Lauterkeitsrechtlicher Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss [1 ed.] 9783428557301, 9783428157303

Lange bildete der Vertragsschluss die zeitliche Grenze, jenseits derer das Lauterkeitsrecht keine Anwendung findet. Mit

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Lauterkeitsrechtlicher Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss [1 ed.]
 9783428557301, 9783428157303

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 311

Lauterkeitsrechtlicher Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss

Von

Daniel Hagenmaier

Duncker & Humblot · Berlin

DANIEL HAGENMAIER

Lauterkeitsrechtlicher Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 311

Lauterkeitsrechtlicher Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss

Von

Daniel Hagenmaier

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-15730-3 (Print) ISBN 978-3-428-55730-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85730-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2018 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Frühjahr 2019 berücksichtigt. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Ansgar Ohly, LL.M., gilt mein ganz besonderer Dank – für die Betreuung meiner Dissertation und die zahlreichen, sehr wertvollen fachlichen Anmerkungen und Ratschläge im Rahmen deren Entstehung. Zudem bedanke ich mich bei Herrn Prof. em. Dr. Helmut Köhler für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die in diesem enthaltenen hilfreichen Anregungen. Herzlicher Dank gebührt darüber hinaus meinen Freunden Dr. Stefan Hennigs, LL.M., sowie Prof. Dr. Thomas Grädler, LL.M., für die äußerst sorgfältige Durchsicht des Manuskripts und ihre konstruktiven Hinweise. Versäumen möchte ich es auch nicht, den genannten sowie weiteren Freunden – darunter insbesondere Dr. Peter Leibküchler, LL.M., Thomas Götz und Moritz Graf Stenbock-Fermor – zu danken, die mich als langjährige Weggefährten auch während der Entstehung dieser Arbeit in weiten Teilen begleitet haben und dabei in zahlreichen Situationen als Gesprächspartner (auch abseits des Fachlichen) zur Verfügung standen. Für die Durchsicht des Manuskripts, aber auch für die – gelegentlich erforderlichen – Aufheiterungen während dessen Entstehung möchte ich mich zudem in besonderem Maße bei Magdalena Anna Kotyrba bedanken. Durch ihre Geduld, Nachsicht und moralische Unterstützung hat sie ganz erheblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Meiner Familie ist diese Arbeit schließlich gewidmet. Meine Eltern und Großeltern haben mich (nicht nur) während meiner gesamten Ausbildung finanziell, vor allem aber durch ihren steten Zuspruch unterstützt und waren mir damit ein großer Rückhalt. Dafür möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken. München, im August 2019

Daniel Hagenmaier

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 27 33 35

1. Kapitel Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz nach bisherigem Verständnis

37

A. Die bisherige Abgrenzung von UWG und BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der „Multiplikatoreffekt“ als entscheidendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Generell-abstrakter versus individuell-konkreter Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kontrahierende versus distrahierende Tendenz der Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 38 39 40

B. Nachvertragliches Verhalten als lauterkeitsrechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragspflichtverletzungen durch den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltendmachung und Durchsetzung vertraglicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . III. Abwehr vertraglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Änderung und Umgestaltung bestehender Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 42 44 45

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG zwischen 1896 und 2004 . . I. Grundsatz: „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermeintliche Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46 63 75

D. Änderungen durch die Reform von 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Beibehaltung der zeitlichen Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Versuche einer Erweiterung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Kapitel Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

92

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I. Rezeption „fremder“ Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Systemübergreifende Elemente im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

6

Inhaltsübersicht

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beschränkung der UGP-Richtlinie auf den Bereich b2c . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff der unternehmerischen Sorgfalt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG . . . . III. Die „geschäftliche Handlung“ als Umsetzung der „Geschäftspraktiken“ – erstmalig konsequent unmittelbarer Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten im Rahmen des § 5a UWG . . . . . .

116 116 118 121 152

C. Konsequenzen für die bisherigen Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Kapitel Neuausrichtung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz

161

A. Die deutsche Aufgliederung in lauterkeitsrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz vor dem Hintergrund des europäischen Verbraucherschutzrechts . I. Die Zuspitzung verbraucherschützender Regelungen auf BGB und UWG . . . . . II. Lauterkeits- und Vertragsrecht als Kategorien im europäischen Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 172

B. Neuere Ansätze für eine Bestimmung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem zu rechtsgeschäftlichem Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Festhalten am „Wettbewerb“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die spezifisch funktional-interessenorientierte Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Unterscheidung nach Schutzzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kollektiver Präventivschutz durch das UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174 174 174 176 178 178

161 162

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Einheitlicher Ausgangspunkt als theoretische Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Unterschiedliche Methode: Schutz der Entscheidungsentstehung als maßgebliches Charakteristikum des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Kapitel Die Anwendung des komplementären lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes auf problematische Fallgruppen 256 A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss – nachvertragliches Verhalten und nachvertragliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klageantrag, Verletzungshandlung und Verletzungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Alternative Anknüpfungspunkte aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs III. Faktisch und rechtlich nachvertragliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 257 258 261

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Tatbestandliche Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Inhaltsübersicht

7

II. Einschränkung auf Rechtsfolgenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 III. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C. Lösung der relevanten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . II. Vorvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . III. Nachvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . IV. Nachvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . .

305 305 308 310 314

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Verbraucherschutz als rechtliche Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Der Begriff des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Das Schutzsubjekt Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Die Zeit nach Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

1. Kapitel Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz nach bisherigem Verständnis

37

A. Die bisherige Abgrenzung von UWG und BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Der „Multiplikatoreffekt“ als entscheidendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Generell-abstrakter versus individuell-konkreter Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Kontrahierende versus distrahierende Tendenz der Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Nachvertragliches Verhalten als lauterkeitsrechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Vertragspflichtverletzungen durch den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Geltendmachung und Durchsetzung vertraglicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Abwehr vertraglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Änderung und Umgestaltung bestehender Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG zwischen 1896 und 2004 . . 46 I. Grundsatz: „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Der Begriff des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Die Rolle des Verbrauchers im Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Die ursprünglich konkurrentenschützende Konzeption des UWG . . . . . . . . . 50 b) Aufkommen des sog. sozialrechtlichen Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Die immanente Beschränkung der Wettbewerbshandlung . . . . . . . . . . . . . . . 56

10

Inhaltsverzeichnis 3. Insbesondere: Die Rolle des Verbrauchers nach Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . 61 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Vermeintliche Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Planmäßiges Gesamtverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Betroffenheit einer Vielzahl von Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Erhaltung des Kundenstammes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Überschießende werbende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 e) Erweiterung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 f) Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

D. Änderungen durch die Reform von 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Beibehaltung der zeitlichen Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Bestätigung des bisherigen Rechtszustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Fortwirken des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . 78 II. Versuche einer Erweiterung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Die teleologische Erweiterung bei Leistner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Tillers Verzicht auf das Merkmal des Marktbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

2. Kapitel Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

92

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I. Rezeption „fremder“ Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Rezeption lauterkeitsrechtlicher Normen im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Die Nichtigkeitsfolge der §§ 134 und 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) UWG-Normen als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . 94 2. Berücksichtigung rechtsgeschäftlich verbraucherschützender Normen im UWG 94 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) UWG-Verstöße im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Die bürgerlich-rechtliche Nichtigkeitsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) UWG-Normen als Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) BGB-Verstöße im UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Inhaltsverzeichnis

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II. Systemübergreifende Elemente im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Die Einbeziehung von Werbeangaben in den Sachmangelbegriff des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Die Regelungen über Garantien in §§ 443, 479 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4. § 661a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5. Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6. Das Institut der culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 7. Rechtsgeschäftliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Die Beschränkung der UGP-Richtlinie auf den Bereich b2c . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Der Begriff der unternehmerischen Sorgfalt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG . . . . . 118 III. Die „geschäftliche Handlung“ als Umsetzung der „Geschäftspraktiken“ – erstmalig konsequent unmittelbarer Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf die Zeit nach Vertragsschluss . . . . . 122 a) Nachvertragliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Nachvertragliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Versuche einer einschränkenden Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Marktbezogene Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Das funktionale Verständnis Köhlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Ungeschriebenes Merkmal der „Verbraucherrelevanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Würdigung der Einschränkungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Marktbezogene Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Funktionales Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) „Verbraucherrelevanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Konsequent weitreichender Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Tatsächlich „objektiver“ Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Die Gesetzesbegründung als Gegenargument? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5. Der erweiterte Anwendungsbereich als finaler Schritt vom Wettbewerbs- zum Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6. Rechtspraktische Auswirkungen – Notwendigkeit einer Einschränkung? . . . . . 151 IV. Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten im Rahmen des § 5a UWG . . . . . . . . 152 1. Informationspflichten nach Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. „Dopplung“ der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 C. Konsequenzen für die bisherigen Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

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Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Neuausrichtung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz

161

A. Die deutsche Aufgliederung in lauterkeitsrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz vor dem Hintergrund des europäischen Verbraucherschutzrechts . . . . 161 I. Die Zuspitzung verbraucherschützender Regelungen auf BGB und UWG . . . . . . 162 II. Lauterkeits- und Vertragsrecht als Kategorien im europäischen Verbraucherschutz 165 1. Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Formale Trennung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie . . . . . . . . . . . 168 b) Inhaltlich enger Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 cc) Rechtsfolgeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Neuere Ansätze für eine Bestimmung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem zu rechtsgeschäftlichem Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Festhalten am „Wettbewerb“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Die spezifisch funktional-interessenorientierte Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Die Unterscheidung nach Schutzzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Kollektiver Präventivschutz durch das UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Komplementäres Verständnis der Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Einheitlicher Ausgangspunkt als theoretische Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Legitimation und mögliche Modelle des Verbraucherschutzes . . . . . . . . . . . . . 180 a) Sozialer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Liberaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Ordnungspolitisches Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Situativer Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Verbraucherschutz aus Effizienzgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Prinzipien und Instrumente des rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes . . . . 186 a) Die Privatautonomie als liberaler Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Die rechtsgeschäftlichen Regelungen und deren Verhältnis zur Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Der Verbraucherbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 dd) Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Inhaltsverzeichnis

13

ee) Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 ff) AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 gg) Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 hh) Sonstige Rechtsfolgeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 ii) Nebenpflichten/culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Lauterkeitsrechtlich geschützte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Der zentrale Bezugspunkt lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes: die geschäftliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Die Verbrauchergeneralklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Die verbraucherschützenden Einzeltatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Elemente einer selbstbestimmten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Schutz der Entscheidungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (2) Schutz des Entscheidungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 dd) Entscheidungsinhalt und -definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Schutz der „Nichtentscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Entscheidung über gesetzliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (3) „Entscheidungen ohne Wahlmöglichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 ee) Lauterkeitsrechtlicher Schutz der Verbraucherentscheidung und Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Schutz sonstiger Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Unterschiedliche Methode: Schutz der Entscheidungsentstehung als maßgebliches Charakteristikum des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Gewährung von Entscheidungsmöglichkeiten und konkrete Entscheidungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Das BGB als Gesetz der Folgeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Lauterkeitsrechtliche Sicherung jeder einzelnen Entscheidung . . . . . . . . . . . 225 2. Gegenseitiges Aneinanderknüpfen der Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Vertragliche Rechtsfolgen als Konsequenz lauterkeitswidrigen Verhaltens b) Vertragliche Rechte und Pflichten als Bezugspunkt des Lauterkeitsrechts

226 229

c) Fälle der Deckungsgleichheit und rückwirkender Wertungen . . . . . . . . . . . . 229 aa) Dopplung der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Die Rückwirkung der Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (1) Undogmatische Anwendung des Rechtsbruchtatbestandes . . . . . . . . 237 (2) Kein Bedürfnis für den Rechtsbruchtatbestand beim lauterkeitsrechtlichen Schutz der Verbraucherentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 241 3. Konsequenzen des komplementären Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Unmöglichkeit eines lauterkeitsrechtlichen „Eingriffs“ in die vertragliche Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Keine individuellen Verbraucheransprüche im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . 246

14

Inhaltsverzeichnis c) Gerichtlicher Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

4. Kapitel Die Anwendung des komplementären lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes auf problematische Fallgruppen 256 A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss – nachvertragliches Verhalten und nachvertragliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 I. Klageantrag, Verletzungshandlung und Verletzungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Alternative Anknüpfungspunkte aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs 258 III. Faktisch und rechtlich nachvertragliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Vorvertragliches Verhalten mit vorvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Vorvertragliches Verhalten mit nachvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Nachvertragliches Verhalten mit vorvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Nachvertragliches Verhalten mit nachvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . 267 B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Tatbestandliche Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Normativierte Prüfung der Unlauterkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Restriktives Verständnis der „Angabe“ i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG . . . . . . . 272 b) Normative Korrektur der Verbrauchererwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Eignung zur Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Nachgeschaltete Korrektur im Rahmen des Unwertkriteriums . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Einschränkung mit Hilfe der „unternehmerischen Sorgfalt“? . . . . . . . . . . . . 275 b) Billigkeit und höherrangiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 II. Einschränkung auf Rechtsfolgenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 III. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Verhältnismäßigkeit sowie Gebot der Interessenabwägung als Kern einer einschränkenden Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung in der Richtlinienvorgabe . . . 279 b) Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Verhältnismäßigkeit in der Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 d) Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung in der aktuellen Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 e) Bedeutung der Interessenabwägung für Verhaltensweisen im Rahmen des individuellen Vertragsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Tatbestandliche Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Die „Angabe“ als begrenzt hilfreicher Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Inhaltsverzeichnis

15

b) Keine weitere Normativierung der Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 c) Der Weg über die unternehmerische Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 d) Interessenabwägung als nachgelagerte Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Kriterien für eine einschränkende Auslegung im Wege der Interessenabwägung 294 a) Grundrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Subjektive Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Vermutung der Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 C. Lösung der relevanten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Vorvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Klassisch absatzförderndes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. „Absatzverhinderndes“ Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Vorvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . 308 III. Nachvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . . 310 1. Abschluss eines neuen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Neuabschluss des alten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 IV. Nachvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung . . . . . . . . . . . 314 1. Die vorsorglich-nachvertragliche Abwehr von Verbraucherrechten . . . . . . . . . . 314 2. Die Vertragspflichtverletzung als solche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 a) Irreführung durch Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 b) Konkurrenzverhältnis zur vorvertraglichen Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 3. Die Geltendmachung vertraglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Das Einfordern als Gesetzesverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Das Einfordern als Abwehr gesetzlicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 c) Die Reichweite der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 d) Geltendmachung berechtigter Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. Abs. AbzG AcP AEUV

a.F. AG AGB AGBG

Anl. Anm. Art. Aufl. b2b b2c BayObLG BB Bd. BeckRS Begr. Begr RegE BGB BGBl. BGH BRat

andere Ansicht Amtsblatt Absatz Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 (RGBl., 450) Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung aufgrund des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9. Mai 2008, 47, zuletzt geändert durch Art. 2 Änderungsbeschluss 2012/419/EU vom 11. Juli 2012 (ABl. Nr. L 204, 131) alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen zunächst Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. Dezember 1976 (BGBl. I, 3317), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I, 330); später Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 (BGBl. I, 946); aufgehoben durch Gesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138) Anlage Anmerkung Artikel Auflage business to business business to consumer Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Beck-Rechtsprechung Begründung/Begründer Begründung zum Regierungsentwurf Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, 42, 2909; 2003 I, 738), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31. Januar 2019 (BGBl. I, 54) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesrat

Abkürzungsverzeichnis BRD BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. ca. COD DAR DB ders. d. h. dies. DM Dok. EC EG EGBGB

EGKS-Vertrag

EGMR EGV

Eichgesetz

Einf Einf v Einl./Einl EMRK endg. EU EuGH EuGRCh EuR

17

Bundesrepublik Deutschland Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Mitentscheidungsverfahren (procédure de codécision) Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe das heißt dieselbe/dieselben Deutsche Mark Dokument European Community Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I, 2494, ber. 1997 I, 1061), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I, 2648) Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (BGBl. II, 447), zuletzt geändert durch Art. 4 Nizza-Vertrag vom 26. Februar 2001 (ABl. Nr. C 80, 36, ber. ABl. Nr. C 96, 27) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung vom 2. Oktober 1997, zuletzt geändert durch den Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 25. April 2005 (ABl. EG Nr. L 157/11) zunächst Gesetz über das Mess- und Eichwesen vom 11. Juli 1969 (BGBl. I, 711); nunmehr Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen vom 25. Juli 2013, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11. April 2016 (BGBl. I, 718) Einführung Einführung vor Einleitung Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 endgültig Europäische Union Europäischer Gerichtshof Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83 vom 30. März 2010, 389) Europarecht (Zeitschrift)

18 EUV

EuZW EWG EWG-Vertrag Fernabsatzgesetz

Fernabsatzrichtlinie f./ff. Finanzdienstleistungsrichtlinie

FS GesE GG GK Gruchot’s Beiträge GRUR GRUR Int. GRUR-RR GVG GWB

Abkürzungsverzeichnis zunächst Vertrag über die Europäische Union vom 29. Juli 1992 (ABl. Nr. C 191); nunmehr Vertrag über die Europäische Union in der Fassung aufgrund des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon (konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9. Mai 2008, 13), zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. EU L 112 vom 24. April 2012, 21) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. 2000 I, 897); aufgehoben durch Gesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138) Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 4. Juni 1997, 19 folgende/fortfolgende Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/ EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9. Oktober 2002, 16 Festschrift Gesetzesentwurf Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I, 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. März 2019 (BGBl. I, 404) Großkommentar Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, RechtsprechungsReport (Zeitschrift) Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I, 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018 (BGBl. I, 1151) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I, 1750, ber. 3245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. August 2017 (BGBl. I, 3295)

Abkürzungsverzeichnis Haustürgeschäfterichtlinie HaustürWG

Hdb. HK h.M. Hrsg. hrsg. v. Irreführungsrichtlinie/ Werberichtlinie

i.V.m. jurisPK JuS JZ KOM krit. LG lit. LMK MDR Mot. MüKo MuW m.w.N. New Deal for Consumers

19

Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 25. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. Nr. L 372 vom 31. Dezember 1985, 31 Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (Haustürwiderrufsgesetz) vom 16. Januar 1986 (BGBl. I, 122); aufgehoben durch Gesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138) Handbuch Heidelberger Kommentar herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben von Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. L 250 vom 19. September 1984, 17; sodann Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. L 290 vom 23. Oktober 1997, 18; später neu verkündet als Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABl. L 376 vom 27. Dezember 2006, 21 in Verbindung mit Juris-Praxiskommentar Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristen Zeitung (Zeitschrift) Europäische Kommission kritisch Landgericht littera (Buchstabe) Beck Fachnachrichtendienst „Zivilrecht – LMK“ (in Fortführung der „Kommentierten BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring“) Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Motive Münchener Kommentar Markenschutz und Wettbewerb (Zeitschrift) mit weiteren Nachweisen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften, COM(2018) 185 final.

20 n.F. NJW NJW-RR Nr./Nrn. o.Ä. OGH/öOGH OLG öUWG Pauschalreiserichtlinie

PM Produkthaftungsgesetz

Produkthaftungsrichtlinie

RabattG

Reform des Lebensmittelgesetzes

RegE Reisevertragsgesetz RG RGBl. RGSt. RGZ Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

Abkürzungsverzeichnis neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nummer/Nummern oder Ähnliches Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht österreichisches Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl. Nr. 448/1984 (WV) in der Fassung BGBl. 109/2018 zunächst Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. L 158 vom 23. Juni 1990, 59; später Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/ 314/EWG des Rates, ABl. L 326 vom 11. Dezember 2015, 1 pro Monat Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) vom 15. Dezember 1989 (BGBl. I, 2198), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I, 2421) Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. L 210 vom 7. August 1985, 29 Gesetz über Preisnachlässe vom 25. November 1933 (RGBl. I, 1011), zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz zur Aufhebung des Rabattgesetzes und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2001 (BGBl. I, 1663) Gesetz zur Neuordnung und Bereinigung des Rechts im Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Gesetz zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts) vom 15. August 1974 (BGBl. I, 1945) Regierungsentwurf Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 4. Mai 1979 (BGBl. I, 509) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 178 vom 17. Juli 2000, 1

Abkürzungsverzeichnis Richtlinie über missbräuchliche Klauseln Richtlinie über Unterlassungsklagen RIW Rn. Römische Verträge

RT-Verh. S. sic sog. st. Rspr. Teilzeit-Wohnrechtegesetz Time-Sharing-Richtlinie

u.a. UAbs. UGP-Richtlinie

UKlaG

u. U.

21

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. Nr. L 95 vom 21. April 1993, 29 Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABl. L 110 vom 1. Mai 2009, 30 Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randnummer EWG-Vertrag (siehe dort) und Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) vom 25. März 1957 (BGBl. II, 1014, ber. 1678; ber. BGBl. 1999 II, 1024), zuletzt geändert durch Art. 11, 14 Abs. 2 EU-Beitrittsakte 2013 vom 9. Dezember 2011 (ABl. 2012 Nr. L 112, 21) Verhandlungen des Reichstags Satz sicut (lateinisch) sogenannt ständige Rechtsprechung Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (Teilzeit-Wohnrechtegesetz) vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I, 2154); aufgehoben durch Gesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138) zunächst Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABl. L 280 vom 29. Oktober 1994, 83; nunmehr Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. L 33 vom 3. Februar 2009, 10 und andere; unter anderem Unterabsatz Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern vom 11. Mai 2005, ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, 22 Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 2002 (BGBl. I, 3422, ber. 4346), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I, 2446) unter Umständen

22 UWG/UnlWG.

UWG-Änderungsgesetz UWG-E v. a. Verbraucherkreditgesetz Verbraucherkreditrichtlinie

Verbraucherrechterichtlinie

Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verb. RS VerkaufsförderungsVO Verordnung über Preisangaben

VersR

Abkürzungsverzeichnis zunächst Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, RGBl. I, 145; dann Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 (RGBl. 499); sodann Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 (BGBl. I, 1414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I, 2413); nunmehr Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I, 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Februar 2016 (BGBl. I, 233) Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes vom 21. Juli 1965 (BGBl. I, 625) Gesetzesentwurf der Bundesregierung; Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 20. August 2008, BT-Drucks. 16/10145 vor allem zunächst Verbraucherkreditgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I, 2840); später Verbraucherkreditgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 (BGBl. I, 940); aufgehoben durch Gesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138) zunächst Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 042 vom 12. Februar 1987, 48; nunmehr Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/ 102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22. Mai 2008, 66 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22. November 2011, 64 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171 vom 7. Juli 1999, 12 verbundene Rechtssache Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verkaufsförderung im Binnenmarkt vom 25. Oktober 2002, KOM (2002), 585 endg. zunächst Verordnung über Preisangaben (Verordnung PR Nr. 1/69) vom 18. September 1969; später Verordnung über Preisangaben (Verordnung PR Nr. 3/73) vom 10. Mai 1973 (BGBl. I, 1973, 461); später Preisangabenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2002 (BGBl. I, 4197), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I, 2394) Versicherungsrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis vgl. Vorb v Vorb. zu VuR VVG

WRP WuW Zahlungsdiensterichtlinie

z. B. ZEuP ZfRV ZGE Ziff. ZNR ZPO Zugabeverordnung

ZUM

23

vergleiche Vorbemerkung vor Vorbemerkung zu Verbraucher und Recht (Zeitschrift) zunächst Versicherungsvertragsgesetz vom 30. Mai 1908 (RGBl., 263); nunmehr Versicherungsvertragsgesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I, 2631), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I, 3214) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319 vom 5. Dezember 2007, 1 zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung (Zeitschrift) Zeitschrift für Geistiges Eigentum (Zeitschrift) Ziffer Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (Zeitschrift) Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I, 3202, ber. 2006 I, 431, 2007, 1781), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Januar 2019 (BGBl. I, 54) Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft, Erster Teil: Zugabewesen (Zugabeverordnung) vom 9. März 1932 (RGBl. I, 121), zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2001 (BGBl. I, 1661) Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

Einleitung I. Fragestellung Das individuelle Vertragsverhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher wird durch das Vertragsrecht geregelt. So kann etwa im Falle eines Kaufs einerseits der Verbraucher bei mangelhafter Leistung gemäß den Regelungen des Mängelgewährleistungsrechts Nacherfüllung verlangen, unter Umständen vom Vertrag zurücktreten, mindern oder Schadensersatz geltend machen. Andererseits kann auch der Unternehmer seine vertraglich geschuldete Gegenleistung, die Zahlung des Kaufpreises, einfordern. Dagegen war die Anwendbarkeit des Wettbewerbs-, oder exakter Lauterkeitsrechts1, nach Vertragsschluss zwar wiederholt Thema höchstrichterlicher Entscheidungen2, nach überwiegender Ansicht bildete der Vertragsschluss indes die zeitliche Grenze, jenseits derer allein das Vertragsrecht greifen sollte – wenn auch die Rechtsprechung (Schein-)Ausnahmen von diesem Grundsatz zuließ3. Durch die Novelle vom 30. Dezember 2008 wurde das UWG nicht einmal fünf Jahre nach Inkrafttreten des UWG von 2004 erneut geändert4, um den europarechtlichen Vorgaben der UGP-Richtlinie5 mit immerhin ca. einem Jahr Verspätung6 gerecht zu werden. Seither führt der Weg ins Lauterkeitsrecht nicht mehr über den bis dahin geltenden Zentralbegriff der „Wettbewerbshandlung“, sondern über denjenigen der „geschäftlichen Handlung“. Der aktuellen, auch durch die neuerliche Reform vom 10. Dezember 20157 nicht geänderten Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gemäß ist eine „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder 1

Zur Begrifflichkeit siehe Einleitung, II., 2. Siehe dazu den Überblick im 1. Kapitel, B. 3 Siehe dazu die Ausführungen im 1. Kapitel, C., II. 4 Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008, BGBl. I, 2949. 5 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. L 149, 22. 6 Bezeichnenderweise wurde als Tag des Inkrafttretens ausgerechnet noch der 30. Dezember 2008 gewählt, wohl um der Schmach einer auf den ersten Blick zweijährigen Verspätung zu entgehen. 7 Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 2. Dezember 2015, BGBl. I, 2158. 2

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Einleitung

nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die aus eben dieser Definition hervorgehende Erstreckung auf Verhalten „vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss“ sowie der nunmehr erforderliche „objektive Zusammenhang“, u. a. auch mit der „Durchführung eines Vertrags“, bieten Anlass, den zeitlich gegenständlichen Anwendungsbereich des UWG sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen näher zu untersuchen. Insbesondere legt die seit 2008 geltende Definition der geschäftlichen Handlung nahe, dass auch nachvertragliches, oder an dieser Stelle neutraler formuliert: vertragsbezogenes, Verhalten im Rahmen bereits begründeter Vertragsverhältnisse8 dem UWG unterfällt. Damit rückt unausweichlich und noch stärker als bisher ein Grundproblem des deutschen Lauterkeitsrechts in den Mittelpunkt, nämlich die Tatsache, dass eine überzeugende Bestimmung des Verhältnisses von Lauterkeits- und Vertragsrecht erhebliche Schwierigkeiten bereitet9. Denkbar ist es, dass tatsächlich das lauterkeitsrechtliche Sanktionsinstrumentarium im Rahmen des individuellen Vertragsverhältnisses zur Anwendung kommt und damit – im Lauterkeitsrecht aktivlegitimierten – Dritten ein Eingriff in den privatautonom geschlossenen Vertrag zugestanden wird. Insbesondere stellt sich etwa die Frage, ob als Konsequenz der Neuregelung nunmehr Dritte mit Hilfe des UWG gegen die Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten vorgehen können. Die vorliegende Arbeit hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, das aus dem Übergang von der „Wettbewerbshandlung“ zur „geschäftlichen Handlung“ (vermeintlich) resultierende Spannungsfeld zwischen lauterkeitsrechtlich und rechtsgeschäftlich verbraucherschützenden Normen nach Vertragsschluss zu untersuchen. Dabei stellt sich zum einen die Frage, inwieweit die Reform 2008 tatsächlich zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des UWG auf die individuelle Vertragsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher geführt hat. Daran anknüpfend ist zum anderen zu untersuchen, ob und wie sich ein derart erweitertes Verständnis des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes gegebenenfalls im Verhältnis zu den Instrumentarien des BGB in ein stimmiges Gesamtbild einfügen lässt. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es zudem, die bisher unter der Thematik „Lauterkeitsrecht nach Vertragsschluss“ diskutierten Fälle einer überzeugenden Lösung nach neuem Recht zuzuführen.

8 9

Vgl. auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 92. Vgl. Ohly, WRP 2008, 177 (182).

Einleitung

27

II. Gegenstand der Untersuchung Weil jede Betrachtung notwendigerweise darunter leidet, wenn ihr Gegenstand nicht klar umrissen ist10, soll vorab festgelegt werden, was unter dem „lauterkeitsrechtlichen Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss“ zu verstehen ist. 1. Verbraucherschutz als rechtliche Thematik Der Schutz des Verbrauchers stellt die Reaktion auf soziale, ökonomische und rechtliche Entwicklungen dar, deren Analyse und Bewältigung sämtliche Industrienationen in den letzten Jahrzehnten beschäftigt hat11. „Verbraucherschutz“ kann ganz allgemein beschrieben werden als die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher von Gütern und Dienstleistungen schützen sollen12. Als grundlegende Methoden des Verbraucherschutzes anerkannt sind neben gesetzlichen Maßnahmen auch die Selbstkontrolle der Wirtschaft, die Förderung des Wettbewerbs, die Organisation, Repräsentation, Information und Erziehung der Verbraucher sowie die gerichtliche Kontrolle und Verwaltungskontrolle13. Thema dieser Arbeit ist in Anbetracht der zugrundegelegten Fragestellung ausschließlich der rechtliche Verbraucherschutz und im Speziellen der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz in Abgrenzung zu seinem rechtsgeschäftlichen Pendant. 2. Der Begriff des Lauterkeitsrechts Wenn es um die Regelungen des UWG geht, ist zumeist von „Wettbewerbsrecht“ die Rede14. Allerdings wird der „Wettbewerb“ von verschiedenen Gesetzen geregelt. Zu unterscheiden sind insofern zwei Regelungskomplexe: das im UWG geregelte Recht zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und das im GWB und im AEUV geregelte Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen15. Beide Regelungsbereiche stehen in einem engen Funktionszusammenhang und verfolgen den einheitlichen Zweck, den Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen. Ein Unterschied besteht jedoch hinsichtlich der Ebene, auf der der jeweilige Schutz greift. Die Normen des 10

Vgl. Lieb, AcP 183 (1983), 327 (350). Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 41; Micklitz, VuR 2003, 2 (3 f.), bezeichnet Verbraucherpolitik, Verbraucherschutz und Verbraucherrecht als „Kind der Konsumgesellschaft“. 12 Mangold, Verbraucherschutz und Kunstkauf im deutschen und europäischen Recht, 89. 13 v. Hippel, Verbraucherschutz, 25. 14 Vgl. nur die große Anzahl an Lehrbüchern und Kommentaren, die diesen Titel tragen, wie z. B. Lettl, Wettbewerbsrecht; Boesche, Wettbewerbsrecht; Berlit, Wettbewerbsrecht; Ahrens, Wettbewerbsrecht; Götting/Kaiser, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsprozessrecht; HK, Wettbewerbsrecht. 15 Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 2. 11

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Einleitung

Kartellrechts bewirken eine Marktstrukturkontrolle, indem sie auf der Makroebene den freien Wettbewerb gegen Beschränkungen schützen16. Dagegen regelt das UWG auf der Mikroebene das Marktverhalten einzelner Marktakteure17. Weil „Wettbewerbsrecht“ oftmals als Oberbegriff für die Normen beider Bereiche gebraucht wird18 und im europäischen Primärrecht ebenso wie beispielsweise auch im britischen Recht kartellrechtlich konnotiert ist19, soll vorliegend der Begriff des Lauterkeitsrechts für die Regelungen des UWG verwendet werden. Unabhängig von den neuerdings erfolgten Änderungen20 ist diese Bezeichnung als die präzisere vorzuziehen21. 3. Das Schutzsubjekt Verbraucher In tatsächlicher Hinsicht bildet die Stellung des Menschen als Nachfrager auf dem Gütermarkt, wie sie sich mit Entstehung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung entwickelt hat, den Ausgangspunkt für eine erste Annäherung an den Begriff des Verbrauchers22. In Abgrenzung zum horizontalen Verhältnis der Wettbewerber untereinander betrifft die Nachfrage das vertikale Marktverhältnis zum Anbieter. Die nachfragende Marktgegenseite lässt sich indes weit fassen, insbesondere kann auch der gewerbliche Nachfrager erfasst sein. Eine Konkretisierung durch das Recht blieb lange aus. Erst in Folge des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 200023 wurde § 13 BGB eingefügt, womit erstmals eine Legaldefinition des Verbrauchers Eingang in das BGB fand24. Auch das UWG verzichtete lange auf eine einheitliche Definition. Dem erwähnten weiten Verständnis der Nachfragerseite entsprechend ließen sich hier früher die verschiedenen Ausformungen des „letzten

16

Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 1, Rn. 3. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 2, sowie Einf D, Rn. 71. 18 MüKo-Sosnitza, UWG, Grundl, Rn. 26. 19 So sind die kartellrechtlichen Bestimmungen der Art. 101 ff. AEUV mit dem Terminus „Wettbewerbsregeln“ überschrieben, und im britischen Recht beispielsweise wird unter „competition law“ das Kartellrecht verstanden, vgl. Ohly, WRP 2008, 177 (178). 20 Siehe insbesondere 2. Kapitel, B., III., 5. 21 So auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 1, Rn. 2; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 2; ders., WRP 2008, 177 (178); auch Lettl, Wettbewerbsrecht, 1, Fn. 1, spricht sich für die Verwendung dieses Begriffs aus, wenngleich der Titel seines Lehrbuchs dem nicht Rechnung trägt. Vgl. auch Götting/Kaiser-Götting/Hetmank, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsprozessrecht, § 1, Rn. 1, Fn. 1. Dagegen kritisch zum Begriff des „Lauterkeitsrechts“ Bülow, GRUR 2012, 889 f., der darauf hinweist, dass es sich genau genommen um „Unlauterkeitsrecht“ handle, da das UWG nur regle, was unlauter ist. 22 Hierzu Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 43. 23 BGBl. I, 897. 24 Diese Vereinheitlichung knüpft inhaltlich an § 24a des AGBG an, vgl. Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, 45. 17

Einleitung

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Verbrauchers“ und der „gewerblichen Verbraucher“ finden25. Seit der UWG-Reform im Jahre 2004 findet sich jedoch in § 2 Abs. 2 UWG ein Verweis auf die Legaldefinition des Verbrauchers in § 13 BGB. Nach dessen Änderung im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie26 ist Verbraucher nun – einheitlich für BGB und UWG – jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Die sprachliche Fassung des § 13 BGB im Allgemeinen wird ebenso kritisiert27 wie die im Unionsrecht nicht vorhandene Beschränkung auf eine selbständige berufliche Tätigkeit im Speziellen28. Mit Blick auf die Übernahme der Definition im Lauterkeitsrecht wird insbesondere die Anknüpfung an ein bestimmten Zwecken dienendes Rechtsgeschäft deshalb kritisiert, weil das Lauterkeitsrecht – gerade nach bisherigem Verständnis – seine verbraucherschützende Funktion schon im Vorfeld eines Rechtsgeschäftes entfaltet29. Darüber hinaus ist die Anknüpfung an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts für das UWG insofern ungenau, als es im Lauterkeitsrecht seit der Novelle 2008 – wie die Untersuchung im Detail zeigen wird – nicht nur um die geschäftliche Entscheidung über den Abschluss eines Rechtsgeschäfts, sondern um weitere, dem abgeschlos25

Siehe §§ 6a, 6b UWG 1909; vgl. Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, 49; auf die lauterkeitsrechtlich nebengesetzlichen Begriffe der „letzten Verbraucher“ und der „gewerblichen Verbraucher“ in § 1 Abs. 1 und § 9 Nr. 1 RabattG weist zudem Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, 13 f., hin. 26 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22. 11. 2011, 64. Eine Änderung brachte die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Hinblick auf § 13 BGB aber nur dahingehend, dass nun das Problem doppelter Zwecksetzungen bei Rechtsgeschäften aufgegriffen wurde. Siehe dazu Alexander, WRP 2014, 501 (501 f.), der kritisch darauf hinweist, dass keineswegs sicher sei, dass von einem unionsrechtlich einheitlichen Verbraucherbegriff ausgegangen werden könne, da die UGP-Richtlinie diese „dual use“-Problematik nicht aufgreife. 27 Diesbezüglich wird vorgebracht, die Aufnahme des Possessivpronomens „ihrer“ setze bei streng wörtlicher Interpretation eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit gerade voraus, vgl. Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, 31; Sommer, Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz, 27 f. 28 Bereits Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2050), wiesen darauf hin, dass im europäischen Sekundärrecht umfassender als im deutschen Recht diejenige natürliche Person vom Begriff des Verbrauchers ausgeschlossen ist, die zu einem Zweck handelt, der ihrer beruflichen (nicht nur selbständigen) Tätigkeit zuzurechnen ist. Der weitergehende Schutz, welchen das UWG zugrunde legt, ist allerdings mit europäischem Recht vereinbar, vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 109; Palandt-Ellenberger, § 13, Rn. 3; vgl. hierzu auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 162; ders., GRUR 2005, 793 (795), der eine Anpassung an das europäische Recht für sinnvoll erachtet. 29 Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 105; Palandt-Ellenberger, BGB, § 13, Rn. 6, weist selbst hinsichtlich des BGB auf die zum Schutze des Verbrauchers gerade nicht an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts anknüpfenden Regelungen der §§ 241a, 661a, 312c, 482 BGB hin. Engels/Salomon, WRP 2004, 32 (34), halten den Verweis für „generell verfehlt“.

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senen Rechtsgeschäft nachfolgende Entscheidungen geht30. Allerdings ist die Vorschrift infolge einer gesetzlich verfügten Analogie31 lediglich entsprechend anzuwenden. Auch mit Blick auf die unionsrechtliche Definition des Art. 2 lit. a UGPRichtlinie32 ist daher im Lauterkeitsrecht als Verbraucher jede natürliche Person anzusehen, deren Handeln von einem Zweck bestimmt ist, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann33. Diesem Konzept folgend kann ein und dieselbe Person bei Abschluss des einen Vertrages Verbraucher sein, bei Abschluss des nächsten nicht mehr, je nachdem, welchen Zweck sie verfolgt und völlig unabhängig von ihrem ökonomischen oder intellektuellen Status34. Der Begriff des Verbrauchers dient damit nicht der Definition eines abgegrenzten oder abgrenzbaren Personenkreises, sondern einer situationsbezogenen Rolle am Markt35. Erfasst ist indes lediglich die Rolle als nicht gewerblicher Abnehmer36. Sonstige Abnehmer als verbliebener Teil der Marktgegenseite im Rahmen des Vertikalverhältnisses am Markt lassen sich im UWG über den Begriff der Marktteilnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG erfassen. Dieser umfasst neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind37. Die Untersuchung kann indes in zweierlei Hinsicht nicht beim ganz spezifischen Verbraucherschutz stehen bleiben. Zum einen muss der Verbraucherschutz im UWG stets im Zusammenhang mit der Rolle des Verbrauchers auf einem Markt betrachtet werden, auf dem, wie sich der Schutzzwecktrias des § 1 UWG entnehmen lässt, nicht der Verbraucher allein geschützt wird. Zum anderen werden auf Seiten des BGB auch 30

Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 162; siehe im Detail zur Reichweite der erfassten geschäftlichen Entscheidungen 3. Kapitel, C., I., 3. 31 Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, 50; hierzu auch Schneider, Gesetzgebung, § 12, Rn. 376. 32 Demnach ist Verbraucher „jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr […] zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“. 33 Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 105; vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 162. 34 Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2050). 35 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 284; Reich, ZEuP 1994, 381 (389). Zu den verschiedenen möglichen Verbraucherschutzkonzeptionen siehe 3. Kapitel, C., I., 1. 36 Der Unterscheidung von Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 2, entsprechend, ist Gegenstand vorliegender Untersuchung damit lediglich der Bereich b2c, nicht jedoch der Bereich „B2Bvertikal“. 37 Gemeint sind damit Unternehmer, die öffentliche Hand, Kirchen und alle sonstigen privat- und öffentlich-rechtlichen Institutionen und Einrichtungen, die – wie die Verbraucher – den Mitbewerbern (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) auf der Ebene des Vertikalverhältnisses begegnen, d. h. ohne zu diesen auf einer anderen Wirtschaftsstufe zu stehen (Hersteller, Händler, Lieferanten, Abnehmer), Ohly/Sosnitza, UWG, § 1, Rn. 27.

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solche Regelungen mit einbezogen, die nicht exklusiv, aber eben auch den Verbraucher schützen, wie dies etwa bei der Mängelgewährleistung der Fall ist.

4. Die Zeit nach Vertragsschluss Soweit vom lauterkeitsrechtlichen Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss die Rede ist, muss dies in zweierlei Hinsicht konkretisiert werden. Zum einen ist hinsichtlich des Anknüpfungspunktes zu differenzieren. Mit „nach Vertragsschluss“ kann sowohl der Zeitpunkt der Vornahme einer Verhaltensweise als auch deren Bezugspunkt („objektiver Zusammenhang mit“) gemeint sein38. Diese Unterscheidung mag für viele Fälle keine weitere Verkomplizierung mit sich bringen: Verhaltensweisen vor Vertragsschluss stehen oftmals in Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs, d. h. mit einem künftigen Vertragsschluss; Verhaltensweisen nach Vertragsschluss stehen häufig in Zusammenhang mit der Abwicklung bzw. Durchführung des bereits geschlossenen Vertrages. Es gibt jedoch Fälle, wie die Verwendung unwirksamer Gewährleistungsausschlüsse, bei denen Zeitpunkt des Verhaltens und Zeitpunkt der Wirkung augenscheinlich auseinanderfallen39. Zum anderen stellt sich die Frage, wie sich die Konzentration der Untersuchung gerade auf den zeitlichen Bereich nach Vertragsschluss rechtfertigt. Einzuräumen ist, dass es auch schon bisher Überschneidungen von rechtsgeschäftlichen und lauterkeitsrechtlichen Instrumenten in zeitlicher Hinsicht und damit Anlass gab, sich mit dem Verhältnis von BGB und UWG zu beschäftigen. An dieser Stelle sei nur das rechtsgeschäftliche Institut der culpa in contrahendo erwähnt, das seine Wirkung schon vor Vertragsschluss entfaltet40. Allerdings betrifft die nunmehrige Erstreckung auf Verhaltensweisen nach Vertragsschluss in objektivem Zusammenhang mit der Durchführung eines Vertrages nun umgekehrt einen Vorstoß durch das Lauterkeitsrecht, der die bisherige zeitliche Abgrenzung zwischen UWG und BGB41 erst recht und mehr denn je auf den Prüfstand stellt. Explizit unterfällt nun auch nachvertragliches Verhalten dem UWG. Neben Verhaltensweisen nach Vertragsschluss sind aber auch – gewissermaßen als Zwischenkategorie – solche bei einem Geschäftsabschluss umfasst. Gemeint ist dabei die zeitliche Phase von der Aufnahme der konkreten Vertragsverhandlungen bis zum Zustandekommen des Vertrags42. Solche Verhaltensweisen sind aber rein faktisch vorvertraglich. Sie weisen nur insofern eine Besonderheit auf, als sie in einem bereits konkretisierten Verhältnis 38

Siehe ausführlich 2. Kapitel, B., III., 1. Vgl. auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 148; siehe hierzu ausführlich 4. Kapitel, A. 40 Siehe dazu 2. Kapitel, A., II., 6. 41 Siehe dazu ausführlich 1. Kapitel. 42 So zum Begriff „während“ gemäß Art. 3 Abs. 1 der UGP-Richtlinie Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 143. 39

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zwischen einem bestimmten Unternehmer und einem bestimmten Verbraucher stattfinden. Hinsichtlich ihres Bezugspunktes werden sie vielfach gleichzeitig einen Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs einer Ware oder Dienstleistung aufweisen43. Soweit sie doch einmal tatsächlich einen näheren Bezug zum Bestand eines geschlossenen Vertrages haben, lassen sie sich wiederum genauso gut der „Durchführung eines Vertrages“ zuordnen. Eine wirklich eigenständige Bedeutung des objektiven Zusammenhangs mit dem Abschluss eines Vertrages44 scheint nur in Fällen denkbar, in denen der Unternehmer ein Angebot unterbreitet, ihn dies jedoch reut und er den Verbraucher daher von der Annahme des Angebots abhalten will. Dies kann geschehen, indem er das Angebot verspätet widerruft, dabei jedoch einen rechtzeitigen Widerruf behauptet. Es kann auch geschehen, indem der Unternehmer einen Anfechtungsgrund und daraus folgend eine wirksame Loslösung vom Angebot behauptet45. Hier geht es weder um die Durchführung eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertrages, noch unmittelbar um Absatzförderung, will der Unternehmer doch den Absatz im konkreten Fall gerade verhindern46. Letztlich stellt aber auch dieser Fall nur eine Zwischenkategorie dar, die nach neuem Recht denknotwendig erfasst sein muss: Wenn bereits nachvertragliche Handlungen im objektiven Zuammenhang mit der Durchführung eines Vertrages (im einzelnen Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher) dem UWG unterfallen, dann müssen auch und erst recht vorvertragliche Handlungen erfasst sein, die sich im einzelnen Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher (und mittelbar sogar auf den zukünftigen Absatz) auswirken können. Der Wortlaut des neuen § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist insofern Ausdruck eines „vertragsbezogenen Kontinuums“47, das den weitreichenden Geltungsbereichs des UWG beschreibt. Änderungen im Vergleich zum alten Recht und eine daraus folgende potentielle Konkurrenzproblematik mit dem BGB ergeben sich dort, wo es um die konkrete, individuelle Rechtsbeziehung zwischen Unternehmer und Verbraucher geht und gleichzeitig rechtsgeschäftliche Möglichkeiten des Verbrauchers bestehen. Dies ist insbesondere der Fall, wo es nach Vertragsschluss um die Durchführung des bereits geschlossenen Vertrags geht.

43

Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 77. Ausführlich zum objektiven Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrages Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 99 ff. 45 Siehe Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 100 f. 46 Allenfalls sehr mittelbar dürfte es insofern um Absatzförderung gehen, als sich der Unternehmer regelmäßig dann von seinem Angebot lossagen wollen wird, wenn er eine andere, bessere Möglichkeit des Absatzes entdeckt hat. 47 Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 129; Keßler/Micklitz, BB 2005 Special 13/05 zu Heft 49, 1 (9) sprechen von einem „Kontinuum […], in dem sich die beiden Regelungsbereiche verzahnen“. 44

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III. Forschungsstand Bereits vor der Reform des UWG im Jahr 2008 beschäftigte die Frage nach dem Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts und folgerichtig dessen Verhältnis zum bürgerlichen Recht sowohl Rechtsprechung als auch Literatur. Für erstere lässt sich dies mit einer Fülle von – noch zu untersuchenden – Urteilen belegen48. Doch auch die Literatur hat sich bereits des Öfteren des Zusammenspiels bzw. der Abgrenzung lauterkeitsrechtlicher und rechtsgeschäftlicher Normen angenommen. Im größeren Zusammenhang ist zunächst die Studie von Drexl49 zu nennen, die sich grundlagenorientiert und unter Einbeziehung der ökonomischen Analyse des Rechts der Entwicklung einer allgemeinen privatrechtlichen Verbraucherschutzkonzeption widmet. Entscheidend für das dort entwickelte Verbraucherschutzmodell ist die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. Zugrundegelegt wird ein situationsbezogenes Verbraucherschutzrecht, das sich als Einheit von „konstitutivem“ und „kompensatorischem“ Schutz darstellt, und in dem auch lauterkeits- wie bürgerlich-rechtliche Instrumente dogmatisch verortet werden. Zum einen wird hier aber ein globaler, weniger auf den spezifischen Bereich von UWG und BGB bezogener Ansatz gewählt. Zum anderen konnte die spezifische Abgrenzungsproblematik, die sich durch aktuelle Rechtsentwicklungen, vor allem auf lauterkeitsrechtlicher Seite, ergeben hat, in der Arbeit noch keine Berücksichtigung finden. Den Blick spezifischer auf den lauterkeitsrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Bereich gerichtet, wählten ältere Untersuchungen noch zur Rechtslage vor 2004 oft eine vom vorliegenden Ansatz abweichende Perspektive. Entscheidend wurde darauf abgehoben, welche Folgen Lauterkeitsrechtsverstöße in der Vertragsanbahnung für den geschlossenen Vertrag haben50. Mit den rechtlichen Folgen von und Möglichkeiten bei lauterkeitsrechtlichen Verstößen vor Vertragsschluss beschäftigte sich z. B. die Arbeit von Alexander aus dem Jahre 200251. Dieser geht auch auf das grundsätzliche Verhältnis von UWG und BGB ein, wobei auch er die neueren rechtlichen Entwicklungen, insbesondere die Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss, naturgemäß noch nicht berücksichtigen konnte. Im Hinblick auf aktuellere Studien, die bereits die UGP-Richtlinie bzw. deren Entwurf und die damit offensichtlich verbundene Annäherung von Lauterkeits- und Vertragsrecht berücksichtigen konnten, ist zunächst die Arbeit von Busch zu nennen52. Auch dieser sieht seine Studie als Teil einer neueren Forschungsrichtung, die sich dem Zusammenhang von Lauterkeits- und Vertragsrecht und der daraus resultierenden Frage widmet, inwieweit die traditionelle Trennung der beiden

48 49 50 51 52

Siehe 1. Kapitel, B. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998). Siehe hierzu z. B. Sack, Wettbewerb und Folgeverträge (1974). Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb (2002). Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht (2008).

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Rechtsgebiete aufrechterhalten werden kann53. Angesichts zunehmender Europäisierung und verstärkter Rezeption ökonomischer Denkmuster sollen die beiden Bereiche im Sinne eines funktional einheitlichen, rechtsgebietsübergreifenden Informationsregimes zu verstehen sein. Die Arbeit beschränkt sich dementsprechend jedoch auf die Wechselwirkungen und Zusammenhänge der jeweiligen Informationspflichten in UWG und BGB. Sie mündet aber darüber hinaus in die interessante Erkenntnis, dass die vormals klaren Trennlinien zwischen Lauterkeits- und Vertragsrecht immer mehr verschwimmen. Ebenfalls auf den Bereich der lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten und deren Zusammenspiel mit den Informationspflichten des BGB beschränkt sich die Arbeit von Kieffer54. Im Zusammenhang einer allgemeineren Bestimmung des Verhältnisses von Vertrags- und Lauterkeitsrecht sind die beiden Monographien von Tiller55 und Leistner56 besonders hervorzuheben. Erstere nimmt insbesondere die Modernisierung des Schuldrechts durch die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zum Anlass, der Frage nach dem Verhältnis von UWG und BGB nachzugehen. Tiller beschäftigt sich dabei bereits explizit mit der zeitlichen Reichweite des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs. In der Folge konzentriert sich die Arbeit dann auf den begrenzten Bereich des Verhältnisses von Irreführungsverbot und Kaufgewährleistungsrecht. Im Mittelpunkt der grundlagenorientierten Untersuchung von Leistner steht die Wechselbeziehung von Vertrags- und Lauterkeitsrecht, wie sie vor allem durch die gemeinschaftsrechtlich initiierte Fortentwicklung relevant geworden ist. Lauterkeits- und Vertragsrecht werden hier unter ausführlicher Berücksichtigung des ökonomischen, rechtsphilosophischen und europarechtlichen Hintergrunds zueinander in Bezug gesetzt. Die Notwendigkeit, das Verhältnis der beiden Bereich zu bestimmen, wird mit der nunmehrigen zeitlichen Ausdehnung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs mehr denn je deutlich. Auch wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit von den Ansätzen der beiden vorgenannten Autoren teilweise abgewichen wird, so bilden deren Studien doch in Teilen das Fundament für die vorliegende Untersuchung. Den für die vorliegende Arbeit essentiellen Blick auf die verbraucherschutzrechtlichen Instrumentarien in BGB und UWG wirft die Studie von Albrecht, die jedoch wiederum vorwiegend der vieldiskutierten Frage nachgeht, inwieweit es individueller Rechtsbehelfe des Verbrauchers im Anschluss an lauterkeitswidriges Verhalten bedarf57. Explizit mit dem Verhältnis von Lauterkeits- und Leistungsstörungsrecht vor und nach Umsetzung der UGP-Richtlinie befasst sich die Arbeit von 53

Siehe die einleitenden Sätze bei Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 1. 54 Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht (2014). 55 Tiller, Gewährleistung und Irreführung (2005). 56 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb (2007). 57 Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen (2011).

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Goldhammer58. Diese konzentriert sich etwas spezifischer auf das Leistungsstörungsrecht, während im Rahmen vorliegender Studie auf Seiten des BGB der Verbraucherschutz in einem weiteren Sinne mit einbezogen werden soll. Ein Überschneidungsbereich zwischen der vorliegenden Arbeit und derjenigen Goldhammers besteht zweifellos insofern, als es sich auch letztere zur Aufgabe gemacht hat, einen Lösungsvorschlag für die Abgrenzung von Lauterkeits- und Leistungsstörungsrecht zu entwickeln. Im Ergebnis wird dabei jedoch ein abweichender Ansatz vertreten. Letzteres gilt auch für die Studie von Schmidtke59, die sich mit der Erweiterung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs und darauf basierend detailliert mit der Bedeutung der einzelnen lauterkeitsrechtlichen Tatbestände bei und nach Vertragsschluss beschäftigt. Schließlich befassen sich einige Autoren in einer Reihe von Aufsätzen60 und Kommentierungen61 mit der UGP-Richtlinie und deren Umsetzung bzw. teils spezieller mit der Reichweite des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs nach der UWG-Novelle 2008, der Beurteilung nachvertraglichen Verhaltens und den Auswirkungen auf das Verhältnis zum Vertragsrecht.

IV. Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Dass das Lauterkeitsrecht durch die Erweiterung auf die Zeit nach Vertragsschluss eine wesentliche Änderung erfahren hat, wird nur verständlich, wenn man sich die Rechtslage bis zur Reform 2008 vor Augen führt. Im ersten Kapitel soll daher dargestellt werden, inwieweit der Verbraucher im UWG bei Verhaltensweisen nach Vertragsschluss auf Grundlage des bis dahin geltenden Rechts geschützt wurde. Die Darstellung soll sich dabei von der ursprünglichen Konzeption des UWG von 1896 ausgehend über die Reform im Jahre 2004 bis hin zur Novelle von 2008 erstrecken. Daran anschließend befasst sich die Untersuchung im zweiten Kapitel damit, wie sich lauterkeitsrechtlicher und 58

Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht (2011). Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss (2011). 60 Siehe nur Köhler, WRP 2009, 898 ff.; ders., WRP 2007, 1393 ff.; ders., FS Doepner, 31 ff.; ders., WRP 2009, 109 ff.; Scherer, WRP 2009, 761 ff.; Keßler/Micklitz, VuR 2009, 88 ff.; Glöckner, WRP 2009, 1175 ff.; ders./Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311 ff.; Sosnitza, WRP 2008, 1014 ff.; Kulka, DB 2008, 1548 ff.; Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 ff.; Seichter, WRP 2005, 1087 ff.; bereits einige Zeit vor der UGP-Richtlinie zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nachvertraglichen Verhaltens vgl. Mees, FS Brandner, 473 ff.; zur Annäherung von Lauterkeits- und Schuldrecht infolge europäischer Entwicklungen auch schon Schmidt, JZ 2007, 78 ff.; zur Schlechtleistung als Verstoß gegen das UWG Svigac, NJOZ 2013, 721 ff. 61 Siehe z. B. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 22 f.; Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 76 f; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 66 ff.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 74 ff.; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 1 f., 6 ff., insbesondere 92 ff.; abweichend Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, 3. Aufl., § 2, Rn. 30 ff. 59

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rechtsgeschäftlicher Verbraucherschutz einander angenähert haben. Aktuellster und entscheidender Ausfluss einer Reihe von Rechtsentwicklungen auf lauterkeitsrechtlicher wie auf rechtsgeschäftlicher Seite ist dabei die Umsetzung der UGPRichtlinie ins deutsche Recht am 30. Dezember 2008. Aus der Erkenntnis, dass bisherige Abgrenzungskriterien ihre Tragfähigkeit verloren haben, leitet sich sodann die Aufgabenstellung für das dritte Kapitel ab. In diesem Teil der Arbeit soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die europäischen Vorgaben eine klare Kategorisierung lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes einerseits und rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes andererseits zulassen. Darauf folgend ist auf aktuelle Abgrenzungsansätze nach neuem Recht einzugehen. Schließlich sollen Zweck und Methode sowohl des rechtsgeschäftlichen als auch des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes untersucht werden. Ziel ist es, dabei einen Ansatz zu entwickeln, der die beiden Bereiche unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage und insbesondere einer sehr weitgehenden Anwendbarkeit des UWG auch nach Vertragsschluss widerspruchsfrei zueinander in Beziehung setzt. Nachdem die dogmatischen Auswirkungen des erweiterten lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs auf das Verhältnis von UWG und BGB untersucht wurden, wendet sich das vierte Kapitel den praktischen Auswirkungen des neuen lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs zu. Dabei sind verschiedene Ansätze zu prüfen, mit denen das Lauterkeitsrecht trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit auf nachgelagerten Prüfungsebenen eingeschränkt werden könnte. Schließlich werden auf Grundlage der daraus gewonnenen Erkenntnisse die im ersten Kapitel dargestellten Problemfälle einer Lösung zugeführt.

1. Kapitel

Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz nach bisherigem Verständnis Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG reicht das Lauterkeitsrecht nun in den Bereich nach Vertragsschluss und die Durchführung des Vertrages hinein. Damit ist der typische Regelungsbereich des Vertragsrechts betroffen und ein Konflikt zwischen UWG und BGB scheinbar vorprogrammiert. Die Tragweite dieser Änderung kann jedoch nur nachvollzogen werden, wenn man weiß, ob und wie das UWG den Verbraucher nach Vertragsschluss bis zur Reform 2008 geschützt hat. Im Folgenden soll zunächst ein Überblick gegeben werden über bisherige Ansätze, nach denen das Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht generell bestimmt wurde. Dabei wird sich zeigen, dass die zeitliche Grenze des Vertragsschlusses das maßgebliche Kriterium war (A.). Sodann werden diejenigen Fälle aufgezeigt und kategorisiert, die bisher unter dem Etikett „Lauterkeitsrecht nach Vertragsschluss“ diskutiert wurden (B.). Schließlich wird dargestellt, wie sich die Beschränkung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs auf die Zeit vor Vertragsschluss technisch aus dem UWG ableitete (C.). Für diese Beschränkung wird sich das Verständnis von Wettbewerb und die Rolle des Schutzsubjekts Verbraucher in eben diesem als entscheidend erweisen.

A. Die bisherige Abgrenzung von UWG und BGB Aufgabe des UWG ist es, den Wettbewerb auf der Mikroebene, d. h. das Marktverhalten, zu regeln1. Ein wesentliches Motiv jeglichen unternehmerischen Marktverhaltens ist es, Verträge zu schließen. Diese Verträge wiederum unterliegen dem im BGB geregelten Vertragsrecht. Insofern finden hier zwei verschiedene Regelungswerke Anwendung, um eng miteinander verbundene, aufeinanderfolgende Phasen eines einheitlichen Lebenssachverhalts zu regeln. Aus diesem Grund bestand schon immer Anlass, das Verhältnis von BGB und UWG zu bestimmen. Dabei haben sich zur Rechtslage vor 2008 die folgenden generellen Ansätze herausgebildet.

1

Siehe bereits oben Einleitung, I., 2.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

I. Der „Multiplikatoreffekt“ als entscheidendes Kriterium Bydlinski suchte die Lösung des Abgrenzungsproblems in einem sog. „Multiplikatoreffekt“2. Dieser rechtfertige es, dem Lauterkeitsrecht angesichts eines gesteigerten Präventionsbedürfnisses eine spezifische Verschärfung der Verhaltensanforderungen für die geschäftlich-unternehmerische Tätigkeit selbst beizumessen und es als spezifisches Deliktsrecht für das geschäftliche Außenverhalten von Unternehmern und diesen zuzurechnenden „Unternehmensgehilfen“ zu bezeichnen3. Der Multiplikatoreffekt könne je nach Größe des Unternehmens und den sonstigen Umständen mehr oder weniger groß sein. Generell folge er aber daraus, dass unternehmerische Tätigkeit die Anbahnung und Abwicklung mehrerer oder vieler, oft weithin ähnlicher geschäftlicher Kontakte erfordere. „Unlautere“ Aspekte von unternehmerischen Wettbewerbshandlungen würden deshalb oftmals generalisiert und beträfen daher mehrere oder viele potentielle Mitbewerber und deren Geschäftspartner nachteilig. Anknüpfend an diesen Multiplikatoreffekt sah auch Beater in der kollektiven Komponente des Lauterkeitsrechts die Trennlinie zum Vertragsrecht4. So beschäftige sich das Lauterkeitsrecht grundsätzlich nicht mit den Interessen des einzelnen Kaufinteressenten, Käufers oder Abnehmers. Vielmehr könne die Beschränkung auf Kollektivinteressen ein Instrument sein, um diese Rechte und damit die angemessene Lösung von Individualkonflikten, wie etwa Vertragsstreitigkeiten, dem Zivilrecht zu überlassen. Dieses sei insofern als lex specialis zu betrachten5. Der Schutz der Verbraucherschaft gehöre zu den Konstellationen, in denen das Lauterkeitsrecht lediglich Kollektiv-, nicht aber Individualinteressen schütze6.

II. Generell-abstrakter versus individuell-konkreter Schutz Ein weiterer Ansatz wurde im Rahmen der Diskussion um die Einführung eines allgemeinen Vertragsauflösungsrechts im UWG entwickelt. Demnach wurde zwischen einem lauterkeitsrechtlichen generell-abstrakten Schutz einerseits und einem vertragsrechtlichen individuell-konkreten Schutz andererseits unterschieden7. Das Lauterkeitsrecht auf der einen Seite wolle von seiner Funktion her das Marktverhalten von Unternehmen im Wettbewerb um Kunden regeln. Es sei mithin seiner 2

Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 608 ff.; den Gedanken einer solchen „Breitenwirksamkeit“ aufgreifend auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 52 ff. 3 Wobei sich die Spezifität auf die geschäftliche Tätigkeit für ein Unternehmen, d. h. auf eine solche bezieht, die die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung rechtsgeschäftlicher Kontakte einschließt, Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 609. 4 Beater, Unlauterer Wettbewerb (2002), § 1, Rn. 56 ff., § 28, Rn. 1 ff. 5 Beater, Unlauterer Wettbewerb (2002), § 28, Rn. 1. 6 Beater, Unlauterer Wettbewerb (2002), § 28, Rn. 3. 7 Köhler, GRUR 2003, 265 (267); Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 37; Eppe, WRP 2005, 808 (812); Apostolopoulos, WRP 2004, 841 (845), der aber zudem an den Aspekt der Breitenwirksamkeit anknüpft.

A. Die bisherige Abgrenzung von UWG und BGB

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Struktur nach ein Sonderdeliktsrecht. Dagegen sei auf der anderen Seite die Regelung der konkreten Einflussnahme auf den Verbraucher und dementsprechend der individuellen Beziehungen zwischen dem Unternehmer und seinem Kunden aus Vertragsanbahnung und Vertragsschluss eine Frage des Vertragsrechts8. Der durch eine Marktverhaltenskontrolle bewirkte (indirekte) lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz reiche über den vertragsrechtlichen Schutz weit hinaus und sei diesem zeitlich vorgelagert9, ohne dass dabei die zeitliche Zäsur zum Abgrenzungskriterium zu erheben sei. Die Zäsur müsse vielmehr sachlicher Natur sein, weil der individualvertragliche Schutz angesichts des Instituts der culpa in contrahendo, gewissermaßen als Durchbrechung der „zeitlichen Grenze“ von Seiten des Vertragsrechts, schon bei der Vertragsanbahnung ansetze10.

III. Kontrahierende versus distrahierende Tendenz der Bereiche Alexander war der Ansicht, dass es zu einer Deckungsgleichheit von Vertragsund Lauterkeitsrecht nicht kommen könne. Das folge nicht nur aus der rechtssystematischen Verortung des Lauterkeitsrechts im Deliktsrecht, sondern auch aus der Verschiedenheit der zu regelnden Interessenkonflikte11. Das Vertragsrecht als rechtliche Basis zur Regelung eines Austauschverhältnisses betreffe Situationen, in denen die beteiligten Vertragsparteien entgegengesetzte Ziele verfolgen. Anknüpfend an Hefermehl habe das im individualvertraglichen Austauschverhältnis bestehende Spannungsverhältnis „kontrahierende Tendenz“. Im Gegensatz dazu bestehe im Parallelprozess der Wettbewerber eine „distrahierende Tendenz“12. Marktpartner im Vertikalverhältnis wollten sich demnach nicht wie Wettbewerber gegenseitig überflügeln oder gar verdrängen, sondern in einerm Vertrag verbinden13. Es sei daher gerade die Gleichrichtung der widerstreitenden Interessen, die das Lauterkeitsrecht prägten und vom Vertragsrecht fundamental unterschieden. Im Wettbewerb werde ein mikroökonomisches Spannungsverhältnis aufgebaut, das darauf abziele, den Abnehmer zur Wahrnehmung seiner Schiedsrichterrolle zu veranlassen. Eben dieses Spannungsverhältnis erlösche aber just in dem Moment, in dem der Abnehmer seine Entscheidung gefällt hat14.

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Köhler, GRUR 2003, 265 (267). Köhler, GRUR 2003, 265 (267). 10 Vgl. Köhler, GRUR 2003, 265 (267, Fn. 14). 11 Siehe Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 49 ff. 12 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 51, mit Verweis auf Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Allg, Rn. 10. 13 Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Allg, Rn. 10. 14 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 50 f., mit Verweis u. a. auf GK-Schünemann, UWG, 1. Aufl., Einl D, Rn. 250. 9

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

Alexander selbst stellte fest, dass diese Deutung im Kern auf der ursprünglich konkurrentenschützenden Ausrichtung15 des Lauterkeits-, bzw. nach seinem Verständnis tatsächlich noch besser passend: des Wettbewerbsrechts basiert16. Im Austauschverhältnis zwischen verschiedenen Marktstufen könne kein Wettbewerb bestehen und daher auch das UWG nicht eingreifen17. Gegen diesen Ansatz spreche auch nicht die Anerkennung weiterer Schutzzwecke und insbesondere nicht die Berücksichtigung der Belange der Verbraucher im Lauterkeitsrecht. Letztendlich schütze das Lauterkeitsrecht eben nicht sämtliche, sondern nur diejenigen Verbraucherinteressen, die durch spezifisch wettbewerbliche Betätigung der Marktgegenseite beeinträchtigt werden18.

IV. Zwischenergebnis Wendet man die vorgenannten – einander recht ähnlichen – Ansätze auf die hier untersuchte Bewertung des nachvertraglichen Bereichs an, dann ist das Ergebnis eindeutig. Wenn sich etwa die Rechtfertigung der Anwendbarkeit des UWG aus einem Multiplikatoreffekt herleiten lassen und das UWG eben nicht einzelne Abnehmerinteressen schützen soll, dann muss in der Tat nach Vertragsschluss das Vertragsrecht als lex specialis Vorrang haben. Dies folgt daraus, dass sich die Perspektive hier auf ein einzelnes Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher verengt. Auch der zweitgenannte Ansatz stellt auf eine kollektive Komponente ab, wenngleich er weniger bei der generellen Rechtfertigung eines lauterkeitsrechtlichen Eingriffs als vielmehr bei dessen verbraucherschutzrechtlicher Wirkungsweise ansetzt. Schließlich knüpft auch Alexander ausdrücklich an den beschriebenen Aspekt der Breitenwirksamkeit an19. Aus dem letztgenannten Ansatz lässt sich die Konsequenz dieser Grundprämisse für die zeitliche Anwendbarkeit besonders deutlich herauslesen, wenn Alexander feststellt, dass das für den Wettbewerb charakteristische Spannungsverhältnis mit der Entscheidung des Abnehmers erlösche.

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Siehe dazu 1. Kapitel, C., I., 2. Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 51, mit Verweis auf Fricke, GRUR 1976, 680 (683). 17 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 51; Meier, WRP 1978, 514 (516). 18 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 51 f.; Ahrens, WRP 1972, 57 (60), betont, dass die „Verstärkung des Verbraucherschutzes […] in ein Normgefüge eingebaut worden [ist], das in seinem Anwendungsbereich auf die Abwehr wettbewerbsbezogener [Hervorhebung im Original] Handlungen beschränkt ist“; Samwer, GRUR 1969, 326 (328), spricht im Hinblick auf den Verbraucherschutz von einer „selbstverständlichen Reflexwirkung“. 19 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 52 ff. 16

B. Nachvertragliches Verhalten als lauterkeitsrechtliche Problematik

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B. Nachvertragliches Verhalten als lauterkeitsrechtliche Problematik Im Folgenden soll zunächst überblicksartig dargestellt werden, welche Fälle Rechtsprechung und Literatur im Zusammenhang mit der Thematik „Lauterkeitsrecht nach Vertragsschluss“ konkret beschäftigt haben20. Betrachtet man die entsprechenden Urteile sowie die zugrundeliegenden Sachverhalte21, dann scheint sich eine Kategorisierung nach Fällen der Vertragspflichtverletzungen durch den Unternehmer, der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche durch den Unternehmer bzw. – als deren Kehrseite – der Abwehr vertraglicher Rechte des Verbrauchers sowie der Änderung bzw. Umgestaltung bestehender Verträge anzubieten.

I. Vertragspflichtverletzungen durch den Unternehmer Den Nerv der „Biertrinkernation Deutschland“ treffen zweifellos die beiden Entscheidungen des BGH Ausschank unter Eichstrich I22 und Ausschank unter Eichstrich II23. Diesen lag jeweils die Konstellation zugrunde, dass entgegen der vorherigen Ankündigung nur eine geringere Menge an Bier ausgeschenkt wurde. Wie sich bereits dem jeweiligen Leitsatz des Gerichts entnehmen lässt, ging es hier also um eine Minderleistung24. Abseits dieser besonders aufmerksamkeitserregenden Fallkonstellation ging es z. B. in der Entscheidung Ziegelvorhangfassade25 um Vertrieb und Montage von Ziegelvorhangfassaden, deren Materialien den Anforderungen nicht genügten, d. h. um eine mangelhafte Leistung und damit wiederum die Verletzung einer vertraglichen Pflicht26. Der Entscheidung Standardisierte Mandatsbearbeitung lag der klägerische Vorwurf zugrunde, die beklagte Anwaltskanzlei erkläre dem Inhaber von Schutzrechten gegenüber bewusst wahrheitswidrig und entgegen der Angaben des eigenen Mandanten, letzterer habe die geltend gemachte Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Die Klägerin war u. a. der Ansicht, hierin liege eine systematische Schlechtleistung den jeweiligen Mandanten gegen20 Zuzugeben ist, dass sich nicht alle der nachfolgend dargestellten Fallkonstellationen unmittelbar auf Situationen zwischen Unternehmer und Verbraucher beziehen. Gleichwohl handelt es sich jedenfalls um auch gegenüber dem Verbraucher zumindest potentiell relevante Fälle. 21 Die Kategorisierung erfolgt an dieser Stelle noch unreflektiert dem von der Rechtsprechung jeweils verwendeten Wortlaut bzw. kontextuellen Zusammenhang, wie er sich bei einer noch distanzierten Betrachtung des Sachverhalts darstellt. 22 BGH GRUR 1983, 451 ff. – Ausschank unter Eichstrich I. 23 BGH GRUR 1987, 180 f. – Ausschank unter Eichstrich II. 24 BGH GRUR 1983, 451 (451) – Ausschank unter Eichstrich I; BGH GRUR 1987, 180 (180) – Ausschank unter Eichstrich II. 25 BGH GRUR 1994, 640 ff. – Ziegelvorhangfassade. 26 Vgl. BGH GRUR 1994, 640 (642) – Ziegelvorhangfassade.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

über, über die diese nicht aufgeklärt würden27. All den vorgenannten Fällen gemein ist der Umstand, dass hier – zumindest auf den ersten Blick28 – gerade die Schlechterfüllung einer vertraglichen Primärpflicht zugleich lauterkeitsrechtlich bewertet wird. Insofern geht es um Verhaltensweisen, die unmittelbar vertragliche Rechte des betroffenen Vertragspartners auslösen. Auch in den Fällen, wie sie den Entscheidungen Kontostandsauskunft29 und Irreführender Kontoauszug30 zugrunde lagen, könnte sich eine Konkurrenzproblematik zwischen UWG und BGB im Hinblick auf Ansprüche aus vertraglicher Pflichtverletzung ergeben. So teilte die Bank hier im Rahmen von Giroverträgen jeweils Kontosalden mit, die infolge der Berücksichtigung von bereits gebuchten, aber noch nicht wertgestellten Gutschriften nicht korrekt waren31. Jeweils stellt sich letztlich die Frage, ob allein die Verletzung einer vertraglichen Pflicht zugleich einen UWG-Verstoß begründen kann. Das würde nicht nur bedeuten, dass tatsächlich nachvertragliches Verhalten einen UWG-Verstoß darstellen kann. Es würde auch eine Abgrenzung insofern erschweren, als BGB und UWG einen völlig identischen Anknüpfungspunkt hätten. Zudem würde dann u. U. die Möglichkeit bestehen, dass tatsächlich Dritte unmittelbar in die vertragliche Beziehung zwischen Unternehmer und Verbraucher eingreifen, indem etwa mit Hilfe des UWG die Schlechtleistung als solche sanktioniert wird. Wenn Dritte den Unternehmer zur Erfüllung vertraglicher Pflichten anhalten könnten, dann wäre damit dem Verbraucher gewissermaßen protektionistisch seine Hoheit bei der Geltendmachung vertraglicher Rechte genommen.

II. Geltendmachung und Durchsetzung vertraglicher Ansprüche In den beiden Folgeverträge-Entscheidungen32 des BGH bewertete dieser das Einfordern von Zahlungen für die Schaltung von Anzeigen in Fällen, in denen dem Vertragsschluss über das jeweilige Anzeigengeschäft eine lauterkeitswidrige Täuschung vorangegangen war. Die jeweiligen Leitsätze stellen dementsprechend auch explizit auf die Durchsetzung zustande gekommener Verträge ab33. Mit einer leicht abgewandelten Konstellation beschäftigte sich der BGH in der Entscheidung Ge27

BGH GRUR 2013, 945 ff. – Standardisierte Mandatsbearbeitung. Siehe dazu ausführlich 1. Kapitel, C., II. und 4. Kapitel, A. 29 BGH GRUR 2002, 1093 f. – Kontostandsauskunft. 30 BGH GRUR 2007, 805 ff. – Irreführender Kontoauszug. 31 BGH GRUR 2002, 1093 (1093 f.) – Kontostandsauskunft; BGH GRUR 2007, 805 (805 f.) – Irreführender Kontoauszug. 32 BGH GRUR 1994, 126 ff. – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 ff. – Folgeverträge II. 33 BGH GRUR 1994, 126 (126) – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 (358) – Folgeverträge II. 28

B. Nachvertragliches Verhalten als lauterkeitsrechtliche Problematik

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winn-Zertifikat34. Beurteilt wurde hier die Abwicklung (Zusendung von Ware und Rechnung) von Verträgen durch ein Versandhandelsunternehmen für ein anderes Unternehmen, welches zuvor lauterkeitswidrig geworben hatte. In der Entscheidung Sicherungsschein35 wurde die Forderung bzw. Annahme von Zahlungen durch die Betreiberin eines Ferienparks, ohne dass zuvor die – gesetzlich vorgeschriebene – Übergabe eines Sicherungsscheins (§ 651k Abs. 4 BGB a.F.) oder der Nachweis einer Sicherheitsleistung (§ 651k Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 BGB a.F.) erfolgt ist, lauterkeitsrechtlich beurteilt. Neben Fällen, in denen eine Irreführung oder ein gesetzlicher Verstoß involviert sind, ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Forderungen auch die Anwendung aggressiver Praktiken denkbar, wie die Entscheidung des OLG München Besuch durch Inkasso-Team36 zeigt. Hier ging es um die Einforderung einer Zahlung wegen einer (vermeintlichen) Inanspruchnahme pornografischer Inhalte durch Ankündigung des Besuchs eines auf Inkasso spezialisierten Mitarbeiter-Teams. Schließlich ist denkbar, dass Forderungen geltend gemacht werden, die tatsächlich gar nicht bestehen. Diese Konstellation wurde etwa am Beispiel des Verhältnisses zwischen Arzt und Privatpatient als sog. „Abrechnungsbetrug“ diskutiert37. Vorstellbar ist insofern die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, die Abrechnung nicht persönlich erbrachter Leistungen, die Falschabrechnung, die Abrechnung nicht notwendiger Leistungen sowie die Abrechnung aufgedrängter Leistungen38. Auch für diese Fallgruppe ergeben sich interessante Fragen im Hinblick auf die Reichweite des UWG und sein Verhältnis zum Lauterkeitsrecht. Zunächst einmal stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts schon deshalb, weil derartige Forderungen zumindest dann nach Vertragsschluss stattfinden, wenn der von Unternehmerseite behauptete Vertrag tatsächlich besteht. Selbst wenn das UWG auch in diesen Fällen Anwendung findet, so stellen sich im Anschluss insbesondere Fragen hinsichtlich des Maßstabs eines lauterkeitsrechtlichen Schutzes: Findet das UWG nach Vertragsschluss Anwendung, wenn der Unternehmer in einem einzelnen Fall gegenüber einem einzelnen Verbraucher eine (u. U. gar nicht bestehende) Forderung und damit seine aus dem Vertrag (vermeintlich) resultierenden Rechte geltend macht? Wie ist es zu beurteilen, wenn der Unternehmer in einem bloßen Einzelfall nicht weiß, dass eine Forderung tatsächlich nicht besteht? Handelt er also lauterkeitswidrig, wenn er versehentlich eine nicht existente Forderung eintreibt? Wie weit darf der Unternehmer gehen, um seine vertraglichen Rechte geltend zu machen? Wie wirken sich die Umstände des Zustandekommens des Vertrages auf die Durchsetzung desselben aus? Und kann schließlich der Verstoß gegen eine BGB-Norm (§ 651k Abs. 4 BGB a.F.) bei der Durchsetzung einer For34 35 36 37 38

BGH GRUR 2001, 1178 ff. – Gewinn-Zertifikat. BGH GRUR 2000, 731 ff. – Sicherungsschein. OLG München GRUR-RR 2010, 50 f. – Besuch durch Inkasso-Team. Hierzu ausführlich Köhler, FS Doepner, 31 ff. Köhler, FS Doepner, 31 (31).

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

derung zugleich einen UWG-Verstoß begründen? Letzteres betrifft wiederum die Frage, ob derselbe Anknüpfungspunkt sowohl einen Verstoß gegen das BGB als auch gegen das UWG begründen kann.

III. Abwehr vertraglicher Rechte Im Fall Aussteuer-Sortimente39 wurde dem Leitsatz gemäß eine Aussage bei den Vertragsverhandlungen bewertet, wonach ein Widerrufsrecht nach dem damaligen § 1c AbzG nicht bestehe. Demgegenüber hatte sich der klagende Verbraucherverband genau genommen gegen den Hinweis auf das fehlende Widerrufsrecht in dem Fall gewendet, dass der jeweilige Kunde nach Vertragsschluss von eben diesem Gebrauch macht. Um Aussteuerwaren und die Abwehr eines Widerrufsrechts ging es auch im Fall Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf40. Bezüglich eines ersten Vertrages über Wäsche und Handtücher kam nur die Behauptung nach dem Widerruf der Kundin in Frage, ein solcher sei nicht möglich, da es sich um einen nicht widerruflichen Barzahlungsvertrag handle. Dagegen kamen hinsichtlich eines zweiten Vertrages über Porzellanwaren und Essbestecke sowohl vor- als auch nachvertragliche Erklärungen in Betracht. Insofern hatte die Beklagte zunächst bei Vertragsschluss auf der Rückseite des Vertragsformulars im Rahmen der dort enthaltenen Widerrufsbelehrung den Hinweis formuliert, dass der nicht widerrufene Vertrag binnen einer Woche ab Vertragsschluss wirksam werden sollte. Im Anschluss daran entgegnete sie sodann nach dem Widerruf der Bestellungen, ein Widerruf sei verfristet. Lediglich ein nachvertragliches Schreiben wurde in der Entscheidung des OLG Jena Kundenreklamation41 bewertet. Hierin erwiderte das beklagte Unternehmen auf Kundenreklamationen hin, ein Rücktrittsrecht bestehe nicht. Im Unterschied zu den vorgenannten Konstellationen wurde ein Recht des Kunden nicht nur in Abrede gestellt. Darüber hinaus verwies das Unternehmen auf die eigene Internetseite; auf dieser sei ein Gutachten einzusehen, das vom TÜV erstellt und gerichtlich bestätigt sei. Letztere Bestätigung hat es indes nie gegeben. Eine im Vergleich zum bloßen Abstreiten eines Rechts raffiniertere Variante wandte auch das beklagte Versandhandelsunternehmen im Fall Monatlicher Ratenzuschlag42 an. Dieses gab in der dem Teilzahlungskunden für eine ausgeführte Bestellung übersandten Rechnung einen „Ratenzuschlag 0,5 % PM“ an, woraus der Kunde aus Klägersicht irrigerweise schließe, es handle sich um einen effektiven Jahreszins von 6 %, und in der Folge in seiner Entscheidung über Rückgabe oder Widerruf beeinflusst sei. Dagegen be-

39 40 41 42

BGH GRUR 1977, 498 ff. – Aussteuer-Sortimente. BGH GRUR 1986, 816 ff. – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 f. – Kundenreklamation. BGH GRUR 1990, 609 ff. – Monatlicher Ratenzuschlag.

B. Nachvertragliches Verhalten als lauterkeitsrechtliche Problematik

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schäftigte sich der BGH im Fall Gewährleistungsausschluss im Internet43 wiederum mit dem (vorvertraglichen) Angebot eines gewerblichen Elektrohändlers auf ebay, bei dem die (nach Vertragsschluss relevante) Gewährleistung ausgeschlossen wurde. Die Fallgruppe der Abwehr vertraglicher Rechte hängt eng mit derjenigen der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche zusammen. Auch die Behandlung von beispielsweise Reklamationen und Mängelrügen betrifft die Vertragsabwicklung44. Die dargestellten Fälle mit ihren zum Teil unterschiedlichen möglichen Anknüpfungspunkten werfen die Frage auf, inwiefern es einen Unterschied machen kann, ob eine Erklärung vor oder nach Vertragsschluss erfolgt, wenn sie – unabhängig von der zeitlichen Einordnung – Wirkung allein auf dasselbe nachvertragliche Recht des Verbrauchers haben kann. Insofern wird auf die Bedeutung und das Zusammenspiel von Handlung und Wirkung einzugehen sein.

IV. Änderung und Umgestaltung bestehender Verträge Die Umgestaltung eines bestehenden Vertrags bzw. dessen Ersetzung durch einen neuen betraf der Fall Beitragsrechnung45. Hier unterbreitete das beklagte Versicherungsunternehmen Kunden ein Angebot zur Erhöhung der Deckungssumme der Privathaftpflichtversicherung. Versicherungsnehmern, die sich zu diesem Erhöhungsangebot nicht geäußert hatten, übersandte die Beklagte dann später Beitragsrechnungen, in denen die Prämie entsprechend dem Erhöhungsangebot ausgewiesen war46. Vergleichbar hatte in dem Fall, der der Entscheidung Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen47 zugrunde lag, eine LebensversicherungsAG ein Rundschreiben an Versicherungsnehmer versandt. Dieses hatte die Ersetzung von für unwirksam erklärten Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Kapitallebensversicherungsverträgen zum Gegenstand, mithin die Gestaltung von bestehenden Vertragsverhältnissen48. Unter die Kategorie der Änderung bzw. Erweiterung eines bestehenden Vertrages lässt sich faktisch auch die Entscheidung Kerosinzuschlag des OLG Frankfurt a.M.49 fassen. Hier hatte ein Reiseveranstalter gegenüber mehreren Reisekunden vor Antritt der jeweiligen Reise einseitig eine Erhöhung des vereinbarten Reisepreises wegen gestiegener Treibstoffkosten erklärt. Der Fall weist aber auch Bezüge zur Fallgruppe der Geltendmachung vertraglicher Rechte insofern auf, als das Gericht hier gerade die Durchsetzung dieses geänderten Vertrags zu prüfen hatte. Eine Reihe von Kunden wollte die geforderte Zahlung nur unter dem 43 44 45 46 47 48 49

BGH GRUR 2010, 1117 ff. – Gewährleistungsausschluss im Internet. Vgl. OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (83) – Kundenreklamation. BGH GRUR 1992, 450 ff. – Beitragsrechnung. BGH GRUR 1992, 450 (451) – Beitragsrechnung. BGH WRP 2003, 76 f. – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen. BGH WRP 2003, 76 (76 f.) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen. OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 ff. – Kerosinzuschlag.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

Vorbehalt der nachträglichen Überprüfung leisten. Daraufhin teilte die Beklagte den Kunden mit, die Reiseunterlagen nur bei vollständiger und vorbehaltloser Zahlung des Reisepreises aushändigen zu wollen50. Die beschriebenen Fälle bilden rein tatsächlich eine eigenständige Kategorie. Nicht nur der zuletzt beschriebene Fall weist aber Überschneidungen mit den zuvor genannten Kategorien auf. Beispielsweise lässt sich die Zusendung eines Erhöhungsangebots sowie die Inrechnungstellung des erhöhten Beitrages aus mehreren Blickwinkeln betrachten: In den Vordergrund lässt sich die Herbeiführung eines neuen, so noch nicht bestehenden Vertrages ebenso wie die Durchsetzung dieses neuen Vertrages rücken. Denkbar ist es auch, eine Verschleierung der Erhöhung im Zusammenhang einer ansonsten drohenden Abwanderung zu Konkurrenten und damit der Abwehr von Verbraucherrechten (aus einem bestehenden Vertrag) zu sehen51. Damit sind zentrale Fragen betroffen, die für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung entscheidend sein könnten: An welches Verhalten knüpft das UWG an? Und welche Art von Wirkung (Herbeiführung eines neuen Vertrags oder Abwehr von Rechten aus dem alten Vertrag) ist die lauterkeitsrechtlich maßgebliche?

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG zwischen 1896 und 2004 Aus den unter A. dargestellten Ansätzen ließ sich bereits herauslesen, dass lauterkeitsrechtlich relevanter Wettbewerb nach bisherigem Verständnis nur bis zum Abschluss des Vertrages vorliegen konnte. Im Folgenden soll dargestellt werden, inwieweit sich diese zeitliche Beschränkung des lauterkeitsrechtsrechtlichen Verbraucherschutzes in Rechtsprechung und Literatur zur alten Rechtslage konkret wiederfand. Dabei soll die Lage bis zur Reform 2004 sowie danach untersucht werden. Als entscheidend wird sich dabei das Tatbestandsmerkmal des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ erweisen. Für dessen Verständnis wiederum spielt der Charakter des UWG als „Wettbewerbsrecht“ und – damit eng verbunden – die Rolle des Verbrauchers als Schutzsubjekt innerhalb des Wettbewerbs eine tragende Rolle.

I. Grundsatz: „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ Das UWG von 189652 bestand aus einem Katalog von 17 Paragraphen, ohne dabei bereits eine Generalklausel zu enthalten53. Ein Handeln „zu Zwecken des Wettbe-

50 51 52

OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (727) – Kerosinzuschlag. Vgl. BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, RGBl. I, 145.

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG 1896 – 2004

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werbes“ bzw. „zum Zweck des Wettbewerbes“ fand sich begrifflich lediglich in den §§ 6, 9 und 10 UWG a.F. Der Kritik an der kasuistischen Fassung des ursprünglichen Gesetzes54 half die Einführung der großen Generalklausel des § 1 UWG a.F. ab, die den Charakter des Lauterkeitsrechts für lange Zeit entscheidend prägen sollte. Diese Generalklausel setzte fortan, ebenso wie später mit der Novellierung vom 6. Juni 1969 der Irreführungstatbestand des § 3 UWG a.F., tatbestandlich ein Handeln „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“ voraus. Zum einen war damit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr erforderlich. Hiervon sollten alle Maßnahmen erfasst sein, die irgendwie auf die Förderung eines beliebigen – auch fremden – Geschäftszwecks gerichtet sind, d. h. jede selbständige, der Verfolgung eines wirtschaftlichen Zweckes dienende Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Wettbewerb irgendwie zum Ausdruck gelangt55. Davon abzugrenzen waren alle rein privaten und alle rein betriebsintern bleibenden Handlungen sowie alle dienstlichen (amtlich-hoheitlichen) Handlungen, die für einen aktuellen oder potentiellen Wettbewerb keine Außenwirkung entfalten sollen56. Zum anderen – und für die vorliegende Untersuchung vor allem – war Voraussetzung ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Dieses zentrale Merkmal sollte dazu dienen, den lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereich in funktionaler Hinsicht zu umschreiben57 und „die Spannweite des UWG“58 zu bestimmen. Wie sich zeigen wird, ist die Beschränkung des UWG und des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes auf den Zeitraum vor Vertragsschluss bereits in diesem Tatbestandsmerkmal, weil bereits im Begriff des Wettbewerbs und der Rolle des Verbrauchers innerhalb dieses Wettbewerbs, angelegt. 1. Der Begriff des Wettbewerbs Untersucht man den Anwendungsbereich des „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“, der maßgeblich durch den Zentralbegriff des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ bestimmt wird, so liegt es auf der Hand, sich zunächst dem Begriff 53 Vgl. HK-Klippel, UWG, E 1, Rn. 14 ff., 18; eingehend zur Entstehungsgeschichte des UWG von 1896 v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 (2002). 54 Kohler, Der unlautere Wettbewerb, 63, stellte fest, dass das UWG von 1896 „völlig kasuistisch gefaßt war und des großen Zuges entbehrte“. 55 Siehe BGH GRUR 1953, 293 (294) – Fleischbezug; BGH GRUR 1956, 216 (217) – Staatliche Kurverwaltung/Bad Ems; BGH GRUR 1960, 384 (386) – Mampe Halb und Halb; BGH GRUR 1964, 208 (209) – Fernsehinterview; siehe auch Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 194; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 208. 56 Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 197; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Rn. 208. 57 Vgl. Mees, FS Brandner, 473 (474); GK-Schünemann, UWG, 1. Aufl., Einl D, Rn. 193. 58 Hefermehl, FS Nipperdey, 283 (290); auch zitiert bei Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 1.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

des Wettbewerbs als solchem zu widmen. Das UWG enthielt sich einer Definition desselben stets59. In der wirtschaftswissenschaftlichen bzw. kartellrechtlichen Literatur dagegen besteht keineswegs ein Mangel an Wettbewerbskonzeptionen60 bzw. -definitionen. Konzentriert man sich auf die Kernaussage der insoweit vorgetragenen Definitionen61, dann lässt sich Wettbewerb begreifen als das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichermaßen erreichen können, so dass der Gewinn des einen den Verlust des anderen bedingt62. Es geht mithin um den Wettlauf unter mehreren, der im Übrigen auch ganz dem eigentlichen Wortsinn des Wettbewerbs entspricht. Schließlich ist die Bezeichnung eine seit Langem auch hierzulande gebräuchliche Eindeutschung des Wortes „Konkurrenz“, das über das französische „concurrence“ Eingang in die deutsche Sprache fand. Der Begriff entstammt ursprünglich dem lateinischen „concurrere“ und bedeutet so viel wie „zusammenlaufen, sich in einen Kampf einlassen“63. Beschrieben ist damit die von Alexander ausgemachte, den Wettbewerb um den Kunden prägende distrahierende Tendenz64. Aus derselben Perspektive wurde in juristischer Hinsicht als Schutzgut des UWG das Kriterium des Leistungswettbewerbs ausgemacht65. Die erstmals von Lobe66 betonte Bedeutung des Leistungsprinzips im Wettbewerb wurde später von Nipperdey67 und auch Böhm68 zu dem umfassenden Gegensatz zwischen Leistungs- und 59

Haase, Die unlautere Wettbewerbshandlung nach der UWG-Reform, 7, weist darauf hin, dass sich die vielseitigen und interdependenten Aspekte des Wettbewerbsbegriffes mit einer allgemeinen Definition nicht erfassen lassen. Kritisch zum Versuch einer Definition auch Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 11 f.; Emmerich, Kartellrecht, § 1, Rn. 1 ff.; Götting/Nordemann, UWG, Einl., Rn. 2. 60 Vgl. den Überblick z. B. bei Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 16 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 91 ff. 61 Siehe nur Fikentscher, WuW 1961, 788 (798): „selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager (Mitbewerber) nach Geschäftsverbindung mit Dritten (Kunden oder Lieferanten) durch Inaussichtstellen günstig erscheinender Geschäftsbedingungen“; Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 3: „das Streben von zwei oder mehr Personen bzw. Gruppen nach einem Ziel […], wobei der höhere Zielerreichungsgrad des einen in der Regel einen geringeren Zielerreichungsgrad des(r) anderen bedingt“; sehr anschaulich Kummer, Der Begriff des Kartells, 35: „Es müssen mindestens zwei sein, die unter sich im Wettbewerb stehen, die miteinander konkurrieren, die werben; und es muss ein Dritter da sein, um den geworben wird. Um den Adam konnte die Eva nicht werben, nur verführen konnte sie ihn; wohl aber entbrannte ein Wettbewerb um den Apfel des Paris […]“. 62 Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 17. 63 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, Einl, Rn. 1.1. 64 Siehe oben 1. Kapitel, A., III. 65 So ausdrücklich BGH GRUR 1980, 800 (801) – Schwerbeschädigtenhilfe e.V.; vgl. Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, 78; vgl. auch Ohly/Sosnitza, UWG, § 1, Rn. 5, m.w.N. 66 Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 56 ff.; ders., GRUR 1910, 1 (5 f.); 67 Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung, 16 ff. 68 Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 73 („Wir können uns zur Kennzeichnung dieses Kampfverhaltens der neuerdings von Nipperdey [Hervorhebung im Original] für die wettbe-

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG 1896 – 2004

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Nichtleistungswettbewerb ausgebaut69. Diese Unterscheidung wurde auch in der Rechtsprechung im Anschluss an den Benrather Tankstellenfall70 lange Zeit zugrunde gelegt71. Leistungswettbewerb schädige als „natürlichste Form des Wettbewerbs“ Konkurrenten nicht als Mittel, sondern nur als notwendige Folge des Nebeneinanderbestehens mehrerer Gewerbebetriebe, während der Behinderungswettbewerb Wettbewerbshandlungen umfasse, die den Mitbewerber behindern, um erst dadurch freie Bahn für den eigenen Absatz zu schaffen72. Festzuhalten bleibt, dass der so beschriebene Wettbewerb unter Konkurrenten stattfindet. Der Verbraucher auf der Marktgegenseite lässt sich innerhalb dieses Wettlaufs nur schwer verorten73.

werbsrechtliche Forschung fruchtbar gemachten Bezeichnung: ,Leistungswettbewerbs‘ [Hervorhebung im Original] bedienen […]“), 125, 178, 210, 250 ff. 69 Vgl. Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 220; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 9. Aufl., § 5, Rn. 19. 70 RGZ 134, 342 (350 ff.). 71 Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 23, m.w.N. 72 Vgl. Beater, Unlauterer Wettbewerb (2002), § 12, Rn. 84. Das Leitbild des Leistungswettbewerbs wurde freilich sehr uneinheitlich verwendet (vgl. Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, 77; Giere, Die Bedeutung öffentlicher Interessen bei der Anwendung des § 1 UWG, 156; Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 220; Knöpfle, Die marktbezogene Unlauterkeit, 59) und sah sich einer Vielzahl von Bedenken ausgesetzt. Zum Vorwurf wurde dem Leistungswettbewerb gemacht, er verleite dazu, überkommene Wettbewerbsmittel zur Norm zu erheben und damit innovative Marketingformen zu behindern (vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 23). Vor allem aber entzog sich der Begriff einer belastbaren Aussage dazu, was leistungswidrig ist. Anschaulich hat dies Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 220 f., am Beispiel des von Lobe, GRUR 1910, 1 (5 f.), angeführten Vergleichs mit dem sportlichen Wettkampf dargestellt. Letztgenannter hatte die Bedeutung des Leistungsprinzips anhand eines Beispiels aus dem Rudersport betont: Wenn beim Wettrudern ein Wettruderer heimlich einen Motor benutze, werde der Wettbewerb unlauter; es stehe dann nicht mehr, wie vorausgesetzt, nur die Ruderkraft des einen mit der des anderen zum Vergleich, sondern die Ruderkraft des einen mit der durch die Motorkraft unterstützten Ruderkraft des anderen. Damit werde das Ergebnis des Wettbewerbs gefälscht, ein „reiner Wettbewerb zwischen zwei Ruderkräften“ sei nicht mehr vorhanden. In Wirklichkeit verstößt aber derjenige, der beim Wettrudern heimlich einen Motor einsetzt, nicht gegen die Wettkampfregeln, weil er leistungswidrig handelt, sondern er handelt leistungswidrig, weil die Regeln des Rudersports den Einsatz von Motoren während der Regatta verbieten. Weil das Problem des Lauterkeitsrechts aber nun gerade darin besteht, dem Wettbewerber solche eindeutigen Regeln an die Hand und damit inhaltliche Hinweise darauf zu geben, was denn als Leistung gelten soll, bezweckt der Begriff des Leistungswettbewerbs nicht mehr als eine Verlagerung der eigentlichen Wertungsproblematik auf den offenen Begriff der „Leistung“, vgl. Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 220. 73 Vgl. auch Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 272, der auf das von Lobe gezeichnete Bild bezugnehmend feststellt, dass die Gruppe der Abnehmer allenfalls im Element des Wassers gesehen werden könnte.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

2. Die Rolle des Verbrauchers im Wettbewerbsrecht Im nächsten Schritt ist zu fragen, wie sich der Verbraucher in den Wettbewerb und das Lauterkeitsrecht einfügte. Dabei soll zunächst die ursprüngliche Konzeption skizziert und sodann das Aufkommen des Verbrauchers als Schutzsubjekt überblicksartig dargestellt werden. a) Die ursprünglich konkurrentenschützende Konzeption des UWG Während des Kodifikationsprozesses zum UWG von 1896 wurde die Frage erörtert, wessen Schutz ein solches Gesetz bezwecken bzw. was ein solches Gesetz schützen soll74. Der Idee, die Redlichkeit im Verkehr zu wahren – was auch den Schutz des Verbrauchers mit einschließt – stand diejenige eines unterschiedlich begründeten subjektiven Rechts des Gewerbetreibenden als Schutzobjekt gegenüber75. Am Ende der Diskussion stand jedenfalls die Auffassung in der Reichstagsvorlage, dass der „Schutz des konsumirenden Publikums gegen Uebervortheilungen […] nicht der unmittelbare Zweck eines gegen den unlauteren Wettbewerb gerichteten Gesetzes [ist], wenngleich Maßregeln, die in den gegenseitigen Beziehungen der Gewerbetreibenden Treu und Glauben zu befestigen bestimmt sind, mittelbar auch dem Interesse ihrer Abnehmer entgegenkommen werden“76. Damit wurde der Verbraucherschutz doch letztlich an den Rand gedrückt77. Ausdruck fand er zwar insbesondere noch im Schutz gegen Quantitätsverschleierungen, wie er letztlich in der Strafvorschrift des § 5 UWG a.F. verankert wurde und ersichtlich dem Schutz von Wettbewerbern und Verbrauchern diente78. In erster Linie sollte das UWG aber dem Schutz des Wettbewerbs dienen79, während der Gesetzgeber die

74

171.

v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896,

75 Siehe dazu eingehend v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 171 ff., m.w.N. 76 Begründung zum UWG-Entwurf (1896), RT-Verh., Bd. 151, Aktenstück Nr. 35, 101; hierzu Geyer, Der Gedanke des Verbraucherschutzes, 104 f.; vgl. auch v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 189. 77 v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 189; Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 33, bezeichnet den Verbraucherschutz unter dem UWG 1896 als „mittelbar, man könnte fast sagen unabsichtlich“. 78 Vgl. v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 189, auch 178; hierzu auch Geyer, Der Gedanke des Verbraucherschutzes, 105 ff., demzufolge es der Schutz der schwächeren, unerfahrenen Partei war, der die diskutierte Streichung des § 5, einer Ermächtigung des Bundesrates zum Erlass von Polizeiverordnungen zur Verhinderung von Quantitätstäuschungen „im Einzelverkehr“, letztlich nicht zuließ. 79 v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 190.

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG 1896 – 2004

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Stärkung des (unmittelbaren) Schutzes des Verbrauchers dem damals in Planung befindlichen BGB überantworten wollte80. Diese Konzentration auf den Konkurrentenschutz und die Ablehnung eines (unmittelbaren) Verbraucherschutzes spiegelt sich auch in der anfangs geführten Diskussion um das Schutzgut bzw. Schutzobjekt des UWG wider. Hier zeichneten sich zwei große Richtungen ab81. Als herrschend lässt sich am Ausgangspunkt die Auffassung bezeichnen, geschütztes Rechtsgut des UWG sei das Persönlichkeitsrecht der durch unlautere Handlungen anderer Unternehmen geschädigten Mitbewerber82. Eine zweite Hauptrichtung in der Literatur sah dagegen in dem Unternehmen der durch unlautere Handlungen betroffenen Gewerbetreibenden das durch das UWG geschützte Rechtsgut83. Beide Strömungen gingen indes vom Gedanken des Individualschutzes aus84, kannten als Ziel des Wettbewerbsrechts also nur den Schutz der Einzelpersönlichkeit bzw. des Einzelunternehmens85. Dieser konkurrentenschutzbezogene Ansatz findet sich schließlich auch in der damaligen Rechtsprechung wieder. Früh stellte das RG fest, dass ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs in objektiver Hinsicht eine „geschäftliche Konkurrenz“ zwischen dem durch die Handlung Begünstigten und dem Benachteiligten voraussetze. Diese sei dann gegeben, wenn „der Täter in einen wirtschaftlichen Kampf mit anderen eintreten will, der darauf abzielt, […] den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dieser anderen durch Schmälerung ihres Absatzes, durch Entziehung von Kunden oder sonstige geeignete Mittel zu beeinträchtigen und unproduktiver zu machen, gerade hierdurch aber dem eigenen Geschäftsbetriebe auf dem Markte des wirtschaftlichen Verkehrslebens eine größere Ausdehnung und gesteigerte Erträglichkeit zu verschaffen, und gerade auf diesem Wege die den anderen Geschäftsinhabern entzogenen geschäftlichen Vorteile sich zuzuwenden“86.

80 v. Stechow, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, 192; Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 206. 81 Vgl. dazu den Überblick bei Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 44; vgl. auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 3, Rn. 6. 82 So z. B. Kohler, Der unlautere Wettbewerb, 18 ff., besonders prägnant 18: „Wer darum im Verkehr Unredlichkeit treibt, um einen Vorsprung vor anderen zu gewinnen, der verletzt nicht etwa bloß das Interesse des Gegners, sondern er verletzt auch dessen Persönlichkeit, denn er bringt ihn in die Lage, entweder unterzugehen, oder ebenfalls ein Lump oder Betrüger zu werden“. 83 Siehe z. B. Baumbach, Wettbewerbsrecht, 125 ff.; Callmann, Der unlautere Wettbewerb, 31 ff. 84 Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 44. 85 Vgl. Ulmer, GRUR 1937, 769 (772): „Aber jedenfalls: beiden Fassungen bleibt gemeinsam, daß sie als Ziel des Wettbewerbsrechts nur den Schutz der Einzelpersönlichkeit bzw. des Einzelunternehmens kennen.“ 86 RGSt 32, 27 (28); vgl. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 4 f.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

b) Aufkommen des sog. sozialrechtlichen Verständnisses Die Neufassung des UWG im Jahr 1909 stellte das „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ in den Mittelpunkt des Gesetzes87. Im Hinblick auf das Schutzsubjekt Verbraucher brachte das Gesetz allerdings nichts Neues88, vielmehr sparte die Begründung zum Gesetzesentwurf89 den Gedanken völlig aus90. Konsequenterweise hielt man an der Regelung von 1896 fest, wonach neben Mitbewerbern allein (rechtsfähige) Gewerbeverbände klagebefugt sein sollten91. Und auch in der Rechtsprechung stand noch ganz der Individualschutz im Vordergrund, wenn etwa das RG im Jahr 1911 feststellte, das UWG schütze „nur den einzelnen Gewerbetreibenden selbst in seiner Privatrechtssphäre gegen Beeinträchtigungen bei der freien Ausübung seiner Erwerbstätigkeit durch unlautere Wettbewerbshandlungen“92. Gleichwohl hat sich im darauf folgenden Zeitraum Wesentliches gewandelt und fortentwickelt93, weg von einem reinen Individual- und hin zu einem Sozialschutz94. Obwohl dies nicht überall Zustimmung fand95, begann das RG schon bald, den Schutzzweck des UWG zu erweitern. Dies geschah, indem es den Blick über den reinen Konkurrentenschutz hinaus auf die Marktgegenseite richtete und damit Verbraucher und Allgemeinheit in den Schutzzweck des UWG mit einbezog96. In den Urteilen Markenschutzverband97 und Rundfunknachrichten98 beispielsweise stellte 87

Siehe bereits oben 1. Kapitel, C., I. Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 206, 89 Entwurf vom 8. Januar 1909, RT-Verh., Bd. 252, Aktenstück Nr. 1109. 90 Geyer, Der Gedanke des Verbraucherschutzes, 107; Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 206. 91 Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 31; vgl. auch RGSt 45, 355 (360): „Sie [die Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen] dürfen sich nur nicht, ohne die Förderung gewerblicher Interessen zu bezwecken, lediglich die Förderung der Interessen von Verbrauchern (Konsumenten) zum Ziele gesetzt haben.“ 92 RG GRUR 1911, 276 – Firmenrecht, vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 31. 93 Schricker, GRUR 1974, 579 (579); ders., ausführlich zur Entwicklung des Verbraucherschutzzwecks im UWG zwischen 1909 und 2004 Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 202 ff. 94 Schricker, GRUR Int. 1996, 473 (476), bezeichnete diese Entwicklung als „eine der „größten Leistungen privatrechtlicher Rechtsfortbildung im 20. Jahrhundert“. 95 Vgl. etwa den vielzitierten Satz von Baumbach, Wettbewerbsrecht, 128, es sei „ein grundlegender, nicht auszurottender Irrtum, dass das deutsche Wettbewerbsrecht auch das Publikum, den Verbraucher schütze“. Auch sah noch 1932 ein führender Kommentar in der Allgemeinheit nur den Boden, „auf dem sich die Mitbewerber begegnen“, im Publikum „das Instrument, auf dem der Gewerbetreibende spielt“, siehe Callmann, Der unlautere Wettbewerb, 43; vgl. dazu Schricker, GRUR Int. 1970, 32 (33). 96 Vgl. hierzu auch Dirschl, Individualrechtsverletzungen als Wettbewerbsverstöße und erweitertes Klagerecht aus § 13 Abs. 1, 1a UWG, 28. 97 RGZ 120, 47 (49) – Markenschutzverband. 88

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das Gericht fest, dass die Unterlassungsklage nicht nur den Konkurrenten schützen, sondern „in Wahrheit doch – wie das ganze Wettbewerbsgesetz – den Auswüchsen des Wettbewerbs auch im öffentlichen Interesse entgegentreten“99 solle. Im Jahre 1934 verbot das RG bestimmte Werbepraktiken von Bestattungsunternehmen, die Angehörige von Verstorbenen bereits wenige Stunden nach dem Todesfall unaufgefordert aufsuchten, um den Bestattungsauftrag zu erlangen100. Es gewährte damit Schutz in einer Konstellation, in der es weniger um den Schutz von Konkurrenten, als vielmehr um den Schutz von Allgemeininteressen ging101. Entscheidend für die vorliegende Untersuchung ist jedoch, inwieweit der Verbraucherschutz selbst als eigenständiger Schutzzweck neben dem Allgemeininteresse hervortrat. Im Schrifttum arbeitete Ulmer den Verbraucher als eigenständiges Schutzsubjekt heraus. Er stellte im Jahre 1937 fest, dass die Interessen des Publikums in Relation zu denen der Allgemeinheit „auf einem besonderen Blatt“ stehen und bezieht sich dabei auf „das täuschende Angebot, das Ansprechen auf der Straße, [den] Agentenbesuch im Trauerhaus“; Situationen, die in erster Linie eine Beeinträchtigung der Abnehmer betreffen. Als Schutzziel der Wettbewerbsordnung sei daher auch „der Schutz der Abnehmer gegen unredliche Geschäfts- und Werbemethoden“ anzuerkennen102. Gleichwohl schlug sich dieses eigenständige Abstellen auf den Verbraucherschutz nicht in der Rechtsprechung nieder. Zwar betonte etwa das RG schon sehr früh, die „Vorschriften gegen die unlautere Reklame sollen […] neben dem Schutz des Konkurrenten und der Reinhaltung des öffentlichen gewerblichen Verkehrs dem Interesse des Publikums dienen“103. Doch wurde das Publikum in den einschlägigen Urteilen eher beiläufig104 und eben nur „neben“ dem Konkurrentenschutz genannt. Die irreführende Werbung sollte verboten sein, weil man es dem Wettbewerber nicht zumuten mochte, durch irreführende Werbung des Konkurrenten Kunden zu verlieren105. Zu bedenken ist freilich, dass der Verbraucherschutz regelmäßig nicht völlig neue Konstellationen in das Lauterkeitsrecht einführt. Er beleuchtet vielmehr dieselben Sachverhalte aus einem anderen recht-

98

RGZ 128, 330 (343) – Rundfunknachrichten. RGZ 120, 47 (49) – Markenschutzverband; aufgegriffen bei RGZ 128, 330 (343) – Rundfunknachrichten. 100 RGZ 145, 396 ff. – Bestattungsunternehmen; vgl. hierzu Beater, JZ 1997, 916 (917). 101 Siehe RGZ 145, 396 (400) – Bestattungsunternehmen: „Auch wenn eine Schädigung von Mitbewerbern nicht zu besorgen wäre, […], würden diese Hausbesuche, sofern sie nach der allgemeinen Volksanschauung als sittenwidrig im Sinne des § 1 UnlWG. zu betrachten sind, schon aus diesem Grunde unter den Tatbestand des § 1 UnlWG. fallen.“ 102 Ulmer, GRUR 1937, 769 (772). 103 RG MuW 1915, 48 (49) – Ärztlicher Bezirksverein. 104 Beater, JZ 1997, 916 (917). 105 Vgl. Beater, JZ 1997, 916 (917). 99

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

lichen Blickwinkel106. So lässt sich das Verbot irreführender Werbung einerseits begreifen als ein Verbot, dem Konkurrenten durch Irreführung Kunden abspenstig zu machen. Es lässt sich andererseits begreifen als ein Schutz des Verbrauchers vor Kaufentscheidungen auf unzutreffender Entscheidungsgrundlage107. Dementsprechend lässt sich von dieser Möglichkeit, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten, auf unterschiedliche Weise Gebrauch machen. Obwohl sich die Irreführung unmittelbar gerade im vertikalen Verhältnis b2c und erst mittelbar im horizontalen Verhältnis b2b auswirkt, rückte die Rechtsprechung auch in dieser Konstellation den Konkurrentenschutz in den Mittelpunkt. Der Verbraucherschutz als solcher blieb oftmals eine ergänzende Hilfserwägung108, nicht jedoch wurde er zur maßgeblichen Perspektive109. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1930 beispielsweise stellt das RG fest, dass die (damaligen) Vorschriften der §§ 1 und 3 UWG sowohl der Reinhaltung des Verkehrs im Interesse des Publikums als auch dem Schutz der Mitbewerber dienen sollten. Im Anschluss führt es fort, dass die Frage der Sittenwidrigkeit als der für die Prüfung entscheidende Maßstab „von letzterem Standpunkt aus beurteilt“110 würde, also im Verhältnis der Mitbewerber untereinander111. In vereinzelten Entscheidungen112, wie insbesondere in der Entscheidung Abonnementsvertrag, griff das RG direkt auf Verbraucherschutzaspekte zurück113. Dies dürfte allerdings den Umständen der Weltwirtschaftskrise geschuldet sein, vor deren Hintergrund es den Richtern mehr um die „,befriedigende‘ Lösung des Einzelfalls“114 zugunsten wirtschaftlich Bedrückter, denn um eine Änderung der wettbewerbsrechtlichen Schutzausrichtung gegangen sein dürfte115. So entschied der BGH auch noch im Jahre 1962, dass der Sinn und Zweck des § 3 UWG a.F. darin liege, zu verhindern, dass sich ein Mitbewerber durch Irreführung des Verkehrs einen unzulässigen Vorsprung vor anderen verschaffe116. Dabei stellt, wie bereits ausgeführt, gerade der Irreführungstatbestand ein Beispiel dafür dar, wie sich die Un-

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Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 13; ders., Unlauterer Wettbewerb (2002), § 13, Rn. 9; vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 33 f. 107 Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 13; ders., Unlauterer Wettbewerb (2002), § 13, Rn. 9. 108 Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 13. 109 Vgl. Burmann, WRP 1973, 313 (315); Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 27 f. 110 RG MuW 1930, 230 (231) – Amerikanisches Erbrecht. 111 Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 209. 112 Hierzu Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 209 ff. 113 RG MuW 1931, 376 (378) – Abonnementsvertrag; vgl. Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 13. 114 So Sambuc, Folgenerwägungen im Richterrecht, 15. 115 Sambuc, Folgenerwägungen im Richterrecht, 15; Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, 13 f. 116 BGH GRUR 1963, 36 (39) – Fichtennadelextrakt.

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lauterkeit einer Wettbewerbshandlung vorwiegend im vertikalen Verhältnis zum Verbraucher auswirkt117. Die im Jahre 1965 eingeführte Verbraucherverbandsklagebefugnis in § 13 Abs. 1a UWG a.F.118 hätte als weiterer Schritt auf dem Weg zu einem eigenständigen verbraucherbezogenen Schutzzweck angesehen werden können119. Einen stärkeren Bezug auf das unmittelbare Vertikalverhältnis legte zudem die Novellierung des § 3 UWG a.F. im Jahre 1969 nahe, die in den Tatbestand irreführender Werbung Angaben einbezog, die im privaten Verkaufsgespräch gemacht werden120. Die Rechtsprechung jedoch zog weiterhin auch bei der tatbestandlichen Prüfung von Fallgruppen wie der des „psychologischen Kaufzwangs“ oder des „übertriebenen Anlockens“, die auf den ersten Blick in erster Linie das Interesse des Verbrauchers an der Betätigung seines freien Willens schützen, ganz im Sinne des Leitbilds „Leistungswettbewerb“ den Vorsprungsgedanken im Verhältnis der Mitbewerber untereinander heran121. Etwa in der Entscheidung Schatzjagd stellte der BGH auf die Eignung ab, „den Käuferstrom vom Konkurrenten in das Geschäft des Veranstalters [des hier beleuchteten Gewinnspiels] abzuziehen“122. Im Rahmen der Das Goldene A-Entscheidung führt der BGH im Zusammenhang mit der Frage eines übertriebenen Anlockens aus, der Kaufmann dürfe nicht die durch einen wertvollen Gewinn angeregte Spiellust des Publikums ausnutzen, um sich vor seinen Konkurrenten einen Vorsprung zu verschaffen123. In diesem Sinne traten die Interessen der Verbraucher wiederum lediglich in dem Spektrum zu Tage, das von den Interessen der Mitbewerber124 im Rahmen der tradierten Fallgrupen125 vorgegeben war126. Einen „end117

Siehe auch Dirschl, Individualrechtsverletzungen als Wettbewerbsverstöße und erweitertes Klagerecht aus § 13 Abs. 1, 1a UWG, 32 f. 118 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichengesetzes und des Gebrauchsmustergesetzes vom 21. Juli 1965, BGBl. I, 625. 119 Vgl. dazu Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken, 14 f.; vgl. auch Reich/ Tonner/Wegener, Verbraucher und Recht, 90; dagegen sah Schricker, GRUR Int. 1996, 473 (476), lediglich „vollendete Tatsachen bestätigt“. 120 Vgl. Reich/Wegener, JuS 1974, 561 (564); Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 228 f., weist zudem auf die Regelungen der §§ 6a und 6b UWG a.F. hin, die bestimmte Werbeund Vertriebsmethoden wegen ihrer typischen Eignung zur Irreführung und Verlockung der Verbraucher verboten. 121 Vgl. hierzu ausführlich Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 253 ff., der die Entscheidungen BGH GRUR 1973, 591 ff. – Schatzjagd, sowie BGH GRUR 1973, 418 f. – Das Goldene A, anführt; zur Schutzrichtung der beiden Fallgruppen auch Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, 35 f., 50 f. 122 BGH GRUR 1973, 591 (593) – Schatzjagd. 123 BGH GRUR 1973, 418 (419) – Das Goldene A. 124 Plager, Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts, 260. 125 Zur Fallgruppenbildung vgl. die Einteilung bei Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 160 ff.; vgl. hierzu auch den kurzen Überblick bei Groner, Der Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG zur Bestimmung der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung, 61.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

gültigen Durchbruch“127 hätte u. U. der am 1. Januar 1987 in Kraft getretene § 13a UWG a.F.128 darstellen können, der den ersten Individualrechtsbehelf der Abnehmerseite im Lauterkeitsrecht regelte129. Diese Norm hat indes nur überschaubare rechtspraktische Bedeutung erlangt130. Auch hatte sie keinen dauerhaften Bestand. Dass sich der Verbraucherschutz als Schutzzweck durchgesetzt hat, soll hier nicht in Zweifel gezogen werden. Ob er sich tatsächlich als vollkommen eigenständiger, gleichrangiger131 Schutzzweck etabliert hat, erscheint indes nicht nur angesichts der oftmals gewählten – zuvor dargestellten – Perspektive bei der Bewertung der Unlauterkeit fraglich. Insbesondere die nachfolgende Untersuchung des Tatbestandsmerkmals der Wettbewerbshandlung wird weiteren Grund zum Zweifel geben. c) Die immanente Beschränkung der Wettbewerbshandlung Zweifellos wirkte sich der Wandel vom reinen Individualrecht zum Sozialrecht auf die Wertung einer Wettbewerbshandlung aus132. Allein der Umstand, dass bei der Beurteilung einer Verhaltensweise auch oder vielleicht sogar vorwiegend die Interessen im Vertikalverhältnis zum Verbraucher berücksichtigt werden, führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass die im Kern konkurrentenschutzrechtliche Perspektive aufgegeben wird. Dass dem nicht so ist, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass der Prüfung der Unlauterkeit einer Handlung die davon unabhängige Prüfung 126 Beater, Unlauterer Wettbewerb (2002), § 10, Rn. 28, betont den schweren Stand neuer Konstellationen angesichts der durch ein an Fallgruppen ausgerichteten Denkens zementierten Strukturen; vgl. auch ders., Unlauterer Wettbewerb (2011), § 11, Rn. 830; Schünemann, WRP 2002, 1345 (1346), spricht vom Kampf „Schutzrichtungen vs. Fallgruppen“; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 258 f., Fn. 344, dagegen sah die Schuld für ein übertriebenes Konkurrentenschutzdenken nicht ausschließlich in der Existenz der Fallgruppen. Vielmehr sei es eher eine ganz spezifische Störung der Anpassungsfunktion und insbesondere die Neigung, frühere Entscheidungen nur als Fundstelle für sehr allgemein gehaltene Rechtssätze heranzuziehen, ohne sich Klarheit über die genaue ratio decidendi zu verschaffen, die zur vergleichsweise konservativen Haltung der Rechtsprechung in manchen Bereichen führte. Verwiesen wird insofern auf die Feststellung von Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 296, 304, wonach von der Rechtsprechung frühzeitig formulierte sehr allgemeine Grundsätze „weit weniger einem allmählichen Reife- und Prüfungsprozess unterliegen, als angesichts der Dynamik des Wettbewerbslebens erwartet werden könnte“. 127 So Dirschl, Individualrechtsverletzungen als Wettbewerbsverstöße und erweitertes Klagerecht aus § 13 Abs. 1, 1a UWG, 33. 128 Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 1986, BGBl. I, 1169. 129 Vgl. Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, 2 f. 130 Vgl. Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 14; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 65, spricht vom „Status eines Mauerblümchendaseins“, über das die Vorschrift in der Praxis nicht hinausgekommen sei. 131 Siehe nur Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 24. 132 Das betonte Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 55.

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vorgelagert ist, ob ein „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ vorliegt133. Vollkommen eigenständig wäre ein lauterkeitsrechtlicher Verbraucherschutz nur dann, wenn auch Handlungen unter diesen Begriff fielen, die sich von vornherein nicht mehr derart umwiden lassen, dass tatsächlich der Schutz von Wettbewebern im Fokus steht. Ob das genannte Tatbestandsmerkmal dies angesichts der bereits im Wettbewerbsbegriff angelegten Konzentration auf den Wettlauf unter Konkurrenten134 zulässt, erscheint fraglich. Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des RG als auch in der Folge des BGH war von einem Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs auszugehen, wenn zunächst in objektiver Hinsicht ein Verhalten vorlag, das geeignet war, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen. Ferner musste in subjektiver Hinsicht der Handelnde von einer das objektive Geschehen begleitenden Absicht bestimmt sein, d. h. von der Absicht, den eigenen – oder einen fremden – Wettbewerb zum Nachteil des Wettbewerbs des anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter sonstige Beweggründe zurücktrat135. Aus dieser Wechselbeziehung zwischen der Förderung des eigenen (oder eines fremden) Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des Wettbewerbs eines anderen leitete die Rechtsprechung ab, dass sich das Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs allein auf miteinander konkurrierende Mitbewerber bezog. Voraussetzung für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs sollte demnach das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal136 des konkreten Wettbewerbsverhältnisses sein137. Die Berechtigung dieser Voraussetzung sowie ihre genauen Anforderungen waren allerdings durchaus umstritten138. Teile der Literatur sahen diese sehr kritisch oder wollten gar vollständig darauf verzichten139.

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Vgl. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 9. Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 1. 135 St. Rspr., RG MuW XXV, 115 (117) – Kettenhandel; BGH GRUR 1956, 216 (217) – Staatliche Kurverwaltung/Bad Ems; BGH GRUR 1952, 410 (413) – Constanze I; BGH GRUR 1990, 611 (613) – Werbung im Programm; BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 210; vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 26, m.w.N. 136 Das Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnis als Merkmal des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ ist dabei zu unterscheiden von dem Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses als Teil der Aktivlegitimation, vgl. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 15 f.; Sack, GRUR Int. 1983, 565 (572 f.). 137 Vgl. nur BGH GRUR 1951, 283 (284) – Möbelbezugsstoffe; BGH GRUR 1972, 553 (553) – Statt Blumen ONKO-Kaffee; BGH GRUR 1997, 907 (908) – Emil-Grünbar-Klub; BGH GRUR 2001, 258 (258) – Immobilienpreisangabe; vgl. jeweils m.w.N.: Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 26, 57; Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 15; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 216, m.w.N. 138 Vgl. dazu ausführlich Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 15 ff. 139 Vgl. z. B. Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 72 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 6. Aufl., 28 f.; Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 68 ff., 85 ff.; v. Godin, Wettbewerbsrecht, § 1, Rn. 2; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 247; Pietzker, Anm. zu BGH GRUR 1963, 536 (539) – Iris; Sack, GRUR Int. 1983, 565 (572 f.). 134

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U.a. Büchler wies etwa auf das Paradoxon hin, dass ein angehender Monopolist bei striktem Festhalten am Erfordernis des Wettbewerbsverhältnisses so lange lauterkeitsrechtlichen Normen unterliege, bis er sich des letzten Konkurrenten entledigt hat, während er von da an mit der Befreiung von lauterkeitsrechtlicher Aufsicht prämiert werde140. Letztlich sei aus dem Funktionswandel des UWG hin zu einem Marktverhaltensrecht zu folgern, dass diesem alle Markthandlungen unterliegen, mithin von einer Markt- statt von einer Wettbewerbshandlung gesprochen werden sollte141. Dabei sei letztere dann gegeben, wenn ein Anbieter oder Nachfrager sich an seine Marktpartner, also an die Konkurrenten oder die Marktgegenseite wendet und auf sie einzuwirken sucht142. Knöpfle ging so weit, dass eine Handlung – unter Verzicht auf objektive Kriterien – bereits dann zu Zwecken des Wettbewerbs erfolge, „wenn sie den Wirtschaftserfolg eines Gewerbetreibenden fördern soll“143. Der Wandel des lauterkeitsrechtlichen Schutzzwecks sei eben nicht nur bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit, sondern bereits im Rahmen der Frage zu berücksichtigen, ob wettbewerbliches Handeln vorliegt. Ein besonderes Konkurrenzverhältnis sei dabei nicht mehr erforderlich und vor dem Hintergrund des § 13 UWG a.F., der bereits eine Regelung der nötigen Beziehung zwischen den Parteien enthalte, „schlechthin ein Kuriosum“144. Der Wortsinn des Ausdrucks „Wettbewerb“ stelle insofern kein Hindernis für eine weite Auslegung dar, als schließlich jedes Wirtschaften der Angebotsseite Teil eines Wettbewerbs (aller Anbieter) um die Kaufkraft in der Volkswirtschaft (totale Konkurrenz) sei145. v. Godin setzte am Begriff des Wettbewerbs als solchem an. Dieser sei eine Zusammensetzung der Worte „Wette“ und „bewerben“. Ein „Wettstreit“ mit Bezug zu einem Konkurrenten entstehe erst durch die Hinzunahme des Wortes „Streit“. Aus etymologischer Sicht sei ein Mitbewerber daher nicht Voraussetzung, vielmehr sei Wettbewerb „das eigene oder fremde

140 Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 75; krit. zur Nichterfassung von Monopolisten auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 6. Aufl., 29; Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 75. 141 Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 83; ähnlich auch schon Ulmer, GRUR Int. 1973, 135 (138); Schricker, GRUR 1975, 349 (352); vgl. dazu auch Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 2. 142 Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 86, mit Verweis auf Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 87. 143 Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 87. 144 Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 68 ff., 71; von einem „Paradoxon“ bei Verlangen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Kläger und Gefördertem spricht Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 18. 145 Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 78, 88 ff.; auch Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 247, spricht sich dagegen aus, den Begriff der Wettbewerbshandlung „künstlich auf Wettbewerbsverhältnisse unter Konkurrenten zu begrenzen“. Ausreichen soll es vielmehr, wenn durch Handlungen eines Wettbewerbers die Wettbewerbsfähigkeit eines anderen Wettbewerbers beeinträchtigt wird.

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Streben nach Gewinn oder Selbstbehauptung eines Unternehmens auf dem Markt“146. In der Tat war das Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Streitparteien, d. h. zwischen Kläger und Gefördertem, als Teil des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs vor dem Hintergrund des erweiterten lauterkeitsrechtlichen Schutzzwecks und insbesondere auch der in § 13 Abs. 2 UWG a.F. geregelten Verbandsklagebefugnis kaum mehr zu rechtfertigen147. Gleichwohl führt keiner der oben dargestellten Ansätze daran vorbei, dass ein „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ zumindest irgendeinen (potentiellen) Bezug der Handlung zum Wettbewerb unter Konkurrenten voraussetzte148. Mit Blick auf den Begriff als solchen149 fällt es bereits schwer, von Wettbewerb zu sprechen, wo es überhaupt keine wettbewerbliche Beziehung gibt. Die insofern bestehenden Bedenken kann auch der sprachwissenschaftliche Einwand v. Godins nicht entkräften. Der ständige Wandel der Sprache hat in vielen Fällen dazu geführt, dass Begriffe sich von ihrer ursprünglichen Bedeutung entfernt haben. Juristen sind indessen keine Sprachwissenschaftler bzw. -historiker. Entscheidend für die grammatikalische Auslegung ist die Wortbedeutung, wie sie zur Zeit der Gesetzesentstehung dem fraglichen Begriff allgemein zugestanden wurde150. Gerade die Entstehungsgeschichte des UWG und die dabei zum Ausdruck gekommene konkurrentenschutzrechtliche Ausrichtung151 legen doch nahe, dass man „Wettbewerb“ als synonym mit den Wörtern „wettstreiten“ und „konkurrieren“ verwendet und verstanden hat152. Knöpfle will zwar ein besonderes Konkurrenzverhältnis nicht mehr voraussetzen. In Einklang mit dem Begriff des Wettbewerbs bringt er seine Ansicht allerdings nur dadurch, dass er den Kreis der Konkurrenten mit dem Hinweis darauf maximal weit fasst, dass alle Anbieter in einem volkswirtschaftlichen Kaufkraftwettbewerb stehen. Darin liegt indes zum einen formal gesehen nur der Verzicht auf eine bestimmte Qualität des Wettbewerbs, nicht jedoch generell auf jede Form des Wettbewerbs unter Konkurrenten. Faktisch führt sie dagegen tatsächlich dazu, dass ein Wettbewerb im eigentlichen Sinne keine Rolle mehr spielt. So soll eine Wettbewerbshandlung bereits dann in aller Regel gegeben sein, wenn sich ein Anbieter oder Nachfrager an die Marktpartner 146

v. Godin, GRUR 1965, 288 (289); ders., Wettbewerbsrecht, § 1, Rn. 2. Sack, GRUR Int. 1983, 565 (572 f.); Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 17 f.; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 247 f.; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 228 ff. 148 Vgl. hierzu Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 19 ff., vgl. auch v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 228 ff. 149 Siehe hierzu oben 1. Kapitel, C., I., 1. 150 Vgl. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 21 f. 151 Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 2., a); dagegen lasse sich laut v. Godin, GRUR 1965, 288 (290), nicht mehr feststellen, warum die Worte „zu Zwecken des Wettbewerbs“ aufgenommen worden sind. Mit der Aufnahme der Generelklausel des § 1 UWG sei bezweckt gewesen, deren Anwendbarkeit auf einen größtmöglichen Kreis an Handlungen im geschäftlichen Verkehr zu erstrecken. 152 Borck, WRP 1966, 1 (5); vgl. auch Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 22. 147

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wendet und auf sie einzuwirken sucht153. Letztlich würde damit aber das – im Gesetz verankerte – Merkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs insgesamt leer laufen, eine eigenständige Bedeutung zum Merkmal „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ käme ihm nicht mehr zu154. Im Ergebnis sieht sich diesem Einwand auch der Ansatz Büchlers ausgesetzt, der sich am konsequentesten vom Erfordernis einer Wettbewerbshandlung löst. Obwohl er den Verzicht auf objektive Kriterien am Ansatz Knöpfles kritisiert155, ist nicht ersichtlich, worin das maßgebliche objektive Kriterium bei Büchler liegen soll. Betrachtet man die hier zugrunde gelegte Definition einer Markthandlung, dann enthält diese zwar ein objektives („sich an seine Marktpartner […] wendet“) und ein subjektives („einzuwirken sucht“) Kriterium. Das erstgenannte objektive Kriterium, d. h. der Kontakt „nach außen“ zu Konkurrenten oder der Marktgegenseite, dürfte jedoch wiederum im Handeln im geschäftlichen Verkehr bereits aufgehen. Schließlich überdehnt es – entgegen der Auffassung Büchlers156 – den Wortsinn des Begriffs „Wettbewerb“, wenn jede Markthandlung als Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs qualifiziert wird. Der Markt stellt zwar das Feld dar, auf dem Wettbewerb stattfindet und es gibt auch keinen Wettbewerb ohne Markt157. Umgekehrt trifft dies indes nicht zu, vielmehr ist Wettbewerb ein spezieller Teil des Marktes; eine Markthandlung hat demnach einen anderen, weil weiter gefassten Charakter als eine Wettbewerbshandlung. Abschließend lässt sich sagen, dass kein überzeugendes Verständnis des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs ersichtlich war, das ohne jede wettbewerbliche Beziehungen auskam. Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs konnte vielmehr nur dort stattfinden, wo – notfalls auch potentielle – wettbewerbliche Beziehungen zu irgendwem vorliegen158. Die Schutzzweckerweiterung hin zum Verbraucherschutz kam nur innerhalb des Rahmens zum Tragen, den die Wettbewerbshandlung vorgab159. Die daran anknüpfend hier aufgestellte These, dass es einen wirklich eigenständigen Verbraucherschutz ohne Bezug zum Wettbewerb unter Konkurrenten nicht gab, lässt sich besonders anschaulich mit der nachfolgenden Darstellung nachvertraglichen Verhaltens verifizieren. Gerade im Verhältnis zwischen Unter153

Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 87. Vgl. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 22; auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 56 f.; Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 51, 83. 155 Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 83. 156 Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 83. 157 So Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 83. 158 Hintz, GRUR 1988, 173 (178); Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 19 f., 23 („No unfair competition without competition“); vgl. auch Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 219. 159 Vgl. Hintz, GRUR 1988, 173 (178); Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 219. 154

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nehmer und Verbraucher nach Vertragsschluss findet ein Wettbewerb jedenfalls unmittelbar nicht mehr statt. 3. Insbesondere: Die Rolle des Verbrauchers nach Vertragsschluss Das UWG schützte Mitbewerber unzweifelhaft auch in Konstellationen, in denen die Marktgegenseite, mithin der Verbraucher, nicht betroffen war. Fraglich ist dagegen, ob die Erweiterung der Schutzzwecke so weit ging, dass auch umgekehrt der Verbraucher in Konstellationen geschützt wurde, in denen ein Mitbewerber nicht mehr unmittelbar betroffen war. Solche Konstellationen finden sich insbesondere nach Vertragsschluss. Dieser ist das maßgebliche Ziel des (potentiellen) Wettbewerbs und weist dem Verbraucher eine klar definierte Rolle als Zielobjekt des (potentiellen) Wettstreits zu. Sobald sich der Verbraucher aber durch den Vertragsschluss an einen Wettbewerber gebunden hat, er also bereits über den Ausgang des Wettlaufs unter Konkurrenten entschieden hat, endet jedenfalls seine unmittelbare Relevanz für den Wettbewerb. Gerade im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher nach Vertragsschluss könnte sich dann ein vollkommen eigenständiger Verbraucherschutz entfalten. Die Behandlung der entsprechenden Fälle in Rechtsprechung und Literatur folgt indes dem im vorangegangenen Abschnitt dargestellten nur mittelbaren lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzansatz. a) Rechtsprechung Die Rechtsprechung stellte wiederholt klar, dass eine vertragswidrige Minderoder Schlechterfüllung160 ebenso wie die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche bzw. die Abwicklung von Verträgen161 nicht ohne Weiteres auch wettbewerbswidrig ist. Das Wettbewerbsrecht regle nicht den Ausgleich zwischen Vertragspartnern162. Zwar sei die Schlecht- oder Nichterfüllung vertraglicher Pflichten Handeln im geschäftlichen Verkehr und die Vorteile, die dem Handelnden dadurch erwachsen, seien auch geeignet, seiner Position im Wettbewerb zu dienen. Allerdings handle es sich dabei lediglich um Folgen aus der Abwicklung eines konkreten Vertragsverhältnisses, die als solche keinen Bezug auf die Mitbewerber und keine Außenwirkungen auf den Wettbewerb hätten. Einen Rückschluss auf ein Handeln zur Förderung des eigenen Wettbewerbs lasse dies nicht zu163. In anderem Zusammenhang betonte der 160

BGH GRUR 1983, 451 (451 f.) – Ausschank unter Eichstrich I; BGH GRUR 1987, 180 (180 f.) – Ausschank unter Eichstrich II; vgl. auch BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft. 161 BGH GRUR 1986, 816 (819) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 (360) – Folgeverträge II; BGH GRUR 2001, 1178 (1180) – Gewinn-Zertifikat. 162 BGH GRUR 1983, 451 (451) – Ausschank unter Eichstrich I; BGH GRUR 1987, 180 (180 f.) – Ausschank unter Eichstrich II. 163 So BGH GRUR 1987, 180 (180 f.) – Ausschank unter Eichstrich II.

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BGH, dass auch die nur gegen den Vertragspartner gerichtete Durchsetzung von Ansprüchen zwar im geschäftlichen Verkehr erfolge, die Eignung zur Vorbereitung weiteren Wettbewerbs aber nur mittelbare Folge, mithin eine Außenwirkung im Wettbewerb nicht gegeben sei. Die Erfüllung oder Durchsetzung individueller vertraglicher Pflichten oder die Abwehr von Gewährleistungsansprüchen oder Reklamationen diene der Wahrnehmung von im Wettbewerb mit anderen Mitbewerbern bereits erlangten Rechtspositionen aus einem konkreten Rechtsverhältnis. Nicht jedoch diene sie der – durch den vorausgegangenen Abschluss des Vertrags bereits verwirklichten – Förderung des eigenen Wettbewerbs zu Lasten von Mitbewerbern im Außenverhältnis164. b) Literatur Auch die Literatur lehnte eine Anwendung des UWG nach Vertragsschluss weitgehend ab. Weil das für den Wettbewerb charakteristische mikroökonomische Spannungsverhältnis unter den Mitbewerbern im Moment des Vertragsschlusses erlösche, sei dieser die maßgebliche Zäsur im Gesamtgeschehen auf dem Markt165. Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs setze jedoch einen Marktbezug, d. h. eine auf Außenwirkung im Markt gerichtete Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs voraus166. Nachvertragliche, ausschließlich das Binnenverhältnis der kontrahierenden Parteien betreffende Verhaltensweisen wirkten sich dagegen auf das Marktgeschehen und die Marktbeteiligten gerade nicht aus167. Schon aus der Natur der Wettbewerbshandlung folge daher, dass nur Handlungen zur Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen in objektiver Hinsicht ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs darstellen können. Der Vertragsschluss – ob wirksam oder nicht, ob anfechtbar oder nicht – sei Ziel und Endpunkt wettbewerblicher Tätigkeit168. Danach sei es „dem Schuldrecht vorbehalten, im geschlossenen Vertragsverhältnis für Ordnung zu sorgen“169. Dementsprechend sollten Maßnahmen im Rahmen der Vertragsdurchführung oder -abwicklung wie z. B. die Schlechterfüllung, Reklamationen oder die Zurückweisung von Mängelrügen als nicht marktgerichtete Handlungen schon objektiv nicht wettbewerbsgeeignet sein. Sie beträfen lediglich die Wahrnehmung von

164 BGH GRUR1986, 816 (818 f.) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen; vgl. auch BGH GRUR 2002, 727 (728) – Kerosinzuschlag. 165 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 49 ff, insbesondere 56 ff.; siehe bereits oben 1. Kapitel, A., III. 166 Vgl. statt vieler Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 220. 167 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 58, m.w.N. 168 Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 34; Sack, BB 1987, 1048 (1049 f.). 169 Abels, Anm. zu BGH GRUR 1983, 451 f. – Ausschank unter Eichstrich I, 452 (452).

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im Wettbewerb bereits erlangten Rechtspositionen im Innenverhältnis der Vertragsparteien, aber eben nicht mehr den Wettbewerb170. Einen Ansatzpunkt für ein zeitlich weiterreichendes Lauterkeitsrecht hätte etwa der bereits dargelegte Vorschlag Büchlers bieten können, den Begriff der Wettbewerbshandlung durch den der Markthandlung zu ersetzen171. Bezeichnenderweise klammert jedoch auch dieser nachvertragliche Handlungen zumindest grundsätzlich aus, weil hier „der Wettbewerbsvorgang an sein Ziel gelangt“ sei172.

II. Vermeintliche Ausnahmen Getreu dem Motto „Keine Regel ohne Ausnahme“ schien der Grundsatz, dass ein Handeln nach Vertragsschluss kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs sein kann, zumindest auf den ersten Blick in Rechtsprechung und Literatur gehandhabt zu werden. So findet sich eine Reihe von Argumentationsmustern, denen zufolge zwar einerseits die grundsätzliche Unanwendbarkeit des UWG in der Zeit nach Vertragsschluss bestätigt wird. Andererseits soll aber doch in bestimmten Fällen einem Verhalten nach Vertragsschluss lauterkeitsrechtliche Relevanz zukommen173. Bei der Betrachtung dieser Argumentationsfiguren soll stets die kritische Frage vor Augen behalten werden, ob es sich bei diesen Ausnahmen vom Grundsatz tatsächlich um eben solche handelt. 1. Rechtsprechung a) Planmäßiges Gesamtverhalten Im Zusammenhang mit Fällen der Vertragspflichtverletzung sollte dem BGH zufolge das Lauterkeitsrecht eben doch eingreifen, wenn der Unternehmer dadurch seinen Vorteil sucht, dass durch täuschende Angaben irregeführt wird. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn der Gastwirt bei einem Minderausschank bewusst und planmäßig auf eine Übervorteilung seines Kunden ziele, weil er von vornherein nicht gewillt sei, sich an seine eigenen Ankündigungen zu halten. Damit mache er die

170 Siehe z. B. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 213, mit Verweis auf BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II, sowie Rn. 220; Sack, WRP 2002, 396 (397); Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 28, 311 ff.; vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 70. 171 Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 88. 172 Einen gewissen Widerspruch macht darin auch Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 28, aus. 173 Vgl. zu den Ausnahmen auch die Darstellung von Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 121 ff.

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Kundentäuschung zum Mittel des Wettbewerbs174. Die lauterkeitsrechtliche Missbilligung und konkret das dafür erforderliche Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs sollte sich in derartigen Fällen aus einer übergreifenden Betrachtung ergeben. In diesem Sinne fasste der BGH auch im Zusammenhang mit der Durchsetzung lauterkeitswidrig zustande gekommener Verträge einen vermeintlich nur das Vertragsverhältnis zwischen den Vertragsparteien betreffenden Aspekt (die Einforderung eines vertraglichen Anspruchs) als Teil eines einheitlichen, von Anfang an auf Täuschung als Mittel des Wettbewerbs angelegten Gesamtkonzepts auf, bei dem die vorausgegangene Täuschung aufrechterhalten bzw. ausgenutzt wird175. Soweit die Verbraucher über das Zustandekommen eines Vertrages tatsächlich im Bilde sind, sollte die Abwicklung von Verträgen außerdem dann wettbewerbswidrig sein, wenn das Verhalten des Werbenden als Betrug im Sinne des § 263 StGB zu werten sein sollte und die Abwicklung als eine – bis zur Beendigung mögliche – Teilnahme daran im Sinne des § 27 StGB176. b) Betroffenheit einer Vielzahl von Kunden Mit Blick auf die indizielle Wirkung, die eine Vielzahl von Fällen mit sich bringt, steht der nachfolgend dargestellte Argumentationsansatz naturgemäß in engem Zusammenhang mit dem vorangegangen dargestellten planmäßigen Vorgehen. Die Rechtsprechung sah in einer Vertragsverletzung im Verhältnis zum betroffenen Kunden zugleich eine Wettbewerbshandlung, wenn die Verletzung vertraglicher Pflichten in Art und Umfang ein besonderes Gewicht hat. Die solle etwa der Fall sein, wenn eine Vielzahl von Kunden einer Bank durch Mitteilung unrichtiger Kontosalden irregeführt wird im Hinblick auf die Überziehung des Kontos. Während die dadurch erzielten Vorteile in Form von Überziehungszinsen bei den einzelnen Kunden nur gering seien, solle gerade die Vielzahl der Fälle zu einem nicht unerheblichen Vorteil führen177. Auch sollte beispielsweise ein Gewerbetreibender, der durch täuschende Gestaltung von Bestellformularen systematisch und fortlaufend das Zustandekommen von Insertionsverträgen auch und gerade als Folge der Irreführung anstrebt, auch bei der späteren Durchsetzung der zustande gekommenen Verträge potentiell wettbewerbswidrig handeln. Dies sei dann der Fall, wenn die Durchsetzung solcher Verträge sich nicht auf Einzelfälle beschränkt, sondern gleichsam fortlaufend betrieben wird und wenn der Unternehmer dabei nicht in geeigneter Weise über die Art des Zustandekommens und über die dabei begründete

174 BGH GRUR 1983, 451 (451 f.) – Ausschank unter Eichstrich I; BGH GRUR 1987, 180 (180 f.) – Ausschank unter Eichstrich II; vgl. auch BGH GRUR 1986, 816 (819) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft. 175 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 (360) – Folgeverträge II. 176 BGH GRUR 2001, 1178 (1180) – Gewinn-Zertifikat. 177 BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft.

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Irrtumsmöglichkeit aufklärt178. Schließlich werde die Schutzfunktion des Wettbewerbsrechts vernachlässigt, wenn ein Wettbewerbsteilnehmer systematisch die Früchte auch aus einer Vielzahl von solchen Verträgen ziehen könnte, deren Zustandekommen er durch systematische und zielgerichtete Täuschungshandlungen bewirkt habe und – dies sei für den Unwertcharakter entscheidend – deren Fortbestand auch allein darauf zurückzuführen sei, dass er die verursachte Täuschung bei der Durchführung des Vertrags durch konkludentes Verhalten aufrecht erhalte. Ein solch systematisches Vorgehen verstoße als Teil eines von vornherein auf Täuschung der angesprochenen Kreise angelegten Geschäftskonzepts gegen den Verhaltenskodex eines den Anforderungen des Leistungswettbewerbs gerecht werdenden Kaufmanns179. c) Erhaltung des Kundenstammes Gleich mehrerer Argumentationsmuster bediente sich der BGH in der Entscheidung Folgeverträge I, wie sie bereits in den vorgenannten Abschnitten zitiert wurde. Nicht nur sei das angegriffene Vorgehen der Beklagten, Insertionsentgelte auch aus Verträgen beizutreiben, die möglicherweise auf einer Täuschung beruhen, ohne dabei den anfechtbaren Grund zu offenbaren, Teil eines einheitlichen, von Anfang an auf Täuschung als Mittel des Wettbewerbs angelegten Gesamtkonzepts und bereits deshalb Handeln zu Wettbewerbszwecken180. Neben dem Umstand, dass es um die Beurteilung der Wettbewerbsmäßigkeit der Durchsetzung einer Vielzahl von sog. Folgeverträgen ging, wurde darüber hinaus noch ein weiteres Argument angeführt. Ein solches Vorgehen sei nämlich für sich genommen geeignet, den Bestand der geschlossenen Verträge für die Zukunft zu erhalten und das Abwandern der Kunden zu anderen Mitbewerbern zu verhindern. Maßnahmen zur Erhaltung des Kundenstammes stellten aber unmittelbar wettbewerbsrelevante Handlungen dar181, ganz im Sinne eines „nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb“182. Der Gedanke, dass Wettbewerb auch im individuellen Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher stattfinden kann, lässt sich bereits in deutlich früheren Urteilen ausmachen. So stellte das OLG Kassel fest, ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs könne auch nach Vertragsschluss vorliegen, wenn die Handlung dazu dient, den Käufer, der sich weigert, seinen Verpflichtungen nachzukommen, zur Erfüllung 178

BGH GRUR 1994, 126 (126) – Folgeverträge I; dies aufgreifend BGH GRUR 1995, 358 (360) – Folgeverträge II. 179 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I; auch BGH GRUR 1995, 358 (360) – Folgeverträge II. 180 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I, mit Verweis auf BGH GRUR 1986, 816 (819) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II. 181 BGH GRUR 1994, 126 (126 f.) – Folgeverträge I, mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. 182 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1178).

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des Vertrages anzuhalten. Wenn auch die Kundenwerbung regelmäßig mit Abschluss des Kaufvertrages beendet sei, verfolge ein derartiges Handeln doch den Zweck, den eigenen Absatz zu fördern183. Sachlich ging es dabei um die positive Hervorhebung des eigenen Produkts im Vergleich zu einem Konkurrenzprodukt gegenüber einem Käufer, der zuvor beanstandet hatte, dass er eigentlich ein anderes Produkt haben wollte184. Es ging mithin um eine Situation, in der für den betroffenen Kunden eine Loslösung vom Vertrag in Frage kam. In vergleichbarer Weise führte auch das OLG Köln aus, dass ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, das auf die Erweiterung oder Behauptung des eigenen Kundenkreises auf Kosten des Mitbewerbers gerichtet ist, auch vorliege, wenn Kunden fest gebunden werden sollen, deren Bindung bisher wegen vorangegangener Täuschung noch ungefestigt, weil anfechtbar ist185. d) Überschießende werbende Wirkung Einen weiteren Aspekt erwähnte der BGH in der Entscheidung Monatlicher Ratenzuschlag. Während das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung im Falle der Angabe eines (irreführenden) Ratenzuschlags in der Rechnung hier erst gar nicht problematisiert wurde, fand das Argument einer zusätzlichen werbenden Wirkung Verwendung im Rahmen der Prüfung einer Irreführung. Konkret ging es dabei um die streitige Angabe „0,5 % PM“. Zwar war diese in einer Rechnung enthalten und erfolgte damit nach Durchführung der Bestellung, gleichwohl hielt sie der BGH für geeignet, werbende Wirkung zugunsten der Beklagten auch für künftige Bestellungen zu entfalten186. e) Erweiterung des Vertrags Das OLG Frankfurt a.M. stellte in der Entscheidung Kerosinzuschlag fest, die einseitige Erhöhung des Reisepreises betreffe nicht lediglich die Erfüllung bereits begründeter vertraglicher Pflichten. Vielmehr verändere die erklärte Preiserhöhung nach Maßgabe des § 651a Abs. 3 BGB a.F. (§ 651a Abs. 4 BGB a.F.) in Verbindung mit den hierzu einschlägigen Reisebedingungen der Beklagten die vertragliche Hauptleistungspflicht des Kunden. Insoweit ginge es hier nicht um die Erfüllung von Vertragspflichten, sondern um deren Erweiterung. Zwar habe es für eine solche Erweiterung durch einseitig gestaltende Willenserklärung des Reiseveranstalters keiner vertraglichen Vereinbarung bedurft, zu deren Abschluss der Kunde wettbewerbswidrig habe beeinflusst werden können. Gleichwohl habe die vorbehaltlose Bezahlung des erhöhten Reisepreises, auf die die Beklagte hinwirkte, nach dem Verständnis des Kunden die Überprüfbarkeit der einseitigen Erhöhung und damit 183 184 185 186

OLG Kassel WRP 1955, 131 (131 f.). OLG Kassel WRP 1955, 131 (131). OLG Köln WRP 1975, 170 (172); ebenso OLG Frankfurt, GRUR 1978, 720 (722). BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag.

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faktisch deren Rechtswirksamkeit bzw. -beständigkeit beeinflussen können. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bestehe daher kein entscheidender Unterschied zwischen einer Preiserhöhungsvereinbarung und der als solcher verstandenen Akzeptanz einer einseitigen Preiserhöhung durch eine vorbehaltlose Zahlung des Kunden187. f) Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften Freilich gestand das Gericht im vorgenannten Fall Kerosinzuschlag ein, dass der Umstand der Erweiterung vertraglicher Pflichten allein einen Marktbezug noch nicht zu begründen vermöge, weil auch dies ein vertragsinterner Vorgang bliebe. Letztlich sei das Verhalten der Beklagten darauf gerichtet gewesen, die (endgültige) Bezahlung des Kerosinzuschlags, der sich vom eigentlichen Vertrag nicht trennen lasse, sicherzustellen. Der Bezug zur Lauterkeit des Wettbewerbs wurde stattdessen anhand eines Rückgriffs auf § 651a Abs. 4 BGB a.F. hergestellt und der Anwendungsbereich des UWG gerade mit Hilfe der Umgehung dieser Norm eröffnet188. Deren S. 1 zufolge kann der Reiseveranstalter den Reisepreis nur erhöhen, wenn dies mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen und damit einer Erhöhung der Beförderungs- und anderer Kosten Rechnung getragen wird. Der Zweck dieser Regelung werde unterlaufen, indem die Beklagte durch ihr gleichartiges und planmäßiges Verhalten – zumindest faktisch – die Möglichkeiten ihrer Kunden beeinträchtige, die Berechtigung der jeweiligen Preiserhöhung zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Schließlich binde diese Regelung die Berechtigung des Reiseveranstalters zu einer Preiserhöhung an die Erfüllung genau zu bezeichnender Voraussetzungen. Dies erscheine nur dann sinnvoll, wenn hiermit eine ausreichende Nachprüfungsmöglichkeit durch den Reisenden korrespondiere. Die Beklagte habe daher ihre Reisekunden in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise irregeführt und deren Rechtsunkenntnis in unlauterer Weise ausgenutzt, indem sie Vorbehaltserklärungen ihrer Kunden gegenüber der Preiserhöhung gezielt abgewehrt und eine weitere Aufklärung zur Berechtigung dieser Preiserhöhung unterbunden habe. Ein solches Verhalten stehe mit dem Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbs und den guten kaufmännischen Sitten nicht in Einklang189. Während diese Begründung noch Merkmale der zuvor dargestellten Argumentationsmuster aufweist („gleichartiges und planmäßiges Verhalten“), bestimmte der Normverstoß als solcher die Bewertung des Falls noch sehr viel deutlicher in der Entscheidung Sicherungsschein. Ohne die Problematik des nachvertraglichen Verhaltens vertieft zu thematisieren, wurde im Rahmen der Entscheidung der Verstoß gegen § 651k Abs. 4 BGB a.F. als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG a.F. angesehen190. § 651k Abs. 4 S. 1 BGB a.F. zufolge dürfen Reiseveranstalter und Reisevermittler 187 188 189 190

OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (728 f.) – Kerosinzuschlag. OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (729) – Kerosinzuschlag. OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (729) – Kerosinzuschlag. BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein.

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Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde. Die Norm, so der BGH, habe insofern einen Bezug zur Lauterkeit des Wettbewerbs, als es den guten kaufmännischen Sitten widerspreche, durch Verstoß gegen Vorschriften, die zum Schutz der typischerweise schwächeren Vertragspartei erlassen worden sind, Vorteile im Wettbewerb anzustreben191. Tatsächlich begründete das Gericht mithin das Vorliegen einer (unlauteren) Wettbewerbshandlung mit Hilfe eines Verstoßes gegen eine Vorschrift, die jedenfalls unmittelbar nur die Leistungsbeziehungen zwischen den Vertagspartnern regelt192. 2. Literatur Die Literatur hat auch hinsichtlich der Ausnahmen vom Grundsatz der Unanwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss die von der Rechtsprechung entwickelten (vermeintlichen) Ausnahmen weitgehend zitiert193. Vertieft wurde insbesondere der Gedanke, dass der Wettbewerb dann noch nicht beendet bzw. wiedereröffnet sein soll, wenn der Vertragsschluss von einer Seite in Frage gestellt wird. Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs sollte etwa Büchler zufolge auch nach Vertragschluss dann vorliegen, wenn der Vertragspartner von der Ausübung eines Anfechtungs- oder Rücktrittsrechts abgehalten werden soll194. Schünemann kritisierte die Ausführungen des BGH in dem Beschluss Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen, der Versendung von Rundschreiben mit geänderten Allgemeinen Versicherungsbedingungen fehle der Marktbezug195. Er pflichtet dem Senat zwar insofern bei, als es am erforderlichen Marktbezug fehle, wenn nach Vertragsschluss „mit der vertraglichen Koordination der Marktsubjekte der Wettbewerb sein mikroökonomisches Spannungspotential aufgezehrt“ habe. Dies sei hier aber deshalb nicht der Fall, weil mit den Rundschreiben „neue“ Vertragsinhalte herbeigeführt werden sollten196. Auch wenn v. Godin und Knöpfle nicht explizit auf Handlungen nach Vertragsschluss eingegangen sind, müssten deren oben dargestellte Ansätze sogar ohne die Figur eines potentiellen „Wiederauflebens“197 des Wettbewerbs zu dem Ergebnis führen, dass auch nachvertragliches Verhalten in den An-

191

BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. Vgl. auch schon Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 122; auch in BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein, steht diese Feststellung am Anfang der einschlägigen Ausführungen. 193 Vgl. z. B. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf, Rn. 220 f.; Mees, FS Brandner, 473 ff.; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 233 f. 194 So Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 88, mit Verweis auf OLG Kassel WRP 1955, 131. 195 BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen. 196 Schünemann, WRP 2003, 16 (17). 197 Vgl. die Formulierung bei Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 58. 192

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wendungsbereich des UWG fällt198. Wenn das Lauterkeitsrecht – wie v. Godin postuliert – „jede unlautere Handlung irgendeines Gewerbetreibenden im geschäftlichen Verkehr [erfassen soll], die die Förderung seines Gewerbes betrifft“199, dann lässt sich darunter auch die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche sowie die Abwehr von Verbraucherrechten fassen. Selbiges gilt, wenn man mit Knöpfle für ein lauterkeitsrechtlich relevantes Handeln ausreichen lässt, „wenn [die Handlung] den Wirtschaftserfolg eines Gewerbetreibenden fördern soll“200. Teile der Literatur traten einer erweiterten Anwendung des UWG auf Verhaltensweisen nach Vertragsschluss kritisch entgegen und beharrten auf einer konsequenten Beschränkung auf vorvertragliches Verhalten. Die Konstruktion des planmäßigen Gesamtverhaltens, in das sich Anspruchsdurchsetzung bzw. Vertragspflichtverletzung einfügen, wurde zum einen dahingehend kritisiert, dass ein solcher Ansatz unzulässigerweise auf subjektive Kriterien zurückgreife, wo es um die Frage nach dem Vorliegen einer objektiven Wettbewerbshandlung gehe. Subjektive Kriterien könnten indes allein für die Wettbewerbsabsicht bzw. für die Sittenwidrigkeit von Bedeutung sein201. Zum anderen begegne die Eingliederung der Anspruchsdurchsetzung in ein Gesamtverhalten Bedenken insofern, als dadurch jede Vertragsdurchsetzung wegen des immer bestehenden Gesamtzusammenhangs mit der Vertragsanbahnung stets Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs sei, was der BGH dann auch zu Recht ablehne202. Stattdessen sei streng zu unterscheiden zwischen Aktivitäten bei der Vertragsanbahnung und solchen der Vertragsabwicklung, wobei eben nur erstere Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs darstellten203. Soweit der Wettbewerb nach Vertragsschluss in den Fällen als nicht beendet angesehen wurde, in denen sich der Vertragspartner durch Anfechtung noch vom Vertrag lösen kann, wurde dies ebenfalls zum Teil ganz konsequent abgelehnt. Vorgebracht wurde diesbezüglich, dass das rechtliche Schicksal des Vertrages nichts an der – maßgeblichen – ökonomischen Situation, nämlich der Verengung der Geschäftsbeziehungen durch die Entscheidung des Abnehmers, ändere204. Nach Vertragsschluss müsse der Unternehmer seine Marketingstrategie vom Gewinnen der Kunden auf ein Behalten der bereits gewonnenen Kunden umstellen, wofür es einer möglichst individuellen Betreuung des Einzelnen bedürfe. Der wettbewerbstypische „Multiplikatoreffekt“ entfalle dabei regelmäßig205. Ganz unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit und Anfechtbarkeit sei eine Wettbewerbshandlung schon der Natur der 198 So zum Ansatz Knöpfles Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 83. 199 So v. Godin, GRUR 1965, 288 (290). 200 Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb“ und die Realität des Wirtschaftslebens, 87. 201 Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 36, 38; auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 60. 202 Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 36, 38; Sack, BB 1987, 1048 (1051). 203 Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 36 ff.; Sack, BB 1987, 1048 (1051). 204 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 58. 205 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 60 f.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

Sache nach auf die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen beschränkt206. Eine verrechtlichte Betrachtung führe außerdem zu untragbaren Ergebnissen, weil der Kaufmann stets fürchten müsse, sich lauterkeitswidrig zu verhalten, wenn er auf Vertragserfüllung drängt, obwohl der Kunde Vertragsauflösungsrechte oder die Unwirksamkeit des Vertrages geltend macht207. Schließlich sei dann auch zu befürchten, dass zwei verschiedene Verfahren – d. h. sowohl ein lauterkeitsrechtliches als auch ein allgemein zivilrechtliches – sich mit ein und derselben Rechtsfrage (Bestehen eines Anfechtungs- oder Widerrufsrechts) zu beschäftigen hätten208. 3. Würdigung Die zuletzt dargestellte Kritik aus der Literatur offenbart in besonderem Maße die Konzentration auf den vorvertraglichen Wettlauf unter Wettbewerbern. Beispielhaft ist insofern die Feststellung, dass sich die Beschränkung auf Handlungen zur Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen „aus der Natur der Wettbewerbshandlung“ ergebe209. Soweit lediglich das Austauschverhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher betroffen sei, bestehe kein Wettbewerb und damit kein dem UWG unterfallender Interessenkonflikt. Letzteres schütze eben nicht sämtliche Verbraucherinteressen, sondern nur diejenigen, die durch spezifisch wettbewerbliche Betätigung der Marktgegenseite beeinträchtigt werden210. Darüber hinaus relativieren sich die dargestellten „Ausnahmen“ bei näherer Betrachtung sowohl mit Blick auf die zeitliche Einordnung der bewerteten Verhaltensweise (vorvertraglich) als auch hinsichtlich der gewählten Perspektive (Konkurrentenschutz). Keine echte Ausnahme bildet zunächst die Figur des planmäßigen Gesamtkonzepts und das auch in diesem Zusammenhang aufgestellte Erfordernis einer Vielzahl von betroffenen Kunden211. Die Argumentation des BGH veranschaulicht vielmehr, dass es weder um nachvertragliches Verhalten noch in erster Linie um den Schutz der 206

Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 34; Sack, BB 1987, 1048 (1050). Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 34; Sack, BB 1987, 1048 (1049); auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 58. 208 Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 34 f., hält eine präjudizielle Wirkung einer Unterlassungsverfügung nach dem UWG für das zivilrechtliche Verfahren im Ergebnis für „schlechthin untragbar“. 209 Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 34. 210 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 51 f.; Ahrens, WRP 1972, 57 (60); Samwer, GRUR 1969, 326 (328). 211 Vgl. auch Koch, Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken, 261; Scherer, WRP 2009, 761 (762): „Scheinausnahme“; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 61, 180 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 581, Fn. 39; Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 38 f.; Sack, BB 1987, 1048 (1050 f.); Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 28 f.; Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 123 f. 207

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG 1896 – 2004

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Marktgegenseite geht. Nach den Ausführungen des Gerichts habe die Nicht- oder Schlechterfüllung (als tatsächlich nachvertragliche Handlung) nur dann Bezug auf die Mitbewerber und Außenwirkungen auf den Wettbewerb, wenn der Kaufmann von vornherein auf eine Übervorteilung seines Kunden abzielt und nicht gewillt ist, sich an seine Ankündigungen zu halten, und die darin liegende Kundentäuschung zum Mittel seines Wettbewerbs mache212. Damit wird gewissermaßen ein nachvertraglicher mit einem vorvertraglichen Aspekt vermengt bzw. zu dessen Qualifikation als Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs herangezogen. Tatsächlich entschieden hat der BGH jedoch in Wirklichkeit über die Ankündigung, eine bestimmte Leistung zu erbringen213. Der Pflichtenverstoß innerhalb des Vertragsverhältnisses als solcher wird indes lediglich im Rahmen der Bewertung des vorangehenden Angebots relevant. Folgerichtig betrifft diese Fallgruppe bei Lichte eine vorvertragliche Irreführung zum Zwecke der Absatzförderung214. Wählt man diesen vorvertraglichen Anknüpfungspunkt, dann lässt sich die Fallkonstellation wiederum stimmig in ein vorwiegend konkurrentenschutzrechtliches Verständnis einbetten. In diesem Sinne misst der BGH die Minderleistung entgegen der vorherigen Ankündigung explizit daran, ob die Handlung der Beklagten erfolgt, um „den eigenen Wettbewerb gegenüber dem ihrer Mitbewerber zu fördern“215. Das Kriterium „Vielzahl der betroffenen Kunden“ fügt sich in dieses Bild ein. Der BGH führt im Rahmen der Entscheidung Kontostandsauskunft aus, die Beklagte erziele Vorteile in Form von Überziehungszinsen, die zwar bei den einzelnen Kunden gering seien, bei einer Vielzahl von Fällen allerdings einen nicht unerheblichen Geldbetrag ausmachten. Dieses Vorgehen beeinträchtige die Lauterkeit des Wett212

BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II. Siehe BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II („In diesem Fall hätte sie mit der Ankündigung der Abgabe von einem Liter Bier für 5,– DM in der Tat die Kundentäuschung zum Mittel des Wettbewerbs gemacht und damit insoweit zu Zwecken des Wettbewerbs […] gehandelt“); vgl. auch BGH GRUR 1983, 451 (452) – Ausschank unter Eichstrich I („Das rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Bekl., um sich Vorteile im Wettbewerb zu versaffen [sic], die beanstandete Ankündigung […] nicht hätten einhalten wollen“); auch BGH GRUR 1994, 640 (642) – Ziegelvorhangfassade („durch das Angebot […] getäuscht“); auch in der Entscheidung Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf würdigt das Gericht die nachvertragliche Erwiderung, ein Widerrufsrecht bestünde nicht, nur im Gesamtzusammenhang mit der vorherigen Ausgestaltung der Vertragsvordrucke, vgl. BGH GRUR 1986, 816 (818) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; siehe hierzu auch unten 4. Kapitel, A., II. 214 Vgl. Koch, Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken, 261; Scherer, WRP 2009, 761 (762); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 61, 180 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 581, Fn. 39; Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 38 f.; Sack, BB 1987, 1048 (1050 f.); Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 28 f.; Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 123 f.; hinsichtlich BGH GRUR 1994, 640 (642) – Ziegelvorhangfassade, auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 119. 215 BGH GRUR 1983, 451 (452) – Ausschank unter Eichstrich I; vgