet. Man wird jedenfalls eine gerichtliche -Protestation, die auch durch den Gerichtsvollzieher geschehen kann, als genügend erachten müssen. Da auch nach gemeinem protestantischen Kirchenrecht die stillschweigende Genehmigung den Fehler der mangelnden Einwilligung heilt, so sind die Bestimmungen von L. R. II, 1 §.41, welche dieselbe nur näher präcisiren, nicht als in der Mark suspendirt angesehen. Präjudiz des O. Trib. n. 1327. Scholtz und Hermensdorff Provincialrecht der Kurmark Bd. 2 S. 9 ff. 16) L. R. II, 1 §. 42 ff. Im Fall der erzwungnen Ehe wird dem Erben die Frist, soweit sie dem Erblasser noch offen stand, vom Todestag an gerechnet, ver­ doppelt. Auch §. 42 erachtet Scholtz und Hermensdorff a. a. O. nicht für suspendirt.

38

Die Eheschließung.

Heirathskonsens der Eltern und Vormünder.^

§. 14.

Für

das

römische Recht

war der Konsens des Hausvaters zur Ehe

seines Hauskindes unumgängliches Erforderniß,1 2 3 während die Zustimmung

der

Mutter,

sowie

der

Kuratoren der

Minderjährigen

rechtlich nicht

in

Das ältere deutsche Recht verlangte in ähnlicher Weise Wil­

Betracht kam.

lenseinigung des Inhabers des Mundiums mit dem Bräutigams später trat

an

die Stelle

Eltern.

bloße Verpflichtung

die

Roch weitere Abschwächung

zur Einholung erfolgte

durch

welches die Einholung des Konsenses des Vaters behandelte.4

des Konsenses

als bloße

ethische Pflicht

Erst das protestantische Kirchenrecht schloß sich

römischen Recht an, so jedoch,

der

das kanonische Recht, wieder dem

daß man vielfach auch die Zustimmung der

Mutter zur Bedingung der Eheschließung machte. 5

Das Landrecht stützte das Konsensrecht in erster Linie nach Analogie des römischen Rechts auf die väterliche Gewalt.

und der Tochter,

hatte,

ohne

die noch nicht das

Die Ehe des Hauskindes

vierundzwanzigste Jahr überschritten

Es waren ferner

väterlichen Konsens war daher ungültig.6

Minderjährige und Verschwender mit Rücksicht auf ihre mangelnde Handlungs­ fähigkeit an den Konsens ihres Vormundes und ihrer Mutter, Tode der Mutter an die Einwilligung der Großeltern gebunden.7

nach dem Endlich

sollten die Kinder, auch abgesehen von den erörterten Fällen, in Folge der

den unmittelbaren Eltern Eheschluß einholen,

schuldigen Ehrerbietung deren

widrigenfalls

dieselben befugt

Einwilligung zum

sein sollten, ihnen die

Hälfte des Pflichttheils zu entziehen.8

Das Reichsgesctz nimmt keine Rücksicht auf die väterliche Gewalt, noch auch für die Regel auf Minderjährigkeit als solche.

Es geht davon aus,

daß Kinder, so lange der Sohn noch nicht das fünfundzwanzigste, die Tochter

1) L. R II, 1 §§. 45—72 und §§. 994—1000, Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §§. 29—32, 36 u. 39. Goldenring datz Recht des elterlichen und vormund­ schaftlichen Heirathskonsenses im Gebiete des allgemeinen Landrechts unter dem Ein­ flüsse des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875, bei Gruchot Bd. 21 S. 657 ff. Dort sind auch die wichtigeren älteren Abhandlungen des preußischen und gemeinen Rechts citirt. 2) Pr. §. 12 J. de nuptiis 1, 10. Glück Bd. 23 S. 17 ff. 3) Sohm Recht der Eheschließung, insbesondre S. 50 ff. 4) Concilium Tridentinum sess. 24 cap.*l. Schulte katholisches Eherecht S. 320. 5) So die Konsistorialordnung von 1573, c. c. M. p. I, Abth. 1 S. 328, und die späteren Ordnungen. 6) L. R. II, 1 §. 45. II, 1 §§. 994. 997.

7) L. R. II, 1 §. 49 ff. 8) L. R. II, 2 §. 250. II, 1 §§. 998. 1000.

das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben,

weil ihnen noch die volle

Reife und Umsicht zur selbständigen Entschließung in einer so wichtigen Sache

an die Einwilligung

fehle,

Die rechtlichen Folgen

erscheinen.9

Berather

die als ihre väterlichen

derer zu binden seien,

der

gegen die Bestimmungen

des Reichsgesetzes geschlossenen Ehen regeln sich hingegen nach den Vorschrif­ ten des Landesrechts.10

auf einer Verbindung innerlich verschiedner

Dieser

Rechtsgedanken beruhende Zustand heitlichkeit. 1.

entbehrt freilich der Konsequenz und Ein­

Die Sache gestaltet sich folgendermaßen.

Das Einwilligungsrecht steht bei ehelichen Kindern dem Vater zu,

bis seine Kinder die gedachte Altersgrenze erreicht haben; es greift nicht Platz,

der Vater zur Abgabe einer Willenserklärung dauernd außer Stande

wenn

oder wenn

sein Aufenthalt

väterlichen Gewalt Vaters

ist

dauernd

nicht

zur Bedingung gesetzt,

dann erforderlich,

ist daher selbst

ist.11

unbekannt

wenn

der

Einwilligung

des

die

er die Gewalt zur Strafe, Sie

z. B. wegen Strafverurtheilungen verloren hat.

Das Bestehen

ist

auch

einzuholen,

wenn seine Ehe mit der Mutter des Kindes getrennt ist und er, weil er für den schuldigen Theil erklärt war, das Erziehungsrecht verloren hat.

Der Standesbeamte darf die Ehe nicht

gung des Vaters beigebracht ist.

nach den insoweit anfechtbar,

abschließen,

die gleichwohl

erhaltnen Grundsätzen des

wenn der Vater

Gewalt über sein Kind hat.12 Ehe

Aber

ist ein selbständiges

aus

ehe die Einwilli­

abgeschloßne Ehe

ist

preußischen Rechts nur dann

im Augenblick der Eheschließung die väterliche

Das Recht des Vaters auf Annullation der

seiner Gewalt

fließendes

und nicht

bedingt, daß die Fortsetzung der Ehe dem Kinde nachtheilig ist.

dadurch

Das An­

fechtungsrecht steht dem Vater innerhalb sechs Monaten nach erhaltner Nach­

richt

von Vollziehung

der Ehe an zu.13

Es

geht

als

höchstpersönliches

Recht auf die Erben des Vaters nicht über.

9) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 29.

10) Citirtes Reichsgesetz §. 36 Absatz 1.

11) Das römische Recht forderte Verfluß von 3 Jahren seit der Abwesenheit des Vaters, 1. 9 §. 1, 1. 10, 1. 11 D. de ritu nuptiarum 23, 2. Nach L. R. II, 1 §. 57 war Konsens des Vormundschaftsgerichts gefordert. 12) L. N. I, 1 §. 997: „Hat ein Sohn, der nicht mehr unter väterlicher Gewalt sich befindet, oder eine Tochter nach zurückgelegtem vierundzwanzigsten Jahre geheirathet, so bewirkt dieser Mangel keine Ungültigkeit." Das vierundzwanzigste Jahr bei Töchtern ist mit Rücksicht auf die nach Landrecht mit diesem Jahre eintretende Groß­ jährigkeit gewählt. Ob nach Veränderung des Großjährigkeitstermins das einund­ zwanzigste Jahr an die Stelle zu setzen sei, kann zweifelhaft werden. Goldenring a. a. O. S. 702 bejaht dies. Nimmt man dies nicht an, so paßt der Satz des Textes auch für die Tochter nach dem Reichsgesetz. 13) L. R. II, 1 §. 994. Bd. 29 S. 380.

Ueber den Beginn der Frist siehe Entsch. des O. Trib.

40

Die Eheschließung.

Dem in der Gewalt stehenden Kinde,

welches ohne Einwilligung des

Vaters sich während der Minderjährigkeit verheiratete, ist ein Anfechtungs­ recht nicht zugetheilt.

2.

Ist der Vater verstorben oder zur Abgabe einer Erklärung dauernd

außer Stande oder sein Allfenthalt dauernd unbekannt,

so hat die Mutter,

falls sie hierzu fähig und von bekanntem Aufenthalt ist, das Einwilligungsrecht

zur Ehe ihres ehelichen Ämbe§.14

Ist das Kind

die Einwilligung des Vormundes vonnöthen, Mutter haben oder nicht.

minderjährig, so ist auch

mag es eine konsensberechtigte

Der Vormund darf seinen Konsens ohne Geneh­

migung des Vormundschaftsgerichts nicht ertheilen.15

Auf uneheliche Kinder finden die Bestimmungen über vaterlose eheliche

Kinder Anwendung.16 Wegen des mangelnden mütterlichen oder vormundschaftlichen Konsenses steht

dem Vormund die Anfechtungsklage während der Vormundschaft zu.17

Nach erreichter Großjährigkeit hat auch das Kind selbst die Anfechtungsklage

binnen sechs Monaten.18 Die Mutter hat, sofern sie nicht zugleich Vormünderin ist,

fechtungsklage. 19

Bei großjährigen Kindern hat

keine An­

also der Mangel ihres

Konsenses nicht die Bedeutung eines trennenden Ehehindernisses.

14) Die Zustimmung von Mutter und Vormund ist nicht gefordert, wenn der Vater existirt, wenn ihm aber die väterliche Gewalt zur Strafe entzogen ist und das noch minderjährige Kind unter eine Vormundschaft, z. B. die seiner Mutter gestellt wurde. Es genügt vielmehr auch in solchen Fällen die Zustimmung des Vaters.

15) L. R. II, 1 §. 54. Das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 29 hat dies beibehalten, ebenso §. 48 der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875. Dem Standesbeamten ist auch die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde nachzuweisen. Bei Meinungsverschiedenheit mehrerer Vormünder kommt L. R. II, 1 §.72, nicht V. O. §. 30 Abs. 2 zur Anwendung. 16) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 30.

17) L. R. II, 1 §. 999, vgl. II, 1 §. 978 ff. Der Vormund bedarf der Er­ mächtigung des Vormundschaftsgerichts zu der Klage. Die Klage soll nur angestellt werden, wenn der Mündel die Ehe nicht fortsetzen will oder wenn ihm die Fort­ setzung der Ehe nicht zuträglich ist. Hierüber hat auch der Proceßrichter zu befinden, Entsch. des O. Trib. Bd. 73 S. 257, dagegen freilich Goldenring a. a. O. S. 705. Richtiger Ansicht nach hat der Vormund bei der Anfechtungsklage nicht ein eignes Recht oder Interesse zu wahren, sondern das Recht seines Mündels zu vertreten. Die Un­ gültigkeitsklage ist daher nicht, wie in den Entsch. des O. Trib. a. a. O. S. 250 ff. ausgeführt, gegen beide Ehegatten, also auch gegen den eignen Mündel zu richten, sondern nur gegen den andern Ehegatten. Ob der Mündel mit der Ehe einverstan­ den ist, kann nicht entscheiden, da er eben wegen seiner Minderjährigkeit feine In­ teressen noch nicht selbständig wahren kann und im Proceß durch den Vormund vertreten wird. 18) L. R. II, 1 §. 984. 19) arg. L. R. II, 1 §. 7000.

§. 14.

3.

Heirathskonsens der Eltern und Vormünder.

41

Bei Adoptivkindern tritt an die Stelle des Baters derjenige, welcher

an Kindesstait angenommen hat.

Der Adoptivvater hat das Anfechtungs­

recht wie ein natürlicher Vater, sofern er die väterliche Gewalt hat. Durch

das Reichsgesetz ist das vom Landrecht anerkannte Konsensrecht

des Pflegevaters, sowie der Großeltern beseitigt.20 21

Das Recht

Konsensertheilung

der

Andre nicht übertragen werden.22

in beglaubigter Form vorgelegt werden,

Weise die Ueberzeugung seiner

muß

unbedingt und

ist.

oder

doch kann

unbetagt ertheilt sein;

Befristung

es

auch

sich

kann

An

in

andrer genügt

hieraus

dem

Geschieht

andern Theil ein Klagrecht

sie

daß die zugefügte

Eheschließung

der

purificirt

Die Einwilligung muß zur Zeit der Eheschließung fortbestehen.24

kann

auf

sich

einer bestimmten Ehe,

es sei denn,

bereits zur Zeit

kann daher öis dahin zurückgenommen werden.

so

er

Ertheilung verschaffen.23

Sie muß aber zu

daher formlose Einwilligung.

Bedingung

persönliches,

ist ein

Der Konsens soll dem Standesbeamten

Sie

dies ohne Grund,

wegen Verlöbnißbruchs

erwachsen, der Standesbeamte ist aber nicht berechtigt, die Ehe vorzunehmen. Folgerecht ist anzunehmen, daß, wenn der Vater, welcher konsentirt hat, vor

der Eheschließung des Kindes verstirbt, der Konsens nunmehr von der Mutter beziehungsweise den Vormündern aufs neue zu ertheilen ist.25

Die Ehe ohne Konsens der Eltern kann, auch wenn sie nicht angefoch­ ten wird und selbst wenn dessen Mangel die Ehe

mögensrechtliche Nachtheile im Gefolge haben.26

nicht hindern kann, Dieselben

ver­

sind durch das

Reichsgesetz nicht berührt worden.

20) Citirtes Reichsgesetz §. 31. Die zugefügte Bedingung des Gesetzes hat für das preußische Recht keine Bedeutung. Es erhoben sich mehrere Streittragen. Vor Allem war schon im frühern preußischen Recht zweifelhaft, ob gemäß L. R. II, 1 §. 47 die Adoptivmutter das Genehmigungsrecht zur Ehe ihres Adoptivkindes habe. Wir würden uns der bejahenden Ansicht anschließen, sofern nicht das überwiegende Recht des Adoptivvaters die Mutter ausschließt- Und dies halten wir auch nach Reichsrecht für das Richtige, denn der Wortlaut spricht hiefür und fachlich liegt hierin unserer Ansicht nach das Angemeßne. Die Adoptivmutter ist es, welche das Kind erzieht und für dasselbe gesorgt hat, die natürlichen Ettern haben das Kind aufgegeben, oft um eines Geldaequivalents willen. Sie sind häufig in andern Lebensstellungen, als das Kind, und ihre Einwilligung wird sich nicht immer durch die entsprechendsten Motive leiten lasten. Deshalb würden wir auch interpretiren, daß der natürliche Vater für immer durch das Geben in die Adoption das Konsensrecht verloren hat, was freilich die Meisten gleichfalls in Abrede stellen. 21) L. R. II, 1 §§. 48. 50 st.

22) Vgl. oben Bd. I §. 113 Anm. 18. Uebertragung des Konsensrechtes auf einen Specialbevollmächtigten läßt zu Goldenring a. a. O. S. 695. 23) Reichsgesetz §. 45. 24) Andrer Ansicht mit Rücksicht auf L. R. II, 1 §. 111 ist Gyldenring a. a. O. S. 694 u. 695.

25) So auch Sicherer Personenstand S. 175. 26) L. R. II- 1 8Z. 995 ff.

42

Die Eheschließung.

Die Verweigerung des Konsenses darf nicht aus Willkür, sie muß aus

guten Gründen geschehen.27 einer unglücklichen Ehe,

Dahin gehört insbesondre die naheliegende Gefahr

sei es wegen Mangel des nöthigen Auskommens28

oder grober Laster des Verlobten

oder

schwerer Krankheit oder auch erheb­

licher Verschiedenheit des Standes und der Bildung.29

Die Eltern sind auch zur Konsensverweigerung um deswillen berechtigt, weil sie vom andern Theil gröblich beleidigt wurden,30 oder weil die Ver­

lobten durch heimliche Ehegelöbnisse, Entführung oder andre unerlaubte Mittel ihre Zustimmung zu erzwingen suchten.3^

Im Fall willkürlicher Verweigerung des Konsenses ließ schon das römische

Recht Zwang der Obrigkeit zu dessen Ertheilung eintreten.32 und preußische Recht geben

des erbetnen,

aber ohne Grund verweigerten Konsenses.

die Kinder gegenüber den Eltern

Nach dem Reichsgesetz jedoch Kindern verstattet.34

ist

Und zwar

haben

klagend beim Proceßgericht aufzutreten. 33

eine derartige Klage nur noch großjährigen

Der durch

den Vormund

vom Vormundschaftsgericht ergänzt werden.33

27)

Das gemeine

dagegen dem Richter ein Recht zur Ergänzung

verweigerte Konsens kann

Den Eltern

wie dem Vor-

L. R. II, 1 §. 59.

28) L. R. II, 1 §. 60. Erwerbsfähigkeit und voraussichtliche Gelegenheit zum auskömmlichen Erwerb genügen. Vgl. Striethorst Archiv Bd. 17 S. 338.

29) L. R. II, 1 §. 65. Ist eine derartige Ungleichheit doch nur unter besondern Umständen zu berücksichtigen, so werden die Eltern oder Vormünder noch weniger berechtigt sein, ihren Konsens wegen Verschiedenheit der Religion oder Konfession zu verweigern, da erfahrungsmäßig auch s. g. gemischte Ehen sehr wohl glückliche sein können. Dagegen kann ein Verweigerungsgrund sein, wenn die Ehe mit einem An­ gehörigen eines fremden Volkes beabsichtigt wird, bei welchem die Frau eine andere sociale Stellung wie in Europa zu haben pflegt, z. B. mit einem Japanesen, Chi­ nesen, Perser. 30) L. R. II, 1 §. 66. Verzeihung der Beleidigung hebt den Grund auf, Striethorst Archiv Bd. 63 S. 50, wenn nicht die Rohheit des Benehmens eine unglück­ liche Ehe erwarten läßt.

31) L. R II, 1 §. 67. Das Obertribunal versteht unter „heimlichen" Verhältniffen solche, die ohne Willen und Wissen des Vaters unter Beobachtung der gesetz­ lichen Form errichtet oder durch Aufgebot bekräftigt werden, Präj. des O. Trib. 428*, Entsch. Bd. 3 S. 360, Striethorst Archiv Bd. 32 S. 294. Es ist aber der Nachdruck auf den Versuch der Erzwingung zu legen, auch formlose Verlöbnisse, die diesen Zweck hatten, geben daher einen Grund zur Verweigerung des Konsenses, Ulrich Archiv Bd. 6 S. 611 ff. 32)

1. 19 D. de ritu nupt 23, 2.

33)

L. R. II, 1 §. 68.

34) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 32. Das Reichsgesetz kennt nur eine Klage des Kindes, nach früherm preußischem Recht sollten die Nupturienten gemein­ sam klagen, Entsch. des O. Trib. Bd. 73 S. 258.

35) L. R. II, 1 §. 69. Hiergegen ist Beschwerde zulässig. Eine förmliche Klage des Vormundes, falls das Vormundschaftsgericht den Konsens weigert, wird von Manchen autz L. R- II, 1 §. 70 konstruirt. Eine solche Klage ist unpraktisch, es fehlt an einem zur Uebernahme der Klage Verpflichteten.

mund liegt ob, einen zulänglichen Grund der Verweigerung anzuführen und darzuthun. Doch wird es Sache der Verlobten sein, im Streitfall ihrerseits den Nachweis zu führen, daß sie voraussichtlich die Mittel zu ihrer Existenz haben werden.36 §. 15.

Die Ehehindernisse.

a) Trennende.

Die Bedingungen der Eheschließung, abgesehen von der Einwilligung der Nupturienten und ihrer Eltern und Vormünder, kommen praktisch, falls sie mangeln, als Ehehindernisse in Betracht. Solche Hindernisse sind ent­ weder trennende, wenn sie die Kraft haben, die Aufhebung der gleichwohl geschloßnen Ehe zu bewirken, oder einfache, wenn sie ohne diese Kraft zu haben, dem Abschluß entgegenstehen. Derzeit sind trennende Ehehindernisse 1. Mangel der Ehemündigkeit. Das römische und kanonische Recht, für den Erdkreis bestimmt, bestimmten dieselbe auf das vollendete vierzehnte Jahr bei Männern, das vollendete zwölfte bei Weibern^ Deutscher An­ schauung entsprechend setzte das Landrecht die volle Mündigkeit, d. h. das achtzehnte Jahr bei Männern und das vierzehnte bei Weibern an die Stelle;^ noch weiter gehend hat das Reichsgesetz das vollendete zwanzigste Lebensjahr bei Männern, das vollendete sechszehnte bei Weibern erfordert. Dispen­ sation ist zugelassen.3* 41 2 Die Ehe mit einer nicht ehemündigen Person ist nicht nichtig, vielmehr nur ungültig.^ Sie wird gültig, wenn die Ungültigkeit nicht innerhalb der Zeit von sechs Monaten nach der Ehemündigkeit geltend gemacht wird.5 Der Vormund des Nichtehemündigen hat zur Anstellung der Ungültigkeits­ erklärung die Einwilligung des Vormundschaftsgerichts einzuholen.6 2. Des weiteren begründen Ehehindernisse Verwandschaft und Ver­ schwägerung. Nicht das kanonische Recht, welches diese Ehehindernisse sehr ausdehnte, insbesondere in der Seitenlinie bis zum vierten Grad kanonischer Kompu36) Goldenring a. a. O. S. 677. 1) pr. J. de nuptiis 1, 10; I. 4 D. eod. 23,2; cap. 8, cap. 10, X. de despons. impuberum 4, 2. Das kanonische Recht läßt übrigens bei früherer Puber­ tät auch Ehen vor dem gesetzlichen Termin zu. 2) L. R- II, 1 §. 37. Hiermit stimmte überein das für die preußische Monar­ chie erlaßne Gesetz vom 21. December 1872. Vgl. über frühere Ansichten Projekt des corp. jur. Frid. part. I lib. 2 tit. 3 §. 3, ferner Hellfeld jurispr. for. §. 1208 und §. 130 nach 1. 14 §. 1 D. de alim. leg. 34, 1, siehe Suarez bei v. Kamptz Jahrb. Bd. 41 S. 107. 3) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 28 Abs. 2. 4) L. R. II, 1 §. 970. 5) L. R. II, 1 §. 990. 6) L. R. II, 1 §§. 991, 992.

44

Die Eheschließung.

tation,7 bildet die historische Grundlage in dieser Materie, sondern über­

wiegend das römische Recht, welches verbot die Ehe mit Ascendenten, ferner mit dem Geschwister eines Ascendenten, sowie unter Verschwägerten, zwischen

welchen ein Eltern- und Kindesverhältniß bestand, endlich zwischen Geschwi­ stern wie auch deren Ehegatten. 8 9 Auf ein engeres Maß noch beschränkte diese Ehehindernisse das preußische Landrecht,10 die Gesetzgebung des deut­

schen Reichs, ihm im Allgemeinen folgend, hat sie weiter r ducirt. 11 Die­ selbe untersagt nur die Ehen a) zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie ohne Unter­ schied, ob die Verwandtschaft eine eheliche oder außereheliche ist;12 b) zwischen Geschwistern, seien sie nun vollbürtige oder halbbürtige,

eheliche oder außereheliche;13 c) zwischen Stiefeltern und Stiefkindern, Schwiegereltern und Schwie­ gerkindern jeden Grades nach Auflösung der die Schwägerschaft begründenden Ehe. Dieses Verbot erstreckt sich auch auf die unehelichen Verwandten unsres Ehegatten. Das Verbot trifft aber nicht die Ehe mit Descendenten oder Ascendenten dessen, mit welchem der Rupturient in außerehelicher Ge­ schlechtsverbindung stand, noch auch die Ehe mit einer Person, mit welcher der Descendent oder Ascendent der Nupturienten in einer außerehelichen Geschlechtsverbindung stand, wenn auch aus diesen Verbindungen außerehe­ liche Kinder vorhanden sein sollten. Denn eine Schwügerschaft oder auch Stiefverbindung begründet nur die Ehe.14 7) cap. 8 X. de consanguinit. et affinit. 4, 14 von Jnnocenz III. Das Dispensationsrecht steht jedoch dem Pabst zu, abgesehen von Geschwistern. Schulte kath. Eherecht S. 171. 8) Tit. Inst, de nuptiis 1, 10, 1. 5, 1. 8, 1. 9 C. de incestis nuptiis 5, 5. 9) Die Konsistorialordnung von 1540, C. C. M. ,1, 1 S. 234, hatte am beschriebenen, also am kanonischen Recht festgehalten, die von 1573, C. C. M. I, 1 S. 328, nur von dem Hinderniß der Verwandtschaft im vierten Grad abgesehen. Die Dispensation wurde aber nur ausgeschlossen in Fällen, welche in „Göttlichen Rechten" ausdrücklich verboten seien. Edikt vom 17. März 1710 §. 9, C. C. M. II, 1 S> 506 und die Kab. Ordre vom 3. Juni 1740, cont. I S. 342, gestattete „ohne Dispens sich in den casibus, wo die Ehe nicht klar in Gottes Wort verboten war, zu verheirathen." Das Mosaische Recht, auf welches hier Bezug genommen wurde, fand mehr oder weniger seine Auslegung nach den Grundsätzen der römischen Legislation. 10) L. R. II, 1 §. 3 ff. 11) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 33. Vgl. auch Strafgesetzbuch §. 173. 12) Nicht selten wird behauptet, daß die außereheliche Vaterschaft durch Aner­ kennung des Erzeugers oder rechtskräftiges Urtheil festgestellt sein müsse. So wird wohl Hinschius und Stölzel zum §. 33 zu verstehen sein. Allein hiefür giebt das Gesetz keinen Anhalt; es muß jeder Nachweis genügen, da es sich um ein in dem natürlichen Verhältniß gegründetes Ehehinderniß handelt. Sicherer Personenstand S. 197. 13) Kinder, welche beide Eltern in die Ehe gebracht haben, s. g. zusammen­ gebrachte Kinder, können sich heirathen, vgl. §. 8 J. de nuptiis 1, 10. 14) L. R. 1,1 §§. 43, 44. Sicherer Personenstand S. 199. Stölzel über das reichsgesetzliche Eheverbot wegen außerehelicher Schwägerschaft im Justizministerialblatt 1876 S. 215 ff.

§. 15.

Die Ehehindernisse,

a) Trennende.

45

Das Eheverbot mit Geschwistern eines Ascendenten ist beseitigt, ins­ besondere auch das landrechiliche Verbot der Ehe der älteren Tante mit dem

jüngeren Neffen.15 Kein Ehehinderniß bildet die s. g. Schwägerschaft zweiten Grades.^

Es ist z. B. die Ehe des Stiefvaters mit der Wittwe des Stiefsohns nicht

verboten. Nicht verboten ist auch die Ehe mit dem von unserm Ehegatten nach der Trennung der Ehe mit einem Dritten erzeugten Kind.

Ehen, die dem Verbot zuwiderlausen, sind 11^19.17 18 3.

Die Ehe ist verboten zwischen Personen, deren eine die andre an

Kindesstatt angenommen hat, so lange das Kindesverhältniß dauert.16 Die gleichwohl geschloßne Ehe ist ungültig. 19

Ist das angenommene

Kind minderjährig, so ist demselben ein Pfleger zu bestellen , welcher unter

Genehmigung

des Vormundschaftsgerichts

auf Ungültigkeitserklärung klagen

kann, ist das angenommne Kind volljährig, so hat es die Ungültigkeitsklage binnen sechs Monaten nach Abschluß der Ehe.20

4.

Niemand

darf

eine

neue Ehe schließen,

bevor seine frühere Ehe

aufgelöst, oder für nichtig oder für ungültig erklärt ift.21

Die trotz Bestehens einer andren geschloßne neue Ehe ist nichtig und

wird auch

im Fall der etwaigen Auflösung der früheren Ehe nicht rechts­

beständig.

Sie

ist nur ungültig,

wenn die Nupturienten irrthümlich die

15) L. N. II, 1 §. 8.

16) Auch nach L. R. II, 1 §. 5 wurde angenommen, daß eine s. g. affinitas secundi generis nicht in Betracht komme. Anders das kanonische Recht und auch älteres protestantisches Kirchenrecht. 17) L. N. II, 1 §. 935. 18) Reichsgesetz §. 33 unter 4. Nach römischem Recht hinderte die adoptio plena die Ehe für immer, auch nach Aufhebung des Verhältnisses §. 1 Inst, de nuptiis 1, 10, 1. 14 pr. 1. 55 pr. D. de ritu nupt. 23, 2, die Ehe mit ge­ wissen Verwandten des Adoptivvaters war nur während der Dauer des Verhältnisses gehindert, 1. 55 §. 1, 1. 17 pr. D. de ritu nupt. 23, 2. Ueber das kanonische Recht vergl. c. un. X. de cogn. legali 4, 12. Schulte a. a. O. S. 185. Die Bestimmung des Reichsgesetzes ist dem L. R. II, 1 §. 13 entnommen.

19) L. R. II, 1 §. 969. 20) L. R. II, 1 §. 985 ff.

21) Neichsgesetz vom 6. Februar 1875 §.34, vergl. Strafgesetzbuch §. 171, L. R. II, 1 §§. 7, 16. J. de nuptiis 1, 10. Die Auflösung kann durch Tod, rechts­ kräftige Todeserklärung und Scheidungsurtheil erfolgen. Ausländische Scheidungs­ uriheile genügen, auch wenn ein Preuße im Ausland sein Domicil hatte. So auch V. Krüwel bei Gruchot Bd. 21 S. 347.

Die Eheschließung.

46

frühere Ehe für aufgelöst hielten und erlangt daher in diesem Fall bei einer

Trennung der frühern Ehe Gültigkeit. 22 23 5.

im Fall

Das Ehehinderniß des Ehebruchs,

welches nach kanonischem Recht

eines Mordes des beleidigten Ehegatten oder eines Eheversprechens

der Ehebrecher für den Fall seines Todes begründet tocr,24 wurde vom Land­

recht

anerkannt,

einmal wenn

die Entscheidung wegen des Ehebruchs oder

gleichgestellten verdächtigen Umgangs erfolgte, dann auch bei einer Trennung der frühern Ehe durch den Tod im Fall von Lebensnachstellungen durch den Im Scheidungsurtheil wegen Ehebruchs wurde dem Ehebrecher

Ehebrecher.

jede Verheirathung ohne gerichtliche Erlaubniß untersagt, wenn

es um

dieselbe angegangen wurde, eine

Ehe der Ehebrecher zwischen also

abweisen

konnte.25

damit das Gericht,

etwa gleichwohl beabsichtigte

Das Reichsgesetz verbietet die Ehe

dem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen.

die frühere Ehe

niemals mehr ein.

geschehen, im Urtheil

durch

getrennt,

Auch muß die Scheidung

dies im Urtheil bezeichnet

den Tod

so

Ist

tritt dies Ehehinderniß

wegen vollendeten Ehebruchs

ausgesprochen und die Person des Mitschuldigen

sein.26 27 Die

Ehe ist dem geschiednen Ehebrecher

Einholung

richterlicher Erlaubniß

zur

nicht mehr aufzulegen;21 dem Standes-

22) L. R. II, 1 §§. 936, 942.

23) Nach kanonischem und gemeinem Recht ist die zweite Ehe rechtsbeständig, wenn die frühere nichtig war, selbst wenn dieselbe erst nach Abschließung der zweiten Ehe als nichtig erklärt wurde. Nach preußischem Recht ist bestritten, ob eine der­ artige Ehe in Gemäßheit des tz. 936 dgs Titels nichtig ist — so Koch zu L. R. II, 1 §. 942 — oder ob man — im §. 936 eine rechtsgültige frühere Ehe voraussetzend — nur ein aufschiebbares Ehehinderniß unterstellt. Die letztere Ansicht vertheidigt Hinschius bei Koch Kommentar Bd. 3 S. 70. 24) Nach römischem Rechte war der verurtheilten Ehebrecherin die Ehe verboten 1. 29 §. 1 D. ad legem Jnliam de adulteriis 48, 5, die Ehe zwischen dem ver­ urtheilten Ehebrecher und der Ehebrecherin schlechthin nichtig. 1. 13 D. de his quae ut indignis 34, 9, nov. 134 cap. 12. Ueber kanonisches Recht siehe cap. 1 X. de conversione infidelium 3, 33. Glück Bd. 24 S. 1 ff. Richter Kirchenrecht §. 278. Schulte Handbuch des kath. Eherechts S. 307 ff. 25) L. R. II, 1 §.25 ff. Richterliches Verbot, nicht wieder zu heirathen, war im Fall der Scheidung wegen Ehebruchs nicht selten. Projekt des c. j. Frid. pars. I lib. 2 tit. III. art. 1 §. 34 unter VIII und a. a. O.

26) Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 § 33 unter 5. Wenn auf Ehescheidung wegen Ehebruch und wegen eines andern Grundes geklagt ist und der Richter die Ehe wegen des letztern getrennt hat, auch den Verklagten für den schuldigen Theil erklärte, so kann Kläger nicht verlangen, daß der Ehebruch festgestellt und deswegen geschieden werde. Striethorst Archiv Bd. 82 S. 69. Er hat hierbei kein privates Interesse.

27) L. R. II, 1 §. 736 ist also nicht mehr anzuwenden. Das O. Trib. Entsch. Bd. 75 S. 152 will zwar den dort angeordneten Vorbehalt einer besonders nachzu­ suchenden Erlaubniß zur Wicderverheirathung in das Scheidungsurtheil nach wie vor ausgenommen haben, da der Zweck nur sei, die gerichtliche Feststellung der bezüg­ lichen Thatsachen herbeizuführen, nicht ein neues Ehehinderniß zu schaffen. Der Justizminister hat dagegen jenen Vorbehalt für unzulässig erachtet; da er wenigstens

§. 16.

Einfache Ehehindernifse.

47

beamten liegt es ob, sich aus dem Urtheil zu vergewissern, ob die Voraus­ setzungen des Ehehindernisses vorliegen. Dispensation ist zulässig. 28 Trotz des Hindernisses geschloßne Ehen sind nichtig.2* ^13 4 §. 16.

Einfache Ehehindernisse.

Einfache Ehehindernisse, welche dem Eheschluß entgegenstehen, ohne die Ehe ungültig oder nichtig zu machen, sind folgende: 1. Frauen dürfen erst nach Ablauf des zehnten Monats seit Beendi­ gung der frühern Ehe eine neue Ehe schließen.1 Der Grund liegt in der Möglichkeit der Schwangerschaft der Wittwe und dem Bestreben, die in sol­ chem Fall durch die zweite Ehe möglicherweise eintretende Ungewißheit der Vaterschaft zu verhindern. Deshalb ließ das Landrecht2 dies Hinderniß von dem Augenblick an wegfallen, in welchem die schwangere Wittwe ein Kind gebar und ebenso wenn die Ehe in Folge böslicher Verlassung getrennt war.8 Diese Ausnahmen sind aber in das Reichsgesetz nicht übernommen.^ Es ist daher auch in solchen Fällen Dispensation erfordert, die allgemein zulässig ist. 2. Die Eheschließung eines Mündels mit seinem Vormund oder mit dessen Kindern — Descendenten 5 — ist während der Dauer der Vormund­ schaft unzulässig.6 Dispensation ist nicht vorgesehen.7 8 formell eine dem Neichsgesetz unbekannte Erschwerung bilde. Vgl. Stölzel bei Gruchot Bd. 21 S. 321. 28) Reichsgesetz §. 33 a. E. Sie erfolgt in Preußen durch den Justizminister. 29) L. R. II, 1 §. 937. Der Staatsanwalt ist zur Nichtigkeitsklage befugt. Striethorst Archiv Bd. 44 S. 244. 1) Reichsgesetz §. 35. Das Ehehinderniß ist ein einfaches, L. R. II, 1 §§. 1006, 1007. . Das römische Recht setzte bekanntlich Strafen — Infamie u. s. f. — auf die Verletzung des s. g. Trauerjahrs. 1. 1. 1. 11 §. 1 und §. 3 D. de bis qui nat. infam. 3, 2. nov. 22 cap. 22. Dagegen cap. 5 X. de secundis nuptiis 4, 21. 2) Das L. R- II, 1 §. 20 bestimmte die Wartezeit auf neun Monate. 3) L. R. II, 1 §§. 19, 21. 4) Vgl. oben §. 13 Anm. 3. 5) Reichsgesetz §. 37. L. R. II, 1 §.14. Das Eheverbot stammt aus dem römischen Recht, 1. 36. 1. 62 §. 2. 1. 66 pr. D. de ritu nuptiarum 23, 2. Nach L. R. II, 1 §. 977 ff. war die Ehe ungültig und konnte angefochten werden. Das Reichsgesetz hat. im §. 37 Abs. 2 die Anfechtbarkeit beseitigt. 6) Auf den Gegenvormund ist das Verbot nicht zu beziehen, Dernburg V. R. S. 206, ebensowenig auf den Pfleger, welcher keine fortlaufende Vermögensadmini­ stration hat. L. N. II, 1 §. 15. 7) Nach L. R. II, 1 §. 14 konnte die Ehe nach Genehmigung des Vormund­ schaftsgerichts geschlossen werden. Dies ist nicht mehr Rechtens. Der Vormund, welcher die Ehe durchsetzen will, hat also nach §. 63 der V. O. vom 5. Juli 1875 seine Entlassung zu beantragen; es ist zulässig, ihn nach dem Eheschluß wieder zum Vormund zu ernennen. 8) Reichsgesetz §. 37 Abs. 2. Beseitigt ist L. R. II, 1 §§. 968, 977 — 979, 984, wonach ein neu zu bestellender Vormund unter Genehmigung des Gerichts,

Die Eheschließung.

48

Militärpersonen des Friedensstandes haben zu ihrer Verheiratung

3.

die Genehmigung ihrer Vorgesetzten einzuholen.9 Die Landesbeamten, welche bei der allgemeinen Beamten - Wittwenkasse

receptionsfähig

sind,

bedürfen

gleichfalls des Konsenses

ihres

vorgesetzten

Chefs.10 *11

4. wegen

Sind

aus

einer

vorhergehenden Ehe

Kinder

vorhanden,

welche

minderjährigen Alters oder sonst sich selbst nicht vorstehen können, so

muß deren

gesetzliche Abfindung nachgewiesen

oder ein Erlaubnißschein

des

Vormundschastsgerichts vor der Eheschließung beigebracht werden.^

Auch dies Erforderniß ist nur aufschiebend.13 Der Vater, welcher die Bestimmung nicht beachtet, verliert den Nieß­

brauch am Vermögen

seiner Kinder.14

Sind die Kinder minderjährig,

muß das Vormundschaftsgericht deren Auseinandersetzung mit ihren betreiben.^

so

Eltern

Der zweite Ehegatte erhält vor der Abfindung der Kinder erster

Ehe kein Anrecht am Vermögen des Ehegatten, welcher seine Verpflichtung versäumte.1G

Er

haftet für etwaigen Schaden der Kinder erster Ehe,

wie

ein Bürge. 17

Andere Ehehindernifse

Anderm

sind

auch

als die aufgezählten bestehen nicht mehr.

Zeugungsunfähige

und

Castraten ehefähig,43

Unter

auch

ist

Religionsverschiedenheit kein Ehehinderniß mehr,19 ebensowenig Entführung.20 sowie auch der Mündel innerhalb sechs Monaten nach erreichter Volljährigkeit zur Anfechtung der Ehe legitimirt waren. 9) Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 §. 38. Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 §. 40. Das Reichsmilitärstrafgesetz vom 20. Juni 1872 §. 150 bestimmt: wer ohne die erforderliche dienstliche Genehmigung sich verheirathet, wird mit Festungsstrafe bis zu drei Monaten bestraft, zugleich kann auch aus Dienstentlassung erkannt werden; auf die Rechtsgültigkeit der geschloßnen Ehe ist der Mangel der dienstlichen Einwilligung ohne Einfluß. Vgl. Gesetz vom 3. April 1871 betr. die Eheschließung von Militärpersonen. Rach L. R. waren derartige Ehen nichtig, L. R. II, 1 §. 938. Die Kinder hatten die Stellung von Kindern aus Ehen zur linken Hand, L. R. II, 2 §. 56. 10) Anh. §. 70 zu L. R. II, 1 §. 146. Kab. Ordre vom 17. Juli 1816. Kab, Ordre vom 9. Juli 1839, siehe Hinschius zum Reichsgesetz §. 38. Universitätsprofes ­ soren, welche nicht zur allgemeinen Wittwenkasse beizutragen haben, bedürfen des Konsenses nicht. 11) Die Reichsbeamten bedürfen solchen Konsenses nicht. 12) L. R- II, 1 §. 18. In Kraft erhalten durch Reichsgesetz §. 38. Die Vor­ schrift bezieht sich auch auf geschiedene Ehen. 13) L. R. II, 1 §. 1001. 14) L. R. II, 1 §. 1002. 15) L. R. II, 1 §. 1003. 16) L. R. II, 1 §. 1004. 17) So ist L. R, II, 1 §. 1005 zu interpretiren. 18) Anders das kanonische Recht nach Schulte a. a. O. S. 81 ff. 19) Anders theilweise L. R. II, 1 §.36; vgl. auch Schulte kath. Eherecht S. 221, Ehen zwischen getauften und nichtgetauften gelten hiernach für nichtig; Ehen zwischen Katholiken und Nichtkatholiken sind gültig, aber ohne Dispens nicht erlaubt. 20) Ueber gemeines Recht 1. 54 C. de episcopis 1, 3. 1. un. C. de raptu virg. 9, 13. conc. Trident, sess. 24 cap. 6.

§. 17.

Die Auflosungsgründe.

§. 18.

Ehescheidung.

49

Viertes Kapitel.

Auflösung der Oe. §. 17.

Die Auflösungsgründe.

Die Trennung der Ehe erfolgt normalerweise nur durch den Tod eines

der Ehegatten. Die gerichtliche Todeserklärung wurde nach kanonischem Recht nicht als Grund der Aufhebung der Ehe angesehen und vielfach wird als gemeinrecht­ licher Satz vertheidigt, daß sie nur die vermögensrechtlichen, nicht die per­ sönlichen Verhältnisse

des Verschollnen betreffe.1

Nach preußischem Recht

gilt aber der verschollne Ehegatte mit der Rechtskraft der gerichtlichen Todes­ erklärung auch für die persönlichen Verhältnisse als todt.

Der andre Theil

ist daher befugt, eine neue Ehe zu schließen, dieselbe bleibt rechtsbeständig, wenn der verschollne frühere Gatte wieder zum Vorschein kommt.2

eine

derartige anderweite Verheirathung nicht,

Geschah

so wird die Ehe als fort­

dauernd angesehen, wenn der für todt Erklärte zurückkehrt.3 Abgesehen vom Tode eines Ehegatten kann eine gültige Ehe nur durch

richterliches Scheidungsurtheil gelöst

werden.

Das katholische Kirchenrecht

kannte als Ersatz der ihm fehlenden Scheidung die beständige Trennung der

Ehegatten von Tisch und Bett durch den Eherichter unter Wahrung des

Ehebandes. erkennt

Dem protestantischen Kirchenrecht ist dies Institut fremd.

das Reichsgesetz vom

6. Februar

Auch

1875 eine derartige Trennung

nicht an. 4 §. 18.

Ehescheidung.

Während nach römischem Rechte die Ehescheidung

ein Privatakt war

und grundsätzlich Jedem der Ehegatten offen stand,1 wenn auch der schul­

dige Theil

mit Strafen belegt wurde,2 erklärte das

vollzogne christliche Ehe

ausnahmslos

als dem Bande

kanonische Recht die

nach während der

Lebenszeit der Ehegatten für unauflöslich;3 es konnte jedoch durch die vor-

1) So Hinschius zum Reichsgesetz S. 119 Anrn. 8; Sicherer Personenstand S. 218 ff. Dagegen u. A. Stobbe deutsches Privatrecht Bd. I S. 233. 2) L. R. II, 1 §. 666 ff.

vgl. oben Bd. I. §. 44.

3) Vgl. L. R. II, 18 §. 847.

4) Vgl. L. R. II, 1 §§. 733, 734.

Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 77.

1) Vgl. 1. 2 C. de inutilibus stipulationibus 8, 39, 1. 14 C. de nuptiis 5, 4. Wächter über Ehescheidungen bei den Römern, Stuttgardt 1822.

2) Nach älterem deuschem Recht war die Ehescheidung nur wegen Ehebruch und gleichstehenden groben Vergehen gestattet, Sohm Trauung und Verlobung 1876 @.6 ff.

3) Concilium Tridentinum sess. 24 de sacramento matrimonii cap. 7. Die durch Beischlaf noch nicht vollzogne Ehe ist durch Ablegung eines Ordensgelübdes, Dernburg, Preußisches Privatrecht.

III.

4

Auflösung der Ehe.

50 gesetzte kirchliche Behörde,

brechen,

auf

wegen Ehebruchs und

beständige Trennung von Tisch

Ehebandes, erkannt werden.^

gleichgestellter Meischesver-

und Bett,

ohne Lösung des

Die protestantische Lehre5* * ließ * 4 die Auflösbar­

keit der Ehe, auch vom Bande, wegen Ehebruchs zu, desgleichen wegen bös­

licher Verlassung und hat auch andre Scheidungsgründe, welche die Zerstörung des ehelichen Verhältnisses in gleicher Weise offenbaren, zugelassen.

An der

Nothwendigkeit eines Erkenntnisses über die Ehetrennung hielt man fest.

In der Aufklärungsepoche erweiterte man die Ehescheidungsgründe durch Praxis und

landesherrliche

geschah dies

durch Friedrich den Großen.

Fridericiani,

welches in

Verordnungen in

hohem

Maße.

Das Projekt

des

Insbesondre

corpus Juris

dieser Materie in einigen Provinzen Gesetzeskraft

erhielt, vermehrte die Scheidungsgründe und gab der gegenseitigen Einwilligung einen breiten Raum,6

hierauf gestützt,

bestimmte

das Cirkularreskript vom

27. September 1751, daß Ehegatten, unter welchen inimicitiae Capitales

et notoriae herrschten, die Scheidung nicht schwer gemacht werden sollte. 7 Man sah sich aber bald scheidungen zu treffen,

genöthigt,

Anordnungen gegen

diesem Zwecke sollte namentlich

die häufigen Ehe­

das Edikt gegen die

Mißbräuche der überhandgenommenen Ehescheidungen vom 17. November 1782

Aus diesem Edikt sind die bezüglichen Bestimmungen des Landrechts

dienen.8

entnommen,

so daß man dasselbe aber wieder in einigen Stücken milderte.9

Die Gründe, welche hiernach aufgestellt wurden, sind folgende:

1.

Ehebruch, d. h. die mit ehebrecherischem Willen vollzogne Geschlechts­

verbindung

eines

der Ehegatten,

sei es des Mannes oder der Frau

mit

wie durch päpstliche Dispensation lösbar. Ferner ist nach cap. 7 X de divortiis 4, 19 die unter Nichtchristen eingegangne Ehe auflösbar, wenn der eine Ehegatte Christ wird, und der andre die Gemeinschaft mit ihm aufhebt. 4) Cone. Trid. sess. 24 cap. 8. Schulte Katholisches Eherecht S. 431. Andre Verletzungen führen nur zu zeitweiliger Separation. 5) Die brandenburgische Visitations- und Konsistorialordnung von 1573 ließ Scheidung nur wegen Ehebruchs und böslicher Verlassung zu c. c. M. 1,1 S. 330 ff. Wer sich ohne Ursache trennte, sollte mit Gefängniß bestraft, schließlich des Landes verwiesen werden. Indessen wurde später auch in andern Fällen durch landesherrliche Bestimmung geschieden — Verordnung vom 5. December 1676 c. c. M. I, 2 S. 87 — es galten im I 1736 unter Anderm Lebensnachstellungen als Scheidungs­ grund — c. c. M. I, 1 S. 563. — 6) Projekt des c. j. F. I, 2 tit. 3, art. 1 §. 35 ff.

7) n. c. c. Th. 1 S. 157 vgl. 239. 8) n. c. c. Bd. 7 S. 1614. Vorher hatte dasReskript vom 27.November 1765 n. c. c. Th. 3 S. 1103 festgesetzt, daß in allen Fällen, ohne Unterschied, aus poenam divortii, zum Besten des unschuldigen Theils erkannt werde. 9) L. R. II, 1 §. 670 ff. Suarez Schlußvorträge S. 125. 156. 174. Das landrechtliche Ehescheidungsrecht stellt sich dar als eine, durch die Ausklärungsideen veranlaßte Fortbildung des ältern Ehescheidungsrechtes der evangelischen Kirche.

Als Ehebruch gilt auch

ist vor Allem Scheidungsgrund^o

einem Dritten,

ein unerlaubter Umgang,

welcher

den

dringenden

Verdacht des Ehebruchs

begründet.10 11

Dem Ehebruch gleichgeachtet werden Sodomiterei und unnatürliche Laster

ähnlicher Mrt12

Im Falle

fernere Umgang

des

Verdachts

mit der

des Ehebruchs kann

einem

Ehegatten

verdächtigen Person untersagt werden^

der

es entsteht,

im Falle der vertraute Umgang gleichwohl fortgesetzt wird, ein Ehescheidungs­ grund. 13 14 15

2. laufen da

Während die ältere Ansicht als bösliches Verlassen nur das Davon­ an einen

unbekannten

oder

dem Richter

unerreichharen Ort

ansah,

man sonst direkten Zwang zur Fortsetzung der Ehe anwendete, gilt der­

zeit als bösliche Verlassung jede absichtliche und widerrechtliche Aufheblmg der ehelichen Gemeinschaft,

mag sich nun der Ehegatte

Ort

an einen andern

begeben oder an dem Ehedomicil verbleiben." Da die Frau verpflichtet ist ihrem Manne zu folgen, so liegt ihrerseits

ohne

hinlängliche

Gründe weigert, von ihrem bisherigen Aufenthalte wegzuziehen,

obgleich der

eine bösliche Verlassung

Mann seinen

auch dann vor,

wenn

sie

sich

Wohnsitz oder Aufenthaltsort verlegt.^ 16

Gründe,

welche

10) L. N. II, 1 §. 670. Das römische Recht sah ein adulterium nur im Ver­ gehen der Ehefrau, nicht aber im Fall der geschlechtlichen Verbindung des Ehemannes mit einer unverheiratheten Frau, nov. 117 cap. 9. Nach kanonischem und deutschem Recht liegt auch in letzterm Fall Ehebruch vor. Zurechnungsfähigkeit des Ehebrechers ist zum Ehebruch erfordert. Striethorst Archiv Bd. 52 S. 243. 11) L. R. II, 1 §. 673. Es schließt sich dieser Grund an das cap. 12 X de praesumtionibus an, wonach die Zeugen solum cum sola, nuduin cum nucla in eodem lecto jacentem ea ut credebant intentione, ut eam cognosccret carnaliter viderunt Demgemäß ist der Gegenbeweis, daß es zu einer fleischlichen Vermischung nicht kam, geeignet, diesen Ehescheidungsgrund zu beseitigen. So wenigstens das O-Trib. bei Striethorst Archiv Vd.63 S. 314, Bd. 84 S. 42 u. Entsch. Bd. 60 S. 164, wobei von einer Vereinigung mit dem ältern Präjudiz n. 1994, Entsch. B. 16 S. 499 abgesehen werden muß. Hiernach genügt der bloße, von dem andern Theil zurückgewiesne, erfolglos gebliebne Versuch des Ehebruchs nicht, Striethorst Archiv Bd. 21 S. 173, und keinenfalls bloßes schamloses Verhalten eines Ehegatten. Im Sinne des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 §. 33 n. 5 ist in den Fällen von L. R. II, 1 §. 673 Ehebruch zu unterstellen. 12) L. R. II, 1 §. 672. 13) L. R. II, 1 §. 674 ff. Ehebruch ist hier nicht der Scheidungsgrund, auch Stölzel bei Gruchot Bd. 21 S. 338.

siehe

14) L. N. II, 1 §. 677. Eine bösliche Verlassung kann daher selbst stattfinden, wenn beide Ehegatten zwar in demselben Hause wohnen, jedoch der eine Ehegatte dem andern die eheliche Gemeinschaft weigert. Präj. des O- Trib. n. 942.

