Lehrbuch des Preußischen Strafrechts [Reprint 2021 ed.] 9783112394342, 9783112394335


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Table of contents :
Vorwort
Inhalts - Anzeige
Einleitung
Erstes Kapitel. Begriff und Begründung des Strafrechts überhaupt
Zweites Kapitel. Geschichte des preußischen Strafrechts
Allgemeiner Theil. Allgemeine Lehren des Strafrechts.
Erstes Kapitel: Das preußische Strafrecht und feine Quellen
Zweites Kapitel. Von dem verbrechen
Drittes Kapitel. Von der Strafe
Besonderer Theil. Von den einzelnen Verbrechen und deren Bestrafung
Erstes Kapitel: Von den Verbrechen gegen die Eristenz des Staates
Zweites Kapitel. Von den verbrechen gegen die Rechte der Staatsgewalt
Drittes Kapitel. Verbrechen gegen die religiösen und sittlichen Grundlagen des Staates
Viertes Kapitel. Von den verbrechen und vergehen gegen die Person
Fünftes Kapitel. Von den Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen
Sechstes Kapitel. Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen
Siebentes Kapitel. Verbrechen und Vergehen der Beamten
Achtes Kapitel. Von den Polijeiiibcrtretungen
Berichtigungen und Zusätze
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Lehrbuch des Preußischen Strafrechts [Reprint 2021 ed.]
 9783112394342, 9783112394335

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Lehrbuch deS

preußischen Strafrechts.

Von

I. D. H. Temme.

SerlMi 1853. T. T r a u t w e i n 's ch e r B u ch v e r l a g. (I. Guttentag.)

Borwovt. Durch

meine „Glossen zum

Strafgesctzbuche

die Preußischen Staaten" (Breslau 1853)

verfolgte

für ich

einen sehr bestimmten und zugleich sehr besonderen Zweck. Der Geist

der neueren

Deutschen

Straftechtswissenschaft

Wie er mehr und mehr

bricht sich immer weitere Bahn.

Aufnahme gefunden hat in den neueren Deutschen Straf-

gesetzbüchern, so hat er selbst in den neuesten Strafgesetz­

gebungen des Auslandes, von Italien bis hin nach Ame­ rika,

Anerkennung

und Geltung

erhalten.

Unterdessen

geschah gerade in Preußen etwas Entgegengesetztes.

Preu­

ßen hat im Jahre 1851 ein neues Strafgesetzbuch bekom­

men, in welchem Deutsche Rechtsanschauungen allerdings vielfach ausgenommen, aber auch vielfach zurückgewiesen, und dagegen Grundsätze und Satzungen des Franz. Rechts, dem Deutsch. Rechtsbewußssein tvie der Deutsch. Rechtswissenschaft

völlig fremd, in gleichem Maaße ausgenommen worden sind.

Ein Eingehen in die Ursachen dieser eigenthümlichen Erscheinung ist hier nicht am Orte.

Zu derselben kam ein Zweites.

Fast

gleichzeitig mit dem neuen Preuß. Strafgesetzbuche wurden zwei Bearbeitungen

desselben

veröffentlicht.

Der „Com­

mentar" von Beseler hatte nur zur Absicht, mehr eine Uebersicht der Materialien des Gesetzbuchs zu liefern, als

in spezielle und cinzulaffen.

ausführliche

Erörterungen desselben

sich

Die „Materialien" von Goltdammer suchten

sich dagegen desto mehr als einen Commentar über das Stt.G.B. zu geben.

Herr Goltdammer führte nun aber

seine Aufgabe in einer Weise aus, der meines Erachtens nicht schnell und nicht entschieden genug entgegengetreten werden

*

IV

konnte.

Von der einen Seite versuchte er eine Auffassung

und Anwendung jener Französisch-rechtlichen Elemente des

Strafgesetzbuchs aus dem Geiste des Französischen Rechts und dessen Auffassung und Anwendung in Frankreich her­

aus, und zu dem Zwecke die Herrschaft der Französischen

„Jurisprudenz" mitten in Deutschland auszurichten.

der anderen Seite fügte er in

Beziehung auf

die

Don dem

Deutschen Rechte angehörigen Bestimmungen des Straf­

gesetzbuches Ansichten und Grundsätze der Gemeinrechtlichen Doctrin hinzu, die vielfach als von der neueren Wissenschaft

bereits überwunden,

oder als überhaupt nicht richtig auf­

Nach meiner Ansicht sollte für das

gefaßt sich darstellten.

Deutsche Volk und in Deutsches

Recht

den Deutschen Gerichtshöfen nur

gelten,

und am

allerwenigsten

sollte

mau versuchen, zu dem vielen Fremden, das unseren hei­ mathlichen Rechtszustand nun einmal beherrscht, noch neue ausländische und unvereinbarliche Elemente

hinzuzufügen.

Besonders auch im Strafrechte darf nur Eins gepflegt

werden: das Deutsche Rechtsbewußtsein, und für dasselbe die Deutsche Rechtswissenschaft. Diese fortzubilden, kann

in Deutschland nur die Aufgabe sein, und zwar um durch sie das, eben auch von der Doctrin (vielleicht noch mehr

als von der Legislation) so lange und so vielfach zurück­ gedrängte Rechtsbewußtsein des Deutschen Volkes wieder zu neuer Kraft zu erheben und wieder zu jener unmittel­

baren praktischen

Geltung zu führen, deren cs so lange

hat entbehren müssen. — Auf diesem Standpunkte schrieb

ich jene „Glossen" zu dem Strafgcsetzbuche. war lediglich für den Praktiker geschrieben.

Das Buch Es hat viele

Fehler, die ensschuldigen zu wollen, ich nicht den Versuch

mache.

Es hat gleichwohl schon seine guten Früchte ge­

tragen. Die Gründe seiner Entstehung sprechen theilweise auch

für

die

Entstehung

des

gegenwärtigen

„Lehrbuchs."

Einerseits war ich dem Praktiker, dem ich meine Glossen

vorgelegt hatte, schuldig, unter Verbesserung des dort Un­

richtigen, das Vorgetragene wissenschaftlich näher und aus­ Von der anderen Seite erschien

führlicher zu begründen. es mir nothwendig,

dem,

die

Ausübung

vorbereitenden

Studium des Preußischen Straftechts, sowohl während der

Universitätszeit, als nach Zurücklegung derselben,

ein

demselben Geiste geschriebenes Hülfsbuch darzubieten.

in Es

erschien mir dies um so nöthiger, als bekanntlich auf den

Preuß. Universitäten über das Prcuß. Strafrecht besondere Vorlesungen nicht gehalten werden.

Lehrbuch seine vielen Fehler hat,

Daß auch dieses

Auch zu ihrer Rechssertigung will ich

verkenne ich nicht.

keinen Versuch machen.

Nur sei es mir vergönnt, an zwei

Punkte zu erinnern.

Zuerst mußte schon jener Zweck des Buchs, sowohl

Studirenden, als

dem

auch dem Praktiker zu dienen, be­

sondere Schwierigkeiten

der Darstellung bedingen.

Es ist

dadurch mehr ein Handbuch, als ein Lehrbuch entstanden. Indessen, wenn

hierdurch die Deutlichkeit und Uebersicht-

lichkeit nicht gelitten hat — und mein unausgesetztes Stre­ ben war, daß dies nicht geschehen sollte — so dürfte das

um so mehr auf Nachsicht rechnen können, als namentlich auch der Studirende des Preuß. Straftechts



anders

wie bei dem Studium des Gemeinen Deusschcn Criminal-

rechts — unmittelbar in

die Praxis des

in

dem

Buche

dargestellten Rechts eintritt, und dazu also eben eines Hand­ buchs bedarf.

Zum anderen und vorzüglich lagen für ein Lehrbuch

durchaus eigenthümliche Schwierigkeiten in dem Gesetzbuche selbst,

dessen Inhalt wissenschaftlich

zu

verarbeiten war.

Namentlich einerseits jene Vermengung Deutsch- und Fran­

zösisch-rechtlicher Elemente, zu denen mannigfache Beson­

derheiten gerade der Rechtsbildung in Preußen hinzuttaten,

und

andererseits

Gesetzbuchs.

die

häufig

In dieser

mißlungene

sind allerdings

Redaction

des

manche Vorzüge

VI

nicht zu verkennen, die das Gesetzbuch vor vielen der neue­ rm Deutschen

Strafgesetzbücher

Vortheilhaft auszeichnen;

besonders gilt das von der einfachen Behandlung einzelner

Lehren des allgemeinen Theils.

noch

mehr

Nachtheile

dadurch

Sie führt dagegen fast

mit

stch,

daß

sie

ohne

ersichtlichen Grund und ohne Wahl den widersprechendstm Methoden

folgt,

bald

spezialisirend

nach und

aus

dem

Französischen Strafgesetzbuche, bald definirend und distinguirend nach einem

Lehrbuche oder nach neueren Deutschen

Strafgesetzbüchern, bald sogar belehrend wie das Allgem.

Landrecht.

Dazu kommen nicht selten

den einzelnen Paragraphen selbst.

Unrichtigkeiten

Einem

in

fortlaufenden

Commentar zu den einzelnen Paragraphen steht eine solche Behandlungsweise

besonders

erschwerend

nicht

mehr dem Lehrbuche, das zunächst

Desto

entgegen.

feste

Begriffe

aufzustellen und aus dem Gesetze zu begründen, und dar­

aus dann weitere Sätze,

wiederum in Uebereinstimmung

mit der« positiven Bestimmungen des Gesetzes zu entwickeln

und nachzuweisen, und zudem das Ganze in einen wiffen-

schaftlichen Zusammenhang

zu bringen hat.

Können und

sollen nun auch diese und andere Schwierigkeiten, die ich

hier nicht näher

bezeichnen

darf,

keinen

Grund zu einer

Rechtfertigung der Fehler meiner Arbeit abgeben, so dür­

fen sie doch um so mehr der Bitte um Nachsicht für diese

Fehler zur Unterstützung dienen.

Ueber einiges Andere in dem Buche darf ich

noch

wenige Worte beifügen:

Zuvörderst zwar

nicht darüber,

daß ich, sowohl bei

den einzelnen Verbrechen, als bei den wichtigeren Lehren

des allgemeinen Theils eine kurze geschichtliche Einleitung vorangeschickt habe; eine solche Behandlung, namentlich der Sttafrechtswissenschaft in einem

wärtig

allgemein

als

Lehrbuche,

dürfte

nothwendig anerkannt sein.

gegen­

Aber

darüber, daß ich dabei besonders den Lehren der Gemein­ rechtlichen Dvcttin fast fortwährend eine ausführliche Dar-

vn stellung gewidmet habe.

Ich mußte dies indeß aus einem

doppelten Grunde als nothwenig ansehen. Einmal schon um

der Consequenz jener historischen Behandlung willen; kein einziges der neueren Deutschen Strafgesetzbücher wird rich­ tig verstanden und angewandt werden können, ohne daß sein Zusammenhang mit dem Gemeinen Strafrechte Deutsch­

lands, so wie dieses von der Doctrin ausgebildet ist, zum klaren Bewußtsein gebracht ist.

Zum anderen erschien mir

die Rachweisung des Verhältnisses des Preußischen Straf­

gesetzbuchs zu der Gemeinrechtlichen Doctrin für mein Lehr­ buch um so unentbehrlicher, als es sich auch jetzt für mich

um die Aufgabe handelte, soviel möglich Deutsches Recht und Deutsche Rechtsanschauung, gegenüber eben der Fran­

zösischen Jurisprudenz, für Wissenschaft und Praxis des Preußischen Strafrechts zu retten. Dabei

darf ich sodann,

wenigstens von Seite

der

Wissenschaft, keinen Widerspruch darüber befürchten, daß

ich in meinen Ausführungen fortwährend auf das in dem

Volke lebende Rechtsbewußtsein mich berufen habe. dings widmet diesem

die gewöhnliche Doctrin

noch gar geringe Beachturig.

Aller­

auch jetzt

Aber wie es zu den vielen

Verdiensten Mitt er maiers um das Deutsche Strafrecht

gehört, auf das im Volke lebende Recht schon längst hin­ gewiesen zu haben, so gelangt dieses Recht namentlich un­ ter jüngeren Vertretern der Deutschen Strafrechtswissenschaft mehr und mehr zu einer erfteulichen Anerkennung.

Das

wahre Recht eines Volkes ist immer nur das, das in dem

allgemeinen Bewußtsein des Volkes lebendig geworden ist. Aber auch von anderer Seite, als von der der Wis­

senschaft, darf ich hier kaum Widershruch befürchten.

Hat

doch namentlich die Legislation bei Abfassung des Preuß. Strafgesetzbuchs

selbst

sich

vielfach auf das

Rechtsbewußtseiu berufen müssen.

Allgemeine

Ich verweise z. B. auf

die Motive des Entwurfs von 1851, sowie auf den Be­ richt der Commission der zweiten Kammer zur Prüsimg

VIII

Entwurfs.

dieses

Die Commission der zweiten Kammer

hat eine Uebereinstimmung des

positiven Rechts mit dem

Rechtsbewußtsein für so nothwendig

allgemeinen

erachtet,

daß sie einmal (Ber. S. 89) sogar zu einer Strafbestim­

mung sich

aus

dem Grunde entschlossen hat, „um zum

Volksbewußtsein zu bringen,"

daß

die mit Strafe be-

drohcte „Rechtsverletzung keine gleichgültige oder doch nur mit civilrechtlichen Folgen verbundene sei."

Man pflegt von manchen Seiten an die Schwierigkeit,

ja beinahe Unmöglichkeit zu erinnern, das im Volke lebende seine praktische

Recht — das leider schon zu lange auch

Bedeutung

verloren hat — kennen zu lernen.

Für den,

der in dem Leben des Volkes sicht, ist dabei keine Schwie­ rigkeit.

Aber Savigny sagt, daß „das Hauptübel un­

seres Rechtsznstandes in einer stets wachsenden Scheidung zwischen Theorie und Praxis bestehe."

Endlich habe ich noch Folgendes zu bemerken.

Ich

hatte Anfangs vor, zugleich auf eine ausführliche Bcsprechmig der Entscheidungen der Preuß. Gerichtshöfe, nament­

lich

des Obertribunals,

einzugehen.

aus

dem

neuen

Strafgesetzbuche

Ich habe später davon Abstand genommen.

Aus dem einfachen Grunde, weil sie keine Bedeutung für

die Wissenschaft haben.

Während des Drucks sind mehrere, das Str. G. B.

erheblich modificirende Gesetze und Erlasse ergangen; soweit es möglich sichtigt;

das

denen auch

war, sind sie sofort bei der Correctur berück­ Andere

ist in

den Zusätzen ausgenommen,

einzelne Berichtigungen, um deren Beachtung

gebeten wird, zugcfügt worden sind.

Unbedeutendere Druck­

fehler werden schon um der Entfernung des Verfassers von

dem Druckorte willen Entschuldigung finden.

Zürich, Ende September 1853.

Ter Verfaffer.

Inhalts - Anzeige Einleitung. Erstes fUpitcl: Sc griff und Segriindung des Strafrechts überhaupt.

Seite

88888-

§. 8. 88.

8. 888888-

1. 2. 3. 4. 5.

Begriff des Strafrechts.............................................. Begründung des Strafrechts ......................................... Wesen des Verbrechens und der Strafe.................... Die verschiedenen Strafrechtslheoricn ...... Verhältniß deo Verbrechens und der Strafe zu einander

1 8 11 16 17

Zweites Kapitel'. Geschichte -es preußischen Strafrechts. Entstehung und Ausbildung des Strafrechts überhaupt Aeltere Geschichte des Preußischen Strafrechts . . . Mittlere Geschichte des Preußischen Strafrechts. . . bleuere Geschichte des Preußischen Strafrechts: 1. Das Allgemeine Landrecht........................................ 10. 2. Die Ergänzung des Allgemeinen Landrechts . . . 11. 3. Die Nevision des Strafrechts.............................. 12. 4. Methode und Svstem des Strafgesetzbuchs ; . . 13. 5. Der Charakter des Strafgesetzbuchs......................... 14. 6. Das außer dem Strafgesetzbuch in Preußen gel­ tende Strafrecht . . /................................... 15. Die wissenschaftliche Behandlung und die Literatur des Preußischen Strafrechts............................... IG. Aufgabe dieses Lehrbuchs.............................................

6. 7. 8. 9.

20 25 30

38 45 49 Gl 71 75 77 83

Allgemeiner Theil. Allgemeine Lehren deö Strafrechts. Erstes fiapitcl: Das preußische Strafrecht und feine Quellen.

8- 17. 8- 18. 8- 19.

§. 20. 8. 21.

8« 22. 8- 23. 8- 24. §. 25.

Begriff und Umfang des Preuß. Strasrecbts ... 85 Die Quellen des Preuß. Strafrechts überhaupt . . 93 Die Gültigkeit und verbindende Kraft der Preuß. Strafgesetze überhaupt............................................... 94 Abfassung und Publikation der Preuß. Strafgesetze . 94 Verhältniß der verschiedenen Preuß. Strafgesetze zu einander............................................................ . 103 Die verbindende Kraft der Preuß. Strafgesetze' 1. Hinsichtlich des Orts......................... &. . . . 110 Fortsetzung. 2. Hinsichtlich der Personen......................... 117 Fortsetzung. 3. Hinsichtlich der Zeit................................... 119 Auslegung der Preußischen Strafgesetze.......................... 123

X

Seite

Z. 26. Die analoge Auslegung der Preuß. Strafgesetze . . 133 8- 27. DaS Gewohnheitsrecht im Preuß. Strafrechte und des­

sen Verhältniß zu den Strafgesetzen....................... 138

Zweites Lapitel. von dem Verbrechen.

8. 28. Begriff des Verbrechens................................................ 140 8. 29. Eintheilungen des Verbrechens....................................... 142 8 30. Thatbestand des Verbrechens............................................ 147 1. Das mögliche Subjekt des Verbrechens. 8. 31. Grundsätze........................................................................ 149 II. Die Willensthätigkeit beim Verbrechen. A. Der verbrecherische Wille überhaupt.

8. 32. 8. 33.

Die Zurechnung............................................................ 150 Aufhebung der Zurechnung.......................................... 153 8- 34. Aufhebung der Zurechnungsfähigkeit........................... 157 8- 35. Die einzelnen Gründe der Aufhebung der Zurechnungs­ fähigkeit .................................................................. 166 §. 36. 1. Jugendliches Alter............................................ 167 8. 37. 2. Seelenstörungen und Sinnenverwirrungen . . . 174 8. 38. 3. Andere das Bewußtsein aufhebende Zustande . . 181 8- 39. 4. Aeußere Ursachen der Verhinderung der Verstandes­ entwickelung 182 8. 40. Gründe der Aushebung der Zurechnung, abgesehen von der Zurechnungsfähigkeit: 1. Irrthum........................................................................ 183 8. 41. 2. Aeußere Gewalt.......................................................... 199 8. 42. 3. Zufall........................................................................ 204 8- 43. 4. PsychologischerZwang: a) Drohung............................................................. 205 8- 44. b) Gewaltthätigkeit (Nothwehr) ...... 210 8. 45. c) Nothstand.............................................................. 220 §. 46. Ueber andere Momente, welche die Zurechnung aus­ schließen sollen: a) Befehl....................................................................... 223 8- 47. Fortsetzung, b) Erlaubniß des Vorgesetzten .... 226 8. 48. c) Einige andere Fälle................................................... 230 8- 49. Beweis der Zurechenbarkeit.......................................... 232 B. Vorsatz und Fahrlässigkeit besonders. 8- 50. Vorbemerkungen............................................................. 235 8- 51. Vorsatz besonders......................................................... 243 8- 52. Fahrlässigkeit besonders.................................................... 252 8. 53. Beweis des Dolus und der Culpa................................. 261 III. Die äußere Thätigkeit bei dem Verbrechen: 8. 54. Die äußere Handlung überhaupt..................................... 261 A. Vollendung und Versuch des Verbrechens. 8- 55. Vorbemerkung über Vollendung und Versuch überhaupt 265 8« 56. DaS vollendete Verbrechen besonders........................... 270 8. 57. Der Versuch, Begriff und Erfordernisse....................... 272 8- 58. Natur der Verbrechen, bei denen Versuch eintreten kann 274 8. 59. Der Anfang des Versuchs und bloße Vorbereitungs­ handlungen ........................................................... 274 8- 60. Das freiwillige Abstehen von der Versuchshandlung . 277 8- 61. Versuch mit untauglichen Mitteln und an einem nn- . tauglichen Gegenstände......................................... 283

XI

Seite

Der qualificirte Versuch................................................... 289 Von dem anders, als beabsichtigt war, eingetretenen Erfolge 292 Don den Graden des Versuchs..................................... 298 Die Bestrafung deS Versuchs......................................... 302 B. Die Thäterschaft und die Theilnahme Mehrerer an dem Verbrechen. 66. Allgemeine Grundsätze................................................... 309 67. Nähere Erörterungen, Begriff der Thäterschaft und der Theilnahme überhaupt......................................... 321 68. Vom Thäter besonders................. ............................. 328 69. Von dem Anstifter besonders................................. 338 70. Von den Gehülfen besonders................................. 348 71. Von dem Komplott............................................... 371 72. Don der Bande.................................................... 376 73. Von der Begünstigung.......................................... 378 IV. Die Strafbarkeit bei dem Verbrechen. 74. Grundsätze.............................................................. 385 Drittes Lapitet. Von der Strafe. 75. Begriff und allgemeine Grundsätzevon derStrafe. . 387 I. Eintheilung und Arten der Strafe. 76. Eintheilungen und Arten derStrafeüberhaupt. . . 391 77. Die Todesstrafe.............................................................. 412 78. Die Zuchthausstrafe........................................................ 419 79. Die Einsperrung in das Arbeitshaus............................ 421 80. Die Gefänanißstrafe......................................................... 422 81. Die Einschließung......................................................... 424 82. Verhältniß der eigentlichen Freiheitsstrafen zu einan­ der und allgemeine Grundsätze für die Anwen­ dung derselben......................................................... 427 83. Die Ehrenstrafen .......................................................... 430 84. Der Verlust der bürgerlichen Ehre besonders . . . 439

§. 62. 63. 64. $. 65.

$. $.

§. §. H. S. Z. §. S.

$.

§. $. $. §. $. $. $. $. $.

Der Verlust und die reitige Untersagung der Ausübung bestimmter einzelner Ehrenrechte........................... 446 87. Die öffentliche Bekanntmachung des StrafurtheilS . . 449 88. Die Vermögensstrafe, besonders die Geldstrafe . . . 450 89. Die Confiscation........................................................ 451 90. Der Verlust der Pensionen und Gnadengehalte . . . 454 91. Der Verlust aewerblicher Rechte.................................. 456 92. Die uneigentliche Freiheitsstrafe, besonders die Stel­ lung unter polizeiliche Aufsicht 456 93. Die Landesverweisung................................................... 460 II. DieAnwendungderS träfe aufdasD erbrech en. 94. Allgemeine Grundsätze.................................................. 460 95. Näheres über die bestimmten und die unbestimmten Strafgesetze und die Zumeffung der Strafe . . 463 96. Die Milderung der Strafe.............................................. 468 97. Die Erhöhung der Strafe, besonders vom Rückfalle . 480 98. Die Anwendung der Strafe bei dem Zusammentreffen mehrerer Verbrechen.............................................. 490

$. 86. $• $.

$.

$. §.

$. §. §. $. S.

XII

$. 99. §. 100. III. $. 101. $. 102. §. 103. 104. 8- 105.

Seite Das sogenannte fortgesetzte Verbrechen besonders . . 502 Die Strafumwandlung........................................................ 510 Das Wegfallen der Strafe. Allgemeine Grundsätze........................................................523 Von der Begnadigung........................................................ 525 Von der Verjährung.........................................................532 Von dem Tode des Verbrechers..........................................545 Ueber einige andere angebliche Fälle der Aushebung der Strafe....................................................................547

Besonderer Thetl. Von den einzelnen Verbrechen und deren Bestrafung. §. 106.

Vorbemerkungen................................................................... 549

Erstes üapitel: Von den Verbrechen gegen die Cristen; des Staates. §. 8. 8-

107. Ginleirende Bemerkungen.................................................... 552 10S. Geschichrliches......................................................................... 553 109. Die allgemeine Auffassung in derGemeinrechtlichen Doelrin........................................................................ 558 Gr ft er Titel: Vom Hochverrath. 8. 110. Begriff...................................................................................560 8111. Erfordernisse: 1. In Ansehung des Subjects..........................................563 8. 112. 2. In Ansehung des Objects.......................................... 565 8. 113. 3. In Ansehung der Willensbestimmung.......................... 575 8. 114. 4. In Ansehung der Wandlung......................................... 579 8. 115. Vom Versuche des Hochoerrathö.................................... 583 8 116. Von der Slrase des Hochoerraths.................................... 590 8. 117. Von der Theilnahme am Hochoerrath............................... 594 Zweiter Titel: Vom Landesverrats). 8- 1 IS. EinleitendeBemerkungen....................................................... 595 8- 119. Grundsätze...............................................................................596

Dritter Titel: Von der Majestütsbeleidignng. 88. 8-

120. Cinleirung............................................................................... 600 121. Grundsätze............................................................................... 603 122. Beleidigungen derMitglieder deö königlichen Hauses 605

Zweites Lapitel: Von den Verbrechen gegen die Rechte der Staatsgewalt. §. 123.

Vorbemerkungen................................................................... 606

Erster Titel: Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten. 8. 124.

Grundsätze..............................................................................607

Zweiter Titel: Verbrechen und Vergehen in Beziehung aus die Ausübung politischer Rechte. 8.

125. Grundsätze...............................................................................610

Dritter Titel: Ungehorsam und Gewalt gegen die Obrigkeit. 8. 8. 88$.

126. Vorbemerkungen....................................................................614 127. Ungehorsam gegen dieStaatsgewalt.................................. 614 128. Gewalt gegen Beamte..........................................................619 129. Besonders vom Aufruhr.Vorbemerkungen .... 625 130. Grundsätze............................................................................. 628

XJU

Sette 131. Von der Befreiung der Gefangenen. Vorbemerkungen 639 132. Grundsätze................................................................ 641 133. Von der Meuterei................................................... 644 134. Von der Meuterei des Schiffsvolks besonders . . . 648 Vierter Titel: Vergehen wider die öffentliche Ordnung. §. 135. Vorbemerkungen....................................................... 650 §. 136. Gefährdungen der öffentlichen Ruhe überhaupt . . . 651 137. Vergehen in besonderer Beziehung auf den Hochverrath 656 § 138. Besonders von unerlaubten Verbindungen und von dem Mißbrauch deS Vereinigungs- und Ver­ sammlungsrechts. Geschichtliches........................... 658 §. 139. Grundsätze.................................................................... 659 §. 140. Prcßvergehen. Geschichtliches......................................... 663 §. 141. Grundsätze.................................................................... 665 §. 142. Verletzungen der Achtung vor der Regierungsautoritat 669 143. Ehrverletzungen gegen Staatsbehörden, Beamte, Corporationen u. s. w.................................................... 669 $. 144. Vergehen wider die öffentliche Ordnung, welche auf Täuschung, aber ohne eine bestimmte Rechtsver­ letzung gerichtet sind............................................. 672 §. 145. Verleitung zum AuSwandern........................................ 676 8. 146. Vergehen gegen die Militairmacht............................... 677 $. 147. Vergehen bezüglich der Sicherheitspolizei...................... 680 $. 148. Bettelei, Landstreicherei und Arbeitsscheu..................... 680 Drittes Kapitel, verbrechen gegen die religiösen §. 8. §. §.

und sittlichen »rundlagen des Staats. Erster Titel: Verbrechen gegen die Religion. $. 149. Vorbemerkungen....................................................... 683 §. 150. Von religiösen Schmähungen überhaupt. Geschichtliches 687 $. 151. Grundsätze.................................................................... 689 $. 152. Erzwingung und Störung des Gottesdienstes . . . 691 §. 153. Unfug an Leichen und Gräbern ......... 693 Zweiter Titel: verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit. 8 154. Vorbemerkungen........................................................... 696 8. 155. Vom Ehebruch, Geschichtliches.................................... 697 $. 156. Grundsätze................................................ 8- 157. Von der Bigamie....................................................... 703 8. 158. Vom Incest, Vorbemerkungen.................................... 710 8 159. Grundsätze..................................................................... 712 8. 160. Unzucht mit Verletzung von Berufspflichten. ... 714 8- 161. Von der Verleitung zur Unzucht. Geschichtliches . . 716 8. 162. Grundsätze.................................................................... 717 8 163. Gewerbmäßige Unzucht.................................................. 718 §. 164. Von der Kuppelei. Geschichtliches................................ 719 8. 165. Grundsätze..................................................................... 722 8. 166. Nothzucht und unfreiwillige Schwächung Geschichtliches 723 §. 167. Grundsätze..................................................................... 726 8- 168. Entführung. Geschichtliches........................................ 732 8- 169. Grundsätze.................................................................... 734 8. 170. Widernatürliche Unzucht. Geschichtliches...................... 738 8- 171. Grundsätze.................................................................... 739 8- 172. Oeffentliche Verletzung der Schamhaftigkeit .... 741

699

XIV

Dritter Titel: Verbrechen Treue und Manben. $. $. $. $. $. $. $.

173. 174. 175. 176. 177. 178. 179.

§. 180. $. 181.

und Vergehen gegen öffentliche

Seite

Vorbemerkungen......................................................... 744 Vom Meineid. Geschichtliches................................... 745 Thatbestand................................................................... 747 Strafe........................................................................ 758 Von der Verleitung zum Meineide besonders . . Von der falschen Anschuldigung.............................. 765 Von den Münzverbrechen und Münzvergeben. Ge­ schichtliches Grundsätze.................................................... ; ... Rechtswidrige Handlungen in Beziehung auf den Fa­ milienstand einer Person......................................... -

763

769 771

779

Viertes Lapitel: von den Verbrechen und Vergehen gegen die Person. Erster Titel: Von der Tödtung. $. §. §. $. $. $. $. $. §. $. §. $. $.

182. Geschichtliche Vorbemerkungen..........................................782 183. Thatbestand der Tödtung überhaupt............................... 786 184. Von der vorsätzlichen Tödtung überhaupt.......................... 790 185. Dom Morde besonders..........................................................794 186. Vom Todtschlage besonders............................................... 798 187. Von der Theilnahme an dervorsätzlichen Tödtung, besonders vom Raufhandel.........................................803 188. Vom Kindermorde..............................................806 189. Von der Abtreibung der Leibesfrucht................ 811 190. Von der Aussetzung hülfloser Personen........... 814 191. Von der fahrlässigen Tödtung...........................816 192. Von der heimlichen Beerdigung........................... 819 193. Vom Selbstmorde................................................. 819 194. Vom Zweikampfe................................................ 821

Zweiter Titel: Bon der Körperverletzung. §. §.

8$.

8$.

195. Vorbemerkungen................................................ 828 196. Thatbestand und Arten der Körperverletzung überhaupt 830 197. Von der vorsätzlichen Körperverletzung besonders . . 833 198. Von der vorsätzlichen Vergiftung besonders.... 837 199. Von der fahrlässigen Körperverletzung................ 840 200. Vergehen und Slrafvorschriften in Beziehung auf die Gesundheitspolizei......................................................... 842

Dritter Titel: Von den Verletzungen der Ehre. $. 201. $. 202. 8- 203. 8. 204. 8. 205. 8- 206.

Vorbemerkungen............................................................... 844 Begriff und Arten der Ehrverletzung............................... 850 Thatbestand der Ehrverletzung überhaupt.......................... 851 Von der einfachen und qualificirten Beleidigung . . 858 Von der Verleumdung besonders.................................... 860 Von den Strafen und der gerichtlichen Verfolgung der Ehrverletzung.........................................................863

Vierter Titel: Verbrechen n. Vergehen wider diepersönl. Freiheit. $. 207. 8« 208.

8- 209. 8- 210. 8 211. 8 212.

Vorbemerkungen.................................................................. 866 Thatbestand der Verbrechen und Vergehen gegen die persönliche Freiheit überhaupt und Arten derselben 869 Vom Menschenraube besonders......................................... 872 Vom Kinderraube besonders............................................... 875 Widerrechtliches Gefangenhalten.........................................877 Von der widerrechtlichen Nöthigung ..... 879

XV

213. $. 214.

Seite Dom Landzwange...................................................................... 880 Verletzung des Hausrechts.................................................... 881 Fünftes Lapitel: von den Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen.

215. Elfter §. 216. $, 217. z. 218. §. 219. $. 220. .

?

£61.

. 222.

z. 223.

$. 224. $. 225. §. 226. $. 227.

Z. 228. $. $. $. $. Z. $.

229. 230. 231. 232. 233. 234.

Vorbemerkungen.................................................................. 884 Titel: Vom Diebstahl. Geschichtliches......................................................................... 887 Begriff und Arten des Diebstahls................................. 894 Thatbestand des Diebstahls überhaupt..................... 898 Von dem gemeinen (einfachen) Diebstahl. . . , . 908 Bon dem Diebstahl unter erschwerendenUmständen . 909 -ÜUll

VCIll

..............................................................

Von den einzelnen Arten des schweren Diebstahls: 1. Von dem Kirchendiebstahl.................................................... 915 2. Von dem schweren Diebstahl in einem bewohnten Gebäude................................................................................ 917 3. Von dem schweren Diebstahl durch Einbrechen oder ELnsteigen................................................................................ 919 Fortsetzung (speciell vom Diebstahl durch Einbruch) . 924 4. Von dem Nachschlüsseldiebstahl......................................... 926 5. Von dem schweren Diebstahl an Reisegepäck und Transportgegenständen.................................................... 928 6. Von dem schweren Diebstahl gegen Kinder und psychisch kranke Personen.............................................. 930 7. Von dem bewaffneten Diebstahl............................. 931 8. Von dem Bandendiebstahl.................................. 934 9. Von dem Diebstahl bei Feuers- undWafferSnoth 935 Don dem Familiendiebstahl........................................ 937 Don dem Rückfall beim Diebstahl............................. 941 Von einigen, dem Diebstahle ähnlichenVergehen . . 945

Zweiter Titel: Bon der Unterschlagung. $. 235.

Grundsätze...................................................................................... 947

Dritter Titel: Bo« dem Raube nud der Erpressung. $. 236. $. 237.

Don dem Raube.......................................................................... 952 Von der Erpressung.....................................................................960

vierter Titel: Bon der Hehlerei. $. 238.

Grundsätze........................................................................................ 964

Fünfter Titel: Bou dem Betrüge. $. 239. 240.

Geschichtliche Einleitung........................................................... 969 Grundsätze................................................................................... 976

Sechster Titel: Boa der Untreue. $. 241.

Grundsätze........................................................................................984

Siebenter Titel: Bon der Urkundenfälschung. $. 242. $. 243.

Grundsätze.................................................................................. 987 Don der uneigentlichen Urkundenfälschung .... 995

Achter Titel: Bom Bankerott. $. $. $. $.

244. 245. 246. 247. 248.

Geschichtliches.......................................................................... 1001 Begriff, Erfordernisse und Arten...................................... 1006 Dom betrügerischen Bankerott............................................. 1012 Dom einfachen Bankerott........................................................ 1016 Von der Theilnahme am Bankerott................................. 1020

XVI

Nennt er Titel: Strafbarer Eigennutz. 249. Vorbemerkungen 250. Vom Wucher 251. Von verbotenen Spielen 252. Vom strafbaren Fischen, Krebsen und Jagen . . . 253. Von der strafbaren Nachbildung schriftstellerischer und künstlerischer Werke §. 254. Andere Arten des strasbaren Eigennutzes Zehnter Titel: Vermögensbeschädigung. §. 255. Grundsätze

§. §. $. §. §.

^ite 1022 1023 1026 1029 1031 1033 1038

Sechstes Lapitel: Gemeingefährliche verbrechen und Vergehen. §. 256. Vorbemerkungen Erster Titel: Von der Brandstiftung. §. 257. Geschichtliches ; . . . 258. Begriff und Erfordernisse §. 259. Straft Zweiter Titel: Von den anderen gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen. §. 260. Von der Überschwemmung §. 261. Verbrechen und Vergehen mit Gefahr für Eisenbah­ nen und Telegraphen §. 262: Gefährliche Beschädigungen an Wegen u. Wasserbauten 263. Verursachtes Stranden oder Sinken von Schiffen . . §. 264. Vergiftung von Brunnen, Waaren und anderen Sachen §. 265. Nichtbeachtung der Vorschriften gegen Verschleppung von ansteckenden Krankheiten und Viehseuchen . §. 266. Nichterfüllung der mit öffentlichen Behörden geschlosse­ nen Verträgen

1042 1046 1049 1057

1059 1061 1064 1065 1066

1068 1069

Siebentes Lapitel: verbrechen und Vergehen der Seamten. §. 267. §. 268.

§. 269. §. 270. 271. §. 272. §. 273. §. 274. §. 275.

Vorbemerkungen Begriffe und Erfordernisse der Amtsverbrechen und Vergehen nach dem Strafgesetzbuch Bestechung Nöthigung durch Mißbrauch der Amtsgewalt . . . Beugung des Rechts Specielle Amtsverbrechen in Beziehung auf Straffachen Amtliche Unterschlagung Andere gemeine Delicte Pflichtwidriges Verhalten der vorgesetzten und beauf­ sichtigenden Beamten

1070

1071 1073 1076 1077 1079 1080 1082 1085

Ächtes Lapitel: von den polyeiübertretungen. §. 276. §. 277. §. 278. 279. §. 280.

Begriff, Arten und Straft . . .' Allgemeine Grundsätze Uebertretungen in Beziehung auf die Sicherheit des Staats und die öffentliche Ordnung Uebertretungen in Beziehung aus die persönliche Sicher­ heit, Ehre und Freiheit Uebertretungen in Beziehung auf das Vermögen . .

1086 1088

1090 1093 1096

Ginleitung. Erstes Kapitel. Begriff und Begründung des Strafrechts überhaupt.

§. 1.

Begriff des Strafrechts. Durch die Vernunft erkennt der Mensch das Gute oder daS

Recht,

und das Böse oder das Unrecht, jenes als daS Noth­

wendige.

Das Unrecht ist die Verneinung des Rechts.

Ist das

Recht das Nothwendige, so muß eS gegen das begangene Unrecht

wieder hergestellt werden. DaS Unrecht enthält eine doppelte Ver­ neinung des Rechts.

Einmal die Verneinung eines subjektiven

Rechts, der Macht oder Befugniß eines Einzelnen, jenem allge­ meinen, objectiven Rechte gemäß zu handeln,

Verneinung dieses objectiven Rechts.

zum andem die

Ueber das letztere ist und

kann kein Streit sein, eben weil daS Unrecht die Vemeinung des objectiven Rechts ist. Das erstere wird bestritten. Nicht jede Verletzung des objectiven Rechts soll auch nothwendig die Verletzung eines subjektiven Rechts enthalten.

Dies soll vielmehr nur dann der

Fall sein, wenn die rechtsverletzende Handlung in den Privatrechtökreis eines bestimmten Individuums eingreift, dieses also in

der Freiheit, nach dem objectiven Rechte zu handeln, gegen dieses objective Recht beschränkt wird. Dieser Begriff der Verletzung deS

subjektiven Rechts ist an sich richtig; aber er wird unrichtig an­

gewandt, indem man der Anwendung den konventionellen, positi­ ven Begriff eines Rechtsverhältnisses zu Grunde legt, anstatt an

Temme,

Strafgesetzbuch.

1

2 dem allgemeinen Begriffe deS Privatrechtsgebietes festzuhaltm, nach welchem dieses eben mit dem Rechtsgebiete überhaupt, unb dieses wieder mit dem Sittengebiete, insoweit überhaupt von Handlungen die Rede ist, zusammenfällt. Ein Privatrecht auf Ehre wird nach jener Ansicht dem Einzelnen nicht abgestrittm, und es wird in der Injurie die Verletzung eincS subjektiven Rechts angenommen. Wenn aber in des Einzelnen Gegenwart eine Hand­ lung gegen die Schamhaftigkeit vorgenommen wird, so soll kein subjektives Recht verletzt sein, als wenn eö ein Recht deS Ein­ zelnen auf die Integrität seiner Schamhaftigkeit nicht eben sowohl gäbe und geben müßte, als ein Recht auf die Integrität der Ehre. Es liegt auf der Hand, daß nur Begriffsbestimmungen deS positiven Rechts eine Unterscheidung zwischen dem einen und dem anderen Falle herbeiführen können. Verläßt man diesen Boden des positiven Rechts, so wird man auch nicht mehr die Behauptung aufstellen wollen, daß cs daö objective Recht verletzende Handlungen gebe, die gegen gar keine bestimmte Person gerichtet sein können, z. B. die meisten Delikte gegen die öffentliche Ordnung, gegen das Völkerrecht. Abgesehen von der Persönlichkeit deS Staates, die durch solche Handlungen an ihrem besonderen Rechte verletzt wird, enthalten diese zugleich immer eine Gefährdung, mithin an sich eine Verletzung des besonderen Privatrechts von Einzelnen, oft eines ganzen Compleres Einzelner. Indem also durch jenes Unrecht eine doppelte Rechtsverletzung begangen wird, folgt von selbst, daß auch eine doppelte Wiederherstellung des Rechtö noth­ wendig wird, durch daS Unrecht selbst hervorgerufen ist. In Be­ ziehung auf daS verletzte subjektive Recht ist diese Wiederherstellung folgende: Es wird der Zustand des subjektiven Rechts, wie er vor der Verletzung war, thatsächlich oder symbolisch wieder hergestellt. Bei einer Verletzung der Vermögensrechte durch Zurückgabe des auS dem Vermögen deS Verletzten Weggenommencn; bei anderer Beschädigung durch Erstattung deö Schadens. Bei Verletzung der Freiheit, deS FamilicnrechtS durch Zurückversetzung in die Frei­ heit oder in daö Familienrecht. Bei Verletzung der Ehre durch diejenigen konventionellen Mittel, welche als Symbole der Aner­ kennung der Ehre betrachtet werden. Bei Verletzung der Scham­ haftigkeit durch ähnliche symbolische Handlungen. ES ist wohl eine durchaus unrichtige Ansicht, daß bei der Verletzung des subjektiven Rechts (dem „bürgerlichen Unrechte") immer nur von einem „Entschädigungszwang", von einem Wiedcrausheben deS

3 Unrechts durch „Restitution der Werths" die Rede fein sönne*).

äußerlichen Sache

oder ihres

Das würde voraussetzen, daß

des „bürgerliche Unrecht" die Verletzung eines subjectivm Rechts,

entweder überhaupt nur an Vermögensrechten geschehen, oder aber daß ave subjektiven Rechte des Menschen zuletzt nur eine Beziehung auf daS Vermögen hätten, also im Grunde nur nach Gelde zu

schätzen wären. DaS wäre freilich eine, und zudem sehr beschränkte Ansicht vom Standpunkte eines gegebenen Privatrechts auS, auf

welchem auch die Verletzungen der Ehre nur unter den Gesichts­ punkt der auf eine pekuniäre Genugthuung gerichteten ästimatori­

schen Injurienklage gebracht werden.

Faßt man das eigentliche

Wesen der Wiederherstellung des verletzten subjektiven Rechts auf,

so ergiebt sich, daß dieselbe überall in einem Zwange gegen den­

jenigen, der daS Recht verletzt hat, besteht, die Verletzung, also den Zustand des Unrechts, aufzuheben und den früheren Zustand deS Rechts wiederherzustellen. Direkt kann dies nur in einem

einzigen Falle geschehen, nämlich wenn die Rechtsverletzung durch bloße Wegnahme eines Gegenstandes aus dem Vermögen eines Anderen begangen ist, und dieser Gegenstand zurückgegeben wird. In allen anderen Fällen, auch bei einer Entschädigung für eine

Dermögenöbeschädigung, ist die Wiederherstellung nur eine indirekte,

sie kann nur durch eine Handlung erfolgen, die konventionell alS Wiederherstellung deS früheren Rechtszustandes gedacht wird; die

Wiederherstellung ist also alsdann

immer nur eine symbolische.

DaS ist denn nun auch durchgängig der Charakter der Wieder­

herstellung deS verletzten objectiven Rechts. Zuvörderst ergiebt sich aus dem Wesen der Wiederherstellung

deS verletzten subjektiven

Rechts, daß diese nicht zugleich eine Wiederherstellung deS verletz­ ten objectiven Rechts enthält.

ES wird eben nur der Privatrechts­

zustand wieder hergestellt, wie er früher war. Rechtözustand wird dadurch nicht berührt.

Rechtsordnung des noch offen.

objectiven Rechts

Er muß geheilt werden.

deS früheren Zustandes ist unmöglich.

Der allgemeine

Der in die allgemeine

einmal gemachte Riß ist

Eine direkte Zurückführung

Die verletzende Handlung

kann nicht ungeschehen gemacht werden. Hier bleibt also, da von der Zurückgabe eines weggenommenen DermögmsstückS überhaupt

nicht die Rede ist, überhaupt nur eine symbolische Wiederherstellung

1) Da» meint z. B. Köstlin, neue Revision der Grundbegriffe deS Criminalrechts, . 341 flg. Köstlin, Revision S. 450 flg. Berner, die Lehre von her Theilnahme am Verbrechen, S. 165 flg. Hepp, zur Lehre von der Theilnahme am Verbrechen, im Archiv des Cr. R. für 1846, S. 124 flg.,^ür 1848, S. 262 flg. Dauer, Abhandlungen aus dem Strafrechte- Dd. I, S. 4Ö9 Ziegler, die Theilnahme an einem Verbrechen. Zachariä, zur Lehre von der Theilnahme am Verbrechen, im Archiv des Cr. R. für 1850, S. 265 flg., für 1851, S. 209 flg. F..Roßhirt, Beiträge zur Lehre von der Anstiftung zum Verbrechen, im Archiv des Cr. R. für 1851, S. 498 flg.

320 nur gar ju häufig in Beziehung auf die Bestrafung vollkommen

falsch aufgestellt werden.

In letzterer Beziehung wird besonders

häufig die Anstiftung für selbstständig strafbar erklärt, auch wenn sie kein vollendetes Verbrechen, oder keinen strafbaren Versuch des­ selben zur Folge gehabt hat.

Hauptsächlich schaden sie überhaupt

dadurch, daß sie für daS Urtheil deS Richters bestimmte Begriffe

und Kategorien aufstellen wollen, in welche er jeden einzelnen Fall zum Zweck nicht einmal etwa der Strafzumessung, sondern

der Strafabstufung soll hineinzwingen müssen, anstatt daß daö

Urtheil deS Richters bei Abmessung der Strafe nur durch die konkrete Strafwürdigkeit deS einzelnen Falles, die sich schablonen­ artig nicht begrenzen läßt, bestimmt werden soll. Anmerkung III.

Von den neueren Deutschen Strafgesetz­

büchern hat daS Bayersche unter dem Einflüsse Feuerbachs,

den Anfang damit gemacht, fast alle Distinctionen und Modifi­ und leider sind die meisten

kationen der Doktrin anszunehmen,

darin nur

anderen ihm

zu ergeben gefolgt.

ES behandelt die

Lehre von der Theilnahme in neunundzwanzig langen Ar­ tikeln (Art. 45—56, 73 89), und unterscheidet darin z. B. „drei Grade von Gehülfen" und „drei Grade der Begünstigung," mit

weiteren Unterscheidungen je nach der Vollendung oder dem Ver­

suche deS Verbrechens u. f. w., ferner mittelbare und unmittelbare Urheber, Komplott, Anstifter, Rädelsführer, Banden u. f. w. Nicht

minder weitläufig unterscheidend ist daS Badische Strafgesetzbuch

(88. 122—147); daS Großh. Hessische (Art. 71—93); daS Braun­ schweigische (88.41—49); daS Sachsen-Meiningsche (Art. 31—40); daS Württembergische (Art. 74-94); daS Hannoversche (Art. 52-76).

Auch daS Sächsische behandelt die Materie noch in 9 Artikeln (33—41).

Eben so

haben die meisten Schweizerischen Straf­

gesetzbücher sich dem Einflüsse der Gemeinrechtlichen Doctrin nicht

entziehen können.

So haben diese Doktrin mehr oder weniger

ausgenommen daS Strafgesetzbuch für Zürich in 88. 48—60; für Basel Stadt in 88-5—10; für Luzern in §8.41—57; für Frei­ burg in 88-39—50; für St. Gallen Art. 24 — 38; für Waadt Art.39—50.

Vortheilhaft zeichnet sich dagegen auch hier durch

seine Kürze wieder daS Oesterreichische Strafgesetzbuch aus.

ES

behandelt die ganze Lehre von der Thäterschaft und Theilnahme

in drei kurzen Paragraphen, von denen der dritte eine Zugabe deS Jahres 1852 ist.

3m 8. 5 verordnet eS, daß bei dem vollen­

deten Verbrechen der unmittelbare Thäter, der Anstifter und auch

321 der Gehülfe, gleich gestraft werden soll'), durch welche letztere Bestimmung freilich daS Deutsche Recht verlassen ist. Im 8. 6 wird die Begünstigung für ein besondere-, nur in den ausdrücklich bestimmten Fällen eintretendeS Verbrechen erklärt. Der (im Jahre 18^2 zugegebene) 8.9 erklärt die Anstiftung auch dann für straf­ bar, wenn nicht da- vollendete Verbrechen, sondern nur dessen Versuch darauf erfolgt sei. Eine eigenthümliche Auffassung hat daS Strafgesetzbuch von Aargau (von 1805). ES behandelt jede thätige Hülfe als Mitthäterschaft, die mit der ©träfe deS ThäserS belegt wird. Außerdem kennt eS ein „Verbrechen des Vorschubes zum Verbrechen," worunter e» die Anstiftung und die intellektuelle Beihülfe versteht, und endlich ein „Ver­ brechen der Theilnahme am Verbrechen," worunter eS die nicht vorher versprochene Begünstigung versteht. Beide werden gelinder als die Thäterschaft bestraft, jedoch mit dieser gleich, wenn sie bei einem Verbrechen zusammentreffen (88.8—10, 19,20).

8. 67.

Naher« Erörterungen. Begriff der Thäterschaft und der Theilnahme überhaupt. Von der Theilnahme an einem Verbrechen kann überhaupt stur die Rede sein, wenn eö sich um die Beziehung mehrerer Per­ sonen zu einem Verbrechen handelt. ES kann in zweifacher Weise von ihm die Rede sein. Einmal indem eS sich darum handelt, in wiefem mehrere Personen in Beziehung auf daS Verbrechen überhaupt eine Verschuldung treffe. Zum anderen, in­ dem eS sich darum handelt, in wiefem daS Verbrechen mehreren Personen zur Schuld zuzurechnen sei. Jene erste Theilnahme ist eine weitere alS die zweite. Sie umfaßt nicht blos dm Thäter, Anstifter und Gehülfm, sondern auch den Begünstiger und Mit­ wissenden, der die Anzeige unterließ, in sofern beide durch daS Strastecht für strafbar erklärt werden. Die zweite umfaßt nur

1) Die späteren $$.36—40 haben mit diesem Prinzip nichts zu schaffen; Berner, Theilnahme, S. 214 nimmt, gestützt aufKitla (daS Zusammentreffen rc. S. 1, 2), irrthümlich daS Gegentheil an. Strafrecht.

322 diejenigen Personen, durch deren Kräfte daS Verbrechen selbst

hervorgebracht ist. Diese letztere Theilnahme hat ihre strafrechtliche Begründung in dem Begriffe deS Verbrechens selbst. Der Umfang

jener ersteren kann, in sofern er ein weiterer ist, als der der zweiten,

seine Begründung nur in positiver Gesetzgebung haben, man kann

sie daher auch nur in sofern, und also nur uneigentlich Theilnahme nennen.

eine

Bei beiden Arten der Theilnahme ist, um

einen festen Boden für die ganze Lehre zu gewinnen, festzuhalten,

daß immer eine strafbare Handlung, also entweder ein vollendetes Verbrechen oder ein strafbarer Versuch da sein muß, auf welchen die Theilnahme zu beziehen ist. Dieses vollendete Verbrechen oder der Versuch desselben ist der Kern, um welchen alle Theilnahme sich gruppiren muß, ohne welchen von einer Theilnahme gar nicht gesprochen werden kann. — DaS Strafgesetzbuch hat positiv jenen

ersteren weiteren Begriff der Theilnahme aufgestellt.

Ebenso daS

Gemeine Recht. Selbst (quantitativ beschränkt) in seinen Quellen.

DaS positive zufällige Element dieser Theilnahme ist die Be­

günstigung mit Einschluß der Nichtanzeige.

Nach dessen Aus­

scheidung bleiben also als Bestandtheile der (eigentlichen) Theil­ nahme: die Thäterschaft, die Anstiftung, die Beihülfe.

Alle drei

sind Momente, welche die Zurechnung zur Schuld für ein be­

stimmtes Verbrechen begründen. DaS Verbrechen soll dem Thäter,

dem Anstifter und dem Gehülfen zugerechnet werden. also die verbrecherische Handlung aller Drei sein.

ES muß

ES soll ihnen

alS Ein, und als ein gemeinsames Verbrechen zugerechnet werden.

ES muß also ihre gemeinsame Handlung sein.

Sie müssen also

daS Verbrechen gemeinsam hervorgebracht, sie müssen zu dessen Hervorbringung zusammengewirkt haben.

nicht ausreichend.

Auch daS ist indeß noch

DaS Verbrechen kann nur alS Eins, als ein

gemeinsames ihnen zugerechnet werden, wenn sie eS alö ein ge­

meinsames hervorbringen wollten, und in diesem Willen hervor­ gebracht haben.

War dieser Wille

der gemeinsamen Hervor­

bringung nicht da, so kann eS als ein gemeinsames nicht zuge­ rechnet werden. Denn die strafrechtliche Zurechnung kann überall

eben nur so weit gehen als sie den Willen trifft.

ES stellen sich

also drei wesentliche Momente der Theilnahme an einem Verbrechen heraus: 1. DaS Verbrechen muß daö Produkt der Thätigkeit der

sämmtlichen Theilnehmer sein.

2. ES muß dieses Produkt durch

ihrer gestimmten Thätigkeit geworden sein. 3. Die gemeinsame Production deS Verbrechens muß von den Zusammenwirken

323 sämmtlichen Theilnehmern gewollt sein. Die eigentliche Theilnahme am Verbrechen besteht also in einem gewollten ZusammenwirkenMehrerer zur Hervorbringung eineö Verbrechens als eines gemeinsamen. Wo die in diesem Begriffe liegenden drei Momente nicht zusammentreffen, da ist auch eben keine straf­ bare Theilnahme an dem Verbrechen vorhanden. ES wird daö nicht immer beachtet. So wird noch in neuester Zeit behauptet, die verbrecherische Theilnahme bestehe blos in einem bewußten Zusammenhandeln mehrerer Personen bei einem und dem­ selben Verbrechen'). ES soll danach nur dann keine Theilnahme an demselben Verbrechen vorliegen, wenn z. B. A. und B. zu gleicher Zeit, aber ohne von einander zu wissen, dem C. auflauern und vielleicht in demselben Moment auf den Vorüber­ gehenden schießen. ES muß vielmehr viel weiter behauptet wer­ den, daß keine Theilnahme an demselben Verbrechen vorhanden war, wenn auch in dem aufgestellten Beispiele A. und B. von einander wußten. Denn nicht allein auf daS bewußte Zusammen­ handeln kommt eS an, sondern darauf, daß dieses Zusammen­ handeln im gegenseitigen Einverständnisse geschah. Nur alSdann kann daS Verbrechen aus ihrem gemeinsamen Willen als ein gemeinsames Verbrechen hervorgegangen sein. Wenn A. und B. auch von einander wußten, wenn sie aber blos von einander wußten, so wollten sie noch kein gemeinschaftliches Verbrechen, sondern jeder von ihnen wollte eben sein eigenes Verbrechen für sich allein, und eS war auch dann nur ein Zufall, wenn sie beide gerade zu gleicher Zeit den C. trafen. Handelten sie aber im Einverständnisse, dann war daS Verbrechen ihr gemeinsames. Darin allein, daß mehrere Personen, welche zufällig dieselbe verbrecherische That vornehmen wollen, um einander wissen, wenn sie gleich sämmtlich genau erfahren haben sollten, waS jeder von ihnen vorhat, liegt noch nicht im geringsten, daß sie nun auch

I) Zacharlä, von ter Theilnahme am Verbrechen, im Archiv deS Cr. R. für 1850, S. 268. Lerner, Theilnahme, S. 322. Er sagt: „Ich halte eS kaum für möglich, daß zwei Personen an demselben Erfolge arbeiten, jeder den gleichen animus des Anderen erkenne, nnd dennoch sich kein gemeinsames Wissen um die Gemeinsamkeit deS Wollen« entwickele. Aber diese Möglichkeit auch angenommen, so kann doch die Beurtheilung jedes Einzelnen der beiden Miturheber durch dieses gemeinsame Wissen um da« gemeinsame Wollen gar keine Modifikation mehr er­ leiden. Auch ohne daS Wissen de« Anderen macht jeder die Handlung deS An­ deren zu der seinigen. Jeder muß also daS Ganze vertreten."

324 im Einverständnisse handeln y. Haben sie ein Einverständniß zu einem gemeinsamen Handeln bis zur Ausführung deS Verbrechen­ nicht auf irgend eine Weife einander kund gegeben, so kann eben Jeder nur wissen, daß der Andere sich einmal vorgenommen hatte, dieselbe verbrecherische Handlung gleichfalls für sich selbst zu be­ gehen. Er kann aber nicht einmal wissen, ob der Andere dieses Vornehmen bis zur Vollendung deS Verbrechens auch wirklich auöführen werde. Man braucht hier nur an daö fteiwillige Zurücktreten von der Versuch-Handlung zu denken. A und B wollen zufällig in demselben Hause zu gleicher Zeit einen Dieb­ stahl durch Einbruch verüben. Sie werden einander gewahr, während Jeder für sich ein Loch in die Mauer bricht. Dem A wird indeß die Sache leid, während sie am Brechen sind, und er kehrt zurück. B bricht weiter und vollführt den Diebstahl. Hier ist A straflos. Hatten aber Beide das Verbrechen als ein ge­ meinsames verabredet, so konnte A nur straflos werden, wenn er zugleich Anstalten traf, daß auch B den Diebstahl nicht auöführter). — Um das Wesen der strafbaren Theilnahme festzustellen, wird gewöhnlich in die Begriffsbestimmung derselben noch daS Merk­ mal ausgenommen, daß die eine der zusammenhandelnden Personen nicht zugleich al- Object der verbrecherischen Handlung der anderen erscheinen dürfe'). Der Zusatz ist überflüssig. Bet den Verbrechen der gemeinten Art, z. B. Ehebruch, Duell, Bestechung, Bigamie, Incest, bringen allerdings mehrere Personen durch gemeinsameHandeln ein Verbrechen hervor. Ihr gemeinsames Handeln ist sogar nothwendig, damit ein Verbrechen zu Stande komme. Man spricht deshalb auch wohl hier von einer nothwendigeil Theil­ nahme. Allein eS fehlt bei den mehreren zufammenhandelnden

1) Allerdings kann aus einem bewußten Zusammenhandeln in Verbindung mit anderen Umstanden auf ein solches Einverständniß geschlossen werden. Jene Ansicht stellt auch hier wieder eine bloße Präsumtion auf. 2) Die Lehre vom Versuch dient hier überhaupt zur Erläuterung. Wenn A in dem ausgestellten Falle die Mauer ftüher durchbrochen hatte als B, sich darauf, ohne in das HauS einzudringen entfernte, und nun D, von seinem eigenen Brechen Abstand nehmend, durch die von A gemachte Oeffnung in daS HauS drang und den Diebstahl verübte, so hatte er keinen vollendeten Diebstahl durch Einbruch verübt. Unzweifelhaft wäre dies aber der Fall, wenn Beide in Folge einer Verabredung gehandelt hätten.

3) Vergl. Zachariä im Archiv für. 1850, S. 268; Berner, Theilnahme, S. 165 ffg.; Abegg, Lehrbuch, §.72.

325 Personen eben der Wille, ein Verbrechen als ein gemeinsames ihrer Aller hervorzubringen. Es will vielmehr entweder nur Einer von ihnen ein Verbrechen hervorbringen, und der Andere hat gar keine oder eine andere verbrecherische Absicht; er kann die des Anderen nicht einmal haben, eben weil sein Mitwirken für ihn vor dem Strafgesetze entweder ein gleichgültiges ist, gar keinen Thatbestand eine- Verbrechens, oder weil eS den Thatbestand eine- anderen Verbrechens enthält, j. B. bei dem Beischlaf mit einer Wtnkelhure oder dem Ehebruch nach R. R. Oder aber Jeder hat zwar dasselbe Verbrechen, aber Jeder hat eS für sich allein, als fein eigenes, hervorbringen wollen, wie beim Duell, der Bigamie u. f. w. Indessen giebt eS andererseits einzelne Verbrechen, die ihrem That, bestände nach nur durch eine eigentliche Theilnahme Mehrerer hervorgebracht werden können, z. B. Auftuhr, Landfrieden-bruch u.^. w. Hier kann man «>on einer nothwendigen Theilnahme sprechen. DaS Wesen der Theilnahme wird dabei nicht alterirt. — Aus dem festgestellten Begriffe der verbrecherischen Theilnahme ergeben sich mehrere Folgerungen: I.AlS ein gewolltes Zusammenwirken kann sie eben nur eine dolose sein; eine rulpose Theilnahme an einem Verbrechen giebt eS nicht'). 2. Daraus folgt nothwendig, daß bei einem culposen Verbrechen sich gar keine Theilnahme denken läßt. Der culpoS Handelnde kann mit dem dolos Handelnden zur gemeinsamen Hervorbringung deS Verbrechens nicht einmal bewußt, geschweige im Einverständnisse zusammengehandelt haben. Eben so wenig kann er mit ihm ein gemeinsame- Verbrechen her­ vorbringen wollen. ES ist wohl möglich, daß Jemand die von ihm bemerkte Culpa eines Anderen dazu benutzen will (also doloS), um denjenigen Erfolg hervorzubringen, der nothwendig ist, um da- Benehmen deS Anderen zu einem culposen Verbrechen zu machen. Aber eS liegen dann für Beide ganz verschiedene Ver­ brechen vor, die, wie sie sich im Thatbestände unterscheiden, ge­ wöhnlich auch sogar verschiedene Bezeichnungen führen, z. B. Mord und Todtschlag einerseits, und fahrlässige Tödtung andererseits. Wmn A sieht, daß B unvorsichtig mit einem geladenen Gewehre umgeht, und absichtlich den C, damit dieser tödtlich getroffen werde, in die Schußlinie führt, so kann B nach den Umständen

j) Es muß hier historisch erwähnt werden, wie die neuere PrariS (in poli­ tischen Prozessen) sogar eulpose Anstiftung annahm.

326 wegen fahrlässiger Tödtung deS von ihm tödtlich getroffenen C be­ straft worden, A aber ist eigentlicher Mörder.

An dem Ver­

brechen deS Anderen hat Keiner von ihnen Theil

genommen.

Gleichwohl wird noch von vielen Rechtölehrern eine solche Theil­

nahme an einem culposen Verbrechen angenommen').

Man hat

sich aber augenscheinlich die Sache unrichtig vorgestellt,

wenn

dafür angeführt wird: „Sie (die Theilnahme an einem rulposen Verbrechen) besteht darin,

Handlung

veranlaßt

daß

man

einen Anderen

oder in einer Handlung

zu

einer

unterstützt, von

welcher man weiß, daß er mit ihr einen verbrecherischen Erfolg

zwar nicht beabsichtige, aber doch hervorbringen könne. Wenn man die Möglichkeit zugeben muß, daß man dieses Wissen hin­ sichtlich der Handlung eines Anderen haben könne, kann man aud) nicht die Möglichkeit einer Theilnahme an dem culposen Verbrechen eines Anderen in Abrede stellens."

Der Schluß ist

falsch; von der Möglichkeit des Wissens gilt kein Schluß auf die

Möglichkeit des Thuns ’).

3. Die Theilnahme an dem Verbrechen

kann für die mehreren Theilnehmer eine gleichartige,

sie kann

aber auch eine vielfach ungleichartige sein, letzteres qualitativ, wie

quantitativ.

ES folgt dies auS dem Begriffe deS Zusammen­

wirkens in Beziehung auf die Verschiedenheit der äußeren Thätig­

keit, durch welche das Zusammenwirken sich äußern kann.

Die

Lehre von den verschiedenen Arten der s. g. Urheber und Gehülfen bildet sich hierdurch.

4. Sie kann ferner eine verschiedene sein in

Beziehung auf ihren EntstehungSgrund.

Sie kann eine vor der

Verübung deS Verbrechens verabredete (concursus paclitius), oder eine während der Verübung deS Verbrechens zufällig entstandene

(concursus accidentalis, s. repentinus) sein. In dem ersten Falle können sich die Begriffe von s. g. Complott, Verschwörung und

beziehungsweise Bande bilden. — Man hat noch mehrere Eintheilungen: 5. Die Theilnahme soll in Beziehung auf die wirk-

1) Vergl. Abegg, Lehrbuch, S. 74. Marezoll, Crim. R., S. 93. Luden, Abhandlungen, Bd. II, S. 349. Derselbe, Handbuch, S. 440 fig. Nicht ganz richtig sind auch die Bemerkungen in meinen Glossen zum Str. G. B., S. 102 u. 107. 2) Luden, Handbuch S. 441. 3) Vergl. Köstliu, Revision, S. 502, Berner, Theilnahme, S. 213. Heffter, Lehrbuch, §. 85, welche gleichfalls eine Theilnahme nur bei dolose« Ver­ brechen anerkennen.

327 liche Ausführung

deS Verbrechens entweder dieser vorhergehen,

oder sie begleiten,

oder ihr nachfolgen (concursus antecedens,

concomitans, .subsequens).

ES leuchtet in Beziehung auf die

eigentliche Theilnahme ein, daß diese Eintheilung falsch ist, in

sofern sie auch die nachfolgende Theilnahme ausnimmt.

Eine der

Ausführung deö Verbrechens blos nachfolgende Theilnahme kann

nur in einer nicht vorher zugesagten Begünstigung bestehen, die eine eigentliche Theilnahme nicht mehr ist.

Der blos hinterher­

kommende Begünstiger kann zu der gemeinsamen Hervorbringung deS bereits hervorgebrachten Verbrechens nicht mehr wirken. Eine

vorher zugesagte Begünstigung kann aber nur unter den Begriff der der Ausführung vorhergehenden Theilnahme fallen (f. unten

§. 73). 6. Begründet ist dagegen an sich eine andere Eintheilung,

in die mittelbare und unmittelbare, auch entfernte und nahe Theil­ nahme (conc. remotus et proximus).

die

VorbereilungShandlungen,

selbst.

Jene bezieht sich bloS auf

die letztere

auf die Ausführung

7. Ferner nimmt man an eine positive und eine negative

Theilnahme [conc. positivus und negativus]), jenachdem sie in positiver Thätigkeit oder in bloßer unterlassener Erfüllung vom

Staate auferlegter

und möglicher Weise zu erfüllender RechtS-

pflichten bestehe.

Auch diese Unterscheidung ist in solcher Allge­

meinheit falsch.

Wie man durch bloße Unterlassung, abgesehen

von den durch positive Gesetzgebung geschaffenen eigentlichen Unter»

laffungöverbrechen, überhaupt kein Verbrechen begehen kann, so kann durch sie auch keine Theilnahme an einem Verbrechen begangen werden.

Denn die Theilnahme besteht eben in der ge­

meinsamen Hervorbringung eines Verbrechens.

Positive Gesetze

haben indeß auch hier Pflichten. — der Hinderung oder Anzeige — auferlegt, durch deren Nichterfüllung — also durch bloße

Unterlassung — eine »«eigentliche Theilnahme allerdings ein­ treten kann.

8. Endlich unterscheidet man noch allgemeine und

besondere Theilnahme, freilich nur speciell bei der Beihülfe.

Ein

allgemeiner Gehülfe (socius generalis) und ein besonderer Gehülfe

(soc. specialis) sollen sich dadurch unterscheiden, daß die Handlung

deS letzteren dieselben Merkmale an sich hat, welche dm Begriff deS von dem Urheber begangenen Verbrechens ausmachen, wo­

gegen bei dem allgemeinen Gehülfen diese Merkmale nicht sämmt­ lich vorhanden sind').

Wenn die Theilnahme in dem gewollten

1) Bergt, über diese sämmtlichen Emtheilnngen: Feuerbach, Lehrbuch,

328 Zusammenwirken zur Hervorbringung eine- gemeinsamen Ver­ brechens besteht, so ist eS klar, daß eS eine solche generelle Theil­ nahme also auch Beihülfe nicht geben kann. Die Merkmale deS Begriffes, der Thatbestand deS hervorgebrachten Verbrechens müssen für sämmtliche Theilnehmer dieselben sein; eö wären sonst mehrere verschiedene Verbrechen da.

$. 68.

Dom Thäter besonders. Die Theilnahme an dem Verbrechen kann eine mehrfach verschiedene sein. Eö kommt darauf an, jede einzelne Art näher zu bestimmen. Die drei Hauptunterschiede der eigentlichen Theil­ nahme werden gebildet durch die Begriffe von Thäter, Anstifter und Gehülfe. Diese Begriffe find genau sestzustellen. Zuerst der deS Thäters. Er ist bekanntlich in der gemelnschastlkchen Doctrin sehr bestritten. Der Streit ist hauptsächlich dadurch entstanden, daß man den Begriff deS Thäter- auf einen falschen Begriff der Urheberschaft deS Verbrechen- zurückzuführen suchte. Der Thäter sollte Urheber deS Verbrechens sein, im Gegensatze zu anderen Theilnehmem, die nicht Urheber deS Verbrechens seien. Dieses Bestreben ist erst der neueren Doktrin eigen. ES hat zu­ dem in den Quellen keinen Grund. Da- Römische Recht nennt autor (Urheber) deS Verbrechen- den Anstifter, „qui causam delicti praebuit').“ Freilich wird der Anstifter auch mandator und motor genannt. Für denjenigen, durch dessen körperliche Thätigkeit die verbrecherische Handlung auögeführt war, den man eigentlich nur unter der Benennung „Thäter" verstehen kann, hat eS keinen bestimmten technischen Auödnlck. Er wird bald reus principalis, bald factor, bald blos reus genannt, in der späteren Zeit auch wohl auctor2*).31 . Arhnlich ist eS in der Peinlichen Ger. O. Nur für den Anstifter hat sie den Namen „Ursacher2);"

SS. 44-52; Heffter, Lehrbuch, SS. 79, 81; Abtgg, Lehrbuch, SS-74, 75; Marezoll, Crim. R., §.33; Henke, Handbuch, S 42. 1) 1.4, $. 5 D. vi bon. r»pt. 1.5 D. de noitl. act. 1. 3, $. 4 D. ad leg. Corn, de tic. 2) 1.1, $.21 D. ad Sc. Silan. 1. 7 D. de cust. reor. 1.5 C. de accus. 1. 22 C. de poen. 3) P. G. O. Art. 148. Dergl. Reichseree. O. von 1555, $ 43.

329 jenen Thäter nennt sie „Missethäter"') u. s. w. Auch die Deutsche

Doctrin hatte früher mehrfache Ausdrücke für die Bezeichnung des Thäters: executor, delinquens, delinquens principalis u. s. w.

DaS Wort auctor kommt nicht dafür cor1 2).3 4 Den 5 6 7 Anstifter, z. B.

den Mandanten, nennt man aber auctor*).

Schon bei Koch*)

findet sich aber die Benennung „auctor delicti“ für den Thäter, qui ipse illud, per quod delictum tale est, perpetravil.“ Ihm

folgte der jüngere Meisters), aber mit dem ausdrücklichen Be­ merken, daß auctor in sensu generali Jeder fei, der durch feine

Handlung zur Hervorbringung

des Verbrechens irgend etwas

beigetragen habe. In ähnlicher Weife war die Auffassung KleinS*), so wie Grolmannö?). Feuerbach brachte ein

anderes System auf.

Er stellte zunächst einen allgemeinen Begriff

des Urhebers auf: „die Person, in deren Willen und Handlung die hinreichende Ursache enthalten ist, welche das Verbrechen als

eine Wirkung hervorbrachte."

Sodann unterschied er, ob die Ur­

sache unmittelbar oder mittelbar gewesen fei, und danach einen unmittelbaren oder mittelbaren Urheber.

Jener, den er „physischen

Urheber" nannte, war die Person, „wenn sie die Handlung, welche den Begriff des Verbrechens ausmacht, selbst begangen

hat." Mittelbarer Urheber war die Person, „wenn daS Verbrechen eines Anderen in ihrer auf Entstehung des Verbrechens absichtlich

gerichteten Thätigkeit als Ursache, gegründet ist." sollte auf zweierlei Art möglich sein.

Diese- letztere

Einmal durch absichtliche

Bestimmung deS Willens eines Anderen zur Begehung deS Ver­ brechens;

die so handelnde Person

nannte Feuerbach,

„direkten mittelbaren Urheber, intellektuellen Urheber."

dm

Zum an­

deren durch absichtliche Hinwegräumung von Hindernissen, ohne welche dem zur That schon bestimmten Willen eines Anderen die

äußere Wirksamkeit mtweder überhaupt oder unter den besonderen

1) P. ®. O. Art. 177. 2) Dergl. Kress, Comm. in C. C. C. Art 177, Nr. 1. 3. Böhmer, Medit ad C. C. C. Art. 177, $. 7. 3) Kren, 1. c. Nr. 3. Vergl. Quifforp, Peinl. R., 88.55 (wo ter Thäter der „Hauptthäter" genannt wird) und 59. 4) Koch, Instit jur. Crim., 3- 41. 5) G. J. F. Meiner, princ. jur., Crim. 8« 39. 6) Klein, Peinl. R., 8-138. 7) Grolmann, Cr. R. Wissensch., SS* 38 fig. (älteste Aust.).

330 Umständen unmöglich

gewesen wäre; die so handelnde Person

nannte er „indirekten mittelbaren Urheber, Hauptgehülfen, socius principalis>)."

Ist nun diese Ansicht Feuerbachs von dem

Hauptgehülfen in der späteren Doktrin nicht allgemein

ange­

nommen, so hat man doch den Begriff und die Eintheilung der Urheberschaft nach Feuerbach nur zu sehr, mit wenigen Aus­

nahmen fast allgemein, beibehalten 1 2).3 4 5In die Begriffe selbst ist dadurch nicht minder allgemeine Verwirrung hineingebracht; nament­

lich kann man nicht einig werden über die eigentliche Unterscheidung zwischen Urheber und Gehülfen. Bald sagt man: der Urheber beabsichtige das Verbrechen selbst, und seine Thätigkeit sei auf Hervorbringuug des Verbrechens selbst und unmittelbar gerichtet;

der Gehülfe hingegen wolle nur das von einem Anderen beab­ sichtigte Verbrechen durch seine Mitwirkung befördern')," dabei

wird dann der Begriff deö Urhebers selbst wieder verschieden an­

gegeben.

Bald soll er sein „derjenige, durch dessen Handlung die

Veränderung bewirkt wird, welche die Ucbertretung des Straf­

gesetzes enthält')."

Bald „derjenige, dem ein verübtes Verbrechen,

seinen wesentlichen Bestandtheilen nach, in der Art zur Schuld

zugerechnet werden kann und muß, daß er dadurch, abgesehen etwa von besonderen subjektiven Milderungsgründen, die volle, von den Gesetzen,

hat')."

dem verübten Verbrechen angedrohete Strafe verwirkt Bald soll Thäter (Urheber) derjenige sein, in dessen Be­

nehmen der hinreichende oder der vorzüglichste Grund zur Hervor­

bringung des Verbrechens lag, Gehülfe aber, in dessen Benehmen

nicht ein solcher Grund der Eristenz des Verbrechens enthalten,

dessen Benehmen vielmehr nur auf die Mittel zu der Hervorbringung des Verbrechens gerichtet war.

Als wenn nicht auch

1) Feuerbach, Lehrbuch, §.44. 2) Vergl. Stübel, über den Thatbestand der Verbrechen, §.25. Henke, Handbuch, §. 42. Bauer, Lehrbuch, §§. 68 flg. Marezoll, Crim. R., §.33. Abegg, Lehrbuch, §.73. Luden, Handbuch, §§.57,58.— Mittermaier schlug schon früh im Neuen Archiv Bd. 3, S. 125 vor, den s. g. physischen Urheber als „Thäter," den s. g. intellectuellen Urheber aber als „Ur­ heber" schlechthin zu bezeichnen. Heffter, Lehrbuch, §.83, unterscheidet strenge den „eigentlichen Thäter", die „Hauptgehülfen" und die „Anstifter." Vergl. auch noch Luden, Handbuch, §. 54.

3) Dauer, Lehrbuch, §.68. Cr. R., S. 92, 95.

Ab egg, Lehrbuch, §§.73,75. Marezoll,

4) Abcgg, a. a. O., §. 73.

5) Marezoll, a. a. O., S. 92.

331 in

der Herbeischaffung

solcher

Mittel

gerade der

hinreichende

Grund zur Hervorbringung deS Verbrechens habe liegen können. In anderer Weise wird der Unterschied zwischen dem Urheber und

Gehülfen dahin bezeichnet, daß der Urheber bei seiner Handlung

sich selbst Zweck gewesen sei, der Gehülfe aber sich als bloßes Mittel für einen ftemden Zweck sehe').

Dagegen wird anderer^

seitö unter der Bemerkung, daß der Zweck, ob der Handelnde etwas für sich selbst oder einen Anderen bezweckte, ob er-durch das Verbrechen einem Anderen einen Gefallen thue,

oder seine

Rache stillen wolle u. s. w., im Strafrechte, und auch für den Begriff der Urheberschaft sehr gleichgültig sei, der Unterschied darin

gefunden, daß der Urheber die That alö seine eigene müsse hervorbringen wollen, wogegen der Gehülfe nur die Ausführung

einer fremden Absicht befördern wollet.

Gegen diese ganze

Auffassung wird von anderer Seite wieder erinnert, sie sei schon

aus dem Gmnde unrichtig, weil eine solche Begriffsbestimmung

aus subjectiven Rücksichten auf die Strafbestimmung für den Urheber und Gehülfen keinen Einfluß habe, und der ganze Unter­ schied zwischen beiden nur in der objectiven Beschaffenheit der

Handlung gefunden werden könne, ob diese nemlich mit der Hervor-

bringung des Verbrechens nicht.

im Causalzusammenhange stehe oder

Urheber deS Verbrechens wird danach genannt, wer die­

jenige verbrecherische Handlung vornimmt, die mit der gewollten

verbotenen Einwirkung auf die Außenwelt im Causalzusammenhang steht.

Als Gehülfe aber wird derjenige bezeichnet, dessen

verbrecherische Handlung eine solche ist, durch welche der Handelnde die Urheberschaft eines Anderen in Bewegung sehen, unterstützen

oder fördern will').

Heffter*) unterscheidet: den „eigentlichen

Thäter," „welcher durch sein absichtliches Handeln dem Verbrechen

die

Vollendung

gegeben

hat;"

die „Mitthäter

oder

Haupt­

gehülfen," „aus deren vereintem und auf gleichen Zweck gerichtetem Handeln die Vollendung des Verbrechens unmittelbar hervorgegangen ist," den „Anstifter, „welcher in dem oder den mehreren

Hauptthätem durch absichtliche Einwirkung den bestimmten Ent-

1) Köstlin, Revision, S. 449 flg. 2) Berner, Theilnahme am Verbrechen, S. 171, 206. 3) Luden, Handbuch, e« Vater desselben zu ermorden, hat bei einem Vater­ morde geholfen und dieser ist ihm zuzurechnen; alle Bedingungen dieser Zurechnung sind für ihn vorhanden. Dasselbe gilt für den Anstifter. Daraus folgt denn auch von selbst, daß bei dem Vor­ handensein mehrerer Mitthäter für Alle derjenige Thatbestand gilt, der nach den persönlichen Verhältnissen auch nur deS Einen von ihnen der schwerste ist. Denn Alle haben düsen Thatbestand ge­ wollt und durch gemeinschaftliche Ausführung hervorgebracht. Wenn A und B gemeinschaftlich mit C den Vater deS letzteren erschlagen, so hat nicht nur C einen Datermord auSgeführt, sondem auch A und B haben ihn mit auSgeführt und auSführen wollen. Umgekehrt kann man aber nicht sagen, daß, wenn A den Vater deS B erschlägt, und B dabei nur hilft, durch Wache stehen u. s. w., A einen Vatermord begangen habe: seine That enthielt nur den Mord eines Fremden; B konnte also auch nur an einem einfachen Morde helfen, und sein persönliches Verhältniß zu dem Ermordeten kann nur alö Strafzumessungsgrund in Betracht kommen. Ganz dasselbe gilt, wenn A den D anstiftete, seinen, deS ersteren, Vater zu ermorden. Diese Grundsätze gelten nicht blos für den Fall, wenn die persönlichen Verhältnisse deS Thäters ein schwerereoder leichteres Verbrechen bedingen, sondem auch dann, wmn die That des Thäters nach seinen persönlichen Verhältnissen gar kein Verbrechen ist. Wer dem Vater hilft, die Sachen seine-

358 Sohnes zu entwenden, hat sich keiner Beihülfe zum Diebstahl schuldig gemacht. Der Vater kann gegen den Sohn keinen Dieb­ stahl begehen. Der Gehülfe hat also gar keine Handlung unter­ stützt, die ein Diebstahl war, er hat auch keinen Diebstahl unter­ stützen wollen; er hat nur eine nicht strafbare Handlung unterstützt und unterstützen wollen. Dasselbe gilt für den Anstifter deS Vaters in solchem Falle. Es bleibk aber nur derselbe Grundsatz geltend, wenn bet mehreren Mitthätern in einem solchen Falle daS für den Einen von ihnen vorhandene Verbrechen Allen zugerechnet wird. Der Fremde, der gemeinschaftlich mit dem Vater den Sohn deS letzteren bestiehlt, hat eben sowohl einen Diebstahl begangen, alS wenn er allein gestohlen hätte. An seiner verbrecherischen Handlung hat nun aber auch der Vater Theil genommen; also auch der Vater muß hier als Dieb bestraft werden'). DaS Re­ sultat ist, einmal, daß unter allen Umständen nur die verbrecherische That deS Thäters maßgebend sein kann für die Strafbarkeit der sämmtlichen Theilnehmer, und daher zum andern, daß auch nur sämmtliche Theilnehmer entweder straflos oder aber nach demselben Princip strafbar sein, entweder gar kein Verbrechen oder nur daS nemliche Verbrechen begangen haben könnens. Jene Unterschei­ dung BernerS zwischen dem Gehülfen und den anderen Theilnehmern ist nach dem Wesen der Theilnahme nicht zutreffend. Der Vater, der einem Fremden bei einem Diebstahl gegen seinen Sohn hilft, wäre danach Gehülfe bei einem Diebstahle und strafbar. Wenn er aber mit dem Fremden gemeinschaftlich den auch vorher verabredeten Diebstahl auögeführt, also mehr alS in dem ersten Falle gethan hätte, so wäre er straflos, er hätte gar keine ver­ brecherische Handlung begangen. DaS Mehr an bösem Willen wie an böser That hätte ihn straflos gemacht. Die aufgeführten Grundsätze müssen ihre volle Anwendung auch bei den Verbrechen der Beamten und anderer besonderer Stände finden. In der ge­ meinrechtlichen Doctrin wird allerdings hierüber besonders ge­ stritten. Die gewöhnliche Meinung will den Nichtbeamten, der

1) Gerade diese Fälle hat freilich daS Str. G. B. §. 228 positiv ander­ entschieden, aber nur singulär; s. unten. 2) Indem eS hier überall nur auf solche persönliche Verhältnisse deS Thäters ankommt, die den Thatbestand der von ihm begangenen Handlung bestimmen, bedarf eS kaum der Bemerkung, daß andere, auf ferne Strafbarkeit influirende Momente außer Betracht bleiben; dahin gehört namentlich der Rückfall.

359 dem Beamten bei dem Amtsverbrechen half, für straflos erklären, aus dem einfachen Grunde, weil alle Dienst- oder Amtsverbrechen zu ihrem Thatbestände eben eine in dem besondern Dienste oder Amte stehende Person als Subject erfordern'). Darin liegt aber für diejenigen Rechtslehrer, die von einer Unterscheidung zwischen der generellen und speciellen Theilnahme nichts wissen wollen, die auffallendste Inkonsequenz; denn gerade der Fall einer generellm Theilnahme wird dadurch von ihnen statuirt. In der That ist nicht zu ersehen, warum derjenige, der doloS zur Hervorbringung eines AmtSverbrechenS mitgewirkt hat, für sein doloseS Handeln gerade hier nicht bestraft weiden sollte'). — ES fragt sich noch, ob diese, auS der Natur der Theilnahme entwickelten Grundsätze, auch dem Ctrafgesetzbuche gegenüber') Gültigkeit behalten. Daß auf eine Unterscheidung zwischen den s. g. generellen und speciellen Gehülfen grundsätzlich kein Geivicht gelegt wird, findet sich in einzelnen Fällen klar ausgesprochen'). Der Gehülfe wird, so­ gar bei AmtSverbrechen, der Regel nach, mit der den Thäter treffenden Strafe bedrohet; und nur ausnahmsweise wird eine besondere andere Strafe gegen ihn festgesetzt. Dasselbe ist auch als allgemeiner Grundsatz für die Theilnehmer an dem Ver­ brechen eben in der Lehre von der Theilnahme ausgesprochen'), indem auf den Theilnehmer dasselbe Strafgesetz angewendet werden soll, welches auf den Thäter Anwendung findet, d. h. (s. oben 8. 66) indem den Theilnehmer dieselbe Strafe treffen soll, die das Sttafgesetz dem Thäter androhet. E- ist hier also, nach der gewöhnlichen Ansicht auch der Gemeinrechtlichen Docttin, der für den Thäter vorhandene Thatbestand zur Grundlage für die Strafbarkeit auch der Theilnehmer genommen, und zwar gleich­ viel, ob diese s. g. gmerelle oder specielle Theilnehmer sind. Darüber kann ein Streit nicht wohl entstehen. Allein da- Straf-

1) Vergl. Zachariä, im N. Archiv für 1851, S. 530 flg. 2) Bergl. Str. G. B. j. 331. Brrncr, Theilnahme, S. 207 kommt Bei dem Gehülfen zu demselben Resultate, weil dieser ja die fremde Handlung unterstühen wolle, und zwar al« da«, wa« sie für den Urheber sei, also al« ein Amt«verbrechen. 3) Ihrer Gültigkeit im Gemeinen Rechte kann, zumal nach der durchau« allgemeinen Borschrift de« Art. 177 ter P. G. O. nicht« entgegenstehen.

4) Str. G. B. 88-228, 260, 331.

5) Str. G. B. §. 35.

Vcrgl. SS- Hl, H2.

360

gesetzbuch begreift unter den Theilnehmem nur den Anstifter und Gehülfen, nicht auch den oder die mehreren Mitthäter. In Beziehung auf diese ist also über die Frage nicht- entschieden, und eS entsteht nun der Zweifel, ob sie nach dem oben auö dem Wesen der Theilnahme gefundenen richtigen Grundsätze, oder nach der Vorschrift de- $. 35 behandelt werden sollen. Man wird sich für da- erste um so mehr entscheiden müssen, al- der Wille deGesetze- unstreitig dahin feststeht, daß eben alle Personen, die an demselben Verbrechen sich betheiligt haben, auch nach einem und demselben Gesetze bestraft werden sollen. Da- Gesetz will eben bei einer Theilnahme überhaupt keine verschiedenen Thatbestände annehmen; darum eben hat eS auch die Unterscheidung -wischen generellen und speciellen Theilnehmern verworfen. Man hätte daher, wenn man an den Fall der mehreren Miturheber hier ge­ dacht hätte, ihn nur in diesem Sinne entscheiden können. Eine specielle Ausnahme de- allgemeinen Grundsätze- ist nur in Be­ ziehung auf die Theilnahme an dem Familiendiebstahle gemacht'). 8. Wie von der Theilnahme überhaupt, so kann auch von der Beihülfe nur bei einem vollendeten Verbrechen, oder bei einem (strafbaren) Versuche gesprochen werden ’). Wo nicht einmal ein strafbarer Versuch eine- Verbrechen- vorhanden ist, da ist weder eine verbrecherische Handlung da, zu deren Hervorbringung hätte mitgewirkt, noch ein Thäter, der in der Hervorbringung einer solchen Handlung hätte unterstützt werden können. 9. Bestritten ist andererseits die Frage, ob es auch einen Versuch der Beihülfe geben könne. Für ihre Verneinung wird angeführt: weil die Handlung de- Gehülfen gar nicht unmittelbar die Hervorbringung de- gesetzwidrigen Erfolge-, dcS Verbrechen-, bezwecke, der Ge­ hülfe also da- Verbrechen gar nicht vollenden könne, so lasse sich auch ein Versuch bei der Handlung de- Gehülfen gar nicht denken'). Anders wird behauptet, daß jede Handlung, welche überhaupt al- Beihülfe gestraft werden solle, schon vollständig den Begriff der Beihülfe erschöpfe, möge alle-, waS der Gehülfe

1) Str. G. B. §. 228. 2) Str. G. D. $. 35 („Theilnahme an einem Verbrechen, oder an einem strafbaren Versuche"). 0) Feuerbach, Revision, Bd. 2, S. 247 flg.

361 beabsichtigte, geschehen sein, oder nicht'). Andererseits wird die Frage bejahet, zunächst nach den Quellens; sodann: weil bei der Beihülfe der Unterschied zwischen Versuch und Vollendung nur subjectiv, d. h. nach der Absicht deS Gehülfen bestimmt werden müsse'). Bei genauer Bettachtung deS Wesens der strafbaren Beihülfe einerseits und deS strafbaren Versuchs andererseits, kann eS nicht zweifelhaft fein, daß eS eben so wenig einen (strafbaren) Versuch der Beihülfe als der Anstiftung (s. d. v. $.) geben kann. Die Beihülfe besteht darin, daß der Gehülfe den Thäter unter­ stützt haben muß; die Thätigkeit deS Gehülfen muß also, wenn die Beihülfe vollendet sein soll, den Erfolg gehabt haben, daß die verbrecherische Handlung deS Thäters wirklich dadurch unter­ stützt worden ist. Der Versuch einer Beihülfe kann also logisch nur darin bestehen, daß die Thätigkeit deS Gehülfen einen solchen Erfolg gar nicht gehabt, also die Handlung deS Thäters eben gar nicht unterstützt hat. Hat sie das nicht, so ist das Verbrechen ohne die Mitwirkung deS Gehülfen zu Stande gekommen, dasselbe ist also kein Verbrechen, daö durch seine Theilnahme entstanden ist; eS kann ihm also auch nicht, als einem Theilnehmer zugerechnet werden; seine Thätigkeit enthielt also auch keine Theilnahme an dem Verbrechen. Dennoch konnte sie eben nur unter dem Ge­ sichtspunkte als eine Theilnahmehandlung bei einem Verbrechen, überhaupt strafbar erscheinen. Außerhalb dieses Gesichtspunktes, für sich allein betrachtet, kann jede Handlung eines Gehülfen, da sie eben keinen Theil der das Verbrechen herstellenden Haupthand­ lung enthält, nur eine gleichgültige Handlung sein, die keinem Strafgefttze verfällt. Ein Zweifel könnte hier nur bei der dem Thäter vor der That versprochenen Beihülfe entstehen (f. unten Nr. 11). 10. Man unterscheidet zwischen Haupt- und Nebengehülfen. Ueber die Begriffe ist man nicht einig (s. oben g. 68). 3n sofern man unter Hauptgehülfen denjenigen versteht, der an der daS Verbrechen herstellenden Handlung (des Thäters) un-

1) Zachariä, Versuch, Bd. 1, §. 39.

Derselbe im N. Archiv für 1851,

S. 2Ä. 2) Heffter, Lehrbuch, $.85, der sich auf Grund der I. 53, $. 2 D. de

verb, eign, stützen zu wollen scheint, waS dann allerdings weder nach den Worten dieser Stelle, noch nach der besonderen Stellung des Röm. R. zu der heutigen Lehre vom Versuch als zulässig erachtet werden kann. Nur den Versuch einer intellektuellen Beihülfe will Heffter fich nicht denken können. 3) Köstlin, Revision, S. 507. Vergl. auch Berner, Theilnahme, S. 221.

362 mittelbar Theil genommen hat'), gehört die Unterscheidung gar

nicht hierher, indem ein solcher „Hauptgehülfe" eben ein Mit­

thäter ist. Der Unterschied wird aber auch in anderer Weise auf­

gestellt, nemlich zuerst dahin, daß Hauptgehülfe derjenige sein soll, der solche Hindernisse hinweggeräumt hat, ohne deren Hinweg­

räumung die Ausführung deS Verbrechens überhaupt oder unter

den besonderen Umständen unmöglich gewesen wäre. Nebengehülfe (eigentlicher Gehülfe) soll danach sein, dessen Handlungen blos

durch Beförderung der Wirksamkeit deS

Urhebers zur Ent­

stehung deS Verbrechens mit beigetragen habens.

Der Sinn

dieser Unterscheidung ist der, daß Hauptgehülfe der sei, der die

Ausführung deS Verbrechens erst möglich machte, daß der NebrngeSo wird der Unterschied auch ge­

hülfe sie aber nur erleichterte.

wöhnlich in der Doctrin angegeben').

Er hat in solcher Weise

allerdings einen richtigen Sinn, ist aber in Beziehung auf das

Wesen der Beihülfe an sich völlig gleichgültig, und kann nur bei

der Strafzumessung eine Berücksichtigung verdienen.

Gleichwohl

muß er für das Preuß. Strafgesetzbuch als ein durchaus erheb­ licher erachtet werden.

Dieses unterscheidet nemlich in Beziehung

auf die Anwendung der TodeS- und lebenslänglichen Zuchthaus­ strafe gegen den Gehülfen, dahin, ob die Theilnahme (Beihülfe)

eine wesentliche oder unwesentliche gewesen ftl41).2 3 Eine Andeu­ tung darüber, waS unter dem einen oder dem anderen zu ver­

stehen sei, findet sich nirgends5). scheidung

zwischen

Haupt-

ES kann aber nur die Unter­

und

angegebenen Sinne gemeint sein.

Nebengehülfe

in

dem

eben

Eine andere Bedeutung der

Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit einer Hülfe läßt sich richtig gar nicht denken, zumal da diese Ausdrücke selbst in ihrer Ent­ gegensetzung gar keinen richtigen Sinn geben.

Die Theilnahme

überhaupt kann, je nach dem Standpunkte, von dem man sie

auffaßt, nur eine wesentliche, oder sie kann nur eine unwesent-

1) Heffter, Lehrbuch, §. 83. 2) Feuerbach, Lehrbuch, §§.44, 45.

3) Bauer, Lehrbuch, §. 71. Salchow, Lehrbuch, §. 52. Schroter, Handbuch, §§. 135, 171. Bauer, und auch Berner, Theilnahme, S. 235 polemissren mit Unrecht gegen Feuerbach. AuS dessen Definitionen folgt seine-wegeS, daß er nur die überflüssige Beihülfe al« Beihülfe wolle gellen lassen. 4) Str. G. B. §. 35.

5) S. unten Anm. I.

363 liche sein. Eine Eintheilung der Theilnahme in eine bald wesentliche, und bald unwesentliche ist ein logisches Unding. Zum Glück hat nun, eben weil das Gesetz, keine Andeutung darüber enthält, der Richter mit völlig freiem Urtheil darüber zu bestimmen, wann eine wesentliche, oder unwesentliche Theilnahme in dem einzelnen Falle anzunehmen sei, und der verständige, daS Rechtsbewußtsein im Volke achtende Richter wird, wenn er auch allerdings auf jene Begriffe der Haupt- und Nebenbeihülfe zurück­ geht, zugleich nicht aus den Augen lassen, daß nach dem Deutschen Rechtöbewußtsein jede Beihülfe nur eine geringere Strafe verdient, alS die Thäterschaft. 11. Die Beihülfe wird eingetheilt in die vor der Verübung deS Verbrechens versprochene, und die erst während der Verübung des Verbrechens zufällig hinzugetretene (conc. pactil. et accidentalis). Die Unterscheidung hat (abgesehen von der Sttaszumessung) nur für Einen Fall Werth, nemlich für den, wenn der Versprechende sein Versprechen nicht hält. Ist er, wenn er blos sein Versprechen nicht hält, bloS die ver­ sprochene Hülse nicht leistet, straflos, oder muß er, um dies zu werden, noch etwa- Anderes thun? Man fordert daS letztere, weil er durch sein Versprechen die Erwartung seiner Hülfe in dem Thäter erregt, und so eine intellektuelle Einwirkung auf den Fortgang der Thätigkeit desselben auSgeübt habe. Er müsse also, um straflos zu werden, die in dem Thäter erregte Erwartung positiv wieder tilgen'). Dies kann indeß kaum als halb richtig an­ erkannt werden. Allerdings kann das Versprechen der Beihülfe eine solche intellektuelle Einwirkung enthalten, also schon alS eine wirkliche intellektuelle Beihülfe sich geltend machen. Aber diese intellektuelle Beihülfe liegt nicht nothwendig und von selbst in dem Begriffe der blos versprochenen Hülfe. ES ist vielmehr in jedem einzelnen Falle eine quaestio facti, ob daS Versprechen der Hülfe auf den Fortgang der verbrecherischen Thätigkeit deS Thäters eine fördemde Einwirkung auSgeübt habe, oder nicht. Jene Ansicht präfumirt dies, und stellt dadurch wiederum eine eben so willkürliche, als gefährliche Präsumtion auf. Aber selbst auch dann, wenn in dem konkreten Falle feststehen sollte, daß daS Versprechen eine solche Erwartung enegt habe, kann nicht unbe-

1) Berner, Theilnahme, S. 238, 239.

364 dingt gefordert werden, daß der Versprechende die erregte Erwartung durch eine positive Handlung wieder tilge. Der Thäter kann seine Erwartung auch von selbst wieder aufgegeben haben. Und dies muß man sogar nothwendig überall dann annehmen, wenn daS Versprechen nur eine Vorbereitungshandlung zum Gegenstände gehabt hatte'). AuS dem Wesen der versprochenen, aber nicht geleisteten Beihülfe ergiebt sich hiernach, daß auch sie nicht unter dem Gesichtspunkte eines strafbaren Versuchs zur Beihülfe auf­ gefaßt werden fann1 2). Sie kann nemlich eben nur als intel­ lektuelle Beihülfe erscheinen, und alö solche kann sie nur eine vollendete sein, oder sie ist gar nicht dagewescn. 12. In sofem auch bei dem Gehülfen daS allgemeine Kriterium der Theilnahme, als eine- gewollten Zusammenwirkens der Mehreren zur Hervor­ bringung eines gemeinschaftlichen Verbrechens, sich wiederfindet, versteht eS sich von selbst, daß der Gehülfe nur für das, was auch er mitgewollt hat, verantwortlich fein kann. Hat der Thäter etwas Anderes oder ein MehrereS gethan, so kann dem Gehülfen, der dazu nicht helfen wollte, daS zur Schuld nicht zugerrchnet werden. 13. Die Grundsätze deS Strafgesetzbuchs über die Be­ strafung der Beihülfe sind bereits oben ($. 66) vorgetragen.

Anmerkung I. Bereits oben (Sinnt. I zu $. 68) ist bemerkt worden, wie die Entwürfe bis ausschließlich 1843 unter dem „Urheber" deS Verbrechens den „Hauptgehülfen" aufführten, nemlich „jeden, der zur Ausführung deS Verbrechens und um diese zu befördern, eine solche Hülfe geleistet hat, ohne welche unter den vorhandenen Umständen daö Verbrechen nicht hätte begangen werden können." Daneben waren besondere Begriffe und Strafgrundsätze für Complott und Bande aufgestellt. AlS eigentlicher „Gehülfe" blieb danach: „wer außer dem Falle eineComplottS die von einem Anderen beabsichtigte Verübung eines Verbrechens wissentlich durch Rath oder That befördert" ($. 70 im Entwurf von 1843). Ausdrücklich wurde die Verwahrung bei­ gefügt, daß dieser Gehülfe nicht „Hauptgehülfe" sein dürfe. Der Entwurf von 1845 hob der Unterscheidung zwischen Hauptgehülfen und anderen Gehülfen auf und brachte dafür den Unterschied

1) In wiefern eine vorher versprochene Begünstigung unter den Begriff der Beihülfe falle, s. unten §. 73. 2) S. oben Nr. 9.

365

zwischen wesentlicher und nicht wesentlicher Hülfe. Jene sollte gleich der Thäterschaft und Anstiftung bestraft werden (s. oben 8. 68, Anm. I). Wenn aber „die zu einem Berbrechen wissentlich geleistete Hülfe nicht wesentlich zur Begehung deS Verbrechens beigetragen hat" (8. 47), dann sollte eine gelinder« Strafe ein­ treten. Man hatte dabei angenommen, daß die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebengehülsen, so daß ohne die Hülfe deS ersteren daö Verbrechen unter den besonderen Umständen nicht hätte be­ gangen werden können, zwar zu endlosen Jnconsequenzen und Even­ tualitäten führen müsse. „Allein eine materielle Wahrheit liege in der That in diesem Unterschiede; der Fehler sei nur, ihn durch rin« Abstraktion zum Gesetze zu erheben. Dieser Fehler werde vermieden, wenn man ihn „in seiner allgemeinsten Bedeutung hervorhebe," wo er ein freies richterliches Ermessen nach sich ziehe. Dies geschehe durch die Ausstellung einer wesentlichen und nicht wesentlichen HülfSleistung, von der dabei zugegeben wurde, daß sie „materiell zur Aner­ kennung deS Unterschiedes zwischen Haupt- und Nebengehülsen zurücksühre')." Der Entwurf von 1847 ließ aber auch diese'Unterscheidung fallen und verordnete grundsätzlich für jede wissentliche Hülfe durch Rath oder That die Anwendung der vollen Strafe deS Verbrechens, fügte indeß hinzu: „ES soll jedoch der Richter bei Abfassung deS Erkenntnisses ermächtigt fein, eine der Art und dem Maße nach gelindere Strafe auszusprechen, wenn er in der besonderen Beschaffenheit der geleisteten Hülfe Gründe zu einem solchen gelinderen Urtheil findet. Bei Verbrechen, die mit Todes­ strafe oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedrohet sind, darf die Strafe der Hülfeleistung niemals auf eine geringere als drei­ jährige Zuchthausstrafe oder auf Strafarbeit von dieser Dauer bestimmt werden" (8. 44.) Die Motive bemerkten dazu: „Da­ gegen ist nicht nur von jeder formellen Unterscheidung zwischen dem Hauptgehülsen llnd dem einfachen Gehülfen, zur Vermeidung gefährlicher Abstraktionen im Gesetze, Abstand genommen worden, sondern eS ist auch bei der Unmöglichkeit, bestimmte und von Schwankungen freie Distinktionen zwischen der wesentlichen und her nicht wesentlichen HülfSleistung und dergleichen mehr — ein für allemal im Gesetze aufzustellen — lediglich dem richterlichen

366

Ermessen überlassen, die Fälle zu unterscheiden, in welchen durch die Geringfügigkeit der geleisteten Hülfen eine geringere als die gesetzliche Strafe gerechtfertigt erscheint')." Der Entwurf von 1851 stellte den Gehülfen in allen Fällen dem Thäter gleich (s. oben 8. 66, Anm. I). Die Commission der zweiten Kammer fand zwar zu den Motiven der Regierung „keine Bemerkungen zu machen" (s. gleichfalls oben a. a. O.), sich aber bei dem 8.35 (des Str. G. B.) zu folgender Bemerkung veranlaßt: „Mit dem Grundsätze, daß die Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem Versuche nach derselben Strafbestimmung wie der Thäter selbst zu bestrafen seien, ist die Commission einverstanden; sie schlägt aber zunächst eine andere Fassung vor, um deutlich zu machen, daß das Strafmaß innerhalb der dabei festgesetzten Grenzen für die Theilnehmer ein geringeres sein könne, als für den Thäter. Sodann glaubt sie, daß der Theilnehmer, sofern er nicht Anstifter ist, niemals zur Todesstrafe oder zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt werden dürfe. Endlich schlägt sie noch vor, für den Fall, daß dem Theilnehmer mildernde Umstände zu Statten kommen, eben so wie bei dem Versuche überhaupt, eine der Art oder dem Maß nach mildere Strafe, alö die dem Thäter angedrohete, zuzulassen')." Die Commission redigirte nun den 8- 32 deS Entwurfes, welcher lautete: „Der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem strafbaren Versuche eines Verbrechens oder Vergehens wird mit derselben gesetzlichen Strafe wie der Thäter bestraft" — in folgender Weise, wie ihn auch daö Strafgesetzbuch (§. 35) enthält: „Auf den Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen oder an einem strafbaren Versuche eines Verbrechens oder Vergehens ist dasselbe Strafgesetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Wird festgestellt, daß tm Falle des 8.31, Nr. 2 (§. 34, Nr. 2) die Theilnahme keine wesentliche war, so tritt statt der Todesstrafe oder lebenslänglichen Zuchthausstrafe, zeitige Zuchthausstrafe, und wenn außerdem festge­ stellt wird, daß mildernde Umstände vorhanden sind, Gefängniß von zwei bis zu zehn Jahren ein." ES leuchtet ein, daß die Commission der zweiten Kammer hierdurch wesentlich etwas Anderes bestimmt hat,

1) Motive von 1847, S. 22. 2) Bericht der (5omm. der zweiten Kammer, S. 37.

367 als sie bestimmen wollte. Einmal wollte sie feststellen, daß die Strafe innerhalb des festgestellten Strafmaßes für die Theilnehmer überhaupt eine geringere fein könne, als für den Thäter. Der Para­ graph enthält kein Wort davon. Dem verständigen Richter brauchte das übrigens gar nicht gesagt zu werden. Zum anderen wollte sie feststellen, daß der Theilnehmer, sofern er nicht Anstifter fei, niemals zum Tode oder zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe vemrtheilt werden könne. Auch da- ist so nicht festgestellt worden; nur in Beziehung auf bie unwesentliche Beihülfe enthält daS Gesetz eine solche Vorschrift. Endlich wollte sie feststellen, daß bei der Theilnahme überhaupt, wenn mildernde Umstände vorhanden seien, eine der Art und dem Maße nach mildere Strafe, als die dem Thäter angedrohete, zugelaffen werden soll. Auch daS ist nur in Beziehung auf die unwesentliche Beihülfe und sogar nur für die Fälle festgestellt, in denen dem Thäter Todesstrafe ober lebens­ längliche Zuchthausstrafe angedrohet ist. Von Allem, was man wollte, also entweder nichts, oder kaum die Hälfte. Worin diese Verschiedenheit zwischen Wollen und That ihren Grund haben muß, ist mit Zuverlässigkeit nicht bekannt geworden. ES wird behauptet'), eS liege lediglich in dem Berichte der Commission ein Irrthum deS Berichterstatters vor. Die Commission der ersten Kammer hatte bei dem Zusätze der Commission der zweiten Kammer zwar zweierlei zu erinnern. Zuerst, daß aus der Fassung, nach welcher der Theilnehmer mit derselben Strafe wie der Thäter zu bestrafen sei, die Folgerung gezogen werden könne, daß bei einem culposen Verbrechen den vorsätzlichen Theilnehmer nur höchstens eine Strafe der Fahrlässigkeit treffen könne, und zweitens, daß eine nähere Definition der wesentlichen Theilnahme gegeben werden müsse. Beide Erinnerungen wurden jedoch (glücklicher­ weise) aufgegeben1 2). Wie übrigen- nach dieser Geschichte deS 8.35 die Behauptung aufgestellt werden kann, man sei berechtigt, in der Auslegung deS §. 35, namentlich bezüglich deS Begriffs der wesentlichen und unwesentlichen Beihülfe, die Motive von 1845 zu Hülfe zu nehmen, also unter wesentlicher Hülfe die zu ver­ stehen, ohne welche unter den vorhandenen Umständen daS Der-

1) Beseler, Commentar zum Str. G. B. S. 163. 2) Bericht der Cornm. der ersten Kammer, S. 7. Bergt. Glosseu zum Str. G. B. S. 107.

368 brechen nicht hätte bezogen werben können') — das bleibt völlig unerfindlich. — In Beziehung auf Einzelne- kam 1) die Frage deS Versuch- der Beihülfe namentlich in-der Revision von 1845 zur Sprache. ES wurde bemerkt-): „Der Entwurf, nach welchem der Versuch überhaupt sich blos auf die Ausführung deS Ver­ brechens bezieht, dürfte keinen Zweifel darüber lassen, daß ein so­ genannter Versuch der Beihülfe straflos bleiben muß." 2) In Betreff der Unterscheidung zwischen dem generellen und speziellen Gehülfen wurde, gleichfalls bei der Revision von 1845, ausge­ sprochen, daß „da- Gesetz dieses allerdings nickt zweifellosen Punktes nicht zu erwähnen brauche. ES gebe zweierlei Fälle, die hierher gehören. In den Fällen der einen Art liege eine Handlung vor, die schon an sich immer ein Verbrechen enthalte, aber durch das Dasein einer gewissen Relation einen höheren Grad von Strafbarkeit annehme, z. B. Todtschlag, an Eltern ver­ übt. Bedenken erregen könnten hier nur die wenigen Fälle, in denen die Strafe absolut bestimmt sei; denn sei die Strafe nur relativ bestimmt, so erfolge die Zumessung bei jedem Thellnehmer nach der individuellen Verschuldung desselben. Und zwar werde dies zur Anwendung kommen, sowohl wenn eine Erhöhung, als wenn eine Minderung der Strafbarkeit durch das Vorhandensein jenes eigenthümlichen Verhältnisses begründet sei. Dagegen gebe eS eine zweite Art von Fällen, in denen eine an sich nicht mit Strafe bedrohete Handlung nur durch das Dasein einer gewissen Relation strafbar werde, z. B. Beischlaf unter Geschwistern voll­ zogen. In allen Fällen dieser zweiten Art, so wie in den alS bedenklich angedeuteten Fällen der ersten Art werde nun die Folge deS Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung un­ mittelbar die sein, daß der Richter dasselbe Strafgesetz zur AnWendung bringe gegen den Urheber und gegen den soc. gen., wenn gleich dieser die besonderen Beziehungen nicht mit dem Ur-

1) Goltdammer, Mater., Bd. I, S. 325. Derselbe will übrigendie Sache in folgender Weise praktisch auffaffen: „Wer die Leirer bringt, auf welcher der Dieb einsteigt, leistet eine Hülfe, ohne welche unter den vorhandenen Umständen da- Verbrechen nicht hätte begangen werden können, wenn auch der Dieb sich sonst eine andere Leiter vielleicht auS der Nähe hätte schaffen können; — wer die Leiter nur (!) hält, wird in der Regel keine wesentliche Hülfe leisten" (S. 326 a. a. O.). 2) Revision von 1845, S. 157.

369

Heber theile, wodurch die erhöhete Strafbarkeit, oder die Straf­ barkeit Überhaupt bedingt sei. Eine solche Identification aber sei prinzipienmäßig durchaus zu billigen, obgleich auch für die entgegengesetze Meinung fich Manches anführen lasse, und zwar entweder so, daß man in unbedingtem Gegensatze zur Identification jene den Urheber angehenden Merkmale bei Beurtheilung des soc. genor. ganz außer Acht lasse, oder so, daß man einen mittleren Durchschnitt der Berücksichtigung jener Relation annehme'). Anmerkung II. Von den neueren Deutschen Strafgesetzbüchem stellen einzelne eine Definition von Gehülfen nicht auf. So verzichtet dav für Sachsen, Art. 37 auf jede nähere Bezelchnung der Beihülfe, und bemerkt nur, daß der Gehülfe „an der Ausführung selbst auf irgend eine Weise persönlich nicht dürfe Theil genommen haben." Aehnlich daS für Sachsen-Meiningen, Art. 35, für Braunschweig, $. 46. DaS Oesterr. Str. G. B. sagt, gleichfalls ziemlich allgemein (Art. 5): „wer zu ihrer (der Uebel­ that) Ausübung- durch absichtliche Herbeischaffung der Mittel, Hintansetzung der Hindernisse, oder auf was immer für eine Art Vorschub gegeben, Hülfe geleistet, oder zu ihrer sicheren Voll­ streckung beigrtragen hat." Die anderen stellen mehr oder weniger ausführlich einen bestimmten Begriff des Gehülfen auf, manche zugleich unk.r Aufstellung mehrerer Grade von Gehülfen. DaS 6tr. G. B. für Bayem, Art. 73, läßt alö Gehülfen nur gelten (nach der Feuerbachfchen Theorie): „Wer die Ausführung des von einem Andern schon beschlossenen Verbrechens wissentlich und vorsätzlich befördert, durch Worte oder Werke, durch Thun oder Unterlassen, wenn nicht der von ihm geleistete Beistand so wesent­ lich nothwendig war, daß ohne diese Mitwirkung daS Verbrechen nicht hätte vollführt werden können." ES unterscheidet sodann (Art. 74—76) drei Arten von Gehülfen. Aehnlich definkrt das Str. G. B. für Hessen-Darmstadt, Art. 83: „Wer daS Verbrechen eines Anderen vorsätzlich erleichtert oder befördert," nachdem eS im Art. 73 denjenigen, „der bei Vollbringung der Haupthandlung einen solchen unmittelbaren Beistand geleistet'hat, ohne welchen daS Verbrechen unter den vorhandenen Umständen nicht hätte voll­ bracht werden können," mit der Strafe des Urhebers bedrohet hat. Aehnlich ferner das Str. G. B. für Luzem, §$. 43, 46, so

1) Revision von 1845, S. 157, 158.

Temme, Strafrecht.

370 wie daS für St. Gallen, Art. 29—32. Die andem Str. G. Bücher heben einen solchen Hauptgehülfen nicht hervor.

Sie geben, im

Allgemeinen ziemlich übereinstimmend, den Begriff des Gehülfen dahin an: „Wer daS vorsätzliche Verbrechen eines Andern wissent­ lich erleichtert

oder

befördert."

Manche

ohne weitere Unter­

scheidungen, so daS für Baden, §. 134, für Zürich, S. 53, wo nur laber in demselben Sinne) eremplificirt wird, für Freiburg, Art. 43, für Waadt, Art. 43. Andere unterscheiden dabei hin­

sichtlich der schwereren oder leichteren Bestrafung: „Gehülfen deS

höheren oder geringeren GradeS," mit ausführlicher Sperkalisirung,

wie daS für Hannover, Art. 67, 68; ferner solche Gehülfen, welche bei Vollbringung der That selbst Beistand geleistet, oder vor der Ausführung eine solche Hülfe gewährt haben,

ohne welche daS

Verbrechen unter den vorhandenen Umständen nicht hätte voll­

bracht werden können, und welche nur eine andere Hülfe gewährt haben, wie daS für Württemberg, Art. 84, 85; oder „Haupt- und Nebengehülfen," je nachdem sie durch ihre mittelbare oder unmittel­ bare Mitwirkung zur Vollbringung deS Verbrechens wesentlich

oder nicht wesentlich beigetragen haben, wie daS für Basel, 88.7, 8.

Die ganz besondere Auffassung deS Str. G. B. für Aargau ist

bereit- oben 8. 66, Anm. III mitgetheilt worden.

Den Grundsatz,

daß der Gehülfe (mit Ausnahme deS von einigen ausdrücklich

als Miturheber

qualificirten Hauptgehülfen)

gelinder

als der

Thäter zu bestrafen sei, sprechen diese sämmtlichen Gesetze auS,

ausgenommen daS Oesterreichische, Art. 5 und daS Aargauische,

Art. 8, die den Gehülfen ohne alle Beschränkung dem Thäter

gleich stellen.

Die Vorschriften darüber,

in welcher Weise die

verschiedene Strafbarkeit der Gehülfen bestimmt und bemessen werden

soll, sind fast in jedem Gesetzbuche anders aufgestellt. — Daß eine versprochene, aber nicht. geleistete Beihülfe als ein Versuch der Beihülfe betrachtet werden soll, schreiben ausdrücklich vor die

Str. G. B. für- Bayern, Art. 82, für Hannover, Art. 72,

für

Großh. Hessen, Art. 86, für Württemberg, Art. 88. — Die Frage der generellen und speciellen Theilnahme berühren ausdrücklich die Str. G. B. für Württemberg, Art. 87 und Baden, 8- 137 ’) da­ hin, daß (ersteres unter Ausnahme der Dienstvergehen) der für den Thäter vorhandene Thatbestand auch maßgebend für die Be-

1) Vergl. Thilo, Strafgesetzbuch für Baben zum §. 137.

371

straftmg deö Gehülfen erklärt wird. Die Sir. G. Bücher für Braunschweig, 8. 54, für Waadt, Art. 46, für Luzern, 8. 55, für Basel, 8.10, für Freiburg, Art. 46, bestimmen, daß die auS den persönlichen Verhältnissen eines Mitschuldigen sich ergebenden besonderen Eigenschaften der That, so wie in dessen Person liegenden besonderen Straf-Erhöhung--, Herabsetzung-- und Zumessungs­ gründe auf die übrigen Mitschuldigen, auch wenn diese sie gekannt haben, nicht zurückwirken sollen. Dagegen verordnet daö Oester­ reichische Strafgesetzbuch in einem Zusatze zum 8.5 vom 1.1852, daß EntschuldigungSumstände, welche die Strafbarkeit eine- Verbrechrnö für den Thäter oder für einen der Mitschuldigen oder Theilnehmer nur vermöge persönlicher Verhältnisse desselben auf­ heben, auf die übrigen Mitschuldigen und Theilnehmer nicht auSzudehnen seien').

8. 71.

Don dem Complott. Die gemeinrechtliche Doctrin hat den Begriff und dse Lehre vom Complott gebildet. Die Quellen deS Gemeinen Strafrecht­ kennen den Begriff nicht1 2).3 Dieser wird dahin angegeben, dqß das Complott (societas delinquendi, bei Staatsverbrechen be­ sonders Verschwörung, conjuratio genannt) eine Verbindung Mehrerer sei, durch welche diese sich zur gemeinschaftlichen Aus­ führung eines gemeinschaftlich beschlossenen Verbrechens verpflich­ ten2). Erfordert vftsd asso zurp Complott: 1. Mehrere Personen müssen gemeinschaftlich die Ausführung eines Verbrechens beschlie-

1) Daß die Zusätze deS I. 1852 zu dem Oestr. Str. G. B. sich eben keiner, sorgfältigen Redaction zu erfreuen gehabt haben, zeigt auch dieser Zusatz: dem

Thäter werden die Mitschuldigen und Theilnehmer entgegengesetzt, als wenn nicht auch er ein Mitschuldiger oder Theilnehmer wäre.

2) Sowohl 1. 4, §§. 3, 4 D. vi bonor. rapt. und 1. 11, §. 2 D. de poen., ass der Art. 148 P. ,G. O. behandeln nur speciell«; Fälle verabredeter und ge-

meinschasklich auSgcsührter Verbrechen. 3) Vergl. Feuerbach, Lehrbuch, §. 47. Abegg, Lehrbuch, §. 74. Jarke, Handbuch, §. 35. Henke, Handbuch, Bd. 1, 275. Heffter, Lehrbuch, §.86. Mareroll, Crim. R. S. 95. Köstlin, Revision, S. 577. Luden, Handbuch, §.81. Berner, Theilnahme, S. 393.

372 ßen.

2. Sie müssen einander Mitwirkung bei der gemeinsamen

AuSfühmng versprechen. 3. AuS diesen beiden Erfordernissen folgt

von selbst, daß die Beschlußirahme und gegenseitige Verpflichtung

zur gemeinsamen Ausführung vor dem Beginn der Ausführung stattgeftmden haben muß; so wie ferner 4., daß die Verabredung

eine ausdrückliche sein muß,

so daß ein Complott stillschweigend

nicht eingegangen werden kann.

Doch wird über dieses letztere

Erfordemiß gestritten *). DaS Wesentliche deS so bestimmten ComplotteS wird dann darin gefunden, daß jeder der Complottanten

(Verschwörer) als der Anstifter deS und der Anderen zu bewachten

sei.

In der gegenseitigen Beschließung deS Verbrechens und in

der gegenseitigen Zusage der Theilnahme

an der gemeinsamen

Ausführung soll eine Aufforderung und Ueberredung jedes Ein­

zelnen an sämmtliche Anderen zur Begehung deS Verbrechens, mit­ hin der Grund für jeden Einzelnen,

sich zur Ausführung deS

Verbrechens zu bestimmen, enthalten fein1 2).

mehrere weitere Folgerungen gezogen:

Daraus werden denn

1. Jeder Complottant, der

an der Ausführung nur irgendwie, auch nur durch die entfernteste

Hülfeleistung, Theil genommen habe, sei dennoch (als Anstifter) mit der Strafe deS Thäters zu belegen, freilich mit Vorbehalt der

Zumeffung der Strafe innerhalb deS gesetzlichen Strafmaßes, nach

Verhältniß der bewiesenen Böswilligkeit und Wirksamkeit. 2. Dasselbe

finde

schon statt,

wenn der Complottant auch nur,

ohne alle

positive Thätigkeit, bei der Ausführung anwesend gewesen und von den Anderen bemerkt sei; er errege dadurch in den Anderen die Erwartung seiner Mitthätigkeit, und diese Erwartung bestimme sie zu

weiterer

Thätigkeit,

mithin

zu

der

Ausführung

deS

Verbrechens. 3. Wer auch gar nicht bei der Ausführung anwesend sei, erscheine strafbar als Anstifter, wenn er sich mit seinen Mit­ verbündeten einverstanden erklärt, zugleich aber ausgesprochen ge­

habt, er werde auö diesem oder jenem Grunde bei der AuSfühmng nicht gegenwärtig sein.

4. Auch schon derjenige,

Beihülfe nach der That,

also eine Begünstigung,

der nur eine

versprochen

1) Eine stillschweigende Verabredung nimmt anKöstlin, Revision, S. 586. ES verneint sie Henke, Handbuch, S. 275. Eine ausdrückliche vorangegangene WillenSmittheilung, wenn auch nicht durch einen förmlichen Vertrag, fordern Heffter, Lehrbuch, §.86. Berner, Theilnahme, S. 406.

2) Feuerbach (der zuerst diese Theorie aufgestellt hat) a. a. O., so wie die meisten übrigen Note 3 (auf d. vor. S.) citirten Schriftsteller.

373 habe, erscheine als Anstifter (intellektueller Urheber) strafbar; denn das Vorausversprechen einer Begünstigung wirke zur Begehung selbst mit 5. Auch durch freiwilligen Rücktritt werde der Einzelne nicht straffrei, wenn daS Verbrechen oder ein strafbarer Versuch demselben von den Uebrigen begangen sei; denn trotz eines solchen ZurücktretenS bleibe »er als Anstifter die Ursache des verübten Verbrechens oder Versuches. Außerdem werden noch in Beziehung auf die Strafzumessung als besonders beschwerte Mitglieder des ComplottS, der Complottstifter, der Wortführer und der Anführer hervorgehoben. Ueber Einzelnes in diesen Punkten ist allerdings wieder viel Streit. Natürlich. ES leuchtet ein, daß die ganze Annahme einer gegenseitigen Anstiftung eine durchaus willkürliche ist. In dem Begriffe deS ComplottS ist sie nicht im geringsten begründet. Angestiftet kann erst dann fein, wenn der Anstiftende den Angestifteten dazu bestimmt hat, daß dieser den vorher noch nicht in ihm vorhandenen Entschluß zur Ausführung deS Ver­ brechens fasse. Ob bei den Complottanten der Entschluß, das gemeinsam besprochene und beschlossene Verbrechen zu begehen, vor dieser gemeinsamen Besprechung und Beschließung schon vor­ handen war, ist eben so sehr eine quaeslio facti, alS der Umstand, ob Einer den Anderen, oder gar Alle die sämmtlichen Anderen zur Begehung deS Verbrechens bestimmt haben. Derjenige, der zuerst den Anderen den Antrag zur gemeinschaftlichen Verübung deS Verbrechens machte — und Einer mußte doch wohl den Anfang machen — kann unzweifelhaft von den Anderen nicht angestiftet sein. Jene Ansicht geht hier von einer durchaus verwerflichen Präsumtion von Thatsachen aus, die noch erst bewiesen werden müssen. Damit fällt schon daS ganze Gebäude der auf diese Vor­ aussetzung gestützten Folgerungen. In sofern eine Anstiftung Ein­ zelner wirklich vorhanden ist, können alsdann nur die für diese geltenden Grundsätze auch hier zur Anwendung kommen. Und auch im Uebrigen liegt in dem Begriffe deS ComplottS nicht-, waS zu einer Aenderung der Grundsätze über Thäterschaft, An­ stiftung und Beihülfe irgend nöthigen könnte'). Auch die Quellen deS Gem. Recht- enthalten nicht- Andere-. Und eben so nicht da- Strafgesetzbuch, da- deS ComplottS gar nicht erwähnt. Uebrigen-

1) Dies nehmen im Ganzen auch an Abegg, Lehrbuch, $• 74, Märe­ zoll, Crim. R. S. 95.

374 muß noch bemerkt werden, daß der Begriff des Komplotts von den RechtSlehrern in sofern zu enge aufgestellt wird, als sie nur

von der Verbindung zu einem einzigen Verbrechen reden, und doch andererseits selbst anführen, daS Komplott unterscheide von der

Bande sich nur dadurch, daß letztere eine Verbindung zur Ver-

Übung mehrerer noch unbestimmter Verbrechen sei. Zum Begriff deS Komplotts gehört eS daher auch noch, wenn die Verbindung auf mehrere einzelne bestimmte Verbrechen ging').

Anmerkung I.

Den früheren Entwürfen deö Str. G. B-

war die Lehre vom Komplott nicht fremd geblieben. Bis 1843 ein­

schließlich war sie nach der gewöhnlichen gemeinrechtlichen Theorie ausgenommen. Der Entwurf von 1843 bestimmte noch (§.65):

„Komplott. Sind zwei oder mehrere Personen wegen der Ver­ übung eines Verbrechens vorher übereingekommen, so ist jeder von ihnen, welcher auf irgend eine Art vor, bei oder nach der AuS, führung mitgewirkt hat, oder bei der letzteren auch nur gegen­

wärtig gewesen ist,

als Miturheber des Verbrechens anzusehen,

auf welches die Verabredung sich bezog."

(§. 66): „Gegen den­

jenigen, welcher die Verbindung veranlaßt (Anstifter deS Kom­ plott-) und gegen denjenigen, welcher den Plan zur Ausführung

entworfen oder die letztere

geleitet hat (Rädelsführer), kann die

Strafe bis um die Hälfte geschärft werden."

(§. 67): „ Auch

wenn daS beabsichtigte Verbrechen ganz unterblieben ist, so wird

doch schon die Eingehung deS Komplotts jedem Theilnehmer (wenn er n^cht freiwillig znrückgetreten war und zugleich Anstalten zur

Verhinderung deS Verbrechens getroffen hatte) als nicht beendigter Versuch zugerechnet."

(§. 68): „Hat ein Theilnehmer deö Kom­

plotts vor, .bei oder nach der Ausführung gar nicht mitgewirkt,

und ist er auch bei der letzteren nicht gegenwärtig gewesen, so

soll derselbe (gleichfalls wenn nicht der eben erwähnte freiwillige

Zurücktritt stattgefunden hatte, oder) wenn er nicht der Anstifter und als solcher zu bestrafen ist, mit der Strafe des nicht beendig­ ten Versuchs belegt werden."

Die meisten Monenten deS Ent­

wurfs von 1843 hatten die Fortlaffung der ganzen Materie beanttagt.

Dazu konnte man sich indeß nicht entschließen.

„ DaS

Komplott ist in der That kein bloßer Gedanke, sondern ein vor­ bereitender Act, und

die gelungene Anstiftung, d. h. diejenige,

1) Vergl. Berner, Theilnahme, S. 489.

375 welche zur Annahme deS verbrecherischen Auftrags geführt hat,

ist auf Seiten deS Anstifters nicht einmal mehr ein blos vor­

bereitender Act, da er seinerseits Alles gethan hat, was er zu thun hatte, da seine Thätigkeit zu

Ende ist,

so wie er

den

Willen deS Beauftragten bestimmt hat" — sagt die Reviston von

1845 *). Dabei war man nur der Meinung, „am meisten dürfe sich für daS Str. G. B. eine solche Auffassung empfehlen, wonach zwar die formelle Bezeichnung Complott auSscheide, die Bedeutung

der vorher verabredeten Hülfeleistung aber materiell in bestimmten

Anwendungen hervorträte2)."

Danach enthielt der Entwurf von

1845 im $. 48 folgende Bestimmung: „Wenn unter Mehreren die Begehung eines gemeinschaftlichen-BerbrechenS verabredet worden ist,

so soll gegen

jeden einzelnen Theilnehmer schon um dieser

Verabredung willen auf die Strafe deö Versuches erkannt werden, selbst wenn Handlungen, welche den Anfang einer Ausführung

der That enthalten,

enttveder gar nicht, oder nicht durch diesen

Theilnehmer vorgenommen worden sind.

Eben so soll, wenn in

Folge der Verabredung ein Verbrechen zur Ausführung gekommen

ist, ein Theilnehmer der Verabredung aber zur Ausführung nicht

beigetragen hat, gegen diesen auf die Strafe deS Versuchs des verabredeten Verbrechens erkannt werden." Der Entwurf von 1847

ließ auch diese Bestimmung fort.

„Eine formelle, gleichsam tech­

nische Bezeichnung deS ComplottS im Gesetze führe theils zu bloßen

ZumeffungSgründen, theils zu bedenklichen Abstraktionen" — sagen die Motive von 1847 ’). Auch der Entwurf von 1851 kam nicht wieder darauf zurück. Anmerkung II.

Die neueren Deutschen Strafgesetzbücher

behandel» die Lehre vom Complott verschieden.

Die meisten er­

wähnen deS ComplottS ausdrücklich, und stellen dann geradezu

den Grundsatz (die Präsumtioneigentlich Fiction) auf, daß jeder Complottänt als Anstifter anzusehen und mithin von der vollen

Sttafe deö Thäters zu treffen sei.

Einige stellen hierbei die ganze,

und mitunter noch eine weitere Kasuistik auf, wie die oben mit­ getheilte deS Preußischen Entwurfs von 1843; so namentlich daS Str. G. B. für Bayern (unter Feuerbachs Einfluß und den späteren

1) S. 161. 2) Rcvifion von 1845, S. 162. 3) S. 23.

376

als Muster dienend), Art. 50—53, für Hannover, Art. 57—62, für Großh. Hessen, Art. 74—80, für Baden, 88.125—133, für Württemberg, Art. 78—83, für Braunschweig, 88. 43*— 45. Andere stellen kurzweg jenen Grundsatz auf, beschränken ihn aber auf den Fall wenigstens irgend einiger Mitwirkung des Complottanten, so das Str. G. B. für Sachsen, Art. 33, für SachsenMeiningen, Art. 31, für St. Gallen, Art. 27, für Freiburg, Art. 47—49, für Waadt, Art. 47—49, für Luzern, 8. 45, für Zürich, 8. 51. DeS ComplottS erwähnen endlich gar nscht die Str. G. B. für Oesterreich, Aargau und Basel.

8. 72.

Don der Bande. Auch der Begriff und die Lehre von der Bande find, ohne in den Quellen des Gemeinen Strafrechts irgend eine specielle Begründung zu haben, von der Gemeinrechtlichen Docttln aufge­ stellt. Die Bande wird definirt alö eine Species des ComplottS, nemlich als eine Verbindung Mehrerer zur Verübung mehrerer noch unbestimmter Verbrechen derselben oder verschiedener Art ’). ES leuchtet ein, daß hierin ein Widerspruch liegt. Wenn daS Complott eine Verbindung zur Verübung eines bestimmten, genau festgestellten Verbrechens, die Bande aber eine Verbindung zur Verübung von Verbrechen ist, die eben noch alle unbestimmt find, so kann die Bande nicht eine SpecieS deS ComplottS, sondem nur diesem entgegengesetzt sein. AuS dem ausgestellten Begriffe folgert man: 1. Indem ein Complott vorliege, seien dessen Grund­ sätze sämmtlich auch für die Mitglieder der Bande maßgebend. 2. Indem die Bande aber auch zugleich zu mehr als einem oder einzelnen bestimmten, sondern zu einer unbestimmten Mehrheit, oder zu einer Mehrheit einzelner noch nicht bestimmter Verbrechen fich verbunden habe, so sei dadurch eine besondere Bösartigkeit und Gefährlichkeit an den Tag gelegt, welche eine strengere Bestrafung als bei dem bloßen Complott Hervorrufe. Wenn die gewöhnlich

l) Feuerbach, Lehrbuch, 47. Henke, Handbuch, Bd. I, S. 275. Jarke, Handbuch, Bd. I, S. 228. Berner, Theilnahme, S.488 ffg.

377 ausgestellten Grundsätze von dem Complott nicht richtig sind, so fällt auch die Anwendung derselben auf die Bande fort. Rur daS muß zugegeben werden, daß die Bande strafbarer erscheint, alS da- Complott, wenn man einmal beide Begriffe wieder ein­ bürgern will, trotzdem daß da- Strafgesetzbuch sie vollständig ver­ leugnet. Anmerkung!. Die früheren Entwürfe de- Strafgesetzbuchs hatten auch ihre Lehre von der Bande. In dem Entwürfe von 1843 heißt eS noch (8.69): „Bande. Ist eine Verbindung zu festgesetzter Verübung von Verbrechen gleicher oder verschiedener Art eingegangen (Bande), so finden bei den in Folge einer solchen Verbindung verübten Verbrechen nicht nur die Vorschriften der 88. 65—68 (von dem Complott) Anwendung, sondem eö können auch die sonst stattfindenden Strafen, den Umständen nach, bizur Verdoppelung, geschärft werden, in sofern nicht bei einzelnen Verbrechen besondere Vorschriften fiir diese Fälle ertheilt sind." Die Definition der gtanbe ist hier noch zudem eine falsche, jnbem wenn man auch den Begriff deS fortgesetzten Verbrechens annehmen will, nicht von einer Fortsetzung, sondem von Wieder­ holung der mehreren unbestimmten Verbrechen bet der Bande die Rede ist'). Der Entwurf von 1845 ließ die ganze Bestim­ mung fallen, waS sich, wie die Motive sagen, von selbst verstehen müsse, nachdem „einmal die formelle Erwähnung deS Complottaus dem Strafgesehbuche au-geschieden sei*)." Auch die späteren Entwürfe kamen nicht darauf zurück, „ zumal da dieser Begriff (der Bande) nur noch auf wenige specielle Verbrechen Anwendung find?')." Bei diesen war der Begriff denn fteilich auch schon in dem Entwürfe von 1845 mit jener Unrichtigkeit der stüheren Entwürfe, als eine Verbindung zur fortgesetzten (anstatt wiederholtm) Verübung von Dlebstählm oder Räubereien angegeben. Freilich ist dieselbe Unrichtigkeit auch in da- Str. G. B. (88.218, 232) übergegangen. Anmerkung II. Don den neueren Deutschm Strafgesetztüchem erwähnen der Bande nur die für Bayem, Art. 54—56, Hannover, Art. 63—65, Großh. Hessen, Art. 81, 82, Braun«

1) Vergl. Berner, Theilnahme, S.484.

2) Revision von 1845, Dd. I, S. 163.

3) Motive von 1847, S. 23.

(Dergl. unten $.99).

378 schweig, 8.38, Luzern, 8.46, ferner in Beziehung auf bestimmte Verbrechen (Mord, Brandstiftung, Raub, Münzverbrechen, Fäl­ schung von Creditpapieren, Diebstahl, Betrug, Zerstörung stemden

Eigenthums und Wilderei) das für Württemberg, Art. 185—188, und (Raub, Diebstahl, Fälschung oder Betrug) daS für Baden,

88. 482, 483.

DaS letztere Gesetzbuch

hat durchaus specielle

Strafbestimmungen erlassen; die anderen stellen den Grundsatz an

die Spitze, daß die Vorschriften über das Complott auch auf die Bande anzuwendcn seien, die sie dann als ein Complott zur Be­

gehung mehrerer noch unbestimmter Verbrechen, meist mit Hinzufügung einzelner

Nebenbestimmungen,

betrachten.

Die übrigen

Strafgesetzbücher erwähnen der Bande nicht.

8. 73.

Von der Begünstigung. In der Gemeinrechtlichen Doktrin ist der Begriff der Begmr-

stigung deS Verbrechens ein sehr weiter.

Man versteht darunter

jede strafbare Theilnahme in Beziehung auf ein Verbrechen, welche

nicht Thäterschaft,

Anstiftung

oder Beihülfe

ist.

Gewöhnlich

werden dabei nur solche Handlungen darunter verstanden, die erst nach der Verübung deS Verbrechens vorgefallen sind; mitunter bezieht man sie aber auch auf Handlungen vor der Begehung deS Verbrechens ’)•

Ist schon in sofern Streit, so ist noch mehr

Streit unter den RechtSlehrern über die Handlungen selbst, die

alS Begünstigung deö Verbrechens anzusehen seien, und in Folge dessen dann natürlich über den Begriff der strafbaren Begünstigung

überhaupt. Während z. B. auf der einen Seite gelehrt wird, man mache sich der strafbaren Begünstigung schuldig durch Theilnahme

an den Vortheilen der That, durch Unterstützung deS Verbrechers hinsichtlich der Erlangung oder deS Genusses der Vortheile aus seiner Uebertretung, ferner durch solche Handlungen oder Unter­

lassungen, durch welche man den Thäter der strafenden Gewalt

1) Vtrgl. z. B. Feuerbach, Lehrbuch, §. 53 u. Jarkt, Handtuch,

379 zu entziehen suche'), so wie auch besonders durch Nichtanzeige

des noch erst beabsichtigten Verbrechens 2), wird andererseits be­ hauptet, daß die ganze Lehre von der Begünstigung sich darauf reducire, daß das positive Recht gewisse, mit einzelnen bestimmten Verbrechen häufig nur in zufälligem Zusammenhänge

stehende Dies

Handlungen als besondere Delikte für strafbar erkläre').

ist dann auch das Wahre (f. oben 8.66)«), und schon daraus

ergeben sich die Schwankungen der Doktrin über den Begriff der

Begünstigung und die darunter zu begreifenden einzelnen Hand­ lungen, als eine nothwendige Folge. — Unter allen Umständen

kann man den Begriff der Begünstigung nur negativ dahin auf­ stellen, .daß sie diejenige, vom Gesetze positiv mit Strafe bedrohete Theilnahme bei einem Verbrechen sei, die nicht Thäterschaft, nicht

Anstiftung und nicht Beihülfe ist. Sie kann dann der Ausführung des Verbrechens allerdings vorhergehen, sie kann sie begleiten, sie kann ihr Nachfolgen.

Sie kann ferner durch positive Thätig­

keit oder durch bloße Unterlassung (von Handlungen, zu deren Vornahme der Unterlassende bei Strafe verpflichtet war) begangen

werden.

Dieser Begriff und diese Grundsätze finden sich auch in

den Vorschriften des Strafgesetzbuches wieder').

Man könnte da­

gegen nur das Eine einwrnden, daß das Strafgesetzbuch als Be­

günstigung ausdrücklich nur die dem Verbrechen nachfolgenden

Handlungen bezeichnet, für die andern aber (die Nichtanzeige) den Ausdruck nicht gebraucht. ES kann das indeß um so weniger hindern, auch diese Nichtanzeige unter den allgemeinen Begriff der Begün­

stigung zu ziehen, als das strafbare Moment auch bei ihr eben in dem Begünstigen des Verbrechens gesunden wird, ganz wie bei den übrigen Arten der Begünstigung, und als man sonst noch

eine neue SperieS der Theilnahme besonders aufführen müßte, für die eS kein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal gäbe.

Die

1) Feuerbach a. a. O. 2) Satte a. a. D. Köstliu, Revision, I) Aufgehoben durch Ges. vom 12. Mai 1848.

405 nähme aller in- und ausländischen JDrbcn, Civil- und MilitairEhrenzeichen; 2. Der Verlust aller öffentlichen Titel, akademischen Grade und Würden und die Entziehung deS Rechts, solche ohne Bewilligung deS Kaisers neu oder wieder zu erlangen; 3. die Ausschließung von der verantwortlichen Redaction periodischer Druckschriften; 4. der Verlust jedes öffentlichen Amtes oder Dienstes, mit Einschluß deS Lehramtes, und die Unfähigkeit, ohne ausdrück­ liche Erlaubniß deS Kaisers solche neu oder wieder zu erlangen; 5. bei Geistlichen die Entsetzung von der Pstünde und die Un­ fähigkeit, ohne die ausdrückliche Einwilligung deS Kaisers je wie­ der eine solche .zu erlangen; 6. der Verlust der RichteramtS-, AdvocaturS- und Notariats-Befähigung, der öffentlichen Agentien und jeder Parteivertretupg vor den öffentlichen Behörden: 7. Entziehung aller auf die PenstonSvorfchriftrn gegründeten Pensionen, Pro­ visionen, Erziehungsbeiträge oder sonstiger Bezüge, sowie aller Gnadengaben. Außerdem bleiben diejenigen Bestimmungen der bürgerlichen, politischen und kirchlichen Vorschriften austecht, welche mit der Verurtheilung wegen eines Verbrechens noch anderweitig nachtheilige Folgen verknüpfen •)." Außerdem muß bei einer Ver­ urtheilung zur Todes- oder schweren Kerkerstrafe gegen einen Adelichen der Verlust deS Adels ausgesprochen werden, welcher „Verlust jedoch nur ihn (den Verurteilten) allein trifft, folglich weder seine Ehegattin, noch die vor dem Strafurtheile erzeugten Kinder." Bayern (Art. 22— 24): Dienstentsetzung, Unfähigkeit zu Ehrenstellen und öffentlichen Aemtern, Dienstentlassung; ferner als Selbstfolge der Verurtheilung zu Todes-, Ketten-, Zuchthaus- oder ArbeitShauSstrafe: Verlust deS Adels und aller Würden, StaatSund Ehrenämter; außerdem: Degradation, Widerruf, Abbitte-), Verweis; Unfähigkeit zur Ablegung eines Eides oder vollgültigen Zeugnisses während der Strafzeit. Endlich soll dem ent­ haupteten Hochvrrräther auf seinem Grabe eine Schandsäule er­ richtet, und „seine Familie soll ihren Namen verändern" (Art. 301). Sachsen (Art. 9, 16, 24): Folge der wirklich erlittenen Zuchthaus­ strafe ist der „Verlust aller politischen Ehrenrechte, der Ehren-

1) Diese Vorschrift ($. 26) befand sich nicht in dem Str. G. D. von 1803. Sie ist (mit Ausnahme der schon durch kaiserl. Entschl. vom 14. October 1845 dekretirten Nummer 2) erst in dem Str. Ges. vom 27. Mai 1852 beigefügt. Sie ist ru charakteristisch, als daß sie hätte getrennt werden dürfen, obwohl einzelne Bestimmungen' auch als DermögenSstrafcn ausgestellt werden könnten. 2) Widerruf und Abbitte sind aufgehoben durch Gesetz vom 12. Mai 1848.

406

Zeichen, des Ranges oder Titels, der akademischen Würden, des Staatsdienstes und anderer öffentlicher, Aemter, sowie der Advo­ katur und deö Notariats. Gewerbetreibende, einem Jnnungöverbande angehörige Personm können zwar daS Gewerbe fortsetzen, oder das Meisterrecht, wenn sie solches noch nicht gehabt, erlangen, dürfen jedoch den Jnnungöverfammlungen nicht beiwohnen. Nichts­ destoweniger sind sie verbundm, die üblichen Jnnungöbeiträge zu entrichten." Außerdem gerichtlicher Verweis und öffentliche Bekannt­ machung vollzogener Strafen. Sachsen-Meiningen (Art. 9, 17, 21): Enthält dieselben Vorschriften, nur mit dem Unterschiede, daß der Verlust der genannten Ehrenrechte schon als Folge der rechts­ kräftig zuerkannten Zuchthausstrafe eintritt, und daß die er­ gangenen Straferkenntnlsse öffentlich bekannt gemacht werden sollen. Nassau (Art.20flg.): „Die rechtskräftige Verurtheilung zur Zuchthausstrafe zieht als gesetzliche Folge nach sich: 1. den Ver­ lust der Hof-, Staats-, Gemeinde- oder sonstigen öffentlichen Aemter, der Advokatur und die Unfähigkeit zu solcher; 2. den Verlust der Orden, Ehrenzeichen und Titel; 3. daS Gericht kann zugleich auf den Verlust der Ruhegehalte erkennen." Dasselbe findet statt, mit Ausnahme deS Verlustes zu 2, bet rechtskräftiger Verurtheilung zu einer CorrectionShauSstrafe auf ein Jahr oder länger, ferner bei jeder solchen Verurtheilung wegen Diebstahls, Unterschlagung, Betrugs, Fälschung oder Eidesverletzung. Bei einer Dienstentsetzung treten die Folgen zu 1, 2 u. 3 oben (letztere unbedingt) ein. Oeffentliche Bekanntmachung deS Urtheils findet bei Verurtheilung zu Zuchthaus oder CorreltionShauSstrafe immer, außerdem nur statt, wenn die Gerichte sie im öffentlichen Interesse oder für die Ehre deS Beleidigten oder Unschuldigen nothwendig erachten. Großb. Hessen (Art. 22—27, 29, 30): „Die rechtskräftige Derurtheilung zur Zuchthausstrafe zieht als gesetzliche Folge nach sich: 1. die Unfähigkeit, Mitglied der Geschworenen zu sein; 2. den Verlust der Hof-, Staats-, Gemeinde- oder sonstigen öffent­ lichen Aemter, der Advocatur, und der Unfähigkeit zu solcher; 3. den Verlust der Ruhegehalte; 4. den Verlust der Orden, Ehren­ zeichen und Titel; 5. die Unfähigkeit, an Wahlen in politischen, Gemeinde- oder kirchlichen Angelegenheiten als Wähler Antheil zu nehmen und bei diesen Wahlen gewählt zu werden; 6. die Un­ fähigkeit, Vormund oder Curator zu sein, ausgenommen für die eigenen Kinder." Die rechtskräftige Verurtheilung zur CorrertionShauSstrafe auf ein Jahr oder länger, zieht gesetzlich nach sich die

407

Folgen zu 1, 2, 3, 5; die zu einer geringeren CorreetionShauöftrafe die zu 1, 2, 3; ebenso die zur bürgerlichen Gefängnißstrafe. Die Dienstentsetzung führt die meisten der zuerst genannten Folgen mit sich. ES kennt ferner öffentliche Bekanntmachung einzelner Straferkenntnisse. Württemberg (Art. 27—30, 33—36): „Durch den Verlust der bürgerlichen Ehren- und der Dienstrechte sind ver­ wirkt: 1. alle Hof-, Staats- und andere öffentlichen Aemter, mit allen davon abhängenden Rechten und Vorzügen; 2. alle Titel, Würden und andere Ehrenzeichen; 3. QuieScenzgehalte und Pen­ sionen, welche dem Vernrtheilten aus einer Staats-, Gemeinde­ oder öffentlichen Stiftungökasse.gereicht werden, desgleichen solche Ruhegehalte, die er aus einer standeSherrlichen oder rittetfchaftlichen StaatSamtökasse in seiner Eigenschaft als Staatsdiener be­ zieht; ’4. die staatS- und geMbindebürgerlichen Wahl- und Wähl­ barkeit--Rechte; 5. die Fähigkeit zu Erwerbung aller dieser Vor­ züge, Aemter, Dienste, Auszeichnungen und Rechte." Der Verlust dieser Rechte tritt von selbst ein durch rechtskräftige Verurtheilung zur Arbeitshaus-, Festung-, oder Zuchthausstrafe. Mit letzterer ist noch von selbst verbunden: der Verlust drö Adels, jedoch nur für die Person deS Verurtheilten und unbeschadet der Rechte seiner Ehegattin und der vor dem Strafurtheil erzeugten Kinder; der Verlust e der Berechtigung zu solchen öffentlichen Verrichtungen, zu deren Ausübung eine Verpflichtung durch die Staatsbehörde erforderlich ist; der Verlust des Rechts, eine Vormundschaft über andere als seine eigenen Kinder zu führen, so wie der Berechtigung, an den Zunfwerhandlungen Theil zu nehmen und Zunftämter zu bekleiden. Zur Entziehung der bürgerlichen Ehren- und Dienst­ rechte kann auch auf Zett (nicht unter zwei und nicht über zehn Zahre) erkannt werden; sie trifft dann die Nummern 1, 2, 3, 4 oben. Einzelne rechtskräftige Strafurtheile werden öffentlich be­ kannt gemacht. Baden (88.17, 21—24, 49): „Folgen der Der« urtheilung zu Zuchthausstrafe sind: 1. Verlust aller Ehrentitel, Würden, Orden und anderer Ehrenzeichen; 2. Verlust aller öffent­ lichen Aemter, namentlich aller Höf-, Staats-, Kirchen-, Schulen-, Gemeinde-, Zunft- und Stiftsämter, sowie der Pflegeschaften oder Vormundschaften über Andere, als über seine Kinder; 3. der Verlust deS Rechts der Anwaltschaft, und deS SchriftverfassungSrechtö, sowie der Befähigung zur Praxis im öffentlichen Dienst; 4. der Verlust der Fähigkeit zur Erwerbung der. bisher genannten Rechte und Vorzüge; 5. der Verlust der Ruhegehalte und Pensionen,

408 welche ihm in Folge eines von ihm bekleideten öffentlichen AmteS

auS

der Hof-,

der Staats-,

einer Gemeinde-

oder

öffentlichen

Stiftungskasse gereicht werden, desgleichen solcher Ruhegehalte und

Pensionen, die er auS einer standeS-

oder grundherrlichen Kasse

in seiner Eigenschaft als öffentlicher Diener bezieht; 6. der Verlust der staatS- und gemeindebürgerlichen Rechte der Wahl und der

Wählbarkeit, sowie der Fähigkeit, bei öffentlichen Beurkundungen alS

Zeuge mitzuwirken;

7. der Verlust der ihm erblich zustehenden

staatsrechtlichen Befugnisse für feine Person; 8. die Unwürdigkeit

zum Militärdienst."

Dieselben Folgen und außerdem den Verlust

aller bekleideten öffentlichen Aemter

und der davon abhängigen

Rechte und Vorzüge zieht die Verurtheilung zur Dienstentsetzung

nach sich.

Die Diestentlassung hat außer dem Verluste der be­

kleideten Aemter und

der Rechte derselben nur den Verlust der

oben zu 2 u. 5 genannten Rechte zur Folge.

Auf die Unfähigkeit

zur Ableistung eineS gerichtlichen Eides (auch ZeugeneidcS) muß

besonders erkannt werden. lichen Verweis.

Das Gesetzbuch kennt ferner gericht­

Hannover (Art. 16, 17, u. Pol. Str. G. §. 18):

Rechtliche Folge der Verurtheilung zu Ketten- oder Zuchthaus­

strafe ist „Verlust deS Adels für die Person deS Verbrechers, so­ wie aller Würden, Staats- und Ehrenämter, Ehrenzeichen, in­ gleichen der Gilden- und Zunftrechte und deS Rechts, die National­

kokarde zu tragen, außerdem Unfähigkeit zu allen ferneren öffent­

lichen Aemtern und Würden."

Die Dienstentsctzung (Cassation)

hat den Verlust aller mit dem Dienste verbundenen Rechte und Vorzüge und in der Regel den Verlust aller anderen Aemter zur

Folge.

Außerdem: Verweis, Widerruf, Abbitte, Ehrenerklärung.

Vollzogene

schwere Strafen

werden

öffentlich

bekannt

gemacht.

Braunschweig (88.17, 19, 20, 24): „Gesetzliche Folgen der Ketten­ oder Zuchthausstrafe ist der Verlust aller Ehren-, politischen und Dienstrechte, sowie der Fähigkeit, diese Rechte zu erlangen; ferner

der Verlust der JnnungSrechte, der Gewerbe-Conressionen und der Fähigkeit, eine Bormltndschast oder Curatel über Andere alS die

eigenen Kinder

zu führen.

Zwangsarbeit hat den Verlust der

politischen und Dienstrechte, sowie der Fähigkeit dieselben zu er­ langen, zur Folge.

Gefängnißstrafe über ein Jahr, wegen eineS

vorsätzlichen Verbrechens, zieht den Verlust der Dienstrechte nach

sich, und während der Dauer der Gefängnißstrafen ruhen alle

politischen Rechte."

Besondere

Bestimmungen

einzelner

Gesetze

über die Ausübung politischer und bürgerlicher Rechte werden vor-

409 behalten.

Die Folgen der Dienstentsetzung und Dienstentlassung

werden besonders aufgeführt.

Gerichtlicher Verweis und öffent­

liche Bekanntmachung deS StraferkennlniffeS sind vorgeschrieben. Luzern (§8.21, 24): „Gesetzliche Folge eine- jeden Criminal-

strafurtheileS ist der Verlust der bürgerlichen Ehrenfähigkeit, welcher

mit sich führt: a) die Entsetzung von allen bekleideten Ehrenstellen, Aemtern

und öffentlichen Bedienstungen;

b) den Verlust der

und Wahlfähigkeit und des RechtS, in Gemeindever­ sammlungen zu erscheinen; c) die Unwürdigkeit, für das Vater­

Stimm-

land die Waffen zu tragen; d) die Unfähigkeit ein Zeugniß abzu­ legen; e) die Unfähigkeit als Sachwalter in öffentlichen Geschäften aufzutreten; f) die Unfähigkeit, bestellter Vormund oder Kurator

zu sein."

„Alle Criminalstrafurtheile werden öffentlich bekannt

gemacht."

DaS Pol. Str. G. B. §8. 3, 11—13 verordnet außer­

dem Amtsentsetzung, Suspension vom Amte und Suspension vom

Activbürgerrechte (von zwei bis zu zehn Jahren).

Zürich (88. 8,

13, 26—32): Ketten- und Zuchthausstrafe haben stets zur Folge:

„Verlust deS ActivbürgerrechteS auf Lebenszeit; Unfähigkeit zu allen Rechtsgeschäften, so lange die Strafzeit dauert, daher Bevogtung während dieser Zeit."

Außerdem kann erkannt werden

auf: „lebenslänglichen oder zeitigen Verlust deö ActivbürgerrechtS;

AmtSentsehung; Einstellung im Amte; Verbot deS Besuchs von WirthS- und Schenkhäusern; richterlichen Verweis." Waadt

(Art. 21—25): Verlust aller oder einzelner bürgerlicher Rechte für

immer oder auf eine bestimmte Zeit.

Jener hat zur Folge für

den Verurtheilten: 1. er kann kein bürgerliches Recht auSüben,

kein öffentliches, weder Civil- noch Militairamt versehen; 2. er darf keine Waffen tragen und nicht in der Bürgerwehr dienen; 3. er darf weder Kurator noch Vormund sein, außer über seine

eigenen Kinder; 4. er kann weder Sachverständiger noch JnstrumentSzeuge sein, noch alS Zeuge vereidigt werden.

Der Verlust aller

bürgerlichen Rechte ist für immer verbunden mit der Verurtheilung

zum Tode oder zu einer Einschließung von mehr als zehn Jahren. Bei der Verurtheilung zu einer Einschließung von mehr alS fünf und weniger alS zehn Jahren muß daS Gericht den Verlust aller

oder einzelner

bürgerlicher Rechte

auf nicht weniger alS fünf,

und nicht mehr als zwanzig Jahre

aussprechen.

Bei der Ver­

urtheilung zu einer Einschließung von mehr alS zehn Monaten und nicht mehr als fünf Jahren kann daS Gericht den Verlust

aller oder einzelner bürgerlicher Rechte aussprechen, aber nicht über

410 zehn Jahre. Für einzelne Fälle sind besondere Vorschriften wegen der Venirtheilung zum Verlust

der bürgerlichen Rechte.

Basel

(8.32 und Corr. Ges. 8 7): „Die gesetzliche Folge eine- jeden CriminalstrafurtheilS ist: Verlust der bekleideten Würden und Aemter; Ausschließung von den Gemeinde-, Zunft- und Wahl­

versammlungen, Unfähigkeit zu allen öffentlichen Stellen, zu Zeug­ zur Vormundschaft und zum Waffendienst."

nissen im Rechte,

„Stillstellung auf bestimmte Zeit

Stelle, Amt und Dienst."

im Activbürgerrecht

Freiburg (Art. 22, 279,

und

in

286 flg.):

„Die peinliche Bestrafung eines Verbrechens zieht den Verlust deS

ActivbürgerrechtS nach sich, macht den Verurtheilten unfähig als Zeuge bei Acten und Verhandlungen, oder als Sach- oder Kunst­

verständiger gebraucht zu werden, Vormund über andere alS seine

eigenen Kinder, gerichtlicher Pfleger oder Beiständer zu sein, und unwürdig in einem Militairkorps zu dienen."

Ferner: „AmtS-

oder Dienstentsetzung oder Einstellung; Beraubung der väterlichen

Gewalt (auf bestimmte oder unbestimmte Zeit); Einstellung deS ActivbürgerrechtS" (von zwei

bis

zu

zehn Jahren),

Verweis.

St. Gallen (Str. G. B. für Vergehen 88.11 flg., und Gesetz vom 24. Nov. 1838): „Als Ehrenstrafen sind aufgestellt: A. Der Verlust der bürgerlichen Ehrenfähigkeit.

Verwirkung

deS Stimm-

Diese Strafe besteht: a) in der

und Wahlfähigkeitsrechts;

b) in der

Entsetzung von Aemtern und öffentlichen Bedienstungen; c) in der

Unfähigkeit zu Zeugnißablegung; d) in der Unwürdigkeit, für das

Vaterland die Waffen zu tragen; e) im Verlust aller derjenigen Rechte und Befugnisse, welche nach bestehenden besonderen Ge­

setzen diejenigen nicht auSüben können, welche nicht in bürger­ lichen Ehren stehen. B. Die Strafe der AmtSentsetzung. „Der Verlust der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ist die Folge eines jeden Criminalurtheils, mit Ausnahme derjenigen Fälle, für welche die

AmtSentsetzung als selbstständige Kriminalstrafe ausgesprochen wird. Nach erstandener Strafe tritt der Verurtheilte wieder in alle seine ehevorigen bürgerlichen Ehren ein, und ist ebenso auch wieder be­

fugt,

alle

bürgerlichen Rechte auszuüben,

mit Au-nahme deS

Stimm- und WahlfähigkeitSrechtS und der Zeugenablegung, nach lit. a und c im Art 10, in deren Ausübung der Entlassene noch während zehn Jahren eingestellt ist, in sofern derselbe nicht vor

Ablauf dieser Frist die Rehabilitation erlangt.

Mit der Amts­

entsetzung, welche, in gewissen, vom Gesetz bestimmten Fällen, alS eine eigene Strafe angewendet werden kann, soll Unfähigkeit zu

411 neuer Bekleidung von Stellen oder öffentlichen Bedienstungen, für eine durch das Urtheil zu bestimmende Zeit von zwei biö zehn

Ferner: „Einstellung (Suspension) des

Jahren, verbunden sein."

AmtS und deS ActivbürgerrechtS; Ausstellung mit einem Prügel

im Maul oder einer Schmachschrift auf der Brust; Widerruf und

Ehrenerklärung." Aargau (Art. 30, 38): „Ein Criminalstrafurtheil zieht den Verlust der bekleideten Aemter und die Ausscheidung von

den Gemeindeversammlungen, sowie die Unfähigkeit zu allen öffent­ lichen Aemtern und Diensten nach sich." Außerdem hat dieseGesetz noch (neben Staupbesen und Brandmark) die „Ausstellung

auf der Schandbühne."

V. Vermögensstrafen.

Das Strafgesetz­

buch für Oesterreich (88.27, 30, 240 flg.): Geldbuße, Confis­ cation bestimmter einzelner Gegenstände, Verlust von bestimmten

gewerblichen (und beamtlichen) Rechten und Befugnissen für immer

Verlust der Fähigkeit, über da- Ver­

oder auf bestimmte Zeit.

mögen zu verfügen. Bayern (Art. 5, 33): Geldbußen, Confiscation einzelner Sachen, der beständige oder zeitweise Verlust einzelner

einträglicher Rechte oder Privilegien, Unfähigkeit, über daS Ver­ mögen zu verfügen. Württemberg (Art. 8, 31, 32): Geldstrafen, Confiscation einzelner Gegenstände, Entziehung öffentlicher Be­

rechtigungen, oder eine- öffentlichen und selbstständigen Gewerbe­ betriebes für immer oder auf Zeit. wie Württemberg.

Großh. Hessen (88-7, 31):

Baden (88. 33, 46, 47): Ebenso.

Braun­

schweig (88- 18, 2t): Geldstrafen, Confiscation einzelner Sachen. Hannover (Art. 28, 30 u. Pol. Str. G. 8. 18): Ebenso. SachsenMeiningen (Art. 15,18): Ebenso. Sachsen (Art. 15): Geldstrafe.

Zürich (88. 8, 33):

Geldbußen,

Einziehung einzelner Sachen,

lebenslänglicher oder zeitiger Verlust einträglicher Rechte, Berufs­ arten oder Privilegien,

Unfähigkeit zu

allen

Rechtsgeschäften.

Luzern (88- 3, 20, 22 u. Pol. Str. G. B. 88- 3, 9, 10, 14): Im Ganzen ebenso.

St. Gallen (Ges. v. 24. Nov. 1838 Art. 1, 13

und Str. G. B. für Vergehen (88.11, 15, 16): Geldstrafen, Ver­

lust deS Gewerbes, Confiscation einzelner Gegenstände.

Freiburg

(Art. 10, 19, 21, 279, 284, 285): Ebenso. Waadt (Art. 13,26,27): Ebenso; doch kann der Verlust eineS Gewerbes nur auf bestimmte

Zeit ausgesprochen werden.

Basel (8- 32 u. Corr. Ges. 8- 8):

Geldstrafen, und bedingte Unfähigkeit,

über daS Vermögen zu

verfügen (der zu einer Criminalstrafe Verurtheilten, nur mit Ein­ willigung der Regierung). daS Vermögen zu verfügen.

Aargau (Art. 38): Unfähigkeit, über

412

8. 77.

Die Todesstrafe I. Die Todesstrafe findet nach dem Strafgesetzbuch? in folgen« dm Fällen statt. 1. Beim Hochverrath ($. 61). 2. Beim LandeSvenath (88. 67—70). 3. Bei einer Thätlichkeit gegen die Person deS Königs ($. 74). 4. Beim Morde (§§. 75, 180). 5. Beim Todtschlage in Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens (8.178). 6. Beim Todtschlage gegen Asrendenten (§. 179). 7. Bet der vorsätzlichen Brandstiftung, wenn durch den Brand ein Mensch daS Leben verloren hat (88.285, 287). 8. Bei vorsätzlicher Ver­ ursachung einer Ueberschwemmung (8. 290). 9. Bet vorsätzlicher Beschädigung an Eisenbahn-Anlagen (8. 294). 10. Bei vorsätzlicher Zerstörung, Beschädigung oder Verfälschung der zur Sicherung der Schifffahrt bestimmten Feuerzeichen (8.302). 11. Bei vorsätz­ licher Bewirkung der Strandung oder des Sinkens eines Schiffes (S. 303). 12. Bei vorsätzlicher Vergiftung u. s. w. von Brunnen oder Wafferbehältem, welche zum Gebrauche Anderer dienen, oder von Waaren, welche zum öffentlichen Verkaufe oder Gebrauche bestimmt find ($. 304), wenn in allen diesen Fällen (8—12) in Folge der Handlung ein Mensch daö Leben verloren hat. B. Außerdem nach dem Gesetze über den Belagerungszustand: 13. Bei vorsätzlicher Brandstiftung. 14. Bei vorsätzlicher Ver­ ursachung einer Ueberschwemmung, wenn auch in beiden Fällen kein Mensch daS Leben verloren hat. 15. Bei einem Angriffe oder einem Widerstande gegen die bewaffnete Macht, oder Abgeordnete der Civil- oder Militairbehörde in offener Gewalt und mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen, wenn in allen diesen Fällen (13—15) der Thäter der genannten Verbrechen in einem im Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte sich schuldig gemacht hat1 2). Ein festes Prinzip läßt sich in diesen verschie­ denen Bestimmungen, auch in denen deS Strafgesetzbuchs, dieselben für sich allein genommen, nicht erkennen. II. Gegen Personen, welche daS sechözehntc Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann

1) Etr. G. B. SS. 7-9. 2) Ges. über den Belagerungszustand $. 4. Juni 1851, $. 8 (G. ., ist auch die Begleitung de- Berurtheilten zum Richtplatze durch den Geistlichen zu beurlheileu. Q8 sann darauf antommtn, wenn die Hinrichtung außerhalb des Raume- eine- GefangeuhaufeS erfolgt. 2) Cr O. §§. 536, 537. Nach dem Strafgesetzbuche für den Canton Waadt Art. 62 hebt die Schwangerschaft die Todesstrafe ganz auf, so daß diese dadurch von selbst in eine Einschließung von dreißig Jahren sich verwandelt. 3) Die 85. 11, 73, Str. Ges. B., gelten nur für die dort speziell be­ stimmten Fälle.

416

Franz. Civ. G. B. •) über den bürgerlichen Tod und dessen Folgen für die Rheinprovinz als aufgehoben erachtet werden. Anmerkung L DaS Allgem. Landrecht hatte noch mehrere besondere TodeSarten: Rad (von unten und von oben), Feuer, Strang, Schwert (an dessen Stelle durch die Cab. O. vom 19. Juni 1811 das Bell trat). Die sämmtlichen TodeSarten wurden geschärft: durch Schleifen des Verbrechers (auf einer Kuh­ haut) zur GerichtSstätte. Die Schärfung durch Aufflechtung deS Hingerichteten Körpers auf das Rad war schon durch Cab. O. vom 19. Oüobrr 1811 aufgehoben. Nach dem Grunde dieser C. O. mußte auch jede andere Schärfung durch Ausstellung deS Leichnams für aufgehoben erachtet werden. Bergl. über dieses Alle- A.L.R. II, 20, SS. 47, 102, 105, 107-111, 879. Wenn die Todesstrafe nicht vollstreckt werden konnte, weil der Verbrecher flüchtig war, so wurde dessen Bildniß an den Galgen oder Schand­ pfahl geschlagen, A.L.R. II, 20, SS. 99, 673, 1456.

Anmerkung II. Ueber die Beibehaltung der Todesstrafe war man in allen Stadien der Gesetzrevision einverstanden. Auch die sämmtlichen Provinziallandtage deS JahreS 1843 waren dafür, obgleich manchmal nur mit sehr schwachen Majoritäten, so z. B. der Posensche Landtag nur mit 25 gegen 22, und der Ausschuß deS Rheinischen Landtages nur mit sechs gegen fünf Stimmen^). Auf dem Der. Landtage von 1847 erklärten sich 63 Stimmen für, und 34 gegen sie. In der Commission der zweiten Kammer be­ schlossen 14 gegen 4 Stimmen, „für jetzt deren Abschaffung nicht zu beantragen')." Die Commission der ersten Kammer „glaubte, da wenigstens zur Zeit dieses höchste Strafübel noch noth­ wendig erscheine, die Frage überhaupt nicht wieder anregen zu dürfen*)." Wir venveisen für dieses „für jetzt und zur Zeit" auf da- oben S. 397 bemerkte. — Die früheren Entwürfe hatten noch Schärfungen der Todesstrafe. Der Entwurf von 1845 hatte sie

1) Franz. Civ. G. B. Art. 23, 24, 26, 27. Goltdammer, Materialien, S. 152, meint, man könne „durch Disciplinarvorschriften Modifikationen eintreken lassen!" Seit wann wird dmn die Rechts- und Handlungsfähigkeit durch „DiSci-

pUnarvorschristen" geregelt

2j Revision von 1845, Dd. I, S. 22. 3) Bericht, S. 23.

4) Bericht, S. 3.

417 beseitigt. Der von 1848 (§. 8) führte wieder die Schärfung ein „durch öffentliche Ausstellung des KopkeS und der nach der Hin­ richtung abzuhauenden rechten Hand." Der Entwurf von 1851 hatte zwar diese Schärfung fallen lassen, dafür aber wieder fol­ gende eingebracht: „Wenn auf geschärfte Todesstrafe erkannt ist, so wird der Leichnam deS Verbrechers außerhalb deS Kirchhofes durch den Scharfrichter eingescharrt und auf seinem Grabe mittelst einer an einem Pfahle befestigten Tafel der Name deS Verbrechers, das begangene Verbrechen und die erlittene Strafe bezeichnet. In anderen Fällen ist der Leichnam" ic. Die Commission der zweiten Kammer erklärte sich jedoch entschieden gegen diese Ver­ schärfung. Sie bemerkte sehr wahr: „Der Tod sühnt hier auf Erden alle Schuld; über ihn hinaus darf die Hand deS menschlichen Richter- sich nicht erstrecken »vollen. WaS der Todesstrafe als Schärfung hinzugefügt wird, trifft nicht den schuldigen Verbrecher; eS kränkt und verletzt die unschuldigen Angehörigen; eS ist gegen diese eine Strafe ohne Strafurtheil')." — Die Frage der öffent­ lichen oder der Jntramuran-Hinrichtung war schon früh bei der Revision zur Sprache gekommen. Man hatte sich indeß stet- für jene entschieden. Der Entwurf von 1847 ließ jedoch daS Wort „öffentlich" fort. In den Motiven heißt eS darüber nur: „Auch die Bestimmung, daß die Todesstrafe „„öffentlich"" zu vollstrecken fei, konnte auS dem materiellen Strafgefehbuche füglich- auSscheiden-)." Man dachte schon damals an eine Vorschrift, wie die gegenwärtige deS Ctr. G. B. Erst der Entwurf von 1851 brachte diese. ES heißt hierüber in den Motiven: „Während zur Erreichung des durch die Todesstrafe beabsichtigten Eindrucks die Oeffentlichkeit der Hinrichtung sich als eine Nothwendigkeit herauSstellt, hat die seitherige Erfahrung bei der Vollstreckung der Todes­ strafe auf offenem Platze gelehrt, daß der damit verbundene Zweck der Abschreckung häufig verfehlt, und durch diese Hinrichtungen rin auf die Moralität nachtheilig einwirkendeS DolkSschauspirl gegeben wird. ES muß daher ein Mittel gefunden werden, durch welches diese bei der bisherigen Art der Vollstreckung der Todes­ strafe stattgehabten Uebelstände und die durch sie hervorgebrachten Nachtheile vermieden werden, gleichwohl aber dieselbe der Oeffent-

1) Bericht, S. 23. 2) Motive von 1847, S. 7. Temnre, Strafrecht.

418 licbkeit nicht entzogen wird. Dies kann aber offenbar nur durch De-

.änkung der Oeffentlichkeit geschehen, und eS ist ein solches Mittel nicht nur gefunden, sondern eS hat sich auch bewährt in der Art und

Weise, wie in den Freistaaten Nord-AmerikaS die Todesstrafe voll­

streckt wird, wo im Gegensatz zu den Hinrichtungen auf offenem Felde

oder auf offenem Markte (den sogenannten Ertramuran-Hinrichtungen) die Hinrichtungen innerhalb der Gefängnißmauern (sogenannte

Jntramuran-Hinrichtungen) unter Zuziehung einer Anzahl von Per­

sonen, die theils durch ihren Beruf dazu bestimmt sind, theils aus den Bürgern deS OrtS besonders dazu erwählt und berufen werden, stattfinden. Hierdurch wird der Akt der Hinrichtung dem Anblick des Publikums entzogen, die Oeffentlichkeit aber durch die An­

wesenheit der genannten Personen gewahrt, welche zugleich die Garantie für die in gesetzlicher Art stattfindende Vollstreckung der

Todesstrafe geben.

Bei dieser Art der Hinrichtung kann allerdings

eine Abschreckung Anderer durch die

sinnliche Anschauung

der

Tödtung deS Verurtheilten nicht erreicht werden, sie wirkt aber reiner und tiefer auf das sittliche Gefühl der Staatsbürger, und

eS erscheint die Einführung einer analogen Einrichtung für den Preußischen Staat nur empfehlenSwerth; auch die belgische Re­

gierung hat sich bei der dort im Werke begriffenen Revision deS Strafrechtes für die Jntramuran-Hinrichtung entschieden.

Zur

Erhöhung der Feierlichkeit wird eö angemessen sein, den Beginn

der Handlung durch Glockengeläut zu verkünden und dieses bis zum Schluß derselben fortdauern zu lassen, wie dies in Nord-

Amerika geschieht und im

belgischen Entwurf bestimmt ist')."

Mittermaier?) bemerkt, nachdem man durch Aufhebung der

Oeffentlichkeit der Hinrichtungen zugestanden habe, daß der AbschreckungSzweck, auf den man meist baute, die Todesstrafe nicht

fordere, möge man doch „den Muth haben, auch ibrc Aufhebung auszusprechen."

Die Kammern fanden kein Bedenken gegen die

Einführung der Jntramuran - Hinrichtung. — Die Frage der RechtS- und Handlungsfähigkeit der zum Tode Verurtheilten ist bei der Revision nicht zur Sprache gekommen. Nur C. F. Eich­

horn, der zu den StaatSrathöacten ein Gutachten über die Strafe deö

bürgerlichen Todes

(am 4. Februar 1840) erstattet hatte,

1) Motive von 1851, S. 6, 7. 2) Zu Feuerbachs Lehrbuch, §. 145, Note II.

419

Man ist gleichwohl nicht weiter

machte darauf aufmerksam'). darauf eingegangen.

S.

78.

Die Zuchthausstrafe1 2).3 4

I. Die Zuchthausstrafe ist entweder eine lebenslängliche oder eine zeitige (zeitliche). Wo daS Gesetz jene androhet, ist eine richter­ liche Zumessung nicht weiter möglich. Die zeitige hat ein gesetzliches Minimum und Marimum. Jenes beträgt zwei, dieses zwanzig Jahre. Innerhalb dieses Zeitraums ist das Ermessen deS Richters frei,

in so weit eS nicht bei den einzelnen Strafandrohungen besonders beschränkt ist. II. Gegen Personen, welche daS sechSzehnle Lebens­ jahr noch nicht vollendet haben, kann auf Zuchthausstrafe gar

nicht erkannt werden ’).

III. Die zur Zuchthausstrafe Derurtheilten

werden in einer Strafanstalt verwahrt, und zu den in denselben eingesührten Arbeiten angehalten. Weiter verordnet daS Gesetz über die Vollstreckung der Zuchthausstrafe nichts.

Alles Andere

ist der Bestimmung besonderer BerwaltungSreglementS vorbehalten, die lediglich von den Verwaltungsbehörden auSgehen, und deren

Beachtung auch allein von den Verwaltungsbehörden controlirt wird. Die Gerichte liefern den zur Zuchthausstrafe Derurtheilten an daS Zuchthaus ab, und dürfen sich dann um die Vollstreckung der Strafe nicht weiter bekümmern.

Vom strafrechtlichen Stand­

punkte aus muß man Manche- dagegen erinnern.

IV. Während

der Strafzeit sind die zur Zuchthausstrafe Derurtheilten 1. unfähig,

ihr Vermögen zu verwalten,

und unter Lebendigen darüber zu

verfügen; die Verfügung von Todes wegen ist ihnen weder ge­ nommen noch beschränkt.

2. Auch darf ihnen kein Theil ihres

Vermögens oder ihrer Einkünfte verabfolgt werden. 3. Sie werden nach den Formen, die zur Ernennung der Vormünder vorqeschrieben

sind, unter Vormundschaft gestellt. Bon einer bloßen VermögenScuratel spricht daS Gesetz nicht«). 4. Nach beendigter ZuchthauS-

1) Stil, zu bett Staat-r. Prot., Sb. I, S. 18. 2) Str. G. S. S§. 10,11. 3) Str. G. B. S- 43. 4) A. M. Sefeltr, Comment., S. 102, hauptsächlich, weil ba# Fi am. Str. G. B. Art. 29—31 nur eine solche Curatel kennt. Im I. M. Sl. für Ib52, 27*

420 strafe hören die sämmtlichen Beschränkungen (1—3) von selbst auf. 5. Außerdem bleiben die Vorschriften deS Gesetze- bestehen, wonach der zu einer harten und schmählichen Zuchthausstrafe (eine solche ist die Zuchthausstrafe gegenwärtig nach dem Straf­ gesetze immer) Berurtheilte die väterliche Gewalt über seine Kinder verliert, so daß auch über diese eine eigentliche Vormund­ schaft eingeleitet werden muß'). Diese Wirkung der Derurtheilung zur Zuchthausstrafe bleibt nach Verbüßung der letzteren bestehen. ES handelt sich dabei nicht um eine Strafe, sondern um daS Wohl der Kinder des Verurtheilten. V. Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe zieht den Verlust der bürgerlichen Ehre von RechtS wegen nach sich, so daß nicht besonders auf diesen Ver­ lust zu erkennen ist. VI. Die lebenslänglich erkannte Zuchthaus­ strafe führt noch eine besondere Wirkung mit sich. Wenn nemlich der dazu Verurtheilte ein neues Verbrechen begeht, welches mit Freiheitsstrafe bedrohet ist, so kann nicht nur diese nicht gegen ihn erkannt werden, sondern eS kann auch gegen ihn gar keine, durch ein Gericht zu erkennende Strafe eintreten. Jede- Urtheil, daS eine solche festsetzen wollte, würde eben illusorisch sein. ES können daher in einem solchen Falle nur DiSciplinarschärfungen der Zucht­ hausstrafe nach Vorschrift der Hausordnungen eintreten *), auf welche natürlich der Richter nicht erkennen kann'). Anmerkung. Zn den früheren Entwürfen war die Zucht­ hausstrafe nicht als die schwerste Freiheitsstrafe aufgestellt. Die Entwürfe bis 1836 einschließlich hatten noch die schwerere Strafe der „Zwangsarbeit;" die dazu Verurtheilten sollten „in der zu ihrer Aufbewahrung bestimmten Strafanstalten gefesselt gehalten und zu schweren öffentlichen Arbeiten verwendet" werden. Der Entwurf der StaatSrathScommission hatte sie unter dem Namen

S. 324 wird die (Privat-) Ansicht vertheidigt, daß eine eigentliche Vormund­ schaft, aber nur da, wo Vermögen vorhanden, einzuleiten sei. 1) A. L. R. II, 2, §. 255. (5r. O. §§. 53, 568. 2) Vergl. die Cab. O. vom 20. Juni 1835 (G. S. S. 100), die übrigens gegenwärtig keine Gültigkeit mehr haben kann. 3) Der Entwurf von 1843 (§. 126) schrieb noch ein solches gerichtliches Erkenntniß vor. Der Entwurf von 1845 (§. 83) befahl dagegen die richterliche AuSsprechnng der ordentlichen gesetzlichen Strafe deS Verbrechens. Der Entwurf von 1847 ließ auch diese Vorschrift fallen. Die Motive (S. 31) sprechen sich aber nur über das Nichtwiederaufnebmen dcö §. 126 von 1843 auS und zwar kurz: „Der §. 126 Entw. von 1843, ist als entbehrlich fortgelaffen."

421

„Kettenstrafe" beibehalten. Der StaatSrathSentwurf von 1843 ließ sie fort. Seitdem ist man nicht auf sie zurückgekommen. — In Beziehung auf die Behandlung der Zuchthausgefangenen „setzte" die Commission der zweiten Kammer') „alS sich von selbst ver­ stehend voraus, daß die Zuchthausstrafe im Verwaltungswege nicht mit Beschränkungen oder Verschärfungen verbunden werden dürfe, die gegenwärtig nicht dabei üblich sind. Sollte später etwa eine vollständige Jsolirung der Sträflinge nach dem einen oder anderen der dafür aufgestellten Systeme für zweckmäßig erachtet werden, so würde deren Einführung jedenfalls nur im Wege der ordent­ lichen Gesetzgebung stattfinden können 1 2). 3"4

$. 79.

Die Einsperrung in das Arbeitshaus. Die ©traft der Einsperrung in ein Arbeitshaus ist nächst der Zuchthausstrafe die schwerste Freiheitsstrafe, die das Preußische Strafrecht kennt. Sie wird unter den im allgemeinen Theile des Strafgesetzbuches aufgezählten Strafarten nicht benannt, kommt auch überhaupt nur an zwei Stellen des Strafgesetzbuches vor. I. Sie besteht in einer in den bestehenden ArbeitShäusem zu voll­ streckenden, mit Zwangsarbeit verbundenen Freiheitsstrafe. II.» Sie findet nur in zwei Fällen statt: 1. gegen Landstreicherei, qualificirte Bettelei und Arbeitsscheu2); 2. gegen Weibspersonen, welche den polizeilichen Anordnungen zuwider gewerbsmäßig Unzucht treiben2). In beiden Fällen kann sie nur gegen Preußische Unterthanen zur Anwendung kommen, und zwar in der Art, daß vom Gerichte er­ kannt wird, daß die Verbrecher nach ausgestandener Hauptstrafe in ein Arbeitsbaus gebracht werden. Auf eine bestimmte Dauer der Einsperrung in daS Arbeitshaus erkennen die Gerichte nicht; diese Dauer ist vielmehr lediglich von der Landeöpolizeibehörde nach den Umständen zu ermessen, darf aber in dem Falle der SS. 117—120

1) Bericht, S. 28. 2) Um so weniger kann von jener Beseitigung der Recht«- und Handlungs­ fähigkeit „im Discipliaarwegt" die Rede sein. 3) Str. G. B. SS. 117-120. 4) Str. G. B. §. 146.

422 beit Zeitraum von drei, und in dem beS 5.146 ben Zeitraum von einem Jahre nicht übersteigen.

III. Die Strafe ber Ein­

sperrung in ein Arbeitshaus stellt sich hiernach zwar jedenfalls

alö eine eigentliche unb zwar Vergehenöstrafe bar, inbem sie nur in Folge Ausspruchs

burch

richterliches

Erkenntniß

vollstreckt

werben kann. Sie hat aber in sofern etwas Anomales, als nicht

sondern nur eine Verwaltungsbehörde ihre Dauer — innerhalb beS gesetzlichen Zeitraumes — bestimmt. Uebrigenö

ber Richter,

stellt sie sich zugleich bar als eine nur accessorische Strafe. Anmerkung.

Die Einsperrung

in ein Arbeitshaus

hat

nicht» gemein mit ber Strafe ber „Strafarbeit," welche fast sämmt­ liche frühere Entwürfe bis einschließlich 1847 aufführten. Diese

sollte „vollstreckt werben in einer von bem Zuchthause verschiedenen Strafanstalt,

in welcher bie Sträflinge in Beziehung auf bie

Arbeit milder zu behandeln sind, als im Zuchthause."

Sie sollte

eine „Mittelstufe bilden zwischen Zuchthaus und Gefängniß" und man hielt sie für unentbehrlich'), obwohl ber Verfasser-) sie al-

eine Halbheit unb alö wohl entbehrlich nachgewiesen hatte.

Erst

ber Entwurf von 1851 ließ sie fort, und bie Motive bemerkten

darüber: „Die als besondere Strafart im früheren Entwurf auf­

genommene Strafarbeit ist als entbehrlich fortgefallen')."

8. 80.

Die Gefängnisstrafe*). Die ihrer Schwere nach dritte Freiheitsstrafe ist bie Gefängniß­ strafe.

I. Sie besteht in einer Einschließung in einer Gefangen­

anstalt, in welcher bie Gefangenen in einer ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessenen Weise beschäftigt werden können.

ES

folgt auS dieser Bestimmung: Die Gefängnißstrafe darf nur in einer „Gesangenanstalt" vollstreckt werden, also weder in einer

„Strafanstalt," in welcher Zuchthausstrafen vollstreckt werden, noch

1) Revision von 1845, Bd. I, S. 35. 2) Ttmme, Kritik de- Tntw. von 1843, Sb. I, S. 59 flg.

3) Motive von 1851, S. 8. 4) Str. G. D. 8-14.

423

in einem „Arbeitshause," in welches die zur Einsperrung in ein Arbeitshaus Verurtheilten gebracht werden •). II. Die Gefangenen sollen nicht zu „ Arbeiten" angehalten, sie können nur nach ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen „be­ schäftigt" werden. Allerdings sind diese Ausdrücke, wie be­ zeichnend auch einerseits, doch auch sehr dehnbar andererseits; eS kommt also alles auf die betreffenden Verwaltungsbehörden an, indem auch hier den Gerichten eine Controle der Vollziehung nicht weiter zusteht. III. Die Dauer der Gefängnißstrafe soll höchstens fünf Jahre betragen, in sofern daS Gesetz nicht aus­ drücklich ein Anderes bestimmt. Das kürzeste Maß der Gefängniß­ strafe beträgt Einen Tag'). Wo also daS Gesetz einen anderen Zeitraum nicht bestimmt, hat der Richter die angedrohete Ge­ fängnißstrafe von Einem Läge bis zu fünf Jahren festzusetzen. Ein höhere- Maß alS daS von fünf Jahren spricht da- Gesetz auS: 1. Bei der nicht wesentlichen Theilnahme, wenn dem Thäter TodeSoder lebenslängliche Zuchthausstrafe angedrohet ist (10 Jahre)'). 2. Gegen Personen unter sechzehn Jahren bei schweren Verbrechen (bet an sich mit TodeS- oder lebenslänglicher Zuchthausstrafe bedroheten'biS 15 Jahren)'). 3. Bei dem Zusammentreffen mehrerer Freiheitsstrafen (bis zu 10 Jahren)$). 4. Beim Rückfalle (bis zu 20 Jahren) •).

1) DaS I. M. Rescript vom 24. Juni 1851 (I. M. Bl. S. 237) bestimmt indeß, daß, »da die gegenwärtig bestehenden Gefängnisse nicht auSreichcn werden, um alle nach dem neuen Str. G. B. zu erkennenden Gefängnißstrafen in denselben zu vollstrecken, nichts übrig bleibe, als bis zur definitiven Regulirung der Sache, gewisse Kategorien von Gefangenen, soweit eS der Raum gestattet, und insofern die Gefängnißstrafe in den dazu bestimmten Gcfangenanftalten nicht vollstreckt werden kann, dm Strafanstalten zu überweisen, in welchen eine besondere Straf, abtheilung in der Art einzurichten ist, daß dem Gefangenen in Ansehung der Kost, der Kleidung, der Beauffichtiaung und der Beschäftigung eine mildere Behandlung zu Theil wird, als den Zuchthaussträflingen."

2) Str. G. B. §. 15. Dergl. Gef., betreffend den Diebstahl an Holz und anderen Waldprodukten, vom 2. Juni 1852, §. 12 (G. S. @.305); 3) Str. G. B. §. 35. 4) Str. G. B. S. 43.

5) Str. G. D. 8- 57. 6) Str. G. B. $. 58.

424

$. 81.

Die Einschließung'). Sie ist die mildeste der eigentlichen Freiheitsstrafen1 2).3 4I.5 *Sie 7

begeht in einer einfachen Freiheitsentziehung mit Berücksichtigung

der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen, vollstreckt in

Festungen oder in anderen besonder- dazu bestimmten Räumen. Sie unterscheidet sich also von den drei bisher benannten Freiheits­

strafen hauptsächlich dadurch, daß sie 1. mit keinerlei Zwang oder

Anhalten zu irgend einer Arbeit oder Beschäftigung verbunden ist, und 2.. in anderen Räumen als irgend eine der genannten

drei Freiheitsstrafen vollstreckt wird.

Im Uebrigen kommt auch

bei ihrer Vollstreckung Alleö auf die DerwaltungSreglementS für

die betreffenden Anstalten an'). Sie stellt sich dar als die eigent­

liche „Festungshaft" oder der „Festungöarrest"

der bisherigen

II. Ihre kürzeste Dauer ist ein Tag*), die längste

Gesetzgebung. zwanzig Jahre.

Sie ist im Strafgesetzbnche angedrohet einerseits

beim Duells, andererseits bei einzelnen politischen Verbrechen, „wenn mildernde Umstände vorhanden sind," anstatt der Zucht­

hausstrafe').

Ferner wird sie, da sie doch nun einmal die Stelle

der Festungshaft einnimmt, dort anzuwenden sein, wo die letztere

in den, neben dem Strafgesetzbuche fortbestehenden besonderen Ge­ setzen angedrohet ist2).

Anmerkung.

Die Strafe der Einschließung war,

unter

1) Str. G. B. §. 13. 2) Und nickt »ii verwechseln mit der gleichnamigen Straft M Franz. Str. G. B. Art. 8 (Rdclusion), die eine Zuchthau-ftraft ist. 3) In sofern diese wirklich Festungen stnd, stcbt die Vollstreckung der EinschließuugSstrasc lediglich in der Hand von Militairbchörden. Eine Instruction de« Kriegsministerinm« an die FestiiiigScommandanturen vom 6. März 1826 (f. Hidig, Zcilschnft, Heft 7, S. 181 flg., ferner Mo live von 1827, Bd. I, S. 75 flg.) enlbält die Vorschrift über die Behandlung der Festung-gefangenen, die daiiach in zwei Klaffen gelheift werden. Ob sie noch Geltung hat, ist dem Verfasser nicht bekannt geworden. 4) Str. G. B. §.15.

5) Str. G. B. §§. 164-170. 6> Str. G. D. §§. 63, 64, 66, 68, 74, 76, 78. 7) 3- B. Ges. wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergeben, vom 23. Januar 1838, §§. 3, 4 (G. S. S. 7b). Dergl. (Sins. G. zum Str. ®. B. Art. X.

425 diesem Namen, den sämmtlichen früheren Entwürfen unbekannt.

Die

letzteren

hatten

der von 1847 in

dagegen

andere Bestimmungen,

so noch

folgender Weise (§. 14): „Die Festungshaft

besteht in einfacher Freiheitsentziehung

in den dazu bestimmten

Festungen, jedoch unter strenger Beaufsichtigung der Lebensweise und Beschäftigung der Gefangenen (§. 15).

Auf Festungshaft ist

nicht nur in den gesetzlich bestimmten Fällen, sondern auch als­ dann zu erkennen, wenn die Vollstreckung der im Gesetze ange­

ordneten Strafarbeit oder Gefängnißstrafe nach Beschaffenheit der

Umstände für weniger angemessen,

als die Festungshaft zu er­

achten ist. Jedoch darf bei Verbrechen, welche den Verlust der Ehrenrechte nach sich ziehen, niemals auf Festungshaft erkannt In dem letzten Paragraphen (15) war die eigentliche

werden."

Bedeutung und Bestimmung der Festungshaft klar ausgesprochen.

Man hatte sie auch während der Revision bewußt aufgefaßt als ein Surrogat für die Arbeitshaus« oder auch Gefängnißstrafe bei Personen der höheren und geblldeten Stände, indem man annahm, eS liege eine Härte und Ungerechtigkeit darin, solche Personen

gleich Leuten aus den mittleren und niederen Ständen in daö

Zuchthaus

oder Gefängniß einzusperren.

Schon in den Mo­

tiven von 1827')'heißt eö: „Um die nöthige

Gleichheit

der

Unterthanen vor dem Gesetze aufrecht zu erhalten, ist eS nicht

genug,

sie alle ohne Unterschied nach

einer Form

zu

be­

handeln, eS kommt vielmehr hauptsächlich auf daS Wesen dieser

Behandlung an; dieses

aber kann nicht absolut,

sondern nur

relativ, durch Beachtung der individuellen Verhältnisse bestimmt werden-).

DieS vorausgesetzt, so läßt eS sich im Allgemeinen

wohl nicht leugnen, daß eS auf eine wesentlich ungleiche Behand­ lung

hinauslaufen würde, wenn das Gesetz ein und dasselbe

Strafübel, z. B. die Zwangsarbeit, ohne Unterschied auf Personen aller Stände anwenden wollte. Der Mann von Stande und Bildung,

gewohnt an vielfache Bequemlichkeiten und Genüsse des Lebens, an den Umgang mit gebildeten Personen, und an eine höhere

geistige Thätigkeit, wird, wenn auch seine moralische Strafbarkeit

vielleicht größer ist, dennoch durch Erduldung der Zwangsarbeit oder Zuchthausstrafe, ungleich und unverhältnißmäßig mebr leiden,

1) Bd. I, S. 74 fig. 2) Wik würde das zu der Beibehaliung der Todesstrafe paffen?

426 als der Bauer oder Tagelöhner, der in seinen bisherigen Lebens­ verhältnissen vielleicht an eine noch schwerere Arbeit, an schlechtere

Kost, und noch geringere Bequemlichkeiten, und an einen Umgang

mit ähnlichen Personen gewohnt war, als er in der Strafanstalt vorfindet.

Grade also die Gleichheit vor dem Gesetze erfordert

eine verschiedene Behandlung der verschiedenen Stände in Bezug auf die Strafarten, und rechtfertigt vielmehr die Gründung be­

die Personen der

sonderer Strafanstalten für

höheren Stände,

statt sie als unzulässig darzustellen •)." Besonders die Rheinischen Stände waren eö gewesen, die int Jahre 1843 sich gegen eine solche Auffassung erhoben hatten, alö gegen „eine entschiedene Ver­

letzung

des Prinzips

der Gleichheit vor dem Gesetze1 2)." 34

Die

Motive von 1847 enthalten gleichwohl kein Wort über die Gründe

ihrer Beibehaltung.

Der Entwurf von 1851 brachte zuerst die

Strafe der „Einschließung." „Sie (die

Einschließung)

Festungshaft."

Die Motive sagen darüber nur:

tritt

an

die

Stelle

der

bisherigen

Der Name sei nur darum geändert worden, weil

„die Festungen keine ausreichende Lokalitäten gewährten, auch bei

Freiheitsstrafen kürzerer Dauer der Transport nach einer Festung

unausführbar sei2)." Die Kammern hatten gegen die Beibehaltung kein Bedenken.

nur

In der Commission der ersten Kammer wurde

gegen den Namen erinnert: „daß das neu cinzuführende

Wort: Einschließung zur Bezeichnung der custodia honesta

nicht glücklich gewählt sei, indem eS eine strengere Freiheitsstrafe alS die deS Gefängnisses anzudeuten scheine, während eö doch

vielmehr eine gelindere bezeichnen solle.

ES sei fast die wörtliche

Nebersetzung deS im Franz. Str. G. B. gebrauchten WorteS: rö-

clusion, welches dort aber eine entehrende Freiheitsstrafe benenne2)."

1) Vergl. ferner StaatSrathS - Protokolle, Bd. I, S. 26 flg., 44 flg., Re Vision von 1845, Bd. I, S. 51 flg. 2) Revision a. st. O. S. 51. 3) Motive von 1851, S. 8. 4) Bericht, S. 4.

427

§. 82.

Verhältniß der eigentlichen Freiheitsstrafen zu einander und allgemeine Grundsätze für die Anwendung derselben. I. DaS Verhältniß der vier Freiheitsstrafen deS Strafgesetz­ buches zu einander ist: 1. Die schwerste derselben ist die Zuchthaus­ strafe. Sie ist die schwerste sowohl ihrer Dauer als der Be­ handlung der Gefangenen nach. Der Behandlung der Gefangenen nach folgt unmittelbar auf sie die Strafe der Einspermng in daS Arbeitshaus, obwohl ihre Dauer kürzer ist, als die der beiden weiter folgenden. An die Einsperrung in daö Arbeitshaus schließt sich, gleich­ falls von dem Gesichtspunkte der Behandlung deS Gefangenen auS betrachtet, unmittelbar die Gefängnißstrafe an, obwohl ihre Dauer, freilich nur in der Regel, kürzer ist, als die der Einschließung (von den Faktoren der Gesetzgebung selbst: custodia honesta genannt ')• 2. Die Zuchthausstrafe kommt nur bei Verbrechen zur Anwendung; die Einspermng in daS Arbeitshaus nur bei Vergehen; die Ein­ schließung bei Verbrechen und bei Vergehen; die Gefängnißstrafe nur bei Vergehen, und zwar in der Art, daß, wo sie ausnahms­ weise an Stelle der für ein Derbrechm angedroheten Zuchthaus­ strafe eintritt, ihre Anwendung insofern dem Verbrechen sofort der Charakter deS Vergehens verleihet'). Hält man diese Sähe gegen die der vorigen Nummer, so zeigt sich, daß ein bestimmtePrinzip in der gesetzlichen Behandlung der verschiedenen Freiheits­ strafen nicht zu finden ist. 3. Die Zuchthausstrafe soll nur in Strafanstalten, die Einsperrung in daS Arbeitshaus nur in Arbeits­ häusern, die Gefängnißstrafe nur in Gefangenanstalten, die Ein­ schließung nur in Festungen oder in anderen besonders dazu bestimmten Räumen vollstreckt werden'). 4. Die Zuchthaus-

1) Man bat ibr in der Reihefolge der Strafen im Str. G. B. nur darum den Platz vor der Gefängnißstrafe eingeräumt, weil sie auch bei Verbrechen zur Anwendung komme, wahrend die Gefingnißstrafe nur bei Vergehen angeordnet sei (Motive von 1851, S. 8).

2) Freilich nur die Anwendung; die Competenz der Gerichte für das Ver­ geben kann also nicht alterirt werden. Vergl. Glossen zum Str. G. D. S. 50.

3) Siehe indeß I. M. Reser, vom 24. Januar 1851 (I. M. Vl. S. 237).

428

straf« ist theils lebenslänglich, theils auf bestimmte Zeit zu er­ kennen; die Gefängnißstrafe und Einschließung können immer nur auf bestimmte Zeit erkannt werden; die Einsperrung in daS Arbeits­ haus ist vom Richter nur überhaupt auszusprechen, ihre Dauer, an sich jedoch nur eine zeitliche, wird von den Verwaltungs­ behörden nach deren Ermessen bestimmt. 5. Die zur Zuchthaus­ strafe Verurtheilten müssen zu den in den Strafanstalten ein­ geführten Arbeiten angehalten werden. Dasselbe gilt von den zur Einsperrung in daS Arbeitshaus Verurtheilten in Betreff der Arbeiten des Arbeitshauses. Die zur Gefängnißstrafe Verurtheilten können ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen beschäftigt werden'). Die zur Einschließung Verurtheilten werden hinsichtlich ihrer Lebensweise und Beschäftigung nur einer Aufsicht unterworfen. 6. Die Zuchthausstrafe ist immer mit dem Verluste der bürgerlichen Ehre verbunden, die anderen Freiheitsstrafen nie. Dagegen ist dir Einschließung in zwei Fällen (Str. G. B. SS. 63, 64) mit dem Verluste bestimmter Ehrenrechte, und die Gefängnißstrafe in vielen Fällen mit der Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit verbunden. Die Einsperrung in daS Arbeitshaus kommt nie in Begleitung einer Ehrenstrafe vor. Auch in diesen Bestimmungen deö Gesetzes kann ein richtiges Prinzip nicht erkannt werden. II. Bei den zeitlichen Freiheitsstrafen kommt in Betreff ihrer Dauer in Betracht: 1. Die kürzeste Dauer der zeitlichen Zuchthausstrafe ist zwei, ihre längste Dauer ist zwanzig Jahre. Die kürzeste Dauer der übrigen Freiheitsstrafen ist ein Tag-), ihre längste zwanzig Jahre, mit Ausnahme der Einsperrung in daS Arbeits­ haus, die nicht über drei Jahre dauern soll '). III. Für die Be­ rechnung der Dauer der Freiheitsstrafen gelten folgende Regeln: 1. Ist die Strafe (im Gesetze oder Straferkenntnisse) auf ein oder mehrere volle Jahre bestimmt, so wird jedes Jahr nach dem Kalender berechnet.. Der Verurtheilte wird also an demselben Jahrestage entlassen, an welchem er die Strafe antrat (Einlieferung

1) Die polizeiliche Gefängnißstrafe ist ausnahmsweise mit keiner Be­ schäftigung verbunden. 2) Nur einmal schreibt daS Gesetz ausdrücklich daS Minimum von Einem Tage vor (§. 227). Daß der Richter auf dieses Minimum nur da zurückaehen kann, wo daS Gesetz nicht ausdrücklich ein anderes bestimmt, versteht sich von selbst. 3) Str. G. B. 88- 10, 13, 15, 43, 57, 58.

429 30. Juni 1852, Entlassung 30. Juni 1853, 1854 u. s. w.) 2. DaS

nicht volle Jahr wird nie nach seinen Bruchtheilen (% u. s. w.), sondern immer nur nach Monaten, und wenn eS sich um einen geringeren Zeitraum, als einen Monat, nur nach Wochen, wenn

eS sich aber auch nicht um eine volle Woche handelt, nach Tagen berechnet').

rechnet.

3. Jeder Monat wird hierbei zu dreißig Tagen ge­

Wer z. B. zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurtheilt ist,

wird nach 90 Tagen entlassen, also bei einer Einlieferung am

30. Juni nicht erst am 30., sondern schon am 28. September. 4. Jede Woche wird zu sieben Tagen gerechnet.

5. Der Tag

wird zu vierundzwanzig Stunden gerechnet. IV. Die Dauer einer jeden zeitlichen Freiheitsstrafe kann nur von dem Tage an berechnet

werden, an welchem der Berurtheilte die Strafe wirklich angetreten Hiervon muß jedoch nach den Anforderungen der Gerechtig­

hat.

keit nothwendig in allen denjenigen Fällen eine Ausnahme gemacht

werden, in welchen die Ablieferung des in der Untersuchungshaft befindlichen Verurtheilten an den Ort der Strafhaft ohne seine

Schuld eine Verzögerung erlitten hat, z. B. wegen Ueberfüllung

der Zuchthäuser, oder auch wegen Krankheit deS Verurtheilten. AuS diesem nemlichm Grunde kann auch die Strafzeit nicht für

unterbrochen erachtet werdens, wenn der Sträfling um seiner

Gesundheit willen aus der Strafhaft (namentlich dem Zuchthause) in eine andere Haft gebracht werden mußtet. Anmerkung.

Der erste Theil deS 8.15 deS Str. G. B.

wurde zuerst in den Entwurf von 1845 ausgenommen, und zwar „auf Anregung eine- Monenten und nach dem Vorgänge anderer

neuer Strafgesetzbücher," ohne weitere Motive. Auf einen Antrag „den Tag auf 24 Stunden zu firiren," ging man nicht ein, weil

damals auch noch auf weniger als 24 Stunden Freiheitsstrafe sollte erkannt werden bürst»41).2 3 Dieses Minimum wurde erst in

Entwürfe

dem

von

schweigen über den ($. 19) hatte noch

1851

8. 15

Die Motive

von

1851

ganz. — Der Entwurf von

1847

gebracht.

die ausdrückliche Bestimmung: „Wenn der

1) Dies kann nur der richtige Sinn der Bestimmung dcS Str G. D. §.15 sein; vergl. Glossen zum Str. G. B. S. 77. 2) Anerkannt von der Commission der S. unten Anmerkung.

zweiten Kammer, Bericht, S. 31.

3) Ueber die Grundsätze bei Umwandlung der Strafen s. unten

4)

Revision von 1845, Bd. I, S. 59.

430

Demrtheilte auS der Strafanstalt wegen körperlicher oder Geiste-, Krankheit in eine öffentliche Heilanstalt gebracht worden ist, so wird ihm die Zeit de- Aufenthalt- in der Heilanstalt auf feine Strafzeit angerechnet." Der Bereinigte Landtag hatte diese Be­ stimmung ohne Widerspruch genehmigt'). ES ist daher um so weniger zu ersehen, warum sie in den Entwurf von 1851 nicht ausgenommen ist, al- einerseits die Motive gänzlich darüber schweigen, und andererseits auch nicht etwa in dem zu erwartenden Strafprozeßgesetze eine Vorschrift darüber scheint getroffen werden zu sollen. Der Entwurf der Strafprozeßordnung vom Jahre 1851 *), enthält wenigstens nichts darüber. Daraus den Schluß ziehen zu wollen, der Inhalt der Bestimmung sei eben von der neuesten Redaction reprobirt wordm, wäre übrigens geradezu ver­ werflich. Auch die Commission der zweiten Kammer sprach sich so auS. ES heißt in dem Berichte derselben') wörtlich: „Manche Strafgesetzbücher enthalten auch Bestimmungen für den Fall, wenn eine Erkrankung während der Strafzeit den Transport in eine Krankenanstalt nöthig macht. ES versteht sich indeß wohl von selbst, daß in dem Falle, wo die Behörde die Versetzung in eine öffentliche Krankenanstalt verfügt, und die Beaufsichtigung und Beschränkung der Freiheit fortdauert, der Aufenthalt in einer solchen Anstalt auf die Strafzeit angerechnet werden muß, dagegen aber eine solche Anrechnung nicht stattfinden darf, wenn dem Erkrankten mit einstweiliger Suspension jeder Freiheitsbeschränkung erlaubt wird, seine Wiederherstellung in seinem eigenen Hause oder in einer von ihm zu wählenden Anstalt herbeizuführen. Eine Bestimmung hierüber ist in der That entbehrlich."

§. 83.

Die Ehrenstrafen. Es giebt Verbrechen, welche nur aus einer inneren Unehren­ haftigkeit hervorgegangen sein können, welche also die innere Un­ ehrenhaftigkeit, die sittliche Entwürdigung, Ehrlosigkeit ihre» Ur­

ti Sankt. Vkrh. Sb. II, S. 260. 2) I. M. Bl. S. 85 ff. 3) Bcricht der (Sonnn, der zweiten Kammer @.31.

431 Nicht

heberS bezeugen.

alle Verbrechen

sind

von solcher Art.

Auf einem je menschlicheren Standpunkte man steht, um desto seltener wird man auch in dem Verbrecher vollständige sittliche

Verworfenheit, also auch innere Ehrlosigkeit annehmen. Wo das

Verbrechen sie anzeigt, da muß auch die Strafe des Verbrechens sie anerkennen.

Sie kann diese Anerkennung nur dadurch ans-

sprechen, daß sie den Verbrecher unfähig macht,

an denjenigen

Rechten und Vorzügen Theil zu nehmen, die nur der ehrenhaften Persönlichkeit in dem RechtSleben zustehen. In dem Rechtsleben;

denn die Strafe deS RechtS hat eS überall nur mit dem Gebiete

des Rechts zu thun. Ueber die sittliche Achtung oder Verachtung kann kein Strafgesetz und kein Strafrichter gebieten. Das RechtS­ leben deS Menschen bewegt sich in dem Gebiete des Privatrechts

und deS öffentlichen Rechts.

In dem Gebiete des Privatrechts

bandelt es sich weniger um Erwerbung und Ausübung von Rechten, die mit der Ehrenhaftigkeit deS Menschen in unmittel­ barer Beziehung ständen. Die Privatrechtsverhältniffe sind ferner eben nur Beziehungen zwischen Person und Person,

meist von

einer freien Wahl und Gegenseitigkeit abhängend, so daß, wer sie nicht eingehen will, sie nicht einzugehen braucht.

Wer mit

dem Ehrlosen nichts zu thun haben will, braucht sich nur nicht

mit ihm einzulaffen.

einzuschreiten.

DaS Strafrecht braucht in sofern hier nicht

ES kann andererseits nicht einschreiten, weil eS

sonst nur zu leicht nicht blos Ehrlosigkeit aussprechen,

sondern

durch Beraubung der Möglichkeit der Erwerbung der Eristenz-

mittel,

Vernichtung der Eristenz

im Gebiete des öffentlichen RechtS.

herbeiführen

würde.

Anders

Im staatsbürgerlichen und

im gemeindebürgerlichen RechtSleben giebt eö eine Menge von Rechten und Rechtsvorzügen, die einerseits

jeder Staats- und

Gemeindebürger als solcher auSüben kann, ohne daß sie erst von

der Begründung eines

in dem Belieben Anderer stehenden, be­

sonderen Rechtsverhältnisses abhängig wären, deren Ausübung andererseits mit der Eristenzfrage selbst nichts

und die dennoch,

zu schaffen hat,

gerade deshalb, nur einen völlig ehrenhaften

Träger vorauösetzen.

Wo in einer Person eine innere Unehren­

haftigkeit sich manifestirt hat, darf diese Person sie nicht mehr auSüben

können. Wo eine innere Ehrlosigkeit durch ein Verbrechen sich mani­ festirt hat, muß die Strafe deS Verbrechens die Unfähigkeit zur Aus­

übung dieser Rechte, also der bürgerlichen und politischen Ehrenrechte, ausdrücklich enthalten.

DaS ist die Bedeutung der Ehrenstrafen.

432 ES kann hiernach keinen richtigen Sinn haben, wenn man \vn

entehrenden Strafen, und davon spricht, daß die Strafe entehre.

Man kann aber in strafrechtlichem Sinne auch eben so wenig davon sprechen, daß die verbrecherische Handlung allein entehre, daö entehrende Moment enthalte.

DaS Verbrechen bezeugt die

innere Ehrlosigkeit; daS allgemeine RechtSbewußtsein erkennt an,

daß der innerlich Ehrlose an den äußeren bürgerlichen und poli­ tischen Ehrenrechten keinen Theil mehr haben könne; diese werden ihm genommen; daS ist die Strafe selbst').

Die Ehrenstrafe erkennt

die innere Ehrlosigkeit durch Wegnehmen der äußeren Ehrenrechte an, die innere Ehrlosigkeit deS

in der Gemeinde und in dem

Staate lebenden Menschen durch Wegnahme der äußeren Ehren­ rechte deS Gemeinde- und EtaalsbürgerlebenS.

Eine Strafe, die

etwas Anderes ist oder enthält, ist keine gerechte.

Wo die Strafe

unverfälscht und unmittelbar aus dem RechtSbewußtsein deS Volkes hervorgeht, da kann sie, wie in jeder anderen, so auch in dieser

Beziehung gar keine ungerechte sein.

DaS RechtSbewußtsein deS

Volkes ruhet nur ganz und gar auf der Basis der Sittlichkeit,

also auch der Ehre.

Wo innere Unehrenhaftigkeit ist, da kann

eS diese gar nicht verkennen, und wo eS sie erkennt, da kann eS wieder, eben weil eS daö allgemeine und wahre RechtSbewußtfetit ist, nicht äußere Rechte bestehen lassen, die nur der Ehren­ haftigkeit angchören können.

Desto mehr können die Strafen deS positiven Rechts gerade in Beziehung auf die Ehre der Verbrecher

ungerecht sein,

und leider sind sie eS meist nur zu sehr.

zwar nach zwei Seiten hin.

Und

Nach der einen Seite hin können

sie ungerecht sein, in sofern sie dem Verbrecher die äußere Ehr« da lassen, wo daö Verbrechen gleichwohl die innere Ehrlosigkeit an den Tag gelegt ha».

Gesetzgebungen selten.

Fälle dieser Art sind in den neueren

Nach der anderen Seite hin können sie un­

gerecht sein, indem sie dort die äußere Ehre nehmen,

wo daS

Verbrechen nicht auS innerer Unehrenhaftigkeit hervorgegangen ist,

keine innere Ehrlosigkeit bezeugt.

Und da gerade ist der wundeste

Fleck unserer neueren Strafgesetzgebungen.

Der bei weitem größere

1) Man rkchntt auch dir s. g. demüthigenden Strafen zu den Ötjrenftrafen. Mag man daS. Aber Ehrenstrasen im eigentlichen Sinne sind sie nicht; ne sind eben nur demüthigende, da« (innere) Ehrgefühl krankende Strafen. Ihre Berech­ tigung habe» sie gehabt.

433 Theil ihrer Ehrenstrafgesetze entsprechen nicht den richtigen Grund­

sätzen.

Sie sind häufig nur zu sehr aus der bekkagenSwerthesten

Abschreckungstheorie hervorgegangen.

Die frühere Zeit war sehr

erfinderisch in Strafen, die den Leib verstümmelten und quälten.

Die neueren Strafgesetzgebungen sind meist nicht minder freigebig

und erfinderisch in Strafen, die die Ehre (den inneren Menschen)

verstümmeln und kränken sollen. Allein schon gerade darum wird der Zweck nicht mehr erreicht. Die öffentliche Meinung erkennt das Gewicht der Ehrenstrafen nicht mehr an. Man muß daher schon weiter gehen, um ihnen Nachdruck zu verschaffen.

Man

macht sie zu Eristenzstrafen, indem man den Verlust von Privat­ rechten (freilich nicht immer unmittelbar durch daö Gesetz selbst)

daran knüpft.

Wie lange auch das wirken wird? — Auch die

Vorschriften deS Strafgesetzbuchs über die Ehrenstrafen werden von

dem Standpunkte der Wissenschaft nicht sämmtlich ihre Rechtfertigung finden können. — I. Die Ehrenstrafen des Strafgesetzbuches bestehen darin, daß sie dem Verurtheilten bestimmte äußere Ehrenrechte und

RechtSvorzüge aus seinem staatsbürgerlichen und gemeinde­ bürgerlichen Leben, beziehungsweise die Ausübung derselben, nehmen.

Der Ausdruck: „Verlust der bürgerlichen Ehre" und

„Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte" ent­ spricht dieser Bedeutung der Strafe nicht genau. In das Gebiet deS Privatrechts greifen die Ehrenstrafen deS Strafgesetzbuches nicht ein.

Auch die Fähigkeit, Vormund, Curator, gerichtlicher Bei­

stand oder Mitglied eines FamilienratheS zu sein, gehört dem öffentlichen Rechte an'). II. DaS Strafgesetzbuch stellt eine drei­ fache Gradation der Ehrenstrafen auf: 1. Den „Verlust der bürger­

lichen Ebre," nemlich den vollen, immerwährenden Verlust der­

jenigen sämmtlichen Ehrenrechte, deren Verlust eS überhaupt als Strafe anerkennt *).

2. Die „ Untersagung der Ausübung der Der gesetzliche Ausdruck für

bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit." diese zweite Gradation

ist völlig

ungenau.

Sie umfaßt zwar

einerseits die sämmtlichen, auch in dem vollen Verlust der bürgerlichen Ehre enthaltenen einzelnen Ehrenrechte, aber in der Art,

1) Der Verlust der väterlichen Gewalt (oben §. 78) kann al- Strafe nicht aufgefaßt werden. 2) Str. G. B. §. 12.

Trmnie, Strafrecht.

28

434 daß die zeitweise Untersagung der Ausübung derselben nur einen

Theil von ihnen umfaßt, indem ein anderer Theil derselben geradezu und ganz so vollständig verloren geht, wie bei dem Ver­

luste der bürgerlichen Ehre'). Untersagung

der Ausübung

3.

Ten Verlust

einzelner

oder die zeitige

bestimmter Ehrenrechte-).

4. Zu diesen drei Gradationen der Ehrenstrafen kommt, indeß nicht als eine besondere Gradation, die öffentliche Bekanntmachting deS

StrafurtheilS in den bestimmten Fällen').

Diese Ehrenstrafe kann

überhaupt nur uneigentlich alS eine solche betrachtet werden.

Sie

nimmt kein besonderes Ehrenrecht, sie kann, als Ehrenstrase, nur zu denjenigen gezählt werden, welche von anderen Gesetzgebungen^)

geradezu als „demüthigende" Strafen bezeichnet werden.

III. Die

sämmtlichen Ehrenstrasen sind nur accessorischer Natur; sie können immer nur neben einer

anderen, Hauptstrafe, erkannt werden.

IV. In Ansehung des Verhältnisses der Schwere der Ehrenstrasen zu der Schwere der Freiheitsstrafen,

mit denen

sie

verbunden

werden, herrscht ein festes Prinzip mir theilweise: I. Der Verlust

der bürgerlichen Ehre tritt nur in Verbindung mit der TodeSund Zuchthausstrafe ein. 2. Die Untersagung der Ausübung der (sämmtlichen) Ehrenrechte steht nur in Verbindung mit der Ge fängnißstrafe.

3. Ter Verlust oder

Übung einzelner Ehrenrechte

Strafe der Einschließung.

die Untersagung der AuS

steht in Verbindung

nur

mit der

Zn sofern läßt ein gewisses ^) Prinzip

sich allerdings erkennen; dieses fehlt aber, in sofern mit der Strafe der Einsperrung in daS Arbeitshaus eine Beeinträchtigung der

Ehre gar nicht verbunden ist.

V. Gegen Personen, welche daS

sechszehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, kann weder

auf den Verlust der bürgerlichen Ehre, noch auf zeitige Unter sagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden °).

ES muß dieser Grundsatz unzweifelhaft auch von dem Verluste

1) Str. @. B. §§. 21, 22.

2) Str. G. B. 88- 25, Ii3, 64, 309 stq.

3) Sir. G. B. 8- 30. 4) Str. G. B. für Bauern, Art. 4.

5) Nur rin gewisses. (St ist kein Prinzip zu erkennen, wenn man erwägt, daß die schwerere Untersagung der Ausübung sämmtlicher (Sbmirrd)tc nur bei Vergehen, die leichtere Strafe deS Verlustes oder der Untersagung der Ausübung nur einzelner (Ehrenrechte dagegen bei Verbrechen porkommt. 6) Str. G. B. 8- 43.

435 und der Untersagung der Ausübung

der

einzelnen Ehrenrechte

(nach 88. 63, 64, Str. G. B.) gelten, da er ein allgemeiner und

auch ganz allgemein ausgesprochen ist.

VI. Auch gegen Frauen

muß gegenwärtig ausdrücklich auf den Verlust der Ehre,

oder

auf Untersagung der Ausübung der Ehrenrechte erkannt werden.

Denn nicht nur besitzen Frauen die Fähigkeit als Zeugen oder Sachverständige eidlich vernommen zu werden, sondern sie können

auch (einzelne) Orden- und Ehrenzeichen erwerben,

und

adligen

Standes, so wie Mitglieder kaufmännischer Corporationen sein').

VH.

Auch Ausländer

können

den

Besitz einzelner Ehrenrechte

Preußischer Staatsbürger erlangen; auch gegen sie muß daher auf den Verlust der Ehre und auf Untersagung der Ausübung

der Ehrenrechte erkannt werden.

VIII. Der Verlust und die Unter­

sagung der Ausübung der Ehrenrechte kann nur Folge von Straf­

unheilen Preußischer Gerichte sein. Die Straferkenntnisse aus­

ländischer Gerichte sind in dieser Beziehung völlig wirkungslos, mögen sie den Verlust u. f. w. ausdrücklich ausgesprochen, oder zu einer Zuchthaus- oder anderen dort entehrenden Strafe verurtheilt haben. IX. Wenn ein Preuße (zur Zeit als er Preußischer

Unterthan war) wegen eines Verbrechens oder Vergehens bestraft

worden (also nicht blos rechtskräftig verurtheilt worden ist,

son­

dern auch die Strafe vollständig verbüßt hat, oder von dem aus­

wärtigen Regenten begnadigt worden ist)"), welches nach Preußi­ schen Gesetzen den Verlust der bürgerlichen Ehre oder die Unter­

sagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte (aller oder einzelner) auf Zeit nach sich zieht, so kann (nach dem Ermessen

deS Gerichts) ein neues Strafverfahren von den Preußischen Ge­ richten eingeleitet werden, und eS muß gegen den Schuldigen (wenn der Angeklagte also in einem vollständigen neuen Verfahren

für schuldig befunden wird) in Gemäßheit der Preußischen Gesetze

auf Verlust der bürgerlichen Ehre oder auf Untersagung der Aus­ übung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit (also auf die ander-

1) Indem früher in der Regel nur auf den Verlust des Recht- die Preuß. Rational-Kokarde zu tragen, als das Symbol der staats- und gemeindebürgerlichcn Ehrenhaftigkeit, erkannt wurde, Frauen aber die Kokarde nicht tragen, wurde gegen Frauen in der Regel gar keine Ghrenstrafe ausgesprochen. Ausnahms­ weise geschah eö gleichwobl auch schon früher, z. B. in den Fällen deS A. L. R.

II, 20, 88- 1405, 1448, 1453, 1451, 1456. 2) Vergl. Str. G. B. §. 4.

436 weit von dem Preußischen Gesetze angedroheten Strafen nicht) erkannt werden ').

X. Ueber die Rehabilitirung der bürgerlichen ES ist daS Gnaden­

Ehre enthält daS Gesetz keine Vorschriften.

sache >'). XI. Dort, wo überhaupt auf den Verlust der Ehre oder

die Untersagung der Ausübung der Ehrenrechte besonders zu er­

kennen ist, muß diese auch dann geschehen, wenn gegen den zu Verurtheilenden auch schon früher darauf erkannt fein sollte. Gesetz macht keinen Unterschied.

DaS

Von praktischer Bedeutung kann

eS bei dem Verluste der Ehre allerdings nicht fein, wenn keine Rehabilitirung stattgefunden hatte. Anmerkung.

Die Ansichten

die Behandlung der

über

Ehrenstrafen haben während der Revision deS Strafrechts vielfach

geschwankt. können.

Man hatte nie

den

richtigen Standpunkt

treffen

Daö Allgemeine Landrecht enthält nur bei einzelnen be­

stimmten Verbrechen Vorschriften über Ehrenstrafen, welche letztere dann jedesmal im Urtel ausdrücklich ausgesprochen werden müssen.

Manchmal ist nur von dem Verluste bestimmter gemeindebürgerlicher und anderer Corporationsrechte die Rede'). Manchmal von

dem Verluste aller bürgerlichen Ehre').

Manchmal von

einer

Erklärung für ehrlos und völliger Ehrlosigkeit^). Ein neues System der Bestrafung an der Ehre wurde durch die Gesetze über die Einführung der Preußischen Nationalkokarde, über daS Recht

zum Tragen derselben und über den Verlust dieses Rechts ge­ schaffen'). haftigkeit

Die Nationalkokarde wurde als Symbol der Ehren­

deö

Preußischen

Staatsbürgers

anerkannt,

und eS

wurde daS Recht zum Tragen derselben als Strafe eines jeden Verbrechens festgesetzt, durch welches ein Mangel an patriotischer

oder ehrliebender Gesinnung

an

den Tag

gelegt werde.

Als

Folge des Verlustes deö Rechts zum Tragen der Nationalkokarde wurde der Verlust der staatsbürgerlichen und nach und nach auch der gemeindebürgerlichen und anderer Corporationsrechte betrachtet. 1) Sir. G. B. §. 24. la) Vergl. darüber I. M. Bl. von 1853, S. 122 flg. Ncscr. mit Crlaß vom 30. December 1852. 2) A. L. R. II, 20, §§. 1448, 1449. 3) A. L. R. II, 20, §§. 95, 1405, 1454. 4) A. L. R. II, 20, §§. 34, 1453, 1456. 5) Cab. O. v. 22. Februar 1813 (G. S. S. 22). C. O. v. 30. Septbr. 1813 (Samml. der Verordnungen rc., S. 11). C. O. v. 28. Marz 1816 (das. S. 14). Rescript vom 3. Mai 1814 (das. S. 12). Rescript vom 4. Novbr 1815 (Jahrb. Bd. 3, S. 283).

437 Meistenteils wurde dies auf dem bloßen Verwaltungswege auS-

und abgemacht. Daher auch würde eS unrichtig fein, was ge­ setzlich nur das einzig Richtige hätte

fein können,

davon zu

sprechen, daß der als Strafe ausgesprochene Verlust deS Rechts

zum Tragen der Kokarde, nur die Strafe des Verlusts der Ehren­

rechte selbst habe bedeuten oder anzeigen sollen.

Dieser Ver­

lust war eben eine Folge jenes Verlustes. Dennoch wurde in den­

jenigen Fällen, in denen das Gesetz den Verlust bestimmter Ehren­ rechte,

oder aller bürgerlichen Ehre,

oder

die Ehrloserklärung

ausdrücklich vorschrieb, traditionell auch noch hierauf, neben dem Verluste deS Rechts zum Tragen der Kokarde, erkannt. Auf den Verlust der Orden wurde übrigens von den Gerichten gar nicht erkannt; ihre Entziehung

vorbehalten').

war

lediglich

dem Staatsoberhaupte

Bei der Revision des Strafrechts hielt man an­

fänglich mehr an einem, dem landrechtlichen ähnlichen Systeme

Nur bei einer Verurtheilung zur Zwangsarbeit oder Zucht­ hausstrafe sollte der Verlust der Ehre eintreten, nemlich speziell

fest.

der Verlust

1. deS Adels, 2. der

Ordens- und

Ehrenzeichen,

3. aller Würden und öffentlichen Aemter, 4. der städtischen bürger­ lichen Ehrenrechte, 5. deS Rechts, die Preußische Nationalkokarde

und Kriegödenkmünze zu tragen.

Der Entwurf von 1836 hatte

dies im Ganzen nur wenig geändert.

Er nahm nur wieder die

Vorschrift auf, daß „in Ansehung der einheimischen Ritterorden

die Bestimmung dem Landesherrn vorbehalten bleibe" (§. 37). Bei

den Berathungen der StaatSrathö-Commission wurde hiegegen je­ doch erinnert, „ daß der §. 37 zu eng in seiner Disposition sei, da er die Ehrenstrafen als zusätzliche Strafen blos bei schweren

Strafen aufstelle, während sie

doch wegen gewisser Verbrechen

auch bei minder schweren Strafen, sowohl nach den bestehenden

Gesetzen, als auch nach dem Entwürfe einträten. Außerdem seien

im $. 37 mehrere Ehrenstrafen gar nicht erwähnt."

Ein Antrag,

„den Verlust aller Ehrenrechte als nothwendige Folge aller

schweren Verbrechen und gewisser Verbrechen geringerer Art auf#

zustellen, bei welchen sich ein Mangel an ehrliebender Gesinnung kund gebe, wurde dabei wiederholt zurückgewiesen1 2).

Der Ent-

1) Cab. O. u. Urkunde vom 18. Januar 1810 (G. S. von 1806—1810, S. 632). Urkunde v. 23. März 1812 (G. S. S. 111). Urkunde v. 10. März 1813 (G. S. S. 33). Urkunde vom 3. August 1814 (@. S. S. 71). 2) StaatSr. Pro,. Bd. I, S. 51 flg., 71 flg., 168.

438 wurf von 1843 verordnete danach, daß die Verurtheilung zur

Zuchthausstrafe oder Cassation, sowie zu anderen Strafen dann, wenn solches bei einzelnen Verbrechen besonders bestimmt worden,

den Verlust der Ehrenrechte nach

sich ziehe.

Der Verlust der

Ehrenrechte bestand in dem Verluste: 1. des Adels, 2. der öffent­

lichen Würden und Titel, 3. der Standschaft, sowie der Theil­ nahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corpo-

rationen, 4. der Besugniß zur Ausübung

des Patronats, der

Gerichtsbarkeit und der Polizeiverwaltung und 5. der National­ kokarde (88. 33, 34).

Wegen der Orden- und Ehrenzeichen beließ

man cö im Ganzen bei den Bestimmungen deö Entwurfs von 1836. Dem Entwürfe von 1843 schlossen sich, nur in veränderter

Fassung,

die Entwürfe von 1845 und 1847 an.

Der letztere

fügte ausdrücklich, ckls auch durch richterliches Erkenntniß auözu-

fprechen, den Verlust „der inländischen und ausländischen Orden

und Ehrenzeichen" hinzu (§. 20). Der Entwurf von 1851 brachte

die Vorschriften deS Strafgesetzbuchs, an denen die Commission

der zweiten Kammer nur einzelne Worte geändert hat. Sie sind meist dem Französischen Rechte entnommen'). Die Motive sagen dar­ über unter Anderem: „Der Verlust der bürgerlichen Ehre ist nicht Folge der Strafe, sondern mehr nur die Anerkennung einer That­

sache, welche durch die Begehung der strafbaren Handlung, durch die hierin liegende Verleugnung des Ehrgefühls, herauSstellt.

In sofern ist derselbe

härtesten Art der Freiheitsstrafe

sich von selbst

nicht blos bei den mit der

bedroheten Verbrechen, sondern

auch bei minder, schweren und gefährlichen und darum nur durch eine mildernde Strafe zu ahnenden Handlungen begründet. Allein

diese geringfügigeren Verbrechen und Vergehen, die häufig nur auS Noth oder Leichtsinn, oder zu einer Zeit verübt werden, wo der

Charakter deS Thäters noch nicht zur vollen Reife gediehen, lassen zwar int Augenblicke ihrer Begehung auf einen Mangel an Ehr­ gefühl schließen und stellen die Denk- und Handlungsweise deS

Thäters in einem für ihn so nachtheiligen Lichte dar, daß er

nicht mehr zu den unbescholtenen Bürgern gerechnet werden kann ; sie sind indessen ihrer geringeren Intensität wegen nicht geeignet,

denselben für immer als ehrlos zu erachtens."

1) Franzos. Str. G. B. Art. 28, 34, 42. 2) Motive von 1851, S. 9, 10.

Daraus ist der

439 Unterschied zwischen dem Verlust der bürgerlichen Ehre und der

btoS zeitigen Untersagung der Ausübung der Ehrenrechte gebaut. Die Motive sagen

zwar nicht,

welche „Thatsache" durch die

Ehrenstrafen anerkannt werden soll. Daß indeß diese „Thatsache" nicht ganz richtig ausgefaßt sein muß, scheint schon allein daraus

hervorzugehen, daß selbst bei den „nur auS Noth oder Leichtsinn verübten geringfügigeren Vergehen" eine Ehrenstrafe eintreten soll,

die den gänzlichen Verlust gerade der wichtigsten Ehrenrechte, und eine Untersagung der Ausübung der übrigen auf mindestens ein

Jahr bis zu zehn Jahren hin enthält.

Es läßt ein Widerspruch

darin sich nicht verkennen. — Die Kammern erhoben gegen daS System deS Entwurfs keine Bedenken. Die Commission der

zweiten Kammer „erkannte vielmehr in der Einführung der Unter­ sagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit eine

wesentliche Verbesserung der zur Zeit bestehenden Gesetzgebung')." — Der 8. 24 Str. G. B., der grundsätzlich gleichfalls schwerlich

anerkannt

werden

dürfte,

fand

sich

schon

in

den

früheren

Entwürfen.

8. 84.

Der Verlust der bürgerlichen Ehre besonders. I.

Der Verlust der bürgerlichen Ehre tritt überhaupt nur

ein bei denjenigen Verbrechen, welche mit Todes- oder Zuchthaus­ strafe bedrohet sind.

Bei den ersteren in einzelnen, vom Gesetze

speciell bestimmten Fällen (oben 8. 77). ES muß besonders darauf erkannt werden. Bei den mit Zuchthausstrafe bedroheten Ver­ brechen tritt er überall und nothwendig durch die Verurtheilung

zu der Zuchthausstrafe von selbst, von Rechtswegen ein, so daß nicht noch besonders darauf erkannt werden darf.

Verluste der bürgerlichen Ehre ist enthalten:

II. In dem

1. Der Verlust deS

Rechts, die Preußische Nationalkokarde zu tragen. Die Preußische

Nationalkokarde wird alS daö äußere Zeichen deS Vollbesitzes der politischen Ehre betrachtet. ES kann sie daher nur derjenige tragen, der sich in diesem Vollbesitze befindet.

1) Bcncht, S. 33.

2. Die Unfähigkeit, öffent-

440 ltche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu führen oder zu erlangen, sowie der Verlust deS Adels,

a) Mit Aus­

nahme deS AvelS ist im Gesetze nur die Rede von einer Un­

fähigkeit, die Titel u. s. w. zu führen oder zu erwerben. Vermöge deS Prinzips der Terri­

Die Ausdrucksweise ist ungenau.

torialität kann die Bedeutung nur die fein, daß der Verurtheilte

auch die Preußischen Titel, Orden, Aemter u. s. w. verliert,

so wie deren in Preußen nicht weiter erwerben kann. Die aus­ ländischen Titel, Orden, Aemter u. s. w. verliert er dagegen nicht; eben so wenig kann

ein Preußisches Gericht ihm das

Recht zu einer künftigen Erwerbung derselben absprechen.

Allein

er darf innerhalb deS Preußischen Staatsgebiets dieselben nicht führen, sich ihrer nicht bedienen '). b) Daß unter den Titeln

und Würden auch akademische verstanden werden müssen,

kann

bei der Allgemeinheit deS Ausdrucks

nicht

zweifelhaft sein,

zu a Gesagte.

und

der Vorschrift

c) Auch in Betreff des AdelSverlusteö gilt das Den Preußischen Adel verliert der Verurtheilte;

deS ausländischen AbelS darf er in Preußen sich nur nicht be­

dienen.

Danach ist auch das Verhältniß der sogenannten media-

tisirten staatöherrlichen Familien in Preußen zu beurtheilen.

gehören zum hohen Adel Deutschlands-).

Eie

Dieses Recht ist ihnen

von den sämmtlichen Deutschen Regierungen ausdrücklich garantirt, es steht in sofern unter einem besonderen (partikularen) völker­ Preußische Gesetze können eö mithin einseitig

rechtlichen Schutze.

nicht entziehen. Der Adel dieser Familien ist in sofern kein Preußi­ scher Adel.

In sofern kann er also durch den Verlust der Ehre

in Preußen nicht betroffen werden.

Dieser Verlust hat nur zur

Folge, daß der Verurtheilte sich innerhalb deö Preußischen Gebiets seines Adels nicht bedienen sanns).

Zwischen den Häuptern

und den anderen Mitgliedern dieser Familien hier einen Unter­

ti Die Ansicht in den Glossen zum Str. G. B. S. 73 wird hiernach modisieirt. Ueber die Vollstreckung deS Erkenntnisses in Betreff des Verluste» der Orden- und Ehrenzeichen f. I. M. Restript v. 20. November 1851 (3. M. Bl.

S. 273). 2) Deutsche Bundesakte, Art. 14. , 3) Einzelne der medialisirten Familien habe» von Preußen adlrche Standes­ erhöhungen erhalten. Diese gehen durch eine Verurthcilung zum Verlust der Ehrenrechte natürlich verloren; der Verurtheilte tritt in den früheren adlichcn (Reichs-) Stand zurück, und nur auch denen darf er sich im Auslande bedienen.

441 schied zu machen, dafür liegt eine rechtliche Veranlassung nicht

vor.

d) AuS der dargestellten Bedeutung deS Adelsverlustes ergiett

sich die Folge desselben in Beziehung auf den Ehegatten und die

Nachkommen deS Verurtheilten.

Der inländische Adel geht ver­

loren; die Ehegattin deS Verurtheilten verliert ihn also unbedingt.

Der Verurtheilte kann auch keine adlige Kinder mehr erzeugen').

Den schon vor der Verurtheilung vorhandenen Kindern wird durch die Verurtheilung ihr Adel nicht wieder genommen,

e) Wenn

gegen eine adlige Frau der Verlust der Ehre ausgesprochen wird, so kann eS nur zur Folge haben, daß sie ihren Geburtsadel verliert, beziehungsweise sich desselben nicht ferner bedienen kann. Den adligen Stand ihres Ehemanns behält sie; natürlich kann sie auch noch adlige Kinder gebären.

schworener zu sein,

3. Die Unfähigkeit, Ge­

in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen,

zu wählen oder gewählt zu werden, oder

die auö öffentlichen

Wahlen hervorgegangenen oder andere politische Rechte auSzuüben. Die hier gemeinten Rechte sind nicht blos die staatsbürgerlichen, sondern auch die gemeindebürgerlichen.

Andere korporation-rechte

4. Die Unfähigkeit,

als Zeuge oder

Sachverständiger eidlich vernommen zu werden,

oder als Zeuge

sind hier nicht gemeint.

bei der Aufnahme von Urkunden zu dienen. Vormund, Nebenvormund, Curator, Mitglied eines FamilienrathS zu sein,

5. Die Unfähigkeit,

gerichtlicher Beistand oder eS fei denn, daß eS sich

um die eigenen Kinder (deS Verurtheilten) handle und die ober­

vormundschaftliche Behörde oder der Familienrath die Genehmigung

ertheile.

6. Der Verlust deS Rechts, Waffen zu tragen, und die

Unfähigkeit, in die Armee einzutreten.

Indem hier überall nur

von staatS- und gemeindebürgerlichen Rechten die Rede ist, kann

auch das Recht des Tragens von Waffen sich nur darauf, also auf das Recht, in die Bürgerwehr u. f. w. einzutreten, sich

DaS Tragen von Pri.vatwaffen (wobei man von einem Rechte gar nicht einmal sprechen kann) kann dadurch nicht be­ beziehen.

rührt sein. Jemanden z. B. nothwehrloö, auch gegen wilde Thiere,

zu machen, würde strafrechtlich keinen Sinn haben.

7. Außer

den bisher genannten Rechten werden durch den Verlust der bürger-

1) Aus Ehegattin und Kinder der Verurtheilten solcher mediatifirten Fayrilien, die von Preußen StandeSerhöhungen erhalten haben, (s. d. v. N.) ergiebt sich die weitere Anwendung von selbst.

442 lichen Ehre auch noch solche andere Ehrenrechte, namentlich in

Beziehung auf die Mitgliedschaft an kaufmännischen und anderen Corporationen verloren,

deren Verlust in Folge von strafbaren

Handlungen durch besondere gesetzliche Vorschriften ausgesprochen ist.

Manche dieser besonderen Vorschriften machen den Verlust

der besonderen Rechte davon abhängig, daß von dem Richter aus­

drücklich auf denselben erkannt sei'); andere sprechen allgemeiner von einem Erkenntniß auf den Verlust der bürgerlichen Ehre-). Der Verlust muß unzweifelhaft in beiden dieser Fälle eintreten, sobald der Verlust der bürgerlichen Ehre in dem Erkenntnisse aus­ drücklich

oder durch Verurtheilung

sprochen ist').

zur Zuchthausstrafe

ausge­

III. Der Verlust der bürgerlichen Ehre tritt mit

dem Tage ein, an welchem daö Urtheil rechtskräftig geworden ist. Von der wirklichen Antretting einer erkannten Zuchthausstrafe kanu er um so weniger abhängig fein, als er eben eine Folge der

bloßen Verurtheilung zu dieser Strafe ist. Anmerkung.

Nachdem

man

über die Behandlung der

Orden und Ehrenzeichen vielfach bei der Revision des Strafrechts

geschwankt hatte (s. d. Anm. z. v. §.), enthielt endlich der Ent­

wurf von 1847 (§. 20) die ausdrückliche Bestimmung, daß der Verlust der Ehrenrechte atich den Verlust „deS Besitzes inländischer

und ausländischer Orden und Ehrenzeichen" umfasse. tive von 1851

Die Mo­

lassen sich über die veränderte Fassung der be­

treffenden Vorschrift nicht auö.

Auch die Kammerverhandlungen

berühren den Punkt nicht weiter.

Tie Frage über den Verlust

deS ausländischen Adels, so wie ausländischer Titel rind Würden, kam bei der Revision nur einmal zur Sprache. Die StaatSrathS-

commission beschloß in der Sitzung vom 3. Mai 1838: „In An­

sehung deS AdelövcrlusteS soll zwischen Inländern und Ausländern uttterschieden und gegen letztere, wenn sie den Adel nicht vom

1) 3e vcrortncn z. B. tic prahlten rev Ka u sm a n n S c 0 rv 0 l a t i 0 n e n faü durchgängig, das; joatf 9k echt der Mitgliedschaft der 6*oivorauoii vu loten gehe: „durch richterliches (5'tkcnntniß auf teil Verlust der kaufmännischen Nichte;" vergl. die Statuten der Kaufmannschaft vi 2Vertin 3 v. 2. Mär; 1820, tztz. 71, 72 (6k S. 5. 46), vi Memel v. 21. Mai 1822, §§. 95, 96 (6). S. S. 165), ;n Tilsit v. 22. Avril 1823, §. 97 (fSJ. S. S. 89). 2) „Durch richterliches Erkenntnis; ans den Verlust der kaufmännischen Rechte oder der bürgerlichen 6hre," Statut für die Kaufmannschaft zu Stettin vom

15. November 1821, §. 98 (6k S. S. 210). 3) Ueber die Wirkungen deS Verlustes der bürgerlichen Ehre in Beziehung aus Pensionen und Gnadcngehaltc s. unten.

443 Könige erhalten haben, nur dahin erkannt werden, daß sie von ihrem Adel in den königlichen Staaten keinen Gebrauch machen dürfen, gleichzeitig soll Anzeige von diesem Urtheile dem Justiz­

minister gemacht werden. Dasselbe soll auch in Bezug auf Wür­

den und Titel, die der Ausländer besitzt, geschehen*)." DaS Plenum

deö StaatörathS verwarf aber diesen Beschluß'). sind

nicht

bekannt

Die Gründe

geworden. — In Betreff der mediatisirten

Standesherren hatte zwar bei derselben Gelegenheit daö Plenum

des StaatSraths der Commission zur Erwägung gegeben, ob nicht „die Bestimmungen über den Adelsverlust auf den niederen Adel beschränkt, und durch einen besonderen Vorbehalt auSgcdrückt wer­ den solle, daß eS in Ansehung deS hohen Adelö bei der bestehen­

den

Verfassung

verbleibe."

Die Commission

war

jedoch der

Meinung, „daß eS bedenklich scheine, über den vorliegenden, dem inneren Staatsrechte angehörenden Gegenstand im Strafgesetzbuch

Bestimmungen zu treffen')."

Aehnlich entschied man sich bei der

Revision von 1845: „ES bedarf nicht der von neuem (von dem

Verfasser, Kritik von 1843, S. 71 flg.) angeregten Frage wegen

deö AdelöverlusteS der mediatisirten Standesherren, welche man früher mit Recht hat auf sich beruhen lassens."

8- 85. Die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit. I. Diese Ehrenstrase, deren Name aber ihrer Bedeutung nicht genau entspricht (s. unten Nr. II.), tritt nicht allgemein bei einer

bestimmten Prinzipalen Strafe (wie der Verlust der Ehre bei der Zuchthausstrafe), sondern nur in den vom Gesetze besonders be­

stimmten Fällen, und zwar immer nur bei Vergehen ein.

Es muß

jedesmal besonders und ausdrücklich darauf erkannt werden; bei einigen Vergehen unbedingt, bei anderen nach dem Ermessen des

Richters').

II. Die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen

1) StaatSr. Protoc. Bd. I, S. 72. 2) Das. S. 189. 3) Das. S. 189, 190. 4) Revision von 1845, S. 89. 5) Jene« nach Str. G. B. §§. 85, 106, 113, 137, 143, 147, 216-218, 227, 235 , 237, 238 , 242 , 243 , 246 , 253 , 257, 263 , 266 , 276 , 324. DaS

444 Ehrenrechte enthält folgende,

wesentlich verschiedene Momente:

1. Den vollständigen Verlust aller öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen, so wie des Adels und aller aus

früheren öffentlichen Wahlen für den Verurtheilten hervorgegangen Insofern hat also diese Strafe vollständig die Wirkun­

Rechte *).

gen deS Verlustes der bürgerlichen Ehre (s. d. v. §.). Die so ver­

lorenen Rechte leben daher auch nach dem Ablauf der Zeit, für welche die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehre er­

kannt ist, nicht wieder auf. Der Unterschied ist nur, daß bei einer

bloßen Untersagung der Ausübung der Ehrenrechte auf Zeit der Verurtheilte nach Ablauf dieser Zeit von selbst die Fähigkeit wieder erlangt, die genannten Rechte zu erwerben, waS bei einer

Verurtheilung zum Verlust der bürgerlichen Ehre ohne ausdrück­ liche Rehabilitation nicht geschehen kann.

Es leuchtet danach ein,

wie durchaus ungenau die (freilich einmal gesetzliche) Bezeichnung dieser Strafe ist. 2. Die Unfähigkeit, die übrigen in dem Verlust der bürgerlichen Ehre enthaltenen einzelnen Rechte (f. d. v. §.)

während der in dem Urtheile bestimmten Zeit auszuüben. a) Diese Rechte gehen für den Verurtheilten nicht verloren; er kann sie

nur während der bestimmten Zeit nicht ausüben; sie ruhen während dieser Zeit, und leben mithin nach Ablauf derselben von selbst

wieder auf,

so daß alsdann

der Verurtheilte auch

von selbst

wieder in ihre Ausübung eintritt, b) Es gilt das von allen, unter

Nr. 1 nicht ausdrücklich für völlig verloren erklärten Rechten, also auch von dem Rechte, die Führung der Vormundschaft oder (Suratei wieder zu

übernehmen.

Findet das vormundschaftliche Gericht

Bedenken, so muß das gesetzliche Verfahren über Entlassung deS

Vormundes oder Curators eingeleitet werden-), c) Unzweifelhaft

treten auch die besonderen Corporationsrechte, z. B. Mitgliedschaft an kaufmännischen und anderen Korporationen, von selbst wieder ein, falls nicht die betreffenden Statuten ausdrücklich ein Anderes

Miete §§. 75 , 77, 80,129, 130, 133, 141, 150, 256 , 258 , 259, 260 , 271, 282 , 308 , 311. 1) Str. G. B. §. 22. 2) A. L. R. II, 18, §§. 918 flq., 956. A. M. Beselet, Comment. S 128;

der Verurtheilte soll das Amt ter Vormundschaft verlieren, weil cS sich um das Interesse des Mündels handele. Es bandelt sich aber auch um ein Recht, daS durch das Strafgesetz eben nicht für verloren erklärt wird, über dessen Ausübung oder Vlerust aber gerade im Interesse deS Mündels besondere Gesetze eriftiren, die man nicht ohne Weiteres auf die Seite schieben kaun.

445 enthalten,

d) In Betreff der Fähigkeit, in die Armee einzutreten,

ist zu unterscheiden: aa) War gegen einen Nichtsoldaten erkannt,

so ist dieser mit dem Ablaufe der Zeit von selbst wieder fähig, in die Armee einzulreten. bb) War gegen eine Person des Soldaten­

standes erkannt, so ist, wenn die Untersagung auf eine längere alS dreijährige Dauer ausgesprochen war, damit die vollständige Entlassung aus dem Soldatenstande von Rechtswegen verbunden; bei einer kürzeren Dauer gehört während derselben der Verurtheilte zur zweiten Klasse des SoldatenstandcS, auS welcher er also nach Ablauf der Zeit von selbst in die erste Klasse zurücktritt'). .3. Die

Zeit, für welche die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte eintreten soll, muß in dem Urtheile ausdrücklich be­

stimmt werden; sie soll wenigstens ein, und höchstens zehn Jahre betragen.

Im Falle einer realen Concurrenz von Delicten muß

diese Dauer überschritten werden -). 4. Die Wirkungen der Unter­

sagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte beginnen mit der Rechtskraft deS Urtheils, in welchem sie ausgesprochen ist;

die Dauer dieser Strafe wird gleichwohl erst von dem Tage be­ rechnet, an welchem die zugleich erkannte Freiheitsstrafe verbüßt ist.

Diese letztere Bestimmung ist eine ebenso anomale als harte;

sie muß dennoch auch dann Anwendung finden, wenn wegen ver­

schiedener Delikte auf Freiheitsstrafe erkannt wird, von denen nur eins, oder einzelne diese Ehrenstrafe nach sich ziehen.

ES wird

in einem solchen Falle nur auf eine einzige Freiheitsstrafe er­

kannt'), so daß auch der Wortlaut des Gesetzes (8.2 t) zutrifft, dessen Wille nach dem ganzen Geiste, der in dem Ehrenstrafensystem

herrscht, unzweifelhaft ist.

Anmerkung.

Die Geschichte und Motivirung der Ein­

führung der Strafe der zeitlichen Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte, nach dem Französischen Strafrechte, ist

zum

§. 83

oben vorgetragen.

Zur Lösung

der

zweifelhaften

Fragen ist aus den Verhandlungen nichts weiterju entnehmen.

Daß die zeitige Untersagung der Ausübung von staatsbürgerlichen und gemeindebürgerlichen Ehrenrechten die einzige von der Straf-

1) Gcs. toi. die Abänderung mehrerer Bestimmungen des Milit. Str. G. B. v. 15. April 1852, §. 5 (G. S. S. 115). 2) Str. G. B. §. 56. Es liegt hier freilich wohl ein Nedactions-Ver­ sehen vor, der auch bei das Rev. v. 9. März 1853 (G. S. S. 78) übersehen ist.

3) Str. G. B. §. 57.

446

rechtswissenschaft anzuerkennende Ehrenstrafe sein dürfte, wird eine hoffentlich nicht ferne Zeit aussprechen.

8. 86.

Der Verlust und die zeitige Untersagung der Ausübung bestimmter einzelner Ehrenrechte. I. Dieser geringste C'nib der in mehrsacher Beziehung

eigentlichen Ebrenstrafcn ist

verschieden:

l.

Er

umfaßt

entweder

sämmtliche folgende Rechte: daö Recht (die Fähigkeit), öffentliche Aemter zu führen oder zu erlangen, Geschworener zu sein, in

öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen, oder gewählt

zu werden, oder die auS öffentlichen Wahlen hervorgegangcnen Rechte auSzuüben •). 2. Oder er umfaßt nur ein einziges dieser Rechte, nemlich daö (die Fähigkeit), öffentliche Aemter zu führen

oder zu erlangen (zu bekleiden) -).

Dieses letztere Recht für sich

allein kann nie für gänzlich verloren erklärt, eS kann nur eine zeitige Untersagung der Ausübung desselben (einzeitige Unfähigkeu

zur Bekleidung öffentlicher Aemter) ausgesprochen werden. zu 1

genannten sämmtlichen Rechte zusammen

Tie

können dagegen

auf immer für verloren erklärt, oder cS kann die zeitige Unter sagung der Ausübung derselben ausgesprochen werden^). II. Wenn

der Verlust der sämmtlichen (zu I, 1) erwähnten Rechte ausge­ sprochen wird, so hat dieser Verlust in Beziehung auf diese Rechte dieselbe Bedeutung, wie sie in Beziehung auf die­ selben der Verlust der bürgerlichen Ehre überhaupt hat.

Hier­

bei ist jedoch festzuhalten, daß eS sich hier nur um die Unfähig

feit zu öffentlichen Aemtern, nicht aber auch, wie dort, um eine Unfähigkeit zu Würden, Titeln u. s. w., so wie ferner nur um Ausübung der auf das Stimmen und Wählen

Angelegenheiten bezüglichen,

oder der auö

in öffentlichen

öffentlichen Wahlen

hervorgegangcnen Rechte, nicht aber auch, wie dort, noch „anderer politischer Rechte" handelt H. III. Mit diesen nemlichen Beschrän­

kungen hat auch die zeitige Untersagung der AtlSübung der ge­

ll Sir. G. B. SS- der Richier auf eine Einschließung unter 3 Jahren erkenne» könnte, auf keinen Fall aber eine solche über ö Jahre feslsetzcu dürste. 2) In den Länder» des Gemeinen Recht- wird die- noch hi» und wieder der Fall sein. 3) Bergt, j. B. Str. G. B. §. 7. 4) Ium Beispiel: Tie Strafe de- gcwöhnllche» Diebstahl- bettägt 1 Monai

473 Rcchenerempeln gewarnt werden. 4. Ob die Voraussetzung der Strafminderung, ein Strafminderungsgrund, vorhanden fei, hat der Richter nach seinem freien Urtheil zu bestimmen.

Nur dieses

kann ihm sagen, waS überhaupt oder in dem einzelnen Falle als ein SirafminderungSgrund zu betrachten fei').

Grund vorhanden,

Ist ein solcher

so enthält derselbe eine Nöthigung für den

Richter, die Strafe zu mindem.

III. Aus dem Vorgetragenen

ergiebt sich das Verhältniß der mildernden Umstände deS Straf­ gesetzes zu den von diesem nicht weiter erwähnten Minderungs­ gründen:

1. Die mildernden Umstände treten nur in den vom

Gesetze speciell verzeichneten Fällen ein. MinderungSgründe können bei allen mit einer relativ bestimmten Straft bedroheten Delikten

in Betracht kommen. 2. Beide sind Strafzumessungsgründe, jedoch 3. in der Weift verschieden, daß die mildernden Umstände die

Anwendung einer der Art und dem Maße, oder blos dem einen oder dem anderen nach gelinderen als der ordentlichen Sttafe des

Verbrechens, nach jedesmaliger besonderer Anweisung deS Gesetzes

bedingen, wogegen die Minderung-gründe nur eine Herabsetzung der ordentlichen Strafe innerhalb der gesetzlichen Grenzen derselben

bewirken.

4. AuS dem Gesagten folgt, daß wo mildemde Um­

stände anerkannt werden müssen, dieselben mit den Minderungs­ gründen zusammenfallen. DleS hat nur die eine Ausnahme, daß neben dem jugendlichen Alter, für die Zumessung der bereits durch

dasselbe bedingten gelinderen Strafe,

sich noch besondere Min­

derungSgründe geltend machen können, darunter sogar ein späteres

jugendliches Alter als daS deS ftchözehnten Lebensjahrs (f. oben

II, 4).

5. Nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes haben über

daS Vorhandensein der mildernden Umstände bei Verbrechen die

Geschworenen zu

entscheiden').

Ueber

daS Vorhandensein der

MinderungSgründe hat allein der Richter zu bestimmen').

bis 5 Jahre Gefängniß. Bei einem Objecte von 20,000 Thlr. würde das Gericht geneigt fein, wegen der besonderen Höhe deS Objects, ohne Berücksichtigung von etwaigen Scharpings- oder Minderungsgründen, eine Sttafe von 4 Jahren anrnnehmen. Es träte nun ein Minderungsgrund hinzu, (Verleitung), der daS Ge­ richt bewöge, auf ein Jahr weniger, also auf 3 Jahre Gefängniß, zu erkennen, mithin trotz deS Vorhandenseins emeS Minderungsgrundes, nicht unter dem Mittel der gesetzlichen Strase. 1) Daß er dabei namentlich in Bettcff deS jugendlichen Alters nicht an das vollendete sechSzehnte Lebensjahr gebunden sein kann, bedarf kaum der Bemerkung. 2) Eins. G. Art. XXIV und Ges. vom 3. Mai 1852, §. 84. 3) Wenn noch als ein Unterscheidungsmoment ausgefiihrt wird, daß allge-

474 Anmerkung L

Daß im Gemeinen Rechte Doctrin und

PrariS dem Richter unbestritten daö Recht einräumen, sowohl

dem absolut, als dem relativ bestimmten Strafgesetze gegenüber eine der Art oder dem Maße nach

gelindere Strafe,

als die

ordentliche des Gesetzes, zur Anwendung zu bringen, ist bereits

oben (Anm. zu 8. 95) bemerkt.

Indem dieses Recht in keiner

Weise weiter beschränkt ist, fallen im Gemeinen Recht die Be­

dingungen der Strafmilderung und Strafminderung

sammen.

völlig zu­

Eö steht eben Alles in dem freien, gerechten Ermessen

des Richters. ES fallen also auch die Gründe der Strafmilderung und der Strafminderung zusammen, und man kann eigentlich nur von jenen, als den

allgemeinen Begriff bezeichnend,

sprechen.

Strafmilderungsgründe überhaupt sind solche besonderen, außer­ halb deS Thatbestandes des Verbrechens vorhandenen, faktischen

Momente, welche auf die strafbare Schuld des Verbrechers einen

mildernden Einfluß äußem.

Sie sind von zweierlei Art, je nach­

dem sie die Person des Verbrechers, oder die äußere That treffen. Sie werden danach alö subjektive

und

objective unterschieden.

Jene haben einen vorherrschend sittlichen Charakter; bei diesen wird

vorzugsweise auf Gefahr und Schwere der Rechtsverletzung ge­ sehen.

AIS einzelne subjektive Milderungsgründe werden von den

RechtSlehrern im Gemeinen Strafrechte gewöhnlich 1. Jugend deS Verbrechers ').

ES

ist

wohl

aufgesührt:

ungerechtfertigt,

wenn man sie als regelmäßigen MilderungSgrund nur bis zum

vierzehnten Jahre will gelten lassen2*).1

Sie

auch in

weitere»

Alter hinein als MilderungSgrund gelten zu lassen, dem steht ge­

setzlich nichts entgegen; die Gerechtigkeit fordert eS daher, wenn

nicht in dem speciellen Falle Willensmomente vorliegen, welche den an sich vorhandenen MilderungSgrund wieder aufheben (wenn

meint Mmbenmgögnmde tcu Richter in der Regel nur ju einer Minderung der Strafe berechtigen, während die mildernden Umstände, wenn ste einmal fest­ gestellt find, regelmäßig eine Milderung der Strafe herbeistihren muffen, (Befeler, Commeutar, 168 unter demjenigen, der den Auftuhr „erregt" hat, die ganze s. g. aufrührerische Menge nicht

verstanden werden kann. Durch spätere Gesetze über den Aufruhr,

namentlich die Circ.-Verordn, v. 30. December 1798 u. Verordn.

1) L. 38, $. 2 de poen. 1. 1, 2 C. de sedit. V. 22. §. 1. 2) P. @. O. Art. 127.

Paul. lern. ree.

628 v. 17. August 1835 ist, trotz der Specialisirungen derselben, gerade

in diesem Punkte nicht- geändert. sich

Die Prariö des A.L.R. half

in und mit derselben Unklarheit wie

die

gemeinrechtliche

Doctrin. — DaS Str. G. B. hat nun zwar einer solchen Unklarheit

sich nicht schuldig gemacht, dagegen, wahrscheinlich nur durch ein Versehen bei der Redaction, den Begriff des Aufruhrs nach einer

anderen Seite hin, gegen den deö Gemeinen wie des A. L. R. auf eine ganz abnorme Weise verändert.

Indem Gem. und A.L. R.

nemlich das Zusammenrotten in der erklärten Absicht einer vor­ zunehmenden Gewaltthätigkeit zum wesentlichen Moment deS That­

bestandes sehen, fordert das Str. G. B. daS Zusammenrotten und zugleich wirkliche Verübung von Gewalt DaS nähere im flg. §.

8. 130.

Grundsätze. Der Aufruhr ist nach dem Str. G. B.'): Die von einer öffent­

lich zusammengerotteten Menge mit deren vereinten Kräften öffent­

lich verübte (physische oder psychologische) Gewaltthätigkeit gegen einen Beamten in Beziehung auf eine Amtshandlung.

Die Er­

fordernisse

sind

Menschen.

Ueber die Anzahl spricht daS Gesetz sich nicht auS--.

danach:

1. AIS

Subject

eine Mehrheit von

Der Aufruhr ist besonders charakterisirt als öffentliche Störung

der staatlichen Ordnung.

Hierdurch unterscheidet wesentlich sich

der Aufruhr von der einfachen Gewaltthätigkeit gegen Beamte, dem Widerstande u. s. w.; auch unzweifelhaft nach dem Str. G. B

trotz der Veränderung deS Begriffs. Die Menge muß danach eine so große sein, daß sie wirklich im Stande ist, die öffentliche Ruhe und Sicherheit zu stören. Dies ist nach dem konkreten Fall zu ermessen.

Eine Anzahl, die in einem Dorfe Aufruhr machen

kann, kann ost in einer großen Stadt dazu nicht ausreichend seinJ).

1) Str. G. B. §. 91. Daß dadurch die sämmtlichen früheren Gesche über Aufruhr (wie durch §. 92 Str. G. B. die über Tumult und Auslauf) aufgehoben sind, ist unzweifelhaft.

2) Nach Gem. R. fordern einzelne Rechtslehrer mit Unrecht, nach 1. 4, §. 3 ▼i bon. rapt. eine Menge von wenigstens zehn Personen. Feuerbach, §. 201. Martin, §.240. 3) Nach dem angegebenen Gesichtspunkte wird man eine Zahl von zwei Per-

629

Daß die Aufrührer gerade Preuß. Staatsangehörige, oder gar Untergebene der Obrigkeit, gegen welche der Aufruhr stattfindet, fein müssen •), kann weder nach allgemeinen Grundsätzen verlangt werden, noch enthält speziell daS Gesetz etwas darüber. 2. Object deS Aufruhrs ist unmittelbar irgend ein Organ der Regierungs­ gewalt, ein Staatsbeamter. Ob er ein kompetenter für diejenige Amtshandlung sein müsse, in Beziehung auf welche die Gewalt verübt wird, daS ist natürlich davon abhängig, ob die Menge Wider­ stand oder einen Angriff gegen einen im Amte handelnden Be­ amten, oder Nöthigung eines Beamten auSüben will2*).1 3 43. In Betreff der Handlung wird hauptsächlich zweierlei erfordert: a) Ein öffentliche- Zusammenrotten der mehreren Personen. Also aa) ein Zusammenrotten. In diesem Auödrucke liegt schon, daß ein bloße- ruhiges Versammeln nicht für ausreichend zum That­ bestände erachtet werden kann; eS wird eben ein gewisses tumultuarischeS Verhalten erfordert, dessen lauter, geräuschvoller Charakter in Beziehung steht einerseits zu dem Charakter deS Verbrechens überhaupt, als eines die öffentliche Ruhe störenden, andererseits zu dem gleichfalls zu dessen Thatbestände gehörenden gewalt­ samen Benehmen2). Dagegen kann von der anderen Seite, nach dem Begriffe deS Verbrechens sowohl, als auch nach ausdrück­ licher Vorschrift deS Gesetzes nicht gefordert werden, daß schon daS erste Zusammenlaufen der Menge ein tumultuarischeS, oder gar schon in der Absicht von Gewaltthätigkeiten geschehen sei. Ein Versammeln, daS in seinem Anfänge nur ein Auflauf, oder auch nicht einmal als ein solcher zu betrachten war, kann in seinem Fortgänge, durch daS weitere Benehmen der Menge, ein aufrührerisches werden*). Um so mehr erscheint eS gleichgültig,

fetten schwerlich für ausreichend halten können, wohl aber nicht nach der von Beseler, Com., S. 260 veranstalteten Vergleichung deS §. 91 mit den §8» 218, 232, 275. Von „gemeinem Volk" spricht bie P. G. O., von „einer Klaffe deS Volks, oder Mitgliedern einer Stadt- oder Dorfgemeine, ganz oder zum Theil," das A. L. R. 1) Vergl. Martin, §.238 (der indeß ungleiche Theilnahme zulaffen will), Abegg, §. 475. Heffter, §.218. 2) Auch nach Gem. R. wird kompetente Obrigkeit und bei Widerstand ein gesetzlicher Akt derselben erfordert, da sonst kein Aufruhr, sondern nur crimen vis da ist. 3) Nach Gem. R., nach welchem die Verübung der Gewalt zum Thatbestände nicht erforderlich ist, dient gerade hauptsächlich der tumultuarische Charakter deS Zusammenrottens zur äußerlichen Bethätigung der vorhabenden Gewalt. 4) Str. G. B. §. 92. a. C.

630

ob das Zusammenrotten ein vorher verabredetes war oder nicht ')• bb) DaS Zusammenrotten muß unter allen Umständen ein öffent­

liches fein1 2).3

Auch dies liegt schon in dem Worte Zusammen­

rotten ausgesprochen, und daS Gesetz fordert eö ausdrücklich2), b) Die öffentliche Verübung einer der in den §§. 89 u. 90

Str. G. B. genannten drei Handlungen und zwar durch die ver­

einten Kräfte der Menge.

ES muß also, und zwar durch die

vereinten Kräfte der Menge: aa) entweder einem Beamten gegen eine Amtshandlung Widerstand wirklich geleistet sein, wobei der ganze

Thatbestand dieses Vergehens vorhanden sein muß; bb) oder gegen einen Beamten während der Ausführung einer Amtshandlung ein Angriff wirklich gemacht sein, wobei wiederum der volle That­

bestand dieses Vergehens erfordert wird; oder cc) ein Beamter zur Vornahme oder Unterlassung

einer Amtshandlung

genöthigt.worden sei, gleichfalls

mit dem

wirklich

vollen Thatbestände

dieses Vergehens. DaS Gesetz stellt diese Erfordernisse ausdrücklich

auf4).

Dabei erscheint nur eins zweifelhaft.

Daß in allen

Fällen eine wirkliche Gewalt — physische oder psychologische — angewendet sein muß, ist zwar unbedenklich, da nach $. 89 auch ein

Versuch der Gewalt

nicht für strafbar erachtet

werden

kann,

andererseits aber auch jeder Versuch der Gewalt nicht mit einer Drohung, wie daS Gesetz sie erfordert, ohne weiteres identisch ist. Dagegen fordert der $. 90 zu dem besonderen Thatbestände der Nöthigung außer der Verübung der Gewalt auch noch den Er­

folg der Nöthigung, daß nemlich der Beamte wirklich gezwungen sein muß, eine Amtshandlung vorzunehmen oder zu unterlassen,

läßt aber auch andererseits einen strafbaren Versuch dieser Nöthigung zu, und es entsteht die Frage, in wiefern dieser Ver­ such mit in den Thatbestand deS Aufruhrs zu ziehen fei.

Aller­

dings spricht §. 91 nur von den in den §§. 89, 90 genannten

Handlungen, und nicht auch von dem Versuche der Hand­ lung deS 8. 90. Da man aber — zumal bei der Wahrscheinlichkeit

1) Nach Gern. R. wird der Aufkauf zum Aufruhr, sobald dir Menge ihre Absicht der vereinigten Gewaltthätigkeit kund gegeben hat. 2) Auch nach Gem. R. 1. 4, $.6 vi bon. rapt. 1. 2 C. de sedit. 3) Auf „öffentlich« Wege, Straßen oder Platz«," wird man nachStt.G.B. $. 92 den Begriff ter Oeffentlichkeit nicht beschränken dürfen. 4) Str. G. B. §. 91: „und mit vereinten Kräften die in den §$. 89, 90 genannten Handlungen verüben."

631 eines hier überhaupt

nur

vorliegenden RedactionSversehenS —

als gewiß annehmen muß, daß eS nicht die Absicht deS Gesetzes

sei, den gemeinrechtlichen Begriff deS Aufruhrs soweit zu vernichten, daß nicht einmal die wirkliche Anwendung der Gewalt genügen

solle, so wird man sich dafür entscheiden müssen, daß auch hier der Versuch — also die wirkiche Anwendung der — physischen

oder psychologischen — Gewalt, zum Zwecke der Nöthigung, den Thatbestand deS DelictS Herstelle, dd) Ausdrücklich ist vorgeschrieben, daß die Gewalt öffentlich verübt sein müsse'). sätzlicher Aufruhr läßt sich denken.

4. Nur ein vor­

Der DoluS muß eben auf

die Verübung der Gewalt durch die vereinten Kräfte der Menge gerichtet sein; daneben muß immer zugleich der besondere DoluS einö der drei Delicte der 88. 89, 90 vorhanden sein.

5. Ueber

die Vollendung deS Aufruhrs kann nach dem zu 4 b) Gesagten kein Zweifel sein.

ES wird immer wirkliche Anwendung der —

physischen oder psychologischen — Gewalt erfordert; diese reicht

aber auch zur Vollendung auö. Der bloße Versuch der Gewalt kann nicht einmal für strafbar erachtet werden. Denn der Auf­

ruhr ist für sich ausdrücklich nur als ein Vergehen behandelt, und eine besondere Vorschrift der Strafbarkeit deS Versuchs des­

selben fehlt.

Ein Verbrechen wird er erst dadurch, daß eigent­

liche Gewaltthätigkeiten — verschieden von bloßer Gewalt — von den Aufrührern verübt worben1 2).

6. Hiernach ist der

Aufruhr einzutheilen in den einfachen (Vergehen) und den Auf­

ruhr mit Gewaltthätigkeiten (Verbrechen im engeren Sinne). — In Betreff der Strafe deS Aufruhrs ist danach zu unterscheiden:

1. Bet einem einfachen, nicht mit eigentlichen Gewaltthätigkeiten ver­

bundenen Aufruhr wird jeder Aufrührer mit Gefängniß nicht unter sechs Monatm bestraft, auch kann gegen ihn zugleich auf Stellung

unter Polizeiaufsicht erkannt werden. Denn Auftührer — den also die Strafe trifft — ist jeder, der sich in der zusammengerotteten Menge befand, gleichviel ob er an der von dieser verübten Gewalt Theil

genommen hat oder nicht.

Vorausgesetzt wird dabei immer, daß

die Menge wirklich Gewalt verübt hat — nach dem Obigen —

1) Um diese- Crforderniß khrr hervorzuheben, hat eben die Cornm. der zweiten Kammer (Ber. S. 62) die Worte de- Entw. von 1851: „Wenn mehrere Personen sich öffentlich" u. s. w. verändert in „ Wenn mehrere Personen öffent­ lich sich" u. s. w. 2) S. unten Anm. I.

632 indem sonst nicht Aufruhr (auch kein strafbarer Versuch), also

auch kein Aufrührer da sein würde >). Unter Aufwieglern, Rädels­ führern und übrigen Theilnehmern hat das Gesetz übrigens mit

Recht nicht unterschieden; eS kommt auf diese, an sich gegründeten

Unterscheidungen also nur für den Zweck der Strafzumessung an. 2. Wenn von Aufrührern eigentliche Gewaltthätigkeiten gegen

Personen oder Sachen verübt sind,

so wird der Aufruhr zum

Verbrechen (int engeren S.), aber nur in Beziehung auf diejenigen

Aufrührer, welche solche Gewaltthätigkeiten verübt haben.

Sie

sollen mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, und mit Stellung unter

Polizeiaufsicht bestraft werden.

Daß diejenigen, die keine solche

Gewaltthätigkeiten verübt haben, immer nur mit der zu I ge­

nannten Strafe belegt werden sollen, ist Har1 2).

Zweifelhaft er­

scheint aber: a) Zuerst, was unter den „Gewaltthätigkeiten gegen

Personen oder Sachen" zu verstehen sei. oder Sachen

sie verübt seien,

Gegen welche Personen

ist zwar gleichgültig,

nament­

lich auch, ob gegen die Person eines Beamten, oder ob gegen andere Personen.

Dagegen hat daö Gesetz nichts über den Be­

griff der „Gewaltthätigkeit" an sich gesagt.

darunter

Unbedenklich muß

etwas Anderes verstanden werden,

SS. 89, 90 erwähnte „Gewalt oder Drohung."

als die

in den

Einmal schon

um der Verschiedenheit der Ausdrücke willen; zum anderen (trotz des unten näher zu erwähnenden Versehens) da zum Begriff des

Aufruhrs doch einmal ganz unzweifelhaft Anwendung von Ge­ walt oder Drohung erforderlich ist. Dafür spricht auch die aus­ drückliche Unterscheidung in den Motiven des Entw. von 18513): „Die höchste Strafe des

einfachen Aufruhrs besteht in Ge­

fängniß von fünf Jahren, und deS Aufruhrs, welcher mit

1) Hiernach muß denn auch zum Begriff des Aufrührers erfordert werden, daß er sich noch zur Zeit der Verübung der Gewalt in der Menae befunden habe. Früher ist weder ein vollendetes Delikt, noch ein strafbarer Versuch da. Nach dem Gem. R. ist Aufrührer schon derjenige, der in der Menge sich zu einer Zeit befand, da diese anfing, die Absicht der vereinten Gewaltausübung an den Tag zu legen, weil dadurch das Verbrechen vollendet war. 2) Der Beweis der Verübung der Gewaltthätigkeit richtet sich lediglich nach allgemeinen Grundsätzen. Mit Recht hat daö Str. G. B. hier jede Präsumtion verschmähet. Eben so wenig stellt eS Präsumtionen, oder gar moralische Ver­ antwortlichkeit in dem Falle der Eoncurrenz anderer Verbrechen mit dem Aufruhr auf, Präsumtionen u. s. w., die denn freilich am Ende auf ein Decimiren oder Loosen um die Strafe (auS MenschlichkeitSgründen!) hätten zurückführen müssen.

3) S. 29.

633 Gewaltthätigkeiten verbunden ist, in Zuchthaus von zehn Jahren."

Andererseits kann nun zwar nicht eine solche Gewalt­

thätigkeit gemeint sein, die in einem Plündern, Verwüsten oder

Zerstören bestehen würde; denn eS würde alsdann daS Verbrechen des LandstiedenSbruchS') concurrirend vorhanden sein1 2).3 4ES giebt aber noch genug Grade

einer gewaltsamen,

eigmtlich gewalt-

thätigen Behandlung, gegen Personen sowohl wie gegen Sachen,

die in der Mitte liegen zwischen dieser Gewaltthätigkeit deS Land-

friedenSbruchS und der einfachen, zum crimen vis und zum ein­

fachen Auftuhr ausreichenden bloßen Anwendung von Körper­ kräften, um dadurch auf den Willen eines Anderen zwingend ein­ zuwirken, und solche, auch schon durch den Sprachgebrauch in dem Worte „Gewaltthätigkeit" unterschiedene und hervorgehobene

Behandlung kann also hier nur gemeint fein.

Personen gegen­

über wird sie in einer Mißhandlung, Sachen gegenüber in einer

Beschädigung bestehen müssen, (s. u. Anm. I)2).

Ob sie vorhan­

den sei hat der Richter nach den Umständen deS konkreten Falles

zu beurtheilen'). b) Sodann entsteht die Frage, ob, wenn ein Ver­ such zu solchen eigentlichen Gewaltthätigkeiten gemacht worden ist,

der Aufruhr für diejenigen (freilich auch nur für diese), welche einen solchen Versuch gemacht haben, dadurch den Charakter eines

Verbrechens annehme. Nach den Worten des Gesetzes soll aller­ dings wirkliche Gewaltthätigkeit vorhanden sein, damit daS Delikt

den Charakter des Verbrechens bekomme; ohne dieselbe ist also nur Vergehen da; bei einem Vergehen aber findet eben Versuch

nicht statt. Andererseits stellt sich indeß nach allgemeinen Grund­ sätzen die Sache so, daß zum Thatbestände deS Verbrechens deS Aufruhrs, deS qualificirten Aufruhrs, Gewaltthätigkeit erfordert

wird, mithin durch einen Versuch dieser Gewaltthätigkeit auch der

1) Str. G. B. $. 284. 2) Was auch die Motive von 1851, S. 29 ausdrücklich erwähnen. 3) In gleicher Weise unterscheiden auch fast sämmtliche neueren Deutschen Str. G. B. zwischen Gewalt und anderen „wirklichen Gewaltthätigkeiten" (f. uns. Anmerkung II). 4) In der Comm. der zweiten Kammer ist der Unterschied nicht zur Sprache gekommen; eS wird nur bemerkt (Ber. S. 62): „Das Eintreten der Zuchthaus­ strafe ist davon abhängig gemacht, ob die Theilnehmer selbst persönlich Gewalt verübt haben oder nicht." Die Comm. der ersten Kammer hat sich über den Austmhr gar nicht weiter ausgelassen. Beseler, Com. S. 260, 261, unter­ scheidet zwischen Gewalt und Gewaltthätigkeit, aber ohne irgend in die Sache einzugehen. In den Glossen zum Str. G. B. S. 165 hatte ich, verleitet durch die Kammer-Verhandlungen, mcht unterschieden; daher die theilweise unrichttge Darstellung dort.

634 (strafbare) Versuch deS durch dieselbe gebildeten Verbrechens her­

gestellt wird. Anmerkung!.

ES ist anzuerkennen, daß daS Str.G.B.

in der Lehre vom Aufruhr jene Kasuistik aufgegeben hat, die man gerade hier in anderen Gesetzbüchern in großer Ausbreitung findet, und die auch theilweise noch in früheren Entwürfen anzutreffen

war. Durch eine andere Veranlassung ist nur die Lehre in Ver­ wirrung gerathen. Frühere Entwürfe, namentlich der von 1843 (§. 203) definirten den Aufruhr ganz nach der Doctrin deS Gem. Recht- und zugleich llach den meisten neueren St. G. B.: „Wenn mehrere Personen sich öffentlich Mammenrotten, um mit vereinter Gewalt der Ausführung einer obrigkeitlichen Anordnung oder Ver­

fügung sich zu widersetzen,

oder von der Obrigkeit etwas zu

erzwingen oder an derselben Rache zu nehmen."

ES war

dagegen, namentlich von Zachariä, monirt worden, „daß der

Thatbestand deS Verbrechens nicht die wirklich erfolgte physische oder psychische Gewalt umfassen solle."

Dagegen bemerkte nun die Revision von 1845 (Bd. II, S. 55, 56): „Beim Aufruhr ist die wirkliche Verübung von Gewalt, welche oft sehr unbedeutend

sein kann, nur ein Moment der Zumessung und Feststellung der Strafe. Daö Verbrechen ist, wie auch die anderen Gesetzgebungen

mit Recht annehmen, vollendet, wenn durch die vereinigte Menge, welche sich zum Widerstand vor oder während deS Auflaufs mit

gemeinsamen Kräften vereinigt hat, Widerstand geleistet wird. In der That ist ja dieses Auftreten der Menge an sich selbst schon

eine physische Gewalt, und also ein Aufruhr ohne diese nicht denk­ bar, mögen auch keine physischen Gewaltthaten gefolgt sein. „Auf Grund dieser eben so faktisch unrichtigen als unklaren Auffassung — man wollte Zachariä nicht ganz Recht geben, aber auch nicht

ganz entgegentreten — wurde dann im Entwurf von 1845 fol­ gender 8.114 redigirt: „Wenn mehrere öffentlich versammelte Per­ sonen mit vereinten Kräften einer obrigkeitlichen Anordnung oder

Verfügung sich widersetzen oder von den obrigkeitlichen Be­ amten oder der bewaffneten Macht etwaö zu erzwingen suchen." Der Entw. v. 1847 kehrte jedoch zu der Definition v. 1843 zurück, merk­

würdiger Weise in vollem Widerspruch mit seinen Motiven, die als

Grund dafür angcben (S. 42), daß „beim Aufruhr, wie auch die an­ deren Gesetzgebungen mit Recht annehmen, daS Verbrechen schon

als vollendet anzusehen ist, sobald von der zu diesem Zwecke ver­

einigten Menge mit gemeinsamen Kräften öffentlich Widerstand

635 Man sah auch hier nicht klar; man verwechselte

geleistet wird."

die erklärte Absicht Widerstand leisten, also Gewalt verüben zu

wollen,

mit dem wirklich geleisteten Widerstande, der wirklich

eingetretenen Gewalt.

Nachdem aber so in den Motiven selbst

einmal anerkannt war, daß man zum Thatbestände deS AufmhrS

wirkliche Gewalt fordere, lag eS nahe, wenn in den Verein, ständ. AuSsch. (Verhandl. Bd. III, S. 195 flg.) erinnert wurde, daß in

dem Entwurf

„nicht

daö Verbrechen selbst,

Versuch deS Verbrechens, die Absicht

sondern

bestraft werde."

der

Dabei

machte zugleich der damalige Minister der Gesetzgebung das Zugeständntß, die Absicht der Regierung gehe nicht dahin, „daß die bloße Zusammenrottung in der Absicht, künftig *) einmal Wider­

stand zu leisten, wenn auch der Widerstand gar nicht zur ver­ suchten Ausführung 2) gekommen sei, gestraft werden sollte."

So wurde nun der Begriff deS Aufruhrs so bestimmt, wie er

später in den Entw. von 1851, und ohne weitere Erinnerung der

Kammern oder deren Commissionen, in daS Str. G. B. überge­ gangen ist.

Dabei ist freilich übersehen worden, daß sowohl der

Entw. von 1851 als daö Str. G. B. — anders wie die ftüheren

Entwürfe, und auch der von 1847 — keinen strafbaren Versuch

eines Vergehens kennen, der einfache Aufruhr aber eben nur als

Vergehen charakterisirt worden ist.

Hierdurch ist die im Terte

näher erwähnte Verwirmng in die Lehre gekommen.

Theilweise

beruhet diese auch noch in Folgendem: Indem der Entw. v. 1843 den Aufruhr als vollendet ansah durch die erklärte Absicht der

zusammengerotteten Menge, Widerstand u. s. w. leisten, also Ge­ walt verüben zu wollen, lag eö nahe, zum Zweck der Ab­

stufung der «Strafe den Fall hervorzuheben, wenn wirkliche Ge­

walt verübt sei.

Daher bestimmte S. 206: „Sind aber bei dem

Auftuhr Gewaltthätigkeiten an Personen

oder Sachen verübt

worden, so haben 1. die Anstifter und Rädelsführer, so wie die­

jenigen, welche bei dem Auftuhr als Anführer aufgetreten sind, Strafarbeit oder Zuchthaus von 5—20 Jahren; 2. diejenigen

Theilnehmer,

welche

mit

Schußwaffen

versehen

waren,

von

3—10 Jahren; 3. die übrigen Theilnehmer von 1—5 Jahren

verwirkt. — Außerdem kommen die durch die Gewaltthaten ver­ übten Verbrechen gegen die Thäter nach $$. 118 flg. (von dem

1) Man war also auch hier völlig im Unklaren.

2) S. d. v. Note.

636

Zusammentreffen

mehrerer Verbrechen) zur Anwendung."

Die

Revision von 1845 ließ diesen §. mit einzelnen unwesentlichen Ab­ änderungen bestehen ($. 116): „Sind bei einem Aufruhr oder

Landfriedensbruch Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen vorgekommen" u. s. w.

Die Motive sagen nichts darüber, was

unter diesen „Gewaltthätigkeiten" zu verstehen sei. ES ergiebt sich dies aber auö der oben mitgetheilten unklaren Ansicht, daß „daS Auftreten der Menge an sich selbst schon eine physische Gewalt" sei, „mögen auch keine physischen Gewaltthaten gefolgt seien."

Trotz jener Unklarheit war ein erkennbarer Gegensatz hier immer aus­ gesprochen, freilich nur in den Motiven, nicht in den Bestimmuit-

gen deS Entwurfs selbst.

Der Entw. von 1847 kehrte auch hier

zu der richtigen und konsequenten Auffassung deS Entw. v. 1843

zurück, nach welcher über den Begriff der Gewaltthätigkeit gar

kein Zweifel herrschen konnte: eS war darunter eben die nach dem Begriffe deS Aufruhrs von der Menge angedrohete Gewalt über­ haupt, die eigentliche aufrührerische Gewalt, zu verstehen'). In den Debatten der Verein, ständ. AuSsch. war nun aber bestimmt ausgesprochen, daß zum Thatbestände deS Aufruhrs nothwendig

verübte Gewalt gehören solle; der Thatbestand war dadurch ein ganz

anderer geworden, als nach den Entw. sowohl von 1843 wie von

1845

und

wie

von 1847.

Sollte also gleichwohl

noch von

Gewaltthätigkeiten beim Ausruhr besonders gesprochen werden,

so konnten diese selbstredend nur in einer anderen Weise alS nach jenen Entwürfen aufgefaßt werden, und man mußte daher kon­

sequent erwarten, entweder, daß ein solches besonderes Hervorheben gar nicht weiter stattfinden, oder daß der Begriff der besonders hervorgehobenen Gewaltthat auch besonders werde präcisirt wer­

den.

In den Verein, ständ. AuSsch. ließ man den §. 113 deS

Entw. v. 1847 (s. unten Note 1) stehen.

Man stritt zwar über

seine Bedeutung, kam aber zu keinem Resultate, weil man über

die Sache selbst offenbar nicht im Klaren war.

Nur der da­

malige Minister der Gesetzgebung bemerkte, hier wenigstens theilweise

1) Der Entw. v. 1847 nahm nur nicht die volle Kasuistik deS von 1843 wieder auf. Im §. 112 definirte er den Aufruhr ganz wie der §. 203 des Entw. von 1843; im $. 113 sodann bestimmte er: „Sind bei dem Aufruhr Gewalt­ thätigkeiten gegen Personen oder Sachen verübt worden, so sollen folgende Strafen iur Anwendung gebracht werden: 1. argen die Anstifter, Rädelsführer und An führer rc., 2. gegen alle übrigen Theilnehmer des Aufruhrs k."

637 richtig: „Es kann thätlicher Widerstand geleistet werden, ohne daß irgend eine Person mißhandelt oder thätlich beleidigt wird;

daS ist der Unterschied -wischen den Fällen in 88. 112 u. 113 Der Entwurf von 1851

faßte den Thatbestand deS AuftuhrS

ganz nach der Intention der Verein, ständ. AuSsch. auf, und be­

hielt danach auch die Hervorhebung deS Falles der verübten Ge­ waltthätigkeiten 6ei1 2), ganz wie daS Str. G. B. Aber auch die Motive von 1851 lassen sich

durchaus nicht weiter aus.

über Bedeutung und Unterschied

ES heißt darin nur kurz (S. 81):

„Die höchste Strafe des einfachen Aufruhrs besteht in Gefäng­ niß von 5 Jahren, und deö Aufruhrs, welcher mit Gewalt­ thätigkeiten gegen Personen oder Sachen verbunden ist, in Zuchthaus von zehn Jahren.

brechen

wie

Mord,

Concurrirt ein schwereres Ver­

Todtschlag,

Brandstiftung,

Landfriedens­

bruch u. s. w., so tritt nach §. 47 (vom Zusammentreffen mehrerer Verbrechen) die Strafe diese- schwereren Verbrechens ein."

In­

nach dem Entwurf von 1851 (wie nach

dem

dem nun aber

Str. G.B.) auch der einfache Aufruhr schon Gewalt erfordert,

und zwar die ganze Gewalt der 88.89, 90 Str. G. B., so leuchtet ein, wie man auch noch bei der Redaction deS Entw. v. 1851 hier im Unklaren gewesen ist. In den Kammerverhandlungen ist der Punkt gar nicht berührt worden. Jedenfalls ist nicht zu ver­

kennen, daß unter den Gewaltthätigkeiten deS 8- 92 Str. G. B. etwas Anderes als die bloße Gewalt der 88.89, 90 verstanden

werden soll und verstanden werden muß. Ganz allein richtig (wenn auch nicht vollständig richtig) hatte dies der Minister v. Savigny

in seiner oben mitgetheilten Bemerkung in den Verein, ständ.

AuSsch. aufgefaßt, wenn er bemerkte, daß ein Unterschied zwischen der Gewalt bei einer thätlichen Widersetzlichkeit und

zwischen Mißhandlungen der Person sei.

Man

muß auf

diese Bemerkung um so mehr Gewicht legen, alö man von dem Romanisten Savigny erwarten darf, er habe dabei an daö, stets einen Zwang gegen die Person enthaltende crimen vis, als einen wesentlichen Bestandtheil der thätlichen Widersetzlichkeit, gedacht.

1) Verh. der Verein, ständ. AuSsch., Bd. III, S. 201. 2) Freilich mit der Abänderung, daß die Hervorhebung nur die Theilnehmer

der Gewaltthätigkeiten berührte.

638 Danach ist denn auch für den konkretm Fall die Bedeutung deS

Ausdrucks „Gewaltthätigkeiten gegen Sachen" zu finden. Anmerkung

Die neueren Deutschen Str.G.B. be­

II.

handeln den Aufruhr größtentheils im Sinne der gemeinrechtlichen

Doctrin.

Sämmtlich stellen sie das Requisit der Oeffentlichkeit

deö Zusammenrottens auf; sämmtlich fordern sie, daß eine Gewalt gegen die Obrigkeit beabsichtigt sein müsse, um der Obrigkeit zu widerstehen, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen; viele setzen auch

hinzu: oder um wegen einer Amtshandlung Rache an der Obrig­ keit zu nehmen, letzteres namentlich: Sachsen Art. 111, Weimar

und Meiningen Art. 152, Hannover Art. 162, Hessen Art. 152, Württemberg Art. 175, Zürich 8. 98, Thurgau 8. 331. Nur die Str. G. B. für Luzern 8.116 und für Freiburg Art. 102

setzen

hinzu: oder auf irgend eine Weise die öffentliche Ruhe zu stören.

Die meisten drücken durch bestimmte Worte aus, daß eine größere

Anzahl von Personen nothwendig sei, um den Thatbestand deS

Aufruhrs herzustellen.

Eine

bestimmte Anzahl,

und zwar von

mindestens zehn Personen, fordern Bayern Art. 319 und Württem­ berg Art. 175, letzteres mit dem Zusatze, daß diese zehn Personen über sechzehn Jahre alt gewesen seien.

Sämmtlich fordern sie

zum Thatbestände nur die an den Tag gelegte Absicht einer ver­ einten Gewalt, und nicht auch die wirkliche Anwendung dieser

letzteren.

Doch unterscheiden hier Oesterreich 88. 74 flg., Luzern

88-116 flg. und Freiburg Art. 102 flg. zwischen Aufstand und eigentlichem Aufruhr, indem dieser letztere erst dann da sein soll, wenn eS nöthig wird, zur Herstellung der Ruhe und Ordnung

Hülse herbeizuführen und Gewalt zu brauchen. Oesterreich fordert dabei sogar eine

„außerordentliche Gewalt."

Ueberall

werden

sämmtliche Mitglieder der Menge alö eigentliche Aufrührer be­ handelt, wenn sie auch an der Gewalt keinen unmittelbaren An­ theil genommen haben; gewöhnlich werden nur die eigentlichen Aufwiegler und die Anführer schwerer bestraft. Besonder- schwer

werden diejenigen bestraft, die sich eigentlicher „Gewaltthätigkeiten," „wirklicher Gewaltthätigkeiten" (wie sie pflegen ausgezeichnet zu werden) schuldig gemacht haben, nach den Str. G. B. für Bayern Art. 321, Hannover Art. 165, Nassau Art. 155, Hessen Art. 157,

Braunschweig 8. 96, Württemberg Art. 178, Thurgau §. 333,

Zürich 88. 100, 101, Luzern §. 120, Freiburg Art. 106, Basel 8. 47, Schaffhausen §. 48, St. Gallen Art. 92. Nur das Str. G. B.

für Waadt Art. 111 flg.

hat das Verbrechen hauptsächlich im

639 Sinne des Franz. Str. G. B. (Art. 209 flg.) aufgefaßt. ES unterscheidet, ob eine Vereinigung von mehr oder von weniger als 20 Personen stattgefunden hat,

um sich der Obrigkeit zu widersetzen, oder etwas von ihr zu erzwingen, oder um einen Ge­

fangenen zu befreien, und stuft danach die Strafe in erheblicher Weise ab.

8. 131.

Don der Befreiung der Gefangenen. Vorbemerkungen. Die gemeinrechtliche Lehre von der Befreiung der Gefangenen

liefert einen eigenthümlichen Beitrag zu dem doppelten Beweise, einmal wie die Generalisirungösucht der Doctrin aus den Quellen

Verbrechen herauöconstruirt, die weder in den Quellen noch in dem Rechtsbewußtsein des Volkes ein Fundament haben, zum

anderen, wie dennoch die PrariS sowohl als die Doctrin zuletzt diesem Rechtsbewußtsein sich wieder

haben unterwerfen müssen.

Rach den Quellen des Gem. Rechts wäre Folgendes Recht: 1. Allgemein strafbar ist die Befreiung eines wegen eines peinlich zu strafenden Verbrechens verhafteten Gefangenen nur

dann, wenn sie durch einen Beamten geschieht, dem eine Aufsicht über den Gefangenen anvertraut war; sie ist dann strafbar als Amtöverbrechen,

also nicht unter dem Gesichtspunkte eines ge­

meinen, sondern nur eines besonderen Verbrechens, als vorsätzliche

oder

fahrlässige Verletzung

der Amtspflichten.

Talion bei DoluS, sonst willkürlich.

Die Strafe

ist

2. Außerdem ist nur die

Selbstbefreiung eines wegen eines Verbrechens verhafteten Gefangenen in einzelnen bestimmten Fällen für strafbar

erklärt, und zwar nur, wenn er zur Sicherung gegen die Flucht

oder zur Strafe verhaftet war.

Die Strafe ist bei der Selbst-

befteiung aus der Sicherungöhaft, oder bei einem Komplott unter

den Mitgefangenen Todesstrafe, in anderen Fällen gelinder; bei

der Selbstbefreiung aus der Strafhaft, Verdoppelung der letztem oder Verurtheilung zu einer härteren Strafe, selbst zur Todes-

1) L. 4 C. de cust. reor.

P. G. O. Art. 180.

640 strafe').

3. Jede andere Befteiung eines Gefangenen, also über­

haupt wenn sie durch einen Dritten geschieht, der nicht als Be­ amter seine Amtspflicht dadurch verletzt hat, oder nicht nach all­ als strafbarer Theilnehmer der Selbst­ befreiung erscheint, ist an sich nicht strafbar, und kann strafbar

gemeinen Grundsätzen

nur in sofern werden, als sie etwa den Thatbestand eines anderen DelictS herstellt, also namentlich, wenn sie durch Gewalt geschehen ist, mithin unter den Gesichtspunkt des crimen vis fällt. Gleich­

wohl hat die gemeinrechtliche Doktrin ein allgemeines Verbrechen der Befreiung von Gefangenen aufgestellt, dem freilich zugleich eine,

dieser

Allgemeinheit

wenig

entsprechende

Bezeichnung,

wenigstens von der älteren Doktrin gegeben ist: crimen essracti carceris.

Man ist auch mit einem allgemeinen philosophischen

Sahe zu dessen Begründung bei der Hand.

„Die Gefangenschaft

etneS Menschen ist die Bedingung der Ausübung der richterlichen

Gewalt,

und der Staat hat ein unbezweifeltes Recht auf den

ungestörten Besitz desjenigen, welchem er in Kraft Rechtens die Freiheit genommen hat-)." Dennoch hat man daS so ausgestellte Prinzip bald wieder durchlöchern müssen.

Der Zustand der ge­

meinrechtlichen PrariS ist nemlich folgender: 1. Der Gefangen­ wärter, der überhaupt einen ihm anvertraulen Gefangenen ent­

weichen läßt, wird bei DoluS wie bei Culpa willkürlich bestraft31).42

2. Die Selbstbefreiung wird für sich allein gar nicht mehr bestraft. Zuerst nahm man dieö nur dann an, wenn der Gefangene un­

schuldig verhaftet, oder aber von dem Richter oder einem anderen Beamten während der Haft auf irgend eine Weise mißhandelt

war.

Man stellte als Grund auf: Unrecht brauche Niemand

steiwillig zu dulden.

Daraus entstand nach und nach die Aner­

kennung eines „allgemeinen, natürlichen, angeborenen Rechtes auf Freiheits." 3. Dagegen wurde allgemein der Dritte, der einen

1) L. 1 pr. de effract. 1.38, $.11 de poen. 1.8, §§. 6, 7. 1.28, $. 14 eod. 2) Feuerbach, Lehrb., §. 194. 3) Schon Böhmer Med. in C. C. C. Art. 180, §. 2 bemerkte als Grund, daß, wo bei einer Untersuchungshaft nicht ausgemacht sei, ob den befreiten Gefangenen Strafe treffen oder getroffen haben würde, das Prinzip der Talion sich überhaupt als unhaltbar darstelle. 4) Meister, pr. §.357. Dorn, Pr. Com., §.260. Man pflegte nur Diöciplinarstrafen zu dictiren und strenger zu bewachen (durch Anlegen vor, Eisen u. s. w.).

641

Gefangenen befreite, für strafbar erklärt; «S wurde ihm gegenüber jene- Recht deS Staates hervorgehoben, das eben ein allgemeines fei. Nur nahe Verwandte und Ehegatten wurden, nach Anleitrmg schon der Italienischen PrariS, ausgenommen. Die Strafe war immer willkürlich ’)• Auch daS A. L. R. bestraft die Eelbstbefteiung deS Gefangenen für sich nicht, wenn sie nicht mit an­ deren Verbrechen concurrirt; dagegen allgemein die Befreiung durch einen Dritten, auch wenn sie nur als Beihülfe der Selbstbefreiung auftritt. Die Strafen sind verschieden, je nachdem Gewalt oder List gebraucht oder Zusammenrottung stattgefunden hat, oder aber der Befreite ein Hoch« oder Landeöverräther der ersten Klaffe war. In dem letzteren Falle wird sogar Todesstrafe angedrohet-). Später wurde indeß die Selbstbefreiung von Dieben u. s. w. für ein ganz besondere- schweres Verbrechen erklärt'). Der ver­ brecherische Beamte wurde nach allgemeinen Grundsätzen von AmtSverbrechen bestraft. DaS Str. G. B. hat im Ganzen die Grundsätze des A. L. R. angenommen. 8. 132.

Grundsätze. Wird hier von dem besonderen AmtSverbrechen oder Amts­ vergehen der Befreiung eines Gefangenen durch einen Beamten abstrahirt, so besteht daS Vergehen der Befreiung eines Gefangenen in der vorsätzlichen widerrechtlichen Entziehung eines von der Obrigkeit verhafteten Menschen aus der obrigkeitlichen Haft, durch einen Drittens. Die Erfordernisse sind: 1. Nur ein Dritter, nicht der Gefangene selbst, kann Subject deS Vergehens sein. Ob dem Dritten der Gefangene zur Aufbewahrung, Begleitung oder Be­ wachung anvertraut war (z. B. einem Transporteur ic.), ist gleich­ gültig; natürlich darf der Dritte auch in diesem Falle kein Beamter sein, indem sonst ein AmtSverbrechen da sein würde. 2. ES wird

1) Meiater 1. c. Dorn, a. a. O. g. 359. Ouistorp, P. R., §.195 Clarue Seat, qu. 29, Nr. 5. 2) A. L. R. 11.20. §§. 160b. flg. Rrscr. v. 23. Mai 1796, vom 18. Der 1797 ({Rabe, Bd. 3, S. 391, Bd. 4, S. 362). 3) Circ.Ver. v. 26. Fcbr. 1799 (Rabe, Bd. 5, S. 330). 4) Str. G. B. §§. 94, 95, 322.

Xemme,

Strafrecht.

41

642 ein wirklicher Gefangener der Obrigkeit erfordert, also ein Mensch, der

von

den

Organen der Obrigkeit

Verwahrsam genommen ist

in

wirkiche

körperliche

und sich darin noch befindet.

Wer

erst arretirt werden soll, oder der Verwahrsam bereits wieder ent­

kommen war, kann nicht Gegenstand deS Vergehens sein.

könnte nur Begünstigung eineS

anderen Deliktes, nach

meinen Grundsätzen vorliegen.

Andererseits

nicht hierher.

gehört

Es

allge­

Privathaft

Eine Verwahrung in einem verschlossenen Gefäng­

nisse kann sowohl nach allgemeinen Grundsätzen, wie nach be­ sonderer Vorschrift deS Gesetzes31)42 nicht gefordert werben3).

ES

gehören daher auch Hausarrest, Transport u. f. w. hierher. Da­ gegen nicht Eingrenzung in einen Ort oder Distrikt, also auch nicht Stadtarrest;

voü einer eigentlichen Gefangenschaft,

einer

körperlichen Verwahrsam durch die Obrigkeit ist hier nicht

die Rede; der Eingegrenzte ist seiner eigenen Ehre oder seiner Furcht

anvertraut.

Ob der Gefangene wegen Verbrechen oder auS irgend

einem anderen Grunde, also auch wegen Schulden, oder zu welchem

Zwecke, ferner ob er schuldig oder unschuldig, gesetzlich oder gesetz­ widrig, also auch ob durch kompetente oder inkompetente Obrig­ keit, verhaftet war, ist gleichgültig.

Nur ist eS nicht unmöglich,

daß auch hier die Grundsätze von der Nothwehr, und namentlich von dem Beistände für einen in der Nothwehr Befindlichen, zur

Anwendung kommen können3).

3. Eine Handlung, durch welche

der Gefangene auS der Haft befreiet, also der körperlichen Ver­ wahrsam der Obrigkeit entzogen wird.

Damit ist auch daS Ver­

gehen vollendet; ob die Obrigkeit den Befreieten wieder erlangt oder wieder erlangen kann, ist gleichgültig. Durch die Entziehung war der Erfolg erreicht. Auch im Uebrigcn ist der Charakter der

1) Der Gntro. v. 1847 (§. 122) halte noch den Zusatz: „oder (wer) dessen (des Gefangene» > Entweichung befördert." Der Entw. v. 1b5l ließ ihn fort (Mot. S. 29), um anzuzeigcn, „daß darunter die bereits nach der Befreiung ans dem Gewahrsam der Obrigkeit stattfindende fernere Beförderung der Fluch! des Ent­ wichenen nicht zu verstehen sei." Der Ausdruck hatte freilich nach d. Entw. v. 1847 eine andere Bedeutung. 2) Str. G. B. §§. 94, 95: „oder auS der Gewalt der bewaffneten Macht" H., „dessen Aufbewahrung, Begleitung oder Bewachung ihm anver­ traut ist" ic. 3) Auch die gemeinrechtl. Doctrin nimmt dies an, wiewohl unter unrichtiger Bezugnahme auf 1. 12 u. 1. 14, §. 2, de cust. reor.

4) S. ob. §§. 40, 128.

643 Handlung

gleichgültig,

ob

namentlich

sie

List verbunden war oder nicht.

mit

Gewalt

oder

Dagegen ist erforderlich, daß die

Handlung sich nicht als Theilnahme an der Sclbstbefreiung eines

Gefangenen darstelle.

Denn,

indem

diese

Selbstbefreiung kein

Telict ist, kann auch eine bloße Theilnahme daran nach allge­ meinen Grundsätzen nicht strafbar sein, wenn nicht ein besonderes

Gesetz sie dafür erklärt.

An einem solchen Gesetze fehlt es.

Da­

her ist denn auch die gemeinsame, durch gegenseitige Hülfe be­

wirkte Selbstbesreiung mehrerer Gefangenen für sich allein nicht strafbar').

Auch die PrariS deS Gem. Rechts wie des A.L.R.

nahm die» an, da der DoluS doch eigentlich nur auf die eigene Befreiung gerichtet gewesen sei. Nur ausnahmsweise bei Per­ sonen, denen der Gefangene anvertraut war, ist auch die Theil­ nahme an der Selbstbesreiung desselben strafbar').

4. DoluS.

Nur ausnahmsweise wieder bei Personen, denen der Gefangene

anvertraut

war,

wird

auch

schon

die

Fahrlässigkeit

bestraft.

5. Auch schon der Versuch dieses Vergehens ist strafbar, jedoch

ausnahmsweise nicht bei den Personen, denen der Gefangene an­

vertraut war'). —Die Strafe ist Gefängniß von vierzehn Tagen biS zu drei Jahren; bei einer Fahrlässigkeit derjenigen Personen,

denen der Gefangene anvertraut war, aber nur Gefängniß blö zu sechs Monaten, und in Fällen geringerer Verschuldung nur Geld­ buße bis zu fünfzig Thalern4 1).2 3

Anmerkung I.

wollte

noch

die

Der Entwurf von 1830 (88.154, 155)

Selbstbesreiung

eineö

(mit Arbeitshaus bis zu zwei Jahren).

Gefangenen

bestrafen

Spätere Entwürfe nur

noch den Fall, wenn „zwei oder mehrere Gefangene ihre Befreiung

mittelst gegenseitiger Unterstützung bewirkt' hauen" (Entwurf von 1843 8.196).

Die Revision von 1845, (Bd. II, S. 49) strich,

1) Im §. 96, Str. G. B. wird die Selbstbesreiung mehrerer Gefangenen nur unter dem Gesichtspunkte der Meuterei ausgefaßt, die gegenseitige Befreiung ist also für sich allein nicht strafbar.

2) Str. G. B. §. 95: „bewirkt oder befördert," vgl. mit §. 322: „be­ fördert oder erleichtert" und mit §. 34, Nr. 2: „erleichtert." 3) Der §. 95 ist dem Gntw. v. 1847 (§. 124) entnommen; man scheint bei der Hcrübernahme an den §. 33 nicht gedacht zu haben. 4) Nach dem Rescr. v. 3. Marz 1823 (Jahrb. Bd. 21, S. 331) kann in den Straferkcnntniffen gegen einen Transporteur zugleich über dessen Verpflichtung zur Tragung der im §. 32 der Transportinstructicn v. 16. September 1816 er­ wähnten Kosten erkannt werden. Noch gültig.

644

weil eS klar fei, daß „Jeder zunächst und hauptsächlich seine eigene Befreiung bezweckt" habe. Anmerkung 11. Auch die neueren Deutschen Str. G. B. fassen alS Delikt der Befreiung der Gefangenen im Ganzen so

auf wie daS Str. G. B.

8. 133.

Don der Meuterei. Die Meuterei ist ein dem Aufruhr sehr nahe verwandtes

Verbrechen.

Sie ist von diesem jedoch in einiger Hinsicht ver­

schieden. Einerseits bildet sie eine Art desselben in Beziehung auf

daS Subject, indem sie nur bestimmte Kategorien von Personen als Subject haben kann.

Andererseits umfaßt sie nicht Hand­

lungen, die den Thatbestand Handlungen, die noch nicht

des Aufruhrs, dagegen auch diesen Thatbestand ausmachen,

sondern dieses Verbrechen nur erst vorbereiten. — DaS Gemeine

Deutsche Strafrecht kennt nur eine Meuterei der Soldaten, also daS Verbrechen nur als besonderes (Amts- oder Standes») Ver­

brechen. ES wird hergestellt durch Handlungen, welche einen Auf­ herbeiführen sollen. Es soll an „Leib oder Leben" bestraft werden'). DaS Pr. Strafrecht kannte daS Ver­

ruhr der Soldaten

brechen der Meuterei schon vor dem Straf-Ges.-Buch in zwei

Fällen: 1. AlS jedes Complott von Soldaten zu einem Verbrechen oder Vergehen gegen die Subordination?). 2. Als Complott deS Schiffsvolks auf Seeschiffen zu gemeinsamer gewaltsamer Auflehnung gegen die Befehle deS Commandeurs deS Schiffes31).42 DaS Straf-

Ges.-Buch hat 3. als dritten Fall hinzugefügt ein Zusammenrotten

von Gefangenen in einer Gefangenanstalt zu Gewalt gegen die

Beamten der Anstalt oder zu

einem

gewaltsamen AuSbruch*).

1) L. 3, D. de re milit. Rcutcr Bestall, v. 1570. Art 55. Vergl. Feue rbach, §. 488, Quistorp, P. R. §. 92. 2) Milit. Str. G. B. §. 137, Kriegsart. v. 27. Juni 1844. Art. 11, 12, 28, 29. Vcr. v. 27. Juni 1844, §§. 35, 39, 51, 52, 56. Milit. Str. G. B. §§. 135, 136, 138, 139. Achtes Register zur Ges. S. v. d. Meuterei. 3) Ges. v. 31. März 1841. §§. 2. flg. 4) Str. G. B. §. 96. Die blos polizeilichen Vergehen der Fabrikarbeiter rc., welche eine Einstellung der Ausübung des Gewerbes u. s. w. zum Zwecke haben, — Gew. O. v. 17. Januar 1845, §§. 181. ffg. — können als Meuterei nicht angesehen werden.

645 Die Soldatenmeuterei,

als besonderes Militairverbrechen, muß

aus der Darstellung hier ausscheiden. Die Meuterei des Schiffs« Volks hat, vermöge der besonderen erzeptionellen Verhältnisse des isolirt auf dem Meere befindlichen Schiffes, eine erzeptionelle Natur,

und daher auch mehr einen besonderen Thatbestand.

Sie ist da­

her auch vollständig getrennt von der Meuterei der Gefangenen darzustellen. Diese letztere konnte erst hier dargestellt werden, weil

sie erst durch die vorhergegangene Darstellung des Deliktes der Befreiung von Gefangenen ihr klares Verständniß erlangt. Der

Begriff dieses Deliktes ist: DaS Zusammenrotten von Gefangenen in einer Gefangenanstalt, zu dem Zwecke, entweder einen gewalt­ samen AuSbruch auözuführen, oder gegen die Beamten der An­

stalt sich zu widersetzen oder dieselben zu etwas zu nöthigen.

Der

Thatbestand dieser Meuterei fällt hiernach in den meisten Stücken mit dem Thatbestände deö Aufruhrs zusammen >). Man könnte sie den Ausruhr von Gefangenen nennen.

treff des Subjektes.

Erfordernisse sind: I. In Be­

1. Eine Mehrheit von Personen. Wie groß

die Anzahl sein müsse, daS hängt auch hier, wie beim Aufruhr,

von den Umständen deS konkreten Falles ab, wobei namentlich auf die Besonderheit der Gefangrnanstalt zu sehen ist.

2. Die

Personen müssen auS Gefangenen bestehen. Aus welchem Grunde die Gefangenen verhaftet sind, darauf kommt hier eben so wenig etwas an, wie bei der Befreiung von Gefangenen.

Sie müssen

aber Gefangene der Gefangenanstalt sein, in welcher oder gegen

deren Beamte daS Verbrechen verübt wird.

Doch kann natürlich

vermöge der Grundsätze von der speziellen Theilnahme (ob. §. 70) auch jeder Andere, Nichtgefangene, als Theilnehmer Subjekt deS Verbrechens sein. II. AIS unmittelbares Object deS Delikt- stellen

sich dar,

entweder die Beamten einer

Gefangrnanstalt,

oder

daö Gebäude derselben. Jene, in sofern eine Nöthigung, oder ein Widerstand, also eine Gewalt gegen sie verübt werden soll.

Die

Strafanstalt selbst alS Gebäude, in sofern ein gewaltsames Drechen,

zum Zwecke deS Entweichen-, also gleichfalls eine Gewalt, gegen

sie verübt werden soll.

AlS Gefangenanstalt muß überhaupt be­

trachtet werden ein Gebäude,

welche- von der Regierung deS

1) ES würde sich fast hauptsächlich nur in Benehung auf das Subject un­ terscheiden, wenn nicht bei der Redaction das Versehen in Betreff der Gewaltauöübung stattgefunden hätte (S. Tert III. 2.).

646 Staats (unmittelbar

oder

mittelbar, z. B. durch Gemeinden)')

zur Aufbewahrung von Gefangenen, gleichviel von welcher Art1 2),

bestimmt und eingerichtet ist. erforderlich:

1.

III. Hinsichtlich der Handlung ist

Ein Zusammenrotten

der

mehreren Personen,

a) Die Art und Weise, wie dieses geschieht, ist gleichgültig, wie

auch beim Aufruhr.

Es muß indeß, wie dort, ein tumultuarischeö

sein, was auch hier durch das Wort „Zusammenrotten" an­

gezeigt ward.

In sofern kann eS denn auch kein heimliches

fein, b) Dagegen kann ebenso selbstredend, vermöge der Lage des Subjectes, eine Oeffentlichkeit im Sinne deö gewöhnlichen

Aufruhrs nicht gefordert werden, c) Andererseits kann auch nicht gefordert werden, daß eS gerade im Innern der Gefangenanstalt

selbst stattfinden müsse.

Bei einem bezweckten Auöbruche würde

dieö freilich nothwendig sein.

Außerdem aber nicht.

ES ist z. B.

mit manchen Strafanstalten die (wohlthätige) Einrichtung

von

Feldbewirthschaftung verbunden, die außerhalb der Mauern der

Anstalt unter Beaufsichtigung der Gefängnißbeamten erfolgt.

Ein

Zusammenrotten der so draußen beschäftigten Gefangenen gegen die Beamten würde, wenn auch in der Anstalt vorher nicht ver­

abredet, unzweifelhaft hierher gehören.

2. Die Zusammenrottung

muß in einer Art und Weise geschehen, daß deutlich die Absicht

eines AuSbruchS, oder einer Nöthigung oder eines Widerstandes

gegen die Beamten zu erkennen ist3),

a)

In dem Thatbestände

deö Aufruhrs liegt noch eine dritte Absicht, die gegen, die Beamten überhaupt einen Angriff zu machen, um z. B. Rache zu nehmen,

sie zu mißhandeln u. f. w. In den Thatbestand der Meuterei hat

daS Gesetz dieses Moment nicht ausgenommen4),

b. Die Aus­

führung eines AuSbruchS oder einer Gewalt gegen die Beamten,

1) Also z. B. nicht ein geistliches domus demeritorum, das zu der StacttSregierung weder un- noch mittelbar in einer Beziehung steht. 2) ES gehören daher ohne Zweifel auch hierher CorrectionShaufer. 3) In dem ersten Falle muß, in den beiden anderen kann die Absicht der Verbrecher ruletzt auf Selbstbefreiung gerichtet fein. Es ist dies aber nur Zu­ fall; der Ebarakter deö Delictes wird dadurch nicht bestimmt. Jedenfalls wird auch so die Selbstbefreiuna nur durch die Zusammenrottung strafbar, so daß diese letztere den eigentlich strafbaren Moment bildet. 4) Es liegt hier wohl nur ein Nedaetionsversehen vor. Das Moment des Angriffes gegen den Beamten war im Entw. v. 1851 nur durch die veränderte, auf die vorhergehenden §§. verweisende Fassung des §. 81 (Str. G. B. §. 91) in den Thatbestand des Aufruhrs gekommen. Den die Meuterei enthaltenden §. nahm man ohne solche Verweisung aus dem Entw. v. 1847 auf, ohne daran zu denken, daß Aufruhr und Meuterei nun die Uebereinstimmung verloren, die sie im Entwurf v. 1847 hier noch gehabt hatten.

647 also ein wirklicher vollendeter Widerstand, oder gar eine vollendete Nöthigung, sind zum Thatbestände deS Deliktes nicht erforderlich.

Die Meuterei unterscheidet sich hierdurch erheblich von dem Auf­ ruhr').

IV. Der unter allen Umständen zum Thatbestände er­

forderliche DoluS ergiebt sich von selbst.

Deliktes folgt aus dem zu III. Gesagten.

V. Die Vollendung deS Ein Versuch der bloßen

Zusammenrottung kann nicht bestraft werden; die Meuterei, sobald

nicht Gewaltthätigkeiten verübt oder versucht sind, ist nur Versuch

und die blos versuchte Zusammenrottung ist nicht besonder- mit

Strafe bedrohet.

In Betreff der Strafe ist auch hier unterschie­

Sind keine Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen verübt, so ist die Meuterei nur ein Ver­ den, wie beim Aufruhr.

gehen und die Strafe beträgt für sämmtliche Theilnehmer Gefängnicht unter sechs Monaten*), wobei auf Stellung unter Polizei­ aufsicht erkannt werden kann.

Sind aber die genannten Gewalt­

thätigkeiten verübt, so wird die Meuterei für diejenigen, welche diese Gewaltthätigkeiten verübt haben, zu einem Verbrechen und

eS trifft die Thäter der Gewaltthätigkeiten Zuchthaus bis zu zehn Jahren und Stellung unter Polizeiaufsicht.

Charakter deö Ver­

brechens und die letztere Strafe treten natürlich auch schon bei dem Versuche solcher Gewaltthätigkeiten ein. Die auszusprechenden

Strafen sollen unabhängig, ohne Rücksicht auf die Strafe deS

Deliktes, wegen dessen die Meuterer verhaftet sind'), ausgesprochen und die Freiheitsstrafen sollen unmittelbar nach dieser vollstreckt

werden.

Daß

unter „Gewaltthätigkeiten

gegen Personen

und

Sachen" auch hier nur Mißhandlungen, beziehungsweise Beschä­

digungen,

ganz wie beim Aufruhr, verstanden werden können,

1) Freilich nur vermöge des oben beim Aufruhr hervorgehobenen RedactionSverschenS. Auch der §. 96, Str. G. B., ist noch ungeschickt redigirt. Wollte man sich streng an die Worte desselben halten, so müßte man zum Thatbestände der Meuterei gleichfalls die wirkliche Ausübung der Gewalt fordern. Denn die Worte: „ausführen oder auszuführen versuchen," „zwingen oder iu zwingen versuchen," sollen nach §.33 nur anzeigen, daß hier auch der Versuch bestraft werden solle. Der Thatbestand deS vollendeten Verbrechens wäre also ohne das bloße „Versuchen" festrustellen. In Betreff deS Widersetzen- fehlt auch dieses Wort „versuchen" sogar. Indeß ist die Absicht deS Gesetzes hier doch klar, und die Worte lassen sich wenigstens auf sie beziehen, wenn gleich durch einigen Zwang gegen den Sprachgebrauch des Gesetzes. Man muß deshalb die Unge­ schicktheit der Ausdrucksweise hier übersehen. 2) In Betreff der Zumeffung gilt daS oben zum Aufruhr Gesagte. 3) S. ob. §. 98.

648 erscheint unzweifelhaft.

Ist die Sache hier

auch einigermaßen

anders, als beim Aufruhr (ob. 8.130), indem auch der Versuch der Gewalt schon daö Vergehen der einfachen Meuterei auSmacht, so

ändert doch auch andererseits

die wirkliche Verübung

Gewalt an diesem Thatbestände der Meuterei nichts.

von

ES bleibt

also immer ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Vergehen und

dem Verbrechen der Meuterei, der auch durch wesentlich verschie­ dene Strafen sich herauöstellt, und der nur auf dem leichteren oder

schwereren Charakter der verübten GLwalt beruhet.

Anmerkung.

Von den

neuen Deutschen

Stras-Ges-B.

haben nur wenige daS besondere Delikt der Meuterei der Gefan­ genen ausgenommen, das in der That bei dem allgemeinen Ver­ brechen der Gewalt für ein nothwendiges nicht erachtet werden

kann.

ES kennen dasselbe nur die Str.-Gef.-Bücher von Württem­

berg Art. 182, Braunschweig §. 99, Weimar u. Meiningen Art. 106,

Thurgau 8.242.

8. 134.

Von der Meuterei des Schiffsvolkes besonders. Dieses Delikt war dem A. L. R. unbekannt.

Es ist zuerst

durch Gesetz vom 31. März 1841 *) geschaffen, als man annahm daß ein Bedürfniß dazu sich herausgestellt habe. dieser Art der Meuterei ist:

Der Begriff

Ein Unternehmen von zwei

oder

mehreren Mitgliedern der Mannschaft eines auf der Seereise be­

findlichen Seeschiffes, welches zum Zwecke hat, durch vereinigte Gewalt oder Drohung, oder auch nur durch vereinigte Verwei­ gerung der Dienste, den Capitain des Schiffes zu einer Hand­

lung oder Unterlassung zu nöthigen, welche sich auf die Leitung des Schiffes oder auf die Aufsicht über das Schiff oder die Ladung

bezieht^).

Erfordernisse sind: 1. Subjekt des Delikts sind Mit­

glieder der Schiffsmannschaft; auch andere Personen natürlich

als

s. g. specielle

Theilnehmer.

Die

Schiffsmannschaft besteht

auS denjenigen Personen, welche den Befehlen des SchiffScapitainS

zum Schiffödienste in irgend einem Theile desselben untergeordnet

1) G. S. S. 64. 2) Ges. v. 31. März 1841, §§. 7, 8. vergl. §. 7. das.

649

find. 2. Sie müssen sich auf einem Seeschiffe befinden, also auf einem zur Fahrt auf der See bestimmten Schiffe'). Ein bloö zur Stromschifffahrt bestimmte- Schiff würde also auch auf der See nicht hierhergehören. 3. Object de- Delikt- ist der Capitain, von dem also, gleichviel ob er al- ordentlicher SchiffScapitain angestellt oder nicht, rechtmäßig1 2)3die'obere 45 Leitung deS Schiffe- auögeht oder nicht. 4. Die Handlung besteht in einem Benehmen, durch welche- der Capitain zu etwa- genöthigt werden soll. Sie kann eigentliche Gewalt gegen die Person, phvfische oder physiologische sein; sie kann auch in einem bloßen Verweigern der schuldigen Dienste bestehen. Auch in diesem letzteren, in sofern dadurch dem Willen deö Capitain- ein Zwang angethan werden soll, ist nach allgemeinen Grundsätzen Gewalt (vis). Ein Zusammenrotten ist dann nicht erforderlich; auch nicht ein vorhergegangenes Der« abreden. Jedenfalls ist aber die Absicht einer Nöthigung durch gemeinsame Gewalt (in den vorhin angegebenen Momenten) er­ forderlich; also auch eine Verständigung mindesten- zur Zeit degemeinsamen Handeln-. 5. Die Handlung muß zu einer Zeit vor, genommen sein, da da- Schiff sich auf der Seereise befindet, also entweder ans der Rhede eine- inländischen Seehafen- bereit- segel­ fertig gemacht ist, oder sich auf offener See, oder in einem aus­ ländischen Hafen oder Gewässer sich befindet2). — Die Strafe ist Gefängniß oder Strafarbeit, also jetzt nur noch*) Gefängniß von vier Monaten biö zu vier Jahren; wenn aber eine Ver­ abredung vorangegangen war, Strafarbeit oder Zuchthaus, also jetzt nur nochs) Zuchthaus, von vier bi- zwölf Jahren für Anstifter und Rädel-führer, und von zwei bi- fünf Jahren für die übrigen Theilnehmer.

1) Dass. Eint. 2) Rach Verdrängung de- rechtmäßigen Capitain» würde also gegen den Usurpator keine Meuterei begangen werden können. 3) Ges. ». 31. Mär» 1841, $. 4. 4) Eins. Ges. Art. VIII. IX. 5) Das.

650

Vierter Titel. Vergehen wider die öffentliche Ordnung. 8. 135.

Vorbemerkungen. Der sechste Titel deS Straf-Ges.-BuchS stellt unter der obigen

Ueberschrift eine Menge der verschiedenartigsten, mit Strafe be­ drohten Handlungen zusanimen, die einen gemeinsamen inneren

Charakter durchaus nicht haben.

Allerdings sind sie in der That

sämmtlich Vergehungen gegen die öffentliche Ordnung im Staate;

aber sie sind dies nicht nicht mehr und auch nicht weniger, als jedes andere Vergehen, Verbrechen oder Polizeiübertretung.

Da­

gegen haben sie namentlich in zwei anderen, äußeren Punkten eine Uebereinstimmung. Von der einen Seite sind sie sämmtlich Hand­

lungen, die, in sofern überhaupt ein

Grund vorhanden ist sie

mit Strafe zu bedrohen *), nur aus rein polizeilichen Gründen für strafbar erklärt sein können.

Von der anderen Seite sind sie denn

auch sämmtlich wenigstens mit so geringen Strafen bedroht, daß sie, wenn auch nicht als Polizeiübertretungen, so doch nur als

Vergehen, und nicht als Verbrechen, sich darstellen.

Daö Ge­

sagte findet nur eine Ausnahme in Betreff der Beleidigungen ge­

gen die Kammern und deren Mitglieder.

Dieses Vergehen kann

natürlich unter einem blos polizeilichen Gesichtspunkte nicht auf­ gefaßt werden,

wie denn auch andererseits nicht ersichtlich ist,

warum das Gesetz eö gerade in diesen Titel gebracht hat. Uebrigenö sind die sämmtlichen Delicte auch ohne irgend ein äußeres Classificationöprincip in diesem Titel hier zusammengestellt. Gleich­

wohl lassen sie sich wenigstens theilweise unter einige allgemeine Gesichtspunkte bringen, und zwar so, daß dadurch auch Anhalts­

punkte für ihre Classificirung gewonnen werden. die in den 88. 100, 101 Ruhe überhaupt.

So gefährden

bedroheten Handlungen die öffentliche

Die Handlungen der 88. 97, 98, 99 werden

1) Das Nechtsbewllßtskili im Volke wird nur bei wenigen und überhaupt nur rein polizeiliche Bestrafung anerkennen.

651 als polizeilich gefährlich in Beziehung auf Hochverrath betrachtet.

Mit ihnen steht in sofern in Verbindung der Inhalt deö nach

S. 126 oben hierherzuziehenden 8. 93, jedoch mit Ausnahme der Nr. 3 desselben; sowie der Mißbrauch des Vereins- und VerfammlungSrechtS; ferner gehören hierher die Preßvergehen. reihen sich ihnen,

als

ES

Verletzungen der Achtung vor der Re­

gierungsautorität, überhaupt an die Handlungen der SS. 107, 108, so wie Nr. 3 des $. 93.

In Verbindung damit stehen die Be­

leidigungen der in den 88. 102, 103 genannten Corporationen

u. f. w.

Am zweckmäßigsten folgen daraus diejenigen Vergehen,

welche auf Täuschung Anderer, wenngleich nicht auf eine be­ stimmte Rechtsverletzung gerichtet sind, die Gefahr der letzteren

aber mehr oder weniger mit sich führen.

So namentlich die auf

Täuschung unbestimmt Mehrerer gerichteten Vergehen der SS. 104,

105 und im Ganzen deS 8-106; sodann auf Täuschung einzelner Behörden gerichtet die deS $. 109.

der Verleitung

Sodann folgt das Vergehen

zur Auswanderung §. 114, als gegen die Ge­

werbe- sowohl, als die Bevölkerungspolizei gerichtet. Ferner folgen die

Vergeben gegen die Militairgewalt in den SS. HO—113. Darauf die gegen die Sicherheitspolizei in SS. 115, 116; endlich die gegen die Sitten- und Sicherheitspolizei in SS. 117—120.

Anmerkung.

Auch die Com. der zweiten Kammer (Der.

S. 64) erkannte an, daß in dem sechsten Titel des Str.-G.-B. eine Reihe sehr verschiedenartiger Handlungen

zusammengefaßt

seien, von denen mehrere ihrer inneren Natur Nach eigentlich keine

Rechtsverletzungen

darstellen,

sondern

nur

Polizeiver­

gehen seien, welche lediglich der Höhe der Strafe wegen nicht in

den dritten Titel deS Str. G. B. verwiesen werden könnten.

Der

Entw. v. 1847 führte hier auch noch die unerlaubte Selbsthülfe (strafbar nach A. L. R. II, 20, SS« 157 ff.) auf, indeß nur, wenn

Jemand einem an

ihn ergangenen

obrigkeitlichen

Verbote zu­

wider, sich selbst Recht zu verschaffen suchte. Die Kritik v. 1843 hatte sich schon fast einstimmig dagegen erklärt.

Der Entw. v.

1851 hat daö Vergehen fortgelassen, und so auch das Str. G. B.

8. 136.

Gefährdungen der öffentlichen Ruhe überhaupt. ES gehören hierher zwei verschiedene Handlungen:

I. Die vorsätzliche Gefährdung deS öffeiltlichen Friedens durch

652 Anreizung von Angehörigen des Staat- zum Haffe oder zur Ver­ achtung gegeneinander').

Erfordernisse:

1. Eine Anreizuüg

zum Hasse oder zur Verachtung. Also eine Handlung, durchweiche, und zwar, nach der Absicht de- Handelnden, die genannten Ge« müthSrichtungen wirklich erweckt werden.

Anreizung ist in ihrer

strafrechtlichen Bedeutung eine Art der Anstiftung zum Verbrechen. ES muß also der Thatbestand der Anstiftung da sein, mit der einen Ausnahme, daß nicht zu einer an sich verbrecherischen Hand­

lung, sondern zu bestimmter Gemüthörichtung angestiftet wird, die

daSMotiv zu Verbrechen (Friedensstörung) werden kann. 2. Die Anreizung muß öffentlich geschehen.

3. ES müssen Angehörige deS

Staate- gegen einander angereizt sein, nemlich

bestimmte, kon­

kret nachzuweisende Individuen, oder Mehrheiten von Individuen (Classen u. s. w.).

Absurdum

Ohne dieses Erforderniß würde man zu dem

gelangen,

daß

Begriffe,

„Staatögehörige",

gegen­

einander Haß und Verachtung hegen könnten, wie Menschen von Fleisch und Blut.

4. Der öffentliche Friede muß, wenn

auch

nicht gerade schon gestört, doch gefährdet sein, eö muß also eine

wirkliche Gefahr der Störung desselben vorhanden und nachgewiesen

sein.

5. Und diese Gefahr muß durch jene öffentliche Anreizung

herbeigeführt sein.

6. Der Doluö deS Handelnden muß nicht nur

auf die Anreizung, sondern auch auf die dadurch herbeizusührende Gefahr für den öffentlichen Frieden gerichtet sein.

Denn culpoS

kann dieses Delikt nicht begangen werden, der Doluö muß also

auf den ganzen Thatbestand gerichtet sein 1 2).

— Die Strafe ist

Geldbuße von zwanzig bis zweihundert Thalern, oder Gefängniß von einem Monate bis zu zwei Jahren. — II. Vorsätzliche Er­ regung von Haß oder Verachtung gegen die Einrichtungen deS

Staates oder die Anordnungen der Obrigkeit, durch öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen derselben, oder durch öffent­

liche Behauptung

oder

Verbreitung

erdichteter

oder

entstellter

1) Str. G. B. §. 100. 2) Der §. 100 findet sich zuerst in der Preß-Ver. v. 30. Juni 1849, §. 17. Er lautet kett: „Wer de» öffentlichen Friede» dadurch zu stören suchte" u. s. w. Die Coni. der 2. Kam. zur Prüfung des Preßges. änderte ab: „Wer die Ange­ hörigen anrcizt, wird" u. s. w. Äon einer Gefährdung deS öffentlichen Frieden­ war aar nicht weiter die Rede. So nahm auch der Entw. v. 1851 den §. auf. Die Gern, der zweiten Kam. zur Prüfung dteseS Entw. nahm aber die jetzige Abänderung vor. Sie bemerkte dabei (SB«. S. 65): Der §.17 der Preßvervrd. enthalt« ein Doppelte-: einmal, daß die Anreizung zum Haffe ». s. w. objectiv den öffentlichen Frieden gefährde, und sodann zweite»-, daß der Thäter bei stirer

653 Thatsachen Erfordernisse: 1. Da-unmittelbare Object dieses Delikte- ist ein doppelte-: a) Die Einrichtungen de- Staate-. Der Begriff der Einrichtungen de- Staate- ist ein außerordent­ lich weiter, wenn man an die Worte sich halten will, durch die er au-gedrückt wird. Allerdings soll nur der Preussische Staat hier gemeint sein. Der Preussische Staat ist aber daS Zusammen­ leben deö Volke- in Preußen unter sämmtlichen Einrichtungen, wie sie für diese- Zusammenleben eristiren. Diese Einrichtungen bestehen in aller und jeder Anordnung, die zu irgend einer Seite, irgend einem Momente jene- Zusammenleben- getroffen worden ist. Chausseen, Wege, Gräben, Hecken und Zäune sind ebenso­ wohl Staatseinrichtungen, al- andererseits Kammern, Polizei, Justiz u. f. w. ES ist kaum glaublich, daß der Begriff, wo esich um den Thatbestand eine- Deliktes handelt, so weit sollte ge­ nommen werden können. Schon darum nicht, weil in den Be­ griff auch die, besonders und zwar gegensätzlich hervorgehobenen „Anordnungen der Obrigkeit" fallen. AuS diesem letzteren Grunde können aber auch nicht etwa Regierung-einrichtungen gemeint sein, al- die von der Regierung deS Staates für da- staat­ liche Leben überhaupt getroffenen Anordnungen. Auch dazu ge­ hören noch Anordnungen der Obrigkeit. Der Begriff kann daher nur in einem engeren Sinne gemeint fein und genommen werden und eS sind darunter zu verstehen die von der Regierung deStaate- für die Zwecke deS Staate- geschaffenen, bleibenden Staat-anstalten. Der Begriff ist auch so noch ein weiter. Er umfaßt die Gesetze, die Recht-pflege, die Polizei, Schulwesen, Beamtenorgani-mu- u. s. w. b. Anordnungen der Obrigkeit sind dem gegenüber sodann die von den einzelnen Organen der Re-

Anreizung die Absicht haben müsse, den öffentlichen Frieden zu stören. Diesem letzteren Trforderniffe könne die Com. ebenfalls nicht beistimmen. Dagegen halte sie zur objectiven Charakterifirung der Anreizung daS erstere Requisit allerdings nothwendig, „um nicht Falle, welche für die östentl. Ordnung ganz gleichgültig find und die lediglich in daS Gebiet der Beleidigungen und Verlaumdungen ge­ hören, mit Fällen ganz anderer Bedeutung zusammenzuwerfen." Es leuchtet auch hier wieder ein, daß die Com. der itocit. Kam. von völlig falschen straftechtlichen Anfichten ausging, und Culpa und DoluS durcheinander warf. Das Gesetz selbst ist klar. Wenn man nach dieser Klarheit deS Gesetzes an den im Texte ausge­ stellten Erfordernissen festhält, und man muß dies, so wird daS Delikt des §. 100 eben so selten vorkommen können, als eS sonst mindestens eben in jeder öffentlichen Beleidigung gefunden werden müßte, wogegen gerade die Com. der zweiten Kam. sich ausspricht. 1) Str. G. B. §. 101.

654 gierungSgewalt ausgegangenen Befehle und Verordnungen. 2. Die erwähnten Objecte müssen dem Hasse oder der Verachtung „aus­

gesetzt" sein; Haß oder Verachtung muß also gegen sie erregt

sein ').

ES geschieht dieS indeß nothwendig dadurch von selbst,

wenn sie unter einem hassens- oder verachtungswürdigen Gesichts­

punkte dargestellt werden.

Es kann daher auch, zumal bei dem gleich

zu erwähnenden Requisit der Oeffentlichkeit, nicht die Frage auf­

geworfen werden, bei wem Haß oder Verachtung erregt sein müssen.

3. Haß oder Verachtung müssen dadurch erregt sein, daß die ge­ nannten Objecte entweder öffentlich geschmähet oder verhöhnt

sind, oder daß erdichtete oder entstellte Thatsachen, durchweiche sie mittelbar oder unmittelbar betroffen werden,öffentlich behauptet oder verbreitet worden sind.

Dieses Requisit besteht auS einem

ganzen Inbegriff weiterer Erfordernisse. selbst.

Sie detailliren sich von

Zu bemerken ist nur, daß einerseits die Schmähungen

und Verhöhnungen wohl mindestens den Charakter der Injurien an sich tragen, und andererseits, in sofern sie nicht vorliegen, eben

nothwendig erdichtete oder entstellte Thatsachen da sein müssen, so daß also allgemeine Behauptungen ohne solchen thatsächlichen

Inhalt nicht hierher gehören.

4. DaS Delict kann nur doloS

begangen werden. Der DoluS muß auch hier auf den ganzen Thatbestand (f. ob. I) sich beziehen: der Thäter muß also na­ mentlich auch entweder selbst die Thatsachen wissentlich erdichtet

oder entstellt, oder aber ihre Erdichtung oder Entstellung gekannt

habens. — ES ergiebt sich auS diesem Requisit genauer der Cha­ rakter deS Deliktes.

ES besteht in einer öffentlichen Beleidigung,

wenn Schmähungen und Verhöhnungen, und in einer öffentlichen

Verläumdung, wenn entstellte oder erdichtete Thatsachen vorliegen;

außerdem wird aber in beiden Fällen zu seinem Thatbestände noch die Erregung von Haß oder Verachtung erfordert. — Die Strafe

ist Geldbuße bis zu zweihundert Thalern, oder Gefängniß bis zu

zwei Jahren. Anmerkung I.

Die Geschichte des §. 100. ist bereits oben,

Note 1. (S. 1.) berührt.

Der §. 101. ist unzweifelhaft dem §.

1) Da» Gesetz sagt nicht etwa, daß sie der Gefahr des Hasses u. s. w., sondern daß sie dein Hasse u. s. w. selbst ausgesetzt sein müssen. 2) S. hierüber jedoch mit Anm. I.

655 151. II. 20. A. L. R.') nachgebildet.

Die Preßver. v. 30. Juni

1849 hob den $. 151 auf, und brachte an seiner Stelle (§. 18):

„Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen öffentlich behauptet oder

verbreitet, welche in der Voraussetzung ihrer Wahrheit, die Ein­ richtungen deS Staates oder die Anordnungen der Obrigkeit dem Hasse oder der Verachtung auösetzen, wird mit Geldbuße von 20

bis zu 200 Thalern, oder mit Gefängniß von vier Wochen bis

zu zwei Jahren bestraft."

Die Preßges.-Com. der zweiten Kammer

beantragte die gegenwärtige Fassung. brachte diese.

Der Entwurf von 1851

In der Com. der zweiten Kammer für die Prüfung

dieses Entwurfes wurde der doppelte Antrag gestellt, einmal, den Zusatz der öffentlichen Schmähungen oder Verhöhnungen fortzu­ lassen, und zum andern, im Betreff der „Thatsachen" den Zusatz

zu machen: „wissend, daß sie erdichtet oder entstellt sind". Anträge fielen.

Beide

Der erste, weil „die Autorität gegen Schmähun­

gen und Verhöhnungen geschützt werden müsse, und dieser Schutz für die Freiheit der Kritik der Einrichtungen

oder Anordnungen

sachlich nicht im geringsten beschränkt werde, wenn ihr durch be­ stimmte, keineswegs vage Ausdrücke verwehrt werde, zu „„Schmä­

hungen oder Verhöhnungen"" ihre Zuflucht zu nehmen."

Der

zweite, da „auch bet Verläumdungen und Behauptung von falschen Thatsachen nicht blos dann, wenn der Thäter wisse, daß sie falsch

seien, bestraft werde, sondern auch dann, wenn er fahrlässiger Weise unterlassen, die Richtigkeit von Thatsachen, welche der Ver­ achtung auösetzen, zu untersuchen, ehe er sie veröffentliche" (Ver. S. 66).

Der hier angegebene Grund ist unrichtig: auch nach

den Str. G. B. giebt eS keine Verläumdung auS Fahrlässigkeit. Die

Fassung des §. 101 ist übrigens so, daß die Ansicht der

Com. der zweiten Kammer ihr nicht entspricht.

Anmerkung II.

Von den neueren Str. G. B. enthalten

zwar einige Strafvorschriften gegen öffentliche Schmähungen oder Verläumdungen der Regierung deS Landes. Eines (Hannover,

Art. 142) auch gegen eine

„bööliche Herabwürdigung der Ver-

1) „Wer durch stechen, unehrerbietigen Tadel, »der Verspottung der Lande-gesetzt und Anordnungen im Staate Mißvergnügen und Unzufriedenheit der Bür­ ger gegen die Regierung veranlaßt, der hat Gefängniß oder Festungsstrafe auf sechs Monate bis zwei Jahre verwirkt." Das Cenfuredict v. lv. Oktober 1819 setzte hinzu, daß es nicht darauf ankomme, ob Mißvergnügen oder Unzuftiedenheit schon wirklich erregt sei oder nicht.

636 fassung deS Königreichs durch grobe

Schmähungen." Sonst

aber enthält keine- von ihnen Vorschriften, wie die der $$. 100

und 101.

S. 137.

Vergehen in besonderer Beziehung auf den Hochverrath. ES gehören hierher folgende Fälle: I. DaS böswillige, oder

vorsätzlich gegen das Verbot der Obrigkeit, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zusammenkünften vorgenommene AuSstellen, Verkaufen, oder sonstige Verbreiten von Fahnen, Zeichen oder

Symbolen, welche geeignet sind, den Geist deS Aufruhrs zu ver­ breiten oder den öffentlichen Frieden zu stören ').

nisse ergeben sich von selbst.

Die Erforder­

Besonders ist zu bemerken: 1. Die

Fahnen u. s. w. müssen geeignet sein den Geist deS Aufruhrs zu verbreiten oder den öffentlichen Frieden zu stören.

Durch diese

überall figürlich zu nehmenden Ausdrücke („Geist deS Aufruhr-") kann überhaupt nur an eine Gefahr der Erregung oder Ver­

breitung aufrührifcher, besonder- hochverrätherischer Gesinnungen durch daS Aufstellen u. s. w. jener Fahnen u. s. w. gemeint sein. Eö handelt sich hier also um ein Gesinnungsvergehen, bei dem

alles in daS Ermessen deS Richters gelegt ist, der hier besonders

sich zu hüten hat, seine eigene Politische Gesinnung bei solchem Ermessen zu Grunde zu legen. 2. Durch daS zu 1 Gesagte, er halten die Worte: „böswillig'oder gegen daS Verbot der Obrig­ keit" ihre Bedeutung, beziehungsweise Begränznng. willigkeit kann nur

Die Bös­

den auf daS Erforderniß zu 1 gerichteten

Doluö ausdrücken 1 2). DaS Handeln gegen daS Verbot der Obrig­ keit kann daS Delikt nicht Herstellen, wenn nicht daS Erforderniß

1) Str. G. B. §. 93. Nr. 1. 2) Der §. 93 ist aus der Preßverordnung vom 30. Juni 1849, §. 15, ent­ nommen. Die Worte: „böswillig oder gegen daS Verbot der Obrigkeit," die sich weder dort noch im Entw. v. 18ol befanden, find von der (5cm. d. zweiten Kam. (Der. S. 63) hinzngefetzt, „nm die böse Absicht des Thäters hervorzuheben und nicht möglicherweise ganz unschuldige Handlungen unter Strafe zu stellen." ES bestätigt sich hierdurch, daß auch gegen daS Verbot der Obrigkeit vorsätzlich gebandelt sein muß.

657 zu 1, die dort bezeichnete Gefahr objectiv vorhanden ist '). — Die

Strafe ist Geldbuße bis zu zweihundert Thalern, oder Gefängniß von vier Wochen biö zu zwei Jahren.

II. DaS vorsätzlich gegen

ein Verbot der Bezirksregierung, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zusammenkünften geschehene, der öffentlichen Ruhe und Sicherheit gefährliche Tragen äußerer Verbindungs- oder Verei­

nigungszeichen 1 2).3

Erfordernisse sind besonders: 1. Die getragenen

Zeichen müssen wirkliche Zeichen oder Vereinigung sein.

einer bestehenden Verbindung

2. Das Tragen derselben muß objectiv

für öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährlich fein.

DaS bloße

Verbieten derselben als solcher gefährlicher Zeichen durch die Rcgierung ist also nicht zureichend und dieses Verbot kann das freie

richterliche Urtheil

über das Vorhandensein

jenes

wesentlichen

Erfordernisses zum Thatbestände nicht binden. — Die Strafe ist

wie zu I. — III. DaS vorsätzliche rechtswidrige Bilden oder Be­ fehlen bewaffneter Haufen, sowie daö vorsätzliche Versehen einer

ohne gesetzliche Befugniß versammelten Mannschaft mit Waffen

oder Kriegsbedürfnissen, so wie ferner daS vorsätzliche Theilnehmen an solchen bewaffneten Haufen und Mannschaften. Die Strafe ist für Denjenigen, der solche Haufen bildet oder befehligt, oder

sie mit Waffen u. s. w. versieht, Gefängniß biö zu zwei Jahren, für die Theilnehmer, Gefängniß bis zu einem Jahre').

1) In dcr Sitzung der zweit. Kam. v. 27. März 1851 wurde von Seite des Justizministeriums nut Beziehung auf die Vcrord. über das Versammlungs­ recht vom 11. Marz 1850, §. 10, bemerkt, daß das Führen von Fahnen bei kirchlichen Prozessionen und Bittgängen dcr mit EcrporationSrechten versehenen ReligionSgesellichasten nicht strafbar sei. Als Grund wurde angegeben, weil dabei das Kriterium „böswillig und gegen daS Verbot dcr Obrigkeit" fchle. fSten. Bcr. S. 729.) Cs kommt mdcß zugleich auf das objective ärsordcrniß zu 1. im Tert an. 2) Nur so kann Str. G. B. §. 93, Nr. 2 verstanden werden: „wer äußere VerblndungS- odcr Vercinigungszelchcn, welche zur Aufreckthaltung dcr öffentlichen Ruhe und Sicherheit von der Bezirköregiernng verboten sind, an öffentlichen Or­ ten oder in öffentlichen Zusammenkünften trägt." 3) Str. G. B. §. 97, entnommen dem franz. Str. 0). B. Art. 82.

Lemme, Strafrecht.

42

658

8. 138.

(Fortsetzung.)

Besonders von unerlaubten Verbindungen und von dem Mißbrauch des Dereinigungs- und Verfammlungsrechts. I. Geschichtliches. DaS Röm. R. verbietet alö einen Eingriff in daS Majestätö-

rccht die eigenmächtige Bildung von Collegien.

Die Strafe soll

nach Umständen die der vis publica sein •). Im Longob. Lehn­ recht 1 2) wird befohlen, daß alle convenlicula und conjurationes, durch welche der öffentliche Friede gestört werden könne, strenge

zu bestrafen seien.

Die Gold. Bulle3),4 beruft sich auf diese Vor­

schrift deS LehnrechtS.

Mehrere Reichögefetze^) bestrafen die sg.

Vergadderungen vagabundirender Kriegöknechte. Kein Wunder, daß die deutsche Doctrin und Prariö hieraus ein allgemeines, willkürlich ;u bestrafendes Verbrechen der utierlaubtcn Gesellschaften

oder Verbindungen gemacht hat. derbaren,

Freilich anfangs mit dem son­

in den Quellen gleichfalls nicht begründeten Zusatze:

wenn damit die Anmaßung der Rechte einer bestehenden öffentlich

bestätigten Gesellschaft verbunden sei5).

Partieulargesetze kamen

in Folge späterer politischer Ereignisse hinzu,

daS Edict vom 20. Oktober 1798.

Verbindungen mit Strafe bedroht.

z. B.

in Preußen

ES wurden dadurch geheime Ihnen folgten mehrfache Be­

schlüsse der Deutschen Bundesversammlung mit Strafandrohungen gegen geheime und gegen politische Gesellschaften, namentlich vom 20. September 1819. und 5. Juli 1832.

Einzelne Rechtölehrer

erklären demnach für gemeinrechtlich strafbar allgemein die Theil­

nahme an

den, von der Staatsgewalt

nicht ausdrücklich ge­

statteten oder genehmigten Vereinigungen Mehrerer zur Verfolgung

1) 2) 3) 4) 5)

L. 2. 1. 3. §. 1. de coli, et corp. 2. Feud. 53. §. 2. Art. 15. §. 1. 3- B. Reichsdep. Ab sch. von 1564. Vergl. z. B. Quistorp, §. 209.

659 gemeinschaftlichen Zweckes ').

eine-

Einzelne neuere Deutsche

Str. G. B. haben sich solcher Doctrin angeschlossen und insbe­

sondere daS Verbrechen unerlaubter politischer Verbindungen auf­ gestellt;

so

Württemberg Art.

149:

„zu

politischen Zwecken,"

Sachsen, Art. 93 und Braunschweig 8. 88: „welche bezwecken,

die Vollstreckung der Gesetze oder die Ausübung der Verwaltungs­ befugnisse der Regierung zu hemmen;" Oesterreichs. 278: „ge­ heime Gesellschaften oder verbotene Vereine und Verschweigung

von Mitgliedern erlaubter Vereine." Diesen neueren Gesehen hat sich auch daS Preußische Str. G. D. §§. 98 und 99 angeschlossen. Außerdem bestraft daS Preuß. Recht noch besonders den „Miß­ brauch deS VersammlungS- und VereinigungörechtS" durch daS

Gesetz vom 11. März 18501 2).

8. 139.

Grundsätze. Nach der Derfassungöurk. vom 31. Januar 1850, Art. 29 sind „alle Preußen berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche

Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen, (also nicht unter freiem Himmel) zu versammeln."

Nach Art. 30

haben „alle Preußen daS Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Sttafgesetzen nicht zuwider laufen, in Gesellschaften zu ver­ einigen."

Die Ausübung dieser beiden Rechte soll danach indeß

durch besondere Gesetze geregelt werden; politische Vereine sollen

gleichfalls durch besondere Gesetze Beschränkungen und vorüberge­

henden Verboten unterworfen werden können. Diese Beschränkungen enthält daS St. G. B., jene Regelung daS Gesetz vom 11. März

1850.

I. Unerlaubte Verbindungen sind Verabredungen

mehrerer Personen zu solchen rechtswidrigen Vereinigungen, welche entweder 1. ihrem Dasein oder ihrer Verfassung oder ihrem Zwecke

nach vor der StaatSregierung geheim gehalten werden sollen,

1) Vcrgl. Henkt, Handbd. B. 3. S. 703. Aehnlich Heffter Lehrbuch §. 222, jedoch nur dann, wen» die Verbindung „unler eine Art dcs Majestätsverbrechens oder.unter den Conat deS Aufruhrs gestellt werden könnte." Indeß würden dann ja eben diese Verbrechen, beziehungsweise deren Conat, vorhanden sei».

2) G. S. S. 277. Dieses Gesch ist an die Stelle der Verordnung vom 29. Juni 1849 (G. S. S. 221) getreten.

660 2. oder in welchen gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen

bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, 3. oder

zu deren Zwecken oder Beschäftigungen eS gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften *).

In Betreff der Er­

fordernisse ist besonders nur zu bemerken, daß unter „ungesetzlichen"

Mitteln eben bloS an sich

strafbare Mittel verstanden

werden

können, indem ungesetzlich nur daS Nichtgrsetzliche, also daö gesetzlich

Unerlaubte, mithin Verbotene ist, daö Strafgesetz aber, auf wel­

ches eö hier allein

ankommt,

eben nur bei Strafe verbietet-).

Die Strafe ist bei den Verbindungen zu 1. und 2. gegen die Mit­

glieder Gefängniß bis zu sechs Monaten, gegen die Stifter, Vor­ steher und Beamten der Verbindung Gefängniß von einem Mo­ nate bis zu einem Jahre.

Bei den Verbindungen zu 2. gegen die

Mitglieder Gefängniß von zwei Monaten bis zu einem Jahre,

und gegen die Stifter, Vorsteher und Beamten der Verbindung Gefängniß von sechs Monaten bis

zu drei Jahren. Gegen öffentliche Beamte soll in allen Fällen zugleich auf zeitige Un­ fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter erkannt werden. II. Mißbrauch des VereinigungS- und VcrfammlungSrechteS.

Derselbe besteht in einer vorsätzlichen Ueberschreitung der

betreffs

der Regelung deS durch die Verfassungsurkunde vom 3 t. Januar 1850 allen Preußen gewährleisteten oder

an sich

Rechtö sich zu versammeln

erlaubte Vereinigungen

Mehrerer

zu

bestimmten

Zwecken zu schließen, gesetzlich erlassenen polizeilichen Vorschriften '). Die gemeinsamen Erfordernisse der hierher gehörigen Handlungen ergeben sich danach von selbst.

Sie beziehen sich namentlich auf

1) Str. G. B. 88- 98 u. 99. Frühere Ütinv. enthielten eine große Menge von Strafbestimmungen gegen unerlaubte Verbindungen, der von 1836 noch in 25 §§. Sie schmelzen nach und nach mehr ein. Der von 1847 bestrafte noch mit Festungshaft bis zu 5 Jahren Verbindungen, „zu deren Zwecken oder Be­ schäftigungen cS gehört, über Veränderungen der Staaisverfassung, sei es des Prcnß. Staates oder des Deutschen Bundes, zu berathen." Der Vor. Staut. Aussch. (Verh. Bd. 3. S. 313.) trug hier auf Streichung an und der (Siinv. von 1851 nahm diese Bestimmung nicht wieder auf. 2m Ausschuß war auch ange tragen, die Worte „Maßregeln der Verwaltung" zu streichen. Der Antrag fiel. Der §. Hal dadurch allerdings eine sehr weite Ausdehnung bekommen. 2) „Ungesetzlich," sagt das Gesetz-, Polizeibehörden können webt bei (Polizei-) Strafe verbieten, aber ihre Verbote sind keine „Gesetze."

3) Ges. v. II. März 1850 über die Verhütung eines, die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs deö VersammlungS- und VereinigungS rechte. (G. S. S. 277.)

661 daS Recht der Vereinigung und Versammlung überhaupt,

abgesehen, ob von erlaubten oder unerlaubten Verbindungen

die Rede ist. an

Sie können daher mit einer strafbaren Theilnahme

unerlaubten Verbindungen concurriren.

Indeß

beziehen- sie

sich nicht sämmtlich auf jede Versammlung und nicht auf jeden

Verein. ES ist zu unterscheiden: 1. In Betreff der Versamm­ lungen: a) Auf Versammlungen, die nicht unter freiem Himmel gehalten werden, beziehen sie sich nur

in sofern, alS in denselben

öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden sollen, b) Auf Versammlungen unter freiem Himmel (zu denen auch Auf­ züge unter freiem Himmel gehören) beziehen sie sich ohne weiteren Unterschied, c) Daö Verbot deS Waffentragens und der Auffor­

derung dazu bezieht sich auf jede Versammlung, gleichviel ob sie

unter die Kategorie der zu a und b genannten fällt oder nicht'). d) In Betreff der Vereine (Verbindungen) beziehen sie sich nur

auf politische Vereine, d. h. solche Vereine, die eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken?). Uebertretungen sind

drohet^).

Sie gehören nicht hierher.

Vergehen da:

Von den einzelnen

mehrere blos als Polizeiübertreiungen In folgenden

be­

Fällen ist

1. Wenn in der Versammlung den gesetzlich zu­

zulassenden Abgeordneten der Ortspolizeibehörde der Zutritt oder die Einräumung eines angemessenen Platzes verweigert worden ist.

Unternehmer und Jeden, der in der Versammlung als Vorsteher,

Ordner oder Leiter aufgetreten ist, trifft alSdann Geldbuße von zehn bis einhundert Thalern oder Gefängniß von vierzehn Tagen

bis zu sechs Monaten')

2. Wenn der Vorsitzende der Versamm­

lung sich weigert, dem Abgeordneten der Polizeibehörde Auskunft

über die Person der Redner zu geben, oder wenn er wissentlich falsche Auskunft ertheilt, so trifft ihn die Strafe zu 15).

3. Wer

sich nicht sofort entfernt, nachdem der Abgeordnete der OrtSpolizei-

behörde die Versammlung für aufgelöst erklärt hat, wird mit Geld­

buße von fünf bis fünfzig Thalern, oder mit Gefängniß von acht Tagen bis zu drei Monaten bestraft').

1) 2) 3) 4) 5) 6)

Gts. Das. Das. Das. Das. Das.

4. Wer in irgend einer

v. 1850. 88. 1, 18, 19. §. 2. §§. 12, 13, 16 («htilweis«), 17 (theilw.) 8-14. 8- 14. 8- 15.

662 Versammlung ’) bewaffnet erscheint, wird mit Gefängniß von vier­ zehn Tagen bis zu sechs Monaten bestraft1 2).3

5. Wer auffordert

(öffentlich oder nicht öffentlich), in irgend einer Versammlung be­ waffnet zu erscheinen, oder die Aufforderung hierzu verbreiten läßt, wird mit Gefängniß von sechs Wochen bis zu einem Jahre be­

straft').

6. Wer zu einem Aufzuge unter freiem Himmel oder

zu einer Versammlung unter freiem Himmel vor Eingang der obrigkeitlichen Erlaubniß dazu,

auffordert oder aufsorvern

läßt

(öffentlich oder nicht öffentlich), oder wer darin als Ordner, Leiter oder Redner thätig ist, wird mit Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern, ober mit Gefängniß von acht Tagen bis zu drei Mo­

naten bestraft4).5 6 7. Wenn ein politischer Verein Frauenspersonen,

Schüler oder Lehrlinge als Mitglieder ausnimmt, oder wenn ein politischer Verein mit anderen Vereinen gleicher Art (also gleich­

falls politischen Vereinen) zrt gemeinsamen Zwecken in Verbindung tritt, insbesondere durch Comitv's, Ausschüsse, Centralorgane oder ähnliche Einrichtungen, oder durch gegenseitigen Schriftwechsel, so

haben diejenigen Vorsteher, Ordner und Letter,

welche den Be­

stimmungen entgegen gehandelt haben, Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern, oder Gefängniß von acht Tagen bis zu drei Mo­

naten verwirkt.

Außerdem kann, nach der Schwere der

Um­

stände, auf Schließung deö Vereins erkannt werden; eS muß auf diese Schließung erkannt werden, wenn Vorsteher, Ordner oder

Leiter (gleichviel ob dieselben oder andere Personen) sich wieder­ holt (in Beziehung auf den Mißbrauch deS Versammlungs- und Vereinigungsrcchtes, übrigens gleichviel in welcher Weise) strafbar

gemacht habens.

8. Wer bei einem politischen Vereine, der ent­

weder durch das Gericht, oder auch nur vorläufig von der Polizei­

behörde geschlossen worden ist, sich ferner alS Mitglied beiheiligt, wird mit Geldbuße von fünf bis zu fünfzig Thalern, oder mit Gefängniß von acht Tagen bis zu drei Monaten bestraft').

Anmerkung.

Die in diesem 8. erörterten Delikte sind neue­

ren legislatorischen Ursprungs. Die übrigen Deutschen Strafgesetz­ bücher kennen sie iricht, obwohl allerdings auch andere Spezialgesctze. 1) 2) 3) 4) 5) 6)

S. eben u. Vcrf.-Urk. v. 1850. Art. 29: „friedlich und ebne Waffen." Ges. v. lböO, §. 18. Das. §. 19. Das. §. 17. Das. §. 16. Das. §. 16.

663

8. 140.

Von Preßvergehen. Geschichtliches.

Auch daS gemeine Deutsche Strafrecht kennt Preßverbrechen. Dem Röm. R. ist die Strafbarkeit von Aeußerungen blos dadurch,

daß diese durch die Schrift vervielfältigt und veröffentlicht wären,

unbekannt').

Verbrechen solcher Art wurden erst nach Erfindung

der Buchdruckerknnst, aber auch da sehr bald, durch positive Gesetz­ gebung geschaffen, ohne daß daS Rechtsbewußtsein deö Volkes sie alS Verbrechen jemals anerkannt hätte.

Man sollte auch in der

That vom Standpunkte blos des Rechts auö meinen, daß durch

die Presse, die mechanische Vervielfäftigung der Schrift, kein an­

deres Verbrechen begangen werden könne, alö durch die Schrift allein, das für das Auge firirte Wort, so wiederum durch die Schrift kein anderes, als durch daS Wort selbst.

Allein durch

die schnellere Vervielfältigung deö Worts vermittelst deS Mecha­

nismus der Presse ist das so vervielfältigte Wort-selbst natürlich

eine größere Macht im Reiche der Gedanken und also auch

im

Reiche der Thaten geworden, die von den Gedanken erzeugt werden. ES war daher natürlich, daß die positiven Strafgesetzgebungen sich

bald gegen die Presse, d. h. daö gedruckte Wort wandten.

Kaum

ist um die Mitte deS 15. Jahrhunderts die Buchdruckerkunst erfun­

den, so finden wir schon gegen daS Ende desselben Jahrhunderts besondere Etrafvorschristen in Beziehung auf gedruckte Bücher. Papst Alcrander VI. (Borgia) erfand zuerst (1496) die Büchercensur. Kein Buch darf gedruckt werden, ohne daß die Regierung vorher

nach Durchsicht deS Manuskripts die Erlaubniß dazu ertheilt hat. Die Uebertretung

wird mit Strafe bedroht.

AlS Grund diente Die Sache

zuerst die Gefahr der Verbreitung, religiöser Irrlehren.

erschien nicht einmal neu; hatte die Kirche doch daS Lesen ketzeri­

scher Schriften sott längstch ^verboten.

Papst Leo V. schärfte durch

Bulle von 1515 die Vorschriften AleranderS VI., unter Systematisirung derselben, von Neuem ein. Bald kamen Deutsche ReichSgesehe zu Hilfe.

Durch den Augöburger R. A. von 1530, §. 58,

1) Dir Schmähschrift fällt unter einen änderen Gesichtspunkt.

664 wurde verordnet: „Und nachdem durch die unordentliche Truckerei biß anhero viel Uebels entstanden: Sehen — Wir daß — hinfürter nichts Neues und sonderlich Schmähschrifft,

oder dergleichen, weder öffentlich oder heimlich

Gemäblets,

gedicht, getruckt,

oder feil gehabt werden, es sei dann zuvor durch dieselb geistlich oder weltlich Obrigkeit darzu verordnete verständige Personen be­

sichtigt, des Truckers Nahmen und zunahmen, auch

die Stadt,

darin solches getruckt, mit nähmlichen Worten darinn gesetzt.

Und

so darin Mangel befunden, soll dasselbige zu trucken oder seil zu

haben nicht zugelassen, was auch solcher Schmäh- oder dergleichen Bücher hiervor getruckt, soll nicht feil gehabt oder vcrkaufft werden.

Und wo der Lichter, Trucker oder Verkauffer solche Ordnung und

Gebott überfahren, soll er durch die Oberkeit, darunter er geseßen oder betrclten, nach Gelegenheit, an Leib oder Gut gestrafft wer­

den."

Wiederholt

von 1541, 1548,

wurden

diese Vorschriften in den Reichsges.

1567, 1577 u. s. w.

die Particulargesetzgebung

ergänzend

Später trat fast überall

lind

schärfend

Reichsgesehgebung war ihr nicht streng genug.

hinzu: die

So waren zwei

neue Verbrechen geschaffen: 1. Das Drucken von Büchern, die nicht censirt waren (Uebertretung der Censurgesetze). 2. Der Ver­

kauf verbotener Bücher, d. h. einerseits solcher, die nicht censirt waren, andrerseits (durch die Partikulargesetzgebung) solcher, die

zwar in einem anderen Lande censirt, aber nach der Ansicht der verbietenden Regierung nicht .zugelassen gewesen waren.

Merk­

würdigerweise Hal die gemeinrechtliche Doctrin Deutschlands von diesen beiden Verbrechen niemals recht Notiz nehmen wollen.

In

den älteren Lebrbüchern wurde namentlich nur die Frage erörtert, in wiefern der Buchhändler oder Buchdrucker wegen Injurien, die in einem Buche enthalten, gestraft werden könne.

Gewöhnlich

Die Deutsche Zuerst durch BundeS-

wurde die Frage verneint, weil der Dolus fehle'). Bundesversammlung griff desto mehr ein.

beschluß vom 20. September 1819 wurde ein Preßgesetz „für sämmtliche Deutsche Bundesstaaten" vorläufig auf fünf Jahre festgesetzt.

Es wurde später erneuert und auf unbestimmte Zeit

verlängert. Durch das Bundesgesetz waren die sämmtlichen ein­ zelnen Regierungen verpflichtet, strenge auf Handhabung der Cen­ sur und gegen die Verbreitung verbotener Druckschriften zu wachen,

1) Acrgl. Quisterp, §. 317, Dorn, Gern. §§. 122, 126, 127.

665 und angemessene Geld-

tretungen

und

Gefängnißstrasen gegen die Ucber-

durch Particulargesetze anzudrohen.

Dies

geschah')-

In Preußen zuerst durch die Verordnung vom 18. October 1819,

und später

durch

mehrere, zwar immer ans demselben Prinzip

ruhende, aber die Ausführung des Princips vielfach Gesetze und Verordnungen31).2

ausgehoben.

schaffen.

variirende

Im Jahre 1848 wurde die Censur

Es wurden nun theilweise andere Preßdelicte ge­

Namentlich wurden Worte, welche nicht gedruckt, oder

auch sonst nicht veröffentlicht, straflos waren, für strafbar erklärt, so­

bald sie gedruckt in die Oeffentlichkeit gebracht wurden. Andrerseits wurde die Nichtbeachtung einer großen Menge polizeilicher Vorschrif­ ten zur Ordnung der Presse mit Strafe bedroht. Ferner wurden, wenn eine Druckschrift strafbaren Inhalts sei, bestimmte Personen,

blos um eines Verhältnisses zu der Druckschrift willen, mit Strafe bedroht.

Endlich wurde die Strafbarkeit der Verbreitung in ein

neues System gebracht.

In Preußen ergingen darüber besondere

Verordnungen vom 30. Juni 1849, 5. Juni 1850 und 12. Mai 1851. Einzelnes enthält daö St. G. B.3).

§. 141.

Grundsätze. Preßdelicte überhaupt sind diejenigen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen, die sich auf Druckschriften beziehen.

sämmtlich gelten folgende allgemeine Grundsätze.

Für sie

1. Unter Druck­

schriften werden hier verstanden alle durch den Mechanismus der Presse oder durch einen anderen ähnlichen Mechanismus verviel-

1) Die gemeinrechtliche Doctrin wollte sich gleichwohl noch immer der Sache nickt recht annehmen. Nur Jarke, Handb. §. 23, erklärt sich einverstanden, da „Mißbrauch der Presse und Gefahr für die öffentliche Ruhe und Sicherheit unzertrennlich" seien. Vergl. auch Henke, Handb. Bd. 3. S. 704, der aber doch nicht ganz einverstanden ist. 2) Vergl. namentlich die Gesetze u. s. w. vom 4. u. 23. Febr. u. 30. Juni 1843. (G. S. S. 25, 31, 257.) 3) Die übrigen Deutschen Länder haben meist ähnliche Strafvorschriften, größtentheilS gleichfalls nicht in den Strafgesetzbüchern, sondern in Spezialver­ ordnungen. Von den Schweizerischen Strafgesetzbüchern enthält nur das correctionelle Gesetz für Basel (1840) im §. 19 eine Strafandrohung gegen das Feil­ halten und Verbreiten ausländischer Blatter oder Schriften, die wegen ihres ver­ werflichen und strafbaren Inhalts von der Regierung verboten sind.

666 fältigte, zur Verbreitung bestimmte und bereits wirklich veröffent­

lichte Schriften, bildliche Darstellungen mit oder

ohne Schrift,

und Musikalien mit Tert oder sonstigen Erläuterungen'). 2. Ver­ öffentlicht ist eine Druckschrift, sobald sie (also auch nur ein Erem-

plar) wirklich verkauft, versendet, verbreitet, oder an Orten, welche

dem Publikum zugänglich sind, ausgestellt oder angeschlagen worden ist1 2).3 43. 5 6Die Strafe deS Rückfalls tritt bei Preßvergehen nicht ein, wenn seit der letzten Derurtheilung fünf Jahre verstrichen

sind2).

4. Preßdelicle verjähren, in sofern für einzelne nicht eine

kürzere Verjährungsfrist vorgeschrieben ist, in sechs Monaten vom Für die Verjährung

Tage der Veröffentlichung der Druckschrift.

gelten im Uebrigen die allgemeinen Grundsätze, jedoch mit der

speciellen Ausnahme, daß die Unterbrechung der Verjährung auch

solchen Mitschuldigen gegenüber eintritt, gegen welche der unter­

brechende Act nicht gerichtet war'). — Die Preßdelicle zerfallen hauptsächlich in vier Kategorien: I. Selbständige Delikte durch

die Presse verübt.

Sie sind Verbrechen,

Vergehen und

Ueber-

tretungen verschiedener Art, die nur dadurch überhaupt zu Delikten (strafbar) oder erhöht strafbar werden, daß sie durch die Presse begangen sind.

Sie gehören, eben weil sie besondere Delikte sind,

in sofern nicht weiter hierher, sondern zu denjenigen Delikten, von

denen sie vermöge ihrer objectiven Verwandtschaft mit denselben besondere Arten bilden2).

Vom Preßgesetze selbst sind nur noch

drei besondere Fälle hervorgehoben °).

Namen von Geschworenen

mit

1. In Zeitungen dürfen die

Beziehung

auf ihre

Function

in einer bestimmten Criminalsache nur bei der Mittheilung über die Bildung deö Schwurgerichts genannt werden.

2. Ein Schrift­

stück eines EriminalprozesseS, namentlich auch die Anklageschrift, darf nicht eher durch die Presse veröffentlicht werden, bevor der Prozeß durch die mündliche Verhandlung oder auf einem anderen

1) Ptcßgesctz (v. 12. Mai 1851) §.55. Mustkalicii ebne Tert oder ebne sonstige tirliiutcruitgcii gehören also nicht hierher. Dagegen ist es an sich gleich­ gültig, ob die Druckschriften auch zu den Bedürfnissen deS Gewerbes und Ver­ kehrs, oder auch nur deS häuslichen und gesellige» Lebens dienen.

2) Prcßg. §. 33. Die Einsendung deS EremplarS an die Polizeibehörde nach §. 5 kann selbstredend nicht hierher gehören.

3) Prcßg. §. 46. 4) Preßg. §. 49. 5) Vergl. Str. G. B. §§. 36, 65, 75, 77, 79, 80, 87, 100 — 102 u. s. w. 6) Preßg. §. 48.

667 Wege in derjenigen Instanz, in welcher das Schriftstück vorge­ bracht ist, fein Ende erreicht hat.

Unter Criminalprozeß kann

hier nur ein Verfahren wegen Verbrechen verstanden werden. 3. Durch Druckschriften darf nicht öffentlich zur Ausbringung der wegen eines PreßvergehenS oder Preßverbrechens verwirkten Strafen aufgefordert werden. — Die Strafe ist Geldbuße von 10 — 500 Thaler oder Gefängniß von sechs Wochen bis zu einem Jahre. Im Rückfall wird die Strafe verdoppelt').

II. Daö Verkaufen

oder Verbreiten, oder zum Zwecke einer gewerbmäßigen Verbrei­ tung geschehene AuSstellen einer verbotenen Druckschrift-).

Eine

verbotene Druckschrift ist jede, deren Vernichtung von einem Ge­ richte, oder deren Beschlagnahme von einer gerichtlichen oder polizeilichen Behörde verfügt worden ist31).42 5 6 Daö Verkaufen u. s. w.

wird strafbar, sobald das Verbot entweder

öffentlich

oder dem

Thäter besonders von einer Behörde bekannt gemacht worden ist"). Auf einen Doluö kommt eS hierbei weiter nicht an.

Die Strafe

ist unter verschiedenen Modifikationen Geldbuße von 5 bis zu 500 Thalern,

oder Gefängniß von einer Woche bis zu achtzehn

Monaten; unter Umständen zugleich Verlust der Besugniß zum Gewerbebetrieb").

III. DaS bloße Verhältniß einzelner bestimmter

Personen zu der Prcßerzeugung einer Druckschrift, die einen straf­ baren Inhalt hat. Wenn der Inhalt einer Druckschrift irgend ein Delikt (I oben) darstellt, sei dieö ein Verbrechen oder ein

Vergehen"), so werden blos darum, wen also nicht eine nach allge­

meinen Grundsätzen zu bestrafende eigentliche Theilnahme an dem

besonderen Delikte vorliegt, folgende Personen strafbar, und zwar ohne daß die Bestrafung der einen die der andern ausschließt: Der Verleger oder Commissionöverlegcr der Druckschrift, der Drucker der

1) Preßg. 58. 23, 45. 2) Preßg. §§. 43, 53. 3) Prcßg. S§. 43, 50, 52. 4) Preßg. 8- 43, „zu seiner besondere» Kenntniß gebracht worden ist." 8- 53, „ihm besonder» bekannt gemacht." Eine auf andere Weise zufällig erhaltene Kenntniß reicht also nicht au». 5) Preßg. 85- 43, 53,54. Daß auch auf den Verlust de» Gewerbebetrieb­ ais «ine Strafe vom Richter erkannt werden muß, kann straftechtlich gar nicht be­ stritten werden. 6) Eine bloße Pvlizeinberketnng durch den Inhalt der Druckschrift gehört nicht hierher.

668 Druckschrift und bei einem cautionSpflichtigen Blatte der Redac­

Ihre Strafbarkeit tritt bloß durch ihr genanntes

teur desselben.

Verhältniß zu der strafbaren Druckschrift ein, ohne daß eS auf einen Doluö oder eine Culpa im Betreff deS strafbaren Inhalts

der Schrift weiter ankommt.

Verleger und Commissionsverleger,

sowie der Drucker können von der Strafe sich befreien, wenn sie

bei ihrer ersten

gerichtlichen Vernehmung,

den Verfasser oder

Herausgeber der strafbaren Schrift, der Drucker auch den Verleger derselben, nachweisen, und zugleich der Nachgewiesene zur Zeit der Uebernahme der Schrift in Verlag oder Commissionsverlag, be­

ziehungsweise auf den Drucker zur Zeit wo der Druck erfolgte, im Bereiche der Preußischen Gerichtsbarkeit einen persönlichen Wohnsitz hatte. Für den Drucker fällt diese Befreiung jedoch fort, wenn den

Vorschriften

nicht genügt,

wegen

Bezeichnung

von Druckschriften

oder die Druckschrift zu Plakaten bestimmt war.

Die Strafe ist, wenn der Inhalt der Druckschrift ein Preß ver­

brechen darstellt, eine Geldbuße für den Verleger oder CommissionSverleger von 50 bis 500, für den Drucker von 10 bis 200, und für den Redacteur von 50 bis 1000 Thalern; bei einem

Preßvergehen, eine Geldbuße für den Verleger oder CommissionS-

verleger bis 200, für den Drucker bis 100 und für den Redac­

teur bis 500 Thalern').

IV. Zuwiderhandlungen gegen die Po-

lizeivorfchristen zur Ordnung der Presse.

Außer mehreren bloßen

Uebertretungen gehören folgende Vergehen hierher: 1. Eine wissent­ lich falsche Angabe bezüglich der Bezeichnung des NamenS und

deS Wohnorts des Druckers, Verlegers, beziehungsweise Heraus­ gebers und Redacteurs, wo eine solche Bezeichnung vorgeschrieben

ist.

Die Strafe ist Geldbuße von 100 bis 300 Thalern, die im

Rückfall verdoppelt wird").

Zeitung oder Zeitschrift,

2. Redigirung oder Verlegung einer

bevor die gesetzliche Kaution erlegt oder

rechtzeitig ergänzt ist; Redigirung oder Herausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift von Personen, welche nach dem Preßgesetze dazu

nicht befugt sind; Verlag einer kautionöpflichtigen Zeitung, welche

ohne vorgängige Bestellung eines verantwortlichen Redacteurs er­

schienen ist.

Die Strafe ist Geldbuße von 20 bis 400 Thalern

1) Preßg. §§. 34 bis 37. 2) Prcßg. §§. 7, 24, 40.

669 oder Gefängniß von vier Wochen bis zu einem Jahre. Rückfall wird die Strafe verdoppelt').

Im

§. 142.

Verletzungen der Achtung vor der Regierungsautorität. I. Das in böswilliger Absicht geschehene Wegnehmen, Zer­ stören oder Beschädigen der öffentlichen Zeichen der königlichen Autorität1 2).3 Es sind hier hauptsächlich die öffentlich angeschla­ genen landesherrlichen Wappen, Adler u. s. w. zu verstehen. Der Doluö („böswillige Absicht") besteht hier in der Absicht, die Achtung vor der königlichen Autorität zu verletzen. Die Strafe ist Geldbuße bis zu 200 Thalern, oder Gefängniß von vier Wochen bis zu zwei Jahren. II. Vorsätzliches, rechtswidriges Abreißen, Beschädigen, Beflecken oder Verunstalten, der zur öffent­ lichen Bekanntmachung angeschlagenen Verordnungen, Befehle, Patente oder Anzeigen öffentlicher Behörden oder Beamten. Die Strafe ist Geldbuße bis zu 100 Thalern, oder Gefängniß bis zu sechs Monaten/'). 111. Vorsätzliches, rechtswidriges Ablösen oder Beschädigen eineS amtlichen Siegels, welches von einer öffent­ lichen Behörde oder einem öffentlichen Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen 4).

8. 143.

Ehrverletzungen gegen Staats - Behörden, Beamte, Corporationen u. s. w. Das gemeine Recht bestraft Injurien gegen Beamte, Be­ hörden und Corporationen des Staates nur nach allgemeinen

1) Prcßg. §§. 21, 22, 37, 42. 2) Str. G. B. §. 93, Nr. 3, entnommen aus der Preßver. vorn 30. Juni 1849, §. 15. 3) Str. G. B. §. 107, dein A. L. R. II. 20. §. 210 nachgebildet. 4) Slr. G. B. §. 208. Dem A. L. R. fehlte eine ähnliche Bestimmung. Die A. G. O. I. 50. §. !9t). II. 5. §. 38 bestrafte nur die Erbrechung von gericht­ lichen Siegeln in einzelnen Fallen. Das Rescript vom 4. Juni 1798 geueralifirte, aber auch nur in Betreff gerichtlicher Siegel.

670 Grundsätzen von der Injurie.

Particulargesetze haben sie schon

längst in sofern ausgezeichnet, als sie dieselben unter den besonderen Gesichtspunkt einer Verletzung der Staatsautorität gebracht, im Uebrigen aber den allgemeinen Charakter der Injurie festgehalten haben.

DieS war auch die Auffaßung des A. L. R. ’).

DaS

Str. G. B. hat wohl Nichts anderes gemeint, wenn eS sie unter

die Vergehen wider die öffentliche Ordnung gebracht hat. hat übrigens

Dasselbe

noch die Beleidigungen einzelner anderer Klassen

von Personen hierhergezogen, ohne daß ein innerer Grund dafür

erkennbar ist.

ES ist darnach nicht angänglich, den Begriff der

hier gemeinten Injurien allgemein und bestimmt festzustellen. Man kann sie nur bezeichnen überhaupt alS: Injurien, besonders da­

durch hervorgehoben, daß sie gegen politische Körperschaften, Be­ hörden, Beamte und andere Personen verübt sind, durch deren

Beleidigung, zugleich die Autorität dcS Staates alS verletzt be­ trachtet wirb 1 2).

Die Erfordernisse sind: 1. AlS Object eine der

beiden Kammern, ein Mitglied der beiden Kammern, eine andere politische Körperschaft3), eine öffentliche Behörde, ein Religionö-

diener, ein Mitglied der bewaffneten Macht, ein Geschworener,

ein Zeuge oder ein Sachverständiger4).

2. Die Handlung besteht

in einer Ehrverletzung, deren Thatbestand nach den allgemeinen

Grundsätzen von der Injurie zu bestimmen ist, bei der nur alS daS hier besonders strafbare Moment hinzutritt

3. daß sie gegen

die genannten Objecte entweder in der Ausübung ihres Berufs,

1) A. V. R. II. 20. §§. 207. flg. 2) Str. G. B. 8S. 102, 103. Der §. 102 ist wertlick aus der Vererd. vorn 30. Juni 1849, §. 23, herübergenommen, wc er fick zuerst findet. Im (Siinv. vcn 1851 bat er nur den Zusatz: „Zeugen oder Sachverständige" Memmen, woraus nun das Wert „Berus" nickt reckt passen will. Der Sinn ist indeß klar. Der §. 103 ist von der (Sem. der zweiten Karn. (Ber. S. 67) hinzugesetzt. „Die pelitiscke Stellung der Kammern und ihrer Mitglieder bedinge es, daß nickt ebne ihre Zustimmung eine öffentliche Klage wegen Beleidigung derselben ringeleitet werde. Dagegen fordere eben so sehr das Interesse des Staates, daß die Belei­ digungen der Beamten und der ihnen gleichgestellten Personen von Amlswegen verfolgt werde, und es nickt dem (Ermessen dieser Personen anhcimgcstcllt bleibe, solche Beleidigungen ungestraft zu lassen."

3) (Sä find wohl Previnziallandtage, Kreiölandtage u. s. w. gemeint.

4) Geschworener, Zeuge, Sachverständiger ist Jemand erst dann, wenn er als solcher wirklich fungirt. Bon welcker Behörde der Zeuge oder Sachverständige vernommen wird, ist nach dem Princip der Verletzung der StaatSautorität gleich­ gültig.

671 beziehungsweise ihrer Functionen '), oder in Beziehung auf ihren Beruf,

beziehungsweise ihre Functionen verübt

sein muß. —

Die Strafe ist Gefängniß von einer Woche bis zu einem Jahre, bei Verläumdungen aber

Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu

achtzehn Monaten und wenn die Verläumdung öffentlich begangen

wurde, Gefängniß von einem Monate bis zu zwei Jahren.

Bei

mildernden Umständen kann in allen Fällen Geldbuße von zehn bis dreihundert Thalern erkannt werden. — Im Betreff des Ver­ fahrens ist besonders vorgeschrieben:

der

beiden Kammern

1. Bei Injurien gegen eine

darf die Verfolgung nur mit

Ermäch­

tigung der beleidigten Kammer eingeleitet werden; das Ver­ fahren ist also das gewöhnliche Untersuchungsverfahren, nur daß der Staatsanwalt nicht ohne Autorisation der beleidigten Kammer einschreiten darf.

2. Bei Injurien gegen ein Mitglied der Kam­

mern kann nur auf dessen Antrag die Verfolgung eingeleitet

werden; einerseits darf also der Staatsanwalt ohne solchen, bei ihm gemachten Antrag gar nicht einschreiten; andererseits kann

der Beleidigte, mit Umgehung deS StaatSanwaltS die Civilklage

anstellen, natürlich aber nur auf Bestrafung einer Privatinjurie, indem die Befugniß, die Rechte des Staates zu verfolgen,

nur dem StaatSanwalte zusteht.

eben

3. Bei Injurien gegen die übrigen

Korporationen oder Personen bedarf eS eines Antrags deS Be­

Der Staatöanwalt kann also selbstständig ein­ Andererseits kann aber auch der Beleidigte (auf Be­

leidigten nicht.

schreiten.

strafung der Privatinjurie) die Civilklage anstellen, die indeß bei

einem Anträge deö Staatsanwalts in der einzuleitenden Unter­ suchung ausgeht1 2). Daß in dem Verfahren die exceptio verilatis zulässig sei, ist nicht zu bezweifeln.

Das Prinzip der Verletzung

der StaatSautorität kann nicht entgegenstehen, muß vielmehr gerade

dafür sprechen, indem die Autorität deö Staates nicht durch eine

begründete Rüge unehrenhafter Handlungen von Beamten u. s. w.,

sondern eben durch solche Handlungen beeinträchtigt wird.

1) Natürlich muß die Injurie in diesem Fall in Gegenwart deS Beleidigten geschehen sein; eö Ware sonst der Fall hicrherzuziehen, wenn Jemand an einem dritten Orte von einem Kammermitgliede, einem Beamten u. s. w. in Beziehung auf deren Privatverhältniffe einer Injurie sich schuldig machte, während die genannten Personen zufällig amtlich beschäftigt waren. Daber ist die Fassung des Gesetzes: „während \\e in der Ausübung ihres Berufs begriffen sind," für eine genau zutteffende nicht zu erachten.

2) Bcrgl. Eins. Ges., Art XVI. Str. G. B. §. 160, Ges. vom 11. Marz 1850. §. 5. Reser. vom 23. Juni 1851 (I. M. Bl. S. 228).

672

Anmerkung. Von den neueren Deutschen Str. G. B. heben viele die Beleidigung der Beamten in Ausübung des Amtes in Beziehung darauf, nur bezüglich der Zumessung de' Strafe unter den Injurien hervor. Folgende dagegen finden darin zugleich eine Verletzung der Ehrfurcht gegen den Staat, oder der Staatsautorität, und sprechen dann gewöhnlich von einer „Beleidigung der AmtSehrc": Bayern 21 rt 405 flg., Württemberg Art. 162 flg., Hessen Art. 186 flg., Nassau Art. 182 flg., Braun­ schweigs. 116, Hannover Art. 143 flg., Oesterreich 88. 312 flg. (erst seit 1852), Basel (Corr. G.) §. 21, Luzern (Pol. Str. G. B.) 8. 47 flg., Freiburg Art. 322 flg., Waadt Art. 120 flg. Den Ausdruck: „Beleidigung der Amtsehre," gebraucht auch Zürich 8. 199, jedoch soll „der Umstand, daß ein Beamter oder eine Behörde Gegenstand deS Vergehens war, nur als SchärfungSgrund zu berücksichtigen" sein.

8. 144.

Vergehen wider die öffentliche Ordnung, welche auf Täuschung, aber ohne eine bestimmte Rechts­ verletzung, gerichtet stnd. I. Die s. g. Anmaßung eines öffentlichen Amteö: Die vor­ sätzliche widerrechtliche Vornahme von Handlungen, die nur in Kraft eineS öffentlichen Amtes vorgenommen werden dürfen'). Erfordernisse: 1. Eine Handlung eineS öffentlichen Amteö. Der Be griff eines öffentlichen Amteö ist nach dem 21. L. R. zu bestimmens. ES gehören also sowohl Civil-wie Militairämter (der Soldaten­ stand überhaupt) hierher. Jedenfalls kann nur ein (mittelbares

1) St. G. B. §. 104. Nach Gem. R. nur strafbar als Betrug oder Ge walk. Auch nur so nach tcm A. V. R. II. 20, tz. 323. Die gegenwärtige, rein polizeiliche Bestrafung findet sich schon in den frühesten Entw. des St. G. B. Die früheren (Snhv. biö 1845 lauteten: „Wer sich die Ausübung eines öffentlichen Amtes anmaßt" u. s. w. Der (Sntiv. von 1847 batte bereits den Zusatz: „oder solche Handlungen eigenmächtig unternimmt, die nur in Kraft eines öffentlichen Amtes vorgtnemmen werden dürfen." Nach den Motiven (S. 98) sollte dadurch „die Vorschrift über die Anmaßung erläutert und ergänzt werden." Der Vcr. ständ. Aussch. (Verl). Bd. 4. S. 440) bemerkte, daß nur die Vornahme von Amtshandlungen bestraft werden könne. Dies wurde zugegeben und danach die gegenwärtige Fassung angenommen, die unzweifelhaft tautologisch ist.

2) A.L.R. II. 10.'§8- 1, 4, 53 flg. 68 flg.

673

ober unmittelbares) Preußisches Staatsamt gemeint fein'). TaS Amt eines Geistlichen ist als solches kein öffentliches, weder daS eines katholischen, protestantischen, noch anderen Geistlichen. Tie unbefugte Vornahme s. g. geistlicher Amtshandlungen gehört also nicht hierher H. 2. Tie Amtshandlungen müssen widerrechtlich, obne Befugniß, vorgenommen sein. DaS Subject deö Deliktes kann daher, wie ein Nichtbeamter, so auch ein Beamter sein, Letzterer, wenn er Handlungen vornimmt, die nicht zu seinem Amte gehören. 3. TaS Teliet kann nur doloS begangen werden. Ter DoluS besteht aber in dem bloßen Bewußtsein der Widerrechilichkeil bei der Vornabme der Handlung. Bei einer anderen besonders verbrecherischen Absicht würde ein anderes Delikt vor­ liegen, Betrug, Diebstahl, Raub (wenn Jemand sich für einen (Srerulor auSgiebt und ohne oder mit Gewalt Sachen wegnimmt). 4. Vollendet ist daS Delikt blos durch die Vornahme der Hand­ lung. Ein verursachter Schade u. s. w. ist nicht erforderlich. — Tie Strafe ist Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu Einem Jahre. II. Tas vorsätzliche widerrechtliche Tragen oder Annehmen einer Uniform, einer AmtSkleidnng, eines Amtszeichens, eines Ordmö, eines Ehrenzeichens, eines Titels, einer Würde, eines Adelspradikatö oder eines NamenS'). Es ist nur im Einzelnen

1) Gin frenibcr Beamter sann in Preußen keine Amtshandlungen auSüben; er sann nur von Preußischen Behörden zu den Amtshandlungen zugezogen werden. Danach wäre der Fall zu beurtheilen, wenn Jemand sich gegen die Preuß. Be­ hörde fälschlich für einen fremden Beamten ausgegcben hätte. 2) Die früheren Motive tiS cinschl. 1847 bestraften auch noch die „unbefugte Verrichtung geistlicher Amtshandlungen." Der (5ntw. v. 1851 ließ dies fort. Die Motive (S. 31) sagen darüber: „Indessen bat diese Bestimmung nach den gegenwanig angenommenen staatsrechtlichen Prinzipien über die freie Religion-übung nicht beibebalteu werden kennen; die Gesetzgebung wird sich darauf beschranken müssen, zur Sicherung des Personenstandes Bestimmungen zu erlassen, wie sie in Ansehung der auS der Kirche formell ausgetretenen Dissidenten in der Ver. 3(). Ä'ärz 1847 bereits getroffen sind." Auch die Dcclar. v. 9. Marz 1834 taun übrigens keine Gültigkeit mehr haben. Sic nennt sich selbst ausdrücklich und ihrem Inhalte nach auch ganz richtig eine Deck, der §§. 7Ü—79, II, 10, A. L. R., stellt sich also als eine Preußischgemeiurechtliche Bestimmung dar. Außerdem paßt iic materiell nicht mehr zu den „gegenwärtig angenommenen staatsrechtlichen Prinzipien" (Bcrf. Ulf. v. 1850, Art. 12). In neuerer Zeit bat auch das Ebers Tribunal so entschieden. Unbefugte Bornabmc geistlicher Handlungen sann jnur unter $. 135 Str. G. B. fallen, wenn dessen Erfordernisse vorhanden sind. Sind übrigens einem Geistlichen besondere Fimciionen eines öffentlichen Amtes über­ tragen, z. B. SchilliinVectien, so fällt eine unbefugte Ausübung derselben aller« dlngs unter den tz. 104.

3) Str. G. B. 8. 105. Auch die gemeinrechtliche PrariS pflegte Handlungen willkürlich zu strafen. Quistorp, §. 112.

Tcnune,

Ltrafrrcht.

43

ähnliche

674 zu bemerken:

1. Indem eS sich hier zugleich um eine,

in Be­

ziehung auf Rechtsverletzungen gefährliche Täuschung Anderer handelt, kann eS gleichgültig sein, ob die angemaßten Titel, Zeichen, Würden, Kleidung') u. s. w. inländische oder ausländische

sind-).

2. Ob die Anmaßung nur bei einer einzelnen bestimmten

Gelegenheit oder für längere Dauer geschehen, ist gleichgültig ').

3. Der Anmaßende muß nicht berechtigt fein, Namen, Titel u. s. w.

zu führen. Aus welchem Grunde er nicht berechtigt sei, ist gleich­

gültig.

ES gehört daher auch der Fall hierher, wenn Jemandem

Amtslitel, Würden, Orden u. s. w.

Daher ferner ist eö gleichgültig,

rechtlich aberkannt ftnb4).

ob der angemaßte Name ein

wirklich bestehender fremder Familienname ist oder nichts). 4. Der

— jedenfalls erforderliche — Toluö

besteht auch hier bloß

in

dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit bei Vornahme der Hand­

lung. — Die Strafe ist Geldbuße bis zu oder Gefängniß

bis

zu drei

Monaten.

Einhundert Thalern, III. DaS vorsätzliche

widerrechtliche Zerstören oder Wegnehmen von Urkunden, Registern,

Acten oder anderen Gegenständen, auö dem öffentlichen VerwahrungS

orte derselben, oder auS der Gewahrsam eines Beamten, zil dessen Amte die Verwahrung derselben gehört«).

Erfordernisse:

1. Ur­

kunden und Gegenstände, die zu ihrer Aufbewahrung einem

dazu bestimmten öffentlichen Verwahrungsorte, oder einem

dazu angestellten Beamten anvertraut fmb7).

2. Auf die

Beschaffenheit der Gegenstände, wenn sie nur jene Eigenschaft haben, kommt eö nicht weiter an; sie brauchen namentlich nicht immer in Urkunden oder ähnlichen zu bestehen.

Nur dürfen sie nicht

solche Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder deS Gewerbes

1) Uniferm ist nicht immer eine Amtskleidnng, z. B. tiefuniferm. 2) Unzweifelhaft gehört and) die Nationalcocarde bierber; sie ist das ge. fthliche äußere Zeichen der vom Staate anerkauntell bürgerlichen Ehrenhaftigkeit. Auch die fremden Natienalcecarden gehören hierher: wer sie unbefugt tragt, tragt sie als daS Ehrenzeichen fremder Natienalität. 3) Auf einen solchen Unterschied sollte in Betreff deö NamenS fid) die Eab. C. y. 30. Cctobcr 18IG und 15. April 1822 beziehen. Die Wahrheit ist wobt, daß man bei Erlaß der letzteren an die Eristenz der ersteren nicht gedacht baue. 4) Str. G. B. §§. 12, 21. sig. 5) In der Comm. der zweiten Kammer siel ein Antrag ans Beschränkung auf Familiennamen durch, „weil die Veränderung dem praktischen Bedürfnisse nicht zu genügen scheine (Ber. S. 68)." 6) Str. G. B. §. 106. Nachgebildet den Art. 254, 255, 439 des Französ. Str. G. B. Zuerst im Entw. von 1851, dessen Motive darüber schweigen. 7) „An einem össenLlichcu BerwahrungSorte ausbewahrt;" „einem Beamten, zu dessen Amte bic Verwahrung derselben gehört."

675 sein, die in einer öffentlichen Sammlung ausbewahrt wurden'),

3. Die Handlung muß in einem Zerstören oder Wegnehmen (auS Außerdem muß sie in Beziehung auf den weiteren Erfolg dieses Zerstörens oder Weg­

dem genannten Verwahrsam) bestehen-).

nehmens für daS Vermögen Dritter, noch daS negative Erforder­

niß haben, daß sie keinen beabsichtigten VermögenSnachtheil für Jemanden, der nicht der Thäter ist, mit sich führt.

Wäre dies

der Fall, so würbe daö schwerere Telict der vorsätzlichen Ver-

mögenSbeschädigung da sein ').

4. Das Telict kann nur doloS

Der Dolus muß sich natürlich auf den ganzen

begangen werden.

Thatbestand des DelicteS erstrecken. Aber auch nur auf die­ sen. Wäre er daher auf eine Vermögenöbeschädigung gerich­ tet,

so

würde wieder das

Delikt

schwerere

beschädigung vorhanden sein.

der

Vermögens­

Nach ausdrücklicher Vorschrift deS

Gesetzes soll zum DoluS auch „gewinnsüchtige Absicht" gehören

können. sein:

Liegt

diese

vor,

so

können

folgende

Fälle

möglich

a) Der Thäter hat die Sache zerstört und dadurch zugleich

Jemandem

einen

VermögenSnachtheil

zugefügt;

dann

liegt

daS schwerere Delict deS Betruges vor41).52 63 I>) Der Thäter hat die Sache weggenommen, und diese war eine solche, die an sich einen Werth hatte, also Gegenstand eineS Diebstahls sein konnte;

dann ist Diebstahl das).

c) Ter Thäter hat eine Beweisurkunde

(die also an sich keinen Werth hatte) weggenommen, einem Dritten zum

VermögenSnachtheil;

dann

ist

qualisicirter

Betrug da'),

d) ES blieben also für den Thatbestand des DelicteS deS §. 100 bei vorhandener gewinnsüchtiger Absicht nur diejenigen Fälle übrig, in welchen Jemand einen Gegenstand vernichtet oder weggenommen

hätte, zwar in der genannten gewinnsüchtigen Absicht, aber ohne daß irgend einem Dritten (auch dem Staat oder dem verwahrenden

Beamten) ein, zugleich in der Absicht deS Thäters liegender Ver-

1) Str. G. B. §. 282. 2) „Vernichtet oder bei Seite schafft." 3) Sir. G. B. §. 281. Eine nicht gewollte Vermogensbeschädigung würde den Thatbestand des §. 106 nicht aufhebcn, da da» Gesetz eine strafbare culpcse VcrmögcnSbeschädigung nicht kennt. 4) Str. G. B. 88- 241, 243, JRv. 7. Der Thäter vernichtet z. B. eine BcwciSurkunde, nm sich zum Nachtheile eines Dritten einen ungercchfferligten VcrmogcnSvcrlhcil zn verschaffen. 5) Sir. ®. B. 88- 215, 221, Nr. 3. Der Thäter nimmt z. B. einen Actcnband fort, um das Papier zu vcrkaiifcn. 6) Sir. G. B. 8- 243, Nr. 7.

676 mögenSnachtheil zugefügt wäre.

geben').

Vielleicht kann eS solche Fälle

5. In Beziehung auf Nr. 4 kann nunmehr auch erst

daS Subject des Deliktes bestimmt werden.

Es kann nemlich das

Delikt auch von einem Beamten, dem die in Frage stehenden Gegenstände zur amtlichen Verwahrung übergeben sind, begangen werden, jedoch nur in sofern, als derselbe ohne gewinnsüchtige Absicht

oder ohne die Absicht einer Vermögensbeschädigung gehandelt hat"). — Die Strafe ist Gefängniß nicht unter drei Monaten, und wenn

gewinnsüchtige Absicht vorlag,

zugleich zeitige Untersagung der

Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte.

IV. Die vorsätzliche Vor­

schützung einer falschen Entschuldigungsursache von Seite Des­ jenigen, der als Zeuge, Sachverständiger oder Geschworener von einer Gerichtsbehörde berufen ist, um dadurch sein Nichterscheinen

zu rechtfertigen').



Die

Strafe ist Gefängniß bis zu zwei

Monaten. Anmerkung. Die neueren D. Str. G. B. kennen namentlich

daS Vergehender Anmaßung von Amtsfunktionen (auch gewöhnlich „Anmaßung eines öffentlichen Amtes").

Einzelne stellen es unter

den öffentlichen Betrug, z. B. Bayern Art. 339, Sachsen Art. 267, Weimar und Meiningen Art. 247,

Freiburg Art. 261, Zürich

8.

251, Luzern §. 265. Andere unter die Verbrechen gegen die Regierung: Hannover Art. 150, Württemberg Art. 157, Braun­

schweig 8. 111, Aargau §. 71, Waadt Art. 126.

8. 145.

Verleitung zum Auswandern. DaS Vergehen der unbefugten Auswanderung und der Ver­ leitung dazu

ist dem Gemeinen Rechte unbekannt H.

Partikular-

1) Dann wäre bei der Herübernahme des §. 106 aus dem Franz. Str. G. B. allerdings kein Redaktionsfehler passirt, der sonst angenommen werden müßte. Bei diesem Versehen wird man dann gewiß nicht auf dem Standpunkte der Gerechtigkeit interpretiren, wenn man bei einem Zusammentreffen des Thatbestandes der in den §§• 215, 243 n. s. w. aufgeführten Delikte mit denen des §. 106 eine ideale Coneurrenz von Delicten annehmen wollte. 21 Str. G. B. §. 323. Es zeigt sich hier wieder der Redacstonsfehler. 3) Str. G. B. §. 109. Vom Entw. v. Ib5l zuerst fast wörtlich nach dem Franz. Str. G.B. Att. 236 gebracht. Die Vorschritt ist dort ausdrückltch auf dd« Täuschen gerichtlicher Behörden beschränkt. Im Gesetze ist bei Sachverstanblsten zwar die Voraussetzung hivzugefiigt, daß sie „auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung berufen seien. Es versteht sich dies indeß von selbst. Darnach ist im Tert der Thatbestand fkstgestcllr.

4) Das Kaiserliche Manrat vom 7. Juli 1768, welches die heimliche Aus­ wanderung, svwie die Anwerbung dazu und Unterhandlung dabei willkürlich, nach

677 rechtlich

ist

eS dagegen

längst

vielfach

unter Strafe gestellt.

TaS Prcuß. Recht kannte nur die Verleitung zum AuSwandern alS Vergeben').

TaS Str. G. D. hat sich dem angeschlossen.

Tas Vergehen ist darnach: TaS alö ein Geschäft betriebene Ver­ teilen

Preußischer

Unterthanen

TaS

Preußischen Staaten-).

betrieben werden-').

zum

dauernden

Verlassen

der

Verleiten muß als ein Geschäft

TaS Verleiten braucht nicht gerade in einer

Anwendung „strafbarer Kunstgriffe"

zu bestehen^),

sondern ist

eben die Bestimmung deS fremden Willens durch irgend welche künstliche Mittel.

Daö Delict kann auf zweierlei Weife begangen

werden: 1. Turch Verleitung zum eigentlichen AuSwandern. 2. Durch Verleiten von Vorstehern, Gehülfen oder Arbeitern in­ ländischer Fabriken dazu, daß sie vor Ablauf der Contraktzeit den

Tienst

ihres Fabrikherrn

verlassen, und in

den Dienst eines

ausländischen Fabrikherrn übergehen. — Die Strafe ist Gefäng­

niß von einem Monate bis zu zwei Jahren.

8. 146.

Vergehen gegen die Militairgewalt. I. DäS Verlassen deS Preußischen Staates ohne vorschrifts­ mäßige Erlaubniß, von Seite eines Preußischen Staatsangehörigen in der Absicht,

ziehen-').

sich der Genügung seiner Militärpflicht zu ent­

Das Gesetz

unterscheidet zwei Fälle:

1. Die AuS-

Befinden gegen die Anwerber und Unterhändler sogar mit LeibeS- oder allenfallfigcr Lebensstrafc bedroht, ist nicht überall publicirt worden, bildet also kein gemei­ nes Neckt. 1) A. L. R. II, 20, §. 148. Ver. vom 20. Januar 1820 (G. S. S. 35). 2) Str. G. B. §. 114. Der ist entnommen in seinem ersten Absatz wört(icb auö der Ver. v. 20. Januar 1*520, in seinem zweiten Absatz theils aus dem A. V. 91. II, 20, §. 148, theils auS dem Franz. Str. G. B. Art. 417, 418. 3) „Wer eö sich zum Geschäft macht." (Sin gewerbliches Verleiten, also die Absicht eines VcrmögcncrwcrbcS wird nicht gefordert. Der Ausdruck „sich zum Geschäft machen" gehört dem Leben an, und es ist darnach der konkrete Falt zu beurtheilen. 4) Dies meint die Eemm. der zweiten Kam. (Ver. S. 70). 5) Sn. G. B. 8- 110. Der 8. befand sich seinem Hauvtinhalte nach schon r.i den früheren Enlw. Der von 1847 strafte nur noch, anstatt mit Geld, mit ("enfiscation des gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens, ganz nach dem A. L. R. I I. 20, 88- 499, 47O. Die VermögenS-Confiscalion wurde aufgehoben durch Ver. v. 4. Januar 1849 und das an deren Stelle tretende Gesetz vom 11. März 1850 (G. S. S. 271). Nach diesem wurde der Entwurf von 1851 rcdlgirt, der nur noch „die beurlaubten Landwehrmänner," als „geboten durch damilitairischc Interesse" (Motive S. 32) hinzufügte. Vergl. Ges. v. 3. Septem­ ber 1814 und vom 31. Dezember 1842.

678 Wanderung eines beurlaubten Landwehrmanneö.

Hier macht

das bloße AuSwandern ohne Erlaubniß, das Delikt aus, und eS wird fingirt, daß der auöwandernde Landwehrmann in der Absicht

sich seiner Militärpflicht in entziehen, ausgewandert sei.

2. DaS

Verlassen deS Staates von Seite eines anderen Individuums, in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst deS stehenden Heeres

zu entziehen.

Hier muß diese Absicht in jedem einzelnen Falle

bewiesen werden').

Subject in diesem zweiten Falle kann nur

ein wirklicher Militärpflichtiger') sein. — Die Erlaubniß wird in beiden Fällen von

den

Landespolizeibehörden

ertheilt'). —

Die Strafe ist Geldbuße von fünfzig bis zu eintausend Thalern, oder Gefängniß von einem Monat bis zu einem Jahre').

II. DaS

rechtswidrige Anwerben eines Preußen zum Militärdienste einer fremden Macht51).62 73 8 Der 4 Werber sowohl als dessen Gehülfe („wer den Werbern zuführt") werden bestraft mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren. Der Versuch ist hier gleichfalls

strafbar.

III. Anstiftung oder Beihülfe zur Desertion eines Preu­

ßischen Soldaten").

Desertion ist daS rechtswidrige Entweichen

einer in den Soldatenstand eingetretenen Person, in der Absicht, sich

den

militärischen Dienstverhältnissen

zu

Strafe ist Gefängniß von drei Monaten bis

Auch hier wird der Versuch bestraft").

entziehen').

zu

Die

drei Jahren.

Auch schon

die bloße

Nichtanzeige deS Vorhabens einer Desertion ist strafbar, und zwar

mit Gefängniß bis zu einem Jahre;

nach den Grundsätzen der

1) Gesetzliche Präsumtionen hier mif$iisteÜeii z. B. anS A. L. R. II, 20, §§. 50, 51, 91. (M. £. I. 36, 8- 17, Q'cr. vcm 15. Scptcmbcv 1818 iuib vem 18. Febrnar 1839, ist vclliß ungerechtfertigt. 2) Vergl. Gesetz vcm 31. Dezember 1842, §. 17. 3) Das. 8- 16. vergl. mit 8- 17. 4) Gleichzeitig ist vcrgefdmebeii, daß bei GinkituiK) ted errar'verfabrenJ (auf Requisition des Gerichts der Voruntersuchung durch teil (5ivilridner) das Vermögen des Angeschuldigten, in soweit als es nach dem Ermessen deS (reqmrirenden) Richters zur Deckung der den Angefchuldigten möglicherweise treffenden höchsten Strafe vcn 1000 Thalern und der Kosten deS Verfahrens erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden soll. 5) Str. G. B. 8- Hl, nach dem 91. 9. R. II, 20, §. 143. Schon in den ftüheren Entw. befindlich. 6) Str. G. B. §. 111, uad) A. L OL II, 20, 8§* 477 fig. schon in den früheren Öiihv. enthalten. 7) Mil. Str. G. B. (vcm 3. April 1845) I, §. 91. 8) ES liegt hier eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen von der Theilnahme vor. Die Strafe des Theilnehmers ist übrigens unter Umstanden höher, als die des Deserteurs selber. Vergl. Mil. Str. G. B. §. 95.

679 strafbaren Nichtanzeige überhaupt, jedoch mit der speciellen AuSnähme, daß die Strafbarkeit bei einem bloßen Versuche der Deser­

tion

nicht

eintritt').

IV. Die vorsätzliche, rechtswidrige

Ent­

ziehung der Verpflichtung zum Militairdienste1 2)3 durch körperliche Untauglichmachung.

Subject dieses Vergehens kann nicht nur

Militairpflichtige

der

sondern auch

selbst ein Dritter,

sein

(durch

Selbstverstümmelung),

Letzterer jedoch nach

ausdrücklicher

Vorschrift des Gesetzes nur, wenn er die Handlung auf Verlangen des Militairpflichtigen vorgcnommen hat2).

Die Grundsätze von Die Strafe

der Theilnahme sind natürlich nicht ausgeschlossen.

ist Gefängniß nicht unter einem Jahre und zellige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte. Anmerkung I. Von den im §. aufgeführten Vergehen kennt daS

Gemeine

Recht:

1. Die

unbefugte Werbung.

Die

Reichsgesetze 4) bestrafen Werbungen im Deutschen Reiche für daS Militair „fremder Potentaten." Die Werber sollen „in Acht" erklärt werden. Diejenigen, die sich werben lassen, sollen „darum von ihrer Obrigkeit gestraft, auch fernerhin unter keinem Deutschen

Regimente geduldet und gelitten werden." nicht

bestimmt.

Verpflichtung zum Militairdienste, melung.

Näher ist die Strafe

rechtswidrige Entziehung

2. Vorsätzliche,

der

insbesondere durch Verstüm­

Subject kann fein der Militairpflichtige selbst (Selbst­

verstümmelung)

oder dessen Vater;

Gehülfe Jeder.

Die Strafe

ist verschieden, Versetzung in eine geringere Classe deS Soldaten­ standes, Deportation, Eril, Vermögensconfiöcation 5). Anmerkung II. Auch einzelne neuere D. Str. G. B. ent­ halten ähnliche Vorschriften, so

wie Vorschriften über die Vor­

bereitung zur Desertion und Beihülfe dazu, z. B. Hannover Art. 134 flg., Sachsen Art. 95, 144, Weimar u. Meiningen Art. 88, 139, Braunschweig §. 87,

Oesterreich §§. 220 flg., Freiburg

Art. 313, Bayern Art. 306 (spricht nur „von falschen Werbern^.

1) Str. G. B. §.112 nach A. L. R. II, 20, §. 476, zuerst im Entw. von 1847 ausgenommen. 2» de» §. 39 weht nur deshalb nicht mit hineingebracht, weit derselbe nur von der Nichlanzeige von Verbreche» spricht. 2) Str. G. B. §. 113. Nach dem A. L. R. II. 20, §.802 schon in den irubcren Entw. enthalte». 3) Anderenfalls würde nur Körperbeschädigung vorliegcn. 4) R. Absch. von 1570 §. 15, von 1576 §. 46, von 1582 §. 82, von 1594 §. 27, Fußlncchtbestallung von 1570, Art. 216.

5) L. 4. §. 11. 1.10,11, de re xnilit. 1, 4. §. 4. ad 1. Corn, de sic,

680

8. 147.

Vergehen bezüglich der Sicherheitspolizei. I. Vorsätzliche rechtswidrige Zurücklchr in den Preußischen Staat, von Sette eines Ausländers, der des Landes verwiesen worden ist'). Die Erfordernisse ergeben sich von selbst. Auch andere,

alS

gerichtlich

erkannte

Landesverweisungen

gehören

hierher.

Eine vorgängige Verwarnung ist nickt nolbwcndig-). Tie Strafe ist Gefängniß von drei Monaten biö zu zwei Jahren. II. Vor­ sätzliche rechtswidrige

Uebertretung der, in «Zolge gerichtlich er

kannter Stellung unter Polizeiaufsicht, auferlegten Beschränkungen')

Die Erfordernisse sich aber auch,

ergeben sich von selbst.

Von selbst versieht cS

daß die von der Polizeibehörde ariferlegten Be­

schränkungen, der gerichtlich erkannten Strafe correspondiren müssen. Jede andere Beschränkung würde eine, weder vom Gesetze ange-

drohete, noch vom Richter auferlcgte Strafe, also ungerechtfertigt

fein41).52 3 Die Strafe ist von einer Woche bis zu sechs Monaten.

§. 148.

Bettelei, Landstreicherei und Arbeitsscheu. Nach Gem. R. wird Bettelei rind Landstreicherei willkürlich Vielleicht in keinem Zweige des polizeilichen StrafrechiS

bestraft^).

halfen Particulargesetze mehr nach alS hier.

Auch in Preußen

ist seit Jahrhunderten die Gesetzgebung außerordentlich fruchtbar

1) Str. 6k B. §. 115, Vß(. §. 29. An beii Bruch bcv Ihr bebe nad) P. 6k O. Art. 108 kann man hier biftcencb erinnern. Lkrenge £nafveisd'nnen qeqc’.i tie verbotswidrige Ohieffebr eine* (bind' qcvid'tlid'c^ lirfeiinruf?) '^cnvuicucii haben bis nie ist eil Schweizer Slr. 6k B., ui teilen tie ^eibaiinima einen crhebud'tn Platz im Strafft) sie m eimuinmr. Mehriabrige 3iid>tbaiit? er er dLnenmate (bid ru 10 Jahren bin) beeben nameiiilid' an: Baiel §. 6*k Vn;ev;i §. 131. 'Jlavaau §.87, Freiburg Vier. 117; geringere 3neid) §. 110, rburgau §. 343. Sl. 6hl(ei Art. 117, straft bad erstemal nur Prügel, bet 9hu1fall mit Pranger mit 3lam.'eii.schlag, jedesmal mit neuer Verweisung. 2) Vgl. 6r. O. §. 572. In Betreff des Dolud s. cb. S. 253. 3) Slr. 6k B. §. 116. Vgl. §§. 20, 27. 4) Hiernach kann bad (Zrk. des Cb. Tr. v. 22. Marz 1852 (I. M. Bl. S. 194) nicht für richtig anerkannt werden. 5) R. Pol. C. v. 1577. Tit 28, §. 1, 1. un. C, de mendic. valid. Not. 80. c. 5.

68 t

gewesen in Polizeistrafvorschristen gegen Bettler und Landstreicher. Im Jahre 1842 wurden die beliebenden Vorschriften, einer um­

fassenden Revision unterworfen.

vom 6. Januar 1843

über

Bettler und Arbeitsscheuen *). Ihm

DaS Resultat war daS Gesetz

die Bestrafung

der

Landstreicher,

(5 in Gesetz mit manchen Fehlern.

sind die Vorschriften deS Str.

G. B. in dieser Materie

entnommen, unter mehrfacher Verbesserung deS Gesetzes v. 1843. Tie

drei genannten Vergehen sind darin in einen inneren Zu-

sammeilhang gebracht, so daß sie auf die Bettelei sich zurückführen

lassen, und zwar in sofern, alS Landstreicherei besonders als Mittel, und Arbeitsscheu als EntstehungSgrunv der Bettelei strafbar er­ scheinen. I. Betteln überhaupt ist daö Ansprechen um eine milde Gabe für den Lebensunterhalt '-).

DaS Betteln ist theils Polizei­

übertretung'), theils Vergeben^); dieses in den folgenden Fällen:

1. Wenn Jemand unter Drohungen oder mit Waffen, ober unter Gebrauch eineö falschen RamenS, oder unter Vorspiegelung eines

UnglücköfalleS,

einer Krankheit

oder eines

Gebrechens

bettelt.

Bei dieser qualifizirten Bettelei liegt daS besondere strafbare

Moment einerseits in der Frechheit deS Bettlers, der anstatt daS

Mitleiken in Anspruch zu nehmen, durch daö Führen von Waffen oder durch Drohung Furcht erregen will'), andererseits in der

Angabe falscher Thatsachen zur Erregung deS MitleidenS.

In

letzterer Beziehung ist auch der Gebrauch des falschen NamenS aufzllsassen, so daß dabei eine Eoncurenz §. 105 Str. G. B. nicht eintreten kann.

mit dem Vergehen deS 2. Wenn Jemand bettelt

ober Kinder zum Betteln anleiiet ober ausschickt, oder Personen,

welcher seiner Gewalt und Aufsicht untergeben sind und zu seiner

1) ycs. S. S. 19. 2) Durch ten lehren Zusatz unterscheidet daö eigentliche Betteln sich von tem völlig verschiedenen, nicht strafbaren Ansprechen (gewöhnlich Einsammeln) von Gaben zu einem bestimmten Zwecke. Ist dieser Zweck ein vorgespiegelter, so tritt eben wieder jener Zusatz ein. Sammelt ein Dritter für Jemanden zu des letzteren Unterhalt, so ist in Beziehung auf den Sammelnden (oder überhaupt Ansprechenden) nur ein bestimmter Zweck da, wenn nicht wieder Vorspiegelung vorliegt (z. B. wenn der Bettler ein krankes Kind mit sich führt, für das angeb­ lich er bettelt), oder der Dritte und der Ansprechende gemeinschaftlich handeln, also Verspiegelung und Beihülfe vorliegt. 3) Sir. G. B. §. 341.

4) Str. G. B. §. 118. 5) Hierdurch wird der Thatbestand für diese Fälle hergestellt, wodurch daS Vergehen sich namentlich von Raub und Erpressung (Str. G. B. §§. 230 u. 234) unterscheidet.

682 Hauögenossenschaft gehören,

vom Betteln

abzuhalten unterläßt,

nachdem er in den letzten drei Zähren wegen dieser Zuwiderhand­

lungen zwei oder mehrere Male rechtskräftig verurtheilt worden Bei dieser rückfälligen Bettelei kommt natürlich auch die Verurtheilung wegen einfachen Bettelns (alö Polizeiübertretung) ist').

in Betracht.

II. Daö Landstreichen (Vagabundage) ist daö Um­

herziehen von Ort zu Ort, von Seite eines Menschen, der ge-

schäftS- und arbeitslos ist, und sich auch nicht darüber auSweisen kann, daß er die Mittel zu seinem Unterhalte besitze,

oder doch

eine Gelegenheit zu demselben aufsuche-). Die Erfordernisse er­ geben sich von selbst. Selbstredend kann nur von einem redliche» Andererseits ist es kein Landstreichen,

Unterhalte die Rede sein.

wenn Jemand in demselben Ort oder in derselben Gemeinde um­ herzieht.

Betteln ist zum Thatbestände nicht erforderlich; eoncurrirt

eö, so ist reale Eoncurrenz da.

III. Strafbare Arbeitsscheu

ist

daS vorsätzliche Ausweichen vor einer ernährenden Arbeit, von Seite eines Menschen, der zu derselben im Stande ist, ohne dieselbe aber genöthigt wird, fremde Unterstützung in Anspruch jit nehmen. DaS Gesetz straft sie, und zwar als Vergehen in folgenden Fällen:

a) Wenn Jemand dein Spiele, dem Trünke

oder Müßiggänge

er in einen Zustand versinkt, in welchem zu seinem Unterhalte oder zum Unterhalte Derjenige», sich dergestalt hingiebt,

daß

zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch Vermittelung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen werden muß. b)

Wenn

Jemand,

der

eine

Unterstützung

aus

öffentlichen

Armenfonds empfängt, sich weigert, die ihm von der Behörde ange­

wiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten, c) Wenn Jemand nach

Verlust

seines

bisherigen

Unterkommens

binnen

einer, von der Ortspolizei-Behörde bestimmten Frist sieh kein an

derwärtigcö Unterkommen verschafft hat,

und auch nicht nach

weisen kann, daß er solches, aller angewandten Bemühungen ungeachtet, nicht vermocht habe. IV. Die Strafe für sämmtliche

iit diesem 8. benannte Vergehen, ist Gefängniß von einer Woche bis zu drei Monaten.

Zugleich hat das Gericht zu erkennen,

daß nach auögestandener Strafe der Ausländer aus dem Lande

zu weisen und der Inländer in ein Arbeitshaus

zu bringen sei.

1) Bergt. Str. Ä.B. §. 205. 2) Str. G. B. §. 117. Auf den civilrecbtlicben Begriff der Vagabundage. A. G. £. I, 2, §§. 22 flg., kann cS nicht ankvmmcn.

683 Die Dauer der Einsperrung

in dem Arbeitshaus« ist von der

Landespolizeibehörde nach den Umständen zu ermessen'). Anmerkung.

gegen

Strafvorschriften

Landstreichen und

Betteln enthalten namentlich auch folgende Deutsche Str. G. B.

Württemberg Art. 196 flg., Hessen Art. 244 flg., Nassau Art. 237 flg., Baden 8. 639 flg., Basel (Cor. Ges.) §. 31, Waadt

Art. 141 flg., Oesterreich 88. 517 flg., Hannover (Polizei- Str. G.) §. 108 flg. (Die beiden letzteren bestrafen auch unter Umständen die Trunkfälligkeit.)

Drittes Kapitel. Verbrechen gegen die religiösen und sittlichen Grundlagen

des Staates. Erster Titel.

Verbrechen gegen die Religion. 8. 149.

Vorbemerkungen. Die älteren Deutschen Rechtslehrer, sowie sie anfingen, in

ihren Lehrbüchern nach bestimmten Grundsätzen die einzelnen Ver­ brechen zu classificiren,

stellten

sofort eine

Verbrechen gegen die Religion stuf1 2).3 sichten

könne2).

auf.

Man bestritt,

daß

besondere Classe der

Später kamen andere An­

eS Religionöverbrechen

geben

Feuerbach stellte geradezu den Sah auf, die Gottheit

könne kein Rechtssubjcct, also auch kein Gegenstand der Rechts­

verletzung sein, also auch nicht eines Verbrechens; es gebe also

1) Str. G. B. §. 120. Vcrgl. §§. 26 u. 29. Die Einsperrung in das Arbeitshaus, wenn man sie auch nach Analogie des §. 26 als eine Art der Stel­ lung unter Polizeiaufsicht auffassen ivifL ist immer eine Strafe; eS kann also vom strafrechtlichen Standpunkte aus nicht gerechtfertigt werden, daß eine Polizei­ behörde ihre Dauer ermessen soll. 2) Qnistorp, P. R. „Von den Verbrechen gegen.die im Staate eingeführtc Religion," Meister pr., „de delictis, quae in religionem committuntur.“ Dorn, Pr. Eem. sogar „Von den Verbrechen gegen Gott." 3) Stübel schrieb eine besondere Abhandlung: „Quatenus actiones religioni non convenientes poenis criminalibus coerceri possint (1791)."

684 auch kein Verbrechen gegen die Religion.

Feuerbach stellte daher

z. B. die Gotteslästerung unter die Injurien gegen die Religions­ gesellschaften, Schwören und Fluchen unter die Verbrechen gegen

die Sittenpolizei.

Andere Rechtslehrer') sagen noch heute, daß

es keine Verbrechen gegen die Religion geben könne.

Sie wollen

deshalb nur „Verbrechen gegen die Religionsrechte" oder „ver­ brecherische Verletzung gewisser Pflichten der Religion" zulassen. Man will auch wohl den Streit umgehen und spricht „von so­

genannten Religionsverbrechen, welche die Religion gefährden"^). Jarke und Ab egg vertheidigen dagegen den Begriff der Ver­ brechen gegen die Religion.

Jarke stellt sie an die Spitze der

einzelnen Verbrechen vor das Majestätsverbrechen. — Zur richtigen

Würdigung des Charakters der hier in Frage stehenden Verbrechen

kommt es auf die richtige Auffassung des Begriffs der Religion

für das objective Recht überhaupt an.

Die Religion ist die Ver­

ehrung der Gottheit, sie ist in sofern etwas rein Innerliches und kann von dem Rechte nicht berührt werden.

drängt

Das innere Gefühl

aber natürlich einerseits nach einem äußeren Ausdrucke

der Verehrung, also nach einer äußeren Verehrung als Zeichen, Beweis der inneren Verehrung. Andrerseits drängt es auch nach einer Herstellung des Bewußtseins derjenigen Gründe,

das Gefühl der Verehrung beruht.

worauf

Es bildet sich das Dogma

von den Eigenschaften der Gottheit und von dem Verhältnisse

des Menschen zu der Gottheit.

Mit Beiden, jener äußeren Ver­

ehrung und diesem Dogma steht, was ihr äußeres Verhältniß

betrifft, Folgendes

in der genauesten Verbindung.

Die innere

Religion ist ein wesentlicher Theil des inneren Lebens des Menschen.

ES ist also auch, vermöge des bezeichneten Drängens nach Außen sowohl die

äußere Verehrung

der Gottheit,

als

das religiöse

Dogma ein wesentlicher Theil des Zusammenlebens der Menschen.

Es folgt daraus einerseits die Nothwendigkeit einer gemeinsamen

äußeren Verehrung, und da diese nur der Ausdruck der inneren Verehrung ist, für diese aber das Bewußtsein ihrer Gründe vor­ handen sein muß, folgt ebenso die Nothwendigkeit der äußeren,

objectiven Feststellung des religiösen Dogma.

Es bieten sich hier­

nach zwei Seiten der Religion für das objective Recht dar: das objectiv festgestellte Dogma, und die äußere Verehrung der Gott-

1) Heffter, §• 415, Marezoll, §. 155.

2) Bauer, Lehrbuch §. 292.

685 heit.

Diese beiden Seiten stellen sich auch unzweifelhaft für daö

objective Strafrecht dar, um so erheblicher, je mehr die Religion als jener wesentliche Bestandtheil im Zusammenleben der Menschen

zugleich eine der

wesentlichsten Grundlagen des Staates bildet.

Die Religion ist eine jener Gemeinsamkeiten, die dgs Leben eines Volkes durchdringen,

und dieses dadurch zu Einem Volke, sein

Zusammenleben, den staatlichen Verband, zu einem innerlich noth­ wendigen machen.

Der entschiedenste Atheist kann das, wenigstens

vom historischen Standpunkte, nicht läugnen.

Er kann also auch

die, wenigstens bis jetzt, historische Nothwendigkeit dieser Grund­

lage nicht läugnen.

Ein Angriff gegen jene Bestandtheile der

äußeren Religion muß sich hiernach in dem Nechtsbewußisein eines Volkes nothwendig

als eine strafbare Verletzung des objectiven

Rechtes darstellen.

In der That ist es auch so bei allen Völkern.

Auch dem Deutschen Volke sind die religiösen Dogmen heilig, alS der bewußte Grund der inneren Gottesverehrung.

Ebenso der

äußerliche Gvttescultus als der verkörperte Ausdruck jener inneren Verehrung. — Tie innere Verehrung des

etwas innerlich Nothwendiges

Menschen.

für den

höchsten Wesens

geistigen

ist

und sittlichen

Wer die äußeren Eleniente dieser Verehrung angreift,

der greift in eine heilige Seite des menschlichen Wesens ein. Un­

zweifelhaft kann es in sofern Verbrechen gegen die Religion geben. Der strafrechtliche Character derselben kann aber auch nur von diesem Standpunkte aus aufgefaßt werdenDaraus folgt denn

1) Der Verfasser sagte über diesen Gegenstand schon in seiner Kritik des Entw. von 1843, Band II. S. 137: „Die neuere Philosophie kämpft vielfach gegen die bestehenden positiven Religionen. Die neueren Rechtsgelehrten kämpfen eben so viel gegen Beibehaltung von Verbrechen gegen die Religion. Aber im Volke lebt dennoch der religiöse Sinn lebendig und kräftig fort, und im Volke hat sich noch immer ein allgemeiner Abscheu gegen Religionsfrevel und ein allge­ meiner, auf Bestrafung derselben gerichteter Wille erhalten. Schon darum muß auch der Staat die Frevel gegen die Religion strafen, mithin zu Verbrechen erklären. Denn in jenem Abscheu und in diesem Rechtswillen offenbart sich der lebendige Glaube an die Gottheit, die innerste Ueberzeugung, daß, so wie in uns das Göttliche lebt, so auch die Gottheit, als allmächtige Lenkern der Welten und der Schicksale, über uns stehe. Dieser Glaube ist em heiliger. Seine Heiligkeit ist es, die zügle ch die ganze Heiligkeit des menschlicyen Lebens in seinen edelsten Beziehungen bedingt und erhalt Dadurch offenbart sich, wie der Staat auch von einer anderen Seite die Verpstlchtung hat, die Religion zu schüfen und die Frevel gegen dieselbe zu destraten. Denn durch die Heiligten in dem Leben des Menschen ist der Staat in ,einer Enstenz bedingt. Die Religion erscheint in

sofern als em integrlrender Theil des Staates selbst. Es würde vergeblich sein, dies wegzuleugnen. So wie noch kem Staat ohne die Heiligkeit des Mensch­ lichen Lebens, ohne Familien bestanden hat, so har auch kein Staat ohne Religion bestanden. Jener ohnmächtige Versuch der Französischen Republik die Geschichte

686 einerseits, daß in einem Staate eben nur Angriffe gegen diejenige

Religion, welche die Religion des gegebenen Volkes ist, Verbrechen sein können.

Eine fremde Religion,

Lehren und Gebräuche, die

nicht seiner Religion angehören, können ihm als Rechtsverletzun­

gen nicht gelten. Andererseits folgt aber auch eben so nothwendig, daß, wenn in einem Staate verschiedene Religionsbekenntnisse

neben einander bestehen, Angriffe gegen ein Jedes derselben aus gleiche Weise Verbrechen sein müssen.

Tenn schon die historische

Thatsache deö Nebeneinanderbestehens begründet und bezeugt ihrer Aller Nothwendigkeit für den gegebenen Staat, miihin auch ihre

gegenseitige Anerkennung und kennung.

die

Nothwendigkeit dieser

ES muß daher sowohl vom legislativen

als auch namentlich

Aner­

Standpunkte

vom Standpunkte des positiven Gemeinen

Deutschen Strafrechts, für völlig verwerflich erachtet werden, wenn nur Angriffe gegen die drei Glaubensbekenntnisse der christlichen

Religion für strafbar erklärt werden.

Selbst wenn ein ganz neues

Glaubensbekenntniß in einem Staate Wurzel faßt und sich Bahn

bricht, muß demselben der nemliche Rechtsschutz zu Theil werden,

wie den bereits

bestehenden ReligionSbekenntttissen.

nur eine Ausnahme eintreten,

ein

Es

könnte

wenn daS neue Bekenntniß selbst

rechtswidriger Angriff gegen

die

schon

bestehenden

wäre.

Historisch muß daö aber für unmöglich erachtet werden, eben wegen

der inneren Heiligkeit eines jeden, auf wahrer Ueberzeugung be­ ruhenden religiösen Bekenntnisses.

Will eine Gesetzgebung einen

solchen Weg der strafrechtlichen Behandlung der ReligionSver

brechen, der der Weg der Freiheit, und mithin die einzige Be­ dingung des wahren religiösen Lebenö ist, verlassen, so erkennt

sie freilich für Recht und nicht für Grausamkeit an, wenn jene letzten heidnischen Kaiser in Rom die ersten Christen, und kur; daraus die ersten christlichen Kaiser die Heiden den wilden Thieren

vorwerscn ließen,

AlleS

um der Religion willen. — Weder die

Doktrin deS Gem. R. hat in richtigem Sinne die Lehre von den Religionsverbrechen ausgebildet, noch haben überall die neueren Gesetze sie so aufgefaßt.

tigen genähert.

DaS Pr. Str. G. B. hat sich dem Rich

ES kennt aber nur Vergehen wider die Re­

ligion, und auch nicht einmal zu einer so bestimmten Bezeichnung

Lügen zu strafen, hat nur der Verachtung anbeiiufallcn können. Der Staat sann der Strafvorscbriften gegen Ncligienöfrcvel nicht entbehren, denn diese sind gegen ihn selbst gerichtet."

687 hat eS sich entschließen können; eS kennt nur Vergehen, „welche sich auf die Religion beziehen."

8- 150.

Von religiösen Schmähungen überhaupt. 1. Geschichtliches. DaS Wort Blasphemie, daS in den Rechten einen verschie­ denen Sinn hat'), wird im Römischen Rechte

auch schon auf

diejenigen Handlungen bezogen, durch welche irgend ein Mangel an Ehrfurcht vor religiösen Dingen an den Tag gelegt wird •). Sie wurden mit Capitalstrafen bedroht. Die Richter, welche sich in Bestrafung der Blasphemie saumselig bewiesen, fielen der be­ sonderen kaiserlichen Ungnade anheim.

Mittelalter die Blasphemie

gestanden zu haben.

Gleichwohl scheint im

nur zur kirchlichen Gerichtsbarkeit

Daö kanonische Recht droht nur Kirchen­

bußen und Geldstrafen und erst

beim

Rückfall schwerere Strafe

(Galeere) an31).42 Gegen Ende deS 15. Jahrhunderts nahmen aber die Reichsgesetze daS Verbrechen auf, und eS wurden nun auch weltliche Strafen gegen die „Gotteslästerung" angedroht'').

Ter Ausdruck wurde eben so weit genommen wie der der Blas­ phemie, z. B. „leichtfertiges Fluchen und Schwören," selbst „aus bewegter Hitze des Zornes, auö Trunkenheit" u. f. w.

Die Strafe

war, namentlich für den Adel, nur Ehren- oder Geldstrafe, bei Unvermögen oder bei

willkürliche

Strafe.

geringeren Leuten LeibeSstrafe oder sonst Die

peinliche Gerichtsordnung Art

106

schränkte den Begriff der Gotteslästerung ein auf die Schmähung

GotteS,

seiner Allmächtigkeit und

seiner heiligen Mutter.

Sie

strafte mit dem Tode, daneben aber auch an Leib oder Gliedern. Spätere Reichsgesetze machten einen Unterschied.

Die „Lästerung

GotteS selbst, seiner allerheiligsten Menschheit und der göttlichen

Sakramente" soll ohne Weiteres „am Leben oder mit Benehmung etlicher Glieder" bestraft werden. Die „Lästerung der Mutter Christi

1) Blasphemare sententiam. ein Urtheil schelten. 2) Z. B. Nov. 77. c. 1. §. 1, 2.

3) C. 1. X. de maledic.

4) R. Absch. von 1495, §. 26. Königliche Satzung von den Gotteslästerern von 1495. VcrAl. die R. A. von 1500, 1512 und 1530, die sich darüber bekla­ gen, daß die Geatzt gegen die Gotteslästerer so schlecht gehandhabt werden.

688 Md der Heiligen" soll, und zwar erst nach vergeblicher freundlicher

Ermahnung, an Leib oder Gut bestraft werden. Daneben wurde das Gotteöschwören und Fluchen besonders hervorgehoben, jedoch mit gelinderen Strafen bedroht').

Tie Gemeinrechtliche PrariS

faßte indeß die Sache nicht nach den Quellen, sondern völlig willkürlich anders auf.

Sie theilte die Gotteslästerung ein in die

unmittelhare und mittelbare.

Unter der ersten verstand sie, wenn

Gott unmittelbar geschmäht worden, unter der zweiten, wenn aus der unmittelbaren Schmähung

eines anderen Gegenstandes die

Schmähung Gottes folge. Die Schmähung der Sakramente wurde der zweiten Art zugezählt, die der Mutter Gottes für Katholiken der ersten,

für Protestanten der zweiten Art.

Ferner wurde ein­

getheilt in schwere und geringe Gotteslästerung, und zu der letzteren das Schwören und Fluchen gerechnet-). Carpzov wollte die un­ mittelbare Gotteslästerung noch überhaupt mit dem Tode bestrafen, obwohl er selbst zugab, daß

Spanien

die Todesstrafe schon

und Frankreich abgeschafft

sei.

in Neapel,

Im Allgemeinen be­

strafte die Praris nur die schwereren Fälle mit dem Tode, die übrigen willkürlich.

Von den neueren Rechtslehrern wollen einige

eine Gotteslästerung als solche gar nicht mehr anerkennen, sondern nur eine Injurie gegen die kirchliche Gesellschaft, begangen durch

eine, dem Gegenstände ihrer Verehrung äußerlich sitive

Verachtung^).

Quellen.

bewiesene po­

Die Meisten halten sich indeß mehr an die

Sie stellen danach verschiedene Unterscheidungen auf:

Blasphemie im weiteren und im engeren Sinne; zu

jener wird

auch das Fluchen und Schwören gerechnet; die andere, besonders Gotteslästerung genannt, wird wohl wieder in die unmittelbare

und mittelbare eingetbeilt u. s. w.

stimmung.

Doch ist hierin keine Ueberem-

Sämmtlich beziehen sie den Begriff nur auf Cultus

und Dogma der drei anerkannten christlichen Religionsbekennt­ nisse^). — Aus einem durchaus anzuerkennenden GesichiSpunkte

hat das A. L. R. Thatbestand und Strafbarkeit der Gotteslästerung

aufgefaßt.

Ausgehend eben von der Gemeinsamkeit der Religions-

1) R. Pol. O. von 154X, Tit. 1-3, von 1577, Tit. 1—3. 2) Carpzov, Pr Qu 45 nr. 16, 79. Meister, Pr. §.313. ünu storp, P. R. §. 118 sig. Dorn, Pr. Com. §. 265. 3) Feuerbach, §. 303. 4) Vgl. Bauer §. 293, Henke § 208, Abegg §. 559, Mareroll §. 156, Hefster §.422, Iarke Handb. Band 2, §.3.

689

Verehrung, straft eS nur Denjenigen, der, durch öffentlich ausgestoßene grobe Gotteslästerungen zu einem gemeinen Aerger­ nisse Anlaß giebt'). Es definirt weder näher, noch unterscheidet eS weiter. Es kennt auch namentlich keine Schmähung anderer Gegenstände der religiösen Verehrung, die gemeinrechtlich unter die mittelbare Gotteslästerung fallen würden, sondern, außer der Störung deS Gottesdienstes, nur die Beleidigung von Religions­ gesellschaften, welche im Staat ausgenommen sind, durch öffent­ liche Lästerungen u. s. w.1 2).3 4— Das Str. G. B. hat den Be­ griff der Gotteslästerung wieder mehr in gemeinrechtlichem Sinne ausgenommen und unterscheidet: eigentliche Gotteslästerung, Schmähung anderer Gegenstände der religiösen Verehrung und Beleidigung der Religionsgesellschaften. Es bezieht diese Delicte, die sich sämmtlich unter dem Begriffe religiöser Schmähungen zusammenfassen lassen, auf sämmtliche „christliche Kirchen und andere mit Corporationsrechten in Staaten bestehende Religions­ gesellschaften."

§. 151. 2. Grundsätze.

Der Begriff der religiösen Schmähungen (s. d. v. §. z. E. ist in folgender Weise näher zu bestimmen: Sie bestehen in öffent­ licher Verspottung oder Herabwürdigung der Gegenstände der Verehrung der im Preuß. Staate bestehenden Religionsgesellschaften, oder dieser Gesellschaften selbst. Für sie überhaupt gelten folgende allgemeine Grundsätze: 1. Subject derselben kann Jeder sein ohne Unterschied der religiösen Confession, der er angehört, imb nament­ lich ohne Unterschied, ob er derselben Confession, in Beziehung aus welche er geschmäht hat, angehört, oder einer anderen^). 2. Ob­ ject derselben ist die Gottheit unmittelbar, oder ein anderer Ge­ genstand religiöser Verehrung'), oder aber eine Religionsgeiellschaft selbst. Bezüglich der Gottheit kann natürlich eine bestimmte religiöse Confession nicht weiter in Frage kommen, indem der

1) A. L. R. II, 20, §.217. 2) A. L. R. II, 20, §§. 214, 115. 3) Str. G. B. §. 135. „Wer." Auch iicmcinrrd'ttidi I. II, 1. de jmlaiis. 4) Jeder andere Gegenstand der religiösen Pcrctnnng bezicbr sich eben Hin­ auf die Gottheit und diese wird darin (mittelbar) verehrt. Strafrecht.

44

690 Begriff der Gottheit nach dem Dogma der meinten religiösen Konfessionen derselbe ist.

möglicherweise ge­

Im Uebrigen spricht

daS Gesetz nur von den christlichen Kirchen, oder anderen mit CorporalionSrechten im Staate bestehenden Religionsgesellschaften. Unter christlichen Kirchen werden bekanntlich die katholische und

die protestantische Kirche, letztere alS lutherische, reformirte und unirte, verstanden.

Unter den anderen ist jede Confession zu ver­

stehen, von welcher irgend eine Gemeinde CorporationSrechte im Staate wirklich erhalten hat').

3. In Betreff der Handlung muß

diese a) eine positive Handlung sein; durch bloße Unterlassungen kann daö Delict nicht begangen werden?).

Im Uebrigen ist die

Form der Handlung gleichgültig; sie kann in Worten, Darstel­

lungen, Unfug u. s. w. bestehen,

b) Sie muß eine Schmähung

irgend eines der genannten Objecte deS Deliktes enthalten.

ist darunter

mehr

gemeint, als

eine

ES

bloße Injurie, nemlich

ein Verspotten, Beschimpfen oder gar ein Benehmen, welches Haß oder Verachtung gegen daS Object erregen kann.

Fluchen

und

Schwören gehört

nicht hierher'),

Gewöhnliches c) Sie muß

öffentlich geschehen fein4 1).5 2 3 4. Der stets erforderliche Doluö muß auf die Schmähung gerichtet fein. — Das Gesetz stellt drei

Arten der religiösen Schmähungen auf:

Die Gotteslästerung,

die Schmähung anderer Gegenstände der Verehrung bestehender ReligionSgesellschasten (mittelbare Gotteslästerung), die Schmähung bestehender Religionsgesellschaften selbst').

Die besonderen Erfor­

dernisse für jede derselben ergeben sich von selbst. — Die Strafe ist für alle drei Arten gleich: Gefängniß biö zu drei Jahren.

1) Eine solche Confession ist alsdann für eine „im Staate bestehende Religionsgesellschaft" (§. 136, Str. G. B.) auch nach den oben (§. 149) ent­ wickelten Grundsätzen, zu^betrachten. Auf den Unterschied deS A. L. R. II, 11, §§. 17 flg. zwischen im Staate aufgenommcnen und blos geduldeten Religions­ gesellschaften kommt es nicht an. In sofern enthält auch eine Schmähung der Gottheit eine Schmähung des ersten, eigentlich deS einzigen (f. Nr. 3 oben) Gegenstandes der Verehrung der bestehenden ReligionSgesellschasten. 2) „Wer in Worten" u. s. w., oder „verspottet," „darstellt," „Un­ fug verübt." Auch nach der P. G. O., Art. 186: „So Eyner Gott zumißt," oder „mit Worten — abschneidet." 3) DaS sagen auch wörtlich die Motive v. 1851 (S. 35). 4) „Kirchen (die unzweifelhaft öffentliche Versammlungsorte sind) und andere religiöse Versammlungsorte." CS wäre auch kein Sinn darin, das Dort „öffent­ lich" an der Spitze dcö §. 135 nur auf die schwererern Fälle und nicht auf den geringeren der Beschimpfung von Gegenständen, welche dem Gottesdienste gewidmet sind, anwenden zn wollen." 5) Auch das Gem. R. unterscheidet dieselben Arten.

691

Anmerkung. Die Gotteslästerung besonders wird nur noch von wenigen neueren D. Str. G. B. hervorgehoben; eS kennen sie nur noch Oesterreich $. 122, Sachsen Art. 159, Braun­ schweig 8. 117, Weimar Art. 181, Meiningen Art. 180, Luzem 8. 158, Aargau §. 80. Diese alle fordem zum Thatbestände eine Oeffentlichkeit der Handlung. Daß ein öffentliches Aergerniß bewirkt worden, fordert nur Luzern; Oesterreich und Aargau sehen eS alö einen ErschwerungSgrund an. Die Strafe ist verschieden: Oesterreich straft mit Kerkerstrafe bis zu 10 Jahren, Luzern mit Zuchthaus bis zu 6 Jahren, Braunschweig nur mit Gefängniß bis zu 1 Jahre. Luzern hebt aber noch besonders hervor als „Heiligthumöentweihung," die „aus Haß oder Verachtung der Religion an konftkrirten Hostien oder an Gefäßen, in welchen solche wirklich aufbewahrt sind, verübte Thätlichkeit." Die Strafe ist Kerkerstrafe bis zu 10 Jahren. Fast sämmtliche *) 'Str. G. B.

bestrafen die öffentliche Verspottung oder Verachtung der Gegen­ stände der religiösen Verehrung. In Bestimmung dieser Religions­ gesellschaften gehen sie auSeinirnder. Von allen im Staate be­ stehenden, anerkannten, geduldeten, sprechen Oesterreich, Sachsen, Weimar, Meiningen, Aargau a. a. O.; eben so allgemein drückt sich auö Luzern, Pol. Str. G. B. 8. 128, ferner Hessen Art. 195, Hannover Art. 193, Baden §. 583, Nassau Art. 191, St. Gallen Art. 140. Nur von anerkannten ReligionSgesellschaftensprechen Braunschweig 8. 117 und Württemberg Art. 192; von einer an­ erkannten christlichen Confession, Thurgau 6. 366; von der christ­ lichen Religion, Basel (Corr. Ges.) 8. 41; von den „vom Staate geschützten religiösen Anstalten," Zürich 8. 129.

§. 152.

Erzwingung und Störung des Gottesdienstes. Daö Gem. R. kennt als Delikt die Störung deö Gottesdienstes (turbatio sacrorum): rechtswidrige Verhinderung oder Unter­ brechung eines öffentlichen Aktes der GotteSverehrung, durch einen vorsätzlich darauf gerichteten Unfug. Die Strafe ist bet verübter

1) Nemlich mit Ausnahme von Bayern, Waadt und Freiburg, die nur die Storung de« Gottesdienste- bestrafen.

692 Gewalt

Todesstrafe,

sonst körperliche Züchtigung und Eril *).

Denselben Thatbestand deö Deliktes stellt das A. L. R. auf, wobei eS jedoch, im Betreff der Strafabstufung, zwischen im Staate aufge­ nommenen, und bloß geduldetm ReligionSgesellschasten unterscheidet;

die Strafe ist von 6 Monaten Gefängniß bis zu 18 Monaten Zuchthaus oder Festung^).

Auch das Str. G. B. hat das De­

likt so aufgestellt, demselben jedoch noch auS dem Franzos. Str. Rechterem anderes Delikt zur Seite gestellt: den rechtswidrigen

Zwang zur Ausübung des Gottesdienstes«). — Der Begriff der Störung des Gottesdienste» ist hiernach ganz so aufzustellen, wie oben nach Gem. R. Der Zwang zur Ausübung des Gottes­ dienstes besteht in einer, durch körperliche oder psychologische Ge­

walt

verübten rechtswidrigen

Personen

Nöthigung

einer

oder

mehrerer

zur Ausübung eines ActeS des Gottesdienstes.

In

Betreff deS Subjectes und der Religionsgesellschaften, gegen welche beide Delikte begangen werden können, gelten hier dieselben Grund­

Außer­

sätze wie bei den religiösen Schmähungen (s. $. 151).

dem sind für beide folgende gemeinschaftliche Erfordernisse: 1. Ein gottesdienstlicher Act.

Nach

positiver Vorschrift deS

Gem. R.

wird als solcher nur der betrachtet, bei welchem ein Geistlicher

eine religiöse AmtSfunktion verrichtet51).62 3 Man 4 muß auch für das

Str. G. B. dieses Erforderniß festhalten: Denn „Gottesdienst" und

„gottesdienstliche Handlungen" also ein Geistlicher, auSüben.

kann nur

ein

Religionsdiener,

2. Eine rechtswidrige Stönmg

oder Erzwingung desselben. 3. Der DoluS muß auf Störung oder auf eine Erzwingung der

gottesdienstlichen Handlung gerichtet

fein. — Besondere Erfordernisse der Störung des Gottesdienstes

sind: 1. Ein öffentlicher gottesdienstlicherAct°). Privatandacht im Hause gehört nicht hierher. Dagegen wohl öffentliche Pro-

1) Die Quelle ist nur Röm. R. 1. 10. C. de epise. et der. Nov. 123, 2) A. L. R. II, 20, §S. 215 flg.

3) Franz. Str. G. B. Art. 260. Zurrst im Entw. von 1851 gebracht, dessen Motive sich nlcht weiter darüber auslassen. 4) Str. G. B. $. 136. Die anderen neueren Deutschen Str. G. B. kernen die Störung de« Gottesdienste« in ähnlicher Art; da« Delict diese« Zwange« ist ihnen unbekannt.

6) Nov. 123. I. c. 6) „2n Kirchen oder anderen religiösen Versammlungsorten." Nov. dt.

Vrrgl.

693

ressionen, Leichenbegängnisse, auch außer der Kirche. 2. Ein Unfug,

Lärm oder sonstige Unordnung. Hinderung,

3. Eine dadurch bewirkte Ver-

oder Unterbrechung

Störung

deS gottesdienstlichen

Hierdurch erst ist daS Delikt vollendet, was um so er«

ActeS.

heblicher, alö

der

nicht strafbar ist').

Unfug für sich

Versuch, mithin der

allein,

Besondere Erfordernisse deS Zwanges zur

Ausübung deS Gottesdienstes sind: 1. Eine rechtswidrige Nöthigung

durch Gewalt oder Drohungen

(f. ob. §. 128).

2. Un­

mittelbarer Gegenstand der Nöthigung muß immer ein Geistlicher

fein.

Ein Anderer kann

keinen „Gottesdienst auSüben"2). —

Die Strafe ist für beide Delikte Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren').

$. 153.

Unfug an Leichen oder Grübern. Unter dem Namen sepulcri violatio

(über einen Deutschen

Namen hat man sich noch nicht allgemein in der Doktrin ver­

einigt')

kennt daS

Gem. R. ein Verbrechen, daS überhaupt in

der Mißhandlung eines Leichnams, oder der Grab- oder Ruhe­ stätte desselben, besteht.

ES wird nur in den Röm. RechtSquellen

behandelt und dort vom religiösen Standpunkte aufgefaßt$). DaS A. L. R. kennt dieses Delikt nicht; eö kennt dagegen einen eigent­ lichen Leichendiebstahl'), der nach dem Gem. R. unter den Be­

griff der sep. viel, (richtig nach dem Erfordernisse deS Diebstahl-, die gestohlene Sache ein Vermögensgegenstand fein muß),

daß

fällt.

DaS Str. G. B. hat sich im Ganzen der gemeinrechtlichen

Doktrin wieder angeschlossen.

Es ist danach

ein allgemeiner

Begriff deS Vergehens eines Unfugs an Leichen oder Gräbern auf-

1) Wenn er nicht unter den Begriff der religiösen Schmähung fällt. 2) Der Zwang eine« Nichtgeistlichen kann nur ander« Deliete enthalten, religiöse Schmähung, Betrug, ober überhaupt Gewaltthätigkeit. 3) Da« Minimum der Strafe steht augenscheinlich in keinem Verhältniff« zu dem Minimum der Strafe der Gotteslästerung (1 Tag). E« liegt hier ein Ver­ sehen der Komm, der zweiten Kam. vor, welche die Wort« dr« Entwurf« von lb5l „von Einem Monate" beim §. 135 strich, beim §. 136 aber stehen ließ,

4) Dergl. z. B. Abegg §. 575, Heffter $.353,

5) L. 5, C. de aep. viol. 6) A. L. R. II, 20, §§. 1152 flg.

694 -»stellen').

Der Begriff ist der oben angegebene deS Gem. R.

Die Erfordernisse sind: 1. Object deS Vergehens ist: a) der Leich­

nam eines Menschen, gleichviel ob derselbe schon beerdigt ist oder nichts, b) Ein Grab, in welchem sich eine Leiche befindet, nicht also der Todtenacker überhaupt31); 2 daS Grab aber mit seinem inneren

Zubehör, nicht auch mit dem äußeren (z. B. Grabdenkmal)4).5 62. Die Handlung muß

eine rechtswidrige sein.

Außerdem ist zu unter­

scheiden : a) Wird sie gegen Gräber verübt, so besteht sie in jedem

Zerstören oder Beschädigen deS Grabes (und dessen inneren Zubehörs), so wie in jedem beschimpfenden Unfug an demselben *), also auch

an dem in dem Grabe befindlichen Leichnam,

b) Wird sie aber

nur an dem Leichnam

(also an dem nicht im Grabe befindlichen

Leichnam) verübt, so

soll sie nur in einem Wegnehmen der

Leiche oder eines Theils derselben bestehen, und auch hierzu er­

forderlich sein, daß daS Wegnehmen aus der Gewahrsam der zu dieser berechtigten Personen geschehen fei'). 3. DaS Delict kann nur doloS begangen werden. Der DoluS ergiebt sich aus dem übrigen Thatbestände von selbst. Eine gewinnsüchtige Absicht ist

nicht erforderlich, ist aber auch nach ausdrücklicher Vorschrift deS Gesetzes nicht ausgeschlossen.

Indeß kann dies

wohl

nur für

daö Wegnehmen der Leiche gelten, indem der so genannte Leichen­ diebstahl ein eigentlicher Diebstahl nicht sein fann7). — Die

Strafe ist in allen Fällen Gefängniß von einem Monate bis zu zwei Jahren, und bei dem Vorhandensein einer gewinnsüchtigen Absicht, zugleich zeitige Untersagung der Ausübung der bürger­ lichen Ehrenrechte.

1) Str.®.®. §.137.

2) Bergt. L. 3, §, 4, 1. 8. 1. II, de sep. viol. 1.4,6. C. eod. I. 38, de relig. Nov. 60, c. i, §. 1. 3) (Sitte Beschädigung deS Todtenacker-, die nicht zugleich ein bestimmteGrab berührte, z. B. au der Umzäunung u. s. w. würde (auch nach Gem. R.) nicht hierher gehören.

4) Str. @. ®. g. 382. Bergt. L. 2, h. 1.1. 2, 4, 5. C. h. t. I. 2, §. 6, 1. 42, de relig. 5) Nach R. R. gehört schon die bloße Benutzung der Bcaräbnißstätte zu anderen Zwecken hierher. L. 3, pr. §. 6, 11, h. t. 1. 2, 4. C. b. t. L 22, §. 4, quod vi aut clam. 6) Diese völlig prinziploscn Unterscheidungen sind dem Röm. R. unbekannt.

7) Bei der Wegnahme anderer Sachen in gewinnsüchtiger Absicht wird immer Diebstahl da sein, da dieselben, auch wenn jit dem Todten mit in das Grab gegeben waren, nicht aufhören, im Vermögen der Lebenden (event. deS Fiscus) zu sein.

695

Anmerkung I.

Frühere

Entw.

bis

1843

einschließlich,

faßten die Entwendung sowohl der Leiche oder eines Theils der­

selben, als der der Leiche beigegebenen Gegenstände, als eigentlichen

Diebstahl

auf.

Die Revision von

1845 war damit nicht ein­

verstanden, und brachte das Delikt unter den Gesichtspunkt der Religionsverbrechen, sie schied eS aber in einem besonderen §. von

dem Unfuge an Grabstätten aus.

Eben so der Entw. von 1847.

Der von 1851 hob diese Trennung auf, und ließ nun auch daS

Erforderniß der gewinnsüchtigen Absicht fort.

Die Comm. der

zweiten Kammer setzte dies aber wieder hinzu, so wie eS im Str.

G. B. sich findet. Sic bemerkte dabei blos, daß die Ehrenstrafe nur im Falle einer gewinnsüchtigen Absicht eintreten solle (Der. S. 80).

Daher die allgemeine, und in sofern unklare Stellung

dieses Zusatzes. Anmerkung II.

Die neueren D. Str. G. B. behandeln

den Unfug an Gräbern sowohl, wie besonders auch den s. g.

Leichendiebstahl vielfach verschieden.

Folgende sehen den letzteren

alS einen eigentlichen Diebstahl an: Sachsen Art. 228, Weimar und Meiningen Art. 219, Braunschweig §. 219, Hannover Art. 290, Hessen Art. 377, Nassau Art. 370.

Für eine Beschädigung

fremder Sachen erklärt die Entwendung von Leichen: Baden 8.579.

Die anderen Str. G. B. erwähnen ihrer nicht besonders.

Die

Beschädigung von Gräbern wird zwar von den meisten Str. G. B. besonder- erwähnt, aber nicht alö ein sich auf die Religion

beziehendes Delikt, sondern meist nur unter dem Gesichtspunkte eben der Beschädigung.

nung führt eS

auf

Als Vergehen gegen die öffentliche Ord­

Oesterreich §. 278 (erst seit 1852).

Nur

Waadt Art. 134, und Freiburg Art. 418 fassen eS als Delikt

gegen die CultuSpolizei, beziehungsweise Frieden auf.

gegen

den religiösen

Anmerkung III. Die auch im Gem. R. nicht mehr als eristirend angesehenen Verbrechen der Ketzeret mit ihren Unter­

arten, und der Zauberei (letztere ist in Folge deS Bewußtseins deS

mangelnden Objekts in desuetudinem gekommen), kennen auch die sämmtlichen neueren D. Str. G. B. nicht mehr. DaS 51. L. R. *) führte statt derselben noch die „Sertenstiftung" auf, mit der etwas zweifelhaften Strafe

1) A.L.R. II, 20, $.223.

einer

„Besserung

durch körperliche

696 Heilmittel."

Von den neueren Str. ®. B. bestrafen noch die

Sectenstiftung oder Proselitenmacherei, wenn dadurch die öffent­ liche Ruhe gefährdet wird, Bayern Art. 417, Freiburg Art. 419. Die Verbreitung von Unglauben oder Verleitung zum Abfälle vom Christenthume bestraft noch Oesterreich §. 122.

Zweiter Titel. Verbrechen und vergehen gegen die Sittlichkeit. 8. 154.

Vorbemerkungen. Unter den

Verbrechen

gegen

die

Sittlichkeit werden hier

diejenigen strafbaren Handlungen verstanden, welche eine verbotene

Befriedigung des GeschlechtStriebeS zum Zweck haben.

Der Be­

griff der Sittlichkeit wird also in dem darauf sich beziehenden

speziellen, engeren Sinn genommen •).

Die Sittlichkeitsverbrechen

wurden theilweise schon im Röm. R. sehr streng bestraft.

ES

war dort dafür besonders maßgebend die Rücksicht für die Heilig­ keit deS ehelichen Verhältnisses einerseits, und für die Bevölkerungs­ polizei andererseits.

Später war eö besonders die christliche Kirche,

die hier die strengen Ansichten des

mosaischen Rechte- geltend

zu machen und Jahrhunderte lang aufrecht zu erhalten wußte. Doctrin und PrariS deö

Gem. Sir. R. nahmen jevoch mit der

Zeit immer gelindere Ansichten auf, und waren

namentlich zu

Ende deS vorigen Jahrhunderts auf eine bemerkenSwerthe Weise lar

geworden.

werth.

Dabei

war

noch

etwas

anderes bemerkenS-

Der Geist deS Strafrecht- hatte bei der

Cultur überhaupt humaner, Gem. Sri

fortschreitenden

also gerechter werden müssen.

DaS

R. hatte daher bei fast allen Verbrechen die Strenge

der Quellen verlassen, unv sich auf den Standpunkt der schon in der Bezeichnung der Strafe („willkürliche Strafe") offen prokla-

inrrren Willkür gestellt.

Es hatte dies aber auch

meist geradezu,

ohne lange nach vielen Vorwänden zu suchen, gethan.

In der

Lehre von den Sittlichkeitöverbrechen wurde aber mit desto größerer

1) In den Lehrbücher» der Gem. R. werden diese Verbrechen gewöhnlich „Fleischcsverbrechen" (delicta carnis) genannt. Meister, pr. §.267, Feuer­ bach §. 499. In der neuern Zeit rieht man den Ausdruck „UnzuchtSverbrechen" vor: Bauer §. 295, Martin §. 274, Marezoll §. 160.

697 Ängstlichkeit gerade nach solchen Vorwänden fort und fort ge­

sucht, und zwar auf eine Weise, unsittlich und widerlich war.

die mitunter in hohem Grade

Namentlich 'gehörn hierher

jene

Untersuchungen über die! emissio und immissio seminis u. s. w.

Ob der Gmnd solcher Aengstlichkeit vielleicht darin zu finden war,

weil man dem Mosaischen Rechte entgegentrat?

In neuerer Zeit

hat die gemeinrechtliche PrariS — in den wenigen

Gegenden,

in denen sie noch eristirt — angefangen, wieder mehr Strenge

in Behandlung dieser Verbrechen zu zeigen.

Eine strengere Auf­

fassung derselben findet fich auch in den meisten neueren Deutschen Str. G. B., in einigen unzweifelhaft eine zu strenge, als daß sie dem Gerechtigkeltöprinzip noch entsprechen könnte'). DaS AbschreckungSprinzip findet auf die Dauer nur zu leicht wieder die zu lare Anwendung.

8. 155.

Dom Ehebruch, r) 1. Geschichtliches. 3m Röm. R. hat das Wort adulterium einen weiteren und einen engeren Sinn. In jenem wird darunter verstanden daAdult im eng. S. und das stuprum31) 2 DaS Adulterium im

e. S. bezog sich wesentlich auf die Verletzung der Rechte deS

Ehemanns durch eine Untreue der Frau. Adulterium war daher:

Verletzung Vermischung

deS

ehelichen

einer

Verhältnisse-

Eheftau

mit einem

durch Dritten.

die

fleischliche

Subject deS

Verbrechens konnten nur sein die untreue Frau und der Dritte,

der mit ihr concumbirte. Ob dieser Dritte selbst verheirathet war oder nicht, war gleichgültig; sein eigene- eheliches Verhältniß

konnte er nicht verletzen, sondern nur daS des Mannes, mit dessen

Frau er concumbirt halte.

adulter4).

Rur in Beziehung hierauf hieß er

Dieser Thatbestand deö Verbrechen- ist im Röm. R.

1) Eine auffallende Erscheinung zeigt die Röm. Geschichte. Von den drei Kaisern Augustus, Constantin und Justinian rühren die strengen Gesetze deS Röm. Rechts gegen die Sittlichkeitsverbrechen her. Alle drei hatten in ihren Familien der Sittlichkeitsverbrechen eine Menge; die Leiden ersten kamen in die Lage, ihre eigenen Gesetze in der eigenen Familie zur Anwendung zu bringen, freilich auch — zu übertreten. 2) DaS St. G. B. stellt unter den Verbrechen gegen die Sittlichkeit die Bi­ gamie an die Spitze. Wohl nicht mit Recht. Die Bigamie enthält die Concurrenz eines besonderen Verbrechens mit dem Ehebruch, oder, wenn man will, eine complicirtere Form des Ehebruchs. 3) L. 6, §. 1, 1. 34, §. 1, C. ad I. Jul. de adult. 1. 101. de verb. sign. 4) Vergl. die in d. vor. Note cit. Stellen. Auch schon das bräutliche Verhaltniß wurde hierhergezogen, 1. 13, §. 3, h. t.

698 Nur im Betreff der

fortwährend unverändert derselbe geblieben.

Strafen fanden Veränderungen

statt.

In

dem

älteren Rechte

trat nur das häusliche Straftecht des beleidigten Mannes ein,

oder desjenigen, in dessen väterlicher Gewalt die Ehebrecherin sich befand.

Also auch nur diese wurde bestraft.

Doch hatten Mann

und Vater unter Umständen daS Recht, den ertappten Adulter

zu tödten').

DaS häusliche Gericht war bei der steigenden Sit-

tenverderbniß lar geworden.

Daher drohete AugustuS durch die

lex Julia de adult coerc. eine öffentliche Strafe an, die Relega­

tion, sowohl gegen die Adultera alö gegen den Adulter^).

Da­

neben blieb — jedoch beschränkt — daS Recht, den Adulter zu

tobten31).2 Der Kaiser Constantin drohete für den Adulter die Todesstrafe an; die Relegation für die Frau blieb4). Justinian veränderte auch diese, indeß in eine Einsperrung in daS Kloster3).6

— Eine, in Beziehung auf den Thatbestand, wesentlich andere

Gestalt bekam daS Delikt durch daS Canon. R.

Dieses stellte

unter Bezugnahme auf die Lehren des Neuen Testam. den Grund­ satz auf, daß daS, was für die Frau strafbar sei, auch für den

Mann strafbar sein müsse; dieser, wie jene verletze daS durch ein

Sakrament geheiligte Verhältniß, daö Sakrament selbst.

An sich

gleich strafbar waren danach der verheirathete und der unver-

heirathete Theil, gleichviel welchem Geschlechte der eine oder der andere angehörte3). — Nach den älteren Deutschen Volksrechten

wurde

durch

den

Ehebruch

Ehemanns verletzt3).

gleichfalls

nur

das

Recht

deS

Gleichwohl brach die Ansicht deS Canon.

R., die in der PrariS deS Mittelalters überhaupt die vorherrschende wurde, wenn auch unter Schwierigkeiten, in der Deutschen PrariS

sich Bahn.

Auö dieser ging sie in die P. G. O. über8).

Strafe wurde nach

dem R. R. bestimmt: „nach Sage

vorfarn, und unser keyserlichen rechten."

Die unser

Im sechSzehnten Jahr-

1) L. 20—25, h. t. 2) Vcrgl. Paul. sent. reo. II, 26, §. 14. In $. 4. de publ. jud. fuhrt Justinian schon das neuere Recht, die Todesstrafe auf. 3) L. 20—25, h. t. 4) §. 4 scq. de publ. jud. 1. 30, §. I. C. h. t. 5) Nov. 134, c. 10. Außerdem drohete Justinian noch mehrere Privat­ strafen an. Das. u. Nov. 117, c. 8. 6) Gaus. 32, qu. 4, c. 4, qu. 5. c. 19, 20, 23. qu. 6, c. 4, 5, 7) L. Ripuar. 35, $. 3. 1. Al am. 51. 1. Bajuv. 7, c. 1. 8) P. G. O. Art. 120.

699 Hunderte wurde auch die Todesstrafe noch mehrfach angewendet. Bald wurde sie aber von der Prariö zu hart gesunden, und nun trat eine immer milder werdende Leibeöstrafe ein, die zuletzt von — oft unbedeutenden — Geldbußen abgelöst wurde. Gewöhnlich wurde dabei die ehebrecherische Eheftau schwerer bestraft, ob turbationem sanguinis. Zunächst trugen dazu die ReichSgesehe selbst bei'), nach denen der s. g. „öffentliche Ehebruch" nur an „Leib und Gut" gestraft werden sollte. — Eigenthümlichkeiten hatte immer daS Verfahren zum Zweck der Bestrafung. Nach dem Julianischen Ges. konnte zwar Jeder anklagen, aber nur unter mehreren Beschränkungen'). Constantin beschränkte das Recht der Anklage auf den Mann und dessen, oder der Adultera nächste Angehörigen'). Justinian nahm diese Vorschrift auf'). Nach der P. G. O. kann gleichfalls nur der verletzte Ehegatte klagen, und zwar nach seinem Belieben, gegen beide Ehebrecher, oder nur gegen Einen derselben. Nur der öffentliche Ehebruch soll nach den Relchöges. von AmtSwegen verfolgt werden. Dieses Alles ist in der gemeinrechtlichen PrariS geblieben. — DaS A. L. R. hat die Lehre ganz im Sinne der zur Zeit seiner Redaction herrschenden gelinden PrariS aufgefaßt. Der Thatbestand ist der gemeinrechtliche. Die Strafe ist für den Ehemann, der mit einer „ledigen WeibSperson"die Ehe gebrochen hat,eine willkürliche (Geldb. bis 50 Thlr. oder Gefängniß bis 6 Wochen); in den schwersten Fällen, wenn beide Theile verheirathet waren, soll für beide Theile Gefängniß oder Zuchthaus von 6 Mon. bis zu 1 Jahre ein­ treten. Verfolgt wird nur auf Antrag deS beleidigten Ehegatten; der Antrag kann aber erst angebracht werden, nachdem die Ehe wegen des Ehebruchs durch den Richter getrennt ist'). DaS Str. G. B. hat im Ganzen an der Lehre deS A. L. R. festge­ halten, jedoch Einzelnes erheblich modificirt. 8. 156. 2. Grundsätze. Der Ehebruch besteht nach dem Str. G. B. wie nach dem' Gem. R. in einer vorsätzlichen Verletzung der ehelichen Treue 1) Ramwtlich feit R. P. O. v. 1548 u. 1577. 2) L. 2. pr.. I. 11, §. 11, 1. 15, 8- 9, 1. 17, §. 6, 1. 19 S. 2, 3, 1. 39, §. 6, 7. h. t. 3) L. 76. h. t 4) L. 30, c. h. t. 5) A.L.K. II, 20, SS. 1061 -g.

700 Erforder­

durch den außerehelichen Beischlaf eines Ehegatten *). nisse sind:

I. A!S Subject des Deliktes werden immer zwei Per­

sonen gefordert, welche verschiedenen Geschlechts sind, und von

welchen wenigstens Eine verheirathet ist.

Näher ist zu bemerken:

1. Die beiden Personen, welche daS Delikt begehen, müssen ver­

schiedenen Geschlechtes sein.

Durch Päderastie wird nur dieses

Berbrechen begangen, kein Ehebruch.

In den gemeinrechtlichen

Quellen wird überall ein naturgemäße-, geschlechtliches Umgangö-

verhältniß zum Thatbestände deö

Ehebruchs erfordert.

Doctrin

und PrariS deS Gem. R. haben den Ehebruch nie anders auf­ gefaßt. So wird er auch in der allgemeinen RechtSanfchauung deS Volkes verstanden. ES ist nicht anzunehmen, daß daS Ge­

setz, daö hier nicht definirt, etwa- Anderes habe bestimmen wollen. 2. Mindestens der eine

ES würde gerade sonst definirt haben.

Theil muß in einer

wirklichen

rechtsbeständigen Ehe leben2).

Durch bloße Trennung von Tisch und Bette ist die Ehe nicht

aufgelöset. find'),

3. Wenn beide Subjecte

deS Deliktes

so wird dadurch für den Thatbestand

ES mag nur

verheirathet

nichts geändert.

auf die Zumessung der Strafe einwirken. II. ES

muß ein wirklicher, außerehelicher Beischlaf stattgefunden habens. Doctrin und PrariS deö Gem. R. sind, mit der allgem. Rechtö-

anschauung deö Volkes, auch darüber immer einverstanden ge­ wesen. Von jenen unsittlichen Erörterungen der früheren Doktrin

und PrariS über emissio und immissio seminis hat übrigen­ gerade daS

sittliche und

etwas gewußt.

Eine

rechtliche Bewußtsein deö Volkes nie

Frau,

die

die

emissio oder

immissio

seminis abstreiten und sich darauf berufen, alles Andere aber zugestehen wollte, wäre erst recht verwerflich.

DoluS

liegt hier

in der wissentlichen

III. DoluS.

Der

Verletzung der ehelichen

Treue emerseits, und der wissentlichen Verletzung der Heiligkeit deö ehelichen Verhältnisses andererseits.

Wer in

solchem Be-

1) Str. ®. B. §. 140. 2) Nach Gcm. R. kann derjenige, der in nichtiger Ehe lebt, nicht einmal einen (Senat des Ehebruchs begehen. Nach Röm. R. war schon eine nach jus gen­ tium gültige Ehe ausreichend, daher die „uxor injusta“ der I. 13, §. 1, n. t. S. übrigens den folg. §. Nr. 2. 3) „Oberhurerei" im alteren Gem. R. genannt, nach Sachs. Sp. II, 13 (wo das Wort aber solche Bedeutung nicht hat). 4) Das Röm. R. sprach zwar nur allgemein von impudicitia, turpitudo, res veheris, 1. 13, §. 5, 1. 23. pr. 1. 29, pr. h. t. Allein die P. G. O., Art. 120, fordert ausdrücklich einen „verbrachten^ (vollbrachten) Ehebruch.

701

wußtsein verletzt, der will auch eben verletzen. — Die Strafe ist für jeden Theil Gefängniß von vier Wochen bis zu sechs Monaten. Ein Verfahren kann erst eintreten, wenn in Folge des Ehebruchs die Ehe gerichtlich geschieden ist. DaS Straf­ verfahren erfolgt dann von AmtSwegen: eS bleibt aber ausge­ schlossen, und muß beziehungsweise eingestellt werden, so daß alle Bestrafung fortfällt, wenn schon während des EhescheidungSprozesseS oder später bis zur Abfassung deS StraferkenntniffeS'), der unschuldige Theil die Nichtbestrafung ausdrücklich beantragt-). ES fällt dann auch daS Strafverfahren gegen den Mitschuldi­ gen fort. Anmerkung I. Hauptsächlich nur in Betreff deö Antrages deS beleidigten Ehegatten hat man während der Revision deö Strafrechts fast fortdauernd geschwankt. Die ersten Entw. standen auf dem liberalen Standpunkte des A. L.R.: Nur nach getrennter Ehe, und auf Grund eines alsdann zu machenden Antrags deS beleidigten Ehegatten, sollte ein Strafverfahren eingeleitet werden. Der Entw. v. 1840. (§. 367) brachte eine Veränderung. ES sollte gar keines EtrafanttagS mehr bedürfen, sondern nur der Civilklage deS verletzten Ehegatten, entweder auf Trennung der Ehe, oder auf Trennung von Tisch und Bette. In dem Civil­ urtheil sollte dann sofort durch den Eherichter auch die Ehebruchs­ strafe ausgesprochen werden. So lautete auch noch der Entw. v. 1843 ($. 378). Die allgemeine Stimme erhob sich dagegen; namentlich auch die Stände aller Provinzen. Die Revision von 1845 lBd. 2. S. 164 flg.) bemerkte indeß hiergegen: „Die meisten der aufgestellten Gründe der Opponenten verdienen jedoch keine Beachtung. ES müssen diese Einwendungen an sich auffallen, wenn erwogen wird, daß in dem Königreich Sachsen erst neuer­ dings wiederholt auf Antrag der Stände — die Festhaltung der alten RechtSregel, nach welcher ohne vorgängige Bestrafung deS Ehebruchs keine Scheidung stattfindet, angeordnet wurde." Doch wurde ein anderer Gesichtspunkt hervorgehoben. Der Entwurf erschwere „die Ehescheidung für den edlen und gutgesinnten Theil ungemein: denn in dem Kampf zwischen Ehre und Pflicht auf

1) DiS zu seiner Verkündung ist jede- gerichtliche Erkenntniß nur «in Ent­ wurf, der wieder geändert werden kann, also kein „abgefaßteS Erkenntniß." 2) Der Antrag hat hier eine umgekehrte Bedeutung, wie in den Fällen de« Privatstrasantrag«; er ist ein StrafverzichtSantrag.

702 der einen, und der christlichen Liebe auf der andem Seite, werde

er oft den Schimpf des HaufeS, daS häusliche Unglück für ihn

und die Kinder lieber erttagen, und die Ehescheidung nicht ver­ langen, blos weil der schuldige Theil sonst mit Gefängniß be­

straft würde.

ES müsse dem edleren Menschen also der Weg er­

öffnet werden, sein Recht auf Ehetrrnnung zu verfolgen, ohne daß der schuldige Theil der Strafe deS Gesetzes verfalle.

ES

müsse ihm daS Recht zu ergreifen auch dann gestattet werden, wenn daS eheliche Band aufgelöset werde."

ES wurde danach

im Entw. v. 1845 daS Auskunstsmittel deö StrasverzichleS von Seite deS unschuldigen Theiles getroffen. Der Verzicht sollte aber nur während deö EhescheidungSprozesseS zulässig sein. So bestimmten auch die Entw. v. 1847 und 1851.

Die Com. der

zweiten Kam. (Der. S. 90) meinte jedoch, daß diese Frist daS Recht deS Verzichts zu sehr beschränke, und schaltete die Worte ein: „oder bis zur Abfassung deS Straferkenntnisses," ohne indeß über

die nähere Bedeutung dieser Worte sich irgend weiter auszulassen. — Frühere Entwürfe hatten noch eine Verschiedenheit der Strafe,

je nachdem einer oder beide Theile verheirathet waren, oder der verheirathete Theil der Mann oder die Frau war.

Der Entw.

v. 1851 hob mit Recht diese Unterscheidungen auf.

Anmerkung II.

Der Thatbestand deS Ehebruchs wird in

sämmtlichen Deutschen Str. G. B. im Sinne deS Gem. R. auf­ gefaßt. Zwei derselben bestrafen jedoch den Ehebruch für sich gar

nicht, sondern führen ihn nur alS Strafschärfungsgrund beim Incest auf: Basel §. 88, und Schaffhausen 8. 94. Fast überall wird auch

nur

auf den Antrag deS

Strafverfahren eingeleitet.

verletzten Ehegatten ein

Allgemein ist dabei dem Antragenden

auch noch nach gestelltem Strafantrage ein Verzeihungsrecht ein­

geräumt, das sich dann auch auf den Mitschuldigen erstreckt. — Daß auch vorher die Ehe gerichtlich getrennt worden, fordert nur noch Braunschweig §. 188.

Von Amtöwegen, ohne Antrag lassen

verfahren: St. Gallen Art. 176, im P. G. B. für Vergehen, §. 59, und Aargau 8- 112'). Rur bei einem öffentlichen Aergerniß

bestrafen

ohne Antrag von

Art. 258, Braunschweig §. 244.

Amtöwegen: Hannover

Die ehebrecherische Frau wird

1) Doch ist dieser 112 unbestimmt: „Der Strafe deS Zuchthauses zeitlich im zweiten Grade unterliegt auch ein zum drittenmal wiederholter Ehebruch, wo nemlich der erste und zweite mit Polizcistrafc fruchtlos belegt worden ist."

703 hätter als der Mann gestraft in: Bayern Art. 401, Württemberg

Art. 305, Hannover Art. 257, Zürich §. 139, Thurgau SS-172, 173. — Die Strafe des Ehebruchs ist in der Regel Gefängniß.

St. Gallen und Aargau bestrafen die drei ersten Male nur polizeilich (St. Gallen nur mit Geldbuße von 300 bis 600 Francs), später aber auch mit Zuchthaus, Aargau unter Umständen sogar

bis zu zwölf Jahren.

$. 157.

Don der Bigamie. Das

Röm. R. kennt die Bigamie als ein durch eine be­

sondere Ler bedrohtes Verbrechen nicht.

Der Mann, der eine

Doppelehe einging, war strafbar nach allgemeinen Grundsätzen

wegen Stuprum.

Weil aber die Sitte die gleichzeitige Polygamie

als etwas Schändliches verbot, so wurde er zugleich insamis •).

Ging die Frau eine Doppelehe ein,

so war Adulterium da").

DaS Canon. R., die Ehe als Sacrament betrachtend, mußte an­ dere Grundsätze der Bestrafung aufstellen.

bruch vor, andererseits

zugleich ein

Einerseits lag Ehe­

stevelhaster Mißbrauch der

heiligen Handlung der Eingehung der

Ehe.

Das Verbrechen

mußte daher für beide Theile, Mann und Frau, gleich

andererseits aber

auch strafbarer wie der bloße

strafbar,

Ehebruch

er­

Dieser Ansicht schloß sich auch die P. G. O. Art.

scheinen").

121 an: „welche übelthat dann auch eyn ehebruch und grösser

denn daS selbig läster ist."

und PrariS.

Ihr folgte fottwährend die Doktrin

Nur stritt man immer über die Strafe,

P. G. O. unbedingt Todesstrafe androhe oder nicht.

ob die

Doch hat

die PrariS die Todesstrafe schon längst nicht mehr zur Anwen­

dung gebracht, indeß gewöhnlich auf mehrjährige Zuchthausstrafe

erkannt.

Auch daS A. L. R.*), dem Gem. R. sich anschließend,

drohete 1 bis 3 jährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe, der un-

verheiratheten Person aber nur eine 6 monatliche bis 1 jährige

1) L. 1, §. 13, de bis, qui not. ins. 1, 18. C. ad 1. Jul, de adult. S. jedoch 1. 11, §. 12, D. ad leg. Jul. de adult. 2) Vergl. die Stellen der v. Note u. Nov. 117, c. 11. 3) Gaus. 34. qu. 1, c. 1, 2. c. 8. X. de divort. Tit. X. de bigam. 4) A. L. R. II. 20, 1066.

704 Zuchthausstrafe an.

Das Str. G. B. hat sich im Ganzen gleich­

falls dem Gem. R. angeschlossen, nur unter einzelnen schärfenden Bestimmungen. — Die Bigamie oder Doppelehe, auch mehrfache

Ehe genannt, ist danach:

die Vollziehung einer

Ehe zwischen

Personen, von denen mindesten- die Eine noch in einer bestehen­

den Ehe lebt, mit dem Bewußsein deS Bestehens dieser Ehe. Die

Erfordernisse sind zunächst die wesentlichen Erfordernisse deS Ehe­

bruchs, zu denen sodann

besondere hinzutreten.

Personen verschiedenen Geschlechts.

Also 1. Zwei

2. Mindestens Eine derselben

muß in einer wirklichen rechtöbeständigen Ehe leben.

Zu einer

solchen wird aber nicht allein gefordert, daß sie formell rechtS.

gültig eingegangen, sondern auch daß sie nicht auS materiellen

Gründen nichtig') sei.

Dieses letztere wird bestritten.

den Redactionöverhandlungen, mit Rechts. selbst und dem Rechte aber mit Unrecht.

Nach dem

Nach Gesetze

Die RedactionSver-

handlungen können, zumal wenn das Gesetz klar ist, nicht ent­ scheidend sein.

DaS Gesetz ist aber klar: „Ein Ehegatte, welcher

vor Auflösung seiner Ehe" u. s. w.

Eine nichtige Ehe ist

gar keine „Ehe," sondern nur ein faktisch bestehende- Verhältniß,

eingegangen unter den Formen einer Ehe, daö alS Ehe „nie­

mals besteben sann"3).

Von einer „Auflösung" derselben ist gar

keine Rede: der Richter soll nur die Fortsetzung deS nisses „nicht dulden"').

gehoben," wie die erklärt"3).

Wenn,

Verhält­

Sie wird zu diesem Zwecke nicht „auf­

bloß ungültige Ehe3), sondern „für nichtig ohne daß

eine

solche Nichtigkeitserklärung

stattgefunden hat, der NichtigkeitSgrund wegfällt, muß (mit Aus­ nahme deö Falles eben der Bigamie) die Ehe „auf die in den

Gesetzen vorgeschriebene Art nochmals feierlich vollzogen werden," wenn sie „zur Gültigkeit gelangen soll"'). Gesetz ausdrücklich: „AuS

einer

solchen

Endlich bestimmt daS

nichtigen

Verbindung

1) Eine blos ungültige Ehe kann den Thatbestand der Bigamie nicht auf, heben. Sie besteht an fiep zu Recht und kann nur, wenn der berechtigte Theil daraus antragt, wieder aufgehoben werden; ohne einen solchen Antrag bleibt sie von Anfang an gültig. A. L. R. II, 1, §§. 934, 973—975. 2) S. unten Anm. I. 3) A. L. R. II. 1, §. 933. 4) A. L. R. das. §. 950. 5) Das. 8- 973. 6) Das. 8- §§. 951, 974. 7) Das. §. 946.

705

(der nichtigen Ehe, die hier ausdrücklich nicht „Ehe" genannt wird) entstehen unter den Verbundenen (sie werden nicht „Eheleute" ge­ nannt), selbst niemals Rechte und Pflichten, wie aus einer wirk­ lichen Ehe'). Unzweifelhaft hätte danach das Gesetz sich völlig bestimmt auSsprechen müssen, daß auch eine nichtige Ehe für den Thatbestand der Bigamie auSretche, wenn sie wirklich für so ausrei­ chend erachtet werden soll. ES soll daS nun zwar aus dem letzten Absätze des §. 139 folgen, wo bestimmt wird, daß die Verjährung deS Verbrechens von der Zeit an laufe, wo „eine der beiden Ehen aufgelöst oder für ungültig oder nichtig erklärt worden." Allein jenen klaren Vorfchrtsten der Ehegesetze gegenüber kann daraus nicht- folgen. Wird hier auch von einer „nichtigen Ehe" ge­ sprochen, so kann daraus allein nicht hergeleitet werden, daß da­ durch- ein Verhältniß, daS bisher gesetzlich gar nicht alö eine Ehe angesehen wurde, nun mit einem Schlage zu einer Ehe solle gemacht sein. Andererseits folgt daraus nicht, daß dadurch die nichtige Ehe überhaupt der ungültigen gleich gestellt worden; eö wird nemlich keineSwegeS gerade nur von der ersten Ehe ge­ sprochen; im Gegentheile ist dabei wohl nur eben an die zweite, strafbare, gedacht, die in der That nach dem Gesetze eine nichtige ist; der Sinn der Bestimmung ist, daß die Verjährung von dem Tage an laufen soll, wo entweder die erste (kn Beziehung auf daS Verbrechen der Bigamie gültige) Ehe durch den Tod aufgelöset oder auS irgend einem Grunde von dem Richter für un­ gültig erklärt worden, oder aber wo die zweite, eben den That­ bestand der Bigamie herstellende Ehe für nichtig erklärt worden. Daß dies auch den Worten deS Gesetzes selbst nach nur der Sinn sein kann, wird noch daraus klar, daß daS Gesetz nur von der Auflösung u. f. w. zweier Ehen spricht („eine der beiden Ehen"). Der Verbrecher kann mehr als zwei bestehende sog. eheliche Verbindungen etngegangen haben. Gleichwohl soll nur auf zwei Rücksicht genommen werden, auf die erste und die zweite. Durchaus konsequent, wenn man an der oben entwickelten Ansicht festbält; die zweite s. g. Ehe, hatte alS nichtige keine Heiligkeit, die durch fernere ähnliche Verbindungen verletzt werden konnte. Inkonsequent aber, wenn man daS Gegentheil annimmt; daS Gesetz mußte dann den Begriff einer dreifachen, vierfachen Ehe

1) A.LR. 8.SSL Scmatr, Gtraftrcht.

706 u. s. w. aufstellen. Ja, man käme zu dem Absurdum, daß derfettige, der in Bigamie lebt, und nach Auflösung der ersten, rechtmäßigen Ehe heirathet, blos in Beziehung auf das ver­ brecherische Verhältniß seiner Doppelehe, ein neueS Verbrechen beginge. Daß bei einer solchen Auffassung von einem Schutze der Heiligkeit der Ehe, dem historisch, wie nach dem lebendigen Rechtsbewußtsein deS Volke- allein entscheidenden Momente bei Bestrafung der Bigamie, eben gar nicht mehr die Rede wäre, und da- Verbrechen seinen historischen, sittlichen und rechtlichen Boden verloren hätte, leuchtet ein'). 3. ES muß eine neue, und zwar gleichfalls recht-beständige Ehe ringegangen sein. Eine nichtige Ehe ist keine Ehe, wenngleich daS Verhältniß unter den Formen einer Ehe eingegangen Wäre1).2 Nach Gem. R. wird auch noch die Vollziehung der zweiten Ehe durch Beischlaf er­ fordert, weil der gesammte Thatbestand deS Ehebruchs3).4 5 Nach dem Str. G. B. kann man dieses Erfordemiß nicht aufstellen, einmal weil eine solche Forderung de- Thatbestandes des Ehe­ bruchs nirgends angedeutet ist, andererseits der Begriff der Ehe auch ohne jenes Erfordemiß nach dem Gesetz feststeht. Bloße Verlobung ist nicht ausreichend; sie würde nicht einmal eine Versuchs«, sondem nur eine (nicht strafbare) DorbereitungShaitdlnng herstellen*). Andererseits ist eS — außer bezüglich der Strafzumessung — gleichgültig, ob der Thäter eine zweite oder dritte oder weitere noch bestehende Ehe eingegangen fei. Die zweite und jede fernere Ehe ist eben gesetzlich keine Ehe; eS kann also in Beziehung auf sie keine mehrfache Ehe vorliegen; eS kann nur der frevelhafte Mißbrauch mit den Formen der Ehe als SchärfungSgrund gelten'). 4. DoluS. Eine culpose Bigamie ist ein straftechtliche- Unding. Der DoluS besteht in dem Be-

1) Sn den Glossen zum Str.G.D. S. 212 habe ich durch falsche Auf­ fassung der Worte „oder nichtig" im letzten Absätze deS 6.139 mich noch verlei­ ten lassen, die entgegengesetzte Meinung, obwohl sie allen Grundsätzen widerspreche, für die nach den Worten deS Gesetzes richtige, anzunehmen. Auch im Gem. R. ist bei Nichtigkeit der früheren Ehe der Thatbestand der Bigamie nicht da, c. 5, 6, X de bigam. 2) Im Gem. R. gleichfalls unbestritten. 3) Nach P. G. O. Art. 121, „welche übelthat dann auch eyn ehebruch" A. M. Heffter, $.450, wegen Nov. 117, c. 11. 4) Heffter, a. a. O. will Versuch annehmen. 5) Daher behalten auch die meisten NechtSlehrer deS Gem. R. richtig den Ausdruck „Doppelehe" bei, und nur wenige sprechen von einer Mehrfachen Ehe."

707 wußtsein der bestehenden Ehe und dem Eingehen der neuen in diesem Bewußtsein. DaS Gesetz fordert ausdrücklich diesen Dolus: „wissend, daß er verheirathet ist *)-" 5. WaS den Versuch betrifft, so kann auch daö Aufgebot, gleich der Verlobung, nur noch erst alS VörbereitungShandlung betrachtet werden. — Die Strafe ist Zuchthaus bis zu fünf Jahren. — DaS Verbrechen verjährt (nicht in fünf Jahren, wie nach Gem. R. und A. L. R-, sondern) nach allgemeinen Grundsätzen in zehn Jahren, mit der anomalen Bestimmung, daß die Verjährung erst von dem Tage an läuft, an welchem die frühere gültige, oder die zweite verbrecherische Ehe durch Tod oder Richter getrennt worden ist. Eine Trennung von Tisch und Bett genügt also nicht'). DaS Verbrechen wird, wie auch nach Gem. R., von Amtöwegen verfolgt. Anmerkung I. Frühere Entwürfe hatten die ausdrückliche Bestimmung, daß auch dann Bigamie vorhanden fei, wenn die frühere Ehe nichtig war. Der Entw. v. 1847 sprach in einem besonderen §. (172) für diesen Fall nur eine geringere Strafe auS. Der Der. ständ. AuSsch. (Prot. Bd. 3. S. 459) stellte den An­ trag, den Unterschied aufzuheben, „da daS Eheband, so lange eS bestehe, immer den gleichen Schutz in Anspruch nehmen müsse." Die Motive v. 1851 (S. 37) nahmen dies auf, und so ließ der Entw. v. 1851 jenen $. 172 fort. Im Uebrkgen wurde mit Be­ zug hierauf in der Fassung deS Gesetzes nicht» geändert. Nach den Motiven ist eS also klar, daß auch bei Nichtigkeit der ftüheren Ehe Bigamie angenommen werden soll. Dieselbe Ansicht sprach auch die Comm. der zwellen Kam. (Ber. S. 87) auS. Gleich­ wohl wurde keine einzige positive Bestimmung in daS Gesetz aus­ genommen, welche diese Ansicht kund gab. Man begnügte sich überall mit jenem Streichen deS $. 172 des Entw. v. 1847.

1) Man will den DoluS nur bei dem unverheiratheten Theile fordern; bei dem anderen soll schon „der ftevelhaste Leichtsinn die Strafe begründen, — wenn der Ehegatte bei Eingehung einer neuen Ehe fich nicht von der Auflösung btt früheren überzeugt habe." Beseler, Eomm. S. 307. Ein Grund für solche Unterscheidung zwischen dem einen und dem anderen Theile ist nicht erfindlich. Sie erscheint völlig willkürlich. Auch die P. G. O., Art. 121, sagt: „mit wissen und willen." Die gemeinrechtl. Dottrin hat an den Erfordernissen des DoluS nie gezweifelt. Nur Jarke, Handb. Bd. 3, S. 72, stellt willkürlich eine andere Anficht auf. Auch das A. L. R. sagt klar und deutlich: „wissentlich und vorsätzlich." 2) Nach Gem. R. läuft die Verjährung vom Tage der Schließung ber ver­ brecherischen Ehe; allerdings kann die Verjährung wegen Ehebruch- später be­ ginnen.

708 Auch die Worte deö dritten Abs. im $. 39: „oder nichtig" fan­ den sich schon ganz in derselben Weise in den früheren Entw. unzweifelhaft ohne ausschließliche Beziehung blos auf die frühere Ehe'); sie können also, da einer solchen ftühercn nich­ tigen Ehe im Str. G. B. gar nicht mehr ausdrücklich erwähnt wird, um so mehr nur von der zweiten, verbrecherischen, verstanden werden. — Daß zum Thatbestände der Bigamie DoluS gehöre, wurde in allen früheren Stadien der Ges. Rev. anSdrückltch an­ erkannt; namentlich zuletzt noch in der Rev. v. 1845 Bd. 2. Seite 168, und in den Motiven von 1847, Seite 55. Auf ein­ mal erklären die Motive v. 1851 (Seite 36, 37): „Mit Rück­ sicht auf die Heiligkeit der Ehe und die aus derselben entstehenden gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen') ist die Anforderung gerechtfertigt, daß ein Ehegatte, bevor er zu einer neuen Ehe schreitet, sich völlige Gewißheit darüber verschafft, daß sein frühereVerhältniß gelöst ist. AlS Bedingung dieses Verbrechen- kann daher nicht hingestellt werden, daß der Ehegatte positiv gewußt haben müsse, daß -die Ehe noch bestehe. Solche Fälle, wo die zurückgelassenen Ehefrauen von Militairpersonen, in der unbe­ gründeten Voraussetzung, daß ihre Ehemänner gestorben, sich anderweit, ohne sich darüber zu vergewissern, verheirathet haben, können daher nicht al- straflos bezeichnet werden; vielmehr kann in solchen Fällen nur die Aufforderung an die Gesetzgebung ge­ funden werden, die Förmlichkeiten für die Todeserklärungen bei solchen Gelegenheiten zu erleichtern'). Daß hiernach auch die Culpa — mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren! — für strafbar angesehen wurde, erscheint klar. Gleichwohl meinte die, sich übereinstimmend erklärende Com. der zweiten Kam. (Str. S. 87), „daß hier bloße Fahrlässigkeit bei Eingehung der neuen Ehe nicht bestraft werde, eS werde vielmehr hier das Bewußtsein bet der Handlung vorausgesetzt, daß er (der verheirathete Ehegatte) einen gehörigen Nachweis über die durch Tod oder Todeserklärung erfolgte Auflösung seiner Ehe zu führen nicht im Stande sei, nicht aber böser Vorsatz in dem Sinne, daß gegen den die neue 1) Der Irrthum in den Glossen S. 2l2 ist bereits oben anerkannt. 2) Dieser Satz hatte übrigen- überzeugen müssen, daß die in denselben Mo­ tiven unmittelbar darauf befürwortete Hineinziehung der nichttgen Ehe in den Thatbestand der Bigamie kein Prinzip habe. 3) In dem letzteren Satze liegt eine bedenkliche Consequenz, die leicht zu einer Privilegirung des Dolus führen konnte.

709 Ehe eingehenden Ehegatten der Beweis geführt werden müßte, daß er positiv gewußt habe, daß die Ehe noch bestehe." ES leuchtet ein, daß hier Schwierigkeit des Beweises deö DoluS, Präsumtionen, Erforderntß des Thatbestandes, und Begriffe von DoluS und Culpa vielfach confundirt sind. Es kommt einfach auf das böse Bewußtsein an; die- muß dem Thäter bewiesen werden; die Com. der zweit. Kam. will umgekehrt dem Thäter den Beweis deS mangelnden DoluS aufbürden. Nicht weniger confundtrte die Com. der ersten Kam. (Ber. S. 20). Sie sagte: „wenn Jemand Gründe habe, sein Eheband für aufgelöset zu halten, dennoch aber unterlasse, sich darüber die nöthigen Auftlärungen zu verschaffen, oder die gesetzlichen Formen zum Zweck einer Ledig« keitSerklärung zu beobachten'), und somit leichtsinnig zu einer anderen Ehe schreite, so sei daS in der That ein wissentliches Hint­ ansetzen deS Gesetzes, daher immer dem Vorsatze gleichzustellen, weil man sich mit der Unwissenheit deS Gesetze- nicht schützen könne." DoluS oder NichtdoluS, darauf allein kommt eS an. ES ist auffallend, daß man gerade das durch alle jene Worte so sehr umging. So viel ist gewiß, daß daS Gesetz kein Wort ent­ hält, daS auf die Ausschließung des Erfordernisse- deS DoluS nur im entferntesten hindeutete. Die Worte sind vielmehr in dieser Beziehung ganz dieselben geblieben, wie sie in denjenigen Entwürfen waren, zu denen die Motive daS Erforderniß deS DoluS entschtedm ausgesprochen hatten. So hatte namentlich auch der Entw. v. 1847 ($. 171) wörtlich: „Ein Ehegatte, welcher vor Auflösung seiner Ehe, eine neue schließt, ist mit Strafe" u. s. w., also durchaus nicht ander- wie der Entw. v. 1851 und da- Str. G. B. — Die stüheren Entw. bis 1836 unterschieden noch im Betreff der Abstufung der Strafe, je nachdem der Schul­ dige der verheirathete oder nicht verheirathete Theil war, und je nachdem letzterer den anderen betrüglich verleitet hatte oder nicht. Spätere Entw. gingen davon ab. — Die singuläre Vorschrift im Betreff der Verjährung kommt zuerst in dem Entw. v. 1840 vor. Anmerkung II. Die neueren D. Str. G. B. pflegen zum größten Theil im Betreff der Abstufung der Sttafe gleichfalls zu unterscheiden, wie jene Pr. Entw. biö 1836. Die Sttafe ist besonders in einigen Schweizer Stt. G. B. schwer; so bestrafen

1) Hier wird jene Privilegirung de- DoluS noch näher berührt.

710 Waadt, Schaffbausen und Aargau bis zu 8, Basel gar bis zu

Einzelne Str. G. B. strafen auch bei

12 Jahren Zuchtbaus. „einem auf Fahrlässigkeit

beruhenden Irrthum

über den Fort­

bestand der früheren Ebe" (sie sprechen sich also doch klar auS),

so Württemberg Art. 304, Hannover Art. 260, Nassau Art. 315. Waadt Art. 206, Freiburg Art. 166, (die beiden Letzteren sagen: „Tie Elnircndnng schuldloser Unwissenheit ist zulässig"). Ein­ zelne bestrafen auch, wenn die frühere Ehe nichtig war, aber ge­

linder: Hessen Art. 325,

Sachsen Art. 222,

Meiningen

und

Weimar Art. 212, Nassau Art. 318.

8. 158.

Vom Incest. I. Vorbemerkungen. Uebcrall, bei civilisirten, wie nicht civilisirten Völkern, lebt in dem Menschen eine natürliche sittliche Scheu vor einer ge­

schlechtlichen Verbindung zwischen nahen Blutsverwandten.

bedingt vor der zwischen Ascendcnten überall vor der zwischen Geschwistern.

Un­

und Descendenten; nicht

Auf der nothwendigen

rechtlichen Anerkennung dieser sittlichen Scheu bemhen die Strafvorschriften über die Blutschande, den Incest.

ständige, fast frivole Verleugnung

ES liegt eine voll­

eines sehr heiligen, sittlichen

Gefühls darin, daS genannte Verbrechen nur von einem polizei­

lichen Standpunkte auffassen zu wollen.

Unzweifelhaft ist eS eine

arge Verkennung des eigentlich straftechtlichen Charakters desselben, wenn einzelne Rechtölehrer eS unter die „Polizeiverbrechen" classificiren').

Im Röm. R. trägt

das Verbrechen allerdings theil-

weise einen polizeilichen, oder wenn man will, politischen Charakter. DaS crimen inccstus oder incesli fiel genau zusammen mit dem

Eheverbote wegen zu naher Verwandtschaft oder Schwägerschaft.

Incest war danach: jeder Beischlaf zwischen Personen, die wegen

1) Feuerbach §.461, Martin §.280; auch Heffter §.435 meint: „Allen Eheverboten liegt die Nothwendigkeit einer besonderen Sorgfalt zum zum Grunde, die der Staat für die Verhinderung eine- fleischlichen Umgänge­ unter Personen verschiedenen Geschlechts in sclchen'Verhältnissen tragen muß, wo er zugelassen zu einer äußeren Entsittlichung, oder zur Hintansetzung besonderer Pflichten führen würde." Nur polizeiliche Sorgfalt!? Auf ganz etwa- Ande­ re- kommt e- hier an.

711 zu naher Verwandtschaft oder Schwägerschaft einander nicht hei« rathen durften, und denen diese- Verhältniß bekannt war. ES wurde unterschieden inc. juris gentium und Juris civilis. Jener beschränkte sich auf den geschlechtlichen Umgang zwischen Ascendenten und Descendenten; er wurde al- verboten betrachtet nach der natürlichen Sitte aller Völker. Der andere umfaßte den ge­ schlechtlichen Umgang zwischen Seitenv/rwandten und Verschwä­ gerten nach den Eheverboten de- Röm. CivilrechtS. ES galt die Vorstellung, daß diese- Verbot eben nur ein Product de- positiven CivilrechteS fei'). Der Unterschied hatte mehrere Wirkungen. Bet dem inc. j. civ. fand die Recht-unwissenheit unter Umständen Berücksichtigung; bet dem inc. j. gent. nicht*). Auch die Strafe war danach verschieden, fteilich auch nach anderen Momenten (über welche- Alle- indeß Streit herrscht). Die incestuose Ehe wurde bei dem inc. j. civ. nur mit Relegation bestraft; bei dem inc. j. gent. mit Deportation; doch ist bestritten, ob in allen Fällen, oder auch mit Relegation. Da- incestuose Stuprum und Adulterium wurde immer mit Deportation bestraft *). Christliche Kaiser dehnten die Eheverbote und danach den Incest weiter auund drohetm immer Capitalstrafen. Spätere wurden wieder milder. Justinian kehrte im Tanzen zu den stüheren Strafen zurück, Deportation und Relegation, denen er Ehren« und Vermögens­ strafen hinzufügte*). Da- Canon. R. erwetterte nur, nach einer strengen Auffassung de- mosaischen Rechte-, die Eheverbote, ge­ stattete indeß bet einzelnen Dispensation. Danach bildete sich denn auch, in Bezithung auf den Incest, die Unterscheidung auin mc. juris divini et humani. In den Deutschen Recht-büchern finden Spuren über den Incest sich nur in Beziehung auf daCan. R. Die Prariö im Mittelalter scheint mehrfach schwankend gewesen zu sein. ES steht nur fest, daß später die Strafe im Ganzen die de- Ehebruch- war*). Die P. G. O.') suchte nur.

1) Bestritten ist, ob der Incest zwischen Verschwägerten in gerader Linie jur. gent. oder civ. war; 1. 5, $. 1, de cond, sine caus, 1. 68, de ritu nupt 2) L. 38, 88- 2, 3, de adult. 3) Die PrariS ließ auch wohl vom Tarpejischen Felsen werfen. TacituS, Ann. VI, 19. 4) L. 6. C. de inc et inutil. nupt. Nov. 12. Dergl. Wächter, MH. Bd. 1, S. 167 -g. "

5) Bamberg.

Art. 142. 6) P.G.O., Art.127.

712 vielleicht wegen der schwankenden PrariS, den Thatbestand fest­ zustellen ; sie beschränkte ihn auf die Fälle deS Röm. R *)• Wegen der Strafe bezog sie sich auf daS Röm. R.

Die spätere PrariS

war allgemein härter; bei Ascendenten und Descendenten strafte sie namentlich mit dem Tode. Strengere Particulargesetze trug«» zu dieser Auffassung bei.

In der neueren Zeit wird nur noch auf

Freiheitsstrafe, in den schwereren Fällen auf langjähriges ZuchthauS erkannt. — DaS A. L. R. beschränkt daS Verbrechen auf

die Unzucht zwischen Ascendenten und Descendenten, und zwischen Geschwistern-). ES straft mit Zuchthaus oder Festung bis zu fünf Jahren. DaS Str. G. B. hat den Begriff weiter ausge­ dehnt auf den Beischlaf zwischen Schwiegereltern und Schwieger­

kindern

und zwischen Stiefeltern und Stiefkindern31)2 also

auf

diejenigen Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnisse, in denen die Ehe verboten ist4).5 6

§. 121. 2. Grundsätze.

Der Incest besteht nach dem Str. G. B. in Unzucht zwischen

Personen, denen wegen zu naher Verwandtschaft oder Schwäger­ schaft gesetzlich die Ehe unbedingt verboten f|is). Erfordernisse

sind: 1. DaS erwähnte Verwandtschafts - oder SchwägerschastSverhältniß.

Subjecte des Verbrechens sind also: Ascendenten und

Descendenten °), Geschwister, Stiefeltern und Stiefkinder, Schwie­ gereltern und Schwiegerkinder.

Ob daS Verhältniß auf ehelicher

oder außerehelicher Geburt beruht, ist gleichgültig; nur muß eS

1) Wie Wächter Abh. a. a. O. 4.

Lemme,

Strafrecht.

59

930

S. 228.

6. Von dem schweren Diebstahle gegen Kinder

und psychisch kranke Personen. DaS A. L. R. verordnet: „Diejenigen, welche sich der Kinder

bemächtigen, um sie zu berauben, machen sich — deS Menschen­ raubes schuldig"').

In der PrariS kam häufig der Fall vor,

daß unmündige Kinder von Dieben unter Vorspiegelungen auf

die Seite gelockt und ihnen dann die Sachen, die sie an oder bei

sich trugen, auch ohne Gewalt, genommen wurden. über die Behandlung deS Falles.

Man schwankte

Bald wurde einfacher Dieb­

stahl, bald gewaltsamer (durch Handanlegen an einen Menschen ohne Zufügung von Schmerz)'), bald Menschenraub angenom­ men').

Die gewöhnlichere Annahme war die zweite.

Sie ist in

das Str. G. B. übergegangen'), aber in einer Fassung, die den

Fall der Landrechtl. PrariS nicht

wieder

erkennen läßt.

Der

Diebstahl ist danach ein schwerer, wenn er an Sachen begangen

worden,

welche

eine

blödsinnige Person

zwölf Jahren an oder bei sich führts).

rin Kind unter

oder

Soll hier nicht ein völlig

unbestimmter Thatbestand angenommen werden, so ist dieser Dieb­ stahl nur aufzusassen als begangen an den genannten Sachen

gegen Kinder unter zwölf Jahren oder psychisch kranke Personen, während sie sich in einer schutzlosen Lage befinden. dernisse ergeben sich dann von selbst. zu ersehen, warum nicht auch andere

Die Erfor­

Insbesondere ist 1. nicht

Geistes-

und

Gemüths­

kranke, als nur gerade Blödsinnige, hierher gehören sollen. 2. So­ dann versteht eS sich nach den

allgemeinen

Grundsätzen vom

1) A. L. R. II, 20, §. 1088. 2) Circ. Vcr. v. 26. Fcbr. 1799, §. 15. 3) Temme, Diebst., S.333. 4) Von 1833 bis 1847 enthielten die Entw. sie, ziemlich übereinstimmend und in folgender Fassung: „Wenn der Dieb sich einer blödsinnigen Person oder eines Kindes unter zwölf Jahren ohne Gewalt oder Drohung gegen deren Person bemächtigt, und ihnen Geld oder Sachen, welche sie an oder bei sich tragen, wegnimmt." Der Entw. v. 1851 brachte, ohne daß die Motive sich darüber aussprechen, die jetzige, bereits in den Gntw. der Rheinischen Juristen beantragte, aber im I. 1847 von der StaatSr. Com. abgelehnte Fassung. 5) Str. G. B. 218, Nr. 6.

931 Dolus und Irrthum von selbst, daß der Thäter sowohl daS Alter als den Krankheitszustand der bestohlenen Person gekannt haben muß.

Anmerkung.

Die übrigen D. Str. G. B.

kennen

eine

Auszeichnung des im Texte besprochenen Diebstahls nicht.

§. 229.

7.

Von dem bewaffneten Diebstahle.

Im Gemeinen Rechte gehört zu dem gewöhnlichen Diebstahle

im weiteren Sinne der

bewaffnete,

oder gefährliche

Diebstahl

im engeren Sinne, derjenige Diebstahl, bei welchem der Thäter

Waffen mit sich führte, mit denen er sich schon vorher zu dem Diebstahle versehen hatte').

DaS A. L. R. sieht den Umstand,

daß der Dieb bei seiner That mit Waffen versehen war, nur alS einen, bei den einzelnen Diebstahlsarten besonders zu beachtenden Erschwerungsgrund an -). allgemein

denjenigen

DaS St. G. B. zeichnet als schweren

Diebstahl

aus,

bei

welchem einer

der

Diebe, oder einer der Theilnehmer an dem Diebstahle Waffen bei

sich führt').

Der eigentliche strafrechtliche Charakter des beson­

deren Verbrechens ist hierdurch verwischt.

Von jener subjektiven

Gefährlichkeit des DiebeS, der sich mit der Waffe versah, in der

Absicht, für den Fall irgend eines Widerstandes Gebrauch davon

zu machen^), und von der gerade dadurch erhöheten bestimmten

objectiven Gefährlichkeit deS Diebstahls ist nicht mehr die Rede. Gleichwohl kann die bloße objective Gefährlichkeit allein nicht

genügen; eS käme sonst ein Dolus bezüglich der Waffenführung gar nicht in Betracht.

Die Erfordernisse sind vielmehr: 1. Ein aus­

geführter Diebstahl. 2. DaS Führen von Waffen. Der Begriff der Waffe ist ein weiterer und ein engerer. Nach jenem ist sie jedeS Werkzeug, mit welchem, nach dessen gewöhnlicher Wirkung,

lebensgefährliche Verletzungen zugefügt

werden können').

In

n P. G. O. Art. 159. 2) A. L. R. II, 20, §§. 1157, 1175. 3) Str. G. B. §. 218, Nr. 7. 4) Allerdings war hicrübcr Streit nach dem A. L. R-, weniger in der gemeinrcchtl. Dentin; s. T e m m e, Dicbst., S. 340 flg. 5) Hanuö». Str. G. B., Art. 157.

932 dem zweiten ist sie nur ein solches Werkzeug, welches nach seiner Bestimmung zu einer Zufügung lebensgefährlicher Verletzungen bei einem Angriff oder der Vertheidigung gebraucht wird.

hier nicht für alle Fälle jene Waffe im w. S. kann, leuchtet ein').

Steht

fest, daß

Daß

gemeint sein

Man wird nothwendig unterscheiden müssen.

der Dieb daS

Werkzeug absichtlich

zu

seiner

Bewaffnung, also zum Angriff oder zur Vertheidigung mit sich genommen hattet, oder hat er einen solchen Gebrauch davon ge­ macht, so genügt jede Waffe in dem w. S.

Andernfalls kann

nur eine Waffe in dem e. S. den Thatbestand des bewaffneten Diebstahls Herstellen. 3. Die Waffen müssen unmittelbar bei der

Ausübung des Diebstahls geführt sein; nur dadurch entsteht eine objective Gefährlichkeit deS Diebstahls. 4. Die Waffen müssen von dem Diebe geführt fein.

Daß er sie gerade an seinem Körper

getragen hat, ist nicht erforderlich; eS genügt, wenn er sie nur

so in seine Nähe gebracht hatte, daß er sich ihrer sofort bemäch­ tigen konnte.

5. ES reicht auS, wenn auch nur einer der Diebe

oder einer der Theilnehmer am Diebstahle Waffen geführt hat. Allein auch dieser Letztere muß

bei der Ausführung deS Dieb­

stahls unmittelbar gegenwärtig gewesen fein, in einer Weise, daß

dadurch die erwähnte objective Gefährlichkeit deS Diebstahls her­

gestellt wird. 6. DaS Führen der Waffen muß ein vorsätzliches

sein.

Eine bloße Culpa kann und soll den Diebstahl nicht zu

einem schweren machen; einen culposen „bewaffneten" Dieb­

stahl kann das Gesetz (trotz seiner Allgemeinheit hier) nicht kennen. Der Vorsatz kann nur mit der objectiven Gefährlichkeit in

Verbindung und Beziehung gedacht werden.

Er besteht also da­

rin, daß der Thäter erforderlichen Falls31)42von den Waffen zu An­

griff oder Vertheidigung Gebrauch machen will').

DaS ist ein

1) Schon daS A. L. N. spricht nur von „gefährlichen Werkzeugen, welche Leute seines Standes (des Diebes) sonst nicht zu tragen pflegen." 2) Daß hier überall von einem DoluS event, nicht die Rede ist, bedarf kaum der Bemerkung. Es ist vielmehr die Rede gerade von einem durchaus bestimmten Versätze, für einen unbestimmten Fall, wenn dieser cintreten werde, anzugreifen oder sich zu vertheidigen. Jener Vorsatz kann kein unbestimmter sein, sonst wäre er eben kein Versatz (f. ob. §. 51). Nur der Fall, für den er gefaßt wurde, ist noch nicht bestimmt. 3) S. d. v. Note. 4) Darum kann Wilddiebstahl mit Schießgewehr bloß als solcher kein bewasstwter sein; er ist dies aber, wenn der Dieb mit der Waffe sich zur Webr setzte; der Dieb hat den erforderlichen Vorsatz dann sogar durch die That ar. den

933 vorsätzliches Führen von Waffen; dies fordert das Gesetz klar;

allerdings nicht mehr ein vorsätzliches sich Versehen mit Waffen. Daher ist auch der Thatbestand des bewaffneten Diebstahls für

diejenigen Theilnehmer nicht da, die von dem Führen von Waffen durch die anderen nichts wußten.

7.

AlS negatives Erforderns

tritt noch hinzu, daß der Thäter von den Waffen keinen Ge­

brauch gemacht, oder nicht gefährlich damit gedroht haben darf,

um sich im Besitz des gestohlenen GuteS zu erhalten; da sonst die Strafe des RaubeS eintreten würde *). Anmerkung I.

Die früheren

Entw.

bis

einschl.

1846

hatten noch: „wenn der Dieb Waffen bei sich führt, sofern nicht

auö besonderen Umständen erhellet, daß derselbe nicht die Absicht

gehabt hat, von den Waffen Gebrauch zu machen."

Auf den

Antrag der Rheinischen Juristen wurde (in der Sitzung v. 21.

Juli 1847)

die

Im

gegenwärtige Bestimmung ausgenommen.

Entw. v. 1847 8- 270 heißt es zuerst kurz: „wenn der Dieb

Waffen bei sich führt."

Die Motive

Fassung.

Der Entw. v. 1851 brachte die jetzige (S. 54) meinen

dabei,

durch

die

in

jenem gestrichenen Zusatze liegende Beschränkung „werde der That­

bestand zu unsicher."

„Der Diebstahl werde auch eben dadurch,

daß der Dieb oder einer seiner Theilnehmer thatsächlich be­ waffnet sei,

zu einem gefährlicheren." Freilich nach Deutscher nur nicht sofort zu einem „gefährlichen"

Rechtsanschauung

(schweren).

Anmerkung H.

Die meisten neueren Deutschen St. G. B.

fordern, daß der Dieb zu dem Diebstahle (also vorher) sich mit Waffen versehen haben müsse, um also eventuell Gebrauch zu

machen.

So Bayern (Art. 6. G. v. 25. März 1816), Sachsen

234, Württemb. 324, Hessen 366, Braunschw. 214, Nassau 359,

Hannover

292, Baden

381,

Weimar

und

Meiningen

St- Gallen 186, Zürich 212, Basel 141, Thurgau 220.

226, Blos,

daß der Dieb bei dem Diebstahl mit Waffen versehen war, for­ dern: Oesterreich 174, Aargau 147, Schaffhausen 139, Luzern

238, Waadt 273, Freiburg 221.

Tag gelegt. Aehnlich ist es mit jenem Diebe, der, beim Diebstahl von Klee er­ griffen, stä) mit dem dazu gebrauchten Handbeil webrte. Die bischerigen Entschei­ dungen über den bewaffneten Diebstabl zeigen große Unklarbeit (Arck. f. Preuß. Str. R., S. 247, 398.) 1) Str. G. B. §. 230. S. mit. §. 236.

934

8. 230.

8.

Don dem Bandendiebstahl.

Der Begriff einer Bande tob. 8. 72) ist zwar nicht gemein-,

wohl aber mehrfach particularrechtlich, besonders bei dem Dieb­ stahl auSgebeutet.

Auch in der Preußischen Gesetzgebung *). DaS

A. L. R. drohet noch dem Anführer der Bande den Galgen an,

wenn von der Bande gewaltsame Diebstähle verübt worden'). DaS St. G. B. hat einigermaßen den Begriff eines Bandendieb­

stahls beibehalten. ES bestraft als schweren Diebstahl einen jeden Diebstahl, bei welchem eine Diebesbande,

oder Theilnehmer" mitgewirkt hat.

fei eS als „Urheber

Unter Diebesbande versteht eS

dabei die Verbindung zweier oder mehrerer Personen zur fort­

gesetzten Berübung von Raub oder Diebstahl').

Daß

Begriffsbestimmung eine unrichtige ist, leuchtet ein.

Die Vor­

diese

schrift, daß schon zwei Personen eine Bande sollen ausmachen können,

ist

positiv und klar genug; man

muß

sich

daran halten, obwohl an die Stelle deS früheren

natürlich

Charakters

der besonderen Gefährlichkeit einer Bande für Leben und Eigen­ thum, jetzt bloö daS Moment einer lediglich formellen Verbindung,

einer Form, getreten ist.

Allein von einer fortgesetzten Ver­

übung von Raub und Diebstahl kann juristisch nicht die Rede

sein, sondern nur von einer Wiederholung.').

Die Erforder­

nisse der Bande und deS Bandendiebstahls ergeben sich im Uebrigen danach von selbst.

Nur ist zu bemerken: 1. AuS den Wor-

ten deS Gesetzes: „wenn zu dem Diebstähle zwei — mitwir­

ken, muß man wohl schließen, daß die (also mindestens zwei)

Mitglieder einer Bande unmittelbar bei der Ausführung deS Diebstahls thätig gewesen sein müssen, zumal da sonst von einem Diebstahl einer Bande (Bandendiebstahl) nicht einmal der Name mehr übrig bleiben würde.

Bande

1) 2) 3) 4)

nicht

gehörigen

Thätern

Temme, Diebst., S. 380 flg. A. 8. R. II, 20, SS- 1209 flg. Str. ®. B. §. 218, Nr. 8. Ob. $. 72.

kommen

2. Bei den zu der

die Grundsätze

von

935 der speciellen und generellen Theilnahme (ob. S. 354 flg.) zur

Anwendung.

Daß, damit für sie (schwerer) Bandendiebstahl da

sei, sie die Bandenqualität der anderen gewußt haben müssen,

versteht sich von selbst. Anmerkung I.

Der Zusatz, vermöge dessen schon zwei

Personen eine Bande bilden sollen, ist von der Comm. der zweiten Kammer (Ber. S. 119) gemacht, mit Rücksicht darauf, daß auch bei dem Diebstahl durch Eindringen in ein bewohntes Gebäude

(ob. §. 223) zwei Personen für ausreichend erachtet seien.

Beide

Fälle haben indeß eben gar nichts mit einander gemein.

. . Anmerkung II. Von den neueren Deutschen St. G- B. heben den Bandendiebstahl nicht besonders hervor nur baS für Braunschweig und daS für Oesterreich, eben so auch nicht die

sämmtlichen St. G. B. der Schweiz, mit Ausnahme des Thur­

gauer. Doch zeichnen alle diese erwähnten G. B- den gewerbs­ mäßig, oder von mehreren Genossen verübten Diebstahl beson­ ders aus.

8. 231.

9. Von dem Diebstahle bei FeuerS- oder WasserSnoth. DaS A. L. R. hebt als Diebstahl unter erschwerenden Um­

ständen, nach älteren Preuß. Verordnungen, hervor den Diebstahl, der

„in FeuerS- Wassers- oder KriegSnoth an den geretteten,

oder vor dem Feinde geflüchteten Sachen begangen ist"').

ES

betrachtet ihn einfach als Diebstahl an Sachen, die nicht unter

genauer Aussicht gehalten werden

können.

Dieser Grund der

Auszeichnung war unzweifelhaft nicht der eigentlich zutreffende.

Danach war auch der Thatbestand zu eng, indem z. B. der Dieb, der in daS brennende Hauö drang, und

unter Benutzung der

herrschenden Noth und Verwirrung stahl, nur

einen einfachen,

derjenige aber, der von den abseits geflüchteten Sachen gemächlich

stahl, einen Diebstahl unter erschwerenden Umständen begingt).

1) A. L.R. II, 20, §. 1142. 2) T.mm«, Ditbst., S. 204 flg., 214.

936 DaS Str. G. B. hat den fraglichen Diebstahl richtiger aufgefaßt: als denjenigen (schweren) Diebstahl, der während einer FeuerS-

oder WasserSnoth an den in derselben gefährdeten oder ge­ flüchteten Sachen begangen wird').

Der erschwerende Cha­

rakter deS Diebstahls hat nun seinen richtigen Grund in der be­ sonderen Niederträchtigkeit und Gefährlichkeit der Benutzung der

herrschenden Gefahr, Noth und Verwirrung, zum Stehlen gerade derjenigen Sachen, die von der Gefahr betroffen, oder vor der­

selben geflüchtet werden.

Hiernach ergeben sich die Erfordernisse

von selbst 2). Auf anderen Nothstand, als den des Feuers oder Wassers, kann aber der Thatbestand nicht ausgedehnt werden.

Eben so nicht auf andere, alS gefährdete oder geflüchtete Sachen. Anmerkung I. Der Entw. v. 1843 lautete allgemeiner: „wenn der Dieb eine Wassers-, FeuerS- oder KriegSnoth, oder

sonst einen Nothstand zur Verübung

des Diebstahls benutzt".

Die Revision v. 1845 ließ die ganze Bestimmung fallen (Bd. 3. S. 11),

weil der Fall das Mißliche habe, daß er nicht genau

genug bezeichnet werden könne Anlaß gebe".

und

deshalb zu vielen Zweifeln

Die StaatSr. Com. v. 1846, nahm sie wieder auf,

jedoch mit Ausschließung der KriegSnoth und deS anderen Noth­

standes. Die Gründe finden sich tProt. S. 147) nicht angegeben. Der Entw. v. 1851 adoptirte sic gleichfalls, und zwar mit der rich­

tigen Veränderung veS Wortes „geretteten" in „gefährdeten", brachte

sie aber unter den einfachen Diebstahl mit erschwerenden Um­ ständen.

Die Commission der

zweiten Kammer stellte sie hier­

her, indem sie den schwereren Charakter, alö den bloß an Sachen, die nicht unter genauer Aufsicht gehalten werden

können (nur

davon sprachen die Motive v. 1851, S. 53), anerkannte.

Anmerkung II. Sämmtliche übrige D. Str. G. B. zeichnen den Diebstahl während einer allgemeinen Gefahr oder eineö Noth­ standes aus, und zwar meist gerade in solcher Allgemeinheit, so­

wohl bezüglich des Nothstandes, als der entwendeten Sachen.

1) Str. G. B. §. 218, Nr. 9.

2) Daß man bei WasserSnoth nicht blos an Ueberschwemmung zu denken hat, sondern z. B. auch an Strandung, Schiffbruch, Eisgang u. s. w., bedarf kaum der Bemerkung.

937

§. 232.

Don dem Familiendiebftahl. Das Röm. R. giebt die actio furti nicht bei Diebstählen zwischen Ehegatten und solchen Personen, welche durch die nem-

liche Familiengewalt mit einander verbunden waren.

Ehegatten

hatten die actio rerum amotarum gegeneinander; in dem zweiten

Falle trat häusliche Zucht, auch wohl aus Antrag gegen HauSlinder eine außerordentliche obrigkeitliche Züchtigung einEs lag eineStheilS die Rücksicht auf die Heiligkeit der Familienbande, welche namentlich die actio furti als actio samosa nicht zuließ,

anderentheilö freilich auch in dem zweiten Falle die unilas per-

Die P. G. O. schreibt vor'): „Item so eyner auß leichtvertigkeyt oder unverstandt etwas heymlich nem sonae zu Grunde-).

von güttern, der er fünft ein nechster erb ist, — sollen richter und urtheyler — bey den rechtverstendigen — radtS pflegen, was in solchen fellen daS gemeyne recht sei, und sich danach

halten:

Doch soll die oberkcyt in diesen fellen von amtSwegen

nit klagen noch straffen". Doctrin und Prariö deS Gem. R. haben hieraus den privilegirten Familiendiebstahl geschaffen, frei­ lich unter fortwährendem Streit über daS Verständniß der P. G. O.,

namentlich ob diese

nur jenes Röm. R., und dabei besonders

wieder in Betreff der tlächsten Erben nur eine bereits angefallene, aber noch ungetheilte Erbschaft, oder die sui heredes, oder ob sie auch Deutschrechtliche Familien- und

Auge habe.

Erbschaftöverhältnisse im

Die letztere Ansicht ist die allgemeinere, namentlich

auch in der PrariS, geworden, und es hat sich danach der Be­

griff deS Familiendiebstahls dahin festgestellt: alö derjenige Dieb­ stahl, der von Ehegatten gegeneinander, oder von nahen Bluts­

verwandten, die zugleich die nächsten Erben deS Bestohlenen sind, gegeneinander begangen worden.

Die PrariS dehnt den Begriff

auch auf Verlobte aus, ferner sehr häufig auch auf andere BlutS-

1) Tit. D. et C. rer. amot, $. 2. J. de bered, quäl, et diff. 1. 2, 5, §. 1 de obsequ. parent. 2) Daher fand die Klage auch gegen den Patron nicht statt, 1. 2, ö, eit. 3) P. G. O., Art. 165.

938 verwandte (nicht Verschwägerte), die nicht einander nächste Erben sind.

Streit ist aber wieder darüber, ob de.r Begriff nur bei dem

gemeinen, oder auch bei dem qualificirten Diebstahl anzunehmen sei. Außerdem wurde in ähnlicher Weise der Begriff deS privili-

Nach dem Röm. R. konnte

girten ErbschaftSdiebstahleö geschaffen.

früher an einer noch nicht angetretenen Erbschaft gar kein Dieb­

stahl begangen werden.

Der Erbe sollte dadurch zur schleunigen Später wurde indeß die expilatio

Antretung veranlaßt werden').

hereditatis,

zwar nicht als furtum,

aber extra ord. bestraft.

DaS crim. exp. bered, sand aber nicht statt gegen den Miterben, der vor angetretener Erbschaft aus dieser etwas entwendet hatte1 2),

und nicht gegen den überlebenden Ehegatten3). Die Römischrechtl.

Voraussetzungen deS crim. exp. bered, sind dem Deutschen Rechte fremd.

Nach

oben

der

erwähnten Auslegung

der P. G. O.

Art. 165, ist von der Prariö der milder und nur auf Antrag zu bestrafende Erbschastödiebstahl geschaffen, der dann vorhanden ist, wenn ein Miterbe auö

etwas entwendet. stritten.

einer

noch

ungetheilten Erbschaft

In der Doctrin wird auch darüber viel ge­

DaS A. L. R. hat die Lehre sowohl von dem Familien-

alS Erbschastödiebstahl, hauptsächlich nach den Gemeint. Ansichten zur Zeit seiner Redaction ausgenommen.

Die ersteren fteilich in

ziemlicher Unklarheit, die für die Prariö eine Quelle unendlicher Verwirrung war4). — DaS Str. G. B. hat eine Privilegirung

deS ErbschastödiebstahlS ganz aber verschieden behandelt.

aufgegeben, den Familiendiebstahl

Den, im Gem. R. alö eine Art hin­

zugerechneten HauSdiebstahl hat eö völlig auSgeschieden, und so­

gar alö

Diebstahl

unter

erschwerenden

Umständen

aufgefaßt

(ob. 8- 220). Entwendungen zwischen Ehegatten oder von leiblichen Ascendenten gegen Descendenten, sieht eS alö Diebstahl gar nicht an (ob. §. 218). Den Diebstahl, von anderen Familiengliedern

verübt, hebt eö aber nur in Beziehung

auf die Einleitung deS

Strafverfahrens hervor, indem eS zugleich einige, dem der Familie ähnliche Verhältnisse hierherzieht.

ES verordnet nemlich, daß der-

1) Gajus J. II, 52—56. 2) Er konnte nur mit der actio fam. bereise, belegt werden, 1. 3, C. fam. bereise. 3) ES fand nur actio und exhib., vindicatio u. f. w. statt, 1. A, C de crim. exp. bered. 4) A. L. R. II, 20, 88- 1127—1136.

939

jenige, der sich eine- Diebstahls (oder einer Unterschlagung) gegen Eltern oder Großeltern, Stiefeltern oder Stiefkinder, Schwieger­ eltern oder Schwiegerkinder, gegen Geschwister, gegen Pflegeeltern,

Vormünder oder Erzieher schuldig macht, nur auf den Antrag

deS Verletzten

gezogen werden soll').

zur Untersuchung

Vorschrift gilt für alle Arten von

Die

Fraglich wird

Diebstählen.

hierbei besonders die Behandlung der Theilnahme bei dem Fa­

miliendiebstahle.

1. Bet den, als Diebstahl gar nicht zu bestrafen­

den Entwendungen zwischen Ehegatten oder von Ascendenten kann kein Zweifel sein.

Der dritte Theilnehmer soll wegen Diebstahl

bestraft werden, ohne alle Rücksicht auf die Straflosigkeit der ge­ nannten Familienglieder-). ES verstößt daS offenbar gegen die richtigen, auch sonst von dem Str. G. B. anerkannten Grundsätze

von der sog. speziellen und generellen Theilnahme °).

2. Anders

steht der Fall bei den Diebstählen derjenigen Personen, gegen welche nur auf Antrag verfahren werden soll.

Die That selbst

ist hier nicht straflos; eS tritt nicht einmal eine gelindere Be­

strafung ein; der Dieb soll nur nicht ohne den Antrag verfolgt Und zwar nur der Dieb nicht; keineswegs also die That an sich nicht, sondern nur in soweit, als sie die That

werden können.

der bestimmten Person ist.

Daraus ergeben sich denn die Ver­

hältnisse der Theilnehmer.

Die That eines jeden TheilnehmerS

ist

in

Betreff der

betrachten.

Verfolgung

Derjenige

eben ganz

für sich

Theilnehmer also, sei

er

allein

zu

Thäter, An­

stifter oder Gehülfe, der zu den im §. 229 genannten Personen

gehört, kann nur auf Antrag deS Verletzten verfolgt werden. Jeder andere Theilnehmer, ebenfalls gleichviel ob Thäter, An­ stifter oder Gehülfe, wird unter allen Umständen von AmtSwegen

verfolgt, mag gegen jenen ein Antrag vorhanden sein oder nicht. Die allgemeinen Grundsätze von der Theilbarkeit oder Nichttheil-

barkeit deS Strafantrags*) kommen hierbei gar nicht in Betracht. Sie setzen überhaupt das Vorhandensein eines Strafantrags, die Abhängigkeit der Einleitung deö Verfahrens von einem

solchen

voraus; hier giebt es aber gesetzlich gär keinen Strafantrag gegen

1) 2) 3) 4)

Str. G. B. §. 229. Str. G. B. §. 228. S. ob. §. 70. SK G. B. §. 52.

940 die im §. 229 nicht benannten Personen').

AuS diesen Gründen

muß denn aber auch für den Fall, wenn mehrere der im 8-229 genannten Personen an dem Diebstahle Theil genommen,

eine

Theilung deS Strafantrags gegen diese, nach 8. 52, für unzu­ lässig erachtet werden.

Einerseits spricht dieser 8. ganz allgemein,

und eS ist keineswegs richtig, daß er nur für einen anderen Fall gegeben sei, nemlich für den, wenn die ganze That an sich, ohne Rücksicht auf den Thäter, nur auf Antrag bestraft werden könne1 2). Andererseits kann sein Sinn auch um so mehr nur ein solcher sein, als

bei einer

anderen Auslegung

nothwendig jene Ver­

letzung deS SittlichkeitS- und RechtSgefühlS eintreten würde, die

durch ihn eben vermieden werden sollte'). Anmerkung I. Der Entw. v. 1851 erklärt die Entwen düngen der Kinder oder Enkel gegen die Ascendenten gleich denen

der letzteren gegen jene, für straflos, erwähnt aber der übrigen

im 8. 229 genannten Personen gar nicht.

Die Comm. d. zweiten

Kammer (Der. S. 122 flg.) fand zu jenem „keinen ausreichenden Grund" und redigirte den gegenwärtigen §. 229.

Anmerkung II.

Die neuen Deutschen St. G. B. erklären

meist den Familiendiebstahl, auch wenn er von Ehegatten oder von Ascendenten begangen ist, für an sich strafbar, strafen aber nur auf Antrag, und zwar auf Antrag nur des Hauptes der

Familie: Oesterreich 463, Hannover 318, Hessen 358,

Nassau

351, Luzern 244, St. Gallen (G. B. für Vergehen S. 86, nur

bei Diebstählen, die blos als Vergehen bestraft werden); auf An­ trag deS Beschädigten oder deö Familienhauptö: Bayern (Ges.

v. 25. März 1816 Art. 12), Thurgau 224 (unter Herbeiziehung der Diebstähle gegen nur auf Antrag

Vormünder,

deS Beschädigten

Pflegeeltern und

Erzieher);

allein, und zugleich

unter

gelinderer Strafabstusung: Sachsen 237, Württemb. 339, Weimar

und Meiningen 229, Zürich 220 (auch die Diebstähle von jungen

Leuten

gegen

Vormünder,

Pflegeeltern

und

Erzieher

hierher

zählend); milder bestrafen auch: St. Gallen, Luzern, Hannover.

1) AuS diesen Gründen trete ich nunmebr auch dem im Resultate zutreffenden Urtheil des Ob. Trib. v. 21. Jan. 1852 (I. M. Bl., S. III) bei: vergl. Glossen zum Str. G. B., S. 126. 2) Dies meint das Ob. Trib. in dem Fall der v. Note, und darunr trar die Entscheidung nur im Resultate gerechtfertigt. 2) S. oben §. 103.

941 DeS Familiendiebstahls erwähnen gar nicht:

hausen, Basel *), Waadt. Freiburg 232,

Dagegen

Aargau,

Schaff­

haben Baden 387 flg. und

233 im Ganzen dieselben Vorschriften wie daS

Preußische St. G. B.

Freiburg erklärt auch die Diebstähle der

Descendenten, so wie der Geschwister, die in der nämlichen Haus­

haltung leben, für straflos;

beide lassen

den Antrag

des Be­

schädigten oder des Familienhauptes zu.

8- 233.

Don dem Rückfalle beim Diebstahl. Nach der P. G. O. soll derjenige, der zum dritten Male ge­

stohlen hat, mit dem Tode bestraft werden-).

Weil aber die

P. G. O. dabei von einem „mehr verleumbten dieb" spricht, auch

die Deutsche PrariS zu ihrer Zeit meist nur denjenigen, der be­

reits zweimal wegen Diebstahls bestraft war, mit dem Tode zu strafen pflegte,

so

bezieht man jene Vorschrift in der Gemein­

rechtlichen Doctrin und PrariS

eben nur auf den rückfälligen

Dieb, obwohl der Streit der Doctrin darüber nie aufgehört hat.

UebrigenS ist auch

für den Rückfall die Todesstrafe auS der

Gemeinrechtlichen PrariS

längst entschwunden.

DaS A. L. R.

bestraft den dritten Diebstahl nur alö zweiten Rückfall, findet die­ sen aber nicht erst in der Verbüßung

Strafen, sondern schon Strafe.

der früher anerkannten

in den früheren

Vermtheilungen

zur

Die Strafe war (bedingt, beim dritten Rückfalle un­

bedingt) lebenSwierige Zuchthausstrafe31).42 5 Nach der Circ. Ver. v. 26. Februar 1799, §. 12, die von einem mehrmals „Bestraften"

spricht, wurde aber Verbüßung der früher erkannten Strafen gefordert.

Das Str. G. B. ist auch hier zu dem Begriffe des

Rückfalls nach dem A. L. R. zurückgekehrt*).

Die von ihm an-

gedroheten Strafmaße wurden indeß schon bald zu hart gefunden und durch Gesetz vom 9. März 1853$) gemildert.

1) Diese drei wahrscheinlich nur nach Anleitung de- alten Oesterr. Str. G. v. 1803 nicht, das den Strafantrag nur bei de» als (schwere) Polizeiübertretungen zu ahndenden Diebstählen forderte. 2) P. G. O., Art. 162. 3) A. L. R. II, 20, §§. 1160 flg. 4) Str. G. B. §. 219.

5) Ges. S., S. 78.

942 Die Grundsätze über Bestrafung deS Rückfalls beim Diebstahl sind danach folgende:

I. Der erste Rückfall wird ganz nach all­

1. Derselbe ist

gemeinen Grundsätzen vom Rückfall beurtheilt.

also vorhanden, wenn Jemand, der bereit- wegen Diebstahl-

zu einer Strafe durch einen Preußischen Gerichtshof rechtskräftig

verurtheilt worden ist, nach dieser rechtskräftigen Verurtheilung einen neuen Diebstahl begeht.

2. Von welcher Art der frühere Der eine wie der an­

oder neue Diebstahl war, ist gleichgültig.

dere muß nur nach den Grundsätzen deS St. G. B. al- ein Verbrechen oder Vergehen deS Diebstahls sich darstellen').

Die

nur alö Uebertretungen zu ahndenden5) Entwendungen, mögen sie vor oder nach Emanation deS St. G. B. zur Strafe gezogen fein, gehören also eben so wenig hierher, als die jetzt völlig straf­ losen Entwendungen, die früher strafbar waren, und wegen derer

früher eine Verurtheilung erfolgt ist'). Holzdiebstahl,

im

auch

öftersten

Außerdem ist positiv jeder

Rückfalle

ausgeschlossen4 1).5 23

3. Fraglich ist, ob auch ein früherer Raub hierher zu rechnen. Gesetzlich werden Raub und Diebstahl nicht einmal

brechen derselben Gattung aufgeführt.

als Ver­

Andererseits ist indeß in

dem Raube der Thatbestand des Diebstahls enthalten, und in Betreff des zweiten und ferneren Rückfalls ist ausdrücklich ver­ ordnet, daß eine Verurtheilung auch wegen Raubes den Rückfall begründen

soll.

ES

liegt daher wohl

unzweifelhaft nur

ein

Redattionsfehler vor, wenn eine gleiche Vorschrift in Betreff deS

ersten Rückfalls fehlt, und nach Sinn und muß auch Raub hierher gezogen werden.

Geist deS Gesetzes

4. Ob die frühere Be­

strafung wegen Thäterschaft oder anderer Theilnahme, oder wegen vollendeten oder nur versuchten DelicteS erfolgt war, muß nach

klarer Vorschrift deS Gesetzes auch in Betreff der Verurtheilung

vor Gesetzeskraft deS Str. G. B. gleichgültig fein5). ist eS gleichgültig,

5. Ebenfalls

ob der Verurtheilte zur Zeit deö

früheren

1) Str. G. D. §. 58: „Dasselbe Verbrechen oder Vergehen," §. 219 a. G.; „deS früheren Verbrechens oder Vergehens." Es gehören also namentlich nicht hierher andere, den Thatbestand eines Diebstahls nicht herstellende Verbrechen des A. L. R., die mit der Strafe des Diebstahls belegt wurden, i. B. II, 20, §§. 1350, 1356, 1384. 2) Str. G. B. §. 349.

Gesetz v. 2. Juni 1852.

3) Str. G. B. §. 228.

S. ob. §. 218.

S. ob. §. 218.

4) Ges. v. 2. Juni 1852 §. 16.

5) So erkennt auch das Ob. Tr.

Entsch. Bd. 22, S. 73.

943 Delikts über oder unter sechszehn Jahren alt war; er war immer wegen Verbrechens oder Vergehens deS Diebstahls bestraft'). 6. Die Strafe und 7. Die Verjährung ergeben nach jenen allge­ meinen Grundsätzen von dem Rückfalle sich ganz von selbst. II. Der zweite und fernere Rückfall ist vorhanden, wenn Jemand, der wegen Diebstahls oder Raubes bereits zweimal oder mehrere Male durch einen Preußischen Gerichtshof zu einer Strafe rechts­ kräftig verurtheilt worden ist, nach dieser Verurtheilung einen Diebstahl begeht. Die Erfordernisse sind: 1. Eine zweimalige, 2. dem neuen Diebstahle vorhergegangene, 3. rechtskräftige Ver­ urtheilung zu einer Strafe, 4. wegen eines als Verbrechen ober Vergehen nach den Grundsätzen deS Str. G. B. strafbaren Dieb­ stahls oder Raubes. Im Besonderen gilt hierüber daS oben zu I. Nr. 1 — 5 Gesagte. Außerdem muß 5. ein eigentlicher wenig­ stens zweiter Rückfall vorliegen. Der Thäter muß daher nicht nur früher bereits zweimal wegen Diebstahls oder Raubes verurtheilt, sondern muß nothwendig schon einmal wegen Rück­ falles deS Diebstahls oder Raubes verurtheilt fein. Denn von einem zweiten Rückfalle kann erst gesprochen werden, wenn bereits der erste Rückfall da war, und der erste Rückfall ist rechtlich nur dann da, wenn der Thäter ausdrücklich wegen Rückfalls ver­ urtheilt war1 2). 6. Die Strafe deS zweiten und ferneren Rückfalls ist dieselbe. Sie besteht a) wenn der zu bestrafende neue Dieb­ stahl ein einfacher (mit oder ohne erschwerende Umstände) ist, in

1) Dagegen sind die nach §• 17, II, 20, A. L. R. gegen Unmündige und Schwachsinnige erkannten Züchtigungen als Verurtheilungen zu einer Strafe wegen Verbrechens oder Vergehens gar nicht zu betrachten. So erkennt auch das Ob. Tr. (Arch. f. Pr Straft. S. 74). 2) A. M. das Ob. Tr. im I. M. Bl. S. 351. Es fordert zwar auch, daß der erste Rückfallsdiebstahl nach rechtskräftiger Verurtheilung wegen Diebstahls oder Raubes müsse begangen fein, hält es aber für ausreichend, wenn derselbe „thatsächlich ein Rückfall gewesen ist, mithin als Rückfall wenigstens hätte bestraft werden können." Allein es kommt bei rechtlichen Voraussetzungen überall darauf an, daß das Thätfächkiche auch rechtlich feststehe. So war auch immer die land­ rechtliche sowohl, als die gemeinrechtliche PrariS. Die Entwürfe bis 1847 ein­ schließlich unterschieden ausdrücklich einen ersten und demnächst zweiten und sodann dritten Rückfall, und zwar jedesmal mit anderer Strafabstufung. Der Enttvurf von 1851 bringt die jetzige Fassung, in welcher zwar nur allgemein von einer zwei- oder mehrmaligen rechtskräftigen Verurtheilung die Rede ist: aber es ist das nur eine verfehlte Redaction, durch die man kein neues Recht hat schaffen wollen. Die Mottve von 1851 (S. 55) saaen ausdrücklich, eS fei nur beabsichtigt, „daß der zweite und der spätere Rückfall jetzt gleichmäßig behandelt werden." Rach der Ansicht deS Ob. Tr. müßte auch jedesmal eine materielle Prüfung stattfinden, ob nicht z. B. der frühere Rückfall wegeu Verjährung ausgeschlossen gewesen sei."

944

Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren; jedoch soll, wenn mildernde Umstände vorhanden

sind,

auf Gefängniß

unter

nicht

sechs

Monaten, sowie auf zeitige Untersagung der Ausübung der bür­ gerlichen Ehrenrechte erkannt werden,

b) Ist der zu bestrafende

neue Diebstahl ein schwerer, so tritt Zuchthaus von fünf bis zu

zwanzig Jahren ein; bei dem Vorhandensein mildernder Umstände

soll jedoch gleichfalls auf Gefängniß, nicht unter einem Jahre, und

auf zeitige

Untersagung der

Ehrenrechte erkannt werden,

Ausübung

der

bürgerlichen

c) In allen Fällen ist zugleich auf

Stellung unter Polizeiaufsicht zu erkennen.

7. Die Strafe des

zweiten Rückfalls verjährt nach dem allgemeinen Grundsätze deS

8. 60 Str. G. B.'). ES findet also gar keine Rückfallsstrafe statt, wenn seit der Verbüßung der Strafe deS ersten Rückfalls

biö zum Zweiten Rückfall zehn Jahre verflossen

sind.

nur die Strafe deS ersten Rückfalls statt, wenn

ES findet

nur feit

der

Verbüßung der Strafe des ersten Verbrechens oder Vergehens bis zu dem zweiten Rückfälle zehn Jahre verflossen gewesen waren'-).

1) Da- Gesetz ist allerdings hierüber sehr dunkel. Da- Sir. G. B. §. 219 sagt: „Die Straferhöhung (deö zweiten und ferneren Rückfalls) tritt nicht em, wenn feit dem Zeitpunkte, an welchem die Strafe deö zuletzt begangenen ftüheren Ver­ brechens oder Vergehens abqcbüßt oder erlassen worden ist, zehn Jahre verflossen sind." Das Gesetz v. 9. März 1853 bringt an dessen Stelle: „Die vorstehen­ den Bestimmungen (über die Bestrafung deö zweiten und ferneren Rückfalls) sinden keine Anwendung, wenn entweder tti Ansehung des letzten, oder in Ansehung des ftüheren Verbrechens oder Vergebens die Straferhöhung wegen Rückfalls ge­ setzlich ausgeschlossen ist (§. 60)." Der Entwurf des Gesetzes v. 9. März 1853 lautete gleichfalls so. Schon in der Justlz-Eomnussien der zweiten Kammer und später in dieser selbst, wurde die Fassung dunkel gefunden, und die Erörterungen darüber lassen zweifelhaft, ob der Sinn richtig aufgefaßt war (Vergl. stenogr. Ber. S. 389 flg. und Eomm. Ber. S. 3 flg.). In Yen RegierungSmotiven heißt eS zur Erläuterung: „Nach der Fassung des Gesetzes (Str. G. B. §. 219) ge­ staltet sich die Sache so, daß wenn Jemand im Jahre 1820, demnächst im Jahrr 1850 wegen Diebstahls bestraft werden ist, und nun im Jahre 1852 wieder zur Untersuchung gezogen wird, ihn die Strafe des §. 219 trifft. Dies führt zu Harte und steht mit den allgemeinen Grundsätzen deS §. 60, Str. G. B., nicht im Ein­ klang." Auch das macht nicht klar, was man wellte. 2) So ist die Bedingung des §. 60 zur Anwendung der Strafe des ersten Rückfalls; bei der ausdrücklichen Verweisung deS Gesetzes v. 9. März 1853 auf den §. 60 kann daher nur daS im Tert aufgcfühne Verständniß angenommen werden. Dies kann aber auch nach dem von den Regicrungsmetiven ausgestellten Beispiele (s. d. v. Note) nur die, allerdings wie eö scheint, "nicht klar bewußt ge­ wordene Absicht gewesen sein. Freilich sann nach dem Srr. G. B. 60 der Fall, daß Jemand, der schon vor 30 Jahren wegen Diebstahls bestraft werden war, im Rück­ fall bestraft werden könnte, gar nicht vorkommen; jene vor 30 Jahren erkannte Strafe hätte denn (gleich die erste Diebstahlöstrafe') länger als 20 Jahre dauern, oder nach 20 Jahren seit der Verurteilung erst vollstreckt sein müssen, oder das

945

8. 234.

Non einigen, dem Diebstahle ähnlichen Vergehen. Theilweise in

theilweise nach der

der Gemeinrechtlichen Doctrin und PrariS, früheren Preußischen Gesetzgebung, werden

mehrere Handlungen alS Diebstahl, oder dem Diebstahl ähnlich behandelt, die nach dem Str.G. B. nicht mehr alS Diebstahl aufzusassen sind. Sie bedürfen hier einer kurzen Besprechung: I. Der

Funddiebstahl.

ES fehlt daS DiebstahlSerforderniß, daß die Ent­

wendung auS fremder Gewahrsam geschehen sein müsse; er kann

daher nur alö Unterschlagung aufgefaßt werden (s. ob. $. 218 und unten 8. 235). II. Der Fischdiebstahl. ES wird darunter verstanden: daS widerrechtliche Fangen rind Aneignen von Fischen

in fließendem offenem

Wasser, in welchem einem Anderen

Fischereigerechtigkeit zusteht *).

die

ES fehlt auch hier daö Erforderniß

deS Entwendens aus fremder Gewahrsam, wodurch die Handlung von dem eigentlichen Diebstahl an Fischen auS Behältern u. s. w. (s. ob. §. 220) sich unterscheidet.

strafbarer Eigennutz

Eie wird vom Str. G. B. alS III. Der Wilddiebstahl, daS

behandelt-).

widerrechtliche Erlegen oder Einfängen und Aneignen von Jagd­

wild auö einem fremden offenen Jagdgehäge.

ES wird gemein­

rechtlich dem Fischdiebstahl analog behandelt. Dabei wird auch wohl unterschieden

zwischen eigentlichem

und

uneigcntlichem (bloßer

Jagdeontravention) Wilddiebstahl, jenachdem eigentliche gewinn­

süchtige Absicht vorgelegen habe oder nicht.

Jener soll da sein,

wenn daS Wild zum Berkausen, der andere, wenn eS nur zum

eigenen Verzehren oder mehr auö Jagdlust, erlegt war'). fehlt auch hier daS Entwenden

ES

auö fremder Gewahrsam; daS

Delict deS Rückfalls hätte schon zehn oder mehrere Jahre vor der zweiten Vernrtheilung müssen begangen worden sein, Alles freilich Umstände, über welche jene Motive schweigen. 1) Schon die P. G. O., Art. 109, hebt ihn hervor, nicht als Diebstahl, aber doch als (willkürlich) zn bestrafen. Aehnlich A. L. R. II, 20, §. 1147. 2) Str. G. B. §. 273. 3) DaS A. V. R. II, 20, §§. 1145, 315 stg. scheint in ähnlicher Weise zu unterscheiden. Xrmmr, Strafrecht.

60

946 Str. G. B. sieht auch hier

strafbaren

Eigennutz').

IV. Der

Fruchtdiebstahl: die Entwendung von sofort verzehrbaren Früchten auf dem Felde, zum sofortigen Verzehren, bei Tage und ohne Anrichtung erheblichen Schadens geschehen; er wird nach alter

Deutscher Rechtsansicht und positiver Vorschrift der P. G. £).1 2)3 gelinder alö gewöhnlicher Diebstahl bestraft. Zuweilen wird daraus

ein allgemeiner Lüsternheitsdiebstahl gemacht; so auch vom A.L. R. ’). In letzterer Art nimmt ihn auch das Str. G. B. positiv von dem

Diebstahl aud4).5 6 Man kann wenigstens in den meisten Fällen ein wirkliches Fehlen der gewinnsüchtigen Absicht annehmen. V. Der Holzdiebstahl, gemeinrechtlich: das Entwenden von Hol; auS dem Walde, daS noch nicht geschlagen war, gleichfalls nach alter Deutscher RechtSansicht, wie nach Vorschrift der P. G. O.s) gelinder,

und

zwar eigentlich nur

partirularrechtlich

strafbar,

wurde auch ftüher in Preußen nur partirularrechtlich, nach den verschiedenen Forst- und Holzordnungen bestraft4), bis daS Holz-

diebstahlögesetz v. 7. Juni 1821 allgemeine, und für den ganzen

Staat allgemein gültige Grundsätze darüber aufstcllte, die durch daS Holzdiebstahlsgesetz

v. 2. Juni 1852 neuerdings modificirt

worden sind (f. ob. S. 218).

Hier kann man eine gewinnsüchtige

Absicht als fehlend wohl nicht annehmen 7).

1) Slr. G. B. 88- 274 stg.

2) P. G. O. Art. 167.

S. nuten §. 253.

Bergt. Sachs. Sp. II, 39, §§. 1, ~

3) A. L. R. II, 20, §§. 1122, 1123. 4) Str. G. B. 8- 349, f. ob. 8- 218.

5) P. G. O. Art. 168.

Bergt. Sachs. Sp. II, 28.

6) Temme, Diebst., S. 215 stg. 7) Historisch ist hier noch der Pecnlat zn erwähnen, im weiteren Sinne: die Beeinträchtigung tc versichert wirt, in mehreren Lachen anterS ersannt hat, fc hat eS daö eigentliche Wesen ter Hehlerei nicht er rasn. 2) o. innen VInm. I. 3) Ter (Sniw. v. 1846 hatte noch „gcwerlmäßig." In ter Sitzung ter Rev. (Sonnn, v. 21. Juli 1847 wnrtc „gewohnheitsmäßig" beschlossen, aus ten Antrag ter Rheinischen Juristen, welche täs, für Deutsches Rechtsbewnßtsein we­ nig zutressente Betenken erhoben: ta ter Hehlerei nun Vortheil tes Hehlers be­ reits getacht fei, so kenne auö tem Worte „gewerbmäßig" ein Zweifel entstehen, was darunter verstanden werden solle. Die Motive v. 1847 (S. 76) bestätigen,

967 trieben wird. — Die Strafe 1. der einfachen Hehlerei ist Gefängniß nicht unter einem Monat und zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte; es kann zugleich auf Stellung unter Polizeiaufsicht erkannt werden. Bei mildernden Umständen kann die Strafe bis auf eine Woche Gefängniß ermäßigt werden. 2. Die qualifieirte Hehlerei wird, wenn sie nicht zugleich gewohn­ heitsmäßige ist, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und Stellung unter Polizeiaufsicht bestraft; bei mildernden Umständen muß auf Gefängniß nicht unter einem Jahre, sowie auf zeitige Unter­ sagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Die gewohnheitsmäßige Hehlerei wird in allen Fällen mit Zucht­ haus bis zu fünfzehn Jahren und Stellung unter Polizeiaufsicht bestraft. 3. Der erste Rückfall der Hehlerei wird nach allgemeinen Grundsätzen des Rückfalls bestraft, so daß also, da die Hehlerei als ein selbstständiges Delict mit besonderem Thatbestand« sich darstellt, nur frühere Hehlereien, nicht aber auch Raub, Dieb­

stahl u. s. w., wie verwandt sie sollst, namentlich vom Standpunkte der Begünstigung auö betrachtet, sein mögen, mitgezählt werden. Daffelbe gilt natürlich von dem zweiten und ferneren Rückfall, der im Uebrigen nach singulären Grundsätzen, wie der zweite und fernere Rückfall des Diebstahls bestraft wird. Der zweite und fernere Rückfall wird nemlich, wenn das zu bestrafende Delict einfache Hehlerei ist, mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren, bei mildernden Umständen aber nur mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten, so wie mit zeitiger Untersagung der bürgerlichen Ehren­

rechte, wenn sie aber eine qualificirte durch die Schwere deS be­ günstigten Verbrechens ist, mit Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren, bei mildernden Umständen aber nur mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, oder gar nur mit Gefängniß nicht unter einem Jahre, und mit zeitiger Untersagung der Ausübung der bürger­ lichen Ehrenrechte, bestraft. In allen Fällen, auch bei mildernden Umständen, soll zugleich auf Stellung unter Polizeiaufsicht er­ kannt werden. In Betreff der Verjährung des zweiten und ferneren

daß ein Unterschied zwischen „gewerbmäßig" und „gewohnheitsmäßig" nicht ge­ dacht sei, dadurch ausdrücklich, daß cS heißt: „Bei der gewohnheitsmäßigen Heh­ lerei, früher als gewerbmäßig bezeichnet, ist eine Unterscheidung zwischen Diebstahl und Unterschlagung einerseits und Raub und Erpressung andererseits nicht zu machen," und daß eS dann gleich darauf weiter heißt: „Wer die Hehlerei gewerbmäßig treibt, pflegt seinen Vortheil wahrzunehmen, gleichviel wie das Ver­ brechen verübt wird."

968 Rücksalleö ist durch daS Gesetz v. 9. März 1853 ’) ganz wie bet

dem zweiten und ferneren Rückfalle deS Diebstahls verordnet, daß sie gleichfalls nach den Grundsätzen deS §. 60, Str. G. B. ein­

treten soll-). DeS zweiten und ferneren Rückfalls bei der durch gewerbmäßigeS Betreiben qualificirten Hehlerei ist gar nicht weiter erwähnt, er wird also nur *U'ie der erste bestraft, ganz nach den

Grundsätzen deS §. 60, Str. G. B. In den früheren Entwürfen war die Lehre

Anmerkung I.

von der Diebeöhehlerei -iemlich nach der Gemeinrechtlichen Doctrin ausgefaßt.

Der Entwurf von 1851

schied sie aus seinem be­

sonderen Theile ganz auS, und brachte, vollständig nach Anleitung

der Art. 61, 62 deS Franz. Str. G. B., eine correspondirendc all­

gemeine Bestimmung in den allgemeinen Theil, und zwar in die Lehre von der Begünstigung.

(Ler. S. 126 flg.) nahm

Die Eomm. der zweiten Kammer

indeß

die

gegenwärtige

Abänderung

vor, hauptsächlich, weil „die Begünstigung nach der Theorie deS

Enlw. lediglich den Vortheil deS Thäters bezwecken solle, wogegen

der Hehler in der Regel nur seinen eigenen Vortheil beabsichtige/' Der Thatbestand steht nun in der Milte zwischen der Deutschen

und Franz. Rechtöanschauung. Anmerkung II.

Tie meisten neueren D. Str.-G. B. haben

kein besonderes Delikt der Hehlerei aufgestellt, sondern behandeln

diese nach den Grundsätzen der Begünstigung

überhaupt.

Be­

sonder- kennen sie nur Oesterreich 185, 196, Württemberg 343, 350, 360, Sachsen 239, Weimar und Meiningen 231, Waadt

299 flg., Freiburg 245.

Letztere beiden bei allen Verbrechen gegen

daö Vermögen, jene bei Diebstahl, Raub, Unterschlagung, und

Württemberg auch noch bei den Betrügereien.

1) Ges. S. S. 78.

Dergl. Str. G. B. 240.

2) Ueber die Dunkelheit der Bestimmung deS Ges. v. 9. Mar; 1853 s. cb. 8. 233. DaS Gesetz sagt auch stier: „Die verstehenden Bestimmungen sinden feine Anwendung, wenn entweder in Ansehung des letzten oder in Anscstung teS früheren Verbrechens oder Vergehens die Straferhöhung wegen Rückfalls gesetz­ lich ausgeschlossen ist (§. 60),

969

Fünfter Titel.

Von dem Betrüge.

8. 239.

Geschichtliche Einleitung. Wohl mehr noch alS in der Lehre vom Diebstahl und vom Raube, hat im Gemeinen Rechte die Lehre von dem Betrüge und

der damit

eng

verbundenen

sich

Fälschung

selbstständig

nach

Deutscher Rechtöanschauung entwickelt und Römische Rechtögrund-

sätze stetS zurückgewiesen.

ES ist dieö um somehr Helvorzuheben,

alS, anders wie in den von der P. G. O. behandelten Lehren

des Diebstahls und Raubes, die gemeinrechtlichen Quellen über Betrug und Fälschung, mit geringen Ausnahmen, nur in dem

Römischen R. zu suchen sind.

Daö ältere Römische R.

keine besonderen Strafbestimmungen für durch Entstellung der

Rechtsverletzungen,

falsum,

Wahrheit,

verübt waren,

hatte die

mit

wenigen Ausnahmen, namentlich in Betreff deö falschen Zeug­ nisses.

Doch herrscht hierüber Dunkel und Streit.

rechtlichen Folgen deö DoluS reichten auS. nicht mehr der Fall.

Nachdem zuerst

eine

Die civil­

Erst spät war dieS lex Sempronia de

falso judicio sehr beschränkte Bestimmungen erlassen hatte, erschien

alS erstes erhebliches Gesetz gegen daS falsum die lex Cornelia de falsis, Strasvorschriften gegen zwei Arten von Fälschung be­ dingend, nämlich gegen die Fälschung von Testamenten und die

von Gold- und Silbermünzen.

mentaria und numaria.

Sie hieß danach die lex testa-

Spätere Senatöconsulte, Interpretationen

der Juristen und Constitutionen der Kaiser dehnten ihre Straf­ bestimmungen auch

auf andere

betrügerische Handlungen

die jedoch nur als quasi falsa bezeichnet

hören namentlich:

wurden').

auS,

Dahin ge­

Bestechung von Zeugen und Richtern, Ver­

einigungen zu falschen Aussagen gegen einen Unschuldigen, Ver-

I) L. 1, §. 13, ad I. Corn, de fals.

970 fälschung von öffentlich beglaubigtem Maaß und Gewicht und Urkunden, Verkauf derselben Sache an Mehrere, Anmaßung eines

Standes u. f. w.').

Die Strafe

war Deportation

mögenöconfiScation, gegen Sklaven der Tod-).

und Ver-

Immer blieben

es nur einzelne Handlungen, die in solcher Weise alS falsa und quasi falsa mit Strafe bedrohet waren.

deö Falfum eristirte nicht.

Ein allgemeines Delikt

Tie bedroheten Handlungen hatten

auch eben keinen anderen allgemeinen Charakter, alö daß sie eben

die Wahrheit entstellende und auf Beschädigung Anderer, nicht bloö

auf Vermogensbeschädigung, abzielende Handlungen waren.

Einigermaßen hatten sic

auch

noch in sofern etwas Ueberein-

stimmendeS, als sie eine Verletzung deS mehr öffentlichen Ver­ trauens enthielten, also als besonders gefährlich für die allge­

Sie hatten in

meine Rechtssicherheit betrachtet werden konnten.

sofern einen gemeinsamen politischen Charakter.

Strafbar waren

die Handlungen für sich allein, vorausgesetzt natürlich, daß die betrügerische Absicht vorhanden war; auf eine durch sie herbei­

geführte Beschädigung kam cs nicht an.

Bei dem wachsenden

Verkehr und der damit steigenden Hinterlist und den dadurch her­

beigeführten

LermögenSbeschädigungen machte sich aber daS Be­

dürfniß allgemeiner, umfassender Strafvorschriften gegen Vcr»

Mögensbeschädigung durch

falsum

immer mehr geltend.

So

bildete sich allmälig mehr und mehr ein crimen cxtraonlinarium

unter dem Namen

crimen slellionatus

auS,

dessen Geschichte

indeß noch sehr im Dunkeln ist, und über dessen Bedeutung auch

noch mehrfach gestritten wird; namentlich in der Beziehung, ob eS nur wieder einzelne Fälle umfaßt, oder ein allgemeines Prinzip

der Bestrafung aufstellt. Ist man berechtigt, das Letztere anzuneh­ men, so umfaßt daS er. stell, jede arglistig-unredliche Vermögens­

beschädigung, die nicht schon alS

besonderes Delict,

auch nicht als falsum oder quasi falsum,

außerdem

strafbar war.

ES

hatte mithin dieselbe strafrechtliche Bedeutung, welche die actio

doli in civilrechtlicher Beziehung hatte.

Wie durch diese Jeder,

der wegen einer Rechtsverletzung durch DoluS keine andere be­

stimmte Klage hatte, fein Recht verfolgen konnte, so sollte bei dem Vorhandensein von DoluS strafrechtlich der Stellionat ein allge-

1) L. 1, §. 2, 1. 21. 27. §. 2, I. 30, pr. 1. 32, h. t. 2) L. 1, §. 13, cit.

971 meines AuShülfeverbrechen darstellen'). DaS er. stell, hätte demnach in Beziehung auf ToluS eine ähnliche Bedeutung, wie daS er. vis in Beziehung auf Gewaltthätigkeit. Die Strafe war Verlust der Ehre und Relegation, bei Geringeren damn. ad melalla. Zur Bestrafung gehörte indeß eine wirklich zugefügte Vermögeiiöbefchädigung1 2).3 4 Außer dem so bestehenden er. falsi und er. stell, waren noch bestimmte einzelne Handlungen, welche auf Beschädigungen durch Täuschung gerichtet waren, alS be­ sondere delicla extraord. mit Strafe bedrohet, so namentlich caluinnia, tergiversalio, praevaricalio, lermini inotio. Nach ihrer EiitslehungSgeschichtc wäre also daS Falsum daö regel­ mäßige, und der Stellionat nur daS Ausnahmcverbrechen. Der That nach war es aber umgekehrt. Der Stellionat stellt sich dar alS der einfache, daS Falsum alS der qualificirte Betrug. Nemlich: Stel­ lionat ist jede durch arglistige Unredlichkeit ’) bewirkte Vermögens­ beschädigung. Falsum (und Quasifalsum) sind dagegen diejenigen, im Römischen R. alS Falsum und Quasifalsum besonders be­ zeichneten Handlungen, die auf eine widerrechtliche Täuschung Anderer zum Zweck einer Rechtsverletzung berechnet sind. - DaS Canon. R. enthält für die Lehre von Betrug und Fälschung nichts Bemerkenswerthes. Daß die Strafe der Betrüger und Fälscher in den älteren Deutschen Rechten eine um so strengere gewesen fei» müsse, je mehr unseren Vorfahren jede Hinterlist verabscheuungöwürdig gewesen, bemerkt schon S. F. Böhmer*). Freilich konnte andererseits bei ihren einfachen Lebens- und Verkehröverhältnissen von Betrügereien wenig die Rede fein. Wir finden daher in den älteren Zeiten nur Strafbestimmungen gegen falsches Zeugniß und Verfälschung von Urkunden. Die Strafen waren gewöhnlich Abhauen der Hand oder Abschneiden deS Daumens. In einzelnen Fällen wurde der Urkundenfälscher sogar geviertheilt. Die Salier indeß bestraften auch daS falsche Zeug-

1) L. 3, §. 1, stellion.

2) ES ergiett sich dies aus der ausdrücklichen Vergleichung deS er. st. mit der actio doli, 1. 1. 3, §. 1, stell. 3) Durch dolus malus.: Jede Handlung, durch welche arglistiger Weise entweder positiv ein Irrthum erregt, oder die Wahrheit verheimlicht wird, 1. 1, §. 2, de dolo malo: „dolum mal. esse omnem calliditatem, fallaciam, maebinationem ad circumveniendum, fallendum, decipiendum alterum adhibitam."

4) Medit. in C. C. 0. Art. 112, §. 4.

972 niß nur mit Geldbuße.

Noch nach den Spiegeln wurde Fälschung

von Maaß, Gewicht oder Waaren mit Leibesstrafen („zu Haut und Haar") bedrohet').

Nach den Wormser Statuten wird der

Fälscher von Urkunden „an seinem Leibe" gestraft; nach denen

deS Landes Hadeln daö erstemal mit Geld, daS zweitemal „ohne Die P. G. £. hebt, eben als pein­

Gnade" mit dem Leben.

liches Str. G- B. nur die schwereren, mithin nur einzelne Fälle von Betrug und Fälschung hervor:

Art.

111

Münzfälschung,

Art. 112 Fälschung von Siegeln, Brief und Registern, Art. 113 Fälschung von Maaß, Gewicht und Waaren, Art. 114

verrückung, Art. 115 Prävarikation.

den

gerichtlichen

Meineid

behandelt

Grenz­

Daö falsche Zeugniß und die

P. G. O.

besonders.

In solcher Weise gestaltet fid) im Allgemeinen daS guellenmäßige Material für die Gemeinr. Lehre von Betrug und Fälschung.

ES

würde danach der Stellionat, abgesehen von den Widersprüchen gegen seinen Umfang, daS allgemeine Verbrechen des Betrugs

in Beziehung auf daS Vermögen sein, soweit er nicht durch die

neben ihm

bestehenden selbstständigen einzelnen

Fälschungen,

Falsa, deS Röm. wie deS Deutschen Rechts, absorbirt wird. —

Bei der Unvollständigkeit der geschriebenen Deutschen Rechtöquellen einerseits und bei der Dunkelheit des Römischen R. andererseits

war cS natürlich, daß namentlid) die ältere Gemeinr. Doctrin eine sonderbar zusammengesetzte Lehre von Betrug und Fälschung aus­

stellte.

Sie wurde mir zusammengehalten

durch

den

geraden

RechtSsinn und daS daburd) gebildete klare Rechtsbewußtsein deö Volkes, daS natürlich von falsurn, quasifalsum und slellionatiis

nichts wußte, desto entschiedener aber die Bestrafung deS Betruges und der Fälschung überhaupt verlangte.

Dem konnte fid) auch

die PrariS der Gerichte nicht, desto mehr mußte sie sich gerade deshalb dem ausschließlichen Geltendmachen deS Römischen R.

verschließen.

Allein

auf anderer Seite wollte doch auch dieses

einmal als rccipirt angesehene Recht sein Recht behalten.

So

wurde es denn freilich ausgenommen, wie eS verstanden wurde, aber auch aceommodirt-

Von Betrug sprach) man wenig, sondern

säst nur von falsum und falsarius, auch die deutsch schreibenden Rechtölehrcr^).

DaS Falsum wurde alö ein allgemeiner Begriff

1) Sachs. Sp. II, 13. 2) Bergt. Melbach, Aum. zur P. G. O. Art. 112.

973 aufgestellt, der Stellionat bildete eine Art desselben. Unter Stellionat stellte man sich dann bald nur diejenigen Betrügereien vor,

die bei Contrakten Vorkommen, bald sah man ihn als eine Art Tech gestand man offen: „Heutiges

von Polizeivergehen an').

Tages hat der ganze Unterschied keinen Nutzen mehr, indem eS

bei den Verfälschungen nicht sowohl auf jene Eintheilung, als vielmehr auf die

Größe

Schadens ankommt,

deö Vorsatzes

und

wonach die Größe deö

des

verursachten

Verbrechens vor­

züglich zu ermessen ist-)." Später fing man auch nach und nach an, neben der allgemeinen Bezeichnung von Falsum oder Fälschung

auch dem Worte Betrug oder Betrügerei sein Recht angedeihen zu lassen'). Unter Fälschung, Falsum (Betrug) überhaupt wurde verstanden

jede widerrechtliche Beschädigung Anderer durch vor­

sätzliche Entstellung der Wahrheit H.

Die Vollendung deö Ver­

brechens wurde überhaupt erst bei wirklicher Zufügung deö Scha­ dens angenommen.

Die Falsa wurden gewöhnlich eingetheilt')

in benannte und unbenannte.

Jene waren die der P. G. O.,

zuweilen auch der lex Corn.

Nach und nach wurde auch eine

Fälschung im engeren Sinne unterschieden und zwar als diejenige,

durch welche Sachen (auch wohl Personen) bestimmte Merkmale, die ihnen werden.

nicht zukommen,

in

betrügerischer

Absicht beigelegt

Ihr entgegengesetzt wurde der einfache Betrug, auch wohl

als Betrug im eng. Sinne6). eine willkürliche.

Die Strafe war in allen Fällen

Die spätereDoctrin, namentlich Kleinschrot,

Grolmann und Feuerbach, fing indeß an, wieder mehr auf daö Römische R. zurückzugehen.

Dabei machte sich denn beson­

ders das unglückliche Streben der Doctrin geltend, das Deutsche

Recht und Rechtsbewußtsein, weil eS ja durch geschriebene Pa­

ragraphen oder Artikel nicht sanctionirt war,- zu ignoriren, desto mehr hingegen dasjenige Recht zu cultiviren und einzubürgern,

1) Vergl. Mekbach a.. a. O., Meister (jun.) pr. j. er. §. 244, Quistorp, P. R., §§. 405 flg., Dorn, Pr Cemm. §. 159, Kress, Comment, in C. C. C., Art. 112, §. 6, Carpzov, pr. 7. c. 2, qu. 133, Nr. 3. 2) Quistorp a. a. O., Dorn a. a. O. Vergl. Kress, 1. c. 3) Klein, P. R., §. 468. 4) Klein §. 469 sagt: „Unter Fäschung (falsum) im weiteren Sinne be­ greift man jeden strafbaren Betrug." 5) Carpzov (nach Damhouder, pr. c.. 119 flg.) theilte noch ein: falsa in persona, verbis, scripto, abusu, qu. 93, Nr. 5 flg. 6) Klein a. a, O., Feuerbach §. 415.

974 daS vor mehr als Tausend Jahren in Rom gegolten hatte.

So

haben wir neuere Lehrbücher des Gem. Deutschen Strafrechts, in

denen man daS Wort Betrug in der Lehre vom Betrüge (Fäl­ schung, Falschheit) vergebens sucht'). Theilweise werden dabei zugleich allgemein philosophische Prinzipien aufgestellt, auf deren

So wird namentlich

Grund die Lehre weiter construirt wird.

mehrfach von einem allgemeinen Rechte auf Wahrheit gesprochen,

das durch den Betrug verletzt werde-).

Andererseits wird zwar

zugestanden, daß nicht jede, wenngleich rechtswidrige Unterdrückung der Wahrheit, sofort das Verbrechen deS Betrugs Herstelle; vielfach

streitet man aber, wo die Grenze zu finden sei.

Die Praris der Ge­

richte hat sich der neueren Lehre nicht angeschlvfien; sie unterscheidet weder falsum noch

slellionatus, noch stützt sie sich auf ein all­

gemeines erzwingbares Recht zur Wahrheit. an die Deutsche

RechtSanschauung,

die

Sie hält sich mehr

einerseits

zwar

nicht

sofort jede Lüge als ein Verbrechen, andererseits aber jeden eigent­ Dabei zeichnet sie zwar na­

lichen Betrug für strafbar ansieht.

mentlich die von der P. G. O. hervorgehobenen Fälle gleichfalls besonders aus, erkennt aber auch außerdem eine größere Straf­

barkeit derjenigen Fälle an, in welchen durch betrügerisches Rach­ machen oder Verändern von Sachen eine Fälschung im engeren

Sinne begangen wird, besonders wenn damit zugleich eine Ge­ fährdung des öffeirtlichen Vertrauens im Verkehr verbunden ist.

In diesem.Sinne hat auch das A. L. R. die Lehre vom Betrüge aufgefaßt, freilich mit einigen Classificirungen und Zuthaten, die

dem Gem. Rechte fremd sind, indem es ihn aber immer nur als

ein Verbrechen gegen daS Vermögen und in gewinnsüchtiger Ab­ sicht verübt, auffaßt.

Es rinterscheidet 1. gemeinen Betrug „in

Contrakten oder sonst im Handel

und Wandel," den eS

dann, wenn er „ein grober" ist, bestraft. erschwerenden Umständen verübt"

nur

2. qualificirten „unter

und zwar a) Untreue

Vormündern, Gesinde, von RechtSbciständen u. s. w.);

(von

b) Fäl­

schungen im engeren Sinne (von Urkunden u. s. w.); c) Betrug mit Verletzung

besonderer

Pflichten

(Rieineid,

falsche Anklage

1) S. hierüber ausführlicher le in ine, tic Lehre »ent Betrugt nach Pr. i)l. (Berlin 1841) 3. 14 sig. 2) Uni fidi von ter Unrid'rißfcir ter Annahme eines seltnen allgemeinen Rcdus auf Wahrheit ;u überzeugen, brau du man nur zu erwägen, taf; dessen (5onseguen; fort au nullte, bei jedem durch rechtswidrige Täuschung begangenen Verbrechen, am (Sitte aud) bei dem G iilmerde eine ('wncurrenz veu Bel rüg anzunchmen.

975 u. s. w.); d) Betrug deS Publikums (Verfälschung von Waaren,

Maaß und Gewicht, Bankerott). Geldstrafe

(poena dupli), ;u

der Regel

Ehrenstrafen

Die Strafe ist regelmäßig nur bei dem qualificirten in

welcher

hinzutreten;

in

den

schwereren Fällen

wird gewöhnlich Gefängniß oder Zuchthaus angedrohet *).

Außer­

dem stellt daS A. L. R. ein Verbrechen deS strafbaren Eigennutzes auf,

unter welches eS eine Menge

gegen das

Vermögen

von polizeilichen Vergehen

stibsumirt, so namentlich Ueberschreitung

polizeilicher Taren, unerlaubte Spiele, unerlaubte Contrakte (mit Soldaten, Minorennen u. s. w.),

Wucher,

ferner Dardanariat,

Erbschleicherei, Büchernachdruck. Die Strafe ist hier in der Regel Geldbuße 2). DaS Str. G. B. hat die Lehre vom Betrüge in fünf Abschnitte

zerspalten,

wobei

eS jedoch den

noch

im

A. L. R. festgehaltenen weiteren Begriff deS Betruges (nament­

lich auch die Fälschung im engeren Sinne umfassend) aufgegeben

hat.

ES behandelt im Tjt. 2t den Betrug (im engeren Sinne);

Tit. 22 die Untreue; Tit. 23

den Bankerott; Tit. 25 den

die

Urkundenfälschung; Tit. 24.

strafbaren

Eigennutz.

So wie eS

danach äußerlich ziemlich die Classtficirung deö A. L. R. festge­ halten hat, so hat eS auch im Ganzen dessen System der Auf­

fassung deS Betruges im weiteren Sinne ausgenommen; nur einer­

seits

mit

der

anzuerkennendcn

Veränderung

der

regelmäßigen

poena dupli in Freiheitsstrafen, verbunden mit bestimmten Geld­ bußen,

und andererseits mit nicht so anzuerkennender Herüber­

nahme mancher Grundsätze aus

dem Französischen Strafrechte.

Jene Trennung der Lehre findet sich im wesentlichen auch schon

in den früheren Entwürfen; die Herübernahme der Franz, rechtl. Grundsätze datirt auch hier erst aus der späteren Zeit der Redaction31).2 Anmerkung.

Str. G. B.

Auch in den sämmtlichen übrigen Deutschen

findet sich keine Spur mehr, die an Falsum und

Stellionat deS Römischen R.

erinnerte.

Ueberall wird

ein Be­

griff des „Betruges" (Waadt: „escroquerie“) aufgestellt, manch­

mal in dem weiteren Sinne deö Gem. R. (Fälschung

im w.

S.), so daß Betrug im engeren S. und Fälschung (im enger. S.)

darunter begriffen werden; jedenfalls aber als Betrug im enger. 1) A. L. R. II, 20, S§. 1256—1268, 1325—1487. 2) A. L. R. II, 20, §S. 1269—1324. 3) Daß zu den mancherlei Unterscheidungen sowohl deS A. L. R. wie deS Str. G. B. ein erkennbarer nöthigender Grund nicht vorhanden ist, bedarf kaum der Bemerkung. Es ist auch in der That nur zu sehr eine verwirrende Kasuistik dadurch herbeigeführt.

976 S. deS Kem. R., so daß Fälschung im enger. S., welche gleich­

falls überall besonders aufgestellt wird (als verübt durch Nach­ machen oder Verändern einer Sache), ihm entgegensteht.

Manche

Str. G. B. haben hierbei auch die weiteren Unterscheidungen, die wir schon im A. L. R. und im Pr. Str. G. B. finden, in gleicher

Kasuistik ausgenommen. hierin noch weiter.

Einzelne,B. Hessen und Nassau, gehen

Am einfachsten sind dagegen auch hier die

meisten Str. G. D. der Schweiz.

§. 240.

Grundsätze. I. Im Gem. 91., in sofern darin noch der Begriff des Be­ truges im weiteren Sinne (auch die Fälschung im engeren Sinne umfassend) ausgestellt wird, ist der Betrug überhaupt zu definiren

Wahrheit

zum Zweck der

rechtswidrigen Beschädigung')

eines Anderen.

alS eine vorsätzliche Entstellung Täuschung

und

der

Er begreift unter sich die eigentliche Fälschung, daS betrügliche Nachmachen oder Verändern einer Sache.

Neber die Vollendung

namentlich ob diese durch das bloße Nachmachen oder Verändern schon eintrete,

oder erst durch eine wirklich,

zugefügten Rechtsverletzung,

wird

zwar

Rechtölehrer fordern aber daS letztere nicht.

vermittelst derselben

gestritten; die meisten Dazu kommt anderer­

seits, daß die Fälschung im eng. S. auch nach Gem. R. nicht bloö auf Vermögensverletzungen sich bezieht.

Deshalb war der

Begriff deS Betruges im w. S. in jener Allgemeinheit aufzustellen.

1) Die altere Doctrin war über dieses (Lrsorderniß überall einverstanden; die PrariS halt neck daran fest; die neuere Dcctrin stellt es fast einstimmig nickt mehr auf. Allerdings erklärt das Rem. R. (willkürlich, wie die neuere Dectriu selbst zugcstcbt, z. B. Hesfter §. 383) manche Handlungen für strafbar, in de­ nen eine Fälschung ebne spezielle Bcnachthciligung eines Anderen vorliegt. Aber einerseits ist dock immer eine Gcfabr einer selchen Benackibeiligung verbanden, und zum anderen fordert die P. G. £., indem sic eie Strafe namentlich von der Große deS verursachten Schadens abbängig mackt, deutlich genug eine wirkliche Rechtsverletzung. Um so weniger darf man, zumal bei dem Festhalten der Praris an der alteren Decirin, den g eure inr echt licken Begriff des Betrugs oder der Fälschung im weiteren, also aucp der im engeren Sinn, in anderer Weise auf. stellen. Die gemeinrecktl. Dccrrin Hal dazu cöcn so wenig eine Berechtigung, als die Prcuß. Dectriu haben würde, Begriffe deS Str. G. B. aus dem Fran:. R. construiren zu wollen. Auch nickt historisch; die Dcmscke Praris (wenn auch die P. G. £. lüer nickt ganz klar sein sollte) bat ebenfalls eine Berechtigung, und nicht allein eine Röm. lex"

977 Der Betrug im eng. S. ist dagegen nach Gern. R.: eine vorsätz­

liche Rechtsverletzung, durch eine auf diese gerichtete Entstellung der Wahrheit und hervorgebrachte Täuschung.

Um den Unterschied

von der eigentlichen Fälschung hervorzuheben, muß dabei bemerkt

werden, daß die Entstellung der Wahrheit in anderer Weise als

bei der Fälschung im eng. unbestritten

Vollendung

S. bewirkt sein müsse, und daß zur

wirkliche

Rechtsverletzung

gehört.



Das Str. G. B. kennt einen Betrug i. w. S. nicht; es fordert ande­ rerseits (wie auch daö A. L. R.) zum Betrüge eine gewinnsüchtige

Absicht, und beschränkt daS Delict auf Vermögensbeschädigung. Der Betrug ist danach: eine rechtswidrige, in gewinnsüchtiger Absicht herbeigeführte Verletzung deS Vermögens eines Anderen

durch

Entstellung der Wahrheit

Täuschung

Verletzten').

deS

1. Eine objective-)

und

dadurch

hervorgcbrachte

II. Die Erfordernisse sind somit:

Entstellung der Wahrheit.

Dieselbe besteht

überhaupt in einem Vorbringen falscher, oder Unterdrücken wahrer

ES

Thatsachen').

ist also immer ein positives

Betrüger- dabei nöthig.

Verhalten deS

Wer bloö durch stillschweigendes Ver­

halten einen auf andere Weise, alö durch seine eigene Handlung verursachten Irrthum benutzt, begeht keinen Betrug.

meinrechtlich

allerdings bestrittene

Erforderniß

Str. G. B. gar nicht weiter bezweifelt werden.

Dieses, ge­

kann nach dem

Einerseits setzt

sowohl Vorbringen, als Unterdrücken (von Thatsachen) ein posi­

tive- Verhalten voraus*); andererseits wird daö Erregen eines Irrthums durch

den Betrüger gefordert;

wer

sich

aber

blos

schweigend, passiv verhält, kann dadurch nie einen Irrthum er­

regen, sondern nur einen anderswie entstandenen, erregten Irr­

thum benutzen ’). Auch abgesehen davon, würde ein blos negatives

1) Str. G. B. $. 241: „Wer in gewinnsüchtiger Absicht das Vermögen eine- Anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorbringen falscher oder durch Ent­ stellen oder Unterdrücken wahrer Thatsachen einen Irrthum erregt, begeht einen Betrug." Diese Definition ist zuerst im Entw. v. 1846. 2) Wer nur meinte, die Wahrheit zu entstellen, gleichwohl objectiv die Wahrheit darstellte, begeht keinen Betrug. 3) DaS Gesetz spricht noch außerdem von einem „Entstellen" der Wahrheit; wer aber die Wahrheit entstellt, der bringt eben Unwahrheit vor oder unterdrückt daS Wahre. Jener Zusatz ist zuerst von der StaatSr. Comm. v. 1846 gemacht. Die Verhandlungen (Prot. v. 7. Mai 1846) schweigen über den Grund desselben. 4) In Beziehung von Unterdrücken wird gestritten, s. Bauer, Lehrb. §. 254. 5) Temme, Betrug, S. 45. Auch die Revision v. 1845 (Bd. 3, S. 34) bemerkte ausdrücklich: „Das Unterdrücken von wahren Thatsachen ist übrigens

Temme, Strafrecht.

62

978 Verhalten nur dann allenfalls

den Thatbestand deS Betruges

Herstellen können, wenn die Rechtsverletzung bei diesem in der Verletzung eines Rechtes auf Wahrheit bestände.

Ein allgemeines

juristisch und gar strafrechtlich zu verletzendes Recht auf Wahr­

heit giebt eS aber nicht.

2. ES muß ein Entstellen der Wahrheit

in Beziehung auf Thatsachen vorhanden sein.

Ein allgeiiieineS

Anpreisen oder Tadeln, ein Hervorheben von Eigenschaften durch

Uebertreibungen n. s. w., reicht, auch nach der PrariS deS Gem. und A. L. R-, zum Thatbestände deS Betruges nicht aus *•). 3. Daß

die Entstellung der Wahrheit mit einer besonderen Arglist ver­

bunden sei, ist nicht erforderlich; sie muß, um deS ferneren Er­ fordernisses, der Erregung des Irrthums willen, nur von der Art

sein, daß sie einen Irrthum erregen konnte r).

4. ES muß durch

die Entstellung der Wahrheit wirklich ein Irrthum erregt, Jemand

getäuscht worden sein ').

5. Der Getäuschte muß der Betrogene,

nemliche derjenige sein, dessen Recht verletzt wird.

ES hat gar

keinen richtigen Sinn, davon zu sprechen, daß auch ein Anderer alS der Betrogene, der Getäuschte sein sönne4).

Denn der Betrug

nicht gleichbedeutend mit „Benutzung eines Irrthums": eS setzt eine Verhin­ derung der Erkenntniß der Wahrheit durch positives Handeln voraus." Dieser Ansicht ist in den späteren Motiven und Verhandlungen nirgends widersprechen. 1) Noch die Motive v. 1847 (2. 77) bemerken ausdrücklich, das Gesetz spreche darum von Thatsachen, um „die Gefahr zu vermeiden, daß allgemeine Anpreisungen, wie sic im Handel gewöbnlich sind, sofort als Betrug betrachtet werden." 2) Der Entw. v. 1813 sordcrtc noch ein „arglistigerweisc" in Irrthum ver sehen. Die Rev. v. 1845 (Dd. 3, S. 34) strich, weil der Ausdruck „zu unbe­ stimmt" sei. Bei jenem Ausdruck hatte man früher das A. V. N im Sinne ge babt, welches gleichfalls 1325, 1326) nicht jeden, sondern nur den „groben" Betrug „im Handel und Wandel" bestrafe. Sehr wahrscheinlich will aber die Vorschrift deS A. L. R. eben nur aussprechcn, daß ein allgemeines Anpreisen :c., im Handel und Wandel nicht sofort als Betrug angesehen werden soll.

3) Bei einem simulirtcn Geschäft kam» nur ein Anderer, als der Eentrahent getäuscht werden sollen. 4) Gleichwohl heißt es nicht nur in den Motiven v. 1847 (2. 77), cö „handelt sich nicht bleS darum, ob gerade der Betrogene selbst in Irrthum ver­ setzt sei;" auch daS Kammergcricht zu Berlin hat so entschieden (Arch. f. Preuß. Str. R., 2. 96). Der Fall, der dem Kammcrgericht vorlag, war: zwei Scharf­ ri chterknechte hatten einen mit vorschriftsmäßiger Steuerwarte versehenen Hund aufgegriffen und dem Scharfrichter mit der Anzeige abgeliefert, daß der Hund ohne Marke gewesen. Der Eigenthümer hatte biernächst dem Scharfrichter für die Einlösung deö Hundes 1 Thlr. bezahlen müssen, und die beiden Knechte hatten davon das Fanggeld erhalten. Das Kamme rgerichl nahm nun an, der Eigenthümer sei zwar der Betrogene, aber der Scharsrichter der Getäuschte, und vcrurtheilte die beiden Knechte wegen Betruges, „da die Fassung des §. 241, Str. G. B., ergebe, daß dieJdendilät des Getäuschten und Beschädigten nicht Voraussetzung deö Gesetzes sei."

979

besteht eben darin, wie Mittermaier richtig bemerkt'), daß der Getauschte durch den bei ibm erregten Irrthum zu einer, fein

Vermögen beschädigenden Handlung oder Unterlassung

verleitet

wird. 6. Es muß eine VermögenSbeschadigung, also die Verletzung eines Vermögensrechtes-), und zwar 7. durch die veranlaßte

Täuschung, hervorgebracht sein. ES liegt hierin von selbst aus­ gesprochen, daß die Vermögensbeschädigung eine rechtswidrige (Rechtsverletzung) durch Beiteln

sein müsse.

vermittelst

verübt werden könne.

Daraus

folgt

aber nicht,

falscher Vorspiegelungen

daß

kein Betrug

Man behauptet dieS gewöhnlich, weil der-

ienige, der ein Almosen giebt, durch die Täuschung in keine Nolbwendigkeit versetzt sei, etwas wegzugeben, daß er vielmehr daS,

was er gab, nur freiwillig gegeben').

Allein der Grund trifft

nicht zu; wer fid) durch falsche Vorspiegelungen zu einem nach

theiligen Kauscontract verleiten ließ, schloß diesen gleichfalls nur

freiwillig ab.

Und am Ende ist daS Schenken eben sowohl ein

Vertrag, wie daS Kaufen und Verkaufen.

And) die Volksansicht

steht nicht entgegen, man erwäge nur daö betrüglichc Collcctiren und daö nicht blos sittliche Verdammen desselben in dem allge­

meinen Bewußtseins.

8. Der DolnS deS

Betrügers — einen

culpofen Betnig kennt kein Gesetz und kein Recht — muß eben ein betrüglicher

sein,

d. h.

darauf gerichtet: «) Jemanden zu

täuschen, l>) ihn durch die Täuschung in einen Bermögenönachtheil zu bringen und c) sich selbst einen unrechtmäßigen VermögrnSvortheil zu verschaffen.

9. Der Betrug ist vollendet erst durch

Vlbcv der Eigenthümer war einfach zugleich der Getäuschte, und zwar durch die beiden Knechte, die sich ihres Herrn nur als (unwissentliches) Mittels jenen zu täu­ schen, bedient batten. 1) Mittermaier zu Feuerbach, §. 411, Note 2. Daher kann auch die Lüge vor Gericht im Prozesse keinen Betrug herstellen. 2) Hierdurch unterscheidet sich der Betrug deS Str. G. B. von dem des Gem. R., das nur überhaupt eine Rechtsverletzung fordert, wobei man freilich nur nicht an ein (juristisches) selbstständiges Recht ans Wahrheit denken darf, so daß zuletzt auch für das Gem. N. nur Verletzung von Vermögens- uiifc Familien­ rechten übrig bleiben möchten, indem alle anderen Rechtsverletzungen durch Hin­ terlist bereits anderen Verbrechen anhcimfallen. 3) Vergl. Geib im N. Arch. f. 1840, S. 210, sowie die die bei Millerinaicr zn Feuerbach, §.412, Note 7. und in Tcmme, Betrug, S. 7t), allcgirkc Literatur. Auch die Preuß. Gerichte entschieden früher so. Vergl. Simon, Rechtssprüche, Bd. I, S. 353 flg. 4) Vergl. Temme, Betrug, S. 77 flg. Freilich ist das bctrügliche Betteln, in soweit eS unter §. 18 Str. G. B. fallt, positiv aus dem Thatbestände des Betruges auSgeschieden.

980 die wirklich zugefügte Beschädigung deS Vermögens, die freilich

unzweifelhaft schon dann vorhanden ist, wenn der Getäuschte eine nachtheilige Rechtsverbindlichkeit übernommen hat; er hat da­

durch sein Vermögen bereits mit einer Schuld belastet, von der eS durch irgend eine Thatsache erst wieder

befreiet werden muß.

Indeß 10. wird durch positive Vorschrift deS Gesetzes auch schon

der Versuch deS Betruges bestraft.

III. Der Betrug ist einfacher

oder qualificirter, in beiden Fällen aber nur Vergehen.

Außerdem

wird noch betrüglicheS Feueranlegen und Vernichten von Schiffen als Verbrechen hervorgehoben.

Versuch in folgenden Fällen'):

A. QualificirteS Vergehen ist der 1. Wenn er durch den wissent­

oder Gewichts auSgeführt ist31).42 5 6 2. Der Betrug bei einem Verkaufe von Gold- oder Silber­

lichen Gebrauch unrichtigen MaßeS

waaren, wenn geringhaltigeres für vollhaltigereö Gold oder Silber verkauft ist3).

3. Betrug durch Auögeben von echtem Metallgeld

für vollgültig, welches der Ausgebende selbst durch Beschneiden,

Abfeilen oder auf andere Art an seinem Werthe verringert hat3). 4. Betrug durch

Auögeben solcher Goldmünzen

für vollgültig,

wenn nicht der Ausgebende selbst sie verringert hat, die Ausgabe

aber gewerbmäßig oder im Einverständnisse mit dem Verringernden geschehen ist3).

5. Betrug dadurch verübt, daß Geldpackete, die

mit einem öffentlichen Siegel

verschlossen und mit Angabe deS

Inhalts versehen sind, zu ihrem vollen Werthe auSgegeben werden, obgleich der AuSgebende weiß, daß sie eröffnet, und ihr Inhalt

verringert worden3).

6. Der Betrug

durch Wegnehmen, Ver­

nichten, Unkenntlichmachen, Verrücken oder sonstiges Falschsetzen eineö Grenzsteins, oder anderer zur Bezeichnung einer Grenze von

1) Str. G. B. §. 243, theils nach dem A. L. R., theils nach dem Franz. Str. G. B. 2) Nach A. L. R. II, 20, §. 1444, und Franz. Str. C9. B. Art. 423. Nach dem letzteren fordert das Str. G. B. auch als Suoject leine Gewerbtreibende.

3) Nach Franz. Str. G. B. Art. 423. treibender gefordert. 4) Str. G. B. §. 123.

Es wird gleichfalls kein Gewcrb-

S. oben §. 180.

5) Ob. §. 180. Das Gesetz sagt „gewohnheitsmäßig;" dies kann aber, fca gewinnsüchtige Absicht nothwendig ist, nur „gewerbmäßig" bedeuten.

6) Nach §. 30, Eire. Berf. v. 26. Februar 1799 u. Eab. O. v. 9. Dezem­ ber 1826 (G. S. S. 122). War außerdem die schriftliche Angabe deS Inbalts verfälscht, so würde daS betrügliche Ausgeben als Fälschung nach Str. G. V. §. 249 strafbar sein.

981 Grundstücken

oder

deS

Wasserstandes

bestimmter Merkmale').

7. Betrug durch Beschädigen, Unterdrücken (oder Entwenden und

Unterschlagen), oder Vernichten von Urkunden, welche dem Thäter entweder

gar nicht,

oder

nicht ausschließlich gehören").

Der

Thatbestand ist nicht auf schriftliche Urkunden beschränkt, wie das eigentliche Verbrechen der Urkundenfälschung. ES würde daher auch die Grenzverrückung thcilweise hierhergehören.

B. AIS Ver­

brechen ist der Betrug qualificirt, wenn er verübt wird durch Ver­ nichtung oder Vorspiegelung einer Vernichtung von Gegenständen, welche gegen Feuer- oder Wassergefahr versichert sind, vermittelst

vorsätzlicher Herbeiführung einer solchen Gefahr^).

DaS Gesetz spricht nur davon, wenn Jemand in betrügerischer Absicht, eine

gegen Feuerögefahr versicherte Sache in Brand seht, oder

ein

Schiff, welches als solches, oder in seiner Ladung versichert ist,

ES leuchtet ein, daß diese kasuistische

sinken oder stranden macht.

Fassung den eigentlichen Gedanken des Gesetzes kaum zur Hälfte hervortreten läßt.

Die Erfordernisse deS Verbrechens sind viel­

mehr: 1. DaS vorsätzliche Herbeisühren einer Feuer- oder Wasser­

gefahr für eine, gegen die eine oder die andere dieser Gefahren versicherte (eigene oder fremde) Sache.

Die Gefahr muß also

wirklich entstanden, eS muß also ein Brand wirklich erregt, daS

Feuer mithin oder

wirklich auSgebrochen, oder

es muß das Schiff

wirklich zum Stranden oder zum Sinken 2. Die herbeigeführte Gefahr darf keine gemeine

dessen Ladung

gebracht sein.

Gefahr sein (s. unten Tit. 11).

3. Daß die versicherten Gegen­

stände von ihr vernichtet oder zerstört seien, ist nicht erforderlich.

In den meisten Fällen der Art (mit Ausnahme versicherter Schiffe), wird vielmehr der Betrug gerade dadurch verübt, daß die ver­ sicherten wurden-').

Gegenstände

vorher

3. ES muß

ein

heimlich auf

die Seite

wirklicher Betrug

geschafft

anSgeführt sein.

DieS ist indeß allerdings durch die Erregung deö Feuerö u. f. w.

1) Die Grenzfälschung (termini motio) des Gem. und A. L. R. P. G. O. Art. 114, A. L. R. II, 20, §. 1404. 2) Nach A. L. R.

II,

20,

1398.

Vcrgl.

Str. G. B. §.

Vergl.

106 und oben

§. 218.

3) Str. G. B. §. 244. Vergl. das. §. 287 und A. L. R. II, 20, §. 1520, sowie hierüber Temme, Betrug, S. 148. 4) Durchaus Brand setzt" u. s. her auSräumt, die Schranke, Wände

unrichtig sagt daher das Gesetz: „wer eine versicherte Sache in w. Der gefährlichste Betrüger, der den gemietheten Laden vor­ versicherten Sachen fortschafft, und dann die nicht versicherten u. s. w. anzündet, würde danach straflos sein.

982

allein der Fall, mag die (zu hoch) versicherte Cache beschädigt

oder vernichtet oder auf die Seite geschafft sein; in beiden Fällen, sobald die Sachen vernichtet oder beschädigt sind, oder alö ver­

nichtet oder beschädigt dargestellt werden, ist die äußerlich faktische

Lage der Sache die, daß die Rechtsverbindlichkeit des Versicherers an sich begründet ist.

IV. Die Straft des Betruges ist:

einfachen: Gefängniß

nicht

Geldbuße von fünfzig

bis zu eintausend Thalern, so wie zeitige

Untersagung

der Ausübung

unter der

mildernden Umständen kann die

einem Monat

1. des

und zugleich

bürgerlichen Ehrenrechte; Straft

bei

auf eine Woche

bis

Gefängniß, oder auch auf bloße Geldbuße von mindestens fünf Thalern ermäßigt werden').

2. DeS als Vergehen qualificirten: Gefängniß nicht unter drei Monaten, und im Uebrigen wie zu 1,

jedoch ohne Zulassung mildernder Umstände. 3. DeS alö Ver­ brechen qualificirten: Zuchthaus bis zu zehn Zähren und zugleich Geldbuße von

einhundert

allen Fällen kann

bis zu zweitausend Thalern.

4. In

zugleich auf Stellung unter Polizeiaufsicht

erkannt werben1 2).3

Anmerkung I.

Das Franz. Str. G. B. (Art. 402 flg.)

straft nur bestimmte betrügerische Handlungen.

Der erste Revisor

deS Str. R. wollte sich diesem Systeme anschließen, und redigirte danach

seinen Entw. (v. 1829).

Schon der Entw. v.

1830

kehrte aber zu der Deutschen Rechtsanschauung zurück, und nahm ein allgemeines Verbrechen des Betruges auf.

Später machten

nur, im Jahre 1847, die Rheinischen Juristen den Versuch, der

Französischen Lehre wieder Aufnahme zu verschaffen. Er scheiterte2). Indeß schwankte man auf anderer Seite. 1841

Die Entw. v. 1830 —

forderten zum Thatbestände des Betrugs

gewinnsüchtige

Absicht, und ließen deshalb auch nur Vermögenöbefchädigung

zu.

Die v. 1843 und 1845 forderten aber weder jene Absicht,

1) Diese harte Strafe des einfachen Betruges, gegenüber der des einfachen Diebstahls, muß aufsalkn. Sie scheint auf einem Barschen zu beruhen. 2m (Simv. v. 1851 war die Strafe des Diebstahls wie die des Betruges bestimmt. Jene fand die (Sonnn, der zweiten Kammer zu bart, und sie milderte. Bei dem Betrüge hat sie sich über die Höhe der Strafe gar nicht speciell ausgelassen (Ber. S. 128). Man sollte daraus auf ein Ueber- also Versehen schließen. Allein dem scheint cntgegenzustehen, daß die Comm. der ersten Kammer (Bericht S. 39) die Strafe des Betrugs „als eine sehr milde" bezeichnet. 2) Str. G. B. SS. 241-245. 3) Vergl. Motive deS (ersten) Revisors, Bd. 4, S. 178. Mot. v. 1833, S. 319, Rev. v. 1845, Bd. 3, S. 394 flg.

983 noch auch diese Beschränkung, und zwar in Folge eines Beschlusses

deö Plenums des StaatSrathS, dessen worden sind').

Motive nicht bekannt ge­

Tie Zmmediat-Comm. v. 1846 ging jedoch auf

den früheren Thatbestand zurück -). Dabei blieb es auch später.— Auffallend ist noch, daß der Entw. v. 1847 noch, gleich früheren,

in Betreff der Betrügereien von Ehegatten, Eltern, Kindern u. s. w. ganz dieselben Vorschriften wie beim Diebstahl

und der Unter­

schlagung enthielt, der Entw. v. 1851 sie aber fortgelassen hat,

ohne daß die Motive etwas darüber sagen, und auch der Gegen­ stand später wieder zur Sprache gebracht ist.

Anmerkung II. Die sämmtlichen neueren D. Str. G. B. fordern zum Thatbestände deö Betruges nicht eine gewinnsüchtige Absicht.

Manche schränken

daher auch den Begriff nicht bloS

auf Verletzungen des Vermögens ein, sondern nehmen ihn auch

bei Verletzung anderer Rechte an, jedoch immer nur bestimmter juristischer Rechte, indem ein allgemeines, durch Straft zu schützendes Recht auf Wahrheit nirgends angenommen wird. So: Bayern 256,

Sachsen 245,

Württemberg 351, Hannover 308, Hessen 391,

Nassau 385, Zürich 239, Luzern 354.

Andere nehmen dagegen

gleichwohl Betrug nur bei Verletzung von Vermögensrechten an:

Oesterreich 197, Braunschweig 224, Baden 450, 458, Weimar u. Meiningen 236, Aargau 161, Schaffhausen 155, Thurgau 238, 240, Freiburg 249. Eine gewinnsüchtige Absicht scheint zu fordern

Waadt282: „Gelui, qui —sc fait remettre quclque cbosc ct

escroque ainsi le bien d’aulrui"31).2

Von einer besonderen

List oder Arglist bei der Entstellung der Wahrheit sprechen nur: Oesterreich,

Thurgau.

Hessen,

Nassau,

Baden,

Aargau,

Schaffhausen,

Dagegen enthalten in Beziehung auf Betrügereien bei

Verträgen beschränkende Vorschriften: Sachsen 246, Weimar und Meiningen 238, Württemberg 353, Hannover 312, Bayern 260; ferner: Hessen 392, Nassau 386, Thurgau 241.

1) Staatkr. Comm. Prot. v. 1842, S. 520. 2) Prot S. 157 flg. 3) Im Entwurf fehlen dir gesperrt gedruckten Worte; die Motive gekea dafür keine nähere Auskunft.

984

Sechster Titel. Von

der

Untreue.

8. 241.

Grundsätze. Gemeinrechtlich giebt cö ein allgemeines Delict der Untreue oder Treulosigkeit nicht. Diese wird nur in einzelnen wenigen Fällen bestraft.

ES gehören hierher namentlich nur die Treu­

losigkeit deS Depositars') (als Unterschlagung), deS Vormundes, welche willkürlich bestraft wirb2), des RechtSbeistandeö oder Rechtsvertreters einer Prozeßpartei (Prävarikation) ’). Das A. L. R.

zählt mehrere einzelne Fälle strafbarer Untreue auf und stellt diese

unter den qualificirten Betrug (s. oben 8.239, S. 974). DaS Str. G. B. ist ihm gefolgt. ES bedrohet die Treulosigkeit gleich­

falls nur in einzelnen Fällen mit Strafe, im Allgemeinen

in

solchen Fällen, in denen der treulosen Person entweder überhaupt

wegen ihres Gewerbes, oder vermöge deS eigenthümlichen beson­

deren Rechtsverhältnisses ein besonderes Vertrauen geschenkt war oder geschenkt werden mußte.

Sie besteht demnach überhaupt in

einem treulosen, d. h. vorsätzlichen rechtswidrigen Handeln ein­

zelner, in einem bestimmten Rechtsverhältnisse stehender Personen zum Nachtheile deS Vermögens derjenigen Personen, denen sie ver­ möge deS bestimmten Rechtsverhältnisses zu einer besonderen Treue

verpflichtet sind*).

Die Erfordernisse ergeben sich hiernach von

1) P. G. O. Slrt.170. 2) R. P. O. v. 1577, Tit. 32, §. 3. Vergl. in Beziehung aus Veranlassung einer schlechten Tutel I. 9, de tutelis. 3) P. G. O. Art. 115. L. 1, pr. §. 1, 1. 3, §. 2 de praevaric. Die Prävarikation im ursprünglichen Sinne deS Röm. R. bestand in dem vorsätzlichen unredlichen Benehmen eines Anklägers, in einer Weise, daß der Angeklagte ein günstiges Urtheil erhalte, I. 1, §. 1 eit. Verschieden davon war die Tergwersation, daS vorsätzliche rechtswidrige Benehmen deS Anklägers, der die erhobene An­ klage fallen ließ, die er durchführen konnte, 1. 1, §. 1. ad ic. Turpill. 4) Str. G. B. §. 246.

985 selbst.

1. AlS Subject werden namentlich die speziell vom Gesetz

benannten Personen gefordert, nemlich: a) Vormünder, Curatoren, Sequester, b) Mäkler,

TestamentSerecutoren, Güterbestätiger,

Verwalter

Schaffner

von

Stiftungen;

und andere Gewerbe­

treibende, welche zur Betreibung ihres Gewerbes von der

Obrigkeit besonders verpflichtet (also nicht bloö roncessionirt) sind').

Daß eine Ausdehnung auf andere Personen nicht

zulässig erscheint,

versteht sich bei der historischen Singularität

deS Delikts und der Spezialität des Gesetzes von selbst1 2).3 2. Die genannten Personen müssen als solche, also in den durch ihre Eigen­ schaft begründeten NechtSvcrhältniffen, treulos gehandelt haben. 3. DaS treulose Handeln kann, indem eS hier eben auf Erfüllung

übernommener Verbindlichkeiten und Verpflichtungen ankommt, auch in bloßen Unterlassungen bestehen.

4. Es muß einen Vermögens­

nachtheil2) herbeiführen, 5. und zwar gegen diejenigen Personen,

welchen der Handelnde vermöge jener

erwähnten Eigenschaften

und der dadurch begründeten Rechtsverhältnisse zu der besonderen

Treue verpflichtet ist4).5

6. Der Doluö muß auf Benachtheiligung

der erwähnten Personen gerichtet sein.

Gewinnsüchtige Absicht

ist nicht erforderlich; sie qualificirt nur das Delikt.

7. Vollendet

ist daS Delikt nur durch wirkliche Zufügung deS Nachtheils2).

Der Versuch deS Delikts ist nicht mit Strafe bedrohet. — Die

Strafe der Untreue ist Gefängniß

nicht unter drei Monaten,

sowie zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehren­ rechte; bei einer gewinnsüchtigen Absicht zugleich Geldbuße von fünfzig biö zu eintausend Thalern.

Außerdem hat daS

Gesetz

noch die sonderbare Vorschrift, daß, wenn durch die Handlung

1) Drrgl. Gew. D. v. 17. Juni 1845, §§. 51—53 und §§.27, 42 flg. 2) Daß der Vater, wenn er als wirklicher Curator sein Kind behandelt, hierher gehört, ist nicht zu bezweifeln. Die Comm. der ersten Kammer wollte die, ihr zweifelhaft erscheinende Frage lediglich der PrariS überlassen (Str. S. 40). Die Untreue der Rechtsbeistände wird als Amtsdelikt behandelt, Sir. G. B. §. 314. 3) Es ergiebt sich dies theils aus der Stellung des Delikts unter den Ver­ brechen gegen LaS Vermögen, theils aus dessen historischer Bedeutung. 4) Wenn daS Gesetz neben der Person auch noch von Sachen spricht, so kann dem nur eine unklare civilrechtliche Auffassung zu Grunde liegen. Der Testam. Erec. z. B. ist der, nur vom Testator bestellte Mandatar deS Erben, und eine Stiftung ist eine juristische Person, sofern sie nicht in einer anderen juristi­ schen Person (welche alsdann der Verwalter u. s. w. vertreten würde) Eigenthum sich befindet. 5) Wenn sie „zum Nachtheil handeln." S. indeß oben §. 240, II, 6.

986 eine härtere Strafe begründet sei, die Grundsätze von der idealen

Conmrrenz der Delicte eintreten sollen'). Anmerkung I. Der Titel von der Untreue fand

auch in den früheren Enlw.

sich

Nur der von 1851 hatte ihn auS-

gelaflen, ohne daß die Motive Gründe angeben.

Die Comm.

der zw. Kammer nahm ihn wieder auf, jedoch in der gegenwär­ tigen Beschränkung, welche namentlich die in den früheren Enlw. noch mit ausgesührten HauS- und Wirthschaftöbeamten, Gewerbe­ gehülfen, Dienstboten und Beamte von Aetien-, Handels- und

anderen Gesellschaften auSließ.

Als

Grund

wurde

angegeben

(Ser. S. 129), weil nur die unter den Betrug nicht fallende Untreue solcher Personen zu strafen sei, bei welchen die Verpflichtung zu

besonderer Treue zwar nur auS einem Privatrechtsverhältnisse ent­

springt, welche jedoch „mit einem öffentlichen Charakter bekleidet

sind,

wenigstens

unter

öffentlicher

Autorität wirken."

Dieser

Grund trifft freilich nicht überall zu. — Der Zusatz in Betreff der idealen Concurrenz findet sich

in den früheren Entw. nicht.

Der Ser. der zw. Kammer giebt keine Auskunft darüber, warum

sie ihn gemacht hat. Anmerkung II.

Von den neueren D. Str. G. B. haben

nur wenige ein Delikt der Untreue im Sinne des Pr. Str. G. B.

aufgestellt; eö sind dies, und zudem nicht ohne Modifikationen: Hessen 407, Nassau 401, Baden 535 flg., Bayern 295 (das indeß

auch die Bigamie hierherzieht), Thurgau 276, Waadt 287 flg.

1) ES ist freilich dabei feftzuhalten, daß die Untreue in den zum Thatbestände gehörigen Eigenschaften und Rechtsgeschäften vcrgencmmen sein muß; eS hat da. her keinen Sinn, wenn behauptet wird, der schwere Diebstahl und der Menschen, raub deS Vormundes gegen den Pflegebefohlenen feien zugleich immer Untreue; sie sind das eben niemals.

987

Siebenter Titel Von der Urkundenfälschung.

8. 242.

Grundsätze. 1. In der gemeinrechtlichen Doctrin') wird cilö Fälschung

im engeren Sinne unterschieden und dem Betrüge im engeren Sinne entgegengesetzt diejenige Fälschung,

welche

verübt wird

durch ein vorsätzliches rechtswidriges Nachmachen oder Verändern

einer Sache, in einer Weise, daß Nachmachen und Verändern den äußeren Sinnen nicht erkennbar sein, die Sache vielmehr durch ihre unmittelbare Einwirkung auf die äußeren Sinne als eine echte, nemlich alö eine nicht nachgemachte oder nicht veränderte sich darstellen, und dadurch eine Rechtsverletzung eines Anderen

herbeigeführt werden soll.

Mit dem falsum deö Römischen R.

(nach der I. 'Corn.) fällt diese Fälschung zwar nicht zusammen;

wohl hat aber ihre besondere Hervorhebung ihren Grund in der alten und steten Deutschen Rechtsanschauung, welche diese Fäl­ schung immer für eine schwerere Art deS Betruges angesehen hat,

theils wegen der größeren Niederträchtigkeit der Gesinnung, theils

wegen der größeren objectiven Gefährlichkeit, die sowohl durch die Anwendung von Mitteln, welche eine Entdeckung der Täuschung

erschweren, als anch dadurch hrrvortritt, daß meist Gegenstände deS Verkehrs, an welche das allgemeine Vertrauen besonders geknüpft ist, den Gegenstand bilden. Wie der Betrug überhaupt nach Gem. R., so braucht auch diese Fälschung weder gerade auf eine VermögenS-

beschädigung gerichtet, noch auS gewinnsüchtiger Absicht geschehen zu sein; eS genügt die dolose Rechtsverletzung überhaupt nach

den Grundsätzen vom Betrüge.

Streit ist über ihre Vollendung.

Nach einer Meinung soll daS Verbrechen vollendet

1) S. ohn §. 239.

sein durch

988 das bloße Nachmachen oder Verändern; nach einer zweiten durch den mit dem verfälschten Gegenstände gemachten Gebrauch; nach

einer dritten erst durch die wirklich zugefügte Rechtsverletzung, Die Prariö hat immer daS letztere, in der

wie beim Betrüge.

neueren Doctrin wird meist daö

zweite

angenommen').

Nach

Vorschrift der P. G. O. Art. 112, 113, 114 hat daS Gem. R. die Fälschung von Maaß, Gewicht und Waaren, von Urkunden aller Art und von Grenzzeichen für

besonders schwer erachtet.

Bei anderen Fälschungen kamen diese nur mehr alö Erschwerungögrund deS verübten Betruges in Betracht1 2).3

Mitunter wurde

nicht blos eine Fälschung von Sachen, sondern auch von Per­ sonen angenommen, wenn z. B. Jemand sich Titel, Würden u. s. w. beilegt, die ihm nicht zukommen').

Auffassung überall angeschlossen.

DaS A. L. R. hat sich dieser

ES führt namentlich mit schwe­

reren Strafen alö denen deS Betrugs im e. S. auf4): 5 6 die Ver­

fälschung von Urkunden, die Anmaßung deö Adels, von Titeln und Würden, falsches Spiel, Goldmacherei (mit Wahrsagerei) und Grenzverrückung, sämmtlich in betrügerischer Absicht vorge­ nommen').

DaS Str. G. B. hat hier den Standpunkt des Gem.

und A. L. R. verlassen und sich meist auf den des Französischen

R. beschränkt, freilich ohne dessen Kasuistik vollständig mit hcrüberzunehmen').

ES hebt nur die Fälschung

von Urkunden,

und zwar nur von schriftlichen Urkunden hervor; dabei ver­ läßt eS den landrechtlichen Grundsatz, daß die Fälschung zur Ausführung eines Betruges, also einer DermögenSbeschädigung in gewinnsüchtiger

Absicht, geschehen sein müsse.

Andererseits

1) Vera!. £ em nie, Betrug, S. 136 flg. Nach Röm. R. ist daS eigentliche Falsum burqj die betrübliche Handlung, der Stellicnat durch die Rechtsverletzung vollendet, f. oben §. 239.

2) Wie wiederum noch andere Fälschungen zugleich unter andere Gesichts­ punkte genommen und als selbstständige Verbrechen ausgestellt wurden, z. B. die Münzfälschung, ist geeigneten Orts vorgetragen. 3) Nach 1 13, pr., 1. 27, §. 2, ad 1. Corn, de fals. 1. un C. de mut. nom. Vergl. Meister (jun.), pr. §.243, Qinstorp, P. R., §.411, Klein, P. R., §. 468.

4) A. L. R. II, 20, §§ 1377 flg. Es charakterisirt die Fälschungen: „Bcttügereien, welche aus eine vorzüglich listige und schwer zu entdeckende Weise ver­ übt worden." 5) Die Verfälschung von Maaß, Gewicht und Waaren qualificirt es in an­ derer Weise, als Betrug deS Publikums.

6) Franz. Srr. G. B. Art. 145—152, ferner An. 153—165.

989 erweitert eS aber den Deutsche.

Begriff der Urkundenfälschung

durch die Aufnahme der Französischen s. g. intellektuellen Fälschung.

Freilich bezieht sich diese nur auf einen singulären Fall, der auch als solcher

in der dogmatischen Darstellung behandelt werden

muß, und daher bei der Begriffsbestimmung überhaupt nicht in Betracht kommen kann.

II. Die Urkundenfälschung deS Str. G. B.

ist danach die vorsätzliche rechtswidrige Nachmachung oder Ver­ änderung einer schriftlichen Urkunde und der Gebrauch derselben zu dem Zwecke, um durch diesen Gebrauch Jemanden zu täuschen

und ihm irgend eine Rechtsverletzung zuzufügen').

Die Erfor­

dernisse sind hiernach: 1. Eine schriftliche Urkunde. Nach positi­ ver Vorschrift deS Gesetzes ist unter dieser zu verstehen: „jede Schrift, welche zum Beweise von Verträgen, Verfügungen, Ver­

pflichtungen, Befreiungen oder überhaupt von Rechten oder Rechts­ verhältnissen von Erheblichkeit ist."

Das Entscheidende für den

Begriff der Urkunde besteht also darin, daß sie a) ein Beweismittel für Rechte oder Rechtsverhältnisse irgend einer Art, und b) daß

sie ein solches geschriebenes Doeument ist, d. h. überhaupt ein von menschlicher Hand gefertigtes bleibendes Zeichen, durch welches unmittelbar erkennbar ein Zeugniß

Umstand gegeben wird.

Auf welchem

über

irgend

einen

Stoff und in welcher

Form das Zeichen hergestellt wird, ist gleichgültig.

Auch das

Kerbholz ist eine schriftliche Urkunde; ebenso der eingeschlagene

Waldhammer, Stempel, Siegel (z. B. auf Waaren gedrückt, siehe jedoch unten IV. u. 8. 243), nicht aber der Grenzstein, wenn er

nicht etwa besondere Zeichen trägt, welche unmittelbar erkennbar

die von ihm anzuzeigende Grenze wirklich

anzeigend.

2. Die

Urkunde muß gefälscht, d. h. in einer Weise nachgemacht oder verändert sein, daß sie gleichwohl als eine echte, also als eine

nicht

nachgemachte

oder

nicht

veränderte

sich

darstellen

soll.

Erwägt man den Begriff der Urkunde, so ergiebt sich von selbst,

worin diese Fälschung eigentlich bestehen muß.

ES kommt hier

auf die Echtheit der Firirung eines Zeugnisses an, nemlich

daß das Zeugniß so niedergeschrieben, alS eS abgegeben worden.

1) Str. G. B. §§. 247, 248. 2) Um den Begriff der schriftlichen Urkunde richtig aufzusaffen, darf man fteilich nicht an die Kasuistik denken, die das Str. G. B. an anderen Stellen ausstellt, wenn eS z. D. §§. 75, 77, 10*2 u. s. w. der „Schrift" den „Druck, Zei­ chen, Bildniß oder andere Darstellung" entgegensetzt.

990 Zu dieser Echtheit gehört, daß

daS

jenigen Person herrührt, alS von

Zeugniß wirklich von der­ welcher

herrührend cS

be

zeichnet ist, also auch, daß es so bleibend firirt, niedergeschrieben ist, wie eS von dieser Person abgegeben war.

Enthält eine

Ur

künde in dem einen oder dem anderen von diesen beiden Momen­ ten etwas Unrichtiges, so ist sie eine gefälschte').

Andere Un­

richtigkeiten der Urkunde beziehen sich aber nicht auf die Echt­

heit der Schrift, sondern nur auf die Glaubwürdigkeit

des Zeugnisses, also nicht unmittelbar auf die Urkunde, son auf den wirklichen, in derselben richtig benannten Zeugen, dessen Moralität n. s. w. und haben mit einem Der dern nur

ändern oder Nachmachen der Urkunde gar nichts zu schaffen.

Diese Unterscheidungen

sind so

klar und einfach, und in der

Natur der Sache so begründe«, daß auch die allgemeine NechtS

anschauung nie darüber geschwankt hat.

Eine schriftliche Lüge

ist danach keine Urkundenfälschung, und als diese auch nie dem allgemeinen NechtSbewußtscin erschienen.

bewußtsein ist daher auch

die s. g.

Dem Deutschen NechtS

intellektuelle Fälschung der

Französischen Jurisprudenz nie alS Urkundenfälschung erschienen. Unter faux intellertuel versteht die Französische Jurisprudenz dir

nicht für den äußeren Sinn wahrnehmbare Falschheit (also den Gegensatz von faux materiel), und darunter namentlich auch den

Fall der richtigen Niederschreibung eineS unrichtigen Inhalts, also die einfache schriftliche Lüge-).

3. Positiv ist indeß vorgcschrieben.

1) (?S verficht sich danach von selbst (Str. G. B. §. 248), daß die fälsch, liche AuSsiillniig eines von einem Anderen unterschriebenen Papiers (Blankett) eine eigentliche Urknndensälschung enthält. 2) DaS Fra»;. Str. ti). B. kennt diese intellecinelle Fälschung nur bei ösfent lichen Urkunden, Art. 145—147. Daß die ganze Franz, (Amheiluug seinen legi scheu Boden hat, leuchtet schon dadurch ein, daß sie zu tet inlelleetueuen Fälschung auch teil Fall rechnet, wenn eine falsche Person als Aussteller der Urkunde vor geschoben wird. Um so verwerflicher erscheint der Versuch, sie in einer Deutschen Nechtswiffenschast einbürgern zu wollen. Gemeinrechtlich würde schon 1. 13, §. I. ad I. Corn, de fals. entgegenstebeu, die ausdrücklich erklärt, daß eine bloße Lüge in einer Urkunde fein Falfnm sei. Nur eine solche d'üge iiegt aber in dem im Tert genannten Falle vor. Wenn dagegen eine falsche Person alS Aussteller der Urkunde vorgeschoben wird, so liegt ein Gleiches nicht immer vor, neinlidi nur in dem Falle, Wenn diese Person die Urkunde nicht unterschreibt oder sonst unter zeichnet. Unterschreibt oder unterzeichnet sie diese, so ist sie nunmehr der eigen: liche Verfertiger der Urkunde, und diese rührt von einer ankeren Person Hernals von Welcher verrührend sie bezeichnet ist: eS ist ein unmittelbar den äußeren Sinn täuschendes falsches Zeichen (Schrift) da. Nur wenn die Person nicht unterzeichnet, die Urkunde also von einem ankeren Aussteller herrührt, ist knrch die unrichtige Benennung der Person, welche die niedergeschriebene Erklärung abgegeben habe, eine bloße tilge da. Dann kann man aber auch diese Person nicht den eigen! lichen Aussteller der Urkunde nennen.

991 daß auch dann eine Urkundenfälschung da sein solle, wenn in öffentlichen') Urkunden von dem (wahren) Aussteller derselben unrichtige Thatsachen niedergeschrieben werden, also eine schriftliche Lüge begangen wird, möge die Unrichtigkeit die Person, deren Erklärungen niedergeschrieben werden, oder den Inhalt dieser Erklärungen betreffens. 4. Die gefälschte Urkunde muß gebraucht sein. ES genügt aber auch bloS der Gebrauch von Seite desje­ nigen, der die Fälschung kennts). 5. Die Fälschung (und der Gebrauch) muß geschehen sein zu dem Zwecke, um Jemanden da­ mit zu täuschen und 6. diesem dadurch eine Rechtsverletzung zu­ zufügen 41).52 3Von welcher Art die Rechtsverletzung sei, ob sie Rechte deö Vermögens oder andere Rechte betreffe, ist gleichgültig. ES wird daher auch keine gewinnsüchtige Absicht erfordert. Die Unterscheidung voll dem einfachen Betrüge leuchtet hiernach ein. Immer muß aber auch hier ein bestimmtes juristisches Recht verletzt sein, und dem Deutschen Rechtsbewußtsein gegenüber darf eS nie gelingen, von einer Verletzung deS öffentlichen Interesses als von einer Rechtsverletzung hier zu sprechen s. 7. Der DoluS 1) Ueber den Begriff der öffentlichen Urkunde unten III. 2) Str. G. B. §. 252, nach dem Franz. Str. G. B. Art. 146, 147: „Wer bewirkt, daß Verhandlungen, Erklärungen oder Thatsachen in öffentlichen Urkun­ den, Büchern oder Registern als abgegeben oder geschehen bekundet werden, wah­ rend sie gar nicht oder in anderer ÄZcise oder von anderen Personen abgegeben oder geschehen sind." Es kann nach der allgemeinen Fassung jener doppelte Fall vorliegen, einmal der schriftlichen Lüge, zum anderen, in sofern die als Aussteller aufgeführte Person unterzeichnet, der der eigentlichen Fälschung. Für Privatnrfunien bleibt der in der Definition der Fälschung angegebene Deutschrechtliche Grundsatz. 3) Str. G. B. §. 249. Auch gemeinrechtlich 1. 2, 1. 27, §. 2, ad 1. Corn, de fala. I. 4. C. si reus vel accusator. Mit offenbarem Unrecht will Besel e r, Ccm. S. 488, (and) reale) Concurrenr im Falle deS §. 252 annehmen, wenn der Falscher zugleich Gebrauch von der Urkunde machte. Der Gebrauch wird ja eben in allen Füllen der Urkundenfälschung gefordert; bis dahin ist auch im tz. 252 nur Versuch da. 4) „Sich oder Anderen Gewinn zu verschaffen oder Anderen Schaden zuzu­ fügen." Die unrichtige Fassung leuchtet ein: die Schadenzufügung (Rechts­ verletzung) wird in allen Fallen erfordert. 5) Bekanntlich geschieht dies in der Franz. Jurisprudenz, die es als eine Rechtsverletzung ansieht, wenn durche falsche Urkunde ein Rekrut dem Militairdicnste entzogen wird. Freilich hat der Verfasser auch in Preußen schon Ankla­ gen auf Fälschung gesehen, da Jemand durch falsche Urkunden die Aufnahme älS Staatsbürger erlangt hatte; dem Staate sollte ein Schaden zugefügt, und er sollte dadurch an seinem Rechte verletzt sein Eö blieb freilich fraglich, welcher Schade und welches Recht. Daß das Str. G. D. unter der Schadenzufügung (Rechts­ verletzung) im §. 247 nicht eine solche Verletzung des öffentlichen Interesses ver­ stehen kann, beweisen die in den §§. 254 fig. ausgestellten Fälle, von denen schon Beseler, (Sonnn. S. 482, mit Recht bemerkt, daß sie mit der Urkundenfälschung verwandt seien.

992

geht hiernach nur dahin, durch die Fälschung und den Gebrauch der

gefälschten Urkunde Jemanden zu täuschen und an seinem

Rechte zu verletzen.

Durch das Hinzutreten der gewinnsüchtigen

Absicht erhält daS Verbrechen jedoch keinen anderen Charakter').

8. Vollendet ist die Urkundenfälschung durch den Gebrauch der

falschen Urkunde31).42 5 Es ist also nicht erforderlich, daß wirklich eine Täuschung, oder gar eine Rechtsverletzung (Schadenzufügung)

hervorgebracht sei.

Unstreitig ist aber Versuch durch den vollen­

deten Act der Verfälschung vorhanden,

da der Thatbestand deS

vollendeten Verbrechens auch durch diesen Act mit hergestellt wird.

Weil dieser aber für sich

allein

den

vollen Thatbestand nicht

herstellt, so kann um so weniger, so lange daS Verfälschen blos versucht wird, von einem Versuche deS Verbrechens, sondern nur

von einer vorbereitenden Handlung gesprochen werden3). III. Die Urkundenfälschung ist für die Strafzumessung eine dreifach ver­ schiedene.

1. Einfache.

Urkunde gefälscht ist.

Gesetz positiv3):

2. Qualificirte, wenn eine öffentliche a) AlS öffentliche Urkunde bezeichnet das

1) Urkunden, welche mit der Unterschrift deS

Königs oder mit dem Königlichen Jnsiegel auSgefertigt sind3). 2) Urkunden, welche von Staatsbehörden, Gemeinden oder Kor­ porationen deö Inlandes oder Auslandes, von inländischen oder

ausländischen Beamten, oder von solchen Personen, welche nach

den Gesetzen deS Inlandes oder Auslandes öffentlichen Glauben haben, ausgenommen, auSgefertigt oder beglaubigt werden (siehe unten b.) 3) Bücher, Register, Kataster oder Inventarien, welche

unter amtlichem Glauben geführt werden. TodeSwegen (also

trockene),

4) Verfügungen von

5) Wechsel (gezogene wie rechtliche Begriff einer öffentlichen

auch Codicille).

b) Der (Prozeß-)

Urkunde ist durch diese positiven Vorschriften weit überschritten. Er

kommt nur bei Nr. 2 u. 3 in Betracht und ist da nach den allgemeinen

1) Die gemeinrechtliche Contrcverse ist hierdurch für daS Pr. Str. G. B. entschieden.

2) DaS Gesetz sagt ausdrücklich in Feststellung deS Thatbestandes: „sich — Gewinn zu verschaffen oder" u. s. w. Man muß eben für ideale Concurrenz schwärmen, um sie auch hier zu finden. 3) Daß ohne gemachten Gebrauch ein strafloser Rücktritt von dem Versuche nur dann anzunchmen sei, wenn zugleich die Vernichtung der gefälschten Urkunden hinzutrete, ist ein durchaus willkürliches Verlangen. 4) Str. G. B. §. 251. 5) „AuSgefertigt;" Privatschreibeu deS KöngS, also auch alle „Catinetschreiben" an Privatpersonen in Privatangelegenheiten, gehören demnach nicht hierher.

993 RechtSgrundsätzen zu entscheiden'). c) Daß der Begriff der Oeffentlichkeit auf andere Urkunden als die genanten, nicht ausgedehnt wer­ den kann, versteht sich bei der Specialität deS Gesetzes von selbst, um so mehr alS d) den positiv aufgeführten Scripturen ein gemein­ samer Charakter, der für ihre Auszeichnung maßgebend gewesen sein könnte, nicht beiwohnt-). 3. Milder ausgezeichnet (als Ver­ gehen), ist die Anfertigung unächten, oder Verfälschen ächten Stempelpapiers, sowie der Gebrauch desselben. Dem Stempel­ papier sind gleichgestellt Postfreimarken und gestempelte BriefcouvertS41).52 3IV. Die Strafe der Urkundenfälschung ist: 1. der einfachen, Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und zugleich Geldbuße von fünfzig bis zu eintausend Thalern. Wird jedoch festgestellt, daß mildernde Umstände vorhanden sind, so ist die Strafe (muß also erkannt werden, auf) Gefängniß nicht unter drei Monaten, und zugleich Geldbuße nicht unter fünf Thalern; auch kann auf zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werben4). 2. Der qualificirten, Zuchthaus bis zu zehn Jahren, und zugleich Geldbuße von einhundert bis zu zweitausend Thalern. 3. Der milder ausgezeichneten, Gefängniß nicht unter drei Monaten, sowie zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte$). Affmerku ng I. Die Entw. bis 1847 einschließlich hatten sämmtlich den Begriff der Fälschung mehr im Gemeinrechtlichen Sinne aufgefaßt. Der Entw. v. 1836 hielt noch daran fest, daß die Fälschung zur Ausführung eines Betruges geschehen sein

müsse. Zuerst der Entwurf von 1841 brachte die gegenwärtige Auffassung, die seitdem immer festgehalten wurde. Sonderbar war nur der Grund, der dafür angegeben wurde (Prot. der

1) A. G. O. I, 10, §. 123: „Oeffentliche Urkunden heißen diejenigen, wel­ chen eine vorzügliche Glaubwürdigkeit um deswillen beigelegt ist, weil die Aus­ steller derselben im Staate dazu bestellt sind, dergleichen Urkunden auszunehmen und zu bekräftigen." DaS „im Staate" gilt für das Str. G. B. nunmehr auch von dem Auslande. In vielen Fallen wird (auch bei inländischen Urkunden) die Frage der Oeffentlichkeit eine quacstio facti sein. 2) Wollte man von einem Ansprüche auf erhöhtes Vertrauen im Verkehr sprechen, so wäre z. B. nicht zu ersehen, totmtm die HandlungSbücher fehlen. 3) Str. G. B. §. 253. Ueber die Frage, ob zur Vollendung des DelictS der wirklich gemachte Gebrauch nöthig sei, s. d. flg. §. 4) Gesetz v. 9. März 1853 (Ges. S. S. 79). 5) Str. G. B. §. 250—253. Ueber die Frage, ob die Verordnungen vom 6. Juni 1835 und 4. Juli 1840 noch gültig seien, s. den flg. §.

Lemme, Strafrecht.

63

994 „Ferner hielt man

Staatör. Eomm. v. 184t, Bd. 3, S. 402):

eö nicht für richtig, wenn gesagt wurde: „„zur Ausübung eines Betruges""; vielmehr war man der Meinung, daß dieser PassuS

durch die Worte: „„um sich oder Anderen Vortheil zu verschaffen oder auch nur um zu schaden" " ersetzt werden müsse, da entgegen­

gesetzten Falles die unrichtige Ansicht entstehen könnte, daß außer dieser rechtswidrigen Absicht und außer der Fälschung auch noch

ein Irrthum erregt werden müsse, was doch zum Thatbestände

deS Verbrechens in keiner Weise erforderlich sei." — Der Entw. v. 1836

sprach auch noch

allgemein

von

einer

Urkunden­

fälschung, und zuerst der von 1841 forderte eine schriftliche

Urkunde.

Auch dies aus einem sonderbaren Grunde (Prot. das.

S. 412).

Der Entw. v. 1836 sagte nemlich: „wer eine Schrift

oder Urkunde nachmacht." wirrung

entstehen könne;

die

Man fürchtete, daß hieraus Ver­

Gesetzgebung verstehe

bestehende

unter Urkunden alle Arten „schriftlicher Nachrichten und Aussätze," die ohne Rücksicht aus den ursprünglichen Zweck ihrer Abfassung

zum Beweise einer Thatsache dienen können; eS würden deshalb wenn man

alle Bedenken beseitigt, in diesem Sinne feststelle.

den Begriff einer Urkunde

Zuerst der Entw. v. 1846 nahm den

allgemeinen Ausdruck „Urkunde" wieder aus; die Prot. der StaatSr.

Comm. geben aber keine Auskunft darüber.

Der Entw. v. 1851

brachte die gegenwärtige Fassung, welche, nach Anleitung deS

Franz. Str. G. B. Art. 147,

schon im Jahre 1847 von

den

Rheinischen Juristen vergebens beantragt, von dem Ver. ständ. Auösch. ).

4. Die Gefahr muß als Erfolg der Handlung sich darstellen. — Faßt man so den Begriff der gemeinen Gefahr auf, so ergiebt

sich auch von selbst und einfach daS Verhältniß deö DoluS zu Der verbrecherische DoluS muß allerdings auch den

derselben.

Erfolg der Handlung mit umfassen. Die gemeine Gefahr bei Verbrechen besteht aber blos in der Wahrscheinlichkeit der näher

beschriebenen Beschädigung, nicht in dem wirklichen Eintritt der

letzteren.

ES ist daher von vornherein falsch, zu verlangen, daß

der Dolus deS Verbrechens auf die Hervorbringung solcher Be­ schädigungen gerichtet sein müsse, und eS ist nichts überflüssiger, als hier die an sich widersinnige AuShülfe nehmen zu

wollen

der indirecte oder indeterminirte DoluS genüge dazu. Der DoluS

bei den gemeingefährlichen Verbrechen kann vielmehr in Beziehung aus die gemeine Gefahr nur allein in dem Bewußtsein bestehen, daß die gemeine Gefahr, also die Wahrscheinlichkeit der beschrie­

benen Beschädigung auS der Handlung entstehen werde. Bewußtsein

bei Vornahme der Handlung ist

Diese-

ein sehr bestimm­

tes; eS genügt aber auch, denn eine Wahrscheinlichkeit kann man nicht auch noch herbeiführen wollen.

ES muß aber andererseits

unbedingt gefordert werden, also auch in jedem Falle erwiesen

fein1 2). — Daß der Charakter der Str. G. B.

nicht klar aufgefaßt ist,

gemeinen Gefahr auch im wird sich bet Darstellung

der einzelnen hierher gezählten Verbrechen ergeben.

Diese sind:

1) Wie ein Prcuß. Schriftsteller dem testen Revisor de- Str. G. B. nach­ schreibt; dieser tetzterc nennt nemlich (Motive v. 1828, Bd. 4, @.391) gemeinaefährliche Verbrechen diejenigen, „welche in ihrem Erfolge dergestalt unbestimmt find, daß es nicht in des Verbrecher- Willkür liegt, wen er dadurch beschädige, und wie weit der Schaden reiche." Aus eine solche Willkür kommt aber gar nicht- au. 2) Hier noch Präsumtionen aufstrllen zu wolle», wäre geradezu widersinnig. Man kann in dieser Hinsicht nicht genug vor den gewöhnlich verbreiteten An­ sichten warnen. So will i. B. Bcseler, Com. S. 523, bei der Brandstiftung nicht einmal einen Nachweis der gemeinen Gefahr selbst fordern, also nothwendig noch weniger da- Bewußtsein derselben in dem Thäter. Am weitesten geht Goltdammcr, Mater. Bd. 2, S. 634, der znm Glück dabei so verworren und roll Widersprüche ist, daß wenigsten- die Unrichtigkeit seiner Behauptungen sofort einleuchtet.

1046 1. Brandstiftung,

3. Beschädigung von

2. Ueberschwemmung,

Eisenbahnen oder Telegraphenanstalten, 4. Verletzungen der Sicher­

heit der Schifffahrt, 5. Vergiftung von Brunnen u. s. w.: 6. Ver­ letzungen der Anstalten gegen ansteckende Krankheiten, 7. Nicht­

erfüllung von Lieferungsverträgen für das Heer.

Von den D. St. G. B. haben eine allge

Anmerkung.

meine Gattung gemeingefährlicher Verbrechen nur hervorgehoben Sachsen, Weimar und Meiningen, Luzern und Freiburg.

Allge­

mein rechnen sie Brandstiftung

dahin,

und Ueberschwemmung

nur theilweise (Sachsen und Weimar u. Meiningen) auch gemeingefährliche Vergiftung.

Erster Titel.

Von der Brandstiftung. §. 257.

Geschichtliches. In dem älteren Röm. R. scheint daS incendiuin längere Zeit

nur als ein damnum injuria datum ausgefaßt zu fein, daS später unter den Gesichtspunkt der lex Aquilia fiel.

Bestritten ist, ob

eS schon als besonderes Verbrechen in den zwölf Tafeln hervor­

gehoben sei').

Erst später wurden einzelne

stifrung besonders mit Strafe bedrohet,

Arten der Brand-

»ind zwar theils unter

dem Gesichtspunkte der lex Corn, de sicar., besonders wenn ein

Menschenleben bedrohet war, theils unter dem der lex Jul. de ei, namentlich wenn sie war.

später

durch Zusammenrottung Mehrerer verübt

Regelmäßig wurde

aber

auck)

die

nur die

vorsätzliche,

ausnahmsweise

fahrlässige Brandstiftung

bestraft.

Sie

Strafe der vorsätzlichen war Tod, in einzeliren Fällen Feuertod, in leichteren Fällen eine gelindere außerordentliche Strafe-, Strafe der fahrlässigen war gewöhnlich Züchtigung-). Rechte war

die bööliche

Brandstiftung

Zm Deutschen

immer ein Verbrechen.

DaS ältere Recht bestrafte boshafte „Brenner" mit dem Schwerte, „Mordbrenner" mit dem Rade, 1) 2) §. 12, 3)

Vergl. 1. Vergl. J. de poen. Vergl. z.

seltener

mit dem

Feuertode').

9, de incend. und Re i n, (5r. R. d. Röm. S. 706. 1, ad 1. Corn, de sic. 1. 5, ad 1. Jul. de vi publ. 1. 28, 1. 11, de incend. B. Sachs. Sp. II. 13, §§. 4, 5.

1047 Ueber diese Begriffe

ist

Streit.

Wahrscheinlich waren

Mord­

brenner überhaupt diejenigen, die das Verbrechen mit besonderer

Bosheit verübten, also namentlich zur Nachtzeit oder sonst heim­

lich mit Gefahr für daS Leben Anderer.

Der Brand, der in

„ehrlicher Fehde" geschah, war straflos, wie die Fehde selbst. Sehr kurz ist die Vorschrift der PO.'). Diese kurze Vor­ schrift hat in Verbindung mit den mitunter dunkelen Vorschriften

des Röm. R. eine unbeschreibliche Verwirrung in Doctrin und

PrariS des Gem. R. gebracht.

Schon darüber ging man aus­

einander, ob die P. G. O. alle Fälle der vorsätzlichen Brand­ stiftung mit dem Feuer bestrafen wolle und daS Röm. R. also hier ganz beseitigt habe, oder ob sie dieseö wolle beibehalten wissen. Die letztere Meinung nahm dann an, daß der Feuertod nur in den Fällen eintreten solle,

drohe2).

in denen ihn auch daS Röm. R. an»

Diese Ansicht kam aber erst später auf').

Jene erste

hatte, nachdem Carpzovö strenge Anwendung derselben verlassen

war, nur das Verfallen in gewöhnlicher Weise auf allerlei Mil» derungsgrunde zu Grunde *). Namentlich kam die Lehre von einer

besonderen Gefahr auf, die mit der Brandstiftung für Menschen verbunden sein müsse.

Nur, wenn sie vorhanden, wurde die To­

desstrafe zugelassen; wo sie fehlte, sei nur damnum injuria da­ tum da, daS arbiträr zu bestrafen sei.

Ueber die Natur der Ge­

fahr war man natürlich verschiedener Meinung. Bald wurde überhaupt periculum reipublicae ct civiuma), bald aber auch entweder eine solche Gefahr oder periculum vitae hominis6)

gefordert.

Nach

und nach

bildete sich daraus die oben (s. d.

v. 8.) erwähnte Lehre von der gemeinen Gefahr heraus.

Dabei

1) P. G. O. Art. 125: „Strass der breitnc r. Item, die boShafftigen überwunden brenncr sollen mit dem fewer vom leben zum todt gericht werden." 2) Zur Zeit der P. G. O. strafte die PrariS mit dem Rade, die Substituiruug des Feuertodes war also eine Milderung.

3) Nicht aber erst im Anfänge dcS 19. Jahrh., wie Wächter Lehrb. §. 204, Nr. 5. meint. Schon O-uistorp P. R. §. 201 bezeugt sie als eine verbreitete. 4) Cft auch auf bloße willkürliche Mildentngen. So lehrt Dorn Cem. §. 128 kurz und bündig: „Man restringirt die Strafe des Feuers nur auf famose berüchtigte Brenner, oder wenn andere qualificinc Umstande dabei Vorkommen; die übrigen werden geköpft." 5) Böhmer in C. C. C. Art. 125, Nr. 2. Meister »en. §. 157, jun. §. 203. 6) Engau, Eiern. §. 426, Koch, Inst. §. 519.

1048 erhielt sich indeß immer vorherrschend die Ansicht, daß

nicht in

allen Fällen, ausschließlich eine gemeine Gefahr nothwendig,

sondern auch Gefahr für daS Leben eines Menschen ausreichend

sei.

Eine oder die andere Gefahr wurde aber immer erfordert.

Diese Ansicht hat sich auch erhalten'), wobei

in neuerer Zeit

immer mehr die Meinung die Oberhand gewonnen hat, daß die

P. G. O. hier dem Römischen Rechte nicht derogire"). — DaS

A. L. R. hat sich auch hier im Wesentlichen dem Gem. R. ange­ schlossen.

ES saßt daS Verbrechen hauptsächlich unter dem Ge­

sichtspunkte der Gefahr für daS Leben auf und bestraft danach schwerer oder leichter, jenachdem mehr oder weniger Menschen­

leben in Gefahr gekommen sind — im schwersten Falle mit dem Feuertode. — Außerdem hat eS aber auch den Gesichtspunkt einer

gemeinen

Gefahr

für

Eigenthum.

Dabei

ist

eS

überall in

hohem Grade kasuistisch; von einem Thaler Schaden mehr oder

weniger hängt eS z. B. ab, ob Todesstrafe oder nicht, ob lebens«

wierige oder nur zeitliche Freiheitsstrafe.

Wo weder Gefahr für

Leben, noch gemeine Gefahr für Eigenthum, da ist auch nach dem A. L. R. eine Feueranlegung nur als gewöhnliche Vermö-

1) Vergl. Henke, Handb. §. 158, Heffter, Lehrb. §. 377, Abega, §. 400, Marezoll §. 143, Martin §. 178. Andere Meinungen haben z. B. Feuerbach §. 362 und Salchow §. 405, die nur an einem Wohngebäude Brandstiftung zulaffen; ferner Wachter §. 204, Nr. 24, der nur an Gebäuden, sowie B^au er §. 275, der eigentliche und uneigentliche Brandstiftuna unterscheidet, jene nur bei einer Gefahr für die Person Anderer, die zweite aber bei bloßer Gefahr für Sachen gnnehmeu und diese dann nur als Beschädigung fremder Sachen bestrafen will. (Gewöhnlich versteht man unter der eigentlichen Brand, stiftuna die mit Gefahr für Leben, unter uneigentlicher die mit (gemeiner) Ge­ fahr bloö für Eigenthum.)

2) Nach dem Rem. R. wird hinsichtlich der Strafe der vorsätzlichen Brand, stiftung unterschieden: I. Tie Brandstiftung in einer Stadt au einem Gebäude (auch mit der Gefahr für ein Gebäude) wird mit dem Tode bestraft, und wenn sie praedae causa vel ob inimicitias geschehen, l gewöhnlich) mit dem Feuer­ tode. 2. Die Brandstiftung außerhalb einer Stadt an einem Wohngebäude wirt gelinder bestraft, mit öffentlichen Arbeiten oder Relegation, wenn nicht nach der lex Corn, oder lex Jul. de vi Todesstrafe begründet war. Dabei waren örtliche und persönliche Besonderheiten berücksichtigt; zu jenen gehört namentlich die aus­

nahmsweise Hervorhebung einer Brandstiftung an einem anderen Gegenstände als an einem Gebäude, nemlich an Fruchten auf dem Halme, in Afrika und Mysien. Beral. über das Gesagte 1. 9, de incend. 1. 1, 10 ad leg. Corn, de sic. 1 16, §. 9, 1. 28. § 2, 12 de poen. 1. 3, §. 3, 5, 1. 5, pr. ad 1. Jul. de vi publ. Paul. Sent. rec. V. 20, §. 1, 2. — In der Gemeinrechtl. PrariS pflegt man zu unterscheiden: 1. Tic qualificinc Brandstiftung, mit Gefahr für zusammenliegende Wohngebäude, gleichviel ob in Stadt oder Dorf; die Strafe tst Feuertod, neucrdiligS "das Schwert. 2. Tie einfache Brandstiftung, mit Gefahr für einzelnstehende Wohngebäude oder andere Aufenthaltsorte für Menschen; Strafe: einfache Todesstrafe, später, wenn kein Leben verloren war, langwieriges

1049 genSbeschädigung zu bestrafen *).

Es zeigt sich, wie gering im

Grunde die Bedeutung der gemeinen Gefahr bei der Brandstif­ tung sowohl nach dem Gem., wie nach dem A. L. R- ist. Dasselbe

ist der Fall nach dem Sir. G. B., daö

die Brandstiftung im

Ganzen-) im Sinne des A. L. R. auffaßt, sie gleichwohl eben­ falls durch die ihr gegebene Stellung als vorzugsweise gemein­ gefährliches Verbrechen charakterisirt.

Anmerkung I.

Wie man bei der Gesetzrevision von An­

besonderen Titel

fang an einen

„von gemeingefährlichen Ver­

brechen" aufgestellt, so nahm man auch von Anfang an die Brandstiftung darin aus, die überhaupt im Ganzen fortwährend eine gleiche Bebandlung gefunden hat Anmerkung II. In den D. Str. G. B. wird zwar daS Verbrechen der Brandstiftung im

Einzelnen vielfach verschieden

behandelt, so daß in dem einen Deutschen Lande Todesstrafe oder

vieljährige Zuchthausstrafe eintreten muß oder kann, wo in dem anderen nur geringe Freiheitsstrafe erkannt werden kann.

wohl

ist die Auffassung

im Ganzen

überall dieselbe,

Gleich­ die der

Prariö deS Gemeinen Rechts, und nur hauptsächlich daS unglück­ liche Specificiren

und Distinguiren führt zu jenen exorbitanten

Verschiedenheiten.

8. 258.

Begriff und Erfordernisse. Brandstiftung nach dem Str. G. B. ist daö (vorsätzliche oder fahrlässige) rechtswidrige Anzünden eines Gegenstandes mit Gefahr für daS Leben eines oder mehrerer Menschen, oder mit

gemeiner Gefahr für das Eigenthums.

Erfordernisse sind danach:

I. Zn Ansehung deö Objects: Dieses kann sein jeder Gegenstand, wel­

cher der Zerstörung durch Feuer fähig ist. l. Von welcher Beschaffen-

Zuchthaus. 3. Die uneigeutlichc Brandstiftung wen» bleS (Gefahr für Eigenthum (außer schlierten), wobei aber immer gemeine (Gefahr gefordert wurde: Wald-, Feld-, Moor-Brand, Strafe: kürzere Zuchthausstrafe. 4. Andere Brandstiftung wird mir als einfache Vermogensbeschädigung bestraft. — Die fahrlässige Brand­ stiftung wird willkürlich bestraft.

1) A. L. R. II. 20. 88- 1510 flg. 2) Eine erhebliche, den DcluS betreffende bervorgehoben werden.

3) Str. G. B. 88- 285, 286.

Verschiedenheit sann erst im flg. §.

1050 heil derselbe sei, ist an sich gleichgültig; eS gehören hierher un­

bewegliche wie bewegliche Sachen. ob die Sache

einem Dritten

2. ES ist auch gleichgültig,

oder

Anzündenden gehört.

dem

II. In Betreff der Handlung: 1. Die Sache muß angezündet, also

durch Feuer in Brand gesetzt sein.

Auf welche Weise, ob und

durch welche Mittel, Vorrichtungen und Anstalten dies geschehen, ist gleichgültig.

2. Nach positiver Vorschrift deS Gesetzes *) gehört

hierher und gilt also alS Anzünden

den Gebrauch

von Pulver

oder

auch daS Zerstören durch

anderen erplodirenden Stoffen

(z. B. Schießbaumwolle), und zwar gleichviel, ob durch eigent­ liches Anzünden oder in anderer Weise, z. B. Zersprengen. 3. Daö

Anzünden muß ein rechtswidriges sein.

Bei dem Erforderniß

einer Gefahr für Leben oder Eigenthum wird diese Rechtswidrig­ keit immer vorhanden sein, wenn nicht ein besonderer Grund

für die Rechtmäßigkeit vorliegt, z. B. im Kriege. zünden muß eine Gefahr

für

das Leben eines

III. DaS An­ oder mehrerer

Menschen, oder eine gemeine Gefahr für Eigenthum zur Folge

haben-).

1. Die Gefahr für das Leben') wird a) in einigen

Fällen fingirt, nemlich bei der Anzündung aa) eines Gebäudes, eines Schiffes oder einer Hütte, welche regelmäßig zur Woh­

nung von Menschen dienen; bb) von Räumlichkeiten aller Art^), welche zeitweise

zum Aufenthalte von Menschen

dienen,

wenn das Anzünden zu einer Zeit geschehen ist, in welcher ge­ wöhnlich

Menschen

sich

darin

auszuhalten pflegen'),

b) Zn

beiden Fällen wird zur Begründung der Fiction deS Gesetzes er­

fordert, daß die Räumlichkeit wirklich (faktisch) und zwar zur Zeit

der That

alö

regelmäßige

Wohnung

Aufenthaltsort für Menschen diene.

oder als zeitweiser

Außerdem fällt daS Erfor­

derniß deS Thatbestandes: Gefahr für Menschenleben, "ganz fort6).

1) Str. W. B. §. 289, midi rein jyroti;. Str. @. B. An. 435. 2) Bei ter Revision pflegte man nur überhaupt von einer „gemeinen Gkfabr" ru sprechen, sowohl in Beziehung ans Menschenleben, als auf Eigenthum. Revis, v. 1845, Bt. 3. S. 81, v. 1847, S. 96. 3) Daß hier von ter Gefahr für Sintere, alö ten Brandstifter, die Rete ist, betarf kaum ter Bemerkung. 4) „Gebaute, Schiff, Hütte, Eisenbahnwagen, Bergwerke et er aiitere Raum, lichkeiten." 5) Rur zum Ueberfluß tarf bemerkt werten, taf; auch Wohnung et er Aufent­ halt eines einzigen Menschen genügt; ter Thatbestand ter Brandstiftung wird schon durch tie Gefahr für taö Vebcn auch nur (Sineö Menschen hergestellt. 6) „Welche — tieneu," sagt taö Gesetz. Die Fiction tritt also nicht ein und ter Thatbestand der Brandstiftung fehlt, wenn z. B. ein (ifclirt stehendes)

1051

c) Ist die Fiction aber begründet, so ist sie so absolut bindend, daß auch der Beweis, zur Zeil deö Feuerö habe (aus­ nahmsweise) Niemand seine Wohnung oder seinen Ausenthalt in der Räumlichkeit gehabt, den Thalbestand nicht ausschließt. (I) Dem Anzünden mit Gefahr für Menschenleben ist positiv gleichgestellt daS Anzünden eines zum Gottesdienste') bestimm­ ten Gebäudeö; eö ist hier an die Stelle der Gefahr für Men­ schenleben die Heiligkeit deö Orteö gestellt. Wie daher jene Fiction hier sortfällt-), so muß andererseits daö Gebäude zur Zeit deö Brandes schon oder noch seine Bestimmung zur Aus­ übung deS Gottesdienstes darin haben, e) Von selbst versteht sich, daß in allen Fällen die (fingirte) Gefahr für Menschenleben (so wie der Verletzung der Heiligkeit deS religiösen OrteS) in gleicher Weise vorhanden ist, wenn auch nicht unmittelbar die erwähnten Räumlichkeiten, sondern ein anderer Gegenstand in Brand gesetzt worden ist, der vermöge seiner Beschaffenheit und Lage geeignet ist, jenen daö Feuer mitzutheilen'). ES ist hierbei nur zu beachten, daß eS sich hier um eine doppelte Gefahr handelt, um die für jene Räumlichkeiten, und durch diese um die für Menschenleben; wie die zweite fingirt wird, wenn die

lu'iicö Haus noch flar nicht bezogen war, edcr ivcmi das schon bewehrn gewesene Haus leer steht, ebne Bewohner, gleichviel cb wegen Verfalls edcr ans einem anderen Grunde. Ans dem angegebenen Grunde fehlt auch Fiction und Thatbestand, wenn die Räumlichkeit nur dem Beibrecher selbst zur ^9ohnung oder zllm Aufeiuballt dienlc: cs baudcll stch uur um eine Gefahr für das Vcbfii An­ derer bet der Brandstiftung. Gs ist dies bestritten; allein der Grund: es könne ein fremder ebne Lotsten des Thäters cingetretcn sein, paßt auch für ein Ge­ mäuer, das uech im Ban begriffen ist, edcr für ein verfallenes und verlassenes Geballte, am Gndc für Ställe, Heuschober u. s. w. Das Gesetz siebt (und kann sehen) nur ans das Gewöhnliche, Regelmäßige, nicht aus Ausnahmen und Zufälligkeiten. Der Grund aber, das; das Str. G. B. nicht unterscheidet (llrtb. des Rev. Hof. im I. M Bl. f. 1852, S. 379), verdient hier wiffenschaftlich keine Beachtung. Bcrgl. auch nech Str. G. B. 8. 290, we bei ganz ähnlichem That­ bestände hinsichtlich der Gefahr, ausdrücklich „Gefahr für daö Vtbni Anderer" gcferdcrt wird.

1) Die, nur zur BcrcHruug ven Heiligett dienenden sog. Heiligenhauser im Freien, an Bandstraßen u. s. w. in katholischen Gegenden,' geboren also nicht hierher. 2) Sonderbarerweise gab die Sraatsr. Gomm. v. 1846 (Prct. S. 179), von welcher der (im (Zntw. v. 1845 aus dem v. 1843 gestrichene) Zusatz her­ rührt, als Grund au, daß cs sich hier um eilte „aus dem Brande einer Kirche entstehende große Gefahr" handele.

3) Str. G. B. 8- 287. Ben selbst versteht cs sich, daß eö sich hier um ein eigentltchcS Feucranlegen an einen selchen zur Mittclursache dienenden Gegenstand handelt, so das; von einem bloßen Anzünden des Brandmatcrials zum Fcueranlegen, nicht die Rede ist. Bergl. 1.9. de incend.; „acervumve frumenti juxta domum.“

1052 erste vorhanden ist, so muß diese erste in jedem einzelnen Falle

besonders

feststehen.

2. In Betreff der gemeinen

Gefahr

fi'ir

Eigenthum ist hier unter Verweisung auf 8. 256, nur noch zu

bemerken: DaS Gesetz nimmt sie an, wenn Schiffe,

Gebäude,

Hütten, Bergwerke, Magazine, Vorräthe von landwirthschaftlichen Erzeugnissen,

Bau-

oder

Brennmaterialien,

Früchte

aus dem

Felde, Waldungen oder Torfmoore, welche fremde- Eigenthum

sind, oder Sachen, welche vermöge ihrer Beschaffenheit und Lage

geeignet sind, den genannten Gegenständen daS Feuer mitzutheilen, in Brand gesteckt worden').

ES sind dieS einerseits nur Bei­

spiele, so daß auch andere Gegenstände dahin gehören können'). Andererseits handelt eS sich hier nicht um eine Fiction, eine ge­ meine Gefahr muß wirklich in dem

einzelnen Falle vorhanden

fein'), waS freilich in der Regel vermöge der Beschaffenheit der

aufgezählten Gegenstände von selbst der Fall sein wird, z. B. der Torfmoore, Waldungen u. s. w.^). IV. Die Brandstiftung kann

vorsätzlich oder fahrlässig geschehen.

Zu der Fahrlässigkeit gehört

ein leichtsinniges oder fahrlässiges Handeln, durch welches gegen den Willen des Handelnden daö Feuer entstanden ist.

Der Grad

der Culpa kann abstrakt nicht festgestellt werden5*).* * *In Beziehung

auf den Doluö stellt sich nach dem Str. G. B, gegenüber sowohl dem Gem. R. alS dem A. L. R., eine erhebliche Verschiedenheit heraus.

Nach den letzteren wird erfordert einerseits die Absicht

zu beschädigen, entweder an der Person oder dem Vermögen eineS

Anderen'), und andererseits das Bewußtsein der Herbeiführung

1) Str. G. B. §. 286. 2) Warum z. B. nicht große Waarenlager, die gerade nicht in einem Ge­ bäude ansbewahrt werden? Beim (5r. Ger. in Berlin kam der Fall deS nächt­ lichen Anzündenö von Frachtwagen auf der Chaussee vor, deren eine große Reibe beisammen gewesen war. 3) Darum ist daö Erk. deö Ob. Drib. v. 16. Jan. 1852 (lLnlsch. Bd. 22, S. 75, und Arch. s. Pr. Llrafr. S. 261), begründe!, nicht aber well „Heu ans Wiesen (cö war ein ifoliitcr Heuhaufen, zum Werthe vcit 3 11)li. 10 Gr. angezündct), nicht zu den Fruchten auf dem Felde gehen.

4) Daher kann denn auch daö Anzünden eines unbcwebnlen Gebäudes nicht für sich, sondern nur unter der Bedingung des Borbandenseinö einer eigentlichen gemeinen Gefahr alö Brandstiftung angesehen werden. Außerdem liegt blos ge­ wöhnliche Vermogensbeschädigung vor. 5) Tas Rem. R. fordert in der Regel culpa lata, 1. II, de incend. 6) P. G. O. Art. 125: „boßhaffrige Brenner." A. L. R. II. 20, §. 1510: „um dadurch Jemanden zu beschädigen." Die älteren Gemcinrechtl.

1053 entweder einer Gefahr für das Leben von Menschen, oder einer

gemeinen Gefahr für Eigenthum.

Daö Erforderniß jener Absicht

hat aber das Str. G. B. unzweifelhaft aufgegeben.

ES fordert

eben nur den Vorsah des Anzündens, des in Brand Setzens '),

verbunden mit

nur der

dem

Bewußtsein der

Wahrscheinlichkeit

bezeichneten Gefahr,

einer Beschädigung.

ES

ist

also

näher

bemerken:

1.

In Beziehung

denö: a) Eö

ist

die Absicht deS Thäters erforderlich, daß der

zu

auf die

Absicht deS

Anzün-

Crimmaliste» sprachen diesen Charakter des Dolus geradezu aus, vergl. z. B. Meister ^un. $. 205, Ouiflorp §. 108, Dorn §. 127. Auch noch Klein, §. 490 und Grolmann §. 450. Die Neueren scheinen aber dieses Erfordernis wie klar eS auch in den Quellen ausgestellt ist, ganz aufgegebcn zu haben. Entweder charakteristren sie den DoluS hier überhaupt nicht näher, als daß sie eben Vorsatz deS AnzündcnS (oder der Erregung einer Feuersbrunst, wie Feuer­ bach 8.364) und dabei das Bewußtsein jener Gefahr fordern, die Absicht zu beschädigen also geradezu ignoriren. Oder eS wird geradezu ausgesprochen, daß „der DoluS hier nur im Bewußtsein bestehe, daß durch das angewandte Mittel Feuer bewirkt werden kann, und im Vorsatz, daß an einer Sache, welche im gesetz­ lichen Sinne Gegenstand der Brandstiftung sein kann, Feuer entstehe," wie Mittermaier zu Feuerbach, §. 364, Note 1. Man concentrirt somit Alles auf die Ge­ fahr, also aus die bloße Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung. Dabei muß in­ deß anerkannt werden, daß einzelne neuere RechtSlehrcr. wenngleich sie das Erferderniß der Absicht zu beschädigen auch nicht aufnehmen, doch in anderer Weise den DoluS hier richtiger bestimmen wollen. So verlangt v. Woringen im Arch. deS Er. R. f. 1843, S. 415, „daß der Wille, wenn dolose Brand­ stiftung da sein soll, darauf gehen mußte, daß daS angelegte Feuer weiter bren­ nen sollte." Er läßt zwar zweifelhaft, ob er dieö auf den angezündeten Gegen­ stand beziebt, oder ob er ein Weiterbrennen zur Entstehung der s. g. gemeinen Gefahr will. ES scheint jedoch auS dem Znsammenhage 'hervorzugehen, daß er nur jenes meine. Vergl. auch Oscnbrüggen das. f. 1850, S. 612, 613. Zu bedauern ist desto mehr, wenn man auch in der Lehre von der Brandstiftung die verderblichen Theorien von dem unbestimmten DoluS so häufig wieder finden muß. 1) „Wer vorsätzlich — in Brand setzt." Nur der Entwurf v. 1830 sprach von einem „rechtswidrigen Vorsatze," wobei man an die Absicht einer Be­ schädigung denken könnte. Aber man sand in dieser Absicht zu beschädigen ein — Motiv (!) und schon die Motive v. 1833, S. 401, bemerkten, daß es bloß auf den Vorsatz Brand zu stiften ankomme, und der Entw. von 1833 ließ daS Wort „rechtswidrig" fort. Seitdem forderte man in den Motiven so entschieden nur den Vorsatz des Brandstiftens, daß sogar in denen von 1845, Bd. 3 S. 81, und von 1847, S. 97, einem Monitum der Brandenb. Stände gegenüber, bemerkt wurde, die Strafe der vorsätzlichen Brandstiftung müsse eintreten, wenn Jemand auch nur in der Absicht, um den Verheerungen der Raupen ein Ziel in setzen, seine eigenen Schonungen oder Torfmoore anzünde, vorausgesetzt nur, daß eine gemeine Gefahr vorhanden sei. So hat der an sich, nach den Quellen, wie nach dem allgemeinen Rechtsbewußtsein vollkommen richtige Gedanke deS Erfordernisses einer gemeinen Gefahr in seiner Verkennung und Uebertreibung gerade das, und zwar in Ueber­ maß wieder herbeigeführt, was er beseitigen sollte: eine völlig prmziplose Härte. Eines der schwersten Verbrechen im RechtSbewußtsein des Volkes ist dadurch einem Polizeidelict nahe gebracht, das man mit Hülfe des „unbestimmten DoluS" (f. unten) mit dem Tode bestrafen kann, auch wenn Jemand keine andere Absicht hatte, als „den Verheerungen der Raupen ein Ziel zu setzen." Freilich trägt die neuere Gemeinrechtliche Döctrin durch ihre conftmdirende Auffassung ein gut Theil Mitschuld an solchen straftechtlichen Extravaganzen.

1054

anzuzünbenbe Gegenstand durch das Feuer ganz oder theilweise zerstört werde. Eben weil eine Absicht zu beschädigen nickt weiter erforderlich ist, muß, damit eins der schwersten Verbrechen in dem allgemeinen Rechtsbewußtsein nicht lediglich zu einem Polizeidelict werde, an dem Erforderniß einer Zerstörung um so mehr festgehalten werden, als auch die Worte des Gesetzes dieses an­ zeigen'). ES ist also unter allen Umständen die Absicht der Er­ regung einer eigentlichen Feuersbrunst (unten) erforderlich1 2).3 b) Auf diesen nemlichen Dolus kommt es auch in dem Falle an, wenn (nach Str. G. B. 8. 287) nur ein Gegenstand angezündet werden soll, der vermöge seiner Beschaffenheit und Lage erst geeignet ist, die eigentliche Gefahr für Menschenleben oder gemeine Gefahr für Eigenthum herbeizuführen, c) Auf daö Motiv deS Thäters kommt gar nichts an. ES kann Rache, Bosheit, Muth­ wille, Gewinnsucht, erlaubte oder unerlaubte, sein '). 2. 3« Be­ ziehung auf daö Bewußtsein der Gefahr, a) Der Tbäter muß eine Kenntniß der zum Thatbestände der Brandstiftung erforder­ lichen Gefahr haben, also auch derjenigen thatsächlichen Umstände, durch welche diese in der Wirklichkeit, oder durch die Fiction des Gesetzes bedingt wirb4), b) Mit dieser Kenntniß, im Bewußtsein

1) „In Braud seist" tev §§. 285—-87 mit „^ersten" tcc §. 289, Str. CM. B. Hut Korrelate. Tab er nur sann au cf) für tic fahrlässige Brandstiftung in Be Vebuik3 auf teil iS'rfcl^ im §. 2>8 fein Unrersd'iet flemaebr fein (f mir.). 2) Jene Falle, welche tie Teerriu deö (neueren) CMem. N. in fe vielfadx Verlegenheit setzen (v. 'M»erringen im Ares) deo (>r. N. f. 1831, S. 205 ft^.), wenn Zeinant nicht aue^ehrcdienee Feuer angelegt harre, ,,uid)t in terVlbfidn eine Feuere briinft zu verurfad'eii, f ent ein nur theile andere Personen in 'ikrtad'i zu bringen, theile and) nur Possen und Sd'abernad’ zu treiben und die deine in Angst zu setzen," wobei das Feuer sogar „fe vorsichtig angelegt war. daß ein Vluebrnd) nicht er. folgen konnte," können nad) dem Str. (M. B. unzweifelhaft nur ald Polizei Übertretungen (§. 347) angesehen werden. Nach den richtigen Grmidfatzen deo (Mein. 9L (sowie nad) dem A. V. !)t.) ist fd'on vermöge ted nothwendigen Zusam nientreffend von Dolud und Thatbestand deo vollendeten Verbrechern', der Tdiw auf Zerstörung (Beschädigung) turd) daö Feuer nothwendig. Früher war darüber and) fein Zweifel. 3) „Um den Verheerungen der Nauven ein Ziel zu fetzen," s. ob. - (St wird geftritten, ob bei dem Anzünden der eigenen versicherten Sache zum Zwecke der Gewinnung der Versichemngogelder eine (soneurrenz von Brandstiftung und Be trug da sei V Bon einer idealen (Sonenrrenz hier zu fvred'en, hat allerdings feinen Sinn. Aber eine reale (>oneurrenz, wenn ter Brandstifter die Gelder fordert mit dabei den Brand ale einen statutenmäßigen Grund feiner Fordermig vorsviegelr, kann gewiß vorhanden sein So wird auch wohl der im Areb. f. Pr. Strafe., S. 261, völlig unklar mitgetheilte Fall zu verstehen sein. 4) (St muß also bei der fingiften Gefahr für Menschenleben wissen, daß dao Gebäude u. s. w., bad er anzündet, oder dem die von ihm äuge,zündete Sache nad) ihrer Bcsd)affenheit und d^age das Feuer weiter mitzutheilen geeignet ist, zu

1055 derselben, muß

er seine That ausführen,

c) Dagegen

kann

man nicht davon sprechen, daß er die Gefahr selbst herbeiführen

wollet.

V. DaS Verbrechen der Brandstiftung ist vollendet,

wenn der anzuzündende Gegenstand von dem Feuer wenigstens

zum Theil zerstört und zugleich eine Gefahr für Menschenleben oder eine gemeine Gefahr für Eigenthum herbeigeführt, mit an­ deren Worten also, wenn eine wirkliche, gefährliche (in dem ge­

nannten Sinne)

Feuersbrunst

entstanden ist.

Nur durch daS

vereinte Vorhandensein dieser beiden Momente kann die Brand­ stiftung

vollendet

sein.

Die

bloße

Erregung

einer

Flamme

(flammn pxcitata) an dem anzuzündenden Gegenstände ist also zur Vollendung nicht ausreichend2* ).1 Der Begriff einer FeuerS-

jeiter Zeit überhaupt zur Wohnung für Menschen dient, oder, wenn ed nur zeit­ weise zum Aufenthalte von Menschen dient, daß jener Zeitpunkt gerade ein solcher ist, u. s. w. 1) Die Gefahr besteht eben mir in einer Wabrfcheinlichkeit der Beschädigung. (5d ist widersinnig, von dem Vorsätze oder der Absicht, eine Wahrscheinlichkeit als den Erfolg einer verbrecherischen Handlung berbeizuführen, sprechen zu wollen (s. ob. §. 257). Wenn man häufig genug die, auch schon aus einem anderen Grunde widersinnige Behauptung sinder, falls der Thäter die Kenntniß der Gefahr gehabt habe, so habe er nothwendig wenigstens unbestimmt (dol. indeterm ) eS auf dieselbe ankommen lassen, so soll daS freilich nur heißen: er habe eS auf das Eintreten der Beschädigung ankcmmen lassen. Allein, wenn man so spräche, und sich nur einigermaßen den wahren Sinn dieser Worte klar machte, so würde man einschen, daß man die Präsumtion auSsprichr, der Thäter müsse einen nur als wahrscheinlich erkannten Erfolg nothwendig bestimmt gewellt haben. Dabei würde man sich dann in der neueren Gemeinrechtl. Doctrin deS ferneren Widerspruchs bewußt werde», daß man zu dem ersten Bestandtheil des DoluS nicht einmal gefordert hat, daß der Thäter eine wirkliche Feuersbrunst herbeiführen wolle. Daß durch Anzünden des Heuhaufens vor dem Hause wirklich eine Feuersbrunst erregt werde, die Absicht fordert man nicht; in demselben Athem präsumirt man aber die Absicht (dolus indeterm.), daö der in dem Hause Schlafende habe getödtet werden sollen. 2) Ich hatte dies noch in den Glossen zum Str. G. B. S. 309 ange­ nommen, nach der gewöhnlichen Meinung der Gemeinrechtl. Doctrin, die haupt­ sächlich sogar nur darüber streitet, ob eine solche Flamme nothwendig, oder ob nicht vielmehr schon das Brennen des Brandmaterials, oder das bloße Glimmen der anzuzündenden Hauptsache auöreiche. Vergl. Wachter §. 204, Nr. 25. Nur wenige neuere Rechtölehrer fordern eine wirkliche Feuersbrunst, namentlich Hof­ acker im Neuen Ärch. deS Erim. R., Bd. 5, S. 94, 130; Salchow, Lehrb. §.404; Martin, §§. 178, 179. Daß diese in der That erforderlich fei, kann nm so weniger bezweifelt werden, als ohne sie von einer wirklichen Gefahr, einer Wahrscheinlichkeit der Beschädigung für Menschenleben, oder für Eigenthum in weiterer Ausdehnung, gar nicht gesprochen werden kann, und jemehr Gewicht man auf dieses Erforderniß legt, um so mehr sollte man auf dem Erforderniß einer wirklichen Feuersbrunst bestehen. Daß diese besonders nach dem Str. G. B. erfordert wird, erscheint auch nach den Worten und der Geschichte desselben nicht bedenklich. ,'Jn Brand fetzt" sagen die §§. 285 — 288, und in demselben Sinne „zerstört" der §. 289, und zwar ohne Unterschied bei der vor­ sätzlichen, wie bei der fahrlässigen Brandstiftung. Allerdings hatten die früheren

1056 brunst gehört dem Leben an; juristische Grundsätze können darüber nicht aufgestellt werden; der einzelne Fall muß ergeben, ob sie da sei').

Ist eine wirkliche Feuersbrunst da, so ist auch — die

übrigen gesetzlichen Erfordernisse vorausgesetzt — die -um Thatbe­

stände deS Delikts erforderliche Gefahr da, wie ohne jene diese

nicht da sein kann.

Die Vollendung ist

übrigens selbstredend

dieselbe für die vorsätzliche, wie für die fahrlässige Brandstiftung2*).1 Anmerkung I.

Bei der Gesetzrevision

haben, wie iheil-

weise auS dem bereits Mitgetheilten hervorgeht, die unklaren und

unrichtigen Ansichten von der gemeinen Gefahr einerseits und dem

unbestimmten DoluS andererseits, von letzterem namentlich noch in der Comm. der zw. Kammer (93er. S. 143 flg.), so sehr bei Behandlung der

Brandstiftung vorgcschwebt,

daß zu

weiteren

Aufklärungen kaum noch etwas daraus zu entnehmen ist.

Sämmtliche D. Str. G. 93. bestrafen die

Anmerkung II.

vorsätzliche und fahrlässige Brandstiftung. sie vielfach auseinander.

Im Einzelnen gehen

Gefahr für Menschenleben oder gemeine

Gefahr für Eigenthum wird allgemein gefordert, und meist klarer und bestimmter,

als

man nach dem Standpunkte der Doktrin

(Snhv. die ausdrückliche Bestimmung, scheu die bloße Erregung der Flamme (au dem anzuzündenden Gegenstände) genüge; aber dies sollte für die vorsätzliche und nicht für die fahrlässige Brandstiftung gelten, und nm dies im (besetze selbst un rweifelhaft feftzustellen, da man bei beiden Telicten für die Handlung und Vellendung (wenigstens teilweise) dieselben Ausdrücke gebraucht batte: „wer einen Brand verursacht," schaltete man einen besonderen, dasselbe bestimmenden ein. 3m (Siinv. v. 1847 den §. 3G3. Tiefen §. 3G3 bar nun der (Sunv. v. 1851 (und nach ibm das Str. G. B.) fertgelassen, gleichwohl bei der vorsätzlichen wie bei der fahrlässigen Brandstiftung wiederum dieselben Ausdrucke gebraucht: „in Brand setzt," und (im 289, Str. 6V B.) „zerstört." Die Motive schweigen zwar darüber. Ganz unzweifelhaft gebt daraus aber hervor, daß der Moment der Vollendung für vorsätzliche wie für fahrlässige Braudstiftuog derselbe sein soll. Eben so unzweifelhaft kann man nicht annebmen, daß für die fahrlässige Brand­ stiftung — gegen alle Dectrin und Praris sowohl, als gegen die ausdrückliche Bestimmung der bisherigen Entwürfe — schon die bloße Erregung der Flamme den Moment der Vollendung Herstellen solle. 1) 3 ii der Regel wird zutreffen, was Ho sacke r und Salchow a. a. O. fordern: „ein Feuer, das allgemeines Zufammenlaufen, Lärmen und Schrecken erregt, das demnach, dem Einzelnen unbezwingbar, sehr gefährlich und verderblich ist," oder, nach Martin a!a. O., „durch welches öffentlicher Rettuugslärm be­ gründet wird." Zu einem ähnlichen Resultate kommt übrigens, wiewohl er das Gegentheil behauptet, v. Woringen a. a. O. S. 220: „Tic Gefährlichkeit (und also Vollendung) ist .vorhanden, wenn nach gemeiner Erfahrung das Weiter­ brennen des Feuers natürlich und nothwendig ist." 2) S. die vorletzte Rote. Im Gem. R. pflegt man, bei der Annahme der flam, excit. für die vorsätzliche, doch den wirklichen Ausbruch eines Feuers für die fahrlässige Brandstiftung zu fordern, und die sogenannte Fcuervcrwahrlofung nur der polizeilichen Ahndung zu überlassen.

1057 hätte erwarten dürfen.

In Betreff des DoluS fordern nur drei

die Absicht zu beschädigen: Bayern 247, Schaffhausen 166, Basel

Die übrigen charakterisiern den DoluS nicht weiter, mit

158.

Ausnahme jedoch Hannovers Art. 141, daS dazu „die Absicht" fordert, „einen Brand

mit FeuerSgefahr für Andere zu verur­

sachen," worin dann freilich kein richtiger Sinn liegt. die Vollendung — ohne daß

Ueber

sie dieselbe bei der fahrlässigen

Brandstiftung anders als bei der vorsätzlichen bestimmen, enthal­

ten die meisten eine ausdrückliche Vorschrift.

Alle fordern, daß

daö Brandmaterial den anzuzündenden Gegenstand ergriffen habe. Von da an gehen sie auseinander. Bloö dieses Ergreifen for­ dert Sachsen 177, ein Ergreifen durch Entflammen oder Glimmen fordern Weimar und Meiningen 166, Braunschw. 207; ein Er­

greifen oder Verzehren durch

Glimmen:

Baden 500; ein Er­

greifen oder den Anfang eines Verzehrens durch Glimmen: Nas­

sau 409;

einen Anfang der Verzehrung,

auch

ohne Flamme:

Württemberg 382; daß die Materialien die in Brand zu setzende

Sache gezündet haben, fordert Hannover 181; daß daö Feuer sich anderen Sachen, außer den Brandmaterialien, mitgetheilt habe:

Hessen 415; daß daö Feuer an dem in Brand zu setzenden Ge­ genstände in Flamme auögebrochen sei: Zürich 227, Thurgau 299,

Freiburg 119.

Dagegen bestimmen Oesterreich 166 und Aargau

169 nur, daß die Vollendung auch dann da sei, „wenn gleich daS Feuer nicht auögebrochen ist oder keinen Schaden verursacht hat." Viele vergebliche Mühe! Die anderen Str. G. B. übergehen daS

Moment der Vollendung mit Stillschweigen.

§. 259.

Strafe. I.

Der vorsätzlichen Brandstiftung: 1. Bei Gefahr für daS

Leben eines Menschen tritt zehnjähriges bis lebenslängliches ZuchthauS ein; wenn aber durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, Todesstrafe').

2. Bei gemeiner Gefahr für Eigen«

1) Str. G. V. §. 285. Zur Begründung der Todesstrafe hier sagen die Motive von 1851 sS. 64): „Es liegt hier ein nnbestim mter DoluS vor, welcher hier, bei diesem an sich so schweren Verbrechen, die Anwendung der Todesstrafe rechtfertigt." Man halte hiermit zusammen, was die Motive v. 1845 Temme, Strafrecht. 67

1058

thum tritt Zuchthaus bis zu zehn Jahren ein').

3. In beiden

Fällen kann zugleich Stellung unter Polizeiaufsicht eintreten*).

4. Die Strafe der fahrlässigen Brandstiftung ist Gefängniß bis zu sechs Monaten, und wenn durch den Brand ein Mensch das

Leben verloren hat, Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren3). Anmerkung I.

allen Entwürfen.

Die Todesstrafe des §. 285 findet sich in

Der Entw. v. 1836 schrieb sie noch vor:

„wenn ein Mensch durch den Brand oder bei Gelegenheit dessel­

ben daS Leben verloren hat."

Die Worte: „oder bei Gelegenheit

desselben" strich die StaatSr. Comzn„ ohne daß die Protokolle sich darüber auslassen. Anmerkung II.

Die Todesstrafe drohen

gleichfalls

wenn Jemand durch das Feuer das Leben verloren hat,

an, aber

unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß dies von dem Thäter

habe vorausgesehen werden können: Oesterreich 167, Sachsen 171,

Württemb. 378, Hessen 411, Baden 558, Thurgau 303, Waadt 316.

Außerdem bedrohen noch in einzelnen anderen Fällen die

Brandstiftung mit dem Tode: Bayern 248, Hannover 183, Aar­

gau 170, Schaffhausen 167, Basel 159, Zürich 229, Luzern 134.

AIS die regelmäßige Strafe der Brandstiftung schreibt sie vor:

St. Gallen 211 flg. Eö kennen sie bei der Brandstiftung überhaupt nicht: Braunschw., Nassau, Weimar u. Meiningen u. Freiburg.—

Viele der D. Str. G. B. heben ausdrücklich als erheblichen Milderungögrund den Fall der

thätigen Reue hervor,

wenn der

Thäter daS schon auögebrochene Feuer auö eigener Entschließung

und 1847 (eben) über den Fall bemerken, wenn Jemand seinen eigenen Torfmoor anzündet, blos in der Absicht, „den Verheeningen der Raupen ein Ziel ru setzen," um die Eonsequenzen zu würdigen, zu denen die Lehre von dem unbestimmten DoluS führen kann, gewissermaßen führen muß. UebrigenS liefert diese Vorschrift des §. 285 ein neues Argument für den oben vertheidigten Satz, daß der Thäter die gänzliche oder mindestens thcitweise Zerstörung deS anzuzündendcn Gegen­ standes müsse gewollt haben. Die cntgegenstehendc Ansicht mußte jenes Mädchen, die „nur die Leute in Angst setzen wollte," wenn Jemand daS Leben verloren hätte, mit dem Tode bestrafen, obwohl sie an nichts weniger gedacht hatte, als daran, Jemanden umS Leben zu bringen. — In der Landrechtl. Praxis habe ich übrigens der Meinung begegnen müssen, nach II, 20, §. 1516 müsse die Todes­ strafe cintrcten, wenn Jemand von der Rettungsmannschaft beim Retten daS Leben verloren habe. Darauf wird man doch jetzt den „unbestimmten DoluS" nicht er­ strecken wollen!

1) Str. G. B. §. 286. 2) Str. G. B. §. 305. 3) Str. G. B. §. 288.

1059 wieder gelöscht hat. — Daß namentlich die Behandlung deS Ver­ brechens der Brandstiftung in allen D. Str. G. B. einer durch­ greifenden Revision bedürfe, ist keine Frage.

DaS Rechtöbewußt-

fein deS Volkes, die Wissenschaft und die PrariS fordem sie.

Die Legislationen stehen hier überall auf einer dem Leben ent­

fremdeten

Rechtsanschauung.

DaS Verbrechen

der Brandstif­

tung hat einen anderen Charakter angenommen als ftüher.

ist nicht mehr das Verbrechen aus Rache und Bosheit.

ES

Drei­

siebentel der Fälle sind Betrugsfälle; dreisiebentel daS Produtt

der Verwahrlosung und mangelnden Erziehung der Jugend der unteren Stände, ohne alle böse Absicht. Die Gesetzgebungen werfen alle diese Fälle zusammen mit dem letzten Siebentel (viel­

leicht nicht einmal soviel) eigentlicher boshafter Absicht.

Zweiter Titel.

Von den anderen gemeingefährlichen verbrechen und Vergehen.

§. 260. Don der Ueberschwenunung. DaS Röm. R. hat Strasvorschristen gegen das Durchstechen

der Dämme des Nil und gegen andere Gefährdungen der Nil­ bauten. Die Strafe war willkürlich, meist Verurtheilung zu öffentlichen Arbeiten'). Andere Strafvorschriften über Verur­ sachung

von Ueberschwemmungen

Quellen nicht.

enthalten

die

Gemeinrechtl.

Doctrin und PrariS haben gleichwohl nach Ana­

logie der Brandstiftung ein allgemeines Verbrechen der (vemrsachten) Ueberschwemmung geschaffen, sowohl alö doloseö wie alS

fahrlässiges Verbrechen.

Die Strafe ist willkürlich, Zuchthaus

bei jenem, Gefängniß bet diesem. Aehnlich das A. L. R., daS nur auch, wie bei der Brandstiftung, die Todesstrafe

androhet 1 2).

1) L. 10, de extr. crim. 1. un. C. de Nili agger. non rtimp. 2) A. L. R. II, 20, §§. 1571-1577.

1060 DaS St. G. B. ist ihm gefolgt. Das Delikt der (verursachten) Ueberschwemmung besteht danach in dem (vorsätzlichen oder fahr­ lässigen) rechtswidrigen unter Wasser Setzen einer Gegend mit Gefahr für das Leben Anderer oder mit gemeiner Gefahr für das Eigenthum •). Die Erfordernisse ergeben sich mit Bezug auf die Grundsätze von der Brandstiftung von selbst. Das Delikt ist vollendet, wenn die Strömung deö Wassers bereits eine solche Ausdehnung erhalten hat, daß wirklich jene Gefahr, wie diese der Thatbestand fordert, vorhanden ist. Die Strafe 1. der vor­ sätzlichen Ueberschwemmung ist a) bei Gefahr für Menschenleben zehnjährige bis lebenslängliche Zuchthausstrafe, und wenn in Folge der Ueberschwemmung ein Mensch daS Leben verloren hat, Todesstrafe r); b) bei gemeiner Gefahr für Eigenthum Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren'), c) In beiden Fällen tritt jedoch nur Gefängniß, nicht unter zwei Jahren ein, wenn der Thäter die Ueberschwemmung nur in der Absicht verursacht hat, sein Eigenthum vor Gefahr zu schützen'). In beiden Fällen kann zugleich Stellung unter Polizeiaufsicht Eintreten5). 2. Die fahrlässige Ueberschwemmung wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten, und wenn in Folge derselben ein Mensch daS Leben verloren hat, mit Gefängniß nicht unter zwei Jahren bestraft °). Anmerkung. Die meisten D. Str. G. B. erwähnen gleich­ falls ausdrücklich der Ueberschwemmung. Ein Theil derselben stellt im Wesentlichen für ihre Bestrafung dieselben Grundsätze auf, wie für die der Brandstiftung, so: Bayern 254, Hessen 420 flg., Braunschw. 209, Hannover 189, Nassau 420 flg., Weimar und

1) Str. G. B. §§. 290, 293.

2) Str. G. B. §. 290. Die Todesstrafe ist auch hier auf die Annahme eine- „unbestimmten Dolus" gegründet (Mot. v. 1851, S. 64). 3) Str G. B. §. 291. 4) Str. G. B. §. 292. Diese Vorschrift verdankt ihr Entstehen dem §. 1576, II, A. L. R.: „Auch derjenige, welcher eigenmächtig, ohne vorhcrqegangene Unter­ suchung oder Warnung der unterhalb biegenden, Dämme durchsticht, oder Schleu­ sen beschädigt, um sich von dem andringenden Wasser zu befreien, soll, wenn nicht die äußerste Noth vorhanden gewesen, mit Gcsängnißstrafc von sechs Monaten bis zu drei Jahren belegt werden." Es handelt sich lediglich um eineni MildcrnnzSgrund; von einem eigentlichen Nothstände ist dabei nicht die Ncdc; dieser würde selbstredend jede Strafe ausschlicßc». So wurde der §. auch namentlich von den Ver. Ständ. Aussch. aufgefaßt, wo (Vcrh. Bd. 4, S. 441) ausdrücklich er­ klärt wurde, „die Handlung könne der Nothwehr sehr nahe stehen."

5) Str. G. B. §. 305. 6) Str. G. B. §. 293.

1061 Meiningen 169, St. Gallen 217, Zürich 234, Luzern 139, Thur­ gau 315, Freiburg 125, Waadt 323.

Gelindere Grundsätze stellen

auf, namentlich unter Fortlassung der Todesstrafe: Sachsen 180, und Württemb. 386. Die Todesstrafe bei der vorsätzlichen Ueber» schwemmung, wenn ein Mensch das Leben verloren hat, läßt zu:

Baden 564, aber nicht schon, wenn der Tod als wahrscheinliche

Folge vorhergesehen werden konnte, sondern nur,

wie bei der Brandstiftung,

wenn dieser Erfolg „zum bestimmten oder unbe­

stimmten Vorsatz zuzurechnen ist." Oesterreich 85, stellt die bos­ hafte Beschädigung an Wasserwerken und Brücken, mit der an

Dampfwagen, Dampfkesseln u. s. w. unter die öffentliche Gewalt­ thätigkeit und straft auch hier mit dem Tode, wenn der erfolgte Tod eines Menschen von dem Thäter vorhergesehen werden konnte. Die oben nicht benannten Schweizer St. G. B. erwähnen der

Ueberschwemmung nicht.

8. 261.

Derbrechen und Vergehen mit Gefahr für Eisenbahnen und Telegraphen.» I.

3n Beziehung auf Eisenbahnen ist als Delikt hervorge­

hoben: Rechtswidrige Beschädigung an Eisenbahnen oder deren Transportmitteln

oder anderem Zubehör,

oder Bereitung von

Hindernissen auf der Fahrbahn (durch Ausstellen, Hinlegen oder Hinwerfen von Gegenständen, oder durch Verrückung von Schie­ nen oder in anderer Weise), in allen Fällen, wenn dadurch der Transport auf der Bahn in Gefahr gesetzt wird.

DaS Delikt

kann vorsätzlich und fahrlässig begangen werden. Fahrlässig nach positiver Vorschrift durch Eisenbahnbeamte, nemlich durch die zur

Leitung der Eisenbahnfahrten oder zur Aufsicht über die Bahn oder den Transportbetrieb angestellten Personen, auch dann, wenn

sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten einen Transport in Gefahr sehen').

Die dringende Gefahr für Men­

schenleben läßt sich in allen Fällen nicht verkennen.

Auch eine

gemeine Gefahr für Eigenthum wird in den meisten Fällen vor­

handen sein.

Die Strafe ist

verschieden, ähnlich wie bei der

I) Str. G. B. §. 294, 295, au« der Ver. v. 30. Nov. 1840 entnommen.

1062 Brandstiftung: 1. Bei Vorsatz Zuchthaus bis zu zehn Jahren,

aber die Handlung die

wenn

schwere Körperverletzung

eines

Menschen zur Folge gehabt hat, von zehn bis zu zwanzig Jahren,

und wenn den Verlust eines Menschenlebens, Todesstrafe *)• jenen Fällen kann zugleich Stellung

tretens.

In

unter Polizeiaufsicht ein­

2. Bei Fahrlässigkeit Gefängniß bis zu einem Jahre,

und wenn ein Mensch das Leben verloren hat, von zwei Mo­ naten bis zu drei Jahren.

ist

als Delikt

oder

Störung

II. In Beziehung auf Telegraphen

hervorgehoben

rechtswidrige

die

Benutzung

Verhinderung

Telegraphenanstalten des Als hierher gehörige Handlungen führt daS Gesetz „insbesondere" (also beispielsweise) der

der

Staates oder einer Eisenbahngesellschaft.

auf: „die Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung der Draht­

leitung, der Apparate und sonstigen Zubehörungen der Telegra­ phenanlagen, die Verbindung fremdartiger Gegenstände mit der Drahtleitung, die Fälschung der durch den Telegraphen gegebenen

Zeichen, die Verhinderung der Wiederherstellung einer zerstörten

oder beschädigten Telegraphenanlage, der Telegraphenlegung angestellten berufe."

die Verhinderung der bei

Personen in

ihrem Dienst­

Auch dieses Delikt kann vorsätzlich oder fahrlässig be­

gangen werden.

Fahrlässig nach positiver Vorschrift durch die

nemlich die zur Beaufsichtigung oder Be­

Telegraphenbeamten,

dienung der Telegraphenanstalten oder jener Zubehörungen an­

gestellten Personen, auch dann, wenn sie durch Vernachlässigung

der ihnen obliegenden Pflichten die Benutzung der Anstalt hin­ dern oder stören').

Die Gefahr, die auS der verhinderten oder

gestörten Benutzung von Telegraphen entstehen kann, kann aller­

dings in manchen Fällen (z. B. züge gegen Gefahren,

bei Signalen für Eisenbahn­

bei Ankündigung von Durchbrüchen von

Deichen u. s. w.) jene zum Thatbestände der Brandstiftung erfor­ derliche Gefahr sein, in den meisten Fällen wird sie aber ledig­

lich auf Fiction beruhen.

Die Strafe ist:

1. Bei Vorsatz*) Ge­

ll Di« Todesstrafe ist von der Comm. der zweiten Kammer (Ber. S. 148) zugesetzt, weil „eine derartige Handlung in viel höherem Grade gemeingefährlich sei, als eine gewöhnliche Brandstiftung/' 2) Str. G. B. §. 305.

3) Str. G. B. §§. 296—298, entnommen aus dem Gef. v. 15. Juni 1849 vergl. Bek. v. 4. Jan. 1850. 4) Bei hochverräterischer Abficht würde der §. 66, Str. G. B., eintrcten, nur selbstredend ohne ideale Concurren».

1063 fängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren, wenn aber in Folge der verhinderten oder zerstörten Benutzung ein Mensch am

Körper oder an der Gesundheit schwer •) beschädigt worden, Zucht­

haus bis zu zehn Jahren, und wenn ein Mensch daS Leben ver­ loren hat, Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. In jenen Fällen kann zugleich Stellung

treten^).

unter Polizeiaufsicht ein­

2. Bei Fahrlässigkeit Gefängniß biö zu sechs Mona­

ten, und wenn dadurch ein Mensch daS Leben verloren hat, von

zwei Monaten bis zu zwei Jahren.

III. In Beziehung auf beide

Arten von Delikten ist noch besonders vorgeschrieben: 1. Eisen­ bahn- und Telegraphenbeamte, welche wegen eines derselben verurtheilt worden, sollen zugleich zu einer Beschäftigung im Eisen­

bahn- und Telegraphendienst für unfähig erklärt werden. Vorsteher einer Eisenbahngesellschast,

2. Die

so wie die Vorsteher der

Telegraphenanstalt einer Eisenbahngesellschast^), welche die Ent­

fernung deS verurtheilten Beamten nach

der Mittheilung des

rechtskräftigen Erkenntnisses nicht sogleich bewirken, werden mit

einer Geldbuße von zehn bis zu einhundert Thalern, oder mit

Gefängniß bis

zu drei Monaten

bestraft.

3. Gleiche Strafe

trifft den für unfähig erklärten Beamten, wenn er sich nachher

bei einer Eisenbahn-

oder Telegraphenanstalt wieder anstellen

läßt, so wie diejenigen^) welche ihn wieder angestellt haben, ob­

wohl denselben die Unfähigkeitserklärung bekannt wars). Anmerkung. Aehnliche Strafvorschriften gegen Beschädi­ gung der Eisenbahnen haben die Str. G. B. von Oesterreich 85, Braunschw. 209, Nassau 418 flg., Weimar und Meiningen 169, Baden 566 flg., Basel 162 flg., gegen Beschädigung und Betriebs­

störung der Telegraphen auch Oesterreich 89.

1) Das Wort fehlt zwar im Gesetze, aber nur durch Versehen bei dem Herübernehmen des §. 2 des Gesetzes v. 15. Juni 1849. Ueber den Sinn kann vernünftiger Weise kein Zweifel sein. 2) Str. G. B. §. 305. 3) Staatsbeamte (z. B. die vom Staate angestellten Directoren von Tclcgraphcnanstalten) würden nur disciplinarisch bestraft werden können. 4) Staatsbeamte müssen auch für ausgeschlossen angenommen werden, sie würden wieder nur disciplinarisch zu bestrafen sein. 5) Str. G. B. §§.299,300, größtenteils'auö den Ges. v. 30. Nov. 1840 und 15. Juni 1849 entnommen.

1064

§. 262.

Gefährliche Beschädigungen an Wegen und Wasserbauten. Rechtswidrige Beschädigung an Wegen sowohl auf dem Lande alS auf dem Waffer und an Wasserbauten mit Gefahr für Leben

Das..Gesetz führt namentlich auf:

oder Gesundheit Anderer').

Zerstören

oder

Wasserleitungen,

von

Beschädigen

Schleusen,

Wehren, Deichen, Dämmen oder anderen Wasserbauten, oder Brücken, Fähren, Wegen oder Schutzwehren, oder das Stören

des Fahrwassers in schiffbaren Strömen, Flüssen oder Kanälen 1 2); 345 sodann noch besonders das Zerstören oder Wegschaffen von Zeichen zur Sicherung der Schifffahrt.

fahrlässig begangen werden.

Object

Das Delict kann vorsätzlich oder

Besondere Erfordernisse sind: 1. AlS

eine der genannten Sachen.

unterscheidet

Durch dieses Erforderniß

das Delict sich von der Beschädigung namentlich

der Eisenbahnen.

2. Eine Beschädigung an derselben, durch Ver­

nichtung, Zerstörung, Störung, Wegschaffung u. s. w. ’). 3. Eine

daraus entstandene Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen, a) Diese Gefahr wird hier nicht fingirt, dadurch unterscheidet sie sich wesentlich von der bei Brandstifiung, Ueberschwemmung und

Beschädigung von Eisenbahnen und Telegraphen,

b) Eine auch

gemeine Gefahr für Eigenthum gehört nicht hierher«),

4. Bei

bloßer Fahrlässigkeit reicht die Gefahr allein zur Herstellung deö

Thatbestandes nicht

aus;

eS muß eine wirkliche Beschädigung

(an Leben oder Gesundheit) hinzutreten,

schwere ^) Körperverletzung.

und

zwar mindestens

Die Strafe ist 1. im Allgemeinen:

1) Str.G.B. §§. 301, 302. Vcrgl. A. L. R. II, 20, §. 1491 u. Wcstpr. Strandordn. v. 31. Dez. 1801, Abschn. I, §. 3.

2) Beschädigung von Dampfmaschinen gen werden.

kann auch nicht analog hierher gezo­

3) Nur nicht durch Brandstiftung oder Ueberschwemmung. 4) Der §. 301 spricht zwar in seinem letzten Absätze allgemein von einem „Schaden;" nach dem ausdrücklichen (Erfordernisse im ersten Absätze kann dies aber nur auf Leben oder Gesundheit von Menschen verstanden werden. Hiernach be­ richtigt sich auch, was in den Glossen zum Str. G. B.,