15) L. N. II, 1 §.679 spricht aus, die Frau sei verbunden dem Manne zu folgen, wenn er einen neuen Wohnort wähle. Man streitet darüber, ob hiernach die Frau dem Manne an jeden einstweiligen Aufenthaltsort folgen muß oder nur dahin, wo er sein dauerndes Domicil nimmt. Die Frage ist weder absolut zu bejahen, noch zu verneinen, sie ist vielmehr im konkreten Fall aus dem Begriff der 4*

Auflösung der Ehe.

52

eine solche Weigerung rechtfertigen, angemessenes Heim bietet,

in fremde Lande,

können sein,

daß ihr

der Mann kein

daß er z. B. nur eine Schlafstelle hat,

in das Ungewisse,

daß er

hinaus zieht?1 * * Die * S. * *Frau * ist auch

nach dem Gesetze nicht zu folgen schuldig, wenn sich der Mann der Militär­ pflicht durch Desertion entzog oder wegen begangner Verbrechen in das Aus­

land entfloh,^

endlich auch dann nicht,

Ehe geschlossenen Vertrag

erlassen

ist,

wenn ihr durch einen,

vor der

mit dem Manne bei Verlegung des

Wohnsitzes wegzuziehen.19 Bösliche Verlassung

der Frau

durch ihren Mann ist nicht bloß

dann

vorhanden, wenn er sich dauernd entfernt, sondern auch, wenn er sich grund­ loserweise weigert, sie in seine Wohnstätte aufzunehmen?9

Die bösliche Verlassung wird erst dann Scheidungsgrund, nachdem dem Abtrünnigen,

auf Antrag des verlassenen Ehegatten,

ein richterlicher Rück­

böslichen Verlassung zu entscheiden. Hiernach wird die Frau nicht angehalten werden können, mit dem Manne vagabundirend umherzuziehen, wenn ihn aber Berus oder sonst gerechtsertigte Zwecke veranlassen, einen temporären Aufenthalt zu nehmen, selbst den Aufenthalt öfter zu wechseln, und er der Frau ein entsprechendes Heim anbietet, so kann sie sich nicht entbrechen ihm zu folgen. Anders Koch zu §. 679 und Andre. Die Kosten der Nachfolge hat der Mann zu tragen. Besitzt aber die Frau eigne Mittel, so hört deswegen allein die Verlassung nicht auf, böswillig zu sein, weil ihr der Mann das Reisegeld nicht gewährt hat.

16) Die Frau ist nicht verpflichtet, sich aus Geheiß des Mannes in eine Woh­ nung zu begeben, welche der Ntann nicht regelmäßig bewohnt, indem er seinen dauernden Wohnsitz an einem andern Orte nimmt. 17) Ein Problem ist, ob die Frau dem Manne auch in ferne Lande, z. B. nach Amerika, Jnnerasien zu folgen verpflichtet ist. Das O. Trib. hat Entsch. Bd. 44 S. 225 die Frau für gehalten erklärt, ihrem Manne nach Amerika zu folgen, fo auch allgemein Förster Bd. 3 §.212, Koch dagegen, Kommentar zu §. 681, nimmt an, die Frau sei nicht verbunden, sich den Lebensgefahren auszusetzen, die mit einer Aus­ wanderung verbunden seien, ein solches Unternehmen sei wider die Abrede. Auch diese Frage kann nur im konkreten Fall beurtheilt werden, hieraus allein ergiebt sich, ob das Nichtfolgen „böslich" oder durch die Umstände entschuldigt ist. 18) L. R. II §. 681. Es giebt ihr dies aber allein keinen Ehescheidungsgrund. Entsch. des O. Trib. Bd. 73 S. 155. Striethorst Archiv Bd. 92 S. 334. 19) Vgl. oben S. 13 Anm. 4.

20) Der Mann ist eine Frau, welche sich eigenmächtig und ohne rechtmäßigen Grund von ihm getrennt hat, wenn sie in der Folge zurückkehrt, nach L. R- II, 1 §. 687 nicht eher anzunehmen schuldig, als bis sie ihren geführten unbescholtnen Wandel glaubhaft nachgewiesen hat. Welchen Ausgang die Sache zu nehmen habe, wenn die Frau den Nachweis nicht führte, war bestritten, indem nach der einen Meinung der Ehemann hieraus nur das Recht erlangt, auf Ehescheidung zu klagen. Simon Rechtssprüche Bd. 4 S. 349. Durch Plenarbeschluß vom 5. Mai 1851, Präjudiz n. 2285, Entsch. Bd. 21 S. 1 nahm das O. Trib. aber an, daß der Ehe­ mann zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet sei, in solchem Falle wegen Ehevergehen gegen die Frau aus Ehescheidung zu klagen, daß daher, wenn er dies nicht thut, die Ehe fortdauere, fo daß der Mann auch gehalten ist, der Frau den Unterhalt zu gewähren, Entsch. Bd. 51 S. 228, daß also ein erlaubtes Getrenntsein der Ehe­ gatten stattfinde.

kehrbefehl zugestellt wurde, welchem ungerechtfertigter Weise nicht gefolgt ist21 Die Nichtbefolgung des Mandats allein genügt aber nicht zur Ehescheidung, vielmehr muß erhellen, daß der Antragsteller die Fortsetzung der Ehe will und der andre Theil sich böslich von ihm trennt, daher wird der Ehegatte durch das Mandat nicht betroffen, welcher ihm aus gegründeter Ursache keine Folge leistet, z. B. wegen gerechtfertigter Furcht vor Sävitien des Ehemannes. Rückkehr auf kurze Zeit, ohne, daß der Zurückkehrende die Absicht hegt, das eheliche Leben dauernd fortzusetzen, ist kein Gehorsam gegen das Mandat. 22 Ist der Ehescheidungsfall wegen Nichtbefolgung des Mandats einmal eingetreten, so ist der unschuldige Ehegatte nicht weiter verpflichtet, mit dem Reuigen die Ehe fortzusetzen, geschieht dies aber, so ist der Scheidungsgrund erledigt. Ist der Aufenthalt des einen Ehegatten unbekannt oder der Art, daß chm keine richterliche Verfügung zugcstellt werden kann, und besteht dringen­ der Verdacht der Absicht der böslichen Verlassung, so kann die Scheidung, nach Verfluß eines Jahres, seit der Entfernung des Abtrünnigen, durch eine erfolglos bleibende richterliche Vorladung begründet werden.23 24 3. Entschied sich auch der protestantische Gerichtsgebrauch dafür, den beiden genannten Ehescheidungsgründen andre Fälle gleichzustellen, in welchen in ähnlicher Art die eheliche Treue schwer verletzt und der Zweck der Ehe vereitelt war, so war doch streitig, wie weit hierin zu gehen sei. Die land­ rechtliche Gesetzgebung hat ein laxes System befolgt, in welchem namentlich die Vereitelung des primären Zweckes, den man der Ehe zuschrieb, eine Rolle spielte. Scheidungsgründe sind: a) Halsstarrige und fortdauernde Versagung der ehelichen Pflicht.2^ 21) L. R. II, 1 §. 680 ff. Einführungsgesetz zur R-C.P.O. §. 16 Abs. 6, Preuß. Ausführungsgesetz zur R.C.P.O. vom 24. März 1879 §. 5 Abs. 5. Der Befehl ist vom Amtsgericht zu erlassen; ist eine Ehesache — außer der Nichtigkeitsklage — bereits anhängig, vom Proceßgericht. Ein Sühneversuch vor dem Rückkehrmandat, wie ihn das Gesetz von 1844 §. 61 vorschrieb, ist in der R.C.P.O. nicht mehr vorgesehen. 22) Vgl. Bornemann Bd. 5 S. 191. Anders Präjudiz des O. Trib. n. 916. Entsch. Bd. 6 S. 320. 23) L. R. II, 1 §. 686 sf. — Anhang §. 80 ist antiquirt. 24) L. R. II, 1 §. 694. Es gehört hierher auch §. 695. Die bloße Nichtleistung der ehelichen Pflicht ist kein Scheidungsgrund, Präjudiz des O. Trib. n. 156; es bedarf der Halsstarrigkeit, eine ausdrückliche Aufforderung ist aber nicht Bedingung nach Präj. des O. Trib. n. 2345, während Bornemann Bd. 5 S. 195 eine derar­ tige Aufforderung verlangte; keinenfalls ist ein vorgängiges gerichtliches Mandat nothwendig. Präj. n. 1465. Als ungehörige Dauer der Versagung wird von Manchen ein Jahr angesehen, während Andre die Beurtheilung mit mehr Grund dem derralichen Ermeffen anheimstellen. Es ist stets erforderlich, daß nicht gute Gründe dem Versagenden zur Seite stehen, wohin hohes Alter doch wohl regelmäßig gehört, vgl. jedoch Striethorst Archiv Bd. 4 S. 208. Ein Vertrag über die Nichtleistung, sei er vor oder nach der Ehe geschlossen, hat keine rechtliche Geltung, da er gegen den Zweck der Ehe ist. Die während des Prozesses abgegebne Erklärung des Versagenden, sich der

54

Auflösung der Ehe.

b) Gänzliches und

unheilbares Unvermögen zur Leistung der ehelichen

Pflicht und unheilbare körperliche Gebrechen, welche Ekel und Abscheu erregen oder die Erfüllung der Zwecke der Ehe gänzlich verhindern?^

c) Raserei und Wahnsinn, wenn sie über ein Jahr, ohne wahrschein­ liche Hoffnung zur Besserung, fortdauern?

d) Nachstellungen nach dem Leben?7 ferner Thätlichkeiten, welche Leben oder Gesundheit des andern Theils in Gefahr setzen konnten?^ ferner grobe

Kränkungen der Ehre oder der persönlichen Freiheit des andern Ehegatten?

Pflicht zu unterwerfen, erachtet für nicht relevant das O. Trib. Praj. 2176. Entsch. Bd. 18 S. 534. Dies erscheint unrichtig, die Versagung ist dann keine fortdauernde.

25) L. N. II, 1 §§. 696. 697. Es darf das Unvermögen nicht in hohem Alter, also dem natürlichen und zu erwartenden Gang der Dinge liegen, es muß ein vor­ zeitiges sein. Präj. n. 935. Auf Schuld kommt es hier nicht an. Die Ehe ist zu gegenseitiger Unterstützung in Glück und Unglück geschlossen. Wer soll den Erkrank­ ten pflegen, wenn es nicht der Ehegatte thut! Suarez jedoch Jahrb. Bd. 52 S. 49 entschied sich für die Zulassung der Scheidung, „weil posita impotentia, der Anis matrimonii primarius nicht erreicht werden könne, weil der gesunde Theil ad dclinquendum gereizt werde und weil dem Staat der Beitrag dieses Letzteren zur Popu­ lation verloren gehe." Der mit dem Gebrechen Behaftete kann für den schuldigen Theil erklärt werden, wenn er sich vorsätzlich in den Zustand setzte. — Unreinlichkeit, welche Ekel und Abscheu erregt, soll nicht in Betracht kommen. 26) L. R. II, 1 §. 698. Blödsinn, d. h. eine Geisteskrankheit, bei welcher der Kranke nicht gänzlich des Vernunftgebrauchs beraubt ist, ist kein EhescheidungSgrund, vgl. oben Bd. I §. 75. Präj. des O. Trib. n. 138. Daß der Zustand durch ein vorgängiges richterliches Urtheil festgestellt sei, fordert Präj. des O. Trib. n. 1304. Aus dem Gesetze ergiebt sich dies nicht. Förster Bd. 3 §. 212 not. 33. Es ist bestritten, ob das Jahr von der Anstellung der Klage an zu rechnen ist, oder vom Gutachten der Sachverständigen, oder vom Erkenntniß ab. Das Letztere ist das rich­ tige und folgerechte, da der Richter nach dem Zustande zu dieser Zeit zu urtheilen hat. Der Geisteskranke ist nicht etwa um deswillen als der schuldige Theil zu erach­ ten, weil er eine Disposition, insbesondre erbliche, zur Geisteskrankheit hatte und dies beim Eheschluß verheimlichte, vgl. Striethorst Archiv Bd. 96 S. 66, wohl aber, wenn er die Krankheit durch eiglies grobes Verschulden, z. B. übermäßiges Trinken, Opiumgenuß veranlaßte. 27) L. R. II, 1 §. 699. Trachten nach dem Leben des Ehegatten war auch nach älterm protestantischem Kirchenrecht Scheidungsgrund. Es genügt ein Versuch des Mords oder des Todtschlags im Sinne des §. 43 des Strafgesetzbuchs, aber auch die nicht durch Handlungen mauifestirte, ernstliche Absicht des schuldigen Theils reicht hin, so namentlich wenn sie durch Drohungen, sei es mit einem Mordinstrument, sei es auch ohne solche manifestirt ist. Auf diesen Fall bezieht sich L- R. II, 1 §. 701 nicht, die Unterscheidung des Präjudizes des O. Trib. 1012 zwischen thätlichen und mündlichen Drohungen ist nicht haltbar.

28) L. R. II, 1 §. 699. Die Thätlichkeiten, von denen hier die Rede ist, gehen nicht aus dem Vorsatz den Ehegatten zu tobten hervor, müssen aber gleichwohl einen Leben und Gesundheit bedrohenden Charakter haben. Die bloße Absicht von Thätlich­ keiten dieser Art kommt nicht in Betracht. Dagegen ist nicht erforderlich, daß sie wirklich bleibende, nachtheilige Folgen hatten. Striethorst Archiv Bd. 96 S. 72. So erachtete man Schläge mit einem starken Besenstiel auf den Kvpf des Ehegatten, die ohne dauernde nachtheilige Folge blieben, als Scheidungsgrund. 29) Welche Kränkungen der Art grobe sind, hat das richterliche Ermessen zu bestimmen. Verläumdungen, welche die bürgerliche Existenz gefährden, gehören hier­ her, einfache Schimpfreden fallen unter die Bestimmung der §§. 701 und 702.

dagegen sollen Personen niedern Standes wegen bloßer mündlicher Belei­ digungen, sowie geringerer Thätlichkeiten, nicht, und Personen andrer Stände nur, wenn sie ohne dringende Veranlassung, muthwillig und wiederholt vor­ kamen, geschieden werden.Unverträglichkeit und Zanksucht endlich werden Scheidungsursache, wenn sie zu einem solchen Grad der Bosheit steigen, daß da­ durch des unschuldigen Theils Leben oder Gesundheit in Gefahr gebracht toitb.30 31 e) Grobe Verbrechen und Vergehen, derentwegen ein Ehegatte harte und schmähliche Strafe erlitt, berechtigen den unschuldigen Theil, die Ehe­ scheidung nachzusuchen;3^ ebenso dann, wenn sich der Ehegatte solcher Strafverurtheilung durch die Flucht entzog.33 34 35 36 Ein Ehescheidungsgrund liegt auch darin, daß ein Ehegatte den Andern solcher Verbrechen vor Gericht fälschlich, wider besseres Bewußtsein, beschul­ digte3^ oder den andern durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen in Gefahr bringt, Leben, Ehre, Amt oder Gewerbe zu verlieren.33 Ferner ist Ergreifen eines schimpflichen Gewerbes ein Ehescheidungsgrund.33 30) Mündliche Beleidigungen oder Drohungen werden bei Leuten gemeinen Standes nicht beachtet, sofern eben anzunehmen ist, daß sie bei ihrer Denk- und Hand­ lungsweise die Fortsetzung einer leidlichen Ehe nicht unmöglich machen. Bei Personen höhern Standes bilden sie einen Scheidungsgrund, wenn sie ohne entschuldigende Veranlassung wiederholt, also bei verschiednen Gelegenheiten und muthwillig, d. h. in der Absicht zu kränken und zu verletzen, geschehen sind. Es wird sich auch hier der Richter zu fragen haben, ob der Muthwille einen Charakter angenommen hat, daß ein weiteres eheliches Zusammenleben unthunlich ist. 31) L. R. II, 1 §. 703.

32) L. R. II, 1 §. 704. Ob das Verbrechen oder Vergehen des Ehegatten ein grobes, die Strafe eine schmähliche sei, der Art, daß eine Ehescheidung darauf zu gründen ist, hat der Richter nach der Individualität des Falles, nach Umständen und Personen zu beurtheilen. Striethorst Archiv Bd: 88 S. 101 ff. Es macht keinen Unterschied, ob das Vergehen gegen Dritte oder gegen den Ehegatten gerichtet war, die Worte gegen Andre heißen nur soviel als „auch gegen Andre." Gruchot Bd. 18 S. 151. Hat der Richter im Ehescheidungsproceß die Frage nochmals zu prüfen, ob das Kriminalurtheil materiell richtig war? Im frühern Recht wurde dies verneint. Strieth. Archiv Bd.82 S. 130. Wenn aber jetzt nach §. 14 des Einführungsgesetzes zur Reichscivilproceßordnung außer Kraft treten: „die Vorschriften über die bindende Kraft des strafgerichtlichen Urtheils für den Civilrichter", so muß dies auch hier zur Anwendung kommen. Die Strafe „erleidet man" auch vor der Verbüßung, hierfür spricht die Natur der Sache und der Grundgedanke des neueren Strafrechts, denn nicht die Strafverbüßung infamirt, sondern die Verurtheilung. Dieser Ansicht sind auch Förster Bd. 3 §. 212 und Hinschius bei Koch zum §. 105, Bd. 3 S. 236. Die entgegengesetzte Ansicht hat jedoch das O. Trib. Striethorst Archiv Bd. 63 S. 285 und a. a. O., sowie Bornemann Bd. 5 S. 202. 33) So ist A. G. O. I, 40 Anh. §. 295 zu interpretiren.

34) L. R. II, 1 §. 705. 35) L. R. II, 1 §. 706. Unter Verlust des Gewerbes wird auch verstanden, wenn die Ausübung des Gewerbes und dadurch die Mittel des Lebensunterhalts in Gefahr gesetzt werden. Präj. des O. Trib. 552. Der Vorsatz wird aber auf diesen Verlust gerichtet sein müssen.

36) L. R. II, 1 §. 707. Schimpfliches Gewerbe ist für Mann und Frau: Bor­ dellwirthschaft, Diebeshehlerei, nicht aber heutzutage das Abdeckereigewerbe. Als schimpf-

56

Auflösung der Ehe.

f) Unordentliche Lebensart,

d. h. Trunkenheit,

Verschwendung oder

liederliche Wirthschaft, giebt dem unschuldigen Theile einen Ehescheidungsgrund, wenn

der

schuldige

Theil

trotz richterlichen

Gebots

der

Besserung

seine

Ausschreitungen beharrlich fortsetzt? g) Mangel des Unterhalts berechtigt die Frau zur Scheidung,

wenn

der Mann sich durch Verbrechen, Ausschweifungen, unordentliche Wirthschaft

außer Stand setzte, sie zu ernähren33 oder wenn er trotz zulänglicher Mittel und rechtskräftiger Verurteilung den Unterhalt der Frau versagt?40 h) Endlich ist auch unüberwindliche Abneigung ein Ehescheidungsgrund,

einmal bei gegenseitiger Einwilligung, falls die Ehe ganz kinderlos ist?1 dann auch, abgesehen hiervon, auf einseitiges Begehren, wenn durch erheb­ liche Thatsachen ein derartiger heftiger,

gethan wird,

tief eingewurzelter Widerwille dar­

daß zu einer Aussöhnung und zur Erreichung der Zwecke des

liches Gewerbe ist auch das gewerbmäßige Betreiben von Wuchergeschäften anzusehen, d. h. der Ausbeutung von Noth und Leichtsinn durch Kreditgeschäfte. 37) L. R. II, 1 §.708 ff. Ueber den zur Erlassung des Befehls zuständigen Richter siehe Pr. Ausführungsgesetz zur C. P.O. vom 24. März 1879 §. 6. Andre Mittel als Abmahnungen stehen dem Richter nicht zu Gebote. Zur Ausbringung des Mandats genügt einseitiger Vortrag und Glaubhaftmachung der vorgebrachten That­ sachen. Wird später die Ehescheidung verlangt, so ist der Beweis zu erbringen für die Zeit vor und nach Erlassung des Mandats. Ob, wie Präj. des O. Trib. n. 522 behauptet, eine einmalige Wiederholung des Fehlers, nach empfangnem richterlichem Mandat, zur Scheidung genügt, z. B. ein einmaliges schweres Betrinken, ist Frage des konkreten Falles. Wie lange auf das richterliche Abmahnungsdekret zurückgegangen werden kann, ist ebenso nach den konkreten Umständen zu bemessen. Die Wirkung eines wegen Trunksucht erlassenen Mandats, dauert an sich fort, auch wenn nachher eine Aus­ söhnung zu Stande kam. So den Verhältnissen entsprechend Präj. d. O. Trib. n. 1417. 38) L. R. II, 1 §. 711. Nicht darauf kann es aber ankommen, ob früher solcher Mangel eintrat, sondern, ob er zur Zeit des Urtheils besteht und für die Folgezeit zu befürchten ist. Anders Striethorst Archiv Bd. 13 S. 370. Ein Hauptfall ist die aus Verbüßung einer Gefängnißstrafe entstehende zeitweilige Erwerbsunfähigkeit.

39) L. R. II, 1 §. 712. Vorgängiges Urtheil gegen den Mann zur Leistung auf Alimente ist hier erfordert, aber richtiger Ansicht nach nicht Betreiben einer Zwangsvollstreckung. Es kann aber auch die Frau im Wege der Zwangsvollstreckung die Alimente beitreiben, sie ist nicht darauf verwiesen, die Ehescheidung zu begehren. Striethorst Archiv Bd. 27 S. 273. Die Frage gehört jedoch zu den bestrittnen. 40) Veränderung der Religion durch einen der Ehegatten ist kein Ehescheidungs­ grund mehr, wie dies nach §. 715 des Titels der Fall sein konnte, da die Religions­ verschiedenheit kein Ehehinderniß mehr bildet. 41) L. R. II, 1 §. 716. Was unter „ganz" kinderlosen Ehen zu verstehen sei, ist nicht ganz unbestritten und die Materialien sind nicht geeignet, alle Zweifel zu zerstreuen, vgl. Bornemann Bd. 5 S. 207 ff. Bestritten ist, ob, woraus der Wort­ laut führt, Ehen gemeint sind, welche jederzeit kinderlos waren, oder ob, wie Präj. des O. Trib. n. 338 annimmt, auch solche, in welchen die Kinder wieder sämmtlich verstarben, hierher gehören; das Letztere ist das praktische Recht. Die Ehe darf keinenfalls Hoffnung auf Kinder geben, worüber, insbesondre auch über die Dauer, welche die Ehe bereits gehabt haben muß, richterliches Ermessen entscheiden muß. Präj. n. 934. Die Einwilligung beider Theile muß eine selbständige sein, bloßes Nichtwidersprechen genügt nicht, auch muß die Einwilligung aus Abneigung geschehen , es darf, wie sich das Gesetz ausdrückt, weder Leichtsinn, noch Uebereilung, noch heimlicher Zwang zu besorgen sein.

§. 19.

Fortsetzung.

Einzelpunkle.

57

Ehestandes keine Hoffnung bleibt. Der auf seinen Antrag aus dem letztem Grunde geschiedene Ehegatte gilt nothwendigerweise als der schuldige Theil/

Durch die angegebnen Gründe ist der Kreis der Ursachen, aus welchen eine Ehescheidung zulässig ist, geschloffen, eine analoge Anwendung auf andre, als 'die aufgeführten Fälle findet nicht statt. Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, können andre, als die in der Klage vorgebrachten Scheidungsgründe geltend gemacht werden/^ §. 19.

Fortsetzung.

Einzelpunkte.

Einzelne Fragen von Bedeutung sind noch besonders zu besprechen. a) Die Ehescheidungsgründe verlieren ihre Kraft, wenn der verletzte Theil ihrer Geltendmachung entsagt, also im Fall der s. g. Remission.*1 Diese Entsagung muß zwar dem schuldigen Theil gegenüber erklärt sein, sie

42) L. R. II, 1 §§. 717. 718a. 718b. In §. 717 wird vorgeschrieben, daß in der Regel wegen bloßer behaupteter Abneigung, wenn dieselbe nicht mit gesetzmäßigen Gründen unterstützt sei, keine Ehetrennung stattfinde, doch fährt §. 718 a fort, könne der Richter in besondren Fällen, wo nach den Akten ein die Zwecke der Ehe ver­ eitelnder eingewurzelter Widerwille vorhanden sei, die Ehe lösen, so, daß aber nach §. 718b der Antragsteller dann stets für den schuldigen Theil erklärt werden müsse. Es war hiernach behauptet worden — Präj. des O. Trib. 239 —, daß unüberwind­ liche Abneigung ein selbständiger Ehescheidungsgrund nicht sei, daß die Klage stets auf einen der speciellen Ehescheidungsgründe gerichtet werden müsse und daß nur der Richter, wenn sie sich nicht vollständig bewahrheiteten, wohl aber solche Abneigung ergäben, die Ehe auf Grund derselben trennen könne. Der Plenarbeschluß des O. Trib. vom 16. December 1839, Entsch. Bd. 5 S. 175, Präj. n. 758 läßt jedoch eine selbständige Klage kvegen Abneigung zu, da sich §. 718 a an das bekannte Reskript vom 22. Mai 1783 anschließt. — Der §. 718 b, wonach, wer auf diesen Grund hin die Scheidung erwirkt, schuldiger Theil ist, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit §. 718 a. Es ist dem Richter nicht gestattet, von der Anwendung des einen abzu­ sehen und den andern anzuwenden. Eine ausdrückliche Erklärung, sich den Folgen des §. 718 b zu unterwerfen, ist nicht erfordert. Plenarbeschluß des O. Trib. vom 17. Juni 1844. Präj. 1452. Etwaige, dem andern Theile zur Last fallende Schei­ dungsgründe, die aber verziehen sind, können an der Erklärung als schuldigen Theil nichts ändern; ebensowenig Gründe, die im Scheidungsproceß nicht geltend gemacht wurden, Entsch. B. 61 S. 166.

43) Reichscivilproceßordnung §. 574 Abs. 1. 1) Nach L. R. II, I §. 720 sollen ausdrücklich verziehene Beleidigungen nicht als Ehescheidungsursachen gerügt werden, dies ist auf alle schuldhaften Ehescheidungs­ gründe zu beziehen, namentlich auch aus den Fall der Berurtheilung zu infannrenden Strafen. Die Verzeihung muß den Sinn des Verzichts auf den Ehescheidungsgrund gehabt haben, eine Verzeihung in dem Sinne, daß der Beleidigte den Fehl im Ge­ müthe nicht weiter nachtragen will, sofern dem Rechte Genüge geschieht, gehört nicht hierher. Die Verzeihung fordert volle Dispositionssähigkeit. Ueber kanonisches und gemeines Recht s. cap. 25, X. de iurejurando 2, 24. Besondre Ansichten Gesterding Ausbeute Bd. 1 S. 374.

58

Auflösung der Ehe.

bedarf aber keiner Annahme.

Sie kann auch während des Ehescheidungspro­

cesses geschehen.2

Die Hinzufügung des Vorbehalts, daß die Verzeihung unter Voraus­ da dies der

setzung der Besserung erfolgt, ist als rechtsbeständig anzusehen, historischen Entwicklung und dem Wesen der Sache entspricht.3

Ausdrücklicher Verzeihung steht es gleich, nach

wenn der beleidigte Ehegatte

erhaltner überzeugender Kenntniß die Ehe ein Jahr hindurch fortgesetzt

Es bedarf zur Unterbrechung Schritte zur rechtlichen Trennung, also

fyrt.4

der Klage oder des Antrags eines Sühneversuchs5

einer gericht­

oder doch

die thatsächliche Trennung der Ehegatten wird auch hier

lichen Protestation,

nicht als Unterbrechung der Ehe angesehen.6

Wenn das Zusammenleben un­

möglich ist, z. B. wegen des Verbüßens einer Zuchthmlsstrase des schuldigen Ehegatten,

soll die Frist nicht taufen.7

So lange die Zuwiderhandlungen

fortdauern, kann die Frist nicht beginnen. Die Leistung der ehelichen Pflicht allein bildet nach preußischem Recht im Gegensatz zum gemeinen noch keinen Verzicht auf die Scheidung.8 mehr als selb­

Auch Verletzungen, die in Folge einer Remission nicht

ständige Scheidungsgründe

vorgebracht werden können, sind

wer der schuldige Theil war,

in Betracht zu ziehen,

bei

der Frage,

falls es aus andern

Gründen zur Scheidung kommt.9

b) Gemeinrechtlich kann der aus Ehebruch gestützten Scheidungsklage die Einrede

gestellt

der

s. g.

werden

Kompensation

und

es

wird

wegen Ehebruchs

auch

in

andern

des Klägers

Fällen

entgegen­

der Untreue

die

2) Nach den Grundsätzen der Reichscivilproceßordnüng 243 kann die Klage bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zurückgenommen werden. Dies hindert die Wiederholung der Klage an sich nicht. Nach §. 277 kann der Kläger bis zum Schluß der Verhandlung auf den geltend gemachten Anspruch, also auf die Scheidung verzichten, dann ist er abzuweisen. Und zwar ist das Gericht hierzu nach §. 581 der Reichscivilproceßordnüng auch ohne Antrag des Verklagten befugt. Die Vorschriften der §. 53 der Verordnung vom 28. Juni 1844 bestehen also materiell im Wesentlichen fort. 3) So Hinschius Preußische Anwaltszeitung 1866 S. 349. Bd. 3 §. 212 not. 59 und Entsch. des O. Trib. Bd. 54 S. 206.

Dagegen Förster

4) L. R. II, 1 §. 721. 5) Präjudiz des O. Trib. n. 2102. 6) Präjudiz des O. Trib. n. 499.

Entsch. Bd. 17 S. 510. Vgl. oben S. 37 Anm. 15.

7) Striethorst Archiv Bd. 81 S. 51.

8) Ein offenbarer Mißgriff. Denn Kinder mit dem Ehegatten zu erzeugen und dennoch die Absicht der Scheidung festzuhalten ist ein pflichtvergeßnes Beginnen, was nicht anzuerkennen ist. Die Remission ist übrigens anzunehmen, wenn andre unter­ stützende Momente hinzutreten, so daß das richterliche Ermessen zu entscheiden hat. 9) Präjudiz deS O. Trib. n. 1776, vgl. noch Entsch. Bd. 61 S. 166.

§. 19.

Fortsetzung.

Einzelpunkte.

59

Einrede zugelassen, daß sich der Kläger eines gleichen Vergehens schuldig gemacht hat.10 11 In solcher Allgemeinheit hat das preußische Recht das Kompensations­ princip nicht anerkannt. Es findet jedoch die Scheidungsklage auch hier nicht statt, wenn Kläger die Vergehungen, aus welche die Klage gegründet ist, durch sein unsittliches Betragen selbst veranlaßt hat."

Die Scheidung ist also ausgeschlossen, wenn der Verletzte selbst den andern Theil zum Vergehen verleitet hat, z. B. der Mann seine Frau auf­ gefordert hat, behufs ihres Unterhalts Ehebruch zu treiben,12 ebenso wenn man durch Unsittlichkeit die direkte Veranlassung zum Vergehen des andern Theils gab, denselben z. B. durch grobe Verletzungen der Ehre zu gesund­ heitsgefährlichen Thätlichkeiten provocirte.13 14

Ferner kann der Ehemann einer von der Ehefrau angestellten Schei­ dungsklage den Einwand mit Erfolg entgegensetzen, daß diese selbst vorher die Ehe gebrochen habe.15 Dasselbe wird anzunehmen sein, wenn die Frau den Mann böslich verlassen hatte.16 c) Es ist fraglich, ob und inwieweit ein Vormund eine Ehescheidungs­ klage statt seines verheiratheten Mündels anstellen kann. Man wird dies 10) Vgl. cap. 6, 7. X. de adulteriis 5, 16.

Glück Bd. 26 S. 447.

11) L. R. II, 1 §. 719, vgl. cap. 6, X. de co qui cognovit consanguineam uxoris suae 4, 13. Vgl. Sonnenschmidt neue Erörterungen 1877 n. 3. „die im voraus ertheilte Genehmigung des Ehebruchs."

12) Es hat das O. Trib. bei Striethorst Archiv Bd. 61 S. 281 erkannt, wenn der Mann, um einen Scheidungsgrund zu erlangen, feine Frau aufsorderte ihren Unterhalt durch geschlechtlichen Umgang mit andern Männern zu gewinnen, so dürfe die Frau darin doch keine Veranlassung finden, einem folchen Ansinnen zu folgen und die Ehe zu brechen. So richtig es ist, daß die Frau hierin keine Veranlassung zum Ehebruch finden sollte, so ist dies doch nicht relevant; es kommt nur daraus an, ob der Mann durch seine Unsittlichkeit die Veranlassung im gegebnen Falle ge­ geben hat. 13) So Koch zu §. 719.

Anders Förster Bd. 3 §. 212 u. A.

14) Wenn der Ehemann, um seine Frau auf die Probe zu stellen, einen Drit­ ten veranlaßt, die Frau zu verführen und diese unterliegt der Versuchung, so kann sie hieraus eine Einrede nicht ableiten, da sie durch den Mann hier nicht zum Ver­ gehen bestimmt wurde. Anders das Urtheil bei Gruchot Bd. 7 S. 246.

15) L. R. II, 1 §. 670 giebt nur dem unschuldigen Ehegatten das Recht auf Scheidung zu klagen und §. 671 stellt fest, daß eine Ehefrau, welche sich dieser Verletzung der ehelichen Pflichten schuldig machte, der Scheidung nicht unter dem Vor­ wande des gleichen Vergehens des Mannes widersprechen darf. Hieraus schließt man, daß dem wegen Ehebruchs verklagten Manne die Einrede der gleichen Schuld der Frau ^usteht. Präjudiz des O. Trib. n. 430, Striethorst Archiv Bd. 70 S. 285 ff. Hierbei wird der Mann aber nicht längst verjährte Vergehen der Frau vorbringen können, da eine gewisse Gleichzeitigkeit der Vergehen erfordert ist und dem Manne, welcher der Frau verzieh oder doch die Ehe dauernd fortsetzte, hiermit wohl nicht ein Freibrief für alle Zeit gegeben ist. Vgl. Striethorst Archiv Bd. 70 S. 287.

16) Anders Striethorst Archiv Bd. 16 S. 249.

Auslösung der Ehe.

60

Denn die Wahl, ob man die Ehe schei­

für die Regel zu verneinen haben.

den oder verzeihen wolle, hat auf persönlicher Erwägung zu beruhen, so daß

in dieser Hinsicht von einer Vertretung keine Rede

sein

der Ehe des Minderjährigen,

unzweifelhaft ist dies bei Konsens zur Eheschließung

in

dieser Hinsicht

eine

Art

sann.17 18

Ganz

welcher durch

den

von Selbständigkeit

erlangt hat. d) Im Ehescheidungsprocesse ist zugleich auf Antrag über die Frage zu

erkennen,

wer der schuldige Theil ist;

außerhalb

des Ehescheidungsprocesses

kann hierüber nicht verhandelt und entschieden werden. unschuldige Theil gegen den für schuldig erklärten Theil

Dagegen

hat der

sein Recht auf Ab­

findung in einem besondern Proceß geltend zu machen. 19

Haben beide Theile sich Vergehungen zu schulden kommen lassen, so ist zu entscheiden,

wen

das Uebergewicht

der

Schuld kifft.20

Verletzungen der ehelichen Treue, z. B. Ehebmch, Vergehungen,

theilung

zu

die diese Pflichten nur mittelbar verletzen,

infamirender

Strafe. 21

Für

Unmittelbare

gelten als schwerer,

wie

wie z. B. Verur-

grobe Verschuldungen

werden

insbesondre vom Gesetz erklärt Ehebruch, bösliche Verlassung, Versagung der ehelichen

Pflicht,

Nachstellungen,

Gefährdung des Lebens, andre Verschuldungen

der Ehre,

gelten

als

falsche Beschuldigung

grober Verbrechen,

Sie

sind gleicher Art;

des Amtes.22

leichtere.

Bei Verfehlungen

gleicher Art

soll überlegter Vorsatz schwerer in das Gewicht fallen als ohne Ueberlegung Verübtes.23

17) Dernburg Vormundschaftsrecht S. 258.

18) Besonders gestaltet ist jedoch der Fall, der bei Striethorst Archiv Bd. 68 S. 211 dargestellt ist. Denn dort hatte die Ehefrau des Verklagten bereits beir Wil­ len kundgegeben, die Ehe zu lösen, und die Sühne war fruchtlos versucht. In die­ sem Falle erachtete man nicht ohne Grund den Kurator für legitimirt die Eheschei­ dung gemäß der erklärten Absicht der Kurandin gerichtlich zu verfolgen, da die bloße Möglichkeit, daß dieselbe, wenn sie wieder hergestellt sein würde, ihre Absicht ändern könnte, nicht als gewichtig erschien. 19) Wenn auch Reichscivilproceßordnung §. 575 die Verbindung einer andern Klage mit der Ehescheidungsklage für unstatthaft erklärt, so bezieht sich dies doch nicht auf die Schuldfrage, wie auch die Motive zum §. 575 bemerken, vgl. oben S. 21 Anm. 4. Es ist daher L. R. II, 1 §. 745 noch in Kraft, wonach die Schuldfrage im Ehescheidungsproceß erledigt werden muß und eine Nachholung der Verhandlung hierüber in einem spätern Processe nicht zulässig ist. Die Ehescheidungsstrafe konnte im frühern Recht in einem besondern Processe gegen den Schuldigen geltend gemacht werden nach Entsch. des O. Trib. Bd. 37 S. 218, Striethorst Archiv Bd. 96 S.72; derzeit ist der besondre Proceß nothwendig.

20) L. R. II, 1 §. 745. 21) L. R. II, 1 §. 727. 22) L. R. II, 1 §. 748. Präj. des O. Trib. 553.

Hierher gezählt wird nicht Gefährdung des Gewerbes im

23) L. R. II, 1 §. 750, vgl. Strafgesetzbuch §§. 211. 212.

§. 20.

Wirkungen der Scheidung.

Die Ehe wird gelöst mit dem Augenblick, in welchem das Scheidungs­

urtheil in Rechtskraft übergeht.1

Die Folgen

dieses Satzes

werden jedoch

dadurch modificirt, daß der schuldige Theil keinen Vortheil daraus ziehen soll,

wenn

er

die Rechtskraft durch

ungegründete Rechtsmittel aufgehalten hatte.

Auf Antrag des unschuldigen Theils ist daher bei der Auseinandersetzung der

Vermögen der Tag des ersten Scheidungsurtheils zu Grunde zu legen.2 3 4 Mit der Rechtskraft des Scheidungsurtheils hören

aus der Ehe

alle

folgenden persönlichen Rechte und Pflichten auf, die sich hieraus ergebenden

Beschränkungen der Handlungsfähigkeit der Ehefrau fallen weg.

Es kann jedoch die geschiedne Frau Namen und Stand des Ehemannes beibehalten, men.

aber auch nach ihrer Wahl den vorigen Namen wieder anneh­

Ist sie für den schuldigen Theil erklärt,

so darf sie den Namen des

Mannes wider dessen Willen nicht führen, was dieser durch Klage durchsetzen kann.

Auf ein nach der Auflösung stattfindendes Verhalten

der Frau kann

er eine derartige Klage nicht stützen.^

Einer Wiederverheirathung der geschiednen Eheleute steht nichts im Wege; es bedarf aber derselben Form, wie bei der ersten Eingehung der Ehe.^

Was die Vermögensverhältnisse der Ehegatten anlangt, so

ehemännliche Nießbrauch.5 auf,

worüber

später

Die

eheliche

erlischt der

allgemeine Gütergemeinschaft hört

näher zu handeln ist.

Nachtheile,

welche den schul­

digen Theil hierbei treffen, sind gleichfalls am bezüglichen Orte zu erörtern.

Hier sind die Ehescheidungsstrafen darzustellen,

welche den schuldigen Gatten

1) L. R. II, 1 §. 731. Von welchem Moment an die Rechtskraft des Schei­ dungsurtheils zu datiren ist, bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen, deren Ent­ wicklung Bd. 1 S. 134 versucht wurde. Es ist jedoch dort nicht angeführt, daß die R. C. P. O. §. 645 bestimmt, „die Rechtskraft des Urtheils tritt vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs bestimm­ ten Frist nicht ein." Es ist dies zwar bezüglich der Frage, wann eine Zwangsvoll­ streckung zulässig ist — R. C. P. O. §.644 — bestimmt, doch wird man geneigt sein, den §.645 bei der Zweifelhaftigkeit der Materie allgemein zu Grunde zu legen. Die Präsumtion für die Ehelichkeit eines nach der Scheidung gebornen Kindes kann hierdurch freilich eine unliebsame Erstreckung erhalten.

2) L. R. II, 1 §. 770. Bei einem durch einen nothwendigen Eid bedingten Scheidungsurtheil ist nicht die Purifikatoria, sondern das Scheidungsurtheil auf Ver­ langen des unschuldigen Theils in gleicher Weise als Basis zu nehmen, Striethorst Bd. 84 S. 39. 3) L- R. II, 1 §. 738 ff. Die Frage, ob die geschiedne Frau durch unkeusches Leben das Recht verliere, den Namen und Stand ihres frühern Ehemannes sortzuführen, ist auch gemeinrechtlich bestritten. Vgl. hiergegen Kämmerer Archiv f. civil. Archiv Pr. Bd. 18 S. 88.

4) §. 35 des Reichsgesetzes vom 6. Februar erneuerte Ehen nicht anzuwenden sein. 5) Striethorst Archiv Bd. 84 S. 39.

1875 würde jedoch aus der Art

Auslösung der Ehe.

62

treffen, falls das System der Gütertrennung unter den Ehegatten galt, wie

auch dann, wenn allgemeine Gütergemeinschaft bestand und Absonderung der Vermögen Seitens des unschuldigen Theils gewählt wurde.6 7

Es verlor

Zum Vorbild dienten die römischen Ehescheidungsstrafen.

hiernach der schuldige Ehegatte seine dos beziehentlich die propter nuptias donatio an den andern Theil und in Ermanglung solcher Zuwendungen den

vierten Theil seines Vermögens bis zu hundert Pfund Gold. und

in gewissen andern schweren Fällen

erhöht.

Bei Ehebruch

wurde die Strafe um ein Drittel

Der schuldige Theil erwarb jedoch, wenn Kinder aus der Ehe vor­

handen waren,

nur den Nießbrauch,

das Eigenthum fiel an die Kinder.^

Das preußische Recht behandelt die Ehescheidungsstrafen übereinstimmend mit

der Auffaffung mancher älterer Schriftsteller von dem Gesichtspunkt aus, daß der schuldige Ehegatte verpflichtet sei, den Unschuldigen wegen des Verlustes

der künftigen Erbfolge abzufinden. schuldige Ehegatte

am Tage

Es wird daher angenommen,

des Scheidungsurtheils

verstorben

sei.

daß der

Das

Einzelne ist Folgendes. a) Der unschuldige Ehegatte kann eine Kapitalabfindung fordern. 8 9 Die­

selbe beträgt ein Viertel des Vermögens des schuldigen Theils, wenn die Ehe wegen grober, ein Sechstel wenn sie wegen leichterer Verschuldung getrennt ist?

Hatten die Ehegatten auf den Todesfall Erbverträge geschlossen, so kann

der Unschuldige das solchergestalt Zugedachte, wie wenn der Geschiedne gestor­ ben wäre, wählen, jedoch nicht

mehr als die Hälfte der Substanz oder des

Nießbrauchs des Vermögens des Schuldigen fordern.

Sind aber Kinder aus

der Ehe vorhanden, so muß sich der Unschuldige mit dem Geringeren begnü­ gen, sei nun dies die bedungne oder die gesetzliche Quote.10 11 Das Vermögen des schuldigen Theils wird nach dem Tage der Rechts­ kraft des Scheidungsurtheils berechnet. gerichtlichen Taxe."

Die Schätzung geschieht nach einer

Der unschuldige Theil hat kein Recht, den Verkauf der

Vermögensobjekte des Schllldigen zu fordern.

des schuldigen Theils

nicht unterliegt,

Was

z. B. Lehn,

der

freien Verfügung

Familienfideikommisse,

6) L. R. II, 1 §§. 783. 811 ff., insbesondre §. 814. Der Antrag der geschiednen Frau auf Abfindung oder auch Verpflegung ist im Fall der allgemeinen Güter­ gemeinschaft durch die vorgängige Absonderung des eingebrachten Vermögens bedingt. Striethorst Archiv Bd. 2 S. 289. 7) 1. 8 §/4 und §. 5, 1. 11 C. de repudiis 5, 17. nov. 22 cap. 15 und 16. nov. 117 cap. 8 u. 9, vgl. Glück Bd. 27 S. 1 ff., Windscheid Pandekten Bd. 2 §. 510. 8) L. R. II, 1 §. 783. 9) L. R. II, 2 §§. 785. 786. Ueber die schweren Vergehungen vgl. §. 748 des Tit. siche oben S. 60. 10) L. R. II, 1 §. 792 ff. 11) L. R. II, 1 §. 788 ff.

§. 20.

Wirkungen der Gcherdung.

63

ebenso mit einem Nachfideikommiß belastete Zuwendungen ist nicht in Betracht zu ziehen.12 nicht

Auch

in Rechnung

der Kapitalwerth der Einkünfte

zu

da

setzen,

die

Fiktion

solcher Vermögen ist

maßgebend

Schuldige am Tage des Scheidungsurtheils verstorben

ist,

daß

der

eben deshalb

sei,13

können künftig verfallende lebenslängliche Renten, wie Gehalt und Pensions­

Bedingte Forderungen sind dagegen

ansprüche, nicht berücksichtigt werden.14

einzurechnen, da sie auch ein Nachlaßaktivum ausmachen würden.

Abzuziehen

sind die Passiva des Vermögens, also nicht bloß fällige, sondern auch betagte

und bedingte Schulden.

Nach der Insinuation der Scheidungsklage entstandne

Schulden sollen nicht abgezogen werden;

dies

kann sich

aber nur auf will­

kürliche, nicht aber auf gesetzliche und nothwendige Schulden beziehen.

Der Anspruch auf Abfindung ist ein persönlicher.

Er besteht nur

in

einem Recht auf Leistung einer der bezüglichen Quote entsprechenden Summe. Die Abfindung ist mit dem Tage des Scheidungsurtheils fällig; sie ist daher

von jetzt an zu vetzinsen,

auch wenn

der Betrag erst künftig gerichtlich fest­

gesetzt wird.15 Der Anspruch ist aktiv unoererblich; er geht jedoch auf die Erben des

unschuldigen Theils dann über,

bei

dessen Lebzeiten

gefällt

und

wenn das Erkenntniß über die Abfindung erst nach dessen Tode

rechtskräftig wurde.

Passiv wird der Anspruch erst in Folge des rechtskräftigen Scheidungsurtheils

vererblich.

Während des Ehescheidungsprocesses kann der schuldige Theil die

dem Unschuldigen durch Gesetz oder Vertrag

zukommenden Erbberechtigungen

nicht schmälern. 16 b) Statt der

Abfindung kann

die

unschuldige

Frau

lebenslänglichen

standesmäßigen Unterhalt fordern-17 Hierbei ist das Einkommen des Mannes zur Zeit der Scheidung maß­ gebend,

auch

wenn es

Einkünfte der Frau aus

nicht aus Vermögen desselben stammt. dem

mögen werdeil aufgerechnet,

nen Vermögen.

Die

eignen

von ihr zurückgenommnen eingebrachten Ver­ nicht aber Einkommen aus etwaigem vorbehalt-

Spätere Verbesserungen des Einkommens des Mannes geben

keinen Anspruch auf Vermehrung der Verpflegung, wohl aber im Bedürfniß­ fall auf Sicherstellung.

Verschlechterung des Einkommens des Mannes wird

12) L. R. II, 1 §. 787. 13) Striethorst Archiv Bd. 68 S. 94. 14) L. R. II, 1 §. 790. 15) Striethorst Bd. 42 S. 99 auf Grund von L. R. I, 16 §. 67. Der Um­ stand, daß der Betrag der Schuld noch illiquid ist, hindert an sich den Verzug nicht. Anders freilich Koch zu §. 784, Förster Bd. 3 §. 215 not. 25.

16) L. R. II, 1 §. 833. 17) L. R. II, 1 §. 798 ff.

64

Die persönliche RechissieÜung der Ehegatten.

umgekehrt gleichfalls nicht berücksichtigt. Die einmal getroffne Wahl ist unab­

änderlich. Ist aber bei dem Tode des Mannes der Nachlaß so gering, daß die Verpflegungsgelder die Hälfte des Ertrags desselben übersteigen, so hat die Frau die Wahl, ob sie sich eine Heruntersetzung der Verpflegungsgelder aus die Hälfte gefallen lassen oder die Abfindung aus dem Vermögen nach dessen Betrag zur Zeit der Scheidung fordern will. Der Mann kann nur dann Verpflegung statt der Abfindung fordern, wenn er sich seinen Unterhalt in Folge von Alter oder Krankheit nicht erwerben kann.18 Wenn eine Ehe wegen Geisteskrankheit getrennt ist oder wegen unver-"

schuldet zugestoßnen Unvermögens zur Leistung der ehelichen Pflicht oder wegen sonstigen körperlichen Gebrechens, so bleibt der andere Theil zur noth­ dürftigen standesgemäßen Verpflegung des Unglücklichen verpflichtet, sofern sie ihm aus dessen eignem Vermögen nicht verschafft werden sonn.19

Fünftes Kapitel.

Die perfönticftc Kechtsstekkuag der (Ehegatten. §.

21.

Allgemeines.

Stellung

nach

Außen.

Das Landrecht bezeichnet den Mann als das Haupt der ehelichen Gesellschaft, dessen Entschluß in gemeinschaftlichen Angelegenheiten den Aus­ schlag gebe,*1 eine vormundschaftliche Stellung wird ihm nicht ausdrücklich zugeschrieben; doch sind die ihm zugeschriebnen Befugnisse und Pflichten historisch, wie dogmatisch auf eine deutschrechtliche Vormundschaft zurück­ zuführen. In Folge dessen erlischt die väterliche Gewalt über die Tochter mit deren Verheirathung,2 es besteht jedoch die Altersvormundschaft über die minderjährige Ehefrau fort3 und es erhält der Vater eine gesetzliche Vor18) L. R. II, 1 §. 809. 19) L. R. II, 1 §§. 759. 760.

1) L. R. II, 1 §. 184. 2) L. R. II, 2 §. 228. Ob das Aufhören der väterlichen Gewalt an die Ein­ willigung des Vaters zur Ehe oder deren Ergänzung durch den Richter gebunden ist, darüber vergl. unten §. 49. 3) Vormundschastsordnung vom 5. Juli 1875 §. 99 Abs. 1. L. R. II, 18 §. 736. Nach älterem deutschen Recht erlosch die Vormundschaft mit der Verheirathung des Mündels. Dies erhielt sich vielfach partikularrechtlich, während die Reichspolizei­ ordnung, wonach die Minderjährigen schlechthin unter Vormundschaft stehen sollten, gemeinrechtlich den entgegengesetzten Grundsatz einbürgerte. Derselbe enspricht auch den realen Verhältnissen der Gegenwart, da die minderjährige Frau des Schutzes ihres Vormunds gegenüber dem Manne bedürftig sein kann. Vgl. Dernburg Vor­ mundschaftsrecht §. 87. Gegen eine Ehefrau kann übrigens ein Antrag auf Inter-

§. 21.

Allgemeines.

Stellung nach Außen.

65

mundschaft über seine minderjährige verheirathete Tochter bis zu deren Groß­ Der Ehemann kann zum Vormund seiner Frau berufen werden

jährigkeit. 4 und

zwar selbst vor andern nach dem Gesetze

vorzüglich Berufnen.^

Im

Fall einer Jnteressenkollision ist dann ein besondrer Pfleger zu bestellen.

Mit der Eheschließung gewinnt die Frau

den Namen des Mannes,6

womit sich die Verbindung der Ehegatten nach außen 7 hin manifestirt.

ferner seinen Stand.

theilt

Auch behält

Trennung der Ehe, für die Regel selbst

Fall

der Wiederverheirathung nimmt

sie Namen

im Fall der Ehescheidung.^

sie den Namen

Sie

und Stand nach der

und

Im

den Stand des

neuen Gatten an.

Ferner

auch

ist

das Domicil des Mannes

zugleich

dasjenige der Frau,3

wenn der Mann es gegen den Willen der Frau verlegt,

wenn sie sich thatsächlich getrennt hat, es sei denn, nung rechtlich befugt war.

auch dann,

daß sie zu dieser Tren­

Dritte haben das Recht des Mannes auf Zusam­

menwohnen mit seiner Frau

respektiren; der Mann

zu

sie, z. B. gegen seine Schwiegereltern

auf

Gestattung

kann

daher

des Zutritts

gegen klagen,

um seine Frau gütlicherweise zurückzuführen.10

Die Ehe begründet Vertretungsrechte

des Ehemanns einerseits und der

Ehefrau andrerseits.

a. fugt

Der Ehemann

und

schuldig,

ist in Folge seiner vormundschaftlichen Stellung be­ die Ehre und das Vermögen seiner Frau

die Person,

gerichtlich und außergerichtlich zu vertheidigen.11

zu Processen

in Sachen der Frau aktiv

jedoch bei solchen Processen, Frau,

ferner

die

und

Er ist daher in der Regel

passiv legitimirt.

Es bedarf

welche das gesetzlich vorbehaltne Vermögen der

zur Substanz

des Eingebrachten gehörigen

Grundstücke,

diktion wegen Geisteskrankheit Nur vom Ehemann gestellt werden, außerdem ist bloß der Staatsanwalt hierzu befugt, Reichscivilproceßordnung §. 595. 4) Vormundschastsordnung vom 5. Juli 1875 §. 11. 5) Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 §. 17 Abs. 3. Nach römischem Recht war der Ehemann zur Führung der Vormundschaft über seine Ehefrau unfähig. 6) L. R- II, 1 §. 192. 7) L. R. II, 1 §. 193, vgl. I. 13 C. de dignitatibus 12, 1. Dies findet in der Regel nicht Anwendung bei Ehen von Personen des hohen Adels mit Uneben­ bürtigen; doch sind in erster Linie die bezüglichen Hausgesetze maßgebend. 8) L. R. II, 1 §. 738, oben S. 61. 9) A. G. O. I, 2 §. 87 ff. Reichscivilproceßordnung §. 17. Aus den Worten „sofern nicht aus immerwährende Trennung von Tisch und Bett erkannt ist" wird man nicht schließen dürfen, daß andre befugte Trennung nicht beachtet wird; vgl. übrigens 1. 22 §. 1, 1. 32 D. ad municipalem et de incolis 50, 1. 10) Das römische Recht gewährte 6a§ int er dictum de uxore exhibenda et ducenda 1. 1 §.5, 1. 2 D. de liberis exhibendis 43, 30; die Zulässigkeit eines analogen Rechtsmittels vertheidigt Altmann, Gruchot Bd. 3 S. 420 bei Gelegenheit eines Falls, in welchem der Ehemann seine willensschwache und für blödsinnig erklärte Frau von deren Verwandten, die sie zu sich genommen hatten, herausforderte. 11) L. R. II, 1 §. 188. Dernburg, Preußisches Privatrecht.

UL

5

Die persönliche Rechtsstellung der Chegatten.

66

Gerechtigkeiten

auf den

und

Namen der Frau

geschriebne Kapitalien betreffen,

oder ihrer Rechtsvorfahren

der Zuziehung beider Eheleute,

sei es als

Kläger oder als Verklagte.12 In Folge

der Reichscivilproceßordnung ist die Ehefrau

auch ihrerseits

nicht bloß wegen ihres Vorbehaltnen Vermögens und

selbständig Pvoceßfähig,

in Bezug auf Statusverhältnisse, sondern auch bezüglich der Substanz ihres

Eingebrachten.13

Der Ehemann hat als Haupt der ehelichen Gemeinschaft und in Folge seiner vormundschaftlichen Gewalt auch

als er die Frau zu vertreten hat.14

die

Proceßkosten

soweit zu tragen,

Diese Pflicht liegt ihm nicht bloß sei­

vielmehr ist das Gericht sowie die obsiegende Par­

ner Frau gegenüber ob,

tei, welche das Recht auf Erstattung der Proceßkosten hat, befugt, die Kosten von ihm einzufordern.15

Der Ehemann ist nicht befugt, die Erstattung der

auf die Substanz des Eingebrachten verwendeten nützlichen und nothwendigen Proceßkosten nach Beendigung des Nießbrauchs von seiner Ehefrau zu fordern?6

Dem Manne

fallen selbst die Kosten der Processe, welche seine Frau

gegen ihn selbst führt,

zur Last.17

Auch die Kosten eines Strafverfahrens

gegen die Frau hat er in der Regel zu tragen, da er die Frau, wenigstens wo es

sich

pflichtung

um geringere Vergehen handelt,

trifft

ihn

aber

nicht

bei

zu vertreten hat.

Verbrechen,

welche

Diese Ver­

eine Ehescheidung

rechtfertigen, togui er an denselben keinen Theil hatte;18 es ist nicht erfor­

dert, daß die Scheidung beantragt tont).19 12) A. G. O. I, 1 §. 19 hat noch Geltung, Mannes hier beschränkt wird.

soweit die Proceßlegitimation des

13) Nach L. R. II, 1 ;§§. 189, 230, A. G. O. I, 1 §. 16 ff. waren Frauen ohne den Beitritt ihrer Männer nicht proceßfähig, abgesehen von ihrem vorbehaltnen Vermögen, doch waren sie zu Klagen gegen ihre Männer selbständig befugt, außer­ dem konnten sie wegen ihres Eingebrachten, im Fall der Mann den Beitritt ver­ weigerte, klagen, wenn sie eine vom Nießbrauch des Mannes unabhängige Kaution stellten, oder auch wurde der Mann zum Beitritt vom Gericht angehalten, wenn er sich aus unerheblichen Gründen weigerte. Es hat nunmehr die Reichscivilproceßordnung §. 51 das umgekehrte Princip aufgestellt, wonach die Proceßfähigkeit einer Frau dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt ist. . 14) L. R. II, 1 §. 187. Dies paßt freilich nicht zur unbeschränkten Proceßfähigkeit der Frau. 15) Striethorst Archiv Bd. 63 S. 195. 16) Das Gegentheil behauptet u. A. Koch zu §. 187. Die Behauptung ist jedoch nicht zutreffend, da nach §. 187 des Tit. die Proceßkosten den Alimenten der Ehe­ frau zugezählt werden, von deren Erstattung nicht die Rede sein kann. So Bornemann Bd. 5 S. 68. Förster Bd. 3 §. 206 S. 517. Ebenso stand es nach gemeinem sächsischen Recht. Die gewöhnlichen Grundsätze des Nießbrauchs, wonach der Mann die Kosten der Processe über die Substanz nur verlegen müßte, dagegen der Frau die Auslage berechnen könnte, sind hiernach nicht anwendbar. 17) Bgl. Hommel obs. vol. V n. 679. 18) L. R. II, 1 §. 191. 19) Der Text des Gesetzes fordert nicht, daß ein Ehescheidungsproceß vorher geführt wurde. Allerdings ergeben die Materialien gegenüber einer Aeußerung von

§. 21.

b.

Stellung nach Außen.

67

Allgemeines.

Die Ehefrau ihrerseits hat die s. g. Schlüsselgewalt? o

Sie vertritt

in Folge derselben den Ehemann durch Bora von Waaren oder Sachen und durch Bestellung von Arbeiten zu gewöhnlichen Haushattungsgeschäften oder

der hiermit gewährten Ermächtigung ist im

Nothdürsten.21 * * 22 * *Der * * 20Umfang

Einzelfall nach der Art und Führung des Haushaltes, dem Stande sowie

oder doch im Publikum allgemein unterstellten Vermögens­

wirklichen

den

verhältnissen erwerben,

des

sofern

den Ehemann, lichen Objekte

frau

zu

Ehemannes

bemessen.

sie

bona

fide

wenn

dieser

der Frau

gegeben hat,

waren,

Geld

welches sie

hat keine gesetzliche Vollmacht

Die

auch

Haushaltungsgläubiger

dann

Forderungen

gegen

zur Anschaffung der bezüg­

anderweit

verthat?^

Die

Ehe­

zur Entnahme von Geld zu Haushal­

tungszwecken. 23 Es ist erfordert, daß die Frau thatsächlich dem Haushalt ihres Man­

nes vorsteht, eine thatsächlich separirte Frau verbindet den Mann — abge­

sehen

von

der

nützlichen Verwendung — nicht.

Der Mann

kann seiner

Frau die Ermächtigung zu Haushaltungsschulden entziehen;2^ die Entziehung

wirkt gegen Dritte, welche von derselben nachweisbar, insbesondre durch spe­ cielle Mittheilung Kenntniß erhielten.

Publikum

nur dann gesichert,

Schlechthin ist der Mann gegen das

wenn er durch richterliche Vermittlung eine

öffentliche Bekanntmachung veranlaßt hat.25

Einer vorgängigen Untersuchung

der Sachlage durch den Richter bedarf es hierbei nicht, also auch nicht nothSuarez „daß er den Mann vor den Kosten freisprechen würde, wenn das Ver­ brechen so beschaffen sei, daß er deshalb auf Scheidung anzutragen berechtigt wäre, auch wenn er sich wirklich nicht scheiden ließe," die Gegenbemerkung „approbatum, wenn er sich wirklich scheiden läßt." Das Gesetz selbst enthält aber hiervon nichts, die Ansicht von Suarez hat also doch schließlich unbedingt obgesiegt; sie erscheint auch als der Natur der Sache entsprechend. Striethorst Archiv Bd. 14 S. 145 ff.

20) L. R. II, 1 §. 321, bezüglich der Gütergemeinschaft vergleiche L. R. II, 1 §. 389, wo im Allegat §. 321 statt §. 322 zu lesen ist. 21) Gruchot Bd. 14 S. 145: Der Ausdruck Nothdürften ist als identisch zu nehmen mit gewöhnlichen standesgemäßen Bedürfnissen. Ein seidnes Kleid für die Ehefrau eines Beamten kann sehr wohl hierher gehören, vgl. aber Gruchot Bd. 15 S. 127. 22) L. R. II, 1 §. 322. Der Mann kann Ersatz aus dem vorbehaltnen Ver­ mögen der Frau, in dessen Ermanglung aus der Substanz des Eingebrachten fordern. 23) L. R. II, 1 §. 321 spricht nur von Borg von „Waaren oder Sachen" im Gegen­ satz zu baarem Geld. Vgl. Bornemann Bd. 5 S. 107. Ueber das Miethen des Gesindes bestehen besondre Vorschriften, siehe oben Bd. 2 §. 196. 24) Gruchot Bd. 19 S. 276. 25) Andrer Ansicht ist Schmidt Familienrecht S. 159 ff. Er nimmt an, daß die Führung der Haushaltung der Frau als ein Recht gebühre, was richtig ist, und folgert hieraus, daß der Mann für die Haushaltungskosten der Frau aufkommen müsse, bis der Vormundschaftsrichter ihr dies Recht aus Gründen abgesprochen habe. Das ist nicht richtig; aus ihrer Stellung als Hausfrau ergiebt sich nicht nothwen­ dig das Recht, für die Haushaltung auf Kosten des Mannes zu borgen, da die Haus­ haltung auch unter Baarzahlung zu führen ist.

Die persönliche Rechtsstellung der Ehegatten.

68

wendigerweise der Anhörung der Frau.26

Soweit etwas in den Nutzen des

Mannes verwendet ist, wird er trotz der Bekanntmachung verpflichtet.27 28 29 Es hat ferner die Frau das Recht der Vertretung ihres Mannes in

Nothfällen.

Sie ist befugt Alles zu thun,

wöhnlichen Vermögensverwaltung

was zu einer ordentlichen ge­

erforderlich ist,

wenn der Aufenthalt des

Mannes unbekannt ist und eine andre Vertretung nicht

besteht;

sie kann

unter Anderm dann auch Forderungen einkassiren, nicht bloß laufende z. B.

aus Miethen, sondern auch angelegte Kapitalien.2^

Das Gleiche findet wegen

solcher Geschäfte statt, bei welchen Gefahr im Verzug ist, falls der Aufent­ halt des Mannes zwar bekannt,

aber so

entfernt ist, daß seine Willens­

meinung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.22 30

Es wird weiter der

Mann auch dann verhaftet, wenn er sich entfernt hat, ohne wegen des Unter­

halts seiner Frau oder des Betriebs seines Gewerbes hinreichende Verfügun­ gen zu treffen, falls die Frau zu solchem Behuf Schulden nuu^t.31 §. 22.

Handlungsfähigkeit der Ehefrauen.1

Nach dem römisch-justinianischen Recht waren Ehefrauen handlungsfähig, wie unverheirathete Weiber, so daß sie selbständig über ihr Vermögen ver­

fügten.

Dies ist in das gemeine Recht übergegangen und gilt unter Anderm

auch in der Mark Brandenburg.

nicht willkürlich

Natürlich kann aber die Ehefrau hierdurch

die ihrem Manne durch das eheliche Güterrecht an ihrem

Vermögen erworbnen Befugnisse schmälern.

Hat der Ehemann also, wie in

der Mark Brandenburg angenommen wird, Nießbrauch und Verwaltung an

dem gesammten Vermögen seiner Frau, so können die von ihr einseitig über­ nommenen Verpflichtungen erst nach Auflösung

der Ehe gegen sie vollstreckt

werden.2 3

26) Dem Vormundschaftsrichter wird die Bekanntmachung obliegen. 27) Bornemann Bd. 5 S. 107. 28) L. R. II, 1 §. 202. Bornemann Bd. 5 S. 72 hebt mit Recht hervor, daß es genügen müsse, wenn der Aufenthalt des Mannes dem Dritten ohne seine culpa unbekannt, der Letztere sich also bona fide mit der Frau eingelassen hat. Vgl. über die historischen Zusammenhänge Entsch. des O. Trib. Bd. 50 S. 283 ff. 29) L. R. II, 1 §. 203. 30) Andere Fälle der Verhinderung, z. B. schwere Krankheit des Mannes stehen natürlich gleich. 31) L. R. II, 1 §. 326. 1) L. R. II, 1 §. 318 ff. Ueber das Brandenburgische Provincialrecht vgl. Korn in Behrend's Zeitschrift Bd. 7 S. 372 ff. S. 601 ff. 2) Für die Märkische Ehefrau wurde die selbständige Verpflichtungsfähigkeit anerkannt durch ein mittels Hofreskript vom 21. Januar 1781 bestätigtes Gutachten des Obertribunals. Bei Striethorst Archiv Bd. 13 S. 140 ff. wird die Verpflichtungs­ fähigkeit aber wenig folgerecht nur auf persönliche Verbindlichkeiten, nicht auf Veräußerungsgefchäfte über die Jllaten bezogen.

§. 22.

Handlungsfähigkeit der Ehefrauen.

Das Landrecht nimmt einen andern Standpunkt ein,

des Systems der Gütertrennung,

auch

sowohl im Fall

von dem wir zunächst im Folgenden aus­

gehen, als auch der Gütergemeinschaft. erwerben,

69

Die Ehefrauen können zwar Rechte

konservatorische Maßregeln

ergreifen,

durch

Rechtsgeschäfte

verpflichten können sie sich aber nur mit Genehmigung ihres Mannes.

bei war zunächst das Interesse des Mannes

gebrachten

maßgebend',

an

Hier­

der Erhaltung ihres Ein­

aber gewiß wirkte der Gedanke mit,

daß es

nicht

zweckmäßig erscheint, die Rechtsgültigkeit von Verbindlichkeiten anzuerkennen, die erst in einer ungewissen, mehr oder weniger entfernten Zukunft vollstreckt

werden sönnen.3 4

Da Ehefrauen

zur Erwerbung von Rechten fähig und nur ihre Ver­

pflichtungen von der Genehmigung des Ehemannes abhängig sind, so haben ihre zweiseitigen Verträge den Kharakter von hinkenden Verträgen.

Wer mit

einer Ehefrau kontrahirt hat, kann von dem Vertrage nicht eher zurücktreten,

bis der Ehemann oder sein gesetzlicher Vertreter sich darüber erklärt oder die ihm zur Erklärung gestellte Frist hat verstreichen lassen.5

Für die Einwilligung des Mannes wird Schriftlichkeit oder ausdrückliche Erklärung nicht erfordert;

wissentliches Geschehenlassen genügt.6

Die Ein­

willigung kann generell zum Betrieb eines Gewerbes erfolgen und ermächtigt

dann zu allen durch denselben bedingten Verpflichtungen.7 Die Konsensschulden

verbinden die Ehefrau persönlich.8

biger können sich daher während

Die Gläu­

der Ehe an die Substanz des Vermögens

3) Korn a. a. O. S. 602 nimmt an, daß nach Märkischem Recht Gläubiger einer Frau wegen der Schulden, welche sie während der Ehe ohne Zustimmung des Mannes machte, eine Eintragung auf deren Grundstücke dahin erlangen könnten, daß sie ihnen wegen ihrer Ansprüche für den Fall des Erlöschens des maritalischen Nieß­ brauchs - und Verwaltungsrechts des Mannes verhaftet seien.

4) Die chursächsische Jurisprudenz gab das Vorbild, da sie die Rechtshandlun­ gen unverheiratheter Frauen von dem Beitritt ihres Kurators, die der Ehefrauen von dem Beitritt ihrer Männer abhängig machte, Haubold Lehrbuch des sächfischen Privatrechts §. 70. Die Verpflichtungsunfähigkeit der Ehefrauen ist in das sächsische Civilgesetzbuch übergegangen §. 1638 ff. Nach älterm Sachsenrecht war die Ehefrau verpflichtungsfähig. 5) Arg. L. R. I, 5 §. 13. 6) Plenarbeschluß des O. Trib. vom 1. März 1847, Präj. n. 1842. Bei Han­ delsgeschäften ist die Formlosigkeit der Einwilligung in Folge des Art. 317 des H.G.B. außer Frage. Entsch. des R. O. H. G. Bd. 2 S. 97. 7) L. R. II, 1 §. 335.

Handelsgesetzbuch Art. 7. 8.

8) Aus §.320 des Titels, wonach die von der Frau ohne Bewilligung des Mannes gemachten Schulden nichtig sind, ergiebt sich, daß mit Bewilligung des Man­ nes eingegangne Verpflichtungen für die Frau verbindend sind. Wenn nach §. 329 d. Titels der Mann für solche Schulden verhaftet wird, so steht dies nicht in Wider­ spruch, vielmehr erwächst hieraus dem Gläubiger ein weiteres Recht; eS kann Jedes der Eheleute in Anspruch genommen werden. Dies ergiebt sich auch daraus, daß der Mann nach §. 330 des Titels die Selbsthaftung ablehnen kann, vgl. Archiv für

Die persönliche Rechtsstellung der Ehegatten.

70

Frau,

der

des

eingebrachten wie des Vorbehaltnen,

besondern Bestimmung des preußischen Rechts

Nach einer

halten.9

wird aber

auch der Ehemann

aus Geschäften seiner Frau, in die er willigte, seien dies Geldschulden oder Verpflichtungen andrer Art, z. B. aus Verkäufen verhaftet,1011 wenn er diese Verhaftung bei Ertheilung der Genehmigung nicht durch besondre Verwahrung Treibt die Frau unter Genehmigung ihres Mannes ein eignes

ablehnt.12

welches seiner Natur nach Kredit erfordert,

Gewerbe,

dann

nicht

verbunden,

wenn sich

die

Frau

so wird

der .Mann

die Einkünfte des Erwerbs­

geschäfts besonders vorbehielt.13 Die Konsensschulden sind materiell der Regel nach Schulden der Frau;

der Mann, welcher nach außen hin einsteht, kann daher, falls er in Anspruch

genommen wird, seinen Rückgriff gegen seine Frau nehmen.14 Soweit eine Schuld wegen Mangel der Einwilligung des Mannes un­

gültig

ist,

kann der Gläubiger von der Frau fordern,

was

von

den

ihr

gegebnen Sachen noch vorhanden oder was in ihrem Nutzen verwendet ist15

Ihr

vorbehaltnes Vermögen

vermag die Frau

auch ohne Bewilligung

des Mannes mit Schulden zu belasten;16 erforderlich ist aber, daß die Ver­

haftung

des vorbehaltnen Vermögens

besonders vereinbart wurde.

den nur verfolgt werden,

oder

einzelner Bestandtheile

desselben

Während der Ehe können unkonsentirte Schul­ soweit dieselben

durch Verpfändung auf einzelne

Rechtsfälle Bd. 4 S. 120, ferner Johow Jahrbuch Bd. 2 S. 169. Es versteht sich jedoch von selbst, daß Haushaltungsschulden, welche die Frau eingeht und die den Mann belasten, nicht dadurch zu Konsensschulden der Frau werden, daß ihre Ein­ gehung mit specieller Bewilligung des Mannes geschah. Dieser Fall lag vor Entsch. des O. Trib. Bd. 79 S. 25 ff., Striethorst Bd. 97 S. 106, die Motivirung spricht sich freilich gegen den von uns vertheidigten Satz allgemein aus.

9)

Handelsgesetzbuch Art. 8 Abs. 2.

10) L. R. II, 1 §.329, Präj. des O. Trib. 2360% Entsch. Bd. 22 S. 348, Striethorst Archiv Bd- 78 S. 132. Es bezieht sich dies auch auf Wechselschulden der Frau, es haftet aber der Mann aus seiner Genehmigung nicht wechselmäßig. Siehe auch R.O.H. G. Bd. 19 S. 206. 11) Ob diese Bestimmung zu den suspendirten gehöre, oder ob sie auch in der Mark gelte, ist bestritten. Das Obertribunal hat in verschiednem Sinne entschieden. Die überwiegende Meinung der Schriftsteller spricht sich dahin aus, daß hier neues dem frühern entgegenstehendes Recht vorliege, vgl. Korn in Behrendts Zeitschrift Bd. 7 S. 605. 12)

L. R. II, 1 §. 330.

13) L. R. II, 1 §. 337. Das Einführungsgesetz vom 24. Juni 1861 zum deutschen Handelsgesetzbuch Art. 19 hat den §. 337 ausdrücklich in Kraft erhalten. 14) Was die Frau mit dem Ertrag eines konsentirten Darlehns anschafft, wird ihr Eigenthum, Striethorst Archiv Bd. 46 S. 166.

15)

L. R. II, 1 §. 334.

16)

L. R. II, 1 §. 318.

Gegenseitige Rechte und Pflichten.

§. 23.

71

vorbehaltne Objekte radicirt finb,17 18nach Auflösung der Ehe sind solche

Schulden soweit beitreibbar, als das zur Zeit der Trennung noch vorhandne Vermögen zureicht^^ Das Gesetz hat keine Vorsorge über die Ergänzuilg

der Einwilligung

getroffen, wenn sie der Ehemann ungerechtfertigterweise verweigert.

Im Ehe­

scheidungsproceß kann aber wohl der Richter mittels des Interimistikums der Frau die selbständige Führung ihres Geschäfts verstatten.

Hat sich der Mann

entfernt, ohne wegen des Unterhalts seiner Familie oder des Betriebs seines Gewerbes hinreichende Verfügung zu treffen, so ist die Frau befugt, zu solchem Behuf persönliche Schulden aufzunehmen.19 20 Durch Delikte,9 9

wie auch in Folge nützlicher Verwendung21 wird

die Frau auch während der Ehe obligirt. §. 23.

Gegenseitige Rechte und Pflichten.

Eine scharfe Trennung dessen, was die Ehegatten sich rechtlich schulden

und was nur moralische Pflicht ist,

läßt sich im Eherecht nicht durchführen

itnb lag insbesondre der Sinnesweise der Landrechtsverfasser fern.

Die Sitt­

und ungetheilte Hingebung der Ehegatten,

Leben und

lichkeit fordert

volle

sociale Sitte begrenzt, Durchschnittsmaß,

was

beidseitig geleistet zu werden pflegt,

das Recht kann nur

die groben

Verfehlungen

auf ein treffen.

Wo aber Konfliktsfälle zur rechtlichen Verhandlung kommen, ist doch wieder das Gesammtverhalten der Ehegatten in Betracht zu ziehen.

Einzelne vor­

zugsweise der Rechtssphäre angehörige Verpflichtungen sind folgende: 1.

Die Ehegatten sind verbunden,

zusammen ehelich zu leben,

ins­

besondre hat der Mann zu diesem Zweck seine Frau in seine Wohnung auf­ zunehmen , die Frau ihm zu folgen.1

Zeitweilige Entfernung aus Gründen

steht hiermit nicht in Widerspruch; in bestimmten Ausnahmsfällen ist dauernde

Trennung gestattet.

17) L. R. II, 1 §. 319. Es gilt dies auch für Wechselverbindlichkeiten, anders Entsch. des O. Trib. Bd. 57 S. 339. Striethorst Archiv Bd. 64 S. 321. 18) L. R- II, 1 §. 619. 19) Es geht dies zwar nicht direkt aus dem hierfür angezognen §. 326 des Ti­ tels hervor. Wohl aber spricht hiefür ein dringendes Bedürfniß und eine Analogie läßt sich aus §. 326 wohl entnehmen. Das Obertribunal hat sich zweckmäßigerweise bei Striethorst Archiv Bd. 76 S. 193 hiefür ausgesprochen, weil man die Frau kre­ ditlos machen würde, wenn die mit ihr Kontrahirenden nur Ansprüche an ihren Mann, der sie verlassen hat, erlangen könnten. 20) Striethorst Archiv Bd. 46 S. 133 ff.

21) L. R. II, 1 §. 324. 1) L. R. II, 1 §. 175, vgl. oben S. 51 ff.

72

Die persönliche Rechtsstellung der Ehegatten. Direkter Zwang zur Herstellung des ehelichen Lebens findet nach jetzigem

preußischem Recht nicht mehr statt.2 Verklagter schuldig ist,

Klage und Verurteilung dahin,

mit dem Kläger ein eheliches Leben

zu führen,

daß ist

jedoch nicht schlechthin unstatthaft in dem Sinne, daß an die Zuwiderhand­

lung

andre Rechtsfolgen,

z. B.

Gewährung von

Geldalimenten,

geknüpft

werden. 3 4 Dem Ehemann liegt unter Anderm ob, auch die noch zu verpflegenden

und zu erziehenden Kinder

einer

von ihm geehlichten Wittwe aufzunehmen,

da eine Trennung seiner Frau von solchen Kindern nicht zu fordern ist? 5 6

Nach Maßgabe seiner

2.

Mittel

und seines Erwerbs hat der Mann

seiner Frau standesmäßigen Unterhalt zu gewähren und kann hierzu klagweise

angehalten werden?

in Betracht.

Ob das Eingebrachte der Frau ausreicht, kommt nicht

Der Mann kann auch nicht fordern,

daß die Frau sich aus

ihrem vorbehaltnen Vermögen zunächst ernähre, wenn dies nicht ausbedungen war.

Der Unterhalt hat zu Hause in der gemeinschaftlichen Wirthschaft zu

geschehen.

Alimente außer dem Hause kann die Frau verlangen,

wenn

sie

das Recht hat, getrennt zu leben oder wenn sie vom Manne nicht ausgenom­ men wird.7 8 Die Frau hat richtiger Ansicht nach die gleiche Pflicht gegen ihren Mann in Nothfällen, z. B. bei Krankheit ^des Mannes oder auch, falls er unver­

schuldeter Weise ohne Arbeit und Verdienst ist;9 dagegen ist sie, auch wenn

sie ausreichendes vorbehaltnes Vermögen hat, nicht verpflichtet, ihrem Manne

2) Dies hat das Justizministerium im Reskript vom 6. October 1820 ausge­ sprochen. Auch stimmen die Gesetzrevisoren Pensum XV, Motive S. 313, Borne­ mann Bd. 5 S. 189, Koch zu L. R. §. 685, Förster Bd. 3 §. 212 not. 17 hiermit hiermit überein. Die R. C. P. O. §. 774 Abs. 2 läßt Zwang im Fall der Verurtheilung zur Herstellung des ehelichen Lebens nur zu, wenn ihn die Landesgesetze für zulässig erklären. 3) Striethorst Archiv Bd. 27 S. 273 ff. 4) Striethorst Archiv Bd. 6 S. 237. 5) Die Bestimmungen von L. R. II, 1 §. 178 ff. haben heutzutage nur recht­ liche Bedeutung für die Frage des Rechts zur Scheidung. Die ältere Auffassung war eine andere, vgl. Curtius sächsisches Civilrecht I, §. 147. 6) L. R. II, 1 §. 185 ff. Das römische Recht kannte eine klagbare Verpflich­ tung zum Unterhalt der Frau nicht an, vgl. L 13 C. de neg. gest. 2, 19, wohl aber geschah dies gemeinrechtlich, Leyser vol. V spec. 301 med. 1. 7) Vgl. Striethorst Bd. 77 S. 209, Gruchot Bd. 15 S. 130 ff., Bd. 17 S. 856. 8) Dies auch, wenn die Frau in Haft ist, sei es zur Sicherung von Privat­ ansprüchen, sei es im Untersuchungsarrest, vgl. Koch zu L. R. II, 1 §. 185. 9) So auch L. R. II, 1 §§. 174 ff. 262. Das O. Trib. Entsch. Bd. 59 S. 220, Striethorst Bd. 90 S. 203. Anders bei Johow Jahrbuch Bd. 3 S. 223. Für die Alimentationspflicht der Frau ist auch das märkische Provincialrecht, Scholtz und Hermensdorff Bd. 2 S. 15, wie die gemeinrechtliche Theorie, vgl. z. B. Glück Bd. 24 S. 392 mit Beziehung auf die allerdings nur die Dos betreffende 1. 29 C. de jure dotium 5, 12.

§. 24.

Gütertrennung.

zu geben,

standesmäßigen Unterhalt verdient.10 11

Die Grundlagen.

wenn

er willkürlicherweise

73

nichts

3. Die Frau ist Gehülfin des Mannes. Sie hat seinem Hauswesen vorzustehen und ihn soweit thunlich in seinem Gewerbe zu unterstützen." Ein besondres Gewerbe oder einen Dienst außer dem Hause darf sie nur mit. Zustimmung des Mannes versehen. Diese Genehmigung muß nicht ausdrücklich oder schriftlich sein. Sie kann jederzeit zurückgezogen werden.12 Der Mangel der Zustimmung des Mannes zu einem selbständigen Berufe, den die Frau ergreift, rechtfertigt ein Einschreiten von Amtswegen, ins­ besondre durch die Polizei gegen die Frau nicht. Es handelt sich hierbei nur um eine zwischen den Eheleuten zu erledigende Frage. Doch kann nach einer besondern Bestimmung des Handelsgesetzbuchs die Ehefrau ohne Einwilligung ihres Ehemannes nicht Handelsfrau sein, kann also ohne dieselbe die Rechte und Pflichten eines Kaufmanns nicht gewinnen.13

Sechstes Kapitel. Das eheliche Güterrecklt.

A. Gütertrennung. §. 24. Die Grundlagen.

Das System der Gütertrennung und des ehemännlichen Nießbrauchs am Frauengut bildet das gemeine preußische Recht, so daß es eintritt, soweit es nicht in Folge partikularer Normen oder durch Vereinbarung ausgeschlos­ sen ist. Jedoch ist das eheliche Güterrecht im Herrschaftsgebiet des Landrechts ein buntes theils in Folge der Erhaltung älterer lokaler Rechte, theils weil in mehreren Provinzen ihrem frühern Rechtszustande entsprechend allgemeine Gütergemeinschaft durch Provincialgesetze in Geltung gesetzt wurdet Das 10) Vgl. L. R. II, 1 §. 809, wo Suarez mit Recht als Regel ausspricht, „der Mann muß die Frau ernähren, nicht die Frau den Mann."

11) L. R. II, 1 §. 194,

1. 48 pr.

D. de operis libert. 38, 1.

12) L. R. II, 1 §. 195, Striethorst Archiv Bd. 15 S. 207. 13) Handelsgesetzbuch Art. 7 ff. Die juristische Tragweite der Bestimmung ist keineswegs unbestritten. Selbstverständlich können die Geschäfte einer solchen Frau Handelsgeschäfte bilden, sofern sie auch bei Frauen, die Nichtkaufleute sind, Handels­ geschäfte wären. Ob aber auch Art. 273 und Art. 274 anzuwenden sind, ist proble­ matisch; dafür Hahn zu Art. 276 des Handelsgesetzbuchs, dagegen aber, mehr dem Gesetz entsprechend, Goldschmidt Handelsrecht Bd. 1 S. 450 Anrn. 4. 1) Das in Preußen thatsächlich geltende eheliche Güterrecht ist auf Grund amt­ licher Berichte statistisch zusammengestellt durch Neubauer im Justizministerialblatt von 1879 S. 32 ff. S. 43. Für die Details wird auf diesen Aufsatz verwiesen.

74

Das eheliche Güterrecht.

landrechtliche System der Gütertrennung ist vorzugsweise herrschend in Sachsen und Schlesien;^ in der Mark Brandenburg besteht ein ähnliches durch Pro-

vincialrecht bestimmtes,

aus deutschem Recht beruhendes System der Güter­

Die allgemeine Gütergemeinschaft hat ihr Gebiet in Ostpreußen,

trennung?

in Westpreußen/

in Posen,52 3 in 4 vielen Distrikten

von Pommern,6

im

größern Theil von Westphalen, wo durch das Gesetz vom 16. April 1860 die landrechtliche Gütergemeinschaft in modificirter Gestalt eingeführt wurde.

Das landrechtliche System ältern sächsischen Recht.

der

Gütertrennung hat

seine Wurzel

im

Nach dem Rechte des Sachsenspiegels hatte der

Ehemann als Herr des Hauses und als Vormund das Vermögen der Frau ungetrennt mit dem seinigen in der Gewere7 und gewann an demselben freie

Veräußerung.

Doch band man die Veräußerung von Grundstücken der Frau,

abgesehen von Fällen ächter Noth, wenigstens später an die Zustimmung der Frau.8

Bei Auflösung

der Ehe durch den Tod nahm die Frau oder ihre

Erben ihre Immobilien zurück, statt ihres Mobiliarvermögens, welches beim

Manne oder seinen Erben blieb, erhielten sie einen Anspruch auf die Grade,

d. h. bestimmte zum persönlichen Gebrauch der Frau und zum Haushalt die­ nende Objekte, soweit sie bei Auslösung der Ehe in der gemeinsamen Wirth­

schaft vorhanden waren.9

Seit der Reception des römischen Rechts

wurde

das sächsische eheliche

Güterrecht einer romanistischen Konstruktion unterworfen, indem man fortan das Recht des Mannes als Nießbrauch auffaßte, der Frau aber das Eigen­ thum an ihrem Eingebrachten zuschrieb.10 2) Das

Hiermit folgte man dem in dem

getrennte Güterrecht des preußischen Landrechts

gilt in Schlesien in

Folge des Gesetzes vom 11. Juli 1845. 3) Scholtz und Hermensdorff Provincialrecht der Kurmark Brandenburg Bd. 2 S. 15 ff.

4) Ostpreußisches Provincialrecht vom 4. August 1801 Zusatz 92 und Zusatz 96, Provincialrecht für Westpreußen vom 19. April 1844 §. 17, Gesetz vom 16. Fe­ bruar 1857. 5) Patent vom 9. November 1816 §. 12.

6) Ueberwiegend gilt Gütergemeinschaft nach der Pommerschen Bauerordnung vom 30. December 1764 n. c. c. III, p. 531 ff.; mehrfach ist lübisches Recht in Kraft, in manchen Distrikten aber auch getrenntes Güterrecht.

7) Sachsenspiegel I, 31 §§. 1 und 2. Das sächsische eheliche Güterrecht des Mittelalters ist in den Werken von v. Martitz, das eheliche Güterrecht des Sachsen­ spiegels und der verwandten Rechtsquellen 1867, Agrikola die Gewere zu rechter Vor­ mundschaft, 1869, und in Schröders Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Zcheil 2 Abth. 3 1874 in umfassender Weise dargestellt. 8) So wenigstens nach dem sächsischen Recht seit dem späteren Mittelalter. VglMartitz das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels S. 142 ff. 9) Sachsenspiegel III, 76 §. 2, Martitz a. a. O. S. 91 ff., Schröder a. a. O. S. 4 ff. 10) Vergleiche die Dissertation von Jaeger de origine ususfructus maritalis, Halle 1872, der wir Folgendes entnehmen. Zuerst tritt uns die neue Konstruktion

allgemeinen Jdeenkreise der Zeit wurzelnden Zuge,

zugleich aber erweiterte

man, was nicht übersehen werden darf, die Rechte der Frau erheblich, ins­

besondre bezüglich

der Rückforderung ihres Eingebrachten

nach Auflösung

der Ehe. Der ehemännliche Nießbrauch,

welchen die sächsischen Juristen hiernach

ausbildeten und das preußische Landrecht übernahm,11 * * *ist * * *immerhin **** verschie­ den von dem gewöhnlichen Nießbrauch. gehende und erstrecken sich für

Die Rechte des Mannes sind weiter­

die Regel auch aus die Verfügung über die

Substanz des Frauengutes; andrerseits sind erhebliche Pflichten an sie gebun­ den, da die Nutzung des Eingebrachten für die Anforderungen der Ehe zu

verwenden ist, also zur Bestreitung der Lasten des gemeinsamen Haushalts und des Familienlebens.12

Das System des ehemännlichen Nießbrauchs nimmt der Frau Antheil an dem Ertrag ihres Vermögens während der Ehe.

jeden

Die Errungen­

schaft ferner, welche durch die gemeinsame Thätigkeit der Ehegatten erworben

wird, fällt nicht ihr,

sondern ausschließlich dem Manne zu, im Gegensatz

zilm System der allgemeinen Gütergemeinschaft,

bei welcher die Frau am

Erwerb und Gewinn während der Ehe betheiligt ist.

Dagegen bietet das

System des ehemännlichen Nießbrauchs der Frau eine größere Garantie als die Gütergemeinschaft für die Erhaltung ihres

Vermögens;

neuere Gesetzgebung die besondren Mittel der Sicherheit,

nur hat die

welche früher der

Frau gewährt wurden, theils abgeschwächt, theils beseitigt.

Viel weiter als nach dem System des ehemännlichen Nießbrauchs war

die Gütertrennung

im römisch-justinianischen

Rechte durchgeführt.

Denn

entgegen bei Sachs, gest. 1554, in den differentiae juris civilis et Saxonici I, 6, jure Saxonico maritus et uxor omnia bona promiscue et aequaliter possident, habetque maritus usumfructum omnium bonorum uxoris suae: dann sprach auch Wesenb eck Paratitla ad Fand. XXIII, 3, 11 aus „jure Saxonico parapherna sunt in usufructu mariti.“ Es blieb diese Auffassung seitdem Gemeingut der säch­ sischen Jurisprudenz. Unrichtig ist die Ansicht, daß man in Sachsen das römische Dotalrecht recipirt und umgebildet habe, wie dies u. A. Korn a. a. O. S. 359 ff. aussührt. Allerdings unterschied man Dotalvermögen und Paraphernalvermögen. Diese Unterscheidung schloß sich aber nur an pars I, const. 28 der Konstitutionen von 1572, wonach das eingebrachte Gut der Ehefrau vor ältern Gläubigern, die keine ausdrückliche Verpfändung für sich hatten, die Priorität haben sollte. Man bezog dies einschränkend auf das Dotalgut, worunter man verstand „das bei Beginn der Ehe Eingebrachte" im Gegensatz zu dem Paraphernalgut, d. h. dem im Laufe der Ehe Zugebrachten. 11) L. R. II, 1 §. 232 schreibt dem Manne die Rechte eines Nießbrauchers zu, vergleiche aber L. R. II, 1 §.205, ferner §. 247. — Das Projekt des corp. jur. Frid. p. I, lib. 2 tit. 4 hatte dem Manne gleichfalls Administration und Nießbrauch an den Paraphernalien der Frau zugestanden; eine eigentliche dos, an welcher der Mann dominium civile (§. 65) habe, sollte nur „bei ausdrücklicher Konstituirung als Brautschatz" angenommen werden. 12) Striethorst Archiv Bd. 80 S. 280.

Das eheliche Güterrecht.

76

hiernach blieb das Vermögen der Ehefrau grundsätzlich nicht bloß in ihrem

Eigenthum, sondern auch in ihrer Verwaltung und ihrem Genuß, und die Uebertragung der Verwaltung ihres Vermögens — der s. g. Paraphernen Nur an der

— auf den Mann, machte diesen zum bloßen Mandatar. ihm bestellten dos hatte er für die Dauer der

Ob dies römisch-justinianische System als gemei­

Verwaltung und Genuß.

nes deutsches Recht aufzufassen sei,

nahmen an,

daß nach

Ehe Eigenthum und damit

ist bestritten.

gemeiner Gewohnheit

Viele ältere Praktiker

der Ehemann im Zweifel an

den Paraphernen der Frau Nießbrauch und Verwaltung habe.13 erachtet den

Obertribunal

ehemännlichen

Nießbrauch

Deutschlands, welches in der Regel anzuwenden sei,

gewiesen sei,

als

Auch das

gemeines

Recht

so lange nicht nach­

daß die Grundsätze des reinen römischen Rechts bezüglich des

Paraphernalvermögens der Frau lokale Geltung hätten.14

§. 25.

Umfang des Vermögens der Frau.

Das System der Gütertrennung bedingt zwei Hauptfragen, nämlich: was gehört von dem in den Händen der Ehegatten befindlichen Vermögen

dem Manne, und was der Frau, dann: welche Befugnisse hat der Ehemann

an dem Vermögen seiner Frau? Das Vermögen der Frau wird vor Allem gebildet aus dem,

was

sie

bei Abschluß der Ehe besaß und was ihr durch Erbschaft, Schenkungen oder

Glücksfälle während der Ehe zufiel.4

Die zugehörigen Species bleiben auch

wenn sie in die Verwaltung des Mannes kommen, ihr Eigenthum, mag es

sich um Mobilien oder Immobilien handeln. welche die Frau in die Ehe brachte,

Mannes über,

Fungibeln, insbesondre Gelder,

gehen dagegen in das Eigenthum des

mit dem Augenblicke, in

welchem er den Besitz derselben

erhält, so daß er fortan seiner Frau gegenüber Summenschuldner wird;

so

13) Leyser spec. 302 med. XI und XIII, Hellfeld jurispr. for. §. 1246. So auch Friedrich Rathmann: einige Worte über eheliches Güterrecht nach heutigem gemeinem Recht in Deutschland, Chemnitz 1859. Dagegen führt freilich Windscheid §.491 aus: „wenn sich nicht auf einem gegebnen Raum, worüber der Richter zu befinden habe, eine deutschrechtliche Gestaltung der ehelichen Güterverhältniffe durch Gesetzgebung oder Gewohnheit erhalten habe, müsse der Richter, wenn er nicht mit dem Satz von der Reception des römischen Rechts im Ganzen brechen wolle, das römische Recht zur Anwendung bringen. Das System der Gütereinheit könne, abgesehen da­ von, daß es nur eine allgemeine Richtung der Gestaltung der ehelichen Güterverhält­ nisse bezeichne, nicht zu Grunde gelegt werden, da die Gütergemeinschaft ein eben­ bürtiges deutschrechtliches Institut sei." Wer die Reception des römischen Rechts in complexu leugnet, wird keine Veranlassung haben, das Dotalrecht, soweit es nicht partikularrechtlich recipirt ist, anzuwenden.

14) Entsch. des O. Trib. Bd. 1 S. 56 ff.

1) L. R. H, 1 §. 212.

§. 25

Umfang des Vermögens der Frau.

77

lange die Frau im ausschließlichen Besitz ihrer Fungibeln verbleibt, wird an

ihrem Eigenthum nichts verändert?

Jnhaberpapiere der Frau bleiben in

ihrem Eigenthum auch wenn der Mann in den Besitz gesetzt ist. Hochzeitsgeschenke werden zur Hälfte Eigenthum der Frau,

des Mannes,

zur Hälfte

wenn sie nicht nach ihrer Beschaffenheit oder nach ausdrück­

licher Erklärung nur einem der Ehegatten bestimmt waren?

Was Erwerb und Anschaffungen während der Ehe anlangt, so sind diejenigen der Frau und die des Mannes zu unterscheiden:

1.

Da die Frau Gehülfin des Mannes ist,

so stellte

man gemein­

rechtlich den Grundsatz auf, was die Frau während der Ehe verdiene, erwerbe sie dem Manne?

doch

beschränkte man dies meist auf den Erwerb durch

die häusliche Thätigkeit und gemeine Dienste und bezog es nicht auf s. g. artificiellen Erwerb,

Wissenschaft macht.

welchen die Frau selbständig durch Handwerk, Kunst,

So gilt der Satz nach Märkischem Provincialrecht.^

Nach Landrecht soll zwar der Regel nach der Erwerb durch

schaffende

Thätigkeit der Frau ohne Unterscheidung dem Manne gehören? Grundstücke und Kapitalien aber, welche sie aus den Einkünften eines besondern Gewerbes

angeschafft hat und auf ihren Namen schreiben ließ,

sich.

erwirbt die Frau für

Sie bedarf zu solcher Anlage aus ihrem Erwerbe der Einwilligung des

Mannes nicht?

Striethorst Archiv Bd. 57 S. 61.

2)

L. N. II, 1 §. 548.

3)

L. R. II, 1 §§. 172. 754. 776.

4) Aeltere gemeinrechtliche Schriftsteller erachteten, daß die Frau per operas oeconomicas vel communes erwerbe, Verdienst der Frau durch Gewerbe und Kunst galt dagegen als der Frau zu eigen. Glück §. 1223 S. 388. A. M- war Ehrhart de jure mariti in acquaestum uxoris per operas artificiales Altors 1742. 5) So Korn in Behrend's Zeitschrift Bd. 7 S. 591 ff.; Striethorst Archiv Bd. 11 S. 356 hat nach dieser Richtung nichts entschieden. Der Frau gehört auch nach Märkischem Recht ihr Erwerb durch Kunst oder Wissenschaft oder Gerwerbe nur dann, wenn sie nicht bloß als Gehülfin des Mannes ihn bei seinen Geschäften unterstützt. Betreibt sie mit dem Manne ein Geschäft der Art, daß sie Theilhaberin desselben ist, so geht der Erwerb in entsprechende Theile.

6) L. R. II, 1 §. 211. Gegen die Bestimmung in ihrer Allgemeinheit wurde bei der Redaktion monirt, daß Erwerb der Frau durch ein Gewerbe ihr nach allge­ meinen Grundsätzen gehören müsse. Es wurde dem in gewissem Maße nachgegeben, jedoch konkludirt: soll nur auf Grundstücke und Kapitalien eingeschränkt werden, die auf den Ramen der Frau stehen. Demzufolge wurden im §. 211 die Worte „der Regel nach" eingeschoben und §§. 219, 220 des Titels, wie sie vorliegen, redigirt. Der Zweck dieser Behandlungsweise war: Streitigkeiten über den Ursprung des Ver­ mögens bei Auslösung der Ehe möglichst entgegenzutreten. 7) L. R. II, 1 §. 219. Schmidt Familienrecht S. 128 behauptete, es bedürfe der wenigstens stillschweigenden Bewilligung des Mannes zum Erwerb der Grundstücke und Forderungen für die Frau. Diese Ansicht hat jedoch keinen Anklang gesunden. Sie steht nicht im Einklang mit dem Text des Gesetzes, noch auch mit dessen Ent­ stehungsgeschichte.

Das eheliche Küterrecht.

78

Nur das aber fällt dem Manne zu, was die Frau durch ihre Arbeitskraft verdient.

sie durch lästige Rechtsgeschäfte,

Was

durch Kauf oder

z. B.

Tausch als Aequivalent ihr zugehöriger Vermögensobjekte wird ihr zu eigen?

Hat sie

also ihr Vermögen in

für sich

erwirbt,

einem Erwerbsgeschäft

angelegt und in demselben umgesetzt, so kann der Ehemann als ihm gehörig höchstens den sich ergebenden Reingewinn beanspruchen?

Ferner aber gehört der Frau Mannes für sich erwirbt.

Alles,

was

sie

mit Einwilligung des

Es macht hierbei auch keinen Unterschied, ob die

Frau ihr eignes Geld oder ob sie Geld ihres Mannes mit dessen Bewilligung

Vertrag

verwendet

hat?o

Ehegatten

ein

dienst der

Frau, den sie nicht in Grundstücken oder Kapitalien anlegt,

für

($§

kann

allemal

auch durch formgerechten

festgestellt

werden,

daß

auch

unter

solcher

den Ver­

ihr

zu eigen ist.

2.

Der

Mann kann

seiner Frau unter ihrer Zustimmung

der Ehe durch Rechtsgeschäfte Eigenthum erwerben,

während

nicht bloß wenn er ihr

Eingebrachtes,11 8 9 10 sondern auch wenn er eigne Mittel, sei es schenkungs- oder

vorschußweise,12 zu Anschaffungen für sie verwendet.

Grundstücke, Gerechtig­

keiten , Kapitalien auf Namen müssen jedoch, damit die Frau durch Geschäfte

des Mannes Eigenthum erhält, auf ihren Namen geschrieben fern.13 14 Hat der Ehemann anstatt eingebrachter Mobilien, die während der Ehe verdarben oder unbrauchbar wurden,

Rechtswegen

in das

andre

Eigenthum der Frau,

8) Präj. des O. Trib. n. 702 und n. 1765.

angeschafft,

da sie

so

treten sie von

als Sachgesammtheiten

Striethorst Archiv Bd. 4 S. 274.

9) Striethorst Archiv Bd. 46 S. 166.

10) Striethorst Archiv Bd. 56 S. 188.

11) Gemeinrechtlich erachtete man die Frau meist schlechthin als Eigenthümerin des mit ihren Mitteln Angeschafsten nach I. 54 D. de jure dotium 23, 3 res, quae ex dotali pecunia comparatae sunt, dotales esse videntur, vergl. Glück Bd. 8 S. 170. Dies kann keinenfalls nach preußischem Rechte gelten, der Mann muß viel­ mehr den Willen haben, für die Frau zu erwerben. 12) Ueber das. Recht der Konkursgläubiger, in Anspruch zu nehmen, was die Frau aus den Mitteln des Mannes erwarb, siehe unten S. 79 ff. S. 82.

13) L. R. II, 1 §. 240. Werden Grundstücke auf den Ramen beider Eheleute geschrieben, so werden beide Miteigenthümer zu gleichen Theilen.

14) Das Obertribunal Entjch. Bd. 33 S. 401 will den §. 240 auch auf Inhaberpapiere , insbesondre Pfandbriefe anwenden. Es erkennt zwar an, daß die gesetzliche Bestimmung wörtlich genommen, bei Pfandbriefen, weil dieselben auf den Inhaber lauteten, nicht ausführbar seien; im Sinne und Geiste des Gesetzes aber, welches die Sicherheit des mit dem Ehemanne geschäftlich verkehrenden Publikums bezwecke aber sei, damit der im Auftrag der Ehefrau aus ihrem Vermögen angekaufte Pfandbrief auch dritten Personen gegenüber Eigenthum der Ehefrau werde, unerläßlich, auf demselben „in irgend einer Weise" das Eigenthum der Ehefrau zu bemerken. Diese Analogie erscheint uns nicht zutreffend, es handelt sich um singuläre Sätze.

§. 26.

angesehen werden,

79

Liberalitäten unter Ehegatten.

welche der Ehemann

in solchem Falle einer natürlichen

Pflicht entsprechend im Stande hält und ergänzt.

§. 26.

Liberalitäten unter Ehegatten.

Nach römischem Recht waren Schenkungen unter Ehegatten nichtig, sofern sie eine dauernde Bereicherung des Beschenkten

bezweckten und herbeiführten.

Es bezog sich dies jedoch nicht auf Schenkungen von Todeswegen.

Allßer-

dem konvalescirten aber auch Schenkungen unter Lebenden, wenn der Schenker

vor dem Beschenkten starb, ohne widerrufen zu haben?

Diese Ungültigkeit der

Schenkungen wird in den Territorien, in welchen das landrechtliche Eherecht suspendirt ist, noch angenommen.^

Nach Landrecht sind Schenkungen unter Ehegatten an sich gültig? soll aber bei den der Frau von ihrem Manne

überlassenen,

Es

zum Schmuck

und zur Pracht dienenden Gegenständen, die Vermuthung für bloße Leihe und nicht für Schenkung sein?

Schenkungen

und

Liberalitäten

Gläubigern des Schenkers gegenüber

unter

Ehegatten

sind

in beschränktem Maße

immerhin

den

rechtsbestündig.

Die Konkursgläubiger haben ein Anfechtungsrecht gegenüber den vom Gemein­ schuldner, innerhalb zwei Jahren vor Eröffnung des Verfahrens,

dem Ehe­

gatten gemachten Freigebigkeiten;5 das entsprechende Recht steht außerhalb des

Konkurses den Gläubigern vollstreckbarer Forderungen im Fall der Unzuläng­ lichkeit

des Vermögens ihres Schuldners zu,

falls dieser seinem Ehegatten,

in den letzten zwei Jahren vor der Rechtshängigkeit des Anfechtungsanspruchs,

solche Zuwendungen machte/''

Es kann aber weiter die Konkursmasse auch in Anspruch nehmen, was

eine Ehefrau während der Ehe mit den Mitteln des Gemeinschuldners erwarb?

15)

L. R. II, 1 §§. 559, 560.

1) Tit. Dig. de donationibus inter virum et uxorem 24, 1, Cod. 5, 16. Savigny System Bd. 4 §. 162 ff.

2) So für die Mark, Korn in Behrend's Zeitschrift Bd. 7 S. 563 ff. Ansicht ist jedoch Scholtz und Hermensdorff Provincialrecht Bd. 2 S. 30 ff. 3)

L. R. II, 1 §. 310.

4)

L. R. II, 1 §. 316.

Andrer

5) Nach L. R. II, 1 §. 312 konnten Schenkungen unter Ehegatten ohne Unter­ schied der Zeit widerrufen werden. Nach dem Anhang §. 74 sollten nur Geschenke innerhalb drei Jahre vor dem Konkursverfahren revokabel sein. Die Konkursordnung von 1855 §. 103 n. 3 hob die Zeitbeschränkung wieder auf, die Reichskonkürsordnung §. 25 n. 2 begränzt wieder die Anfechtung auf Schenkungen innerhalb zweier Jahre. 6) Reichsgesetz, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuld­ ners außerhalb des Konkursverfahrens, §. 3 unter 4.

7) Reichskonkursordnung §. 37. Dieser Satz ist freilich keineswegs folgerecht und bereitet der Auslegung und Anwendung erhebliche Schwierigkeiten. Er ist nicht

Das eheliche Güterrecht.

80

Hierdurch werden vorzugsweise

liberale Zuwendungen betroffen,

wenn auch

keineswegs allein, da die Absicht des Ehemannes nicht in Betracht genommen

wird.

Was ist aber Erwerb mit den Mitteln des Mannes?

Unsrer Ansicht

nach ist allein entscheidend, ob der Mann um des Erwerbes der Frau willen eine Minderung

seines Vermögens vornahm.

Wenn

er aus seiner Kasse

Gelder gab, so hat er doch nichts aus seinen Mitteln geleistet, falls er der Frau eine entsprechende Summe schuldete oder ihr zur Anschaffung verpflichtet

war oder von ihr später Ersatz erhielt.

Dagegen

geschah

der Erwerb

aus

seinen Mitteln auch dann, wenn er, ohne hiefür Deckung erhalten zu haben,

sich dem Veräußerer eines für die Frau willkürlich angeschafften Gegenstandes

persönlich verpflichtet hat.^ Was der Mann seiner Frau zum standesgemäßen Unterhalt an Kleidern oder andern Sachen aus seinen Mitteln gegeben hat,

unterliegt dem Revo­

kationsrecht der Gläubiger nicht und ist auch nicht in die Konkursmasse ein­ zuziehen.

Denn dies hat der Mann in Folge einer Verpflichtung gewährt.

Es ist eine Schuld, keine Schenkung?

folgerecht. Wenn beispielsweise der Mann seiner Frau direkt ein Grundstück schenkt, so ist ihr Eigenthum nach zwei Jahren nicht mehr der Anfechtung der Konkursgläu­ biger des Mannes unterworfen, hat aber die Frau des Gemeinschuldners ein Grundstück vor vielen Jahren von einem Dritten gekauft, es wurde ihr aufgelassen und die Zahlung geschah aus den Mitteln des Mannes, so nimmt die Konkursmasse in Folge desselben das Grundstück in Anspruch. Was Erwerb mit den Mitteln des Mannes ist, wird zudem vielfach zweifelhaft werden. Wie im Texte ausgeführt ist, kann es nicht darauf ankommen, ob das Eigenthum der gezahlten Gelder zufällig dem Manne gehörte, sondern, ob er aus seinem Vermögen etwas für die Frau aufgegeben hat. Immerhin hat diese Auslegung den Wortsinn nicht für sich. Man wird ferner fragen müssen, wie sich die Sache gestattet, wenn die Sache theilweise aus den Mitteln des Mannes erworben ist. Entscheidet der Umstand, von wem die größere Summe her­ kommt? Es wird dies wohl anzunehmen sein. Die Frau ferner hat die geringe Anzahlung auf ein Grundstück aus eignen Mitteln geleistet, dasselbe wird ihr darauf hin aufgelassen; die bedeutenden Restkaufgelder hat der Mann später aus seinen Mitteln gezahlt. Hat die Frau das Grundstück mit den Mitteln des Mannes erwor­ ben? Wir werden dies zu verneinen haben. Aber umgekehrt, der Mann hat die geringe Anzahlung für die Frau aus seinen Mitteln gemacht, die Frau den ganzen Restkausschilling aus ihren Mitteln berichtigt. Hier wird sie von einem Retentions­ recht wegen des Ausgelegten Gebrauch zu machen haben. Hat endlich die Bestimmung Anwendung auf vor dem Inkrafttreten der Bestimmung gemachten Erwerb- Sie erscheint im Gewand eines processualischen Rechtssatzes, enthält aber einen sehr ein­ schneidenden Satz des materiellen Rechts, weshalb demselben die Rückwirkung auf frühere Verhältnisse zu versagen ist. 8) Für Gläubiger außerhalb des Konkurses gilt der Satz nicht, sie sind auf die Anfechtungsklagen verwiesen. Dabei haben sie die Verwendung aus den Mitteln des Mannes zu beweisen.

9) L. R. II, 1 §§. 314, 315. Hat die Frau solche Objekte mit Geld des Mannes erworben, so kann sie durch die Konkursmasse gleichwohl nicht in Anspruch genommen werden, wenn unsre Auffassung des §.37 der Reichskonkursordnung richtig ist, wo­ nach, was der Mann in Folge einer Verpflichtung leistet, im Rechtssinn keine Auf­ wendung aus seinen Mitteln bedeutet.

§. 27.

§. 27.

81

Präsumtion gegen die Frau.

Präsumtion gegen die Frau.

Wird es streitig, was von den Gütern der Ehegatten dem Manne und

wa^s der Frau zugehört, sonst zukommt.

so hat der Besitz nicht das Gewicht,

welches ihm

Denn bei der Gemeinsamkeit der Wirthschaft und des Lebens

läßt sich häufig nicht leicht darthun, welcher der Ehegatten den Eigenthums-

befttz

hat,

sollte

dies aber auch nachweisbar sein,

so wird man eine Ver­

muthung für das Eigenthum des Inhabers auf denselben hier nicht füglich gründen.

Es treten daher bei der Aussonderung die rechtlichen Momente in

den Vordergrund.

Namentlich sind von Bedeutung Anerkenntnisse Seitens des

andern Ehegatten;

dann ist zu beachten,

ob ein Grundstück oder ein Recht

an demselben auf den Namen eines der Ehegatten oder eines Rechtsvorfahrs

desselben

eingetragen ist.

ein derartiges Anerkenntniß

Natürlich ist

aber nach allgemeinen Grundsätzen

oder eine Eintragung anfechtbar,

so namentlich

Seitens der Gläubiger mit der s. g. actio Pauliana. 1.

Fehlt es an jenen Mitteln, den Rechtszustand

prima facie festzu-

stellen, so hat die s. g. Mucianische Präsumtion einzutreten.

tion

Diese Präsum­

im römischen Recht zu beschränkten Utilitätszwecken aufgestellt,

wurde

gemeinrechtlich der Art verwerthet, daß man Alles, was die Ehegatten that­ sächlich innehaben, so lange dem Manne zutheilt, bis die Ehefrau ihr Eigen­

thum darthut? 1 2 3 Im preußischen Landrecht ist sie zwar nicht in allgemeiner Form ausgesprochen, man wird sie aber trotzdem anzuwenden haben,

da sie

in der Natur der Sache wurzelt und da ihre Beseitigung bei der Redaktion des Gesetzes nicht beabsichtigt war?

Die Präsumtion

giebt die Grundlage für die Auseinandersetzung nach

Trennung der Ehe, sie kommt aber auch während der Ehe zur Anwendung. Insbesondre ist dies der Fall bei Konflikten

der Frau mit Gläubigern des

Mannes, welche dessen Vermögen zu ihrer Befriedigung in Anspruch nehmen. Hierbei macht auch die processualische Lage der Sache wenig Unterschied.

Allerdings ist bei der Pfändung durch die Gläubiger des Mannes das Ver-

1) 1. 51 D. de don. i. v. et u. 24, 1 .. quod non demonstratur, unde habeat, existimari a viro ad ... eam pervenisse, evitandi autem turpis quaestus gratia circa uxorem hoc videtur Quintus Mucius probasse, vgl. 1. 6 C. eod. 5, 16. Ueber die gemeinrechtliche Entwicklung siehe Tenge im Archiv für c. Pr. Bd. 45 S. 305. 2) Bestritten ist gemeinrechtlich, ob die Präsumtion auch Platz greife, wenn ein lediger Mann eine haussässige Wittwe heirathete. Glück Bd. 26 S. 219, vgl. auch Korn in Behrend's Zeitschrift Bd. 7 S. 382. 3) Vgl. L. R. II, 1 §. 544. Suarez äußerte in der rev. monitorum — Gesetzrevision Pens. 15 S. 149 — „wenn es nicht erhellt, so tritt die nirgends aufge­ hobne Rechtsvermuthung quae in domo mariti sunt, praesumuntur esse mariti in Wirkung." Vgl. auch Korn a. a. O. S. 383. Unbestritten ist die Präsumtion im preußischen Recht keineswegs. Dernburg, Preußisches Privatrecht. III.

6

Das eheliche Güterrecht.

82

je nachdem angebliche Objekte der Frau in seiner

fahren ein verschiedenes,

Gewahrsam sind oder in der Hand der Frau, welche sich thatsächlich separirt hat.

Im

pfänden,

ersten

Gläubiger des

Falle können die

Mannes jene

Objekte

die Frau muß interveniren und ihr Eigenthum hierbei gegenüber

der Präsumtion darthun.

Anspruch des Mannes

Im zweiten Falle können die Gläubiger nur den

als

auf Herausgabe jener Objekte

angeblich diesem

gehörig pfänden, aber sie begründen die auf Grund der Pfändung anzustellende Klage gegen

die Frau durch die Präsumtion des Eigenthums des Mannes

und die Frau hat auch

hier ihnen gegenüber ihr Eigenthum zu erweisen.^

Nicht anders steht es im Falle des Konkurses des Mannes. der thatsächliche

Besitz

der Frau

geachtet,

aber gegenüber

Auch hier wird der Klage des

Konkursverwalters auf Herausgabe zur Masse trifft sie die Beweislast. 2.

Nach dem Vorbiwe des

französischen Rechts

hatte die

preußische

Konkursordnung das Recht der Frau, Objekte aus der Masse als ihr zuge­ hörig in Anspruch zu nehmen, durch einschneidende singuläre Sätze beschränkt.64 75

Die Reichskonkursordnung hat dies

der

oben

berührte Rechtssatz

schuldners Gegenstände,

nicht ausgenommen.

getreten,

wonach die

An die Stelle ist

Ehefrau

des

welche sie während der Ehe erworben hat,

Gemein­

nur in

Anspruch nehmen kann, wenn sie beweist, daß dieselben nicht mit den Mitteln des Gemeinschuldners erworben sind?

4) Die Praxis schwankte bisher. Korn a. a. O. S. 385 bezeugte, daß bei dem Stadtgericht Berlin konstant wegen der Ansprüche an den Mann die Exekution in Wohnungen ihrer Frauen, welche getrennt von ihnen lebten, vollstreckt wurde und der Frau, wenn sie das Eigenthum an den aus ihrem Besitz abgepfändeten Sachen Teffamirte, nur die Intervention blieb. Wie dem auch sei, die Reichscivilproceßordnung §. 712 fordert zur Pfändung körperlicher Sachen, daß sie im Gewahrsam des Schuldners befindlich sind. Es ist daher, wenn die Frau thatsächlich separirt ist, nach Reichscivilproceßordnung §. 745 ff. der Anspruch auf Herausgabe der Sache zu pfänden und dem Gläubiger der Anspruch auf Einziehung nach §. 736 zu über­ weisen.

5) Nach der preußischen Konkursordnung §. 90 sollten Sachen und Forderungen, welche von der Ehefrau des Gemeinschuldners erworben oder auf ihren Namen geschrieben waren, an die Konkursmasse überwiesen werden; erhob die Frau nicht binnen einer gewissen Frist Widerspruch, so konnte die Konkursmasse zur Veräußerung schreiten. Dies ist nach der Reichskonkursordnung weggefallen. Gestattet zwar der Besitz, äußern die Motive S. 184 auf die Rechtmäßigkeit des Erwerbes keinen Schluß und auf die Beweislast keinen Einfluß, so muß doch der faktische Besitz thatsächlich geachtet werden; sollte in der That die Ehefrau und nicht der Ehemann sich im Besitz eines Gegen­ standes befinden, so muß der Konkursverwalter gegen sie auf Herausgabe deffelben zur Konkursmasse klagen. 6) Konkursordnung vom 8. Mai 1855 §. 88 ff. Die Bestimmungen hatten ihr Vorbild im code de commerce art. 547, 550 und im französischen Fallimentsgesetz art. 559, 562. Es konnten in Folge derselben die Gläubiger der Frau unter Anderm den Erwerb, welchen sie durch einen selbständigen Gewerbebetrieb während der Ehe gemacht hatte, schlechthin entziehen und der Konkursmaffe einverleiben.

7) Reichskonkursordnung §. 37 Die hier aufgestellte Präsumtion ist isolirt betrachtet durchaus unzureichend. Der Entwurf beabsichtigte den allgemeinen, viel

Bestimmung

Diese Singularität

enthält

ergiebt den

Sie

eine

materielle

weittragenden

eine

und

materiellen

processualische

Satz,

daß

der

Erwerb einer Frau während der Ehe trotzdem, daß die regelmäßige Form der

Uebereignung gewahrt ist, gegenüber den Konkursgläubigern des Mannes nur Krost hat,

wenn der Erwerb nicht aus dessen Vermögen geschah.

Sie hat

aber auch weiter processualisch die Folge, daß sich die regelmäßige Beweislast

umkehrt, indem nicht die Konkursmasse den Erwerb aus dem Vermögen des

Mannes nachzuweisen, vielmehr die Frau darzuthun hat, aus welchen Mitteln der Erwerb geschah.

Vorbedingung ist

aber,

damit diese Umkehrung

der

Beweislast eintritt, daß Erwerb während der Ehe bereits feststeht.

Die Mucianische Präsumtion ist daneben nicht zu entbehren.

Sie zwingt

die Frau darzuthun, daß und wann sie erworben habe.

§.28.

Vorbehaltnes Vermögen.'

Gehen wir zur Frage über,

hat, so

sind

zu

unterscheiden

welche Rechte der Mann am Frauengut

die Receptizgüter

oder das vorbehaltne Ver­

mögen, auf welches sich das Nießbrauchsrecht des Mannes nicht erstreckt, und die Jllaten oder das s. g. Eingebrachte, welches dem Nießbrauche des Mannes

untersteht.

Vorbehaltnes Vermögen entsteht theils unmittelbar

nach Gesetz,

theils

durch Rechtsgeschäft. 1.

Sachen,

Die Morgengabe, sowie zum alleinigen Gebrauch der Frau bestimmte

gehörten

bereits nach märkischem Provincialrecht dem vorbehaltnen

Gut der Frau au.2* 1 Das Landrecht ist ihm hierin gefolgt. Die Morgengabe

ist eine Vermögenszuwendung,

welche

der Ehemann

nach alter Sitte, die sich hie und da erhalten hat, der Ehefrau am Morgen nach der Brautnacht gewährt.

lästiges Geschäft,

weil

Sie gilt

nicht

als Schenkung,

sie mit Rücksicht auf die Ehe

unterliegt daher nicht der Anfechtung der Schenkungen.3

sondern

geleistet wird

als und

Zum Vorbehaltnen

weiter gehenden Satz: „die Ehefrau muß nachweisen, daß sie den beanspruchten Gegen­ stand nicht mit den Mitteln des Gemeinschuldners erworben hat," vgl. Motive zur Konkursordnung S. 181. Durch die Einschiebung der Worte: „welche sie während der Ehe erworben hat," ist aber der Sinn verändert. Ein befriedigendes Resultat ist hiernach nur zu gewinnen, wenn man die Mucianische Präsumtion auch für das preußische Recht als geltend annimmt. 1) L. R. II, 1 §§. 206 ff., 221 ff., 248 ff., 545 ff. Gruchot Bd. 4 S. 388.

Vgl.

auch v. Kräwel bei

2) Siehe hierüber die Ausführung von Korn in Behrends Zeitschrift Bd. 7 S. 389. Koch freilich behauptet zu §. 206 des Titels, es handle sich um neu erfundne Bestimmungen. Ueber das ältere Recht der Morgengabe vgl. Schröder eheliches Güter­ recht Bd. 2 Abth. 3 S. 332 ff. 3) Striethorst Archiv Bd. 10 S. 20.

Das eheliche Güterrecht.

84 wird sie gerechnet, sprechend gilt.

weil dies der freigebigen Absicht des Ehegatten als ent­

Die bloß versprochne Morgengabe hat denselben Charakter?

Der Anspruch aus die versprochne Morgengabe wird übrigens nach

dem

Landrecht mit der Leistung des Versprechens erworben, er ist nicht, was man als gemeinrechtlich ansieht, abhängig vom Tode des Mannes?

Es ist ftrner auch nach dem Landrecht vorbehaltnes Gut, was dem

alleinigen Gebrauch der Frau seiner Beschaffenheit nach bestimmt ist,64 75z.8 9B. 10

weibliche Kleidungsstücke, Leibwäsche, Putzsachen, Vermögen der

mögen sie nun aus dem

Frau stammen oder ihr vom Manne aus seinen Mitteln

angeschafft sein?

2.

Die Eigenschaft des Vorbehaltnen können weiter alle Vermögens­

theile durch einen, zwischen den Ehegatten geschloßnen Vertrag gewinnen? sie kann in gleicher Art Geschenktem oder Vererbtem durch eine Verfügung des Schenkers oder Erblassers aufgedrückt werden?

Es ist möglich,

daß durch

Vertrag das Gesammtvermögen der Frau zum Receptizgut gemacht wird. Was die Frau von den Einkünften des vorbehaltnen Vermögens erspart,

wächst diesem Vermögen zu?6 ebenso, was sie als Surrogat für vorbehaltne Vermögensstücke erwirbt.

In Ansehung des vorbehaltnen Vermögens hat die Frau die Verwal­

tung und das Veräußerungsrecht,

sowie den Gebrauch

und Nutzgenuß.11

4) L. R. II, 1 §. 207. — Die Morgengabe hat den Charakter des Vorbehalt­ nen nur gegenüber dem schenkenden Ehegatten. Bei einem Uebergang zur weiteren Ehe ist jene Gabe nur ein Theil des Gesammtvermögens der Frau, so daß sie zu den Jllaten zu rechnen ist, wenn sie nicht vertragsmäßig Vorbehalten wird. Kräwel a. a. O. Bd. 4 S. 388.

5) Entsch. des O. Trib. B. 12 S. 304. Anders nach der historischen Entwick­ lung, vgl. Schröder eheliches Güterrecht Bd. 2 Abth. 3 S. 337.

6) L. R. II, 1 §. 206, cfr. 1. 45 D. de legatis III. 7) Wie weit die Gläubiger im letztern Falle ein Anfechtungsrecht haben, ergiebt oben S. 80 Anm. 9. Ueber die besondre Bestimmung, daß vom Manne seiner Frau zum Schmuck gegebne Objekte als geliehen gelten, vgl. oben §. 26 Anm. 4 8) Wird der bezügliche Vertrag vor der Ehe eingegangen, so muß er gerichtlich oder notariell geschlossen werden, während der Ehe bedarf es der gerichtlichen Form, vgl. oben S. 17. Verzicht des Mannes auf Verwaltung und Nießbrauch macht das Frauengut noch nicht zum Vorbehaltnen. Striethorst Archiv Bd. 99 S. 148 ff. Es wird übrigens die Eigenschaft des Vorbehaltnen auch durch Verjährung begründet werden können.

9) L. R. II, 1 §. 214. Ob die Bestimmung des Testamentes, wonach eine Zuwendung an eine Frau Vorbehaltnes sein soll, nur die zeitige Ehe betrifft oder auch für den Fall späterer Ehe Wirkung hat, ist Jnterpretationsfrage. Sie wird im Zweifel in letzterem Sinne zu beantworten sein, da man eher annehmen muß, daß die Bestimmung aus Zutrauen und Liebe zur honorirten, als aus Abneigung gegen den Ehemann getroffen ist. So auch Kräwel a. a. O. S. 389. 10) L. R. II, 1 §. 217. L. R. II, 1 §. 218 ist nicht präcis; essollnurausge­ drückt werden, daß der Fraudie Beweislast obliegt.

11) L. R. II, 1 §. 221. Der Einwilligung des Mannes bedarf esnicht. Im §.223 wird gesagt: es soll über Juwelen, Gold, Silber und andre,bloß zur Pracht

Vorbehaltnes Vermögen.

§. 28.

Ist sie minderjährig,

85

so werden ihre Rechte durch ihren Vormund gewahrt.

Die Frau kann ihr Vorbehaltnes mit Schulden belastend der Frau,

Verpflichtungen

z. B. die Verbindlichkeit zur Alimentation von Verwandten oder

Deliktsschulden sind in erster Linie aus dem vertragsmäßig Vorbehaltnen zu entrichten.

Die

Eigenschaft

Hypothekenkapitalien

des

im

Vorbehaltnen

Grundbuch

soll

bei

eingetragen

Grundstücken,

werden,

sowie bei

widrigenfalls der

Mann dieselbe Verkehrslegitimation nach Außen hin bezüglich ihrer hat,

wie

bezüglich des nichtvorbehaltnen Vermögens seiner grau.13 * * * * * * * * * 12

Die Kosten und Lasten des

gesetzlichen

Receptizguts trägt der Mann,

wenn die Frau nicht vertragsmäßig Vorbehaltnes hat, aus dem sie bestritten

werden

können.

Die Kosten

und Lasten des

vertragsmäßigen Recepüzguts

fallen der Frau zur Saft.14 15 16 Macht sich die Frau in Ansehung des gesetzlich vorbehaltnen Receptizgutes eines unwirthschaftlichen Benehmens verdächtig,

so

steht dem Manne

frei, Maßregeln dagegen zu treffen, namentlich daffelbe eigenmächtig in seinen

Gewahrsam zu nehmen.1^

Hiervon abgesehen, kann der Mann die Frau in

der Verwaltung ihres vorbehaltnen Vermögens nur im Fall der Verschwen­

dung durch Prodigalitätserklärung einschränken lassen.1(5

bestimmte Sachen, ohne Unterschied, ob sie zum vorbehaltnen Vermögen gehören oder nicht, Niemand mit einer Frau, ohne Vorbewußt des Mannes, in Pfand- oder Veräußerungsverträge sich einlassen. Vorbewußt ist nicht identisch mit Einwilligung des Mannes. Auch' ist keineswegs, wie Manche annehmen — Schmidt Familienrecht S. 138 — die Veräußerung solches Vorbehaltnen ohne Kenntniß des Mannes ungültig. Die juristische Bedeutung der Vorschrift ist darin zu suchen, daß, wer im Glauben Vorbehaltnes von der Frau zu erwerben, Kostbarkeiten, die zu den Jllaten oder zum Vermögen des Mannes gehören, erwirbt, die Rechte eines redlichen Erwerbers nicht hat. 12) Vgl. oben S. 70.

13) L. R. II, 1 §. 216 bestimmt : sollen Grundstücke oder Kapitalien, welche nach gesetzlicher Bestimmung zum Eingebrachten gehören, durch solche Verträge die Eigen­ schaft des Vorbehaltnen auch in Beziehung auf einen Dritten erlangen, so müssen sie auf den Namen der Frau geschrieben werden. Offenbar genügt aber das Letztere nicht, es muß die Eigenschaft des Vorbehaltnen vermerkt werden. Was die Kapitalien anlangt, so ist zunächst an Hypothekenkapitalien gedacht, doch mag man die Bestimmung auch auf chirographarische, verbriefte Forderungen bezogen haben. Da bezüglich der Grundstücke die Veräußerung, Verpfändung und dauernde Belastung auch bei Jllaten an die Zustimmung der Frau gebunden ist, so kann die Bestim­ mung hier nur Bedeutung gewinnen bezüglich andrer Rechte, die am Grundstück vom Ehemanne eingeräumt werden. Die Gläubiger des Mannes, welche die Revenüen eines vorbehaltnen Grundstücks der Frau wie die eines eingebrachten in Anspruch nehmen, können durch den Nachweis jener Eigenschaft, auch wenn der Eintrag nicht erfolgte, zurückgewiesen werden. Entjch. des O. Trib. Bd. 48 S. 174. 14) L. R. II, 1 §§. 228, 229.

15) L. R. II, 1 §. 224.

16) L. R. II, 1 §. 225. Statt §. 227 des Titels treten derzeit die Bestimmungen der Vormundschaftsordnung ein, wonach der Mann zum Pfleger ernannt werden kann.

Das eheliche Güterrecht.

86

Hat die Frau ihr vorbehaltnes Vermögen ganz oder theilweise in die

Verwaltung ihres Mannes gegeben, so hat sie gegen ihn dieselben Rechte, wie bezüglich ihres Eingebrachten, namentlich wird ihr der Mann in gleichem Maße

wegen Verschuldung verantwortlich?^

Eine derartige Uebertragung

der Verwaltung ist jederzeit widerruflich. Der Mann,

sich der Verfügung über das Vorbehaltne ohne

welcher

Wissenschaft oder wider Willen der Frau anmaßte, wird ihr wie ein unred­ licher Besitzer verantwortlich." Gut der Frau veräußert, muß

es jedoch

einlösen;

wer

Vermuthung

nach

Hat der Mann vertragsmäßig vorbehaltnes

so bleibt der Frau zwar dessen Vindikation, sie

allgemeinen Grundsätzen vom unverdächtigen Erwerber

vom Manne

gesetzliche Receptitien

der Frau kauft,

hat die

des redlichen Erwerbs nicht für sich und daher in der Regel

kein Recht auf Erstattung des ausgelegten Kaufpreises?9

Der Mann kann aus

dem

vertragsmäßig Vorbehaltnen seiner

Frau

eine entsprechende Ergänzung des Eingebrachten fordern, wenn sich dieses durch verschwiegene voreheliche Schulden

vermindert hat, brachte?9

oder durch die Vindikation von Objekten

welche die Frau wissend,

daß sie ihr nicht gehörten,

ein­

Dieser Anspruch gründet sich auf den Dolus der Frau, die Klage

charakterisirt sich als eine au^ertontrannd^e.21

§. 29.

Die Jllaten, Umfang.

Alle Vermögensobjekte der Frau, die nicht zum gesetzlich oder vertrags­

mäßig Vorbehaltnen gehören, ist nicht erfordert, daß

sie

haben die Eigenschaft des Eingebrachten? es bereits in die Gewahrsam des Mannes getreten

sind,

ja nicht einmal daß die Frau in deren Besitz gelangt ist.

z. B.

ein

angefallne

der Frau

noch

zugefallnes,

nicht in Besitz

noch

Es gehört

nicht geleistetes Vermächtniß,2 eine

genommne Erbschaft der Frau zum Ein­

gebrachten.

17) L. R. II, 1 §. 547. Auch nach der I. 11 C. de pactis conventis 5, 14 haftete der Mann, welchem die Verwaltung von Paraphernalgeldern Seitens der Frau übertragen war, nur für diligentia quam in suis rebus, wie bei Verwaltung von Dotalsachen. 18) L. R. II, 1 §. 546. 19) L. R. II, 1 §§. 249, 250. Mehr wird man aus diesen Paragraphen nicht herauslesen dürfen. 20) L. R. II, 1 §§. 339, 340. 21) So mit Recht Förster Bd. 3 §. 208 Anm. 12. Koch zu §. 339 will den Anspruch aus der Gewährleistung ableiten; es ist aber das Einbringen kein Rechts­ geschäft, wie Koch meint, es vollzieht sich ipso jure mit dem Eheschluß.

1) L. R. II, 1 §§. 205, 210. 2) Striethorst Archiv Bd. 43 S. 174.

Eingebrachtes wie

dasjenige was

ist,

was

der Frau zur Zeit der Eheschließung gehörte,

sie während der Ehe für sich erwirbt,

was ihr durch Glücksfälle,

insbesondre auch

z. B. Lotteriegewinn zukommt.3

Dies ist unter

Anderm auch dann der Fall, wenn die Frau mit den von ihrem Mann ihr

gegebnen Wirthschaftsgeldern für

eigne Rechnung gespielt hat;

ein derartiger

Gewinn wird nicht etwa Eigenthum des Mannes, die Frau ist vielmehr nur

zum Ersatz

des Einsatzgeldes

gewinn dann

nen

Geldern

zum

gespielt

hat.

Man

Indessen wird man die Absicht beim

Hat sich die Frau

müssen.

Fraglich ist,

verpflichtet.4

Eingebrachten gehört,

jeglichen

wenn

pflegt

die

dies

ob

der Lotterie­

Frau mit

schlechthin

vorbehalt-

anzunehmen. 5

Vertrag über den Vorbehalt beachten

Erwerb

während der Dauer der Ehe

vorbehalten, so kann etwaiger Lotteriegewinn nicht zum Eingebrachten gezählt werden.

Das Eingebrachte

bildet ein

besondres Vermögen,

vor Allem die vorehelichen Schulden der Frau sind.

biger können

sich daher

Minuenden

ebensowohl an die Jllaten der Frau halten als an

deren vorbehaltneZ Vermögen. Schuldner, aber er

dessen

Die. vorehelichen Gläu­

Der Mann wird zwar nicht deren persönlicher

hat die Exekution in das seiner Verwaltung unterstellte

Vermögen seiner Frau zu dulden. 6

gebrachten diejenigen Schulden,

Des weiteren sind Minuenden des Ein­

welche die Frau während der Ehe gültiger­

weise verpflichten, insbesondere die gesetzlichen und konsentirten.

Als Minuenden sind endlich auch zu erachten die Ansprüche, welche der Mann während der Ehe wegen Auslagen und Verwendungen erlangt.

gelten

hierbei die allgemeinen Grundsätze

Regel schriftliche Einwilligung

des

Es

Nießbrauchs, so daß in der

der Frau erfordert wird. 7

Das Vormund­

schaftsgericht kann diese Einwilligung bei offenbar vortheilhaften Verbesserun­ gen ergänzen.

3) L. R. II, 1 §. 212. 4) Die Frau ist in solchem Fall keineswegs nach L. R. I, 13 §§. 62, 63 Be­ vollmächtigte des Mannes, da sie zum Spielen keinen Auftrag hat, Simons Rechts­ sprüche Bd. 1 S. 305 ff.

5) Dies ist die Ansicht des Gesetzrevisors, Bornemann Bd. 5 S. 78 Anm. 4, Koch zum §. 212 des Titels.

6) Vgl. oben Bd. 1 §. 287 besonders not. 3. 7) L. R. II, 1 §. 586 ff. macht hiervon besondre Anwendung aus Verbefferungen der eingebrachten Grundstücke der Frau. Die Bestimmungen sind kasuistisch. Die Einwilligung der Frau in die Verbesserungen soll entweder gerichtlich oder schrift­ lich unter Zuziehung eines nahen Verwandten oder wirthschastskundigen Beistands geschehen. Hat der Mann mit dem Grundstück früher getrennte Bestandtheile ver­ einigt, so kann er Kostenersatz schlechthin fordern; hat er sonst ohne Einwilligung der Frau Grundstücke zugekauft, so hat er das Recht, sie zurückzunehmen oder gegen Ersatz des derzeitigen Sachwerths der Frau zu überlassen.

Das eheliche Güterrechi.

88

§. 30.

Rechte des Mannes.*

Die Rechte des Mannes als Nießbraucher und Verwalter des Frauen­

vermögens im Einzelnen sind folgende.

hat Anspruch

Der Mann

1.

Vermögens,

auf die

Gewahrsam

des

eingebrachten

er erlangt in Folge derselben unvollständigen Besitz, die Frau

ihrerseits behält den vollständigen Besitz an ihrem in der Hand des Mannes befindlichen Gut.

Beide Theile können gegen einander possesiorisch flogen.1 2

Dem Manne gebührt der Nutzgenuß des Frauenguts,3 so daß der­

2.

selbe Bestandtheil seines Vermögens wird, aber mit der Verpflichtung gegen

die Frau belastet ist, der Frau und den mit ihr erzeugten Kindern den nach

Verhältniß des Standes nothwendigen Unterhalt zu gewähren.4 Die

einer

Erträgnisse

Pension oder

der

Frau

zustehenden

lebenslänglichen

eines Altentheils werden dem Manne zu eigen,

ist daher nach Auflösung

Rente,

die Ehefrau

der Ehe nicht befugt, die während der Ehe von

ihrem Ehemanne erhabnen Rentenbeträge und Altentheilsprästationen als ein­ gebrachtes Kapitalvermögen heraus zu verlangen. 5 Die Gläubiger —

abgesehen

jedoch

Geräthschaften6 — gesetzt,

des Mannes können seinen Nießbrauch am Frauengut von

den

zu ihrer

Mobilien

d. h.

Befriedigung in

den

Möbeln,

Anspruch

Hausrath,

nehmen,

voraus­

daß den mit dem Nießbrauch verbundnen Verpflichtungen gegen die

Frau Genüge

geschieht.

Es

gehört

demnach im

Fall des Konkurses des

Ehemannes dessen Nießbrauch an dem Vermögen seiner Ehefrau zur Konkurs­

Aus den Nutzungen kann der Gemeinschuldner die Mittel zu seinem

masse.

angemeßnen Unterhalt und zur Erfüllung

seiner gesetzlichen Verpflichtungen

hinsichtlich der Erhaltung von Frau und Kindern fordern.7 3.

Der Ehemann hat die Verwaltung des Frauenguts.

selbständig berechtigt,

Er ist daher

auf seine Kosten die Substanz des Vermögens zu ver­

ändern und namentlich

auch

an Grundstücken Umgestaltungen vorzunehmen,

durch welche deren Ertrag vermehrt oder wenigstens nicht dauernd verringert wird.8

Dagegen ist dem Ehemann nicht verstattet, ohne Zustimmung seiner

1) L. R. II, 1 §. 231 ff. 2) Es gelten dieselben Grundsätze, wie beim gewöhnlichen Nießbrauch.

3) L. R. II, 1 §. 231. 4) L. R. II, 1 §. 256. 5) Striethorst Archiv Bd. 49 S. 270, Bd. 56 S. 345. 6) Dies bestimmt die Deklaration vom 7. April 1838 §. 3. 7) L. R. II, 1 §. 257. Reichskonkursordnung §. 1 Abs. 2. vgl. Preußische Konkursordnung §. 93. 8) Allerdings spricht sich das Landrecht hierüber nicht aus. Aus der einfachen Bezugnahme auf die Grundsätze des Nießbrauchs scheint zu folgen, daß L. R. I, 21 §.25 ff. Anwendung zu finden hätten, daß also dem Manne das Recht der Ver-

§. 30.

89

Rechte des Mannes.

Frau Verfügungen zu treffen, welche die Substanz verschlechtern, z. B. einen

Forst unwirthschaftlicherweise abzuholzen;9 wegen derartiger Maßnahmen kann

die Frau

auch

während der Ehe die geeigneten Rechtsmittel ergreifen, wie

auch Herstellung des frühern Standes fordern. Auch

zur Verpachtung

und Vermietung der eingebrachten Objekte für

die Dauer der Ehe bedarf der Mann nicht der Zustimmung seiner grau.1011 Was

das Recht des Ehemannes zu Veräußerungen betrifft,

altes sächsisches Recht,

so war

daß der Mann an der Fahrniß das Veräußerungs­

recht hatte, bei Veräußerung der Grundstücke aber an die Zustimmung der Frau gebunden todt.12

Bezüglich der Forderungen,

die im Lauf der Zeit

zu einem immer wichtigeren Vermögenstheil wurden, machte sich die Tendenz

geltend,

die

selbständige Verfügungsmacht des Mannes zu beschränken. 13

Rach dem Landrecht bestehen folgende Sätze.

Ueber die eingebrachten Mobilien, Möbeln, Hausrath, Gerätschaften hat

der Mann

nach Außen hin

veräußern oder verpfänden.^

volle Verfügung;^ er kann sie beliebig

Es war streitig geworden, ob die Gläubiger

änderung der Substanz ohne Zuziehung der Frau nicht zustünde. Nach der histori­ schen Gestaltung des Verhältnisses, ferner mit Rücksicht darauf, daß dem Manne die Verwaltung überwiesen ist und nach der Gesammtheit der landrechtlichen Bestim­ mungen wird man sich aber der entgegengesetzten Ansicht anzuschließen haben, Borne­ mann Bd. 5 S. 92.

9) 10)

Striethorst Archiv Bd. 89 S. 272. Präjudiz des O. Trib. n. 1796.

11) Es ist kontrovers, ob der Ehemann die Befugniß hat die eingebrachten Ob­ jekte seiner Ehefrau auch über die Zeit seines ehemännlichen Nießbrauchs hinaus zu vermieden und zu verpachten. Hiefür beruft man sich auf das Verwaltungsrecht des Ehemannes, sowie darauf, daß er seine Ehefrau und die häusliche Gemeinschaft zu vertreten habe. Die Gründe der entgegengesetzten Ansicht sind, daß der Ehemann in Folge seines Rechts an dem Frauengut, nicht aber als Vertreter seiner Frau vermiethe und verpachte, daß daher der allgemeine Grundsatz resolute jure concedentis resolvitur jus accipientis Platz greifen müsse — L. R. I, 19 §.33 —, daß also die Bestimmung von L. R. 1, 21 §. 388 — konform der 1. 9 §. 1 D. locati conducti 19, 2 — zur Anwendung zu kommen habe, wonach der Nachfolger den Mieth- oder Pachtkontrakt zu den gesetzlichen Kündigungsterminen zu kündigen befugt ist, wenn der Verpächter oder Vermiether nur auf Lebenszeit oder sonst auf Zeit das Verfügungsrecht über die Sache hat. Diese letztere Auffassung hat das O. Trib. Entsch. Bd. 26 S. 138 ff. und sonst öfter angenommen und zu der in der Praxis herrschenden gemacht. Der Miether oder Pächter bedarf daher, um sicher zu gehen, der Einwilligung der Ehefrau. Hat er ohne solche dem Ehemann praenumerando gezahlt, so hat er kein Retentionsrecht gegenüber der Ehefrau, Striethorst Archiv Bd. 78 S. 305 ff.

12)

Vgl. oben S. 74.

13) Es hat dies im Civilgesetzbuch des Königreichs Sachsen §. 1677 dahin ge­ führt, daß die Erhebung und Einklagung von Forderungen der Frau allgemein an ihre Einwilligung gebunden wurde. 14)

L. R. II, 1 §. 247.

15) Ueber seine Verpflichtung gegenüber der Frau im Fall einer Veräußerung ohne deren Zustimmung siehe unten §. 32.

Das eheliche Güterrecht.

90

des Mannes

im Wege

der Exekution aus den Mobilien der Ehefrau ihre

Befriedigung suchen könnten,

ners für sich ausübten.

indem sie das Berfügungsrecht ihres Schuld­

Die Verordnung vom

7. April 1838 hat ihnen

eine derartige Befugniß abgesprochen und die Jnterventionsklage der Ehefrau in solchen Fällen für begründet erklärt.16 Ob dem Mann dasselbe Verfügungsrecht auch für andre Bestandtheile

des Mobiliarvermögens der Frau, insbesondre für Jnhaberpapiere und nicht

auf

den Namen der Frau geschriebene Forderungen zusteht,

dem Gesetze als zweifelhaft.

erscheint nach

Die Praxis hat die Frage im bejahenden Sinn

gelöst.17 Dagegen ist der Ehemann nicht befugt, Grundstücke und eintragungs­

fähige Gerechtigkeiten z. B. auch eine Superficies, ohne die ausdrückliche Ein­

willigung seiner Frau zu veräußern, zu verpfänden oder mit einer bleibenden

dinglichen Last

zu

beschweren.18

Es kann ferner der Mann Kapitalien,

welche auf den Namen der Frau oder ihrer Rechtsvorfahren geschrieben sind,

ohne deren Bewilligung nicht einziehen, kündigen, veräußern oder verpfän­ den. 19

Das gilt nicht bloß von hypothekarischen,

sondern auch von chiro-

16) Das Obertribunal hatte schon vorher, Entsch. Bd. 2 S. 196, in gleichem Sinn entschieden. 17) Nicht auf den Namen der Frau geschriebene Forderungen unterliegen weder den gesetzlichen Grundsätzen über Immobilien, noch über Mobilien L. R. I, 2 §. 7. Man könnte daher aus L. R. II, 1 §. 231 schließen, daß der Mann nur die Stel­ lung eines gewöhnlichen Nießbrauchers habe und das Kapital nicht antasten dürfe. Da aber L. R. II, 1 §. 233 die Zustimmung der Frau nur zu Disposition des Ehe­ manns über Forderungen verlangt, die auf den Namen der Frau oder ihrer Rechts­ vorfahren geschrieben sind, so ergibt sich argumento a contrario, daß solche Zu­ stimmung bei andern Forderungen nicht nöthig ist. Dies wird noch unterstützt durch A. G. O. I, 1 §§. 19, 23, wonach der Mann zu gerichtlichen Verhandlungen über Kapitalien, die nicht auf den Namen der Frau geschrieben sind, die Zuziehung und Ein­ willigung der Frau nicht bedarf, so daß er folgerecht auch zu selbständigen außergericht­ lichen Verfügungen legitimirt sein muß. Striethorst Archiv Bd. 24 S. 74. Ueber Papiere auf den Inhaber vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 71 S. 63. Es wird übri­ gens dort angenommen, daß der Mann auf Grund seines Verwaltungsrechts nicht befugt fei, dem Vormund der Frau die Rechnungslegung über die vor der Verheirathung geführte Verwaltung ihres Vermögens einseitig zu erlassen. Nur bei For­ derungen, die in quali und quanto feststünden und nicht auf den Namen der Frau geschrieben sind, bestehe die freie Verfügung des Mannes. 18) L. R. II, 1 §. 232. Während die augusteische lex Julia de adulteriis die Veräußerung italischer Dotalgrundstücke an die Zustimmung der Frau knüpfte und nur die Verpfändung schlechthin verboten hatte, erklärte Justinian Dotalgrundstücke schlechthin als während der Ehe unveräußerlich auch mit Zustimmung der Frau, eine Bestimmung die total unpraktisch war; pr. J. quibus alienare licet 2, 8. Gemein­ rechtlich ließ man die Veräußerung unter Zustimmung der Frau zu, jedenfalls wenn sie eidlich bekräftigt (cap. 28 X. de jurej. 2, 24) oder wiederholt wurde, Glück Bd. 25 S. 417, oder wenn die Zustimmung der Obrigkeit eingeholt war. 19) L. R. II, 1 §. 233. Unter Kapitalien sind zu verstehen Forderungen, die behufs einer Kapitalanlage ausgethan sind. Der Anspruch auf die noch ausstehende

91

Rechte des Mannes.

§. 30.

grapharischen Forderungen, wenn die Schuldurkunden auf den Namen der

Frau oder ihrer Vorfahren gestellt sind,

Auch Jnhaberpapiere, die unter

dem Namen der Frau oder ihrer Rechtsvorfahren außer Kurs gesetzt sind,

gehören zweifelsohne hierher.

Zinsenrückstände — auch voreheliche — sind

zu den Kapitalien im Sinne des Gesetzes nicht zu rechnen.

Die Bewilligung

der Frau muß schriftlich feilt.21 * * * 20 Die Frau ist gehalten, die Bewilligung zu der Verfügung des Mannes zu ertheilen, falls sie durch eine die Substanz betreffende Ausgabe erfordert

ist,22 ferner bei Kapitalien, wenn sie unsicher wurden, wenn der Schuldner

kündigt

oder der Mann sie höher nutzen kann, wobei aber Voraussetzung

ist, daß der Mann das Kapital bei einem Andern oder bei sich selbst gegen

hinlängliche Sicherheit belegt.23

Die zu Unrecht verweigerte Einwilligung

der Frau ist durch das Vormundschaftsgericht zu ergänzen. Hat der Ehemann eingebrachte Kapitalien ohne Zustimmung eingezogen,

so

hat

sich

die Frau

zuvörderst an den Mann zu halten,

Schuldner insoweit in Anspruch nehmen,

als

sie kann den

sie von ihrem Manne nicht

befriedigt werden kann.24 Wenn

der Ehemann eingebrachte

Kapitalforderungen

der

Frau mit

deren Konsens einzieht, so thut er dies nur als Verwalter des Frauenguts. Es können ihm daher richtiger Ansicht nach eigne Schulden hierbei nicht zur

Kompensation entgegengestellt werden.

Seinerseits kann er solche Forderungen

der Frau nur mit deren Bewilligung zur Kompensation benutzen.

allem Uebrigen

regelt sich

Auch in

das Kompensationsrecht mit Schulden des einen

Ehegatten gegen Forderungen des andern nach allgemeinen Grundsätzen.25

Der Ehemann ist in Folge seines Verwaltungsrechts nicht für befugt

zu erachten, einseitig einer Erbschaft,

welche seiner Frau anfällt, zu ent­

sagen; ebenso

Entsagung

wenig

Mannes frei.26

steht

dieser

die

ohne Bewilligung

ihres

Der Ehemann ist durch sein Verwaltungsrecht nicht ermäch-

Valuta einer von der Frau übernommnen Darlehnsschuld oder Grundschuld, oder eines Wechsels kann zu den Kapitalien in dem Sinn, um den es sich hier handelt, nicht gerechnet werden. 20) Striethorst Archiv Bd. 12 S. 32. 21) Entsch. des O. Trib. Bd. 19 S. 423. Für die Bewilligung der Kündigung eines Kapitals soll keine Form nöthig sein nach Präj. des O. Trib. n. 1095. 22) L. R. II, 1 §. 234. 23) L. R. II, 1 §. 236 ff.

24) L. R. II, 1 §. 243 ff. 25) Vgl. hierüber L. R. I, 16 §. 336 ff. burg Kompensation §. 41. 26) $rg. L. R. I, 9 §. 389.

Gruchot Bd. 4 S. 15 ff.

Dern­

92

Das eheliche Güterrecht.

tigt, seine Frau der Art zu verbinden,

belüftet27

daß er sie persönlich mit Schulden

Die ehemännliche Vormundschaft ist eine sachliche.

Die Eigenschaft des Mannes als Verwalters des Frauenguts steht dem

nicht entgegen, daß er voreheliche Forderungen, welche ihm gegen seine Frau

zustehen,

im Streitfall gegen sie einklagt.28

einzieht und

Dieselben Rechte

hat der Mann auch dann, wenn er voreheliche Schulden für sie berichtigt hat und hierdurch an die Stelle des abgefundnen Gläubigers getreten ist.29

Das Nießbrauchsrecht

des

Ehemanns

an

einem

eingebrachten Objekt

erlischt, wenn dasselbe durch ihn oder mit seiner Zustimmung veräußert wird.

Denn sein Recht ist

daran gebunden,

daß das fragliche Objekt die Eigen­

schaft des Eingebrachten behält. Das Landrecht hat die Rechte des Ehemannes am Eingebrachten in dem

Fall

wesentlich beschränkt,

Vormundschaft

ist.

Zwar

daß

die Ehefrau noch minderjährig

gebührt

dem Manne auch

und unter

in diesem Fall

Nießbrauch, die Verwaltung jedoch nur in beschränktem Maße.

der

Jedenfalls

bleibt die Substanz der Aufsicht des Vormunds und des Vormundschafts­ gerichts unterworfen; bei jeder Veränderung der Substanz gebührt dem Vor­

mundschaftsgericht Baare Gelder

die Entscheidung,

und Kapitalien

dasselbe hat

den Ehemann zu

hören.

sind dem Ehegatten in der Regel nur gegen

hypothekarische Sicherheit in die Hände zu geben.30 31 Diese Bestimmungen haben ihre Wurzel nicht im Eherecht, sie beruhten

in der Einwirkung des Vormundschaftsrechts auf die Stellung des Ehemannes. Da sie nun durch die Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 nicht besonders

aufrecht erhalten sind und im Widerstreit mit deren Grundgedanken stehen,

wonach

es

verwalten,

31

nicht Sache

des Vormundschaftsgerichts

so sind sie seit Inkrafttreten

ist,

jener Ordnung

das Mündelgüt zu

als

er der volljährigen Frau gegenüber hat,

Anspruch

zu

auch der minderjährigen gegenüber

zu, soweit sie nicht etwa durch Eheverträge ausgeschlossen sind. hingegen

aufgehoben

Nach dieser Auffassung stehen dem Ehemanne die Rechte, welche

wahrt die Rechte der Frau an deren Statt. auf Besitz

und Verwaltung des

Vermögens

Der Vormund

Der Mann hat also der minderjährigen

27) Wenn daher der Ehemann Objekte seiner Frau ohne deren Zustimmung veräußert, so trifft ihn in der Regel allein die Gewährschaftspflicht. 28) Entsch. des O. Trib. Bd. 32 S. 83. 29) Striethorst Archiv Bd. 61 S. 1. Der Ehemann, welcher von seiner Frau Zahlung verlangt, kann der Kompensation mit einer zum eingebrachten Vermögen gehörigen Forderung nicht widersprechen. Striethorst Archiv Bd. 86 S. 4. 30) L. R. II, 18 §. 736 ff. Dort finden sich weitere Details. 31) Die entgegengesetzte Ansicht vertreten die Beschlüsse des Berliner Stadt­ gerichts n. 9 bei Johow Bd. 5 S. 279, sowie Neumann die Vormundschaftsordnung S- 194, Brettner bei Gruchot Bd. 20 S. 699.

§. 31.

Rechte der Ehefrau.

Frau in der gewöhnlichen Weise.

Der Vormund hat dem Ehemanne das

Vermögen auszuantworten und Schlußrechnung zu legen.

setze die Zustimmung

der

Frau

93

Soweit vom Ge­

zur Veräußerung ihrer Vermögensobjekte

gefordert wird, ist sie während ihrer Minderjährigkeit an die Zustimmung des

Vormunds wie auch des Vormundschaftsgerichts, wo diese nach der Vormund­ schaftsordnung der Handlung des Vormunds hinzutreten muß, gebunden.32 §. 31.

Rechte der Ehefrau^

Auch während der Ehe kommen der Ehefrau bezüglich des Eingebrachten diejenigen Rechte und Pflichten zu, welche sich an das nackte Eigenthum oder auch

an den vollständigen Besitz knüpfen.

zu Klagen auf Anerkennung ihres Rechts

Die Frau ist hiernach legitimirt und auf Herausgabe der Jllaten,

so weit ihr nicht die aus dem Nießbrauch ihres Mannes entspringenden Be­ schränkungen entgegenstehm,2* 1 umgekehrt sind

auf die

welche Rechte

sollen.3

Substanz

Klagen gegen

sie

zu richten,

des Eingebrachten zur Geltung

bringen

Die Ehefrau kann namentlich Grundstücke und Gerechtigkeiten vin-

diciren, welche ihr Mann ohne ihre Zustimmung veräußert hat.4 Der Frau steht weiter das Recht zu, auf ihren und ihrer Kinder Unter­ halt 5 aus dem Eingebrachten zu klagen, wenn derselbe vom Mann willkürlich

versagt wird.6

Ist ihr der Unterhalt dadurch verkümmert, daß Gläubiger

des Mannes den Nießbrauch in Beschlag nehmen, so kann sie interveniren

und durch

Wird

den Nachweis dieser Thatsache den Gläubigern entgegentreten.7

der Frau

aber der Unterhalt um deswillen nicht gewährt,

weil der

Mann hierzu nicht mehr im Stande ist, so erwirbt sie das Recht, das Ein­

gebrachte zu

eigner Verwaltung zurückzusordern;8 der Ausbruch des Kon-

32) So Dernburg Vormundfchaftsrecht §. 87 S. 228 und Löwenstein Vormund­ schaftsordnung §. 102. Vgl. auch Wundsch bei Gruchot Bd. 21 S. 361.

1) L. R. n, 1 §. 254 fs. 2) Hierher gehören namentlich die Jnterventionsklagen, wenn ihr Eingebrachtes von den Gläubigern des Mannes gepfändet wurde. 3) Striethorst Archiv Bd. 14 S. 38. 4) L. R. I, 15 §. 7. 5) L. R. 1,1 §. 256. 6) L. R. II, 1 §. 712. Die Ehefrau ist zur Rückforderung der Jllaten nicht berechtigt, wenn ihr Mann ihr den Unterhalt versagt, obgleich er zu dessen Gewäh­ rung im Stande ist, Entsch. des O. Trib. Bd. 68 S. 29, Striethorst Archiv Bd. 86 S. 162. Das Recht der Zurückforderung entsteht nach L. R. II, 1 §. 258 nur, falls der Mann den Unterhalt zu gewähren nicht vermögend ist. 7) Entsch. des Ob. Trib. Bd. 71 S. 52. 8) L. R. II, 1 §. 256. Vgl. über die Zurückforderung der dos, wenn der Mann in Vermögensversall gerieth, 1. 22 §. 8, 1. 24 pr. D. sol. matr. 24, 3, 1. 29, 1. 30 C. de jure dot. 5, 12. Das Zurückforderungsrecht tritt nicht ein, so lange der Frau der nothwendige Unterhalt, zu dem der Mann nicht mehr im Stande ist, von

Das eheliche Güterrecht.

94

über den Mann ist hierzu nicht erfordert;

kurses

die Eröffnung des Kon­

kurses über den Mann genügt nicht, um den Gläubigern den Nießbrauch zu

entziehen,

so lange

der Frau der Unterhalt

gewährt wird.9* * * Nach * * * * Been­

digung des Konkurses fällt die Verwaltung und die Nutzung des Eingebrachten an die grau.10

tete,

sondern

Es gilt dies nicht bloß für das aus dem Konkurs Geret­

auch

für später

der Frau zukommende Vermögensobjekte.11

Aus den Einkünften muß der Unterhalt des Mannes und der mit ihm erzeugten Kinder

besorgt werden.

Auch

ist die Frau in diesem Fall denselben Ein­

schränkungen. von Seiten des Mannes unterworfen, welche sonst bei der Ver­ waltung des Mannes Seitens der Frau stattfanden.

in

bessere Vermögensumstände

Gelangt der Mann wieder

und hatte der Konkurs nicht in dessen Nach­

lässigkeit oder Verschwendung seinen Grund, so gebührt ihm wieder die Ver­ waltung und der Nießbrauch des Eingebrachten der Frau.

Das frühere preußische Recht

hatte die Sicherungsmittel,

römische Recht der Frau wegen Rückerstattung Maße zutheilte, zu einem erheblichen Theil

brachten übertragen.

ihrer Dos

welche das

in so reichlichem

auf die Verhältnisse des Einge­

Der Frau stand hiernach außer einem Pfandrechtstitel

ein Vorrecht im Konkurse des Mannes zu,12 die preußische Konkursordnung

vom 8. Mai 1855 erkannte dasselbe Nichtkausmanns,13

aber nur noch an beim Konkurs eines

die Reichskonkursordnung hat

das

Vorrecht

schlechthin

beseitigt.

Dagegen hat sich erhalten ein Anspruch auf Pfandrechtsbestellung. hat die Frau

Verwaltung

die Befugniß,

innerhalb

des Mannes ihre Ansprüche

eines Jahrs

Es

nach dem Beginn der

wegen des Eingebrachten hypothe-

Dritten, insbesondre Seitens der Gläubiger des Mannes gewährt wird. Präj. des O. Trib. n. 75. Die Rückforderungsklage ist gegen den Mann zu richten; das auf Grund derselben ertheilte Erkenntniß kann den Gläubigern des Mannes, welche später die Jllaten zu ihrer Befriedigung verlangen, entgegengesetzt werden. Haben die Gläu­ biger dagegen die Revenüen des Eingebrachten bereits mit Beschlag belegt, so kann die Frau die Aushebung der Beschlagnahme nur dadurch erwirken, daß sie ihr Recht auch gegen die Gläubiger klagweise geltend macht, Striethorst Archiv Bd. 36 S. 304. 9) Vgl. oben S. 88.

10) L. R. II, 1 §. 261 ff. art. VIII.

Einführungsgesetz zur Konkursordnung von 1855

11) Striethorst Archiv Bd. 18 S. 104. 12) Die Ehefrau hatte nach römischem Recht unter den Personalgläubigern ein privilegium exigendi 4. 17 §. 1, 1. 18, 1. 19 pr. D. de rebus a. judicis 42, 5, ferner aber seit Justinian ein gesetzliches und privilegirtes Pfandrecht behufs Rück­ gabe ihrer dos. 1. un. C. de rei. uxoriae a. 5, 13, 1. 12 C. qui pot. in pignore 8, 18. Auch nach der A. G. O. I, 50 §. 406 hatte die Ehefrau in Ansehung ihres Eingebrachten allgemein das Vorrecht der vierten Klasse, insofern sie nicht die noch vorhandnen Effekten vindicirte oder durch Eintragung ihres Pfandrechtstitels einen Platz in der dritten Klasse erhalten hatte.

13) Konkursordnung vom 8. Mai 1855 §. 80 Abs. 2.

§. 32.

95

Auseinandersetzung.

karisch auf dessen Grundstücke eintragen zu lassen.14

Erwirbt der Mann

später Grundstücke, so läuft die Frist von deren Erwerb an.15

Die Frist

beginnt für jedes Grundstück besonders, die Versäumniß für das eine Grund­

stück steht der rechtzeitig nachgesuchten Eintragung auf das andre nicht ent­ gegen.

halb

Es genügt die Anmeldung der Hypothek beim Grundbuchamt inner­ der Frist

und sofern der Ehemann die Bewilligung zur Eintragung

nicht ertheilt, die Erhebung der Klage auf Bewilligung innerhalb derselben.16

Die Frau

hat ferner — auch nach Ablauf des Jahrs — Anspruch

auf Sicherstellung,

wenn sich Umstände ereignen,

welche die wahrscheinliche

Besorgniß eines bevorstehenden Verlustes begründen.17

Es ist hierbei nicht

wirkliche Vermögensunzulänglichkeit erfordert; es genügen auftauchende ernste

Gefahren und Schwierigkeiten des Mannes seinen Verbindlichkeiten gerecht zu werden.18 §. 32.

Auseinandersetzung.

Die Auseinandersetzung der Vermögen von Mann und Frau kommt vor­

zugsweise zur Sprache im Fall der Auflösung der Ehe durch Tod oder Schei14) L. R. II, 1 254 bestimmte: wenn der Mann Grundstücke besitzt, so kann die Frau auch ohne besondre Einwilligung desselben die wegen ihres Eingebrachten ihr zukommenden Rechte in dem Hypothekenbuche vermerken lassen. Das Einführungs­ gesetz zur Konkursordnung vom 8. Mai 1855 beschränkte diesen gesetzlichen Titel zum Pfandrecht dahin, daß die Ehefrau nur die Befugniß habe ihre Ansprüche wegen des gesetzlich in die Verwaltung des Mannes gekommnen Vermögens innerhalb eines Jahres nach dem Beginn der Verwaltung des Mannes in das Hypothekenbuch über die Grundstücke desselben eintragen zu lassen. Eine entsprechende Bestimmung hat das Preußische Ausführungsgesctz zur deutschen Konkursordnung §. 4 für die Landestheile außerhalb des Geltungsbereichs der Konkursordnung vom 8. Mai 1855 getroffen. 15) So bestimmt Art XII des Einsührungsgesetzes zur Konkursordnung vom 8. Mai 1855 Abs. 2. Diese Bestimmung ist nicht anwendbar, wenn wie bei einer Gemeinheitstheilung ein neu erworbnes Grundstück gesetzlich in die Rechtsstellung des alten tritt.

16) Zur Zeit des Erlasses des Einführungsgesetzes zur Konkursordnung konnte die Ehefrau ohne weiteres ihren gesetzlichen Hypothekenlitel beim Hpothekenrichter zur Eintragung anmelden und wahrte hierdurch die Frist. Derzeit bedarf es der Bewil­ ligung des Mannes. Es muß daher, wenn dieselbe nicht gewährt wird, die Erhebung der Klage auf dieselbe zur Erhaltung des Anspruchs genügen. 17) L. R. II, 1 §. 255. Das Obertribunal hat sich mehrfach dahin entschieden, daß die Frau auf Grund dieser Bestimmung auch nach dem Inkrafttreten der preu­ ßischen Konkursordnung die Bewilligung des Mannes zur Eintragung einer Hypothek nach Ablauf des Jahrs verlangen könne. So namentlich Entsch. Bd. 43 S. 433 ff., vgl. auch Striethorst Archiv Bd. 82 S. 190, dagegen hat sich ausgesprochen Beiseit bei Gruchot Bd. 10 S. 469 ff.

18) Nach der Reichskonkursordnung §. 25 unter 2 — ähnlich früher Preußische Konkursordnung — ist die innerhalb zwei Jahren vor der Konkurseröffnung vom Ehe­ manne bewirkte Sicherstellung des Eingebrachten anfechtbar, sofern der Mann nicht zu der Sicherstellung durch das Gesetz verpflichtet war. Die entsprechende Anfechtung haben auch einzelne Gläubiger außerhalb des Konkurses nach dem Anfechtungsgesetz. Der §. 255 von L. R. II, 1 schützt begreiflich die Frau sehr häufig gegen diese An­ fechtung.

Das eheliche ÄÜterrecht.

96

düng,

doch

wird sie unter Umständen auch während der Ehe

erforderlich.

Sie kann durch gegenseitiges Einverständniß mittels eines Schichtungsvertrags welcher Natur und Kraft eines Vergleichs hat.1

erfolgen,

Jeder Theil ist

aber auch befugt, auf gerichtliche Auseinandersetzung anzutragen.2

Für dieselbe war historisch das Vorbild die römische Dotalklage. merhin bestehen erhebliche Verschiedenheiten.

Im­

Denn jene Klage bewegte

durchweg in den Formen des gewöhnlichen Processes,

sich

die Auseinandersetzung

hingegen, wie sie bei uns stattfindet, ist in der Regel ein Akt der freiwilli­ gen Gerichtsbarkeit;

nur sofern sich streitige Fragen erheben,

sind

dieselben

im Wege der Klage durch den betreibenden Theil an das Proceßgericht

bringen

und

durch

dieses

präjudiciell

zu

entscheiden.

Ferner

hatte

zu die

römische Dotalklage eine einseitige Gestalt, indem sie nur die Restitution der

Dos

zum Gegenstand

hatte;

die Auseinandersetzung

hat einen zweiseitigen

Charakter.

Der Ehegatte, welcher einzelne zu seinem Vermögen angeblich gehörende

Objekte besonders herausfordert,

kann auf ein vorgängiges das Ganze um­

fassendes Absonderungsverfahren verwiesen werden, sofern es sich zur Vermei­

dung von Dunkelheiten und Widersprüchen und mit Rücksicht

auf Gegenan­

sprüche als nothwendig herausstellt, daß eine Erörterung des beidseitigen Ver­

mögensstatus im Ganzen vorhergehe.3 4

Der Anspruch auf Absonderung ist ein persönlicher;

er steht den Ehe­

gatten und deren Erben zu und ist abtretbar.

Das Verfahren hat zum Zweck, die jedem Theil gehörenden Vermögens­ theile auszusondern und die Geldansprüche festzustellen, welche gegen den Ehe­ gatten um deswillen erwuchsen, weil er Vermögen des andern Theils für sich

konsumirt hat oder wegen Verschuldung zur Schadloshaltung verpflichtet ist.

Entsprechend dem römischen Recht

haftet der Ehemann

bei

der Verwaltung

des Eingebrachten in der Regel für die Sorgfalt, wie er sie in eignen Din­

gen anzuwenden pflegt, doch ist dies keineswegs schlechthin sestgehalten.^

Im

Einzelnen ist Folgendes hervorzuheben:

1) Irrthum über das zur Anwendung kommende eheliche Güterrecht betrifft die Voraussetzungen des Schichtungsvertrags und wird in der Regel einen Grund für deffen Anfechtung bilden, vgl. jedoch Sttiethorst Archiv Bd. 48 S. 32 ff.

2) L. R. II, 1 §. 543, Gad bei Gruchot Bd. 4 S. 36 ff. 3) Entsch. des O. Trib. Bd. 30 S. 106 spricht sich absolut dahin aus: die Rückforderung des eingebrachten Vermögens könne nur im Wege einer vollständigen Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau, resp, deren Erben wegen des beidersei­ tigen Vermögens erfolgen. Dies geht jedoch zu weit, da hiefür nicht immer die proceffualische Zweckmäßigkeit, die hier allein in Betracht kommen kann, sprechen wird.

4) So namentlich L. R. II, 1 §. 555. Bei der Verwaltung von Grundstücken soll der Mann für mäßiges Versehen schlechthin einstehm nach L. R. II, 1 §.595.

1. Das eingebrachle Baarvermögen ist der Frau in gleicher Quantität

Da der Ehemann Eigenthümer geworden

und Qualität zurückzuerstatten.5

ist, so trifft ihn die Gefahr des Zufalls.

Die Frau oder deren Erben haben Zinsen erst von Ablauf des Viertel­ jahres an zu fordern,

in welchem der Tod oder die Ehescheidung erfolgte.6

Der geschiedne schuldige Ehegatte hat jedoch keinen Anspruch auf diese Be­ günstigung. 7

Hat

der Mann

aus

eingebrachte Gelder

den Namen

der Frau mit

ihrer Zustimmung ausgeliehen, so tritt diese Forderung an die Stelle ihres Anspruchs gegen den Mann, geschah die Ausleihung auf ihren Namen ohne

Zustimmung der Frau, so liegt eine Art negotiorum gestio vor; die Frau und ihre Erben haben daher die Wahl,

ob sie

oder baare Rückzahlung verlangen wollen.8 auch anzuwenden

wenn

haben,

übernehmen

die Forderung

Man wird dieselben Grundsätze

der Mann mit dem inferirten Geld

andre

Objekte auf den Namen der Frau erwarb.

2. Das Recht der Geltendmachung von Kapitalforderungen, welche die Frau einbrachte, oder die mit ihrer Zustimmung auf ihren Namen ausgethan wurden,

geht mit der Auflösung der Ehe auf die Frau über; dem Manne

liegt die Aushändigung

der Schulddokumente ob.9

und Verwaltung der Kapitalien

Wegen der Ausleihung

hat er für die Sorgfalt in eignen Dingen

einzustehen.10 Hat der Mann baare Gelder der Frau oder eingezogne Kapitalien auf

seinen Namen ausgeliehen, so erhält die Frau kein Recht auf dieselben;

sie

stehen auf seine Gefahr; der Frau gegenüber ist er Summenschuldner." 3. Wurden Mobilien eingebracht,12 also Möbel,

Hausrath und Ge-

räthschaften,13 so sind die noch vorhandnen, sowie die an ihrer Stelle

Vgl. 1. 42 D. de jure dotium 23, 3.

5)

L. R. II, 1 §. 548.

6)

L. R. II, 1 §. 549.

7)

L. R. II, 1 §§. 744. 767.

8)

L. R. II, 1 §§. 550. 551.

9)

L. R. II, 1 §. 553.

10)

an-

L. R. II, 1 §§. 554. 555.

11) L. R. II, 1 §. 556. Wurden die Kapitalien der Frau auf den Namen beider Ehegatten ausgeliehen, so sind die Eheleute als Miteigenthümer anzusehen, der Mann wird dann zur Hälfte Summenschuldner der Frau. L. R. II, 1 §§. 557. 558. Hat der Mann eigne Kapitalien auf den Namen seiner Frau ganz oder theilweise ausgeliehen, so wird diese Gläubigerin, aber soweit ihr hieraus ein Vortheil erwuchs, dem Manne verschuldet, sofern nicht eine Schenkung unterläuft. Ueber die Rechte der Gläubiger des Mannes vgl. oben S. 82. Wenig korrekt hiernach Präj. d. O. Trib. n. 2270, Entsch. Bd. 20 S. 250 sf.

12)

L. R. II, 1 §. 559 ff.

13)

L. R. I, 2 §. 18.

Dernburg, Preußisches Privatrecht. III.

7

Das eheliche Güterrechi.

98

geschafften der Frau zurückzuerstatten.

Einen Anspruch

auf Schadloshal­

tung wegen Verbrauch oder Verschlechterung der Mobilien hat aber die Frau

nur, wenn dem Manne Vorsatz oder grobes Versehen zur Last liegt14 15 16 Hat 17 der Mann die Mobilien veräußert, er den

erlösten Preis zu

ohne

ein Surrogat anzuschaffen,

erstatten verpflichtet,

so ist

die Veräußerung mit

wenn

Zustimmung der Frau geschah oder nothwendig war,

sonst hat er ihr den

Werth zur Zeit der Veräußerung zu gewähren."

Sind die Mobilien unter einer Taxe übernommen, so gilt dieselbe nicht

wie nach römischem Recht

im Zweifel

als des Verkaufs willen zugefügt,11

vielmehr hat die Frau, wie auch ihre Erben in der Regel die Wahl zwischen

der Erstattung der Mobilien und deren angeschlagnem Werth.18 19Bei gesonder­ ter Taxirung der einzelnen Objekte

besteht für jedes Stück das Wahlrecht.

Im Fall der Ehescheidung greift das Wahlrecht nur ein zu Gunsten des un­

schuldigen gegenüber dem für schuldig erklärten Theil."

Den

Mobilien

im

eigentlichen Sinne

Sachen, welche dem Gebrauch,

die Frau Objekte mit,

kommen,

um

die nur

z. B. Erntevorräthe,

stehen

gleich

nicht dem Verbrauch

so

andre bewegliche

dienen.

Brachte aber

ihres Geldwerths willen

in Betracht

ist der vom Ehemann erlöste Preis oder

wenn dieser nicht zu ermitteln ist, ihr Marktwerth zu ersetzen. 2° 4.

Dem Manne soll

es, wenn die

Ehe durch

den Tod der

Frau

gelöst wurde, besonders erleichtert werden, von der Frau eingebrachte Immo­

bilien zu übernehmen,

theils

um verwickelte Processe

über den Betrag von

Meliorationen und Deteriorationen abzuschneiden, theils aber um den Mann

dagegen zu sichern,

lang

bewirthschaftet,

daß er ein verbessert,

inferirtes Gut,

nach

seinem

welches Geschmack

er vielleicht Jahre eingerichtet

hatte,

plötzlich nach dem Tode seiner Frau aufgeben müsse. 21

14) L. R. II, 1 §. 560, vgl. oben S. 89 ff. Eine Uebereinkunft der Eheleute ist nicht erfordert. 15) L. R. II, 1 §. 561. 16) Vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 51 S. 240. 1.32 D. de jure dotium 23,3. Windscheid Bd. 2 § 500 Anm. 10. 17) 1. 10 pr. §. 5 D. de jure dotium 23, 3: aestimatio venditio est. War die Taxe bloß taxationis causa zugefügt, so hatte nach römischem Recht der Mann die Wahl, die Dotalobjekte, sofern sie vorhanden waren, zu restituiren oder die An­ schlagssumme 1. 10 §. 6. 1. 11 D. de jure dotium 23, 3. 18) Auch hier gilt also, was 1. 10 pr. D. de jure dotium 23,3 für die aesti­ matio venditionis causa besagt: eveniet, si aestimata sint et ea mulier adtrivit, ut nihilominus maritus aestimationem eorum praestet. Anders bei do­ lus oder culpa lata der Frau, L. R. II, 1 §. 56719) L. R.II, 1 §§. 752. 767. 20) L. R.II, 1 §§. 561. 579.Striethorst Archiv Bd. 79 S. 190, vgl. 1. 32 D. de jure dotium 23, 3. 21) L. R.II, 1 §.570. Vgl. v. Kamptz Jahrb. Bd. 41 S. 120 ff., ferner die bei Bornemann Bd.5 S. 155 ff. zusammengestellten Aeußerungen von Suarez. Die §. 570

Demgemäß

ist

99

Auseinandersetzung.

§. 32.

der Mann bei Trennung der Ehe durch den Tod der

Frau befugt, ein unter einem Anschlag eingebrachtes Gut oder eine immo-

biliare Gerechtigkeit für

die Anschlagssumme zu

erwerben,22 ohne Rücksicht

auf etwaige Vermehrung oder auch Verminderung des Werths während der

Bei theilweisem,

Ehe.

ohne Schuld des Mannes eingetretnem Verlust der

Substanz kann eine verhältnißmäßige Reduktion des Anschlags gefordert wer­

den; 23

sind dem Grundstück während der Ehe auf Kosten der Frau Perti­

nenzen zugeschlagen worden,

so hat

der Mann

hiefür besondren Ersatz

zu

leisten.24 War das Immobile ohne Anschlag inferirt,

so

liegt den Erben der

Frau ob, den Werth zu bestimmen und es hat dann der Mann die Wahl, dasselbe

für diesen Preisansatz zu nehmen oder den Erben zu überlassen.25

Können sich die Erben nicht

länger als sechs Monate

vereinigen oder verzögern

nach

sie die Bestimmung

gerichtlicher Aufforderung,

so

tritt

an die

Stelle jenes Preisansatzes eine gerichtliche Taxe.26 Im Fall der Auflösung der Ehe durch den Tod des Mannes hat die

Frau die Wahl,

ein unter einem Anschlag eingebrachtes Grundstück zurück­

zunehmen oder die Anschlagssumme zu fordern.2^ Ist bei

einer Ehescheidung kein Theil für den überwiegend schuldigen

erklärt, so fällt das Wahlrecht beidseitig weg;28 der unschuldige Ehegatte hat

dagegen dem schuldigen Theil gegenüber die Begünstigung der Wahl.

Nur

tritt an die Stelle des von den Erben der Frau zu bestimmenden Ansatzes die gerichtliche Taxe. 29

5. Der Beweis dafür, daß Frauengut in die Verwaltung des Mannes

gekommen sei, liegt nach allgemeinen Grundsätzen der Frau ob, welche dessen

wie §. 581 des Titels kommen in der Mark nicht zur Anwendung. mensdorff Bd. 2 S. 40.

22)

Scholtz und Her­

L. R. II, 1 §. 571.

23)

L. R. II, 1 §. 608.

24)

L. R. II, 1 §. 603 ff.

25) L. R. II, 1 §. 572. Die Bestimmung des Preises Seitens der Erben muß schriftlich geschehen. Es genügt daher auch nicht eine Erklärung zu gerichtlichem Pro­ tokoll , wenn die Erben die Unterschrift desselben verweigern. Entsch. des O. Trib. Bd. 64 S. 170. 26) Die zu diesem Behuf aufzunehmende Taxe ist nach den gewöhnlichen, nicht nach besondern, z. B. ritterschaftlichen Abschätzungsprineipien aufzunehmen, Striethorst Archiv Bd. 89 S. 116. Sie wird nicht ersetzt durch eine früher aufgenommene Jnformationstaxe. Die Kosten fallen den Erben und dem Ehemann gemeinsam zur Last. 27)

L. R. II, 1 §. 581, vgl. oben Anm. 21 am Schluß.

28)

L. R. II, 1 §§. 752.

29)

L. R. II, 1 §§. 767. 768.

DaS eheliche Güterrecht.

100

Herausgabe verlangt. vorbehaltlich

Anerkenntnisse

dem Manne

des Mannes sind hiefür Gegenbeweis,

und seinen Erben gegenüber unmittelbar beweis­

kräftig.

Man vermuthet aber auch,

daß alles,

was

die Frau

bei Eingehung

der Ehe besaß oder später mit Wisien des Mannes erwarb, in die Verwal­ tung des Mannes gekommen ist, sofern es nicht die Eigenschaft des Vorbe­

haltnen hatte.^o

Denn es liegt hierin das Legale und den Lebensverhältnissen

Entsprechende, so daß besondrer Beweis der Ueberlieferung an den Mann nur unter besondern Umständen, z. B. wenn die Frau zur Zeit eines Erwerbs

thatsächlich separirt lebte, zu fordern ist. 6.

Die Auseinandersetzung bezüglich

des Ertrags

des Vermögens im

letzten Ehejahr erfolgt nach den Grundsätzen des Nießbrauchs.30 31 Dieselben sind auch, wie oben bemerkt, grundsätzlich für die Frage der Anrechnung der Verwendungen maßgebend.

33.

Erbschatz.*

Der Erbschatz, wie man ihn bei Abfassung des Landrechts ersann, ist

Kapital/ welches dem Eigenthum nach den aus einer gewissen Ehe entsprin­ genden Kindern reservirt wird,

während

deren Eltern

eventuell aber auch das Eigenthum anheimfällt.

der Genuß

zusteht,

Mit der römischen dos hat

der Erbschatz gemeinsam, daß er eine Gabe zu den Zwecken der Ehe bildet, die juristische Konstruktion ist eine verschiedne.

30) Suarez bemerkte in der revisio monitorum: nach unsern heutigen Sitten und Gewohnheiten ist es wohl gewiß praesumtionis, daß die Frau, welche Vermö­ gen hat, solches marito inferire, Bornemann Bd. 5 S. 77. Es hat daher das Obertribunal Entsch. Bd. 30 S. 106 eine entsprechende gesetzliche Vermuthung angenommen. Dagegen freilich Koch zum §. 205 des Titels. 31) L. R. II, 1 §. 614 ff. Insbesondre gilt auch die Bestimmung von L. R. I, 21 §§. 170 und 171 beim maritalischen Nießbrauch, wonach die Nutzungen von ausstehenden Kapitalien bis zum Ablauf .desjenigen Vierteljahrs, in welchem der Nieß­ brauch aushört, zum Vermögen des Nießbrauchers gerechnet werden, trotzdem, daß die Pflicht zur Alimentation der Ehefrau mit dem Tage der Endigung des Nießbrauchs aufhört. Entsch. des O. Trib. Bd. 66 S. 140. Eine Modifikation der gewöhnlichen Grundsätze wird dadurch bewirkt, daß der überlebende Ehegatte bis zum Ablauf des nächsten Vierteljahrs nach dem Sterbequartal freie Wohnung im Hause des Vorver­ storbenen haben soll. L. R. II, 1 §. 617. Die Specialbestimmung des §. 616 ent­ spricht den Nießbrauchgrundsätzen und deklarirt sie für den besondern Fall. 1) L. R. II, 1 §§. 276 ff. 540. 761 ff. 778 ff. Der Erbschatz scheint eine Lieblingsidee des Großkanzlers von Carmer gewesen zu sein. Er wurde vorzugsweise um deswillen von den Redaktoren in das Gesetzbuch ausgenommen, Bornemann Bd. 5 S. 101. 2) Nach L. R. II, 1 §. 280. Ueber Radicirung durch Eintragung im Hypo­ thekenbuche oder auf Hypothekenforderungen siehe L. R. II, 1 282 ff.

Die Bestellung des Erbschatzes wurde vorzugsweise gedacht als von dritten Personen ausgehend, welche die Ehe unterstützen wollten.3 Der Mann hat während der Ehe Nießbrauch und Verwaltung, die Frau hat die­ selben Rechte, wie bei eingebrachten Kapitalien. Die Eheleute können den Erbschatz nicht veräußern, noch verpfänden oder sonst schmälern. Im Fall des Konkurses des Mannes ist ein Pfleger zu ernennen, welcher den Erbschatz für die Kinder in Anspruch nimmt. Nach Auflösung der Ehe behält der überlebende oder im Fall der Scheidung der unschuldige Ehegatte den Nießbrauch. Wenn die Ehe kinder­ los geblieben war, fällt nach ihrer Auflösung das Eigenthum des Erbschatzes an die gedachten Ehegatten. 4 5

Der Besteller kann während der Ehe den Erbschatz mit Zustimmung der Eheleute in eingebrachtes oder vorbehaltnes Vermögen verwandeln;3 diese Verwandlung steht auch den Eheleuten nach dem Tode des Bestellers durch Uebereinstimmung offen, wenn feststeht, daß ihre Ehe kinderlos bleibt. Das Institut, welches auf einem Mißtrauen gegen die Eheleute beruht und die künftige Descendenz derselben im Voraus gegen sie zu sichern sucht, hat im Leben keinen Boden gefunden.

B.

Allgemeine Gütergemeinschaft.1 §. 34.

Fälle der Geltung.

Das Landrecht hat — vorzugsweise auf Grund des usuellen lübischen Rechts 2 — ein subsidiäres gemeines Recht für die eheliche allgemeine Güter­ gemeinschaft entworfen zur Ausfüllung von Lücken und zur Erklärung von Dunkelheiten der statutarischen und Provinciellen Normen über Gütergemein­ schaft. Es sollte hiermit eine Leitung für die beabsichtigte Kodifikation der

3) L. R. II, 1 §. 276. L. R. II, 18 §. 738. schatzes durch die Eheleute L. R. II. 1 §. 478 ff.

Ueber Bestellung eines Erb­

4) L. R. II, 1 §§.288. 541, vgl. §. 778 ff.

5) L. R. II, 1 §. 294. 1) L. R. II, 1 §. 345 ff. „Sechster Abschnitt von der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten." — G. Philipps die Lehre von der ehelichen Gütergemeinschaft mit Rücksicht auf Preußisches allgemeines und provincielles Recht 1830. P. C. Deiters die eheliche Gütergemeinschaft nach dem Münsterschen Provincialrecht und dem preu­ ßischen Landrecht, 1831. Welter eheliches Güterrecht in Westphalen, 1861. 2) Es hebt dies ausdrücklich hervor die Anm. im gedruckten Entwurf des Gesetz­ buchs von 1784 Th. 1 Abth. 1 S. 72. Ob übrigens das lübische Recht wirklich dem System der Gütergemeinschaft zuzutheilen ist, ist freilich bestritten, die ältern Kom­ mentatoren nahmen dies für den Fall der beerbten Ehe an.

102

DaS eheliche Güterrechi.

Provincialrechte geschaffen werden.

Im Lause der Zeit wurde in einigen

Landestheilen die Gütergemeinschaft des Landrechts direkt eingeführt. In der einen oder andern Form ist hiernach die allgemeine Güter­ gemeinschaft für zahlreiche Distrikte des landrechtlichen Gebiets Territorial­ recht. 3 Häufig sind jedoch gewisse Stände von derselben eximirt.4 5 6Sofern der Ehemann nicht einem der Art eximirten Stande angehört, unterliegen die Ehegatten, wenn sie ihr erstes Domicil in einem Territorium der ehe­ lichen Gütergemeinschaft nehmen, diesem Recht ohne weiteres.3 Doch sind sie befugt, die Gütergemeinschaft auszuschließen. Hierbei ist das Verhältniß nach Innen und nach Außen zu unterscheiden. Die Ausschließung der Gütergemeinschaft vollzieht sich unter den Ehe­ gatten durch gerichtlichen Vertrag,3 derselbe muß vor der Ehe geschlossen sein; nach der Ehe ist zwar eine gerichtliche Vereinbarung gültig, wodurch die Gatten die Verhältnisse unter sich und insbesondre die künftige Succession so regeln, als wenn die Gütergemeinschaft nicht eingetreten wäre;7 für Dritte hat dies aber keine Bedeutung. Wer die Ausschließung der Gütergemeinschaft unter den Eheleuten kennt und sich mit einem derselben in Geschäfte einläßt, kann natürlich keine größe­ ren Rechte beanspruchen, als ihm das unter den Ehegatten bestehende Güter3) Vgl. hierüber im Allgemeinen oben §. 24 Anm. 1 und die dort angeführte Abhandlung von Neubauer.

4) In Ostpreußen z. B. ist sie für Adlige ausgeschlossen, in andern Landesthei­ len gilt sie nicht sür die s. g. Eximirten, d. h. die Personen, welche nach A. G. O. I, 2 §. 42 ff. einen eximirten Gerichtsstand hatten, in Westphalen sind die Personen des hohen Adels ausgeschlossen. L. R. II, 1 §. 346 spricht den allgemeinen Satz aus, daß die bloße statutarische Gütergemeinschaft nicht für Eximirte gilt; dies im Gegen­ satz zu provincialrechtlicher Gütergemeinschaft. 5) L. R. II, 1 Anm. 5.

§§. 345. 350 ff.

Ueber

mehrere Domicile

vgl. oben §. 4

6) Nach §. 2 des Gesetzes vom 20. März 1837 kann im Gegensatz zum frühern Recht die Aufnahme des Vertrags vor jedem Richter, nicht bloß dem persönlichen, erfolgen. Nach §. 3 bedarf es keiner besondern gerichtlichen Verlautbarung oder Bestä­ tigung des Vertrags.

7) L. R. II, 1 §§. 412. 413. Zwar wird hier ausgesprochen, daß während der Ehe die Aufhebung einer auf Provincialgesetze und Statuten sich gründenden Gemein­ schaft auch mit Bewilligung der Eheleute in der Regel nicht stattfinde. Es bestimmt jedoch §. 418 des Titels, es stehe den Ehegatten zu allen Zeiten frei die Folgen der Gemeinschaft, soweit sich dieselben nur auf ihre künftige Succession erstrecken, durch Verträge aufzuheben oder abzuändern. Man kann hieraus weiter schließen, daß die Ehegatten auch unter sich jene Theilung des Vermögens vornehmen können. Denn die Vorschrift des §. 413 ist, wie die Anm. im Entwurf von 1784 I, Abth. 1 S. 79 besagt, getroffen, um Betrügereien und Verkürzungen der Gläubiger entgegenzutreten. Das interne Verhältniß ist aber hiervon unabhängig und kann daher, da die Ehegatten mit einander der Regel nach gültig Verträge schließen, beliebig geordnet werden. So Entsch. des O. Trib. Bd. 48 S. 195, Striethorst Archiv Bd. 46 S. 290 ff. Die Eheleute find daher trotz des Fortbestehens der provinciellen Gütergemeinschaft nach Außen hin befugt, unter sich Auslassungen vorzunehmen, Johow Bd. 5 S- 94 ff.

recht gewährt. Wußte er aber von jener Ausschließung nichts, so kann sie ihm nicht entgegengestellt werden; denn das Publikum darf unterstellen, daß die Ehegatten nach dem Ortsrecht ihres Domicils leben. Nur bei gehöriger Veröffentlichung fällt die Unkenntniß dem zur Last, welcher von der hierdurch gegebnen Gelegenheit der Information keinen Gebrauch machte.3* * S. * * *

Die Veröffentlichung hat in den Zeitungen oder Amtsblättern der Pro­ vinz, d. h. des Oberlandesgerichtsbezirks zu dreimalen innerhalb vier Wochen zu geschehen.9 * *Dazu kommt für Vollkaufleute nach dem Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch noch nothwendigerweise Eintragung der Ausschließung der Gütergemeinschaft in das Handelsregister und Veröffentlichung dieser Eintragung nach Maßgabe des Art. 13 des Handelsgesetzbuchs^9 n Werden die bezüglichen Schritte beim Richter innerhalb acht Wochen nach Abschluß der Ehe beantragt und durch diesen effektuirt, so bindet die Veröffentlichung auch solche Dritte schlechthin, die sich in der Zwischenzeit mit einem der Ehegatten in Geschäfte einließen.12 Ist die Veröffentlichung erst später vollzogen, so hat die Ausschließung der Gütergemeinschaft keine Kraft gegen Dritte, die bis zu jener Vollziehung im Glauben an die Anwendbar­ keit des Territorialrechts mit den Ehegatten in Geschäfte traten.13

8) Derartige Veröffentlichungen forderte man auch gemeinrechtlich zur Wirksam­ keit ausschließender oder abändernder Verträge, vgl. Rassow über Ausschließung der Gütergemeinschaft in Behrend's Zeitschrift Bd. 8 S. 455.

9) L. R. II, 1 §. 422 ff. Gesetz vom 20. März 1837 über die Errichtung und Bekanntmachung der Verträge wegen Einführung oder Ausschließung der ehelichen Gütergemeinschaft §. 4.

10) Nach L. R. II, 2 §. 423 hatte die Veröffentlichung in Handelsstädten auf der Börse zu geschehen. Die jetzt geltenden Bestimmungen traf das Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch vom 24. Juni 1861 Art. 20. Rückwirkende Kraft hatte dies nicht, Striethorst Archiv Bd. 83 S. 257. Auf das Unterlassen der kaufmännischen Bekanntmachung können sich nur die gutgläubigen Gläubiger desjenigen Ehetheils berufen, welcher das kaufmännische Gewerbe treibt. Entsch. des O. Trib. Bd. 56 S. 218. 11) L. R. II, 1 §. 423 verlangte auch bei Zunstgenossen Veröffentlichung durch den Vorsteher der Zunft. Koch zum §. 423 hält dies in Folge der Aufhebung der alten Gewerbeverfassung für antiquirt. Es bestimmt weiter L. R. II, 1 §§. 424.426, es müsse die geschehene Ausschließung der Gemeinschaft bei allen Grundstücken, welche sonst der Gemeinschaft unterworfen sein würden, im Hypothekenbuche vermerkt werden, sonst könne die Aufhebung der Gemeinschaft in Geschäften, welche dergleichen Grund­ stücke betreffen, Dritten nicht nachtheilig werden. Da aber nach dem jetzigen Grund­ buchrecht nur der eingetragne Eigenthümer grundbuchmäßig verfügen kann, so hat die Bestimmung ihre praktische Bedeutung verloren. Die Grundbuchordnung erwähnt die Eintragung der Ausschließung der Gütergemeinschaft nicht; wird sie beantragt, so hat sie in der zweiten Abtheilung des Grundbuchblattes zu erfolgen. 12) Gesetz vom 20. März 1837 §. 4.

13) Präjudiz des Obertribunals 1950, Entsch. Bd. 15 S- 501 erkennt an, daß auch die verspätete Veröffentlichung diejenigen Dritten, welche nachher mit den Ehe­ gatten verhandeln, bindet.

Das eheliche Güterrecht.

104

Voreheliche Gläubiger

können

aus dem Mangel der Bekanntmachung

keine Rechte für sich herleiten.14 15 Nehmen Ehegatten, welche gemäß des Rechts ihres oder einer Vereinbarung in getrennten Gütern leben, einem Ort der Gütergemeinschaft, berührt.4^

ersten Ehedomicils

ein neues Domicil an

so bleibt ihr Güterrecht zwar an sich un­

Aber Dritte, welche mit ihnen innerhalb des Rechtsgebiets des

neuen Domicils in Rechtsverhältnisse treten,16 haben ihr besondres Recht nur dann unbedingt anzuerkennen, wenn nach der Verlegung eine Bekanntmachung

der

Ausschließung

erfolgt.17 18 Die

der Gütergemeinschaft

Bekanntmachung

im

in

der

oben

angegebnen

ersetzt

frühern Domicil

Bekanntmachung nach der Domicilveränderung nicht.16

die

Weise erneute

Personen, die, ob­

gleich eine Bekanntmachung nicht erfolgte, sonst von dem Güterrecht der Ehe­ gatten informirt waren, können sich natürlich auf das Ortsrecht nicht beru­ fen; ob aber ihre Information schon durch den Nachweis dargethan ist, daß

einem gewissen Orte verzogen sind,

in

herrscht, ist Frage des konkreten Falles,

bei

sie wußten, daß die Eheleute von welchem getrenntes Güterrecht

welcher die größere oder geringere Notorietät des bezüglichen Ortsrechts sowie dessen

Nähe oder Entfernung

vom

neuen Domicil in

das

Gewicht fallen

werden.19

Das Recht der Gütergemeinschaft wird unter den Ehegatten nicht auf­ gehoben , wenn die Ehegatten ein Domicil wählen, an welchem Gütergemein­ schaft nicht gitt.20 Zu Gunsten bona fide Dritter jedoch sind alle von ihnen

später eingegangnen Rechtsverhältnisse

so zu behandeln,

wie

wenn

sie

in

getrennten Gütern lebten. Allgemeine Gütergemeinschaft kann auch,

ist,

vor dem Eheschluß

gilt die Vermuthung,

unter den Ehegatten

wenn

die Art

der

wo

sie

nicht Territorialrecht

eingegangen werden. vereinbarten

Jedoch

Gütergemeinschaft

14) Entsch. des O. Trib. Bd. 7 S. 384, Striethorst Archiv Bd. 87 S. 1. 15) L. R. II, 1 §. 351, Striethorst Archiv Bd. 86 S. 46. 16) L. R. II, 1 §. 352 besagt: es müssen alle an diesem letzten Orte vorgenommenen Handlungen nach den Regeln der Gütergemeinschaft beurtheilt werden. Dies hat das Obertribunal so ausgelegt, daß diese Begünstigung sich nur aus Verträge beziehe, welche innerhalb der territorialen Grenzen des an dem neuen Wohnorte gel­ tenden, die Gütergemeinschaft festsetzenden Rechts geschlossen wurden, Entsch. d.O.Trib. Bd. 69 S. 101.

17) L. R. II, 1 §§. 426. 427. 18) Haben die Ehegatten an ihrem ersten Ehedomicil die Ausschließung der Gütergemeinschaft bekannt gemacht, sind dann später anderswohin verzogen und end­ lich nach jenem ersten Domicil zurückgekehrt, so bedarf es erneuter Bekanntmachung, Striethorst Archiv Bd. 16 S. 291 ff. 19) Das O. Trib. hat Entsch. Bd. 60 S. 150, Striethorst Archiv Bd. 71 S. 106 ein weitergehendes Princip angenommen.

20) L. R. II, 1 §. 350 ff.

noch eingeführt werden,

Domicil

Ehegatten

den

unter

toctm sie ihr Domicil nach einem Territorium

verlegen;21

Gütergemeinschaft ihrem

Nach dem Ehe­

für die bloße Gemeinschaft des Erwerbs.

zweifelhaft ist,

schluß kann die Gütergemeinschaft durch Vereinbarung

dann,

ferner

Gütergemeinschaft

geltende

wenn die Ehegatten durch

Vertrag

der

die an

ausgeschlossen

hatten.

Eigenthümlich war dem Landrecht noch die Bestimmung, daß im Falle

der Verheirathung minderjähriger Mündel die Gütergemeinschaft von Rechts­

wegen

sein sollte,

provisorisch ausgeschlossen

zunächst

wenn

auch sonst

sie

nach dem Recht des ersten Ehedomicils hätte eintreten müssen, so daß es zur

Ausschließung

Wirkung dieser

gegenüber Dritten während

der Dauer

der

Minderjährigkeit der öffentlichen Bekanntmachung nicht bedurfte.

Nach

erreichter Volljährigkeit

war

es

innerhalb

Ermessen des frühern Mündels anheim gegeben, was dann bekannt zu machen war.

auszuschließen,

übrigens

auf

die

Aussetzung

dreier Monate dem

die Gemeinschaft definitiv Der Vormund

mit Zustinmurng des

Gerichts

konnte

während

der

Minderjährigkeit verzichten. 22

Diese Sätze Ansicht nach

mit

die

da sie

im Vormundschaftsrecht

dem Inkrafttreten

richtiger

wurzeln,

der Vormundschaftsordnung

sämmtlich

Es ist Sache der Vormundschaft, vor Ertheilung des Ehe­

weggefallen.23 konsenses

sind,

Gütergemeinschaft

durch

Verträge

ausschließen

zu

lassen,

falls dies im Interesse des Mündels liegt. Wesen der

§. 35.

Ueber den

Kontroversen.

allgemeinen Gütergemeinschaft.

Grundcharakter der allgemeinen

Gütergemeinschaft bestehen

Die älteren Juristen identificirten sie mit der römischen socie-

tas omnium bonorum,1

seit

dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts ver-

21) L. R. II, 1 §. 355.

22) L. R. II, 18 §. 782 ff. 23) Es gehört dies zu den bestrittensten Fragen des jetzigen Vormundschaftrechts. Für die fortdauernde Geltung von L. R. II, 18 §. 782 haben sich namentlich aus­ gesprochen Wachler V. O. §. 48, Brettner bei Gruchot Bd. 20 S. 21 und S. 700, Heimlich bei Gruchot Bd. 20 S. 23. Aber die Gründe sind nicht überzeugend, denn daß die Bestimmungen für Ehe und Erbrecht die wichtigsten Folgen haben, ist zweifel­ los, aber damit ist nicht geleugnet, daß sie dem Vormundschaftsrecht angehören, dessen Einrichtungen auch sonst auf Eherecht und Erbrecht einwirken. Auch daß Verpflich­ tungen durch die Gütergemeinschaft übernommen werden, ist richtig, aber es sind dies gesetzliche Verbindlichkeiten, die der Einwilligung des Vormundschaftsrichters nicht bedürfen. Für die Aufhebung ist Dernburg Vormundschaftsrecht §. 87, Löwenstein zu V. O. §. 102, Neumann V. Ö. §. 48 S. 106, Tophoff bei Gruchot Bd. 20 S. 504 ff., Trusen ebendas. S. 733 ff., Wunsch ebendas. Bd. 21 S. 360 ff. Dubitativ sind mehr oder weniger die Appellationsgerichte bei Johow Bd. 6 S. 86, Bd. 7 S. 72. 1) Lauterbach diss. de societate bonorum conjugum in diss. III, 672.

breitete sich die Theorie des Gesammteigenthums der beiden Ehegatten,^ später

glaubte man die Ehegatten in Beziehung auf das gemeinschaftliche Vermögen als eine juristische Person2 3 oder wenigstens als eine Genossenschaft auffassen zu sönnen.4 Auch die Ansicht, daß das Ehevermögen während der Dauer der Ehe im Alleineigenthum des Mannes stehe und daß der Ehefrau nur eventuelle Rechte zustünden, hat Vertretung gefunden. 5 In neuerer Zeit erkennt man überwiegend an, daß Miteigenthum vorliegt,6 welches allerdings nicht das römische ist, sondern sich nach der deutsch-rechtlichen Auffassung des Miteigenthums und nach den Zwecken des Instituts besonders gestaltet. Dies ist auch der Grundgedanke, von welchem die preußische Legislation ausgeht.7 Jeder der Ehegatten ist während der Ehe Eigenthümer einer Hälfte des Gesammtvermögens. Dies aber bildet eine Einheit. Die Ehegatten können

an den einzelnen Objekten, aus welchen die Masse besteht, Quotenrechte nicht zur Geltung bringen, so lange die Ehe dauert. Verfügungen eines Ehe­ gatten, welche nicht im Stande sind, beide Theilhaber zu verbinden, ent­ behren jeder Wirksamkeit und haben auch keine Kraft bezüglich eines aliquoten Theils des Verfügenden. 8

Die allgemeine Gütergemeinschaft erfaßt das gesammte Vermögen beider Ehegatten ohne Unterschied seiner Bestandtheile, es gehört ihr zu nicht bloß was innerhalb, sondern auch was außerhalb der territorialen Grenzen des Rechts der Gütergemeinschaft belegen ist.9 Nur das aber ist charakteristisch, daß präsumtiv alles bei Abschluß der Ehe den Eheleuten gehörende, wie das später erworbne Vermögen beiden gemeinsam wird. Aus besondern Gründen kann auch bei der allgemeinen Gütergemeinschaft ein Sondergut — s. g. Ein­ handsgut — eines Ehegatten vorkommen.

2) Dies geschah von Justus Veracius im libellus consuetudinum principatus Bambergensis 1681. Vgl. Roth Bayr. Civilrecht I, S. 371. 3) Hasse Beitrag zur Revision der bisherigen Theorie von der ehelichen Güter­ gemeinschaft, Kiel 1808. 4) Beseler P. R. §. 122. 5) Dunker Gesammteigenthum S. 203. 6) Roth a. a. O. Stobbe Zeitschrift für Rechtsgeschichte Bd. 4 S. 210. 7) L. R II, 1 §. 365 spricht von „angefallnem Miteigenthum," andre Stellen von gemeinschastlichenl Vermögen vgl. insbesondre §. 637 „von dem gemeinschaftlichem Vermögen nimmt der überlebende Ehegatte die eine Hälfte als sein Eigenthum zurück." Das O. Trib. hat in dem Gutachten vom 24. August 1840, Justizministerialblatt S. 369 sich dahin ausgesprochen, „das berechtigte Subjekt ist das Ehepaar als mora­ lische Person." An andern Orten hat es jedoch das Verhältniß als Miteigenthum ausgesaßt, vgl. Entsch. Bd. 57 S. 68, Bd. 75 S. 265. Förster Bd. 3 §. 209 S. 543 bezeichnet die Gütergemeinschaft als Miteigenthum mit latenten Antheilen. 8) Vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 68 S. 169.

§. 35.

Wesen der allgemeinen Gütergemeinschaft.

107

a) Diejenigen Vermögensobjekte sind Sondergut, die unveräußerlich der Person eines der Ehegatten bestimmt sind, wie Lehn und Familienfideikom­ misse. 9 10 11Auch 12 Pflichttheilsansprüche sind so lange hierher zu rechnen, als der pflichttheilsberechtigte Ehegatte noch nicht erklärt hat, von denselben Ge­ brauch machen zu wollen." Die Nutzung unveräußerlicher Objekte, z. B. von Fideikommissen ist gemeinsam.^ b) Es können die Ehegatten mittels gerichtlichen Vertrags einzelne Ob­ jekte von der Gütergemeinschaft ausschließen. Solche Verträge präjudiciren

Dritten nur dann schlechthin, wenn sie vor der Ehe geschlossen und gehörig bekannt gemacht sind.13 c) Ebenso steht es dritten Erblassern oder Schenkgebern frei, einem der Ehegatten unter Ausschließung des andern ein Sondergut an Grundstücken, Gerechtigkeiten und ausstehenden Kapitalien zuzuwenden.14 15Diese Eigenschaft haben auch Objekte derselben Kategorien, die während der Ehe an die Stelle der so zugewendeten durch Umtausch traten.

d) In Folge des Gesetzes sind die nothwendigen Kleidungsstücke der

Frau von der Gemeinschaft ausgenommen^^ 9) L. R. II, 1 §. 363.

10) Das Eigenthum eines mit fideikommissarischer Substitution belasteten Objekts fällt in die Gütergemeinschaft, allein mit der ihm inhärirenden Beschränkung. Haben Ehegatten durch korrespektives Testament die beiderseitige Erbschaft nach dem Tode des Längstlebenden einem Dritten zugewendet, hat der Ueberlebende die Erbschaft des Vor­ verstorbnen angenommen und schließt hernach eine gütergemeinschaftliche Ehe, so bringt er unsres Erachtens sein Vermögen in die Gütergemeinschaft, denn er ist hinsichtlich späterer Verfügungen unter Lebenden nicht beschränkt. Aber der im korrespektiven Testament ernannte Nacherbe ererbt auf Grund dieses Testaments nach dem Tode des längstlebenden Testators, vorbehaltlich jedoch etwaiger Pflichttheilsanspüche, die auf den Längstlebenden entfallende Hälfte der gütergemeinschaftlichen Masse, welche deffen Nachlaß darstellt. Ganz anders jedoch Entsch. des O. Trib. Bd. 56 S. 206 ff., auch Koch zu §. 363 des Titels.

11) Striethorst Archiv Bd. 9 S. 343 ff.

12) L. R. II, 1 §. 370.

13) Das Landrecht gedenkt solcher Verträge nicht besonders. Was aber von der Ausschließung der Gütergemeinschaft überhaupt gilt, muß auch von der beschränkten Aufhebung derselben gelten. 14) L. R. II, 1 §. 373. Der Schenker soll nach §. 374 ff. für die Eintragung der Ausschließung im Grundbuch sorgen; geschieht die Zuwendung an die Frau in einer letzten Willensordnung, so soll der dieselbe publicirende Testamentsrichter der Frau zur Betreibung der Eintragung einen Pfleger bestellen, ferner bedarf es bei einem Kapital der gerichtlichen Bekanntmachung der Ausschließung der Gütergemein­ schaft an den Schuldner. Unterblieben diese Vorkehrungen, so gilt die Ausschließung der Gemeinschaft nicht gegen Dritte. Auch hier frägt sich, ob die Eintragung der Ausschließung der Gütergemeinschaft im Grundbuche derzeit, wo nur der eingetragne Eigenthümer veräußern kann, noch wesentliche Bedeutung hat.

15) L. R. II, 1 §. 364.

108

Das eheliche Güierrecht. §. 36.

Die

Die Rechtsverhältnisse

Gütergemeinschaft

Unmittelbar mit

ihrem

begründet

Eintritt

gemeinsames Eigenthum.

werden

im Allgemeinen.

beidseitig

daher

eine

Universalsuccession.

die Objekte der

Ehegatten

Der Besitz der Ehegatten an den ihnen zugehörigen

Objekten verwandelt sich in einen Mitbesitz.

Der Eigenthumsübergang vollzieht sich

bei Grundstücken

und Gerechtigkeiten.1

Miteigenthums nicht erst

aber

erst

die Eintragung

mit der Gütergemeinschaft auch

Es

bedarf

also

zum Erwerb des

der Eintragung der Gemeinschaft

gewährt volle Sicherheit,2

der Ehegatte die formale Legitimation behält,

im Grundbuche,

da bis

die Grundstücke,

zu derselben auf welche

er allein eingetragen ist, gutgläubigen Erwerbern zu veräußern.3 4 5 Gemein­

sam werden unmittelbar mit dem Eheschluß ferner die Forderungen der Ehe­

gatten gegen Dritte; die Ehefrau verliert also von Rechtswegen,

ohne

daß

es einer besondern Bekanntmachung an ihren Schuldner bedarf, die Fähigkeit

der Kündigung und Einziehung ihrer eingebrachten Forderungen. des

einen

der

künftigen

Ehegatten

gegen

den

andern

Ansprüche

erlöschen

durch

Konfusion. Die Schulden, welche ein Ehegatte in die Ehe bringt/ wie auch die­

jenigen, welche während der Ehe rechtsgültig in seiner Person entstehen, ver­

pflichten nach dem System des preußischen Rechts nur ihn persönlich/

Aber

sie bilden zugleich Belastungen des gemeinschaftlichen Vermögens und verhaf­

ten

in diesem Sinne und

mit

dieser Maßgabe denjenigen,

welcher güter-

1) Gesetz über den Eigenthumserwerb vom 5. Mai 1872 §. 5. 2) G. B. O. §.50 besagt: wo Gütergemeinschaft unter Ehegatten gilt, ist dieses Verhältniß auch auf den Antrag eines der Ehegatten im Grundbuche zu vermerken. Nach dem Wortlaut ist erfordert, daß das Grundstück in einem Territorium der Gütergemeinschaft liegt, analog kann die Vorschrift in Fällen angewendet werden, in welchen das Ehedomicil in einem Territorium der Gütergemeinschaft liegt, wenn sich auch das Grundstück außerhalb desselben befindet. Bedenklich aber wäre die Ausdeh­ nung auf Fälle der Errichtung der Gütergemeinschaft durch gerichtlichen Vertrag. — Das gütergemeinschaftliche Verhältniß ist hervorzuheben; die bloße Eintragung des Miteigenthums wäre nicht entsprechend. Der Antrag des Ehegatten wird begründet durch den Nachweis des Ehedomicils in einem Territorium der Gütergemeinschaft. 3) L. R. II, 1 §. 367. Die Erwerber sind gutgläubig, wenn sie von der Ehe­ schließung nichts wußten, oder doch keinen Grund hatten anzunehmen, daß der ein­ getragne Ehemann in gütergemeinschastlicher Ehe lebe. Sie sind auch dann gutgläubig, wenn sie wissen, daß der eingetragne Eigenthümer unter Zustimmung des nicht ein­ getragnen Ehegatten veräußert. Nicht zu billigen ist aber die Verfügung bei Johow Bd. 4 S. 68, wonach das Grundbuchamt die Bewilligung des eingetragnen Eheman­ nes zu Auflassungen und Eintragungen nicht beanstanden soll, auch wenn die Geneh­ migung der gütergemeinschaftlichen Ehefrau nicht beigebracht ist. Denn der Richter hat die Verfügungsfähigkeit des Auflassenden zu prüfen. Dernburg u. Hinrichs Preuß. Hyp.- ^echt Bd. 1 S. 284, Johow Bd. 7 S. 153.

4) L. R. II, 1 §. 391. 5) L. R. II, 1 §§. 380. 661.

gemeinschaftliches Vermögen hinter sich hat.

Demnach können unter Anderm

voreheliche Schulden der Frall während der Ehe gegen den Ehemann einge­

klagt werden.6

Bestand für dieselben bereits ein exekutorischer Titel, so ist

er gegen ihn auch ohne neue Klage geltend zu machen.7

Aus den dargelegten Grundsätzen folgt,

daß

nach Auflösung der Ehe

der Ehegatte, welcher nicht der persönliche Schuldner ist,

insoweit durch die

gütergemeinschaftlichen Schulden verpflichtet ist, als an ihn Aktiven in Folge der Ablehnung der Gemeinschaft gelangt sind.8 §.37.

Die Verwaltung der gemeinsamen Masse.

Dem Ehemanne gebührt während der Ehe in erster Linie die Verwal­ tung der gütergemeinschastlichen Masse.1 ausgedehnteres als

das aus dem

Dies Verwaltungsrecht ist ein weit

ehemännlichen Nießbrauch

an den Jllaten

der Frau sich ergebende.

Er

ist

befugt zu Veränderungen,

selbst zu Verringerungen der

und

Substanz einzelner Objekte, auch der Grundstücke.

Es ist ihm verstattet, ein­

seitig gütergemeinschaftliche Objekte auch über die Zeit der Ehe hinaus rechts­

gültig zu vermiethen und zu braucher des Frauengutes nicht

verpachtens

zusteht.

was dem Ehemanne als Nieß­

Er

Objekte der Gütergemeinschaft zu veräußern. den Namen der Frau geschriebne Forderungen

hat ferner die Befugniß,

die

Nur für Immobilien und auf leidet dies eine Ausnahme.3

6) Es ist dies in solchem Umfang meist nicht anerkannt, allein das Recht, in dem angegebnen Umfang zu klagen, folgt eben aus der Verhaftung der Ehegatten mit der gemeinschaftlichen Masse. Daß die Verbindlichkeit des Ehemannes aus einem Vßechsel eine Klage gegen die Ehefrau auf Höhe des gütergemeinschastlichen Vermögens und zwar im Wecbselproceß begründe, ist anerkannt vom R.O.H.G. Entsch. Bd. 14 S- 233. Das Obertribunal hat allerdings Entsch. Bd. 34 S. 193 aus einer vor der Ehe eingegangnen Wechselverbindlichkeit die Wechselklage gegen den Ehemann für un­ zulässig erklärt, weil der Wechsel nicht von einer den Mann rechtsgültig vertretenden Person unterzeichnet sei. Dieser Grund schlägt aber nicht durch, wenn man annimmt, daß die Gütergemeinschaft eine Art von Universalsuccession der Ehegatten begründe.

7) Es ist nicht unbestritten, inwiefern die rechtskräftige Verurtheilung wegen einseitiger, insbesondre vorehelicher Schulden die Exekution in das gemeinschaftliche Vermögen rechtfertigt. Die Subhastation der zu demselben gehörigen Grundstücke wegen solcher Schulden auf Grund des Judikats gegen den Mann läßt zu das O. Trib. Präj. n. 803. 8) L. R. II, 1 §. 380. Gemeinrechtlich nimmt man an, daß die Ehegatten für alle Eheschulden, wie auch für die beiderseitigen vorehelichen Schulden solidarisch per­ sönlich hafteten, Beseler P. R. §. 122 Anm. 23. Doch kennt man das beneficium abdicationis, nach welchem sich die Frau unmittelbar nach dem Tode des Mannes von dem Gesammtgute lossagen muß, um ihren künftigen Erwerb dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.

1) L. R. II, 1 §. 377.

2) Entsch. des O. Trib. Bd. 68 S. 169, vgl. oben S. 106. 3) L. R. II, 1 §§. 378. 379. Gemeinrechtlich wird die Frage, ob der Mann ohne Zustimmung der Frau zur Veräußerung der Immobilien befugt ist, verschieden

110

Das eheliche Güterrecht.

a) Grundstücke und gleichstehende Gerechtigkeiten kann der Mann nicht

ohne schriftliche4* * *und ausdrückliche Zustimmung verpfänden.

seiner Frau veräußern oder

Es macht keinen Unterschied, ob die Grundstücke von ihm oder

von seiner Frau eingebracht oder ob sie in der Ehe erworben wurden.

Die Einschränkung bezieht sich aber nur auf den Fall,

gatten bereits Eigenthum an den Grundstücken zustand,

daß den Ehe­

sie greift nicht ein,

wenn sie bloß einen Anspruch auf den Eigenthumserwerb haben, wenn z. B. ein Grundstück gekauft aber noch nicht aufgelassen war.5 6

Der Konsens ist

nur erforderlich in Fällen, in denen die Veräußerung oder Verpfändung auf

der Entschließung der Betheiligten Willen durchgesetzt werden kann.

beruht,

wo sie auch

nicht

gegen ihren

Hat die Ehefrau dem Veräußerungsgeschäft

zugestimmt und sind dessen Bedingungen purificirt,

so bedarf es nicht eines

erneuten Konsenses derselben zur Auflassung.7 8 Zu dinglichen Belastungen,

Ehemann selbständig befugt.^ 9

abgesehen

von der Verpfändung,

Dies ist dann

nicht der Fall,

ist der

wenn sie

beantwortet. Zahlreiche Partikularrechte aber fordern die Zustimmung der Frau. In Süddeutschland ist dies derart Regel, daß Roth bayer. Civilrecht §. 61 S. 377 dies für Bayern als gemeinrechtlich ansieht. Rach dem Provinzialgesetz für Westphalen vom 16. April 1860 §. 3 ist dagegen, der Mehrzahl der dortigen älteren Statuten ent­ sprechend , der Mann bei Veräußerung von Immobilien nicht an die Zustimmung der Frau gebunden. 4) Ueber die Form, in welcher die Zustimmung der Frau zu ertheilen war, bestand eine Kontroverse, welche durch den Plenarbefchluß vom 22. März 1847, Präj. n. 1847 dahin entschieden wurde, daß es — mindestens für Immobilien — der schriftlichen Form bedürfe. Vgl. aber Striethorst Archiv Bd. 80 S. 357 ff. Die Einwilligung muß eine specielle sein, vgl. Entsch. d. O. Trib. Bd. 49 S. 185.

5) Der Ehemann kann daher ein derartiges Recht noch ohne Zustimmung der Frau abtreten. Dies ist nun freilich klar. Aber zweifelhaft wird der Fall erscheinen, wenn das fragliche Grundstück verkauft und tradirt, aber noch nicht aufgelassen ist. Wir würden in solchem Fall die Beschränkung des Ehemannes als eingetreten erach­ ten, da die Gatten bereits publicianischen Besitz hatten.

6) Der Verkauf der einem Ehegatten, z. B. der Frau angefallnen Erbschaft, in welcher sich Grundstücke befinden, ist keine Veräußerung des Immobile und fällt streng genommen nicht unter die Beschränkung des §. 378. Dennoch wird man geneigt sein nach dem Sinne des Gesetzes den Verkauf eines derartigen Vermögens vom Kon­ sense der Frau abhängig zu machen. Die entgegengesetzte Ansicht hat aber das O. Trib. Entsch. Bd. 76 S. 153. 7) Vgl. Johow Bd. 2 S. 111. 8) Nur die Veräußerung und Verpfändung ist in L. R. II, 1 §. 378 dem Ehe­ manne untersagt. Es ist hieraus zu schließen, daß andre Arten von Belastungen des Grundstücks dem Ehemann frei stehen, abgesehen etwa von einer wirthschastlich dem Pfandrecht analogen Belastung des Grundstücks mit einer dauernden Geldrente. Aller­ dings wird L. R. II, 1 §. 232 dem Ehemanne, welcher den Nießbrauch am Frauen­ gut hat, untersagt, zu veräußern, zu verpfänden oder eine bleibende dingliche Last aufzulegen. Es ist aber nicht befremdend, daß dem Ehemanne, welcher Mit­ eigenthümer ist und bei den Belastungen daher direkt beiheiligt ist, ein höheres Maß von Befugnissen zusteht als dies bei der bloßen Verwaltungsgemeinschaft der Fall ist. 9) Der Ehemann darf auch ohne Zuziehung der Frau Grundstücke ankaufen und die Eintragung von Hypotheken für die Restkaufgelder gültig bewilligen, Striethorst

§. 37.

Die Verwaltung der gemeinsamen Masse.

111

eventuell eine Veräußerung in sich schließen, wie bei Bewilligung eines Vor­ kaufsrechts. 10 * * 11 **

Die ohne Zustimmung der Frau vorgenommne Veräußerung oder Ver­ Sie kann Gültigkeit durch eine spätere Geneh­

pfändung ist wirkungslos."

migung der Frau gewinnen.12

Der Mitkontrahent bleibt daher nach den

Grundsätzen der hinkenden Verträge bis zur Entscheidung der Frau gebun­ den. 13

nicht

Der Ehemann, erfolgt,

wie dje Ehefrau können,

vindiciren. 14

Es

wird

aber

der

wenn

die Genehmigung

Ehemann,

welcher sich

fälschlich für legitimirt zum Veräußerungsgeschäft ausgab, dem Mitkontrahenten entschädigungspflichtig,15 eine Verpflichtung, welche natürlich die gemein­ same Masse trifft.

b) Der Ehemann ist nicht befugt, Kapitalien, welche auf den Namen

der Frau oder

ihrer Rechtsvorfahren

zuziehen oder zu begeben.16

geschrieben sind,

zu kündigen, ein­

Es gilt dies auch für Kapitalien, welche wäh­

rend der Ehe aus den Namen der beiden Ehegatten ausgethan und geschrie­ ben wurden.

Archiv Bd. 67 S. 149. Allerdings entsteht auch in solchem Fall die Hypothek erst nach dem Eigenthumserwerb, aber der Grund des Verbots greift hier nicht ein. Würde der Verkäufer Grundschulden für den Betrag des Kaufpreises eintragen, so wäre jeder Zweifel gehoben. 10) Striethorst Archiv Bd. 71 S. 167 ff.

11) Das Obertribunal hatte früher, Entsch. Bd. 3 S. 242, Präj. n. 437 die Meinung vertreten, daß das Geschäft hinsichtlich des „ideellen Antheils" des Ehe­ manns gültig sei. Dies war offenbar principwidrig. In seinem Gutachten vom 24. August 1840 (oben S. 106 n. 7) hat daher jenes Gericht mit Fug ausgeführt, daß die ganze Verfügung hinfällig und auch in Beziehung auf einen Antheil wir­ kungslos fei, da die gewöhnlichen Grundsätze des Miteigenthums auf das eigenthüm­ liche Verhältniß der Gütergemeinschaft nicht anwendbar seien. Dies ist seitdem in Theorie und Praxis des preußischen Rechts allgemein anerkannt worden.

12) Entsch. des O. Trib. Bd. 67 S. 92. 13) Es treten also die Sätze von L. R. I, 5 §§. 12.13 ein, vgl. Strieth. Archiv Bd. 20 S. 209 ff. 14) Vgl. Striethorst Archiv Bd. 91 S. 200 ff. Dem Ehemanne kann, da ihm die Verfügungsfähigkeit fehlte, wenn er klagt, keine exceptio rei venditae et traditae entgegengestellt werden. 15) L. R. I, 5 §. 31 ff. 16) L. R. II, 1 §. 379. Es bezieht sich dies nicht bloß auf hypothekarische, son­ dern auch auf chirographarische Forderungen, die eine bleibende Anlage bilden sollten. — Das O. Trib. hat aber, Entsch. Bd. 61 S. 143, mit Recht angenommen, daß der tz. 379 keine Anwendung finde, wenn das Abhandenbringen des Kapitals nicht der direkte Gegenstand des Rechtsgeschäfts, sondern nur sekundäre Folge einer von dem Manne in den Grenzen seiner Befugnisse vorgenommnen Handlung sei. Des­ halb kann namentlich in dem Fall, in welchem die Eheleute Kaufgelder aus einem gemeinschaftlich geschloßnen schriftlichen Kaufvertrag zu fordern hatten, demnächst aber der Ehemann ohne Einwilligung der Frau die Aufhebung des noch nicht erfüllten Kaufvertrags vereinbart hatte, der Vergleich nicht wegen Mangels der Zustimmung der Frau angefochten werden.

Das eheliche Güterrechi.

112

Eine Löschung einer derartigen hypothekarischen Forderung ohne Konsens

der Frau ist daher nicht zulässig.

Die zur Ungebühr eingezogne Forderung besteht fort, sie kann folgerecht

sogar vom Manne noch durch Klage zur Anerkennung gebracht werden, ihre Abtretung durch die Eheleute an Dritte ist rechtsbeständig, ihre Ueberweisung

an deren Gläubiger zulässig. 17 18 19 Gemeinrechtlich erachtet man den Mann meist nicht als zu Schenkungen

selbständig offen. 20

befugt."

Nach

preußischem Recht

stehen

ihm

Schenkungen

Doch hat die Frau ein Widerrufsrecht gegenüber aus bloßer Frei­

gebigkeit erfolgten Schenkungen a) sofern sie im Fall einer von ihr

selbst vollzognen Schenkung zum

Widerruf berechtigt wäre; b) wenn der Mann durch

gestalt erschöpft hat,

daß

einseitige Schenkungen das Vermögen

der­

sie nicht einmal ihr Eingebrachtes zurückerhalten

kann, ist sie behufs Ergänzung des Fehlenden zum Widerruf befugt. Widerruft die Frau in solchen Fällen nicht, so können diese Schenkun­ gen bei der Auseinandersetzung nach Beendigung

der Gütergemeinschaft dem

Manne in Rechnung gebracht werden. Zu Processen über das gütergemeinschaftliche Vermögen ist der Ehemann

in der Regel auch ohne Zuziehung seiner Frau kgitimirt.21

17) So entschieden vom O. Tribunal, Entsch. Bd. 75 S. 281 ff.

18) Es kann mit der condictio sine causa, welche dem zahlenden Schuldner zweifelsohne gegen den Ehemann und die gütergemeinfchastliche Masse als solche zusteht, nicht auf die auf den Namen der Frau gefchriebne Forderung kompensirt werden. Anders Entsch. des O. Trib. Bd. 41 S. 199, Bd. 75 S. 286. Geht man von der Ausschließung der Kompensation nicht aus, so hätte das Verbot der einseitigen Ein­ ziehung solcher Forderungen durch den Ehemann keine praktische Nealisirbarkeit.

19) Beseler P. R. §. 122 Anm. 21. Roth bayer. C. R. Bd. 1 §. 61 Anm. 11. Das westphälifche Provincialgesetz §. 3 Abs. 2 entzieht dem Manne das Recht einsei­ tiger Schenkungen über Immobilien, sowie über das gesammte bewegliche Vermögen oder einen aliquoten Theil desselben, endlich auch über einzelne Sachen, sofern der Mann sich daran den Nießbrauch vorbehalten will. 20) L. R. II, 1 §. 381 ff.

21) Die A. G. O. I, 1 §. 23 verfügt wenig folgerecht: bei Gütergemeinschaften bedürfe es zu Processen, welche das Eingebrachte der Frau betreffen, der Zuziehung der Frau nur dann, wenn der Gegenstand des Streits ein Grundstück, oder eine Gerechtigkeit, oder eine auf den Namen der Frau, ihrer Rechtsvorgänger oder beider Eheleute geschriebnes Kapital betrifft. L. R. II, 1 §§. 378, 379. Es ist dies nicht mit O. Trib. Bd. 19 S. 423 aus Processe über Reallasten zu beziehen, da sich die Jurisprudenz dahin festgestellt hat, daß die Beschränkung des §. 378 Bestellung und Aufgabe solcher Rechte überhaupt nicht betrifft. — Aus der Bestimmung der A. G. O. folgert man arg. a contrario, daß der Mann legitimirt fei, einseitig über nicht ein­ gebrachte Grundstücke zu processiren. Vergleiche aber, wodurch er solche aufgiebt, kann er wenigstens dann nicht einseitig schließen, wenn die Ehegatten bisher im Besitz des streitig gewordnen Territoriums waren, vgl. Striethorst Archiv Bd. 80 S. 173.

Selbstverständlich sind alle Verfügungen des Mannes in fraudem der

Frau — z. B. Veräußerung und

auszuwandern

Dritte,

die

eines Erwerbsgeschästs, um

zu

Frau

verlassen

mit dem Erlös

anfechtbar22

welche die dolose Absicht des Mannes kannten,

gegen

auch

da diesem die Ver­

fügungsgewalt nur zu den Zwecken der Ehe eingeräumt ist;23 die Frau kann daher vom kolludirenden Dritten Rückgabe, eventuell Werthersatz fordern.2^

gegen eine vorhabende Verfügung ihres

Es steht ferner der Frau frei,

Mannes demjenigen, mit welchem sie vollzogen werden soll, ihren Widerspruch

Ein

zu erklären.

derartiger

ausdrücklicher

Widerspruch

macht das

Rechts­

geschäft unwirksam.25

Auch ist rechtsverbindlich ein Vertrag, durch welchen sich der Ehemann Rechtsgeschäfte jeder Art oder gewisser Kategorien nur unter Be­

verbindet,

willigung der Frau abzuschließen.

Derselbe wirkt Dritten

gegenüber jedoch

nur, wenn sie von demselben wußten.26 In allen Fällen,

in welchen

die Frau die Einwilligung versagt oder

Widerspruch einlegt, kann ihre Zustimmung vom Vormundschaftsgericht ergänzt

werdeil, wenn die vom Manne beabsichtigte Verfügung nothwendig oder den Interessen der Frau unnachtheilig ist.27 Was die während der Ehe übernommnen

anlangt,

persönlichen Verbindlichkeiten

so verpflichtet der Ehemann die gemeinschaftliche Masse durch seine

Rechtsgeschäfte28

unter den gedachten Einschränkungen.

Die

Ehefrau

ist

ihrerseits zur Eingehung von Verbindlichkeiten durch Rechtsgeschäfte nur unter

denselben Modalitäten befugt, brauchsrecht

ihres

Deliktsschulden

Mannes

beider

wie die Frau,

untersteht.23

Theile

lasten

auf

der

dem Nieß­

deren Vermögen

Gesetzliche

Verpflichtungen

gemeinschaftlichen

und

Masse.30

22) Wenn also die Gesetzkommission unterm 25. Oktober 1788 und 22. Juli 1790 Schenkungen in fraudem uxoris für ungültig erklärte — Rabe Bd. 1 Abth.7 S. 742, Bd. 13 S. 202 —, so ist das hierin liegende Princip auch heute anzuwen­ den, obgleich dasselbe im Landrecht keine besondre Anwendung fand.

23) S. 74. 24)

Vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 57

S. 144ff.,

Striethorst Archiv Bd. 67

Striethorst Archiv Bd. 86 S. 208 ff.

25)

L. R. II, 1 §. 387 ff., Entsch. des O. Trib. Bd. 53 S. 157.

26)

Striethorst Archiv Bd. 17 S. 58.

27)

L. R. II, 1 §. 388.

28)

L. R. II, 1 §. 380.

29) L. R. II, 1 §. 389. Vgl. oben S. 68. -Es ist im §. 389 statt 322. 325—328" zu setzen „§§. 321, 324-337. Reskript vom 14. Juli 1837." 30) Allerdings ist dieser Satz im Landrecht nicht allgemein ausgesprochen. Allein die gütergemeinschaftliche Masse bleibt doch immer Vermögen der Frau und der Exe­ kution für ihre Schulden unterworfen. Nur Rechtsgeschäften der Frau ist, von besonderen Voraussetzungen abgesehen, die Rechtswirkung entzogen. Vgl. L. R. II, 1 Dernburg, Preußisches Privatrecht.

HL

8

DaS eheliche Küterrecht.

114

aber dem

schuldigen Theil bei

der Auseinandersetzung auf seinen Antheil angerechnet,

auch können die vom

Geldstrafen und Untersuchungskosten werden

andern Theil eingebrachten Immobilien nur subsidiarisch für sie in Anspruch

genommen werden. 31

Daß die Frau im Fall gültig vertritt,

der Verhinderung

ihn

rechts­

Ist der Mann

wegen

ihres Mannes

ergeben die allgemeinen Grundsätze.

Abwesenheit, Geisteskrankheit, Verschwendung unter Vormundschaft zu stellen, so empfiehlt es sich bei der gütergemeinschaftlichen Ehe

ganz besonders, von

der Befugniß der Vormundschaftsordnung Gebrauch zn machen,

wonach die

Ehefrau zur Führung einer derartigen Vormundschaft berufen werden sann.32 33

§. 38.

Aufhebung der Gütergemeinschaft während der Ehe.^

Die Gütergemeinschaft dauert in der Regel bis zur Auflösung der Ehe.

Ausnahmsweise tritt eine Aufhebung

oder wenigstens eine Beschränkung der­

selben während der Ehe in folgenden Fällen ein.2* 1

Wenn der eine Theil mehr Schulden als Aktiven in die Gemein­

1.

gebracht hat,

schaft

so

gewährte man gemeinrechtlich dem getäuschten Ehe­

gatten Restitution, in manchen Statuten Separation.3

Das Landrecht giebt

ihm innerhalb zweier Jahre nach vollzogner Ehe ein doppeltes Recht. Er

dern. 4

kann einmal die Absonderung seines eingebrachten Vermögens for­

In Folge derselben sind die vorehelichen Gläubiger des andern Theils,

§§. 384, 390. So das O. Trib. Entsch. Bd. 47 S. 238 , dagegen freilich Koch zum 389 des Titels, siehe aber Hinschius an demselben Orte, ferner Förster Bd. 3 §. 209 S. 535. 31) L. R. II, §§. 384 ff. 390.

32) Vormundschaftsordnung §. 82 Abs. 2. 33) Nach dem westphälifchen Provincialgesetz vom 16. April 1860 §. 4 ruht das Verwaltungsrecht und das Verfügungsrecht des Mannes und wird von der Frau aus­ geübt, wenn der Mann unter Vormundschaft zu setzen ist. Auch ist die Frau bei einer Untersuchungs- oder Strafhast des Mannes über drei Monate hinaus berechtigt Alles zu thun, was zu einer ordentlichen und gewöhnlichen Vernlögensverwaltung nothwendig ist. 1) L. R. II, 1 §§. 392 ff., 420, 421. Die gesetzlichen Bestimmungen find sehr aphoristisch und die Litteratur hat zu ihrer Ergänzung wenig gethan. Im Text ist versucht, einige der wichtigeren Fragen, die sich aufwerfen, im Wege der juristischen Konstruktton zu beantworten. 2) Ueber die Aufhebung während der Ehe durch Vertrag vergl. oben S. 102. 3) Vgl. die süddeutschen bei Roth bayer- Civilrecht Bd. I S. 386 Anm. 5 angeführten Statuten. Nach lübischem Recht — lib. 1 tit. 5 art. 11 — kann eine Frau von ihrem Mann, welcher in Schulden vertieft ist, ihren Brautschatz fordern, wenn die Ehe unbeerbt ist, aber die Sonderung hat den Gläubigern gegenüber keine Kraft, sobald die Ehe nachträglich durch die Geburt eines Kindes beerbt wird. Enisch. des Ob. Trib. Bd. 58 S. 270. 4) L. R. II, 1 §. 393 spricht aus, die vorehelichen Gläubiger „könnten sich nur an das abgesonderte Vermögen ihres eigentlichen Schuldners halten." Allein es kann

Aufhebung der Gütergemeinschaft während der Ehe.

§. 38.

115

wie auch deren etwaige Rechtsnachfolger nicht berechtigt, sich an die abgeson­

derten Vermögensstücke zu ihres

ihnen

halten,

ursprünglichen Schuldners und

haftet. 5* * * *Auch

bleibt daher

nur das Vermögen

zweifelsohne der eheliche Erwerb ver­

kann der auf die Absonderung provocirende Ehegatte bei

der schließlichen Auseinandersetzung nach Auflösung der Ehe das von ihm in die Ehe Eingebrachte im Voraus

Erwerb während der Ehe getheilt wird.

in Anspruch nehmen,

wogegen der

Den ehelichen Gläubigern,

mögen

sie vor oder nach der Absonderung erwachsen, haftet die gesammte Masse, wie wenn diese Absonderung nicht eingetreten wäre. Der getäuschte Ehegatte kann des Weitern innerhalb der zwei Jahre völlige Aufhebung

der Gütergemeinschaft fordern.6

In diesem Fall bleibt

zwar die ganze ehemals gütergemeinschaftliche Masse den Gläubigern verhaf­

tet , welche während der Ehe bis zur Aufhebung derselben, und wenn sie von

der Aufhebung nichts wußten, bis zur Bekanntmachung mit dem Ehemann Spätere Gläubiger aber haben wie die vorehelichen Gläubiger

kontrahirten.

nur gegen denjenigen Ehegatten Ansprüche, mit welchem sie kontrahirten oder

in dessen Person sonst die Verbindlichkeit entstand.

Die Absonderung, sowie

die Aufhebung der Gütergemeinschaft wegen

Ueberschuldung

kann

Ehegatten,

kann auch noch von deren Erben und gegen deren Erben

sie

nachgesucht werden, das

nicht

bloß

von

den Ehegatten selbst und gegen den

da Vermögensrechte in der Regel

vorliegende Verhältniß keinen

vererblich sind und

Grund giebt, der zu einer Ausnahme

nöthigte.7

Die Absonderung wie die Aufhebung hat gerichtlich im Wege des Aus­

einandersetzungsverfahrens

zu

geschehen.

Soweit sich die Betheiligten nicht

ihnen nicht verschränkt werden auch den Erwerb ihres persönlichen Schuldners wäh­ rend der Ehe für ihre Forderungen in Anspruch zu nehmen, und da die Güter­ gemeinschaft fortdauert, so muß sich das Recht auf die ganze, während der Ehe erworbne gütergemeinschaftliche Masse beziehen.

5) Die Absonderung schadet nicht bloß den ursprünglichen vorehelichen Gläu­ bigern, sondern auch deren Cessionarien, selbst wenn die Cession während der Ehe erfolgte. Auch ändert nichts hieran, daß während der Ehe ein Judikat gegen den Schuldner gewonnen ist, oder auch vom andern Ehegatten eingebrachte Objefte bereits gepfändet sind oder mit einer Judikatshypothek bestrickt wurden. Ja selbst wenn der überschuldete Ehegatte Wechsel prolongirt hat und eine Novation vorgenommen hat, wird stets der voreheliche Ursprung der Forderung maßgebend sein müssen. 6) L. R. II, 1 §. 420. Die Komplikation des durch bloße Absonderung ent­ stehenden Rechtsverhältnisses, wie auch der Umstand, daß der getäuschte Ehegatte meist das Vertrauen zu dem Gatten verloren haben wird, rechtfertigt ihm die Möglichkeit völliger Aufhebung der Gütergemeinschaft zu gewähren. Ob er das eine oder andre beantragt, ist Sache seiner Wahl, im Zweifel Sache der Interpretation, was' er wollte: vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 67 S. 103. Es hat jedoch nicht an Präjudikaten gefehlt, welche Absonderung und Ausschließung der Gütergemeinschaft identificirten. Vgl. insbesondere Entsch. des O. Trib. Bd. 16 S. 226, Präjudiz n. 1957. 7) Entsch. des O. Trib. Bd. 60 S. 158, Präj. n. 2754.

Das eheliche Güterrecht.

116

einigen, sind die sich

gütlich

ergebenden Streitigkeiten durch rechtskräftiges

Erkenntniß zu erledigen.8 2.

Tritt während der Ehe Konkurs über die Gemeinschaftsmasse wegen

durch den andern Theil gemachter Schulden ein, betroffne

so kann der hiervon mit­

unschuldige Ehegatte Aufhebung der Gemeinschaft für die Zukunft

fordern. 9 der Gütergemeinschaft

Die Aufhebung

muß,

um Wirksamkeit

geg^n

Dritte zu gewinnen, welche von derselben keine Kenntniß haben und mit den Ehegatten kontrahiren,

in derselben Weise bekannt gemacht werden, wie die

ursprüngliche Ausschließung. 10 lichter

vorehelicher

Schulden

Bei der bloßen Absonderung wegen verheim­ bedarf es

dagegen einer öffentlichen Bekannt­

machung nicht.11 Im Fall der Aufhebung der Gütergemeinschaft wegen vorehelicher Schul­

den oder Konkurs tritt vollständige Gütertrennung ein; die Ehefrau hat das

Recht, ihr abgetrenntes Vermögen selbständig zu verwalten. 12 §. 39.

Beendigung der Gütergemeinschaft in Folge des Todes eines Ehegatten.

Die eheliche Gütergemeinschaft als durch die Ehe bedingt, erlischt noth­

wendigerweise mit der Trennung

der Ehe, geschehe sie nun durch den Tod

eines der Ehegatten oder durch rechtskräftiges Scheidungsurtheil.

Nach

sei

mehreren

Partikularrechten setzt jedoch der überlebende Ehegatte,

es der Vater oder die Mutter

mit den unabgefundnen eignen Kindern

die Gütergemeinschaft fort, wenigstens dann, wenn nicht die sofortige Schich­ tung vom verstorbnen Ehegatten letztwillig angeordnet ist.

Ehegatte übt dann

Der überlebende

die Befugnisse, welche dem Ehemanne während der Ehe

8) Die Weise des Verfahrens entwickelte das Reskript des Justizministers vom 26. Oktober 1838, v. Kamptz Jahrb. Bd. 52 S. 457.

9) L. R. II, 1 §. 421. 10) L. R. II, 1 §. 422, vgl. oben S. 103.

11) Das Obertribunal, welches Entsch. Bd. 2 S. 30 das Gegentheil angenom­ men hatte, hat in einem in den Kamptz'schen Jahrbüchern Bd. 51 S. 141 veröffent­ lichten Plenarbeschluß mit Recht festgestellt, daß zur vollen Kraft einer derartigen Absonderung, weil sie bloß auf die vor der Ehe kontrahirten Schulden sich beziehe, die im §. 422 des Titels und im Gesetze vom 20. März 1837 vorgefchriebne Be­ kanntmachung nicht erforderlich sei. Der Justizminister verfügte freilich gleichzeitig, daß eine derarttge Bekanntmachung, obgleich Jie nicht wesentlich sei, dennoch gesche­ hen solle, damit kein Dritter sich noch bestimmen laffe, eine Forderung durch Cession zu erwerben, welche er für eine in die Gütergemeinschaft fallende Schuld hält, wäh­ rend ihm hierfür die gütergemeinschaftliche Masse nicht hafte. Cs hat jedoch dies Reskript kein gesetzliches Fundament, den Parteien sind daher Kosten zu jenem Zweck nicht zu machen. 12) Es liegt dies im Sinn der bezüglichen Bestimmungen. Entscheidung der Frage ist im Gesetz nicht getroffen.

Eine ausdrückliche

Beendigung der Gütergemeinschaft in Folge des Todes eines Ehegatten.

§. 39.

zustanden;

seits

dagegen fällt aller Erwerb in die Gemeinschaft; die Kinder ihrer­

haben regelmäßig dieselben Rechte wie die Ehefrau

bestimmten Voraussetzungen,

Unter

ist

schreitet,

insbesondre,

wenn

während der Ehe.

er zur weiteren Ehe

der Ueberlebende zur Schichtung mit den Kindern verbunden.1 2 3

Das Landrecht kennt eine derartige fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht. \ Auflösung

117

der Ehe

gen Gütergemeinschaft Miteigenthum Demgemäß

Mit

durch den Tod tritt vielmehr an die Stelle der bisheri­ gewöhnlicher Art

zu ideellen Theilen.^

der überlebende Ehegatte die Hälfte des Gesammt-

nimmt

guts als sein Eigenthum, die andre Hälfte bildet den Nachlaß des Verstorb­ nen. 4

Besitz

und Verwaltung

der

gesammten Masse

bleibt bis zur Aus­

einandersetzung beim Ueberlebenden,5 er hat Angefangnes nach den Grundsätzen der offnen Handelsgesellschaft

und Verlust

der Masse

überlebende Ehegatte

fortzuführen und zu beendigen.6

fortan

ohne Rücksicht

Masse erwirbt, kommt nicht zur Theilung.7

nen

hat

ferner

Vermehrung

auf Rechnung aller Miteigenthümer,

geht

der Ehegatte,

wenn

nicht

was der

auf den Besitz der gemeinsamen Von der Hälfte des Verstorb­

unabgefundne Kinder vorhanden

1) Insbesondere besteht in solcher Art fortgesetzte Gütergemeinschaft in West­ phalen nach dem Gesetz vom 16. April 1860 §. 10 ff. Auch nach lübischem Recht bleibt die Wittwe mit ihren Kindern in Gemeinschaft, II, 2 art. 23. 6. 8; ebenso wird gemäß der Pommerschen Bauerordnung vom 30. December 1764die Gütergemeinschaft durch den Tod des einen Ehegatten nicht aufgelöst, der Überlebende bleibt vielmehr in Gemeinschaft der Güter auf gemeinschaftlichen Gewinn und Verderb sitzen, es mögen Kinder vorhanden sein oder nicht, bis er zur anderweiten Ehe schreitet; er hat keine Rechnung über seine Verwaltung zu legen und es wächst dem gemeinschaftlichen Vermögen auch das zu, was der überlebende Ehegatte durch Glücksfälle oder sonst erwirbt. Striethorst Archiv Bd. 68 S. 104 ff., 288 ff. Entsch. des O. Trib. Bd. 77 S. 58 ff.

2) Striethorst Archiv Bd. 25 S. 133; vgl. Witte Jntestaterbrecht S. 102 ff., Heimlich bei Gruchot Bd. 17 S. 832.

3) L. R. II, 1 §. 634. 4) L. R. II, 1 §§. 637, 638. 5) L. R. II, 1 §. 656. Die Grenzen dieses Verwaltungsrechts sind vom Gesetz nicht besonders fixirt. Man wird die Grundsätze über Verwaltung fremder Güter L. R. I, 14 §. 109 ff. anwenden müssen. Es wurde daher — Johow Jahrbuch Bd. 7 S. 237 — entschieden, daß die Wittwe nicht die Befugniß habe, ohne Zuziehung der Miteigenthümer über die Substanz zu disponiren, insbesondere ohne solche Zahlung eines Hypothekenkapitals anzunehmen und rechtsgültige Quittung oder Cession zu ertheilen. Auch gilt der Ueberlebende nicht selbständig als zu Processen über die Sub­ stanz legitimirt, Striethorst Archiv Bd. 18 S. 137.

6) L. R. II, 18 §.410 bestimmt: die Wittwe, welche mit ihrem verstorbnen Manne in der Gütergemeinschaft lebte, könne auf deren Fortsetzung mit den noch unabgefundnen Kindern antragen; die Auseinandersetzung solle in diesem Fall nur bei Uebergang der Wittwe zur zweiten Ehe, Heirath der Tochter, eigner Wirthschaft der Söhne Seitens des Vormunds verlangt werden. Es wird also dem Ermeffen der Vormundschaftsbehörden anheimgestellt, eine Art fortgesetzter Gütergemeinschaft zu bewilligen. Die Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 widersetzt sich derartigen Abmachungen nicht. 7) L. R. II, 1 §. 654 ff.

DaS eheliche Güterrecht.

118

find,

eine Erbportion, ein Voraus an Mobilien 8 9und den lebenslänglichen

Dieser Nießbrauch

Nießbrauch.8 Die Miterben

können

unterliegt

den gewöhnlichen

daher Auseinandersetzung

trotz

Grundsätzen.

desselben fordern,10 11 12 13

nur die Ausantwortung der ihnen zufallenden Portion erfolgt erst nach dem Die Auseinandersetzung scheidet vor Allem etwaige

Tode des Längstlebenden.

Einhandsgüter aus, theilt die Gesammtmasse in Hälften und zieht das ab,

eine Ehegatte sich z. B. wegen Deliktsschulden,

was etwa der aufrechnen

muß.

lassen

Schenkungen

mehrerer Hinsicht hat das Gesetz den über­

In

Er hat das Recht, von den Erben des andern

lebenden Ehegatten bevorzugt.

Theils für Immobilien, die in der Masse enthalten sind, die Setzung eines Anschlagspreises

zu

ü6erfaffen.1213

um sie nach seiner Wahl zu nehmen oder zu

fordern,

Ferner kann er die zum

gewöhnlichen Hausgebrauch die­

nenden Mobilien, soweit sie ihm nicht als Voraus zufallen, für eine Privat­ taxe behalten und bei nicht dem Hausgebrauch bestimmten Mobilien Natural­

theilung Die

verlangen,

hierbei

den

so

daß

die Miterben

letzteren

zufallenden

die Theile legen und er wählt.

Stücke

sind

ihnen

sofort 'auszu­

antworten. 14

Das Recht Hat

er aber

der Wahl

ist

an

die Person

des

Ehegatten

gebunden.

so geht das hieraus entspringende Recht auf

einmal gewählt,

seine Erben über.15

In einem Anhang zum Landrecht wurde gestattet, dem Vater,

der in

gütergemeinschaftlicher Ehe gelebt hatte, und sich nach dem Tode seiner Frau

Näheres siehe im Erbrecht.

8) L. R. II, 1 §. 631 ff. 9) L. R. II, 1 §. 645. 10) L. R. II, 1 §. 646.

Striethorst Archiv Bd. 95 S. 255.

11) L. R. II, 1 §§. 635, 636. 12) L. R. II, 1 §. 648. Das Wahlrecht steht dem überlebenden Ehegatten zu, mag er nun mit unabgefundnen Kindern Zusammentreffen oder mit Miterben. Es ist nicht abhängig davon, daß der überlebende Ehegatte ein Miterbrecht an der Hälfte des vorverstorbnen hat. Striethorst Archiv Bd. 12 S. 75. Entsch. Bd. 58 S. 286. 13) Vereinigen sich die Erben des Vorverstorbnen nicht über einen Annahme­ preis, so ist der überlebende Ehegatte nur zur Erlegung des durch gerichtliche Taxe festzustellenden Werths verpflichtet, Entsch. des O. Trib. Bd. 20 S. 261. Nach frühern Recht mußte dann, wenn ein Minderjähriger betheiligt war und sein Vor­ mund für ihn einen Anschlagspreis feststellte, vorher eine gerichtliche Taxe ausgenom­ men werden, um dem Beschluß des Vormunds über den zu bestimmenden Werth zum Anschlag zu dienen. Präj. 1575, Entsch. Bd. 11 S. 333. Nach der Vormundschastsordnung vom 5. Juli 1875 §§. 42, 43 bedarf die Erbauseinandersetzung, sowie die Theilung gütergemeinschaftlichen Vermögens, sofern Bevormundete betheiligt sind, der Genehmigung des Vormundschastsgerichts. Es hängt von dessen Ermeffen ab, ob in den bezüglichen Fällen der Anschlagspreis auf Grundlage einer vorgängigen gerichtlichen Taxe zu setzen ist.

14) L. R. II, 1 §. 649 ff.

15) Striethorst Archiv Bd. 37 S. 132.

§. 39.

Beendigung der Gütergemeinschaft in Folge deS Todes eines Ehegatten.

119

mit seinen minderjährigen Kindern auseinandersetzte, das Eigenthum der auf

eingetragnen Grundstücke gegen Einwerfung ihres Erwerbs-

seinen Namen

Preises zu überlassen, sofern er sich verpflichtete und durch Eintragung auf

das Grundstück versicherte, den etwaigen Mehrerlös bei einem spätern Ber­ kaus

mit den Kindern

nachträglich zu theilen.16

Dies war um deswillen

eine Singularität, weil zur Zeit der Abfassung die Theilung von Grund­ stücken, bei welcher Minderjährige betheiligt waren, Subhastation erforderte und außerdem unter Umständen auf Grund einer Abschätzung erfolgen konnte. Uebrigens lag es in der Hand der Vormundschaft, ob sie auf diesen Modus

eingehen

wollte.

Erschien

er von

vornherein nicht selten als bequem und

zweckmäßig, so traten doch häufig hinterher Schwierigkeiten ein, weil er die definitive Abwicklung

vertagte und weil es mit Rücksicht auf spätere Melio­

rationen des Vaters

hinterher oft nicht leicht war zu bemessen, ob wirklich

ein Plus vorhanden

sei und wie hoch sich daffelbe belaufe.

Da die vom

Gesetz geforderte Sicherstellung durch Eintragung eine Kautionshypothek bil­ det,

so bedürfte es nach dem jetzigen Grundbuchrecht der Feststellung und

Eintragung eines Maximalbetrags.

Man hat daher auch nicht ohne Grund

behauptet, daß die Bestimmung des Anfangsparagraphen, welche die Ueberlassung an den Vater nur gegen unbeschränkte Zusicherung und Versicherung

des Pluserlöses gestattete, praktisch nicht mehr auszusühren sei.

Es ist

aber nunmehr in Gemäßheit der Vormundschaftsordnung vom

5. Juli 1875

die Weise der Auseinandersetzung des Minderjährigen mit

dem Vater in das pflichtmäßige Ermessen ihres Pflegers gestellt, vorbehalt­

lich der Genehmigung des Vormundschastsgerichts. und Gericht

für entsprechend halten,

Sollten es also Pfleger

ein Grundstück aus

der Masse dem

Vater der Minderjährigen für den Erwerbspreis zu überlassen, unter Vor­ behalt der Theilung eines später erzielten Mehrerlöses und Einschreibung dieser

Forderung unter einem Maximalbeträg, so wäre hiergegen nichts zu erinnern.

Es ist dies auch nicht bloß bei Grundstücken zulässig, die der Ehemann in die Ehe brachte.

16) Anhang §. 79 zu L. R. II, 1 §. 648, vgl. Krantz über den Anhang §. 79 bei Gruchot Bd. 3 S. 353. §. 79 des Anhangs ist einer Ministerialverfügung vom 1. April 1799 an das Pupillenkollegium zu Berlin entnommen, dasselbe erkannte die Zulässigkeit eines Gerichtsgebrauchs im Bezirke des WenenslauSschen Kirchenrechts an, wonach dem Vater bei Auflösung der ehelichen Gütergemeinschaft eingebrachte Grundstücke für den Erwerbspreis überlassen werden konnten, fügte aber hinzu, daß ein Vorbehalt wegen des etwaigen künftigen Mehrerlöses zu machen sei. Diese lokale Bestimmung wurde generalisirt, indem sie als Anhang §. 79 mittels Patentes vom 11. April 1803 zu L. R. II, 1 §. 648 publieirt wurde, vgl. Löwenberg Materialien S. 48 und 114.

Das eheliche Güterrechi.

120

§.40.

Fortsetzung, Ehescheidung.

Mit dem Augenblick des rechtskräftigen Scheidungsurtheils erlischt die Gütergemeinschaft, das Verwaltungsrecht des überlebenden Ehegatten hört auf. Es sind aber im Uebrigen die Fälle, in welchen ein Theil für den überwiegend schuldigen erklärt wurde, von solchen zu unterscheiden, in wel­ chen dies nicht geschah.1 a) Ist kein Theil sür den überwiegend schuldigen erklärt, so nimmt jeder Theil sein in die Ehe gebrachtes oder während derselben durch Erb­ schaften , Vermächtnisse oder bloße Glücksfälle erlangtes Vermögen zurück.2 3 Das Uebrige wird unter die Eheleute gleich getheilt. Es ist nicht erfordert, daß das Eingebrachte noch in Natur vorhanden ist; ist dies nicht mehr der Fall, so erhält jeder Theil den seinem Einge­ brachten entsprechenden Werth aus der Masset Wurde in der Ehe das eingebrachte Vermögen zum Theil verwirthschaftet, so mindert sich der beid­ seitige Anspruch verhältnißmäßig. Daher sind auch die ehelichen Schulden bei der Absonderung zu berücksichtigen.4 Die Rechte der ehelichen und der vorhelichen Gläubiger auf die Masse werden durch diese Absonderung nicht berührt.5 b) Ist einer der Ehegatten für den überwiegend schuldigen Theil erklärt, so sann6 der andre entweder Absonderung des Eingebrachten ver1) Die Behandlung der Gütergemeinschaft, im Falle der eine Ehegatte für über­ wiegend schuldig erklärt wurde, ist gemeinrechtlich streitig, wie auch in verschiednen Statuten verschieden geordnet. Die Gesetzeskommission bestimmte unterm 7. Septem­ ber 1781 —Rabe Bd. 1 Abth. 7 S. 152, vgl. S. 160 - daß der unschuldigen Ehe­ frau die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens herauszugeben oder wenn sie lieber ihre Jllaten zurückfordern wollte, diese nebst dem vierten Theil Les übrigen zur Zeit der Trennung der Ehe vorhandnen Vermögens auszukehren seien. Nach Roth bayer. Civilrecht Bd. I §. 68 Anm. 7 stimmt hiermit das bamberger Landrecht im Wesentlichen überein. 2) L. R. II, 1 §. 755. Es entsteht die Frage, ob das Eigenthum an den eingebrachten Objekten, soweit es noch in natura vorhanden ist, von selbst zurückfällt oder ob es erst in Folge des Auseinandersetzungsrecesses dem Jnferirenden wieder zugetheilt wird. Das Obertribunal hat sich — Striethorst Archiv Bd. 87 S. 55 ff. — für die erstere Ansicht erklärt, wobei ihm der Wortlaut des §.755 zur Seite steht. Der Auseinandersetzungsreceß vermittelt also nicht erst den Rückfall, er erklärt ihn nur. Es ist daher offenbar, daß der Ehemann nach Scheidung der Ehe ein von der Ehefrau eingebrachtes Objekt nicht mehr zu einem angeblichen ideellen Theile mit Hypotheken belasten kann. Immerhin kann keiner der Ehegatten, ohne daß ein Aus­ einandersetzungsverfahren vorhergeht, welches sich auf die Gesammtmasse erstreckt, ein­ zelne von ihm eingebrachte Objekte ausschließlich in Anspruch nehmen. Präj. des O. Trib. n. 1952. 3) Bornemann Bd. 5 S. 220, Koch zu §. 755 des Titels übereinstimmend mit . einer ältern Entscheidung des O. Trib. 4) Dies ist entgegen einer frühern Entscheidung vom O. Trib. Bd. 50 S. 300 angenommen worden.

5) L. R. II, 1 §. 757.

6) L. R. II, 1 §. 811 ff.

langen, wobei ihm Abfindung wie bei getrennten Gütern gewährt wird, oder die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens mit einem Voraus der zum persönlichen Gebrauch bestimmten Effekten, Kleider, Leibwäsche, Bet­

ten 7 fordern. Die Wahl vollzieht sich durch eine dem andern Theil zugestellte Erklärung. Sie ist nach der Zustellung unabänderlich.8

Dem unschuldigen Theil können nur die Schulden in Rechnung gestellt werden,9 die vor Erhebung der Scheidungsklage entstanden sind. Er hat ferner die Wahl, ob er die in der Gemeinschaft befindlichen Grundstücke für die gerichtliche Taxe nehmen oder dem andern Theil lassen, oder ob er Privatversteigerung verlangen toiH.10 §. 41.

Die partikuläre Gütergemeinschaft. *

Bei der partikulären Gütergemeinschaft ist nicht Gemeinschaft des ge­ summten Vermögens die Regel, so daß etwaiges Sondervermögen auf beson­ deren Vorbehalten beruht, vielmehr werden hier von Rechtswegen nur gewisse Vermögenstheile gemeinsam, während andre im Sondereigenthum der Ehegatten bleiben. Eine besonders häufig in Deutschland vorkommende Form ist die Er­ rungenschaftsgemeinschaft. 2* 3 1 Nur für diese hat das preußische Landrecht gewisse Rechtssätze aufgestellt, welche subsidiär zur Geltung kommen sollen. Derzeit besteht jedoch im Gebiete des Landrechts kein Statutarrecht mehr mit partikulärer Gütergemeinschaft.8 Die landrechtlichen Bestimmungen haben daher vorzugsweise noch Bezilg auf durch Verträge festgestellte Güter­ gemeinschaften. 4 7) L. R- II, 1 §. 815, vgl. §. 640. 8) Die Wahl der Absonderung wirkt rückwärtshin der Art, daß vom Scheidungs­ urtheil ab die Vermögen als getrennt gelten. Striethorst Archiv Bd. 7 S. 125. 9) L. R. II, 1 §. 820. 10) L. R. II, 1 §. 817 ff. Das Obertribunal erkennt — entsprechend dem Zu­ sammenhang der §. 814 ff. — dieses Wahlrecht nur an, wenn der unschuldige Ehe­ gatte die Hälfte des Vermögens, nicht wenn er Absonderung gewählt hat, also dann nicht, wenn in dem zu theilenden ehelichen Erwerb Grundstücke sich finden, Entsch. Bd. 40 S. 176. Striethorst Archiv Bd. 45 S. 228. 1) L. R. II, 1 §§. 396 ff., 662 ff., vgl. Roth bayer. Civilrecht Bd. I, §. 57 ff. 2) Errungenschaftsgemeinschaft galt bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. April 1860 als Territorialrecht in Theilen von Westphalen, insbesondre im Fürstenthum Siegen und den Grafschaften Wittgenstein. Sie gilt noch in dem gemei­ nem Recht unterstehendem Bezirk des Justizamis Ehrenbreitstein nach lokalen Statuten. Nach code civil besteht Mobiliargemeinschaft und Errungenschaftsgemeinfchaft, so daß sich die Gemeinschaft nur auf die in die Ehe eingebrachten und während der Ehe durch lukrativen Titel erworbnen Immobilien nicht erstreckt. 3) Vgl. Neubauer im Justizministerialblatt 1879 S. 32 ff. 4) Vgl. L. R. II, 1 §. 359.

122

Das eheliche Güterrecht.

1.

der Gemeinschaft sind

Gegenstand

Vermögen der beiden

Ehegatten,^

die

ferner Alles,

ersparten Nutzungen

was

der

eines der Ehegatten

allein oder beide gemeinsam während der Ehe erarbeiteten.

Zur Errungen­

schaft wird nicht gerechnet, was einer der Ehegatten durch Erbschaften, Ver­ mächtnisse und reine Schenkungen, wohl aber, was ihm durch andre Glücks­

fälle zufiel. 5 6 7 Die Errungenschaft bildet eine von dem Sondergut getrennte gemeinsame Masse.8

2.

Bei der

Ausscheidung

spricht die Vermuthung

für

die

Errun­

genschaft.

Es soll aber bei dem Eintritt in die Gemeinschaft ein Verzeichniß des

Eingebrachten der beiden Ehegatten unter Anschlag eines Werths ausgenom­ men und

gerichtlich beglaubigt oder wenigstens von beiden Ehegatten mit

Zuziehung eines

rechtskundigen Beistands der Frau unterschrieben werden.

Jeder der Ehegatten kann dies verlangen,

die. etwaige Vormundschaft eines

der Ehegatten ist verpflichtet, hierauf zu halten. 9

3.

Wurde während der Ehe

für ein Objekt des Sondervermögens

etwas erworben, so tritt das Erworbne nach richtiger Ansicht als Surrogat

an

desien Stelle.

Andre

nehmen jedoch nur einen Ersatzanspruch an.10

Sind aus dem Sondergut Verwendungen für die Gemeinschaft gemacht,

werden sie zu ersetzen sein.

derungen,

so

Zufällige Veränderungen, Anwüchse wie Min­

welche ein Objekt erleidet,

betreffen die Masse,

zu welcher es

gehört.

5) L. R. II, 1 §. 405. 6) L. R. II, 1 §§. 402 — 404. Es gehört also zum Erwerb der Finderlohn und der Fund, ferner der Schatz, und zwar nicht bloß die Finderhälfte, sondern auch die dem Eigenthümer des Schatzgrundstücks anfallende Hälfte, doch ist hierüber Streit, vgl. Gründler Polemik III, §. 570, Roth b. C. R. Bd. I §. 58 Anm. 5. Auch die durch Okkupation erworbne Insel wird gemeinsam. Insbesondre ist nicht mit Fug zu bezweifeln, daß auch der von einem Ehegatten gemachte Lotterie- und sonstige Spielgewinn in die Gemeinschaft fällt. Andrer Ansicht ist Schmidt Familienrecht S. 384 ff. 7) Was unter reinen Geschenken zu verstehen ist, kann zweifelhaft sein. Nicht zu denselben gehören remuneratorische Schenkungen, sowie solche, die sonst bei Gele­ genheit von Leistungen, z. B. an Dienstboten gemacht werden, wohl auch nicht Hoch­ zeitsgeschenke. 8) L. R. II, 1 §. 396. Es ist dies die ältere Gestaltung. Vielfach hat sich — Roth b. C. R. Bd. I §. 58 Anm. 16 — das Verhältniß dahin ausgebildet, daß die Errungenschaft erst bei Auslösung der Gemeinschaft durch Abziehung des Sondergutes beider Eheleute konstituirt wird, während in der Zeit der Ehe die einzelnen Erwerbstücke in dem Eigenthum des Ehegatten stehen, der erworben hat.

9) L. R. II, 1 §. 398 ff.

10) Vgl. Roth b. C. R. a. a. O. S. 351.

§. 41. 4. Die Gemeinschaft handelt,

wie

des Erwerbs

wird

gemeinschaftliche Vermögen

das

123

Die partikuläre Gütergemeinschaft.

in entsprechender Weise be­ bei der allgemeinen

Güter­

gemeinschaft. 11 Wegen gültiger Personalschulden eines jeden der Ehegatten kann

das

Errungenschaftsvermögen in Anspruch genommen werden;^ es kann aber der

andre Ehegatte

einen entsprechenden Ersatz aus dem

Sondervermögen des

ersteren fordern.

Hat ein Ehegatte mehr Schulden als Vermögen in die Ehe gebracht,

so ist der andre Theil befugt, auf Absonderung des Erwerbs, jedoch nur für

die Zukunft anzutragen.13

5. Bei Endigung der Ehe durch den Tod erfolgt die Beerbung in das

Sondervermögen wie bei Ehen mit getrennten Gütern, die in die Errungen­ schaftsgemeinschaft wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft.14 Wurde die Ehe durch Scheidung getrennt, so wird die Errungenschaft getheilt. mögen

Die dem beigerechnet,

schuldigen Ehegatten gebührende Hälfte wird dem Ver­

woraus

dem

gebührt.15

11) 12) 13) 14) 15)

L. L. L. L. L.

R. R. R. R. R.

II, II, II, II, II,

1 1 1 1 1

§. 411. §. 406 ff. §. 410. §. 662. §§. 821. 822.

Unschuldigen

die

gesetzliche

Abfindung

Zweiter Abschnitt.

Die eheliche Verwandtschaft und die väterliche Gewalt. Erstes

Kapitel.

Die cWicftc Verwancktsckast. §. 42.

Äccfctsfofgcn.

Die eheliche Abstammung.

Nur die eheliche Geburt macht im Rechtssinne verwandt mit dem Er­ zeuger und dessen Verwandten und giebt dem Vater die väterliche Gewalt über sein Kind. Nach preußischem Recht gewährt sie aber auch allein die Verwandtschaftsrechte gegen alle Verwandle von der Mutterseite. Ehelich ist das Kind, welches der Ehemann in der Ehe erzeugt hat, außerdem gilt nach preußischem Recht das vor der Ehe erzeugte, aber nach Abschluß der Ehe geborne Kind als vom künftigen Ehemann erzeugt und als ehelich.

1. Die Frage, ob ein Kind in der Ehe vom Ehemanne erzeugt, also ehelich sei, kann nicht in jedem Einzelsalle erst Gegenstand einer Untersuchung sein, sie wird vielmehr wenigstens prima facie durch einen allgemeinen Rechtssatz erledigt. Das nach Abschluß der Ehe Geborne gilt als in der Ehe durch den Ehemann erzeugt, wenn der Beginn des zu seiner Ausbildung erforderlichen Zeitraums in die Ehe fällt, ohne Unterschied, ob die Geburt in der Ehe oder nach Auflösung der Ehe geschah. Da nun diese Entwick­ lungszeit nach den Naturgesetzen bald länger, bald kürzer ist, so mußte das Recht Maximal- und Minimalzeiten setzen. Als die kürzeste Zeit erachtete man nach römischem Recht sechs Monate, oder vielmehr, wie sich feststellte, 182 Tage, * als die längste 300 Tage. ? Das preußische Recht hat sich

1) 1. 12 D. de statu hominum 1, 5 bestimmt, septimo mense nasci perfectum partum, was auf den hundertachtzigsten Tag führen würde. Nach 1. 3 §. 12 D. de suis et legitimis 38, 16 gilt aber erst der am hundertzweiundachtzigsten Tage Geborne als legitim. Man erachtet die 1. 3 §. 12 D. eit. als Deklaration der 1.12

§. 42.

die

125

auch schon früher zuweilen vertheidigten Ansicht

dagegen einer wonach

Die eheliche Abstammung.

angeschlossen,

kürzeste Frist für das Austragen eines lebendigen Kindes sieben

Monate bilden, so daß hier die kritische Zeit auf den 210. bis 302. Tag gesetzt ist.3* 2

beträgt,

nach gemeinem Recht 118 Tage

Während die Differenz also

ist sie nach preußischem nur 92 Tage.

der kritischen Zeit sind nach

Recht geregelt.

preußigem

Beginn, Ende und Länge

Recht anders

Denn nach römischem Recht ist

als nach gemeinem

der Geburtstag des Kindes

bei Berechnung der Konceptionszeit mitzuzählen, nach preußischem Recht ist er

ausgeschlossen.4 5 Von dem Grundsatz, daß ein bis zum 302. Tage nach der Auflösung

der Ehe gebornes Kind

als in

dieser Ehe

erzeugt und dem Ehemann ent­

stammend gilt/ 6 macht das preußische Recht eine Ausnahme, im Falle sich

die Wittwe ohne Dispensation

vor Ablauf des Trauerjahres wieder verhei­

ratete und das Kind vor dem dreihundertzweiten,

aber nach dem zweihun­

dert siebzigsten Tage seit Auflösung der frühern Ehe geboren wird.

dann zu präsumiren,

daß dasselbe der zweiten Ehe entstammt.7

Es ist Es

soll

D. de statu hominum. — In früherer Zeit war übrigens gemeinrechtlich die Sechs­ monatstheorie bestritten, zum Theil, weil Paulus in den sent. IV, 9 §. 5 erklärt aut septimo pleno aut decimo mense partus maturior videatur; der vollendete siebente Monat würde auf den zweihundertzehnten Tag führen, den hiernach Manche als maßgebend ansahen; die überwiegende Meinung der gemeinrechtlichen Juristen hat sich jedoch hiergegen erklärt, vom Standpunkt der Interpretation des corpus Juris aus sicher mit Recht. 2) 1. 3 §. 11 D. de suis et legitimis 38, 16, post decem menses mortis natus non admittitur ad legitim am hereditatem. Vgl. übrigens Stentzing in Jherings Jahrb. Bd. 9 S. 416 ff. 3) L. R. II, 2 §. 2. Striethorst Archiv Bd. 69 S. 117 ff. Die Vorschrift wird vom O. Trib. zu den in der Mark suspendirten gerechnet. Vgl. hiergegen das Anm. 1 Bemerkte. 4) Striethorst Archiv Bd. 58 S. 316.

5) Im Fall der Scheidung der Ehegatten ist als Zeitpunkt der Endigung der Ehe der Augenblick der Zustellung des Scheidungsurtheils anzusehen, Präjudiz des O. Trib. n. 2354, Entsch. Bd. 22 S. 367, vgl. oben Bd. I, §. 134.

6) Nach römischem Recht sollte die Frau nach der Scheidung dem Manne, wie nach dem Tode des Mannes dessen Erben ihre Schwangerschaft anzeigen und dann Bewachung dulden; der Mann, welcher die Schwangerschaft seiner geschiednen Frau behaup­ tete, konnte deren Bewachung fordern. Näheres ergiebt Tit. Dig. de inspiciendo ventre custodiendoque partu 25, 4. Aehnlich bestimmt L. R. II, 2 §. 26 ff., daß die Wittwe auf Anfragen über ihre Schwangerschaft Auskunft geben und Bewachung dulden soll. Bei Verheimlichung der Schwangerschaft soll sie mit der Privatstrafe des Viertels des vom Manne Ererbten belegt werden. Diese Bestimmungen haben nur in den seltensten Fällen eine praktische Bedeutung. 7) L. R. II, 2 §. 22 giebt die bezügliche Bestimmung nur für den Fall, „daß die Wittwe wider die Vorschrift der Gesetze zu früh geheirathet." Es kann daher keine Anwendung von derselben auf den Fall gemacht werden, wenn die Wittwe unter Dispensation vor Ablauf des zehnten Monats seit Beendigung der frühern Ehe wieder geheirathet hat, vgl. Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §. 35. Die ent-

Die eheliche Verwandtschaft.

126

Rechtsfolgen.

auch der zweite Ehemann dann, wenn das Kind vor dem zweihundertsiebzig­ sten Tage geboren ist, weil er durch zu frühe Verheirathung mit der Mutter den Stand des Kindes thatsächlich zweifelhaft machte, demselben die Pflichten des Vaters leisten,

so daß er es auf seine Kosten unterhalten und erziehen

muß.8* *9 * Außerdem kann die Präsumtion der Ehelichkeit entkräftet und auf­ gehoben werden,

wenn die Wittwe eines verdächtigen Umgangs nach der und das innerhalb

Ehetrennung überführt wird

geborne Kind der Art unreif zur Welt kommt,

des gesetzlichen Zeitpunkts

daß nach sachverständigem

Gutachten seine Erzeugung nicht mehr in das Leben des Ehemannes trifft? 2.

Nach römischem Rechte galten vor dem 182sten Tage nach Abschluß

der Ehe geborne Kinder dann als ehelich,

wenn sie der Ehemann als von

ihm erzeugt anerkannte.10 11 Das preußische Recht

läßt in solchem Falle eine Präsumtion der Er­

zeugung durch den künftigen Ehemann

eintreten,

so daß hier prima facie

das Kind als eheliches gilt."

gegengesetzte Ansicht vertheidigt Leonhard bei Gruchot Bd. 4 S. 261 ff. u. Förster Bd. 3 §. 219 Anm. 19. Allein es liegt eine Ausnahme vor, die nicht ausdehnend interpretirt werden kann. 8) L. R. II, 2 §. 24. Die Bestimmung ist eine ganz anomale, sie soll einen Ersatz gewähren für den unmetzbaren Nachtheil der Verdunkelung des Status, welcher juristisch unanfechtbar bleibt. Es besteht kein zureichender Grund dafür, einschränkend dahin zu interpretiren, daß die Verpflichtung nur für den Fall, daß der Nachlaß des ersten Ehemannes nicht ausreiche, also bloß subsidiarisch eintrete. So auch Koch zu §. 24 des Titels.

9) L. R. II, 2 §. 21. Was hier für den Fall des Todes des Ehemannes vor­ geschrieben ist, gilt auch für den Fall der Scheidung.

10) Nach älterm deutschen Recht war das vor der Ehe empfangne, wenn gleich in der Ehe geborne Kind unehelich und rechtlos. Kraut Vormundschaftsrecht Bd. 2 S. 589. Nach der römisch-justinianischen Gesetzgebung ist es ein eheliches, wenn es vom Ehemanne als das seine anerkannt wird, 1.11 C. de nat. liberis 5, 27 nov. 89 cap. 8 §. 1. Das Obertribunal erachtet dies noch jetzt für Recht in der Mark, da der §. 2 des L. R. das klare Gegentheil des römisch gemeinen Rechts enthalte. Entsch. Bd. 59 S. 225. 11) L. R. II, 2 §. 1: „Die Gesetze gründen die Vermuthung, daß Kinder, die während einer Ehe erzeugt oder geboren werden, vom Manne erzeugt wurden." Die Materialien theilt mit Wünsch in Simon's Zeitschrift Bd. 1 S. 397: über die rechtliche Vermuthung für die eheliche Vaterschaft. Nach derselben ging Suarez von der Auffaffung aus, der Satz pater est, quem justae nuptiae demonstrant passe so gut auf Kinder, die 24 Stunden als die 6 Monate nach der Hochzeit geboren werden, der favor legitimitatis gestatte es nicht, daß der status der unter 6 Mo­ naten gebornen Kinder dem schweren Beweise unterliege, daß der Ehemann vor der Hochzeit concubitum anticipirt habe. Hieraus ist der Plenarbeschluß des O. Trib. vom 5. September 1842, Präj. n. 1181*, Entsch. Bd. 8 S. 73 gebaut. Allerdings paßt aber L. R. II, 2 §. 2 nicht vollständig, da hiernach der Gegenbeweis gegen die gesetzliche Vermuthung dahin zu führen ist, „daß der Mann der Frau in dem Zwischen­ räume vom dreihundertzehnten bis zweihundertzehnten Tage von der Geburt nicht ehelich beigewohnt habe." Deshalb nehmen viele Schriftsteller an, daß man bei

Die Präsumtion der Ehelichkeit begründet die Familienstellung des Kindes Jedermann gegenüber. Sie wirkt nicht blos für das Kind, sondern auch gegen dasselbe. Sie kann nur aufgehoben werden durch ein auf Grund einer Anfechtungsklage erlaßnes rechtskräftiges Erkenntniß gegenüber dem Kinde. Ein Anerkenntniß des Kindes oder seines Vertreters, daß es unehe­ lich sei, ist nicht geeignet, die Präsumtion zu entfrosten.12 ***

Bis zur rechtskräftigen Erklärung der Illegitimität hat das Kind, für welches die Präsumtion spricht, die Rechte eines ehelichen, auch wenn sein Status bereits angefochten ist. Der präsumtive Vater hat es daher noch zu alimentiren, nachdem er einen Jllegitimitätsproceß gegen dasselbe ange­ stellt hat. 13 §. 43.

Jllegitimitätsklage.

Die Klage, wodurch die Legitimität eines als ehelich geltenden Kindes angefochten wird, hat nach Verschiedenheit ihres Fundaments einen verschiednen Charakter. Sie kann auf der Behauptung beruhen, daß die angebliche Ehe des Erzeugers mit der Mutter des Kindes in der That nicht abgeschlossen oder doch nichtig war. Zu einer solchen Klage ist Jeder berechtigt, welcher bei der Illegitimität eines angeblichen Kindes ein Interesse hat.1 Ebenso steht es mit einer Klage, welche sich darauf gründen würde, daß das angebliche Kind unterschoben oder erst nach der kritischen Zeit von der frühern Ehefrau geboren sei. Eine andre Gestalt hat die Jllegitimitätsklage, wenn sie sich gegen die Präsumtion der Abstammung vom Ehemanne richtet, welche aus der Geburt in der Ehe oder innerhalb der kritischen Zeit nach der Auslösung dersel­ ben folgt.

a) Nach gemeinem Recht, wie es z. B. auch in der Mark gilt, steht Jedem, welcher ein Interesse dabei hat, das Recht zu, die Vermuthung der

der schließlichen Redaktion zum gemeinen Recht habe zurückkehren wollen. Bornemann Bd. 5 S. 265, Förster Bd. 3 §.219. S. 596 ff. Hinschius Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes S. 81. 12) Vgl. unten §. 44 Anm. 4. 13) L. R. II, 2 §. 10.

1) So lange die Ehegatten leben, muß in diesem Falle die Klage aus Richtig­ keit der Ehe gegen die Ehegatten erhoben werden, Reichscivilproceßordnung §.588. Ihr Resultat präjudicirt der Frage der Ehelichkeit des Kindes.

Die eheliche Verwandtschaft. Rechtsfolgen.

128

Vaterschaft zu widerlegen.2

Nach preußischem Recht3 ist zur Anfechtung für

die Regel nur der Ehemann befugt.^ 5

Der "Ehemann muß den Willen der

Anfechtung binnen Jahresfrist gerichtlich erklären.6

Präklusivfrist, keine Klagenverjährung.1

Diese Frist bildet eine

Hat der Ehemann die Anfechtung

2) Es steht z. B. nach gemeinem Recht der Ehefrau die Schwängerungsklage gegen den angeblichen außerehelichen Vater ihres Kindes offen, sofern sie den Beweis der Unmöglichkeit seiner Erzeugung durch den Ehemann erbringt und dies trotz einer etwaigen Anerkennung des Kindes durch denselben. Seuffert Archiv Bd. 22 n. 287. Ebensowenig ist gemeinrechtlich dem Kinde verschränkt, den unehelichen Erzeuger unter Widerlegung der Präsumtion der Vaterschaft des Ehemannes feiner Mutter in Anspruch zu nehmen. Nach preußischem Recht sind derartige Klagen nicht statthaft.

3)

L. R. II, 2 §. 7 ff.

4) Insbesondre hat das Obertribunal Präj. n. 302, Entsch. Bd. 2 S. 292 anerkannt, daß es dem Kinde selbst nicht zustehe, die Paternitätsvermuthung anzufech­ ten, da dieselbe Kraft Jedermann gegenüber hat und nur von den ausdrücklich hierzu als berechtigt Erklärten innerhalb der für sie vom Gesetz gesetzten Fristen umgestoßen werden könne. Es würde sonst auch die Inkonsequenz eintreten, daß andre Personen ein zeitlich unbeschränktes Anfechtungsrecht hätten und daß grade der vom Gesetz be­ sonders hervorgehobne Vater, dessen Interesse als das nächste und dringendste erscheint, nur ein zeitlich beschränktes Anfechtungsrecht hätten. Es haben sich jedoch die meisten Schriftsteller in entgegengesetztem Sinne erklärt, weil das Gesetz das Klagerecht nicht ausdrücklich als ausschließliches Recht des Vaters erklärt habe und weil man sich von der gemeinrechtlichen Ansicht nicht freimachen will, welche die Präsumtion durch Jeden widerlegen läßt. Vgl. u.A. Koch zu §. 1, Förster Bd. 3 §. 219 S. 600. Ja För­ ster behauptet, daß es zur Begründung der negativen Filiationsklage Seitens des Kindes nicht einer Widerlegung der nur zu Gunsten des Kindes aufgestellten Prä­ sumtion bedürfe. Hiernach wäre der Vater, welcher gegenüber dem in der Ehe gebornen Kinde die väterliche Gewalt behauptet oder Alimente bezahlt, ohne den Schutz der Präsumtion- auf den Beweis, daß er dasselbe wirttich erzeugt habe, verwiesen, eine Theorie, deren Konsequenzen nicht weiter auszuführen sind. 5) Richtiger Ansicht nach steht dem Kurator eines Abwesenden, wie dem eines entmündigten Geisteskranken das Recht zu, die Legitimität eines von der Ehefrau des Abwesenden oder Geisteskranken gebornen Kindes anzufechten. Es ist nicht richtig, -daß — wie u. A. Gruchot Bd. 11 S. 760ff. annimmt — die Anfechtung der Legi­ timität ein höchst persönliches Recht sei; geht dasselbe doch auch auf die Verwandten des Ehemannes über. Das Obertribunal hat bisher Präj. n. 1204, Entsch. Bd. 8 S. 321 den Kurator des Abwesenden zur JllegitimitätSklage nicht für befugt erachtet, weil er nur zur Wahrung der Vermögensrechte des Abwesenden berufen sei. Da­ gegen hat es die Befugniß solcher Anfechtung dem Kurator des Geisteskranken zuge­ standen, Entsch. Bd. 57 S. 179, weil er auch die Person des Mündels vertrete. Nach der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 §. 73 ist diese Unterscheidung unhaltbar geworden, da auch der Vormund des Abwesenden dessen volle Vertretung hat. Vgl. hierüber unten im Vormundschastsrecht. 6) L. R. II, 2 §. 7. Dem Kinde ist ein Pfleger vom zuständigen Vormund­ schaftsgericht zu bestellen. Zuständig ist für die Kuratelbestellung das persönliche Gericht des Ehemannes, da das Kind bis zur rechtskräftigen Aberkennung seiner Legitimität — nach §. 11 des Titels — als eheliches gilt. Wenn der in das Gesetz­ buch eingeschobne §.8 fordert, daß der Ehemann dafür zu sorgen habe, daß seine Erklärung der Anfechtung dem ordentlichen Gericht des Ortes, wo die Mutter mit dem Kinde wohnt, bekannt gemacht werde, so ist die Tragweite dieser Bestimmung nicht klar.

7) Koch zu L. R. II, 2 §. 7 erachtet die Frist als eine Verjährung der actio de paternitate negativa, da auch dingliche Klagen verjähren könnten. In den Gründen des Plenarbeschlusses vom 22. Januar 1844, Entsch. Bd. 9 S. 43 hat

innerhalb

der Frist

129

Jllegitimitätsklage.

§. 43.

gehörig erklärt,

so sind

auch seine Verwandten zur

Erhebung oder Fortsetzung der Jllegitimitätsklage befugt;

das Gleiche gilt

für den Fall, daß der Ehemann, ohne sich zu erklären, vor Ablauf der Frist verstarb, falls sie die Frist wahren.^

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Ehemann das Kind aus­

Das An-

drücklich oder auch stillschweigend als das seinige anerkannt hat. erkenntniß bindet auch dann,

wenn es

nicht

einem Vertreter des Kindes

gegenüber abgegeben ist9 Eine selbständige Befugniß zur Entkräftung der Präsumtion der Ehelich­ keit haben Lehns - und Fideikommißanwärter.

Diese Anfechtung ist noch bin­

nen drei Jahren nach dem Tode des Ehemannes zuständig.

Sie wird durch

das Anerkenntniß des Ehemannes nicht beseitigt.10

b) Die Entkräftung der Paternitätspräsumtion ist zu begründen durch die Behauptung, daß zwischen dem Ehemanne und der Ehefrau während der

Koneeptionszeit des Kindes — also vom zehnten bis zum siebenten Monat

vor der Geburt — keine Beiwohnung stattfand."

Der Nachweis, daß die

Frau während der Konceptionszeit mit Andern geschlechtlichen Umgang hatte, ist irrelevant. 12

Es ist bestritten,

ob jene Behauptung nur mittels der Thatsache der

Abwesenheit des Mannes während der Konceptionszeit oder totaler Impotenz

desselben zu erhärten ist, oder ob die Nichterzeugung auch hiervon abgesehen

dagegen das Obertribunal die Klagenverjährung verneint. Dies mit Recht, die Anfech­ tung ist nach dem Gesetz dadurch bedingt, daß sich der Ehemann für sie innerhalb des Jahres gerichtlich erklärt; es genügt eine gerichtliche Protestation — auch durch den Gerichtsvollzieher — den Verlust des Rechts abzuwenden. 8) Die richterliche Entscheidung über die Legitimität gegenüber dem Vater macht Rechtskraft gegen Jedermann, weil der Vater der legitimus contradictor im StatusProcesse ist, vgl. auch 1. 1 §.16, 1. 2, 1. 3 D. de agn. vel al. liberis 25, 3, 1. 1 §. 4 I). de lib. exhibendis 43, 30, das gegenüber Verwandten gefällte Urtheil hat, da sie die andern Verwandten nicht vertreten, nur Rechtskraft unter den Proceßpar­ teien. Wenn daher die Legitimität gegen mehrere Litiskonsorten durch einen diesen angetragnen Eid festgestellt werden soll und der Eid von Einigen geleistet, von Andern verweigert worden ist, so gilt dasselbe Individuum für die Einen als ein eheliches, für die Andern als ein uneheliches Kind, Striethorst Archiv Bd. 19 S. 81. Die quaestio status ist in solchem Fall nicht untheilbar, was Koch zum §. 18 des Titels allerdings nicht zugeben will. Reichscivilproceß §. 434 wird nicht zur Anwendung kommen können, da er ein allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festzustellen­ des Rechtsverhültniß voraussetzt.

9)

Striethorst Archiv Bd. 51 S. 217.

10)

L. R. II, 2 §§. 17 u. 18.

11)

Vgl. 1. 11 §.7 I). ad legem Juliam de adulteriis 48, 5.

12) Die Behauptung kann nicht zum Beweis verstellt werden, daß der Beischlaf des Mannes nicht hatte befruchtend sein können, hierhin gehende ärztliche Zeugnisse sind nicht zu beachten. Striethorst Archiv Bd. 38 S. 47. Dernburg, Preußisches Privatrecht.

III.

9

130

Die eheliche Verwandtschaft.

bewiesen werden kann.

Für das Letztere hat sich in Uebereinstimmung mit der

gemeinrechtlichen Praxis

überwiegenden

Rechtsfolgen.

das Obertribunal erklärt.13

Beweismittel wird dann in der Regel die Eideszuschiebung dienen.

kann

aber nicht der Mutter zugeschoben werden,

Als

Der Eid

da sie nicht Proceßpartei

ist und da ihr Zeugniß weder für noch wider die Rechtmäßigkeit des Kindes

entscheiden kann.14 15 Es bleibt nur übrig, dem Pfleger des Kindes den Eid darüber anzuvertrauen,

ob

er nicht auf Grund der ihm obliegenden Nach­

forschungen Wissenschaft darüber erhalten habe, daß der Ehemann seiner Ehe­

frau

der kritischen Zeit nicht beigewohnt habe.

während

Zuweilen liegen

übrigens die Umstände der Art z. B. bei notorischer Entfremdung der Ehegatten,

Verheimlichung

Nichtbenennung des

der Schwangerschaft und der Geburt,

Ehemannes im Kirchenbuche und

den Standesamtsregistern, Erziehung des

Kindes außerhalb der Familie, daß der Gegenbeweis gegen die Präsumtion

durch Jndicien etwa unter Hinzutritt

eines nothwendigen Eides als erbracht

gelten kann.43

§. 44.

Die Klage auf Anerkennung des Kindesverhältnisses.

Die Klage auf Anerkennung der Paternität wird vorzugsweise da vor­ kommen,

wo das Vorhandensein der die Präsumtion

der ehelichen Geburt

begründenden Thatsachen zweifelhaft und bestritten ist.1

Die Klage kann von Jedem erhoben werden, welcher bei der Thatsache der ehelichen Abstammung eines Kindes ein Interesse hat.

Klage legitimirt vor Allem das Kind, dessen Erbe,

rechtigt sein.

Es ist

also zur

welches Kindesrechte anspricht,

und

aber auch Andre, z. B. Gläubiger des Kindes können klagbe­ Sofern der angebliche

Vater

noch lebt und

die Legitimität

13) Plenarbeschluß vom 5. September 1842, Entsch. des O. Trib. Bd. 8 S. 73. Das allgemeine Gesetzbuch von 1792 hatte II, 2 §§. 2 u. 3 bestimmt, daß der Ehe­ mann nur mit der Jllegitimitätsklage gehört werden solle, wenn er die ganz offenbare Unmöglichkeit der Erzeugung vollständig Nachweisen könne und daß die Impotenz nur durch den Nachweis dargethan werden könne, daß er der erforderlichen Gliedmaßen beraubt gewesen sei. Dagegen ist die Fassung des L. R. eine andre, indem hier nur die Rede von überzeugendem Nachweis ist. Es werden daher auch nothwendige Eide zugelassen. Entsch. des O. Trib. Bd. 59 S. 241, Striethorst Archiv Bd. 69 S. 114, Bd. 96 S. 342. — Das Gegentheil bestimmte früher Präj. n. 1125. 14) Dies spricht ausdrücklich aus L. R. II, 2 §. 6. Es stimmt hiermit die gemeinrechtliche Praxis überein, "Striethorst Archiv Bd. 70 S. 160, vgl. 1. 29 §. 1 D. de probationibus 22, 3. 15) Vgl. Striethorst Archiv Bd. 10 S. 262 ff.

1) Selbstverständlich kann auch die Maternität z. B. bei einem Findelkinde thatsächlich bestritten sein und der gerichtlichen Anerkennung bedürfen, doch sind dies seltne Fälle. Man wird anzunehmen haben, daß eine derartige Klage, so lange die angebliche Mutter lebt, zunächst zwischen dieser und dem Kinde zu verhandeln ist und daß das Urtheil zwischen Mutter und Kind Rechtskraft auch macht gegen Dritte.

§. 45.

bestreitet,

ist

Die Alimentationspflicht der Verwandten.

die Klage

131

Selbstverständlich kann

ihm gegenüber anzustellen.

auch der Vater gegen das Kind beziehungsweise gegen dessen Vertreter auf Anerkennung seiner Rechte als Gewalthaber und Vater klagen.

Der Beweis wird

sich

in der Regel darauf zu

richten haben,

daß

zwischen dem angeblichen Vater und der Mutter des Kindes eine rechtsgültige Ehe bestand und daß das Kind von der Ehefrau innerhalb der kritischen Zeit geboren wurde.

Zum Beweis der Eheschließung

dienen

natürlich in

erster

Linie die hierzu bestimmten öffentlichen Urkunden, z. B. der Kopulationsschein

eines Pfarramts für

für die

die Epoche nach

frühere Zeit, die Urkunden der Standesbeamten

der Einführung der Civilehe.

Die Legitimität

wird

jedoch hauptsächlich in den Fällen streitig werden, in denen derartige Urkun­

den nicht existiren, die Eltern z. B. Ausländer waren, welche sich nach län­ gerem Herumvagiren bei uns niederließen. bis zum Gegenbeweis beweiskräftig,

sächlich das Vorhandensein

In solchen Fällen sind Jndicien

wenn z. B. der angebliche Vater that­

einer Ehe anerkannte,

insbesondre wenn er

die

Mutter als Gattin ausgab, das Kind als eheliches in die Kirchenbücher oder Standesregister eintragen ließ.

Es werden diese Thatsachen namentlich

Gewicht sein, wenn die Eltern gestorben, verschollen,

von

in bewußtlosem Zu­

stande sind.2* 1 Das Urtheil gegenüber dem angeblichen Vater

macht Rechtskraft auch

gegen Dritte.

§.45.

Die Alimentationspflicht der Verwandten.^

Schon das römische Recht hatte die Pflicht der Alimentation nicht bloß

dem Vater, sondern allen Ascendenten wie auch Descendenten aufgelegt.2 Noch weiter gingen germanische Satzungen., nach welchen die Unterstützung verarm­ ter Familiengenossen Familienpflicht war.3

ältere

gemeinrechtliche

Schriftsteller

auch

Hieraus erklärt sich wohl, daß die Alimentation

der Geschwister

2) Man hat dann wohl von einem Besitz des Status gesprochen, welcher eine Präsumtion für die Rechtmäßigkeit desselben gewähre. Vgl. die Fälle bei Striethorst Archiv Bd. 6 S. 114, Bd. 62 S. 44.

1) L. R. II, 2 §§. 63. 251 — 254, II, 3 §§. 14 — 30. Koch Recht der Ford. Bd. 3 §. 196 ff. Gemeines Recht Tit. Dig. de agnosc. vel al. liberis 25, 3. Glück Bd. 28 S. 50 ff. Pugge im Rhein. Museum Bd. 3 S. 559 ff., Reinhard in Linde's Zeitschrift n. F. Bd. 13 n. 5 S. 140 ff. 2) Die Klagbarkeit dieser Verpflichtung — extra ordinem — gehörte wohl erst der römischen Kaiserzeit an, daß sie zunächst gegen die Hausväter eintrat, ergiebt 1. 5 §. 1 D. h. t.

3) Beseler Privatrecht §. 114.

Die eheliche Verwandtschaft.

132

obgleich das

Rechtspflicht ansahen,4

häufig als

Rechtsfolgen.

Auffassung keinen zureichenden Anhalt bot.5 das

Landrecht

wie

eine

römische Recht

Im Anschluß

Alimentationsverbindlichkeit

von

für

hieran

diese

erkennt

Ascendenten

und

Descendenten, so auch in einem begrenzten Maße von Geschwistern an. 1.

Die Verpflichtung seine Kinder zu alimentiren hat in erster Linie

der Vater, o

ohne Rücksicht auf Gewalt,

in zweiter Linie die Mutter,

des

Weiteren sind alle Verwandte in auf- und absteigender Linie zur gegenseiti­

gen Alimentation im Bedürfnißfall verpflichtet/ und zwar nach der Reihen­

folge der gesetzlichen Erbfolge/ so daß beispielsweise neben den Descendenten

ersten Grades

die Enkel durch

vorverstorbne Kinder,

Erbansprüche haben, aümentationspflichtig find.

welche

neben

ihnen

Es sind jedoch die Geschwi­

ster — denen auch nur der nothdürftige Unterhalt obliegt — erst nach den

Ascendenten verpflichtet, obgleich sie entfernteren Ascendenten im Erbrecht vor­

gehen oder wenn sie halbbürtig find, mit ihnen lonfutriten.9 teren Seitenverwandten,

Bei entfern­

z. B. Geschwisterkindern, wird nur eine natürliche

Pflicht der Alimentation angenommen; doch verlieren sie ihr Jntestaterbrecht,

wenn sie sich der Ernährung des unvermögenden Verwandten weigerten, trotz­

dem daß sie zu derselben aufgefordert waren?9 Nur

solche Verwandten

sind

alimentationspflichtig,

schaftsverhältniß das Gesetz anerkennt.

deren Verwandt­

Uneheliche Kinder haben demnach nur

Anspruch und Verpflichtung gegenüber ihrer Mutter und gegenüber unehelichen

Kindern ihrer Mutter," außerdem natürlich gegen ihre Descendenten.

Ihr

Alimentationsanspruch gegen ihren Erzeuger hat eine besondre Natur. 12

Ist der zunächst zur Alimentation Verpflichtete zu derselben nicht vermö­ gend oder ist er nicht zu erreichen, so treten die auf ihn Folgenden an seine

Stelle.13 4) Carpzov des. for. p. II, c. 10 des.-19, Leyser spec. 325 med. 1 u. 2. Glück Bd. 28 S. 235 ff. Das gemeine Recht wird mit Recht in diesem Punkte als kontro­ vers vom O. Trib. angesehen. Die Verpflichtung der Alimentation der Geschwister besteht hiernach in der Mark, nicht aber in Westphalen. Vgl. oben §. 1 Anm. 14. 5) Eine sittliche Verpflichtung der Geschwister zu gegenseitiger Alimentation wurde von den Römern begreiflicherweise angenommen 1.13 §. 2 D. de adm. tut. 26, 7, 1. 4 D. ubi pupillus 27, 2, 1. 1 §. 2 D. tutelae 27, 3. 6) L. R. II, 2 §§. 64. 65. 107. 251. 7) L. R. II, 3 §. 14. 8) L. R. II, 3 §§. 17. 18. Gemeinrechtlich ist es bestritten, wer zunächst haf­ tet, so namentlich ob die Mutter vor dem väterlichen Großvater in Anspruch zu neh­ men ist. Windscheid II, §. 475 Anm. 5. 9) L. R. H, 3 §. 15. 10) L. R. II, 3 §. 22 ff/ 11) Vgl. unten §. 68. 12) Vgl. unten §. 71. 13) L. R. II, 3 §. 19 spricht nur von dem Falle des Unvermögens; daß der Fall, in welchem der nähere Verwandte wegen seiner Entfernung nicht angehalten werden kann, gleichsteht, ist anerkannt bei Striethorst Archiv Bd. 19 S. 141.

2. Voraussetzung des Alimentationsanspruchs ist Bedürftigkeit. Der Alnnentenkläger darf also kein eignes verwendbares Vermögen besitzen und er muß unfähig sein, sich durch Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben.14 Einen Anspruch auf Alimentation gegenüber Verwandten hat auch nicht, wer in der Lage ist, von näher Verpflichteten Unterhalt zu beziehen. Es hat daher die Ehefrau, welche ihre Verwandte in Anspruch nimmt, die Un­

fähigkeit ihres Mannes darzuthun, sie zu ernähren oder wenigstens die Un­ ausführbarkeit, ihn zu seiner Pflicht anzuhalten.15 Auch der Vater, welcher ein Kind in der Gewalt hat, ist zu den Kosten seiner Erhaltung aus eignen Mitteln nur verpflichtet, sofern dieselbe nicht aus dessen Vermögen bestritten werden kann. Es gilt jedoch nicht die Vermuthung dafür, daß er das Kind aus der Substanz des Kindesvermögens erhalten wollte, vielmehr wird dies nur im Falle einer ausdrücklichen Erklärung des Vaters angenommen.16 Zur Verwandtenalimentation verpflichtet ist nur, wer zu derselben un­ beschadet der Selbsterhaltung wie auch andrer näher liegender Pflichten im Stande ist.17 In dieser Beziehung haben Kinder ersten Grades, die noch nichts selbst verdienen können, eine andre Stellung als andre Verwandte. Denn solche Kinder zu erhalten ist für die Eltern keine mindere Aufgabe als die Selbsterhaltung. Andre Verwandte können nicht fordern, daß geringere Vermögensbeträge, welche für den Alimentationsverpflichteten oder dessen Ehe­ gatten und Kinder ein dürftiges Reservekapital bilden, zu ihrer Alimentation angegriffen roetben.18 Inwieweit der dem Alimentationsverpflichteten mög­ liche Erwerb in Betracht zu ziehen ist, hängt von den Umständen ab. Be­ sondre nicht gewöhnliche Anstrengungen zur Beschaffung von Alimenten für die Verwandten können in der Regel nicht gefordert werden.19 Abgesehen von dem Anspruch erwerbsunfähiger Kinder ersten Grades, welcher jedem andern vorgeht, wird der Alimentationsverpflichtete von seinem Vermögen seine Schulden vorerst in Abzug bringen können, jedenfalls gilt dies für Schulden onerosen Charakters.20 14) L. R. II, 2 §. 251, II, 3 §. 15, 1. 5 §§. 7. 13. 17 D. h. t. 25, 3. Die Arbeit, welche gefordert werden kann, muß einerfeits eine den Kräften, der Er­ ziehung des Verarmten, sowie den Standesverhältnissen der Familie angemeßne sein, andrerseits darf sich der Verarmte nicht leicht der Arbeit schämen. Hierüber hat der Richter nach der konkreten Sachlage zu befinden.

15) Striethorst Archiv Bd. 44 S. 101.

16) L. R. II, 2 §. 287, vgl. §. 284. Anders Koch Recht der Ford. II, S. 6, welcher behauptet, die Substanz des Kindesvermögens dürfe der Vater zur Erhaltung des Kindes nur bei eigner Bedürftigkeit angreifen. 17) Prägnant aber ungenau verlangt Koch a. a. O. S. 7, „daß der Verpflichtete Ueberfluß haben muß." 18) Striethorst Archiv Bd. 14 S. 201. 19) Vgl. Plenarbeschluß des O. Trib. in Entsch. Bd. 20 S. 37. 20) Striethorst Archiv Bd. 78 S. 247.

134

Die eheliche Verwandtschaft.

Rechtsfolgen.

Nicht in Betracht zu ziehen ist der Grund des Unvermögens

mentationsverpflichteten,

also

namentlich

auch

etwaiges

des Ali­

Verschulden

des­

selben. 21

So lange der seinem Verwandtschaftsgrade

nach

zur Alimentation zu­

nächst Berufne die Mittel zu deren Leistung nicht besitzt, pflichtung desselben

noch nicht.

Subsidiär Verpflichtete,

besteht eine Ver­ also

entferntere

Verwandte oder Armenverbände haben daher keinen Rückgriff gegen ihn wegen der während der Zeit seiner Mittellosigkeit geleisteten Alimente, auch wenn er

später Vermögen erwerben sollte.22

Es ist Sache des Alimentenklägers

und im Streitfälle zu

darzulegen,

beweisen, daß er alimentationsbedürftig und daß die Verklagten die zunächst

alimentationspflichtigen Verwandten seien.

Ob dem Kläger auch der Nach­

weis obliegt, daß der in Anspruch Genommne zur Leistung der Alimente im Stande ist, war gemeinrechtlich bestritten,23 und ebenso im frühern preußi­

schen Rechte.

Die Deklaration

vom 21. Juli 1843

verlangt

mit Recht,

daß der Verklagte seinerseits zur Abwendung des Anspruchs seine Vermögens­ lage offen

lege und nicht

vom Gegner

einen Beweis

über Dinge fordere,

über die er selbst die beste Auskunft geben kann.24

3.

Ascendenten

und Descendenten

haben

in der Regel Anspruch auf

anständigen Unterhalt nach Maßgabe des Vermögens oder Erwerbs des Pflich­

Ist aber der Hülfsbedürftige durch eigne Schuld verarmt oder hat

tigen. 25

er sich gegen den Andern so betragen,

wäre,

so

kann

er

daß dieser zur Enterbung

berechtigt

nur nothdürftigen Unterhalt verlangen.26 27 Geschwister

schulden sich stets bloß nothdürftigen Unterhalt.2^ Der Anspruch

geht zunächst

auf Naturalverpflegung.

Alimentengelder

sind zu leisten, wenn die Pflichtigen solche Verpflegung nicht gewähren kön­

nen

oder wollen.

So wenn mehrere

gleichmäßig

Verpflichtete

sich nicht

21) Striethorst Archiv Bd. 78 S. 247.

22) Striethorst Archiv Bd. 70 S. 182 ff. 23) Vgl. Hofmann in Linde's Zeitschrift Bd. 16 S. 139 ff. und Scholz ebenda­ selbst Bd. 18 S. 118 ff. Bei Seuffert Archiv Bd. 1 n. 233, Bd. 14 n. 43 wird das Unvermögen des Pflichtigen als Beweiseinrede behandelt. 24) Förster Bd. 3 §. 239 S. 695 nimmt dagegen an, „die falsche Praxis" sei durch die Deklaration geltendes Recht geworden. Aehnlich schon Koch Forderungen Bd. 3 S. 9. 25) L. R. II, 1 §. 252. Die gemeinrechtlichen Juristen pflegen zu unterscheiden zwischen alimenta civilia, d. h. standesmäßigen und naturalia, d. h. nothdürftigen. 26) L. R. II, 1 §. 253, II, 3 §. 14. Nach römischem Recht hatte der Hülfsbedürstige keinen Anspruch, wenn er sich in grober Weise gegen seine Verwandten-pflicht verfehlt hatte. 1. 4 C. de al. Hb. 5, 25. Die Praxis legte meist die Enter­ bungsgründe zum Grunde.

27) L. R. II, 3 §. 15.

darüber einigen, wer die Naturalverpflegung übernehmend Die Alimenten­ gelder sind für gewifle Zeitabschnitte im voraus zu bezahlen, weil sonst der Hulfsbedürftige in dem ersten Zeitabschnitte nichts zum Leben hätte.28 29 Was zu der anständigen Verpflegung gehört, ist nach den besondern Umständen zu bemessen. Die Alimente begreifen an erster Stelle, was zur Erhaltung des Körpers nothwendig ist, also Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie Feuerung, ferner ärztliche und Apothekerkosten.30 Aber die anständige Verpflegung ist hierauf nicht beschränkt. Kosten der Erziehung und Aus­ bildung der Kinder sind selbstverständlich inbegriffen, Bücher und Lektüre können ein Bedürfniß sein, welches je nach den Verhältnissen zu gewähren ist31 Proceßkosten gehören nicht zum Lebensunterhalt, wenn sie auch der Ehemann seiner Frau in Folge der Verbindlichkeit zur Vertretung und zum Schutz zu gewähren hat.32 4. Die Schwiegertochter hat keinen selbständigen Anspruch gegen die Ascendenten ihres Mannes, die Stiefmutter oder der Stiefvater keinen gegen die Descendenten des Ehegatten. Es wäre jedoch hart und der Natur der Sache zu­ wider zu behaupten, daß die Alimentationsverpflichteten, welche hierzu in der Lage sind, dem Hülfsbedürftigen nicht das zur Erhaltung seines Ehegatten Nothwendige gewähren müßten. Auch hier kommt es. auf ein richtiges Ab-, wägen der Verhältnisse an.33 Die rechtskräftige Festsetzung eines bestimmten Alimentenquantums kann in Zukunft wieder abgeändert werden, falls eine Veränderung der maßgeben­ den Verhältnisse eintritt.34 5. Mehrere gleich nahe Verpflichtete sind nur gemeinschaftlich, jedoch nach Verhältniß ihrer Kräfte verbunden.35 Es ist daher auch die Klage 28) Striethorst Archiv Bd. 69 S. 50. 29) Koch Forderungen Bd. 3 §. 197 Anm. 30. 30) 1. 6 D. de alim. legatis 34, 1 besagt: legatis alimentis cibaria et vestitus et habitatio debebitur, quia sine bis ali corpus non potest, caetera quae ad disciplinam pertinent, legato non continentur. Feuerung, welche der Italiener entbehren konnte, ist jedenfalls in Deutschland ebenso unentbehrlich als Nahrung. 31) Das römische Recht rechnet zu den Alimenten nur das zur Erhaltung und Pflege des Körpers Erforderliche; aber schon das gemeine Recht steht den heutigen Verhältnissen entsprechend nicht mehr auf dem römischen Standpunkte. Anders freilich Windscheid Bd. 2 §. 475 Anm. 10 und 11. Keinenfalls beschränkt sich nach preußi­ schem Recht die Verpflichtung auf die körperlichen Bedürfnisse.

32) Vgl. Koch Ford. Bd. 3 S. 13. 33) Anders Bornemann Bd. 5 S. 7, Förster Bd. 3 §.239 Anm. 25. Die ziemlich vage Aeußerung von Suarez, die Bornemann mittheilt, kann die Frage nicht entscheiden. Vgl. Striethorst Archiv Bd. 14 S. 371. 34) Koch Ford. Bd. 3 S. 55. 35) L. R. II, 3 §. 20.

Die eheliche Verwandtschaft.

136

Rechtsfolgen.

gegen Alle gemeinsam zu erheben.36 37 38 Es39 kann nicht etwa gegen Einzelne

auf

das Ganze unter Vorbehalt ihres Regresses geklagt werden.

sind nur diejenigen Verwandten mit zu

welche zur Leistung ver­

Auch muß die Klage nicht etwa solche Verwandte in An­

mögend sind.31

nehmen,

spruch

belangen,

Natürlich

welche

ihre

Verbindlichkeit

erfüllen.33

Endlich

kommen

außerhalb des deutschen Reiches Wohnende, die zur Erfüllung ihrer Pflicht nicht bereit sind und zu derselben im Reiche nicht angehalten werden können, auch hier nicht in Betracht.33

sich Gleichverpflichteten

Der Kläger,

in Anspruch

nimmt,

welcher nur Einzelne hat die Gründe,

der an

welche dies

Vorgehen rechtfertigen, seinerseits darzulegen nnd im Streitfall zu erweisen.

6.

vor Allem die Ver­

Die Alimentationsklage bezweckt grundsätzlich

urteilung zu künftiger Verpflegung. unverjährbar.

Dieser Anspruch ist unvererblich

Er steht dem Alimentationsberechtigten nur persönlich zu.

Alimentationsberechtigte ist außerdem befugt, er nachweist,

und

Rückstände

zu fordern,

Der wenn

daß er behufs seiner Alimentation Schulden gemacht hat,

noch zu tilgen sind.40

Auch kann

er Schadensersatz

wegen

des durch

die die

Nichtleistung entstandnen Schadens verlangen. Wer die Alimentation des Hülfsbedürftigen übernimmt, sei es, weil er

dazu gesetzlich verpflichtet ist, es,

wie z. B. der

öffentliche Armenverband,

sei

weil er sich freiwillig hierzu versteht, kann mit der a. negotiorum ge-

storum von dem zunächst Alimentationsverpflichteten die Vorlage von Alimen-

36) Präj. des O. Trib. 1202, Präj. 2437, Entsch. Bd. 26 S. 155 und öfters. Koch Ford. Bd. 3 S. 67 nimmt Solidarhaft an. Förster Bd. 3 §. 239 Anm. 40 behauptet, der Begriff der Gemeinschaftlichkeit sei dem A. L. R. eigenthümlich, erzeugt durch das Bestreben der Vervielfältigung der Processe entgegenzuwirken, er sei unklar, er erschwere in ungerechter Weise das Klagrecht. Aber auch gemeinrechtlich wird die Gemeinschaftlichkeit angenommen. Vgl. Mandry Familiengüterrecht Bd. 1 S. 256.

37) Striethorst Archiv Bd. 39 S. 176. 38) Striethorst Archiv Bd. 78 S. 245. 39) Vgl. Striethorst Archiv Bd. 72 S. 299. 40) Koch zu §. 612 L. R. II, 2 geht davon aus, die Alimentenklage gehe nur auf die Zukunft nach dem Grundsätze in praeteritum non vivitur. Rückständige Alimente gebe es daher im Rechtssinne nicht. Nur aus besondern Gründen könne wegen der Vergangenheit geklagt werden, so wenn vom Kinde Vorfchüffe auf die Ali­ mente ausgenommen, desgleichen könnten Dritte mit der a. neg. gest, klagen. Diese Argumentation beruht auf dem richtigen Gedanken, daß Alimente zu einem bestimm­ ten Zwecke, nämlich dem Lebensunterhalte, dienen sollen und daß dieser Zweck nicht mehr erreichbar ist, sofern der Alimentenberechtigte, ohne eine Verbindlichkeit übernom­ men zu haben, sein Leben ohne sie gefristet hat. Indessen hat das O. Trib. wenig­ stens bezüglich der Alimentation unehelicher Kinder durch den Erzeuger die entgegen­ gesetzte Theorie aufgestellt, Entsch. Bd. 55 S. 105 ff. Aus der Unterlassung und aus der Verzögerung der Erfüllung von Verbindlichkeiten werde neben dem Recht auf Rückforderung des Nichtgeleisteten auch das Recht auf Schadensersatz begründet. Dies müsse auch hier eintreten. Die besondere Natur der Alimentationsverbindlichkeit ist hierbei kaum gewürdigt. Vgl. übrigens die bei Rönne zu §. 612 L. R. II, 2 Citirten.

§. 45.

Die Alimentationspflicht der Verwandten.

137

tationsgeldern fordern, wenn dieser sich zur eignen Leistung der Verpflegung nicht versteht.41 Er ist nicht weniger befugt, Ersatz wegen der vorgestreckten Alimente zu verlangen. Diese Ersatzklage ist aktiv und passiv vererblich, sie unterliegt der vierjährigen Verjährung der Forderungen wegen rückständiger Alimente. 7. Zur Befriedigung der Ehefrau und ehelichen Kinder des Schuld­ ners wegen solcher Alimente, welche für die Zeit seit Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkt vorausgehende letzte Vierteljahr zu entrichten find, ist die Pfändung von sonst unpfändbarem Einkommen des Schuldners verstattet.42 Dies Privilegium ist auch der Klage dessen zuzugestehen, welcher für jene Personen die Alimente vorgelegt hat. 8. Der zur Alimentation verpflichtete Verwandte hat in der Regel kein Recht auf Rückerstattung des in Folge dieser Pflicht Ausgelegten, auch wenn der früher Hülfsbedürftige später in bessere Vermögensumstände kommt.4 3 Geschwister jedoch können das von ihnen gemäß dem Gesetz Geleistete nach besondrer Bestimmung des Landrechts zurückverlangen.44 Haben sie mehr gegeben als sie schuldeten, so gilt, wenn sie sich die Rückgabe nicht vorbehielten, das Mehr als geschenkt.4^

Entferntere Anverwandte werden sich gleichfalls ein Rückforderungsrecht vorMielten müssen, wenn sie Erstattung der von ihnen geleisteten Ali­ mente verlangen wollen, da sie einer natürlichen Verpflichtung Genüge leisteten. 46 47 41) Striethorst Archiv Bd. 62 S. 134. 42) Reichsgesetz vom 21. Juni 1869 über die Lohnbeschlagnahme, proceßordnung §. 749.

Reichscivil-

43) Auch die Römer verneinen für die Regel einen Rückforderungsanspruch, wenn der Verwandte den Verwandten pietatis respectu aluit 1. 27 §. 1 D. de rieg. gest. 3, 5. Anders liegt faktisch der Fall der 1. 34 D. eod., da die Großmutter nepotis sui negotia gessit.

44) L. R. II, 3 §. 21. 45) L. R. I, 11 §. 1041 ff. 46) Die Frage, ob entferntere Seitenverwandte ein Rückforderungsrecht wegen der ohne Vorbehalt geleisteten Alimente haben, ist eine bestrittne. Koch Ford. Bd.3 S. 70 nimmt an, es müsse damit eine Obligation des Alimentirten entstehen, animo credendi geleistet sein, auch Förster Bd- 3 §. 239 ist gleicher Ansicht. 47) Nicht zweifellos ist die Frage, nach welchem von verschiednen Rechten die Unterstützungspflicht der Verwandten zu regeln ist? Es wird in erster Linie maß­ gebend sein müssen nach L. R. Einl. §. 23 das Recht des Domicils der Berechtigten, da es sich um eine persönliche Befugniß handelt. Andrerseits wird aber diese Befugniß nur soweit geltend gemacht werden können, als sie das Recht des Domicils des Verpflichteten überhaupt kennt. Vgl. Entsch. des O. Trib. Bd. 56 S. 8. Dagegen nimmt Koch zu §. 15 L. R. II, 3 an, die Alimentationsverbindlichkeit sei ein Korre­ lat des Jntestaterbrechts, sie richte sich daher nach eben den Gesetzen, nach welchen

138

Die eheliche Verwandtschaft. Rechtsfolgen. §. 46. Nach

Recht auf Ausstattung.

römischem Kaiserrecht konnte

der Vater und väterliche Großvater, die Mutter durch die Obrigkeit

bei Vermögenslosigkeit

in außerordentlichen

der Tochter

Fällen

subsidiär

extra ordinem zur Dotation der Tochter

und Enkelin angehalten werden. *1

Auch

galt im Fall einer Emancipation

das Pekulium des Hauskindes ihm im Zweifel als geschenkt.2

Konnte von

dem letzteren Satz im gemeinen Recht keine Rede sein, so war auch die Frage der Geltung der

Dotationspflicht

kontrovers.3 4 5Auf 6 wesentlich

bei

den ältern gemeinrechtlichen Juristen

verschiedner Grundlage

beruhte es ,

daß

nach

deutschem Rechte der überlebende Ehegatte, welchem statutarisch der Nießbrauch am Vermögen des vorverstorbnen Gatten, oder das Alleinerbrecht an demsel­

ben zustand oder der in fortgesetzter Gütergemeinschaft verblieb, zur Ausstat­

tung der Söhne, die sich selbständig etablirten und der Töchter, die sich ver­ heirateten, verpflichtet galt.

Das preußische Recht erkennt zwar die Pflicht der Eltern zur Ausstat­

tung ihrer Kinder an,

jedoch nur als eine natürliche,

die im Proceßwege

nicht geltend gemacht werden kann. * a) Diese Ausstattung gebührt Söhnen, welche eine abgesonderte Wirth­

schaft anfangen, zu der ersten Einrichtung und zur Anschaffung der für den Betrieb des

Gewerbes

unentbehrlichen Gerätschaften;

desgleichen Töchtern

zur Hochzeit und zur ersten Einrichtung des Hausstandes. Kinder,

die

schon

einmal ausgestattet waren,

haben keinen Anspruch

auf eine nochmalige Ausstattung.^ b) Die Verpflichtung zur Ausstattung liegt in erster Linie dem Vater/

in zweiter der Mutter ob;

leben

die Eltern in allgemeiner ehelicher Güter­

gemeinschaft, so ist sie aus der Masse zu entrichten.

die gesetzliche Erbfolge in den Nachlaß des Angesprochnen bestimmt werde, also nach den Gesetzen des Wohnsitzes des angeblich Verpflichteten. Der so gemachte Schluß ist nicht überzeugend. Es stimmt Hinschius, siehe an demselben Orte, wie auch Förster Bd. 3 §. 239 Anm. 12, Koch nicht zu.

1) 1.19 D. de ritu nuptiarum 23, 2. 1. 14 C. de jure dotium 5, 12. Windscheid II, §.493 n. 4 ff. 2) Arg. 1. 53 D. de peculio, vgl. fragm. Vat. §. 260. Windscheid II, §. 518 Anm. 6. 3) Gegen die Dotationspflicht des Vaters spricht sich u. A. aus Hellfeld jurisprudentia forensis §. 1231 not. p. 4) L. R. II, 2 §. 232 ff., vgl. die Aeußerungen von Suarez, v. Kamptz, Jahrb. Bd. 41 S. 138, die übrigens wohl geeignet sind, ein falsches Bild der bezüglichen Bestimmungen zu geben. 5) L. R. II, 2 §. 242. 6) L. R. II, 2 §§. 235. 236.

c) Wird der Verpflichtung nicht Genüge geleistet, so kann die Vermitt­ lung des Vormundschaftsgerichts angerufen werden. Ein Zwang im Wege des Processes findet jedoch nicht statt.7 d) Haben die Kinder eignes Vermögen, so können die Kosten der Aus­ stattung aus der Substanz des Letzteren genommen werden. Im Zweifel ist jedoch nicht anzunehmen, daß die Eltern von dieser Befugniß Gebrauch machen.8 Es besteht in dieser Hinsicht ein Gegensatz zu dem über die Aus­ stattung hinaus als Mitgabe oder Brautschatz Gegebnen, welches im Zweifel als aus dem Vermögen der Kinder stammend erachtet wird.9 In welcher Weise die Eltern ihren etwaigen Willen die Ausstattung aus dem Vermögen der Kinder zu nehmen erklären müssen, darüber bestimmt das Gesetz nichts. Es muß daher jede auch formlose Erklärung genügen. Aber unrichtig ist es, wenn das Obertribunal annimmt, daß jede nachträg­ liche Erklärung des Vaters genüge, um dem Kinde die Ausstattung in An­ rechnung zu bringen.10 Auch die Mutter, welche Vormund ihres Kindes ist, kann die Ausstattung aus dem Vermögen des Kindes der Zeit, wie andre Vormünder leisten, ohne der Genehmigung des Gerichts zu bedürfen.11 7) L. R. II, 2 §. 238 ff. Striethorst Archiv Bd. 66 S. 159. Der Vorrnundschastsrichter soll zwei Standes- oder Zunftgenossen des Vaters zuziehen, um die Aus­ stattung zu bestimmen. Er muß fich aber bei der auf Pflicht abgegebnen Erklärung beruhigen, daß die Eltern ohne Nachtheil für sich und ihre übrigen Kinder die Aus­ stattung nicht leisten können. 8) L. R. II, 2 §. 234. Die natürliche Verpflichtung der Eltern erscheint hier­ nach und nach §. 235 des Titels nur als subsidiäre. Andrerseits ist aus L. R. II, 2 §. 245 zu schließen, daß die Ausstattung im Zweifel von den Eltern aus ihrem Vermögen gegeben wird. Und dies ergiebt sich auch aus L. R. II, 2 §. 288. 9) L. R. II, 2 §. 245.

10) Entsch. des O. Trib. Bd. 20 S. 284, Präj. n. 2217 geht richtig davon aus, daß es nicht nothwendig sei, daß der Vater, welcher sich den Ersatz der Ausstattungs­ kosten sichern wolle, sich an das Vormundschaftsgericht wenden, die Ernennung eines Kurators beantragen und von diesem Quittung oder Anerkennung fordern müffe. Aber in das entgegengesetzte Extrem geht es, wenn behauptet wird, der Nachweis, daß es zur Zeit der Ausstattung der Wille des Imploranten gewesen sei, dieselbe aus dem Vermögen des Kindes zu bestreiten, sei nicht erforderlich, und die Annahme, daß eine spätere Veränderung des Willens einflußlos sei, nicht zu billigen und nicht begründet. Wenn behauptet wird, daß L. R. II, 2 §. 388 nur den Fall nach dem Tode des Vaters in das Auge fasse, so ist dies nicht haltbar und würde auch, wenn es richtig wäre, nicht entscheiden. Wenn dem Vater die Befugniß gegeben ist, die Aus­ stattung aus dem Kindesvermögen zu nehmen, so muß er von derselben nachweisbar Gebrauch gemacht haben und zwar von vornherein. Zu einer nachträglichen Belastung des Kindes ist er nicht befugt. So mit Recht bei Gruchot Bd. 3 S. 249.

11) Das O. Trib. Entsch. Bd. 24 S. 133, Präj. n. 2396 will die Mutter ganz anders behandelt wissen als den Vater, selbst wenn sie das Vermögen der Kinder hin­ ter fich hat, weil bei Feststellung der Ausstattung und ihrer Höhe das Vormundschafts­ gericht eine bedeutende Stimme habe. Mit Recht bemerkt Koch zu L. R. II, 2 §. 234 hiergegen, der Satz, daß nicht dem Vormund, sondern dem Vormundschaftsgericht zustehe den Betrag oder den Umfang der Ausstattung zu bestimmen, könne logischerweise

140

Die väterliche Gewalt.

Nur muß auch sie bei oder vor Leistung der Ausstattung erklären, daß sie das Vermögen des Kindes verwende.

Zweites Kapitel.

Die vüterkieke Gewalt. *1 §. 47.

Allgemeines.

Das moderne deutsche Recht bezeichnet nach römischem Vorgänge daS Verhältniß des Vaters zu dem in der Abhängigkeit von ihm stehenden Kinde als Gewalt. Immerhin ist der Charatter dieses väterlichen Rechts sehr verschieden von dem Rechte des Vaters in Rom. Denn dort begründete die Gewalt eine totale lebenslängliche Abhängigkeit der Kinder und ihrer Descen­ denten durch den Mannsstamm, welche zwar im justinianischen Recht gemil­ dert, aber nicht beseitigt ist. Die Gewalt des deutschen Vaters hat einen überwiegend vormundschaftlichen Charakter behalten.2 Die väterliche Gewalt des Großvaters über die Enkel,

wie sie das

römische Recht kannte, wurde in Deutschland nicht allgemein recipirt,3 jeden­ falls ist sie dem preußischen Rechte unbekannt. Dagegen hat man in Deutsch­ land vielfach die Befugniste der Mutter analog denen des Vaters gestaltet und zu einer mütterlichen Gewalt erhoben, die besonders nach dem Tode des Vaters hervortritt und die Einsetzung einer Vormundschaft ausschließt. Im preußischen Recht ist das Recht des Vaters auch der Mutter gegenüber schärfer accentuirt als in andern deutschen Partikularrechten, namentlich süd­ deutschen der Fall ist. Allein eine beschränkte mütterliche Gewalt, die namentlich im Erziehungsrecht zu Tage tritt, besteht auch hier. nicht zum Absprechen des Rechts der Auftechnung seinem Grunde nach, sondern nur zur Minderung führen, wenn die Ausstattung dem Stande, den Bedürfnissen und den Vermögensverhältnissen der Kurandin nicht entspricht. 1) L. R. II, 2. Gesetz vom 12. Juli 1875 Über die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen. — Stölzel das Recht der väterlichen Gewalt in Preußen, Berlin 1874, Separatabdruck aus dem I. M. B. 1874 S. 128 ff. u. s. f. Boas das Institut der väterlichen Gewalt und die Vormundschaftsordnung bei Gruchot Bd. 20 S. 759 ff.

2) Darüber, daß nach altdeutschem Recht der Vater Vormund über seine Kin­ der war vgl. Kraut Vormundschaft Bd. 2 S. 586. 3) Ueber die patria potestas der Großvaters vgl. 1.4, 1.5 D. de bis, qui sui 1, 6 pr. J. q. m. j. p. p. s. 1, 12; als gemeinrechtlich sieht sie an Windscheid Bd. 2 §. 521 Anm. 3. — Nach der Vormundschaftsordnung vom 13. September 1718 §. 5 scheint es zwar, daß in der Mark eine väterliche Gewalt des Großvaters väterlicherseits bestehe, vgl. aber §. 19 derselben. Jedenfalls wurde in der märkischen Praxis jederzeit der Art verfahren, daß beim Vorhandensein eines Großvaters väter­ licherseits, wenn auch der verstorbne Vater bis zum Tode in deffen Gewalt gestanden hatte, eine Vormundschaft eingeleitet, also eine Gewalt des Großvaters nicht anerkannt wurde, v. Scholtz und Hermensdoff Bd. 2 S. 52.

§. 47.

141

Allgemeines.

Die väterliche Gewalt entsteht mit der Geburt eines ehelichen Kindes. In vollem Umfang wird sie außerdem hergestellt mittels Legitimation durch

nachfolgende

Legitimation

Ehe.

durch

Reskript,

Adoption,

Einkindschaft

begründen sie nur mit Modifikationen.4

Sie erlischt nicht bloß, wie die römische Gewalt, durch den Tod oder

die Todeserklärung von Vater oder Kind, oder durch eine auf dem Willens­

entschluß des Vaters beruhende Entlassung, sondern auch durch die Selbstän­ digkeit des Kindes.

Dieselbe wird gesehen in der selbständigen Wirthschaft

des Sohnes und in der Verheirathung der Tochter.

Die Großjährigkeit des

Kindes ist kein Endigungsgrund. 5 Immerhin wird der Großjährige, welcher sich wie ein Gewaltunabhän­ giger gerat hat

und Rechtsgeschäfte einging,

seinerseits darzuthun haben,

daß er noch in der Gewalt steht und in Folge dessen der vollen Handlungs­

fähigkeit entbehrte.6 §. 48.

Die

normale Beendigung der Gewalt.

Während das ältere deutsche Recht die väterliche Vormundschaft mit der Mündigkeit des Sohnes und mit der Verheirathung der Tochter endigen ließ,4

erachtete man seit der Reception des römischen Rechts als Beendigungsgründe die Anlegung einer besondern Haushaltung durch den Sohn und nach wie vor

die Verheirathung durch die Tochter? Daneben galt zwar auch die römische Emancipation durch den Willen des Vaters als recipirt, der Praxis wenig Bedeutung.

sie

hatte aber in

Das preußische Recht steht aus dem gemein­

rechtlichen Boden. 4) Hierüber siehe unten im dritten Kapitel dieses Abschnitts. 5) In neuerer Zeit sind vielfach Bestrebungen hervorgetreten, Großjährigkeit zum Grund der Aufhebung der väterlichen Gewalt zu machen. Vgl. u. A. Hofsmann in Behrend's Zeitschrift Bd. 7 S. 292 ff. Es läßt sich nicht leugnen, daß das Recht hierdurch vereinfacht würde und daß dem Verkehr hiermit gedient wäre. Für die Verhältniße zahlreicher Stände läge hierin eine bedenkliche Neuerung. Dies gilt für die Studirenden, welche immer länger auf der Gymnastalbank zurückgehalten, mit dem einundzwanzigsten Jahre als Studenten kaum in der Verfasiung sind, völlig selbständig zu werden, und die man der väterlichen Obhut nicht mit gutem Grund beraubt. Ebensowenig ist es zweckmäßig, die jungen Officiere, welche der Adel vorzugsweise stellt, ihrem Vater gegenüber völlig selbständig zu machen, wenn sie Muttergut besitzen.

6) Vgl. Striethorst Archiv Bd. 68 S. 193ff., siehe auch oben Bd. 1 S. 267. In den Entsch. des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 7 S. 26 wurde freilich angenommen, daß der Gläubiger, da der Vater des großjährigen Ausstellers eines Wechsels noch lebte, zur Führung des Beweises verbunden sei, daß die väterliche Gewalt über den­ selben aufgehoben worden sei und zwar schon vor Ausstellung und beziehentlich Acceptation des Klagwechsels. 1) Kraut Vormundschaft Bd. 2 S. 591.

2) Kraut a. a. O. Bd. 2 S. 644.

Die väterliche Gewalt.

142

Der Haussohn tritt aus der Gewalt durch Errichtung einer abge­

1.

sonderten Wirthschaft.3 Dies gilt unbedingt für den großjährigen Sohn, habe derselbe nun das einundzwanzigste Jahr vollendet oder sei er mit Einwilligung des Vaters für

großjährig erklärt.

Der Vater kann ihn an der Einrichtung der besondern

Wirthschaft nicht hindern,4 es sei denn, welche

bringt,

hinreichen,

wiederum

daß er dem Gericht Gründe bei­

den

Sohn

als

Verschwender

zu

erklären.5

abgesonderte

Eine

wenn der Sohn ein

Wirthschaft wird

insbesondre

dann

angenommen,

eignes Gewerbe betreibt und wenn er ein öffentliches

Amt bekleidet.6

Ein eignes Gewerbe betreibt der Sohn, wenn er selbständig, z. B. als Kaufmann oder Handwerker oder Landwirth ein Geschäft begründet, welches

seiner Art nach geeignet ist, als Lebensberuf zu dienen und seinen Mann zu

Es kommt nicht darauf an, ob dasselbe im konkreten Falle etwas

ernähren. abwirst.

Bloßes Nebengewerbe eines Sohnes, welcher in der Hauptsache in

der väterlichen Wirthschaft in unselbständiger Stellung thätig bleibt, genügt nicht.

Auch dann aber betreibt der Sohn ein eignes Gewerbe, wenn er im

Geschäft eines Andern eine Stellung erhält, z. B. als Kommis, Oekonomieverwalter, welche einen selbständigen Lebensberuf auszumachen pflegt.7 8 Und selbst dann,

wenn ein Haussohn im Geschäft

eine dotirte Stellung solcher Art einnimmt,

seines Vaters vertragsmäßig

hat er getrennte Wirthschaft;

wogegen dies nicht der Fall ist, wenn er beliebig widerruflich und thatsäch­

lich den Vater vertritt, z. B. in der Verwaltung der väterlichen Güter.3

3) L. R. II, 2 §. 210. 4) Es ist auch nicht ein stillschweigendes Einverständniß des Vaters mit dem Beginn des Gewerbebetriebes durch das Kind erfordert. Striethorst Archiv Bd. 58 S. 117. 5) L. R. II, 2 §§. 211. 213. Es entscheidet über den Widerspruch das Vor^mundschastsgericht. Ein Prodigalitätsproceß im technischen Sinne ist nicht zu erheben. Der Vater kann bis zur Entscheidung die selbständige Etablirung des Kindes auch eigenmächtig hindern. 6) L. R. II, 2 §. 212».

7) Die faktischen Verhältnisse sind hierbei von entscheidendem Gewicht. Der Geselle, welcher, wenn er auch Lohn erhält, sich bloß im Vorbereitungsdienste befin­ det, um sich selbständig zu etabliren, wenn er ausgelernt hat, bleibt Hauskind; wer es zum selbständigen Meister nach seinen Umständen nicht leicht bringen wird und in der Stellung als Geselle seinen Lebensberuf findet, tritt aus der Gewalt. Aehnlich steht es mit einem Kommis. Vgl. u. A. Striethorst Bd. 15 S. 139, Bd. 51 S. 340. Mit Präjudicien ist daher hier nichts zu machen. Im Leben wird die Frage fich meist leicht beantworten lassen. 8) Vgl. Entsch. des R. O. H. G. Bd. 3 S. 354, S. 178. Anders im Falle Striethorst Bd. 29 S. 206.

Bd. 4 S. 388,

Bd. 13

Der bloße Erwerb

der Fähigkeit zum Betrieb eines Gewerbes, z. B.

die Erlangung der licentia practicandi für den Arzt reicht natürlich nicht

hin,^ so lange von derselben kein Gebrauch gemacht wird.

Wenn aber Je­

mand ein kaufmännisches Geschäft behufs seiner Etablirung ankauft, so bildet dieser Ankauf bereits den Beginn seines kaufmännischen Gewerbebetriebs.9 10 Oeffentliche Beamtungen bewirken dann keine Entlassung aus der Gewalt,

wenn sie unbesoldete Ehrenämter sind.11

ob der Beamte,

schied,

z. B.

Falle Gehalt bezieht oder nicht,

Dagegen macht es keinen Unter­

ein Assessor

dies

im besondern

oder Professor,

können Dritte nicht untersuchen und

feststellen.12 13 Bloße Vorbereitungsdienste,

wie namentlich der des Referen­

dars, beendigen die väterliche Gewalt nicht. Subalternofficiere im aktiven Dienst



Officiere

unter dem

Haupt­

mann oder Rittmeister — treten nach besondrer Bestimmung nicht aus der Gewalt, selbst wenn sie eine besondre Wirthschaft haben sollten.^

Der

minderjährige

Sohn

kann

aus der Gewalt entlassen werden.

nur

mit Zustimmung

Und zwar ist dies

in

des

Vaters

folgender Weise

möglich: a) Der Vater sucht in Verbindung mit dem Hauskinde nach Vollendung

des achtzehnten Jahres desselben, die Großjährigkeitserklärung des nach.14

des Hauskin­

Das Hauskind geht, falls dem willfahrt wird, aus der väterlichen

Gewalt heraus, wenn es eine abgesonderte Wirthschaft errichtet. b) Der Vater kann den minderjährigen Sohn mit dessen Beistimmung

der Gewalt durch lassen,

nicht

einen

beim Vormundschaftsgericht verlautbarten Akt ent­

faW der Sohn das mehr wie

nach

zwanzigste Jahr vollendet

Landrecht

zugleich

die Kraft

hat.15

einer

Dies hat

Großjährigkeits­

erklärung. 16

9) Striethorst Archiv Bd. 23 S. 37. 10) Striethorst Archiv Bd. 21 S. 268. 11) Striethorst Archiv Bd. 29 S. 209. 12) Entsch. des O. Trib. Bd. 46 S. 243. 13) Dies bestimmt der Anhang §. 90 zu L. R. II, 2 §. 212b. Der An­ hangsparagraph ist dem Publikandum vom 14. März 1797, betr. die Einführung des allgemeinen Landrechts — Rabe Bd. 4 S. 44 — entnommen. Die Jurispru­ denz des O. Trib. wie auch des R. O. H. G. — vgl. namentlich Bd. 24 S. 136 — bezieht die Bestimmung auch auf den §. 210. Es liegt also auch dann eine Entlas­ sung aus der Gewalt nicht vor, wenn der Vater der Errichtung einer eignen Wirth­ schaft durch den Subalternofficier zugestimmt hat und die Mittel zu derselben gewährte. 14) Bormundschaftsordnung §. 61 Abs. 2. 15) L. R. II, 2 §. 216 ff. Dem Sohne ist zu seiner Legitimation Ausfertigung der gerichtlichen Erklärung des Vaters zu ertheilen. Aber seine Entlassung ist hiervon richtiger Ansicht nach nicht abhängig. 16) Die Vormundschaftsordnung kennt diese Weife der Großjährigkeitserklärung nicht. Dernburg Vormundjchaftsrecht 117.

Die väterliche Gewalt.

144

c) Es hat auch die Wirkung einer gerichtlichen Emancipation, wenn der

ausdrücklich

Vater

oder stillschweigend,

schehenlassen einwilligt,

z. B. selbst durch wissentliches Ge­

daß der minderjährige Sohn ein besondres Gewerbe

Die Uebernahme eines Amtes oder die Einrich­

für eigne Rechnung anfängt.

tung einer besondern Wirthschaft

oder der Eintritt in ein Dienstverhältniß

mit Zustimmung des Vaters hat die gleiche Folge nicht.17 18

Der aus der Gewalt entlassene Sohn tritt, sofern er nicht großjährig oder

für

Vaters."

großjährig

Er

wird,

ist,

erklärt

er

wenn

in

die

gesetzliche

Vormundschaft

seines

ein Erwerbsgeschäft mit Zustimmung

des

Vaters betreibt, zu den Geschäften befähigt, welche der Betrieb eines solchen

Geschäfts mit sich

führt.

Vaters als Vormund. nen Geschäften,

Im

Uebrigen

bedarf er der Genehmigung des

Zu sämmtlichen von ihm oder dem Vater abgeschloß-

welche der Vormund nach der Vormundschaftsordnung nur

unter Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vornehmen kann, ist die Ge­ nehmigung dieses Gerichts erfordert.19 20

Die Entlassung des Sohnes nach den bisher dargestellten Normen tritt

auch dann ein,

wenn er thatsächlich fortfährt, mit dem Vater zusammenzu­

leben, wie auch dann, wenn der Vater ihm die Mittel zu seiner selbständi­

gen Existenz zum größern Theil oder auch ganz gewährt. 2. selben. 21

Die Gewalt über die Tochter erlischt mit der Verheirathung der­ Die

Gewalt

lebt

nicht

wieder

auf,

wenn

die

Ehe

später

17) L. R. II, 2 §. 218.

18) Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 §. 12. 19) Gesetz vom 12. Juli 1875 betr. die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger §. 5. 20) Die Bestimmungen von L. R. II, 2 §§. 226. 227 sind durch die Vormund­ schaftsordnung und das Gesetz über die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger antiquirt. 21) L. R. II, 2 §. 228 spricht aus: wenn eine Tochter unter ertheilter oder von dem Richter ergänzter Einwilligung des Vaters heirathet, so hört die väterliche Gewalt über sie auf. Es frägt sich, ob, wie der Wortlaut anzuzeigen scheint, hiernach das Aufhören der Gewalt an die ertheilte oder die ergänzte Einwilligung des Vaters geknüpft ist, was das O. Trib. bei Striethorst Arch. Bd. 15 S. 280 ff. annimmt, oder ob nur exemplikativ ausgesprochen werden sollte, daß die rechtsgültige Verheirathung die Ehe endigt. Für das Letztere ist Koch zu L. R. II, 2 §. 228, dagegen Förster Bd. 3 §. 224 not. 21. Bedenkt man, daß gemeinrechtlich die gültige Verheirathung der Tochter als Endigung der väterlichen Gewalt galt, vgl. Kraut Vormundschaft Bd. 2 S. 660, daß eine Abweichung des Landrechts vom bestehenden Recht nicht zu unterstellen ist, daß das Landrecht es liebt, seine Rechtssätze konkret und nicht abstrakt aufzustellen, so wird man sich für die Beendigung der Gewalt durch jede gültige Verheirathung entscheiden müssen. In Folge der neueren Gesetzgebung hat die Frage an Wichtigkeit gewonnen. Denn es bedarf nunmehr der Einwilligung des Vaters zur Verheirathung der Tochter, die das 24. Jahr vollendet hat, nicht mehr, Reichs­ gesetz vom 6. Febr. 1875 §. 29. Man wird aber nicht umhin können anzuerkennen, daß die väterliche Gewalt über solche Töchter nicht sortdauert, wenn sie sich nach er­ reichter Eheselbständigkeit ohne Zustimmung des Vaters verheirathet haben.

Außerordentliche Beendigung, Suspension und Beschränkung der Gewalt.

§. 49.

145

getrennt, wohl aber wenn dieselbe für ungültig oder nichtig erklärt toitb.22

Die

minderjährige

Tochter

in

tritt

die

gesetzliche

Vormundschaft

ihres

Vaters. Von der Verheiratung

abgesehen kann nur die großjährige oder für

großjährig erklärte Tochter und zwar nur durch

ausdrückliche Erklärung des

Vaters der Gewalt entlassen werden.23 Die Verheiratung des Sohnes hebt nach preußischem Recht die väter­

liche Gewalt über ihn nicht auf,

gemeinrechtlich ist die Frage bestritten.2 * ^1

Auch das ist gemeinrechtlich bestritten,

ob die Töchter durch Anlegung eines

eignen Haushalts, wie die Söhne, aus der Gewalt treten, was als eine den heutigen Lebensverhältnissen entsprechende Fortbildung des Rechts in Ländern des gemeinen Rechts vielfach Anerkennung fand.

Im preußischen Recht wird

eine derartige Emancipation nicht anerkannt.23

§. 49.

Außerordentliche Beendigung, Suspension und Beschränkung

der Gewalt. 1.

Die väterliche Gewalt hört außerordentlicher Weise auf

a) wenn der Vater zur Zuchthausstrafe1 oder zu zehnjährigem Gefäng­ niß rechtskräftig verurtheilt ist.2 daß sich der Vater als

seiner Kinder zeigt, Kinder entzogen.3

Da der Verlust seinen Grund

vertrauensunwürdig

und ungeeignet

darin hat,

zur Erziehung

so ist ihm auch die Gewalt über seine später gebornen

Eine spätere Begnadigung des Vaters stellt die Gewalt

nicht wieder her, denn sie soll für Dritte,

also hier

tretne rechtliche Veränderungen nicht beseitigen.4

für die Kinder einge-

Dagegen wird der Begna­

digte die Gewalt über seine später gebornen Kinder erlangen.

22) Manche ältern Schriftsteller nahmen an, daß die väterliche Gewalt während der Dauer der Ehe der Tochter nur ruhe; doch war die herrschende Meinung die entgegengesetzte. Kraut Vormundschaftsrecht Bd. 2 S. 660 Anm. 31 ff.

23) L. R. II, 2 §. 230. Gerichtlichst wird hier nicht verlangt. 24) Für die Aufhebung Kraut Bd. 2 S. 663, Zimmermann im civ. Archiv Bd. 50 S. 182 ff. 25) Vgl. Johow Jahrb. Bd. 7 S. 22. Dagegen Stölzel Separatabdruck a. a. O. S. 19. 1) L. R. II, 2 §. 255 spricht von harter und schmählicher Zuchthausstrafe. Als solche ist die jetzige Zuchthausstrafe stets aufzufassen. ^Vgl. Johow Jahrbuch Bd.2 S. 88. Nach römischem Recht erlosch die väterliche Gewalt durch capitis demi­ nutio maxima und media. 2) Zehnjähriges Gefängniß ist noch möglich im Falle des §. 74 des deutschen Strafgesetzbuchs.

3) Johow Jahrbuch Bd. 6 S. 31. 4) Johow a. a. O. Bd. 7 S. 92. Vgl. oben Bd. 1 §. 47 Anm. 18. Dernburg, Preußisches Privatrecht. III.

10

b) Die Gewalt hört weiter auf, wenn der Vater durch Beschluß des Amtsgerichts als Verschwender erklärt wird, vorausgesetzt, daß dieser Beschluß nicht in Folge der Anfechtung im Wege der Klage aufgehoben wird; 5 6 c) ferner, wenn der Vater ungesetzlicher Weise, um sich seine thanenpflichten zu entziehen, aus dem Staatsgebiet entwichen ist;

Unter­

d) wenn er vorsätzlicher Weise die Kinder hülflos und ohne Aufsicht verlassen hat;b

e) wenn er sein Kind in Adoption giebt. Die väterliche Gewalt lebt nicht wieder auf, wenn der Grund ihres Verlustes in der Folge gehoben wird. 2. Die väterliche Gewalt ruht a) wenn der Vater auf länger als zwei Jahre, aber weniger als zehn Jahre zu Gefängniß verurtheilt wurde, während der Strafverbüßung; b) wenn er in Geisteskrankheit verfällt, während der Krankheit, mag nun der Vater bereits entmündigt sein oder nicht.7 In letzterm Falle ist jedoch ein Grad der Krankheit erfordert, welche den Vater unfähig macht, seine väterlichen Pflichten zu erfüllen. Sind die Kinder während des Ruhens der väterlichen Gewalt minder­ jährig, so ist ihnen ein Vormund zu bestellen, die Einkünfte des Kindesver­ mögens sind, soweit nöthig, zu ihrer Verpflegung und Erziehung und zur Unterstützung des Vaters zu verwenden. Waren die Kinder zur Zeit, als die väterliche Gewalt außer Wirkung trat, bereits großjährig oder sind sie es in der Zwischenzeit geworden, so fallen sie nicht in dieselbe zuück. 3. Die väterliche Gewalt wird eingeschränkt a) hinsichtlich der Erziehung, wenn der Vater dieselbe vernachlässigt, die Kinder grausam mißhandelt, sie zum Bösen verleitet oder ihnen — bös­ willig — den nöthigen Unterhalt versagt;8 b) bezüglich ihres Vermögens, wenn der Vater die gesetzlich erforderte

Sicherheit nicht bestellen kann oder will oder in Konkurs verfällt oder sonst die Kinder standesmäßig zu erhalten und zu erziehen unvermögend wird.9 5) L. R. II, 2 §. 256. Gemeinrechtlich ist die Entmündigung des Vaters we­ gen Verschwendung kein Grund des Verlustes der Gewalt. 6) L. R. II, 2 §. 258. Nach röm. Recht galt Kindesaussetzung als Endigungs­ grund, arg. 1. 2 C. de infant. expos. 8, 52, wie auch Verkuppelung der Tochter. 7) L. R. II, 2 §§. 260. 261. Manche nahmen auch im gemeinen Recht ein Ruhen der väterlichen Gewalt wegen Geisteskrankheit an. Das Gegentheil geht für das römische Recht aus 1. 8 D. de bis qui sui 1, 6 hervor.

8) L. R. II, 2 §§. 90. 266 ff.

9) L. R. II, 2 §§. 267 u. 268.

Johow Jahrbuch Bd. 6 S. 33.

§. 50.

Rechte des Gewalthabers bezüglich der Person des Kindes.

147

Much dann verliert der Vater die Verwaltung des Vermögens seiner Kinder, w,enn er zur weiteren Ehe schreitet, ohne sich mit denselben auseinandergesetzt zul haben-10 §. 50.

Rechte des Gewalthabers bezüglich der Person des Kindes.

Das römische Recht knüpfte an die väterliche Gewalt die ausgedehnte­ stem Herrschaftsrechte über die Person des Kindes, bei welchen das Interesse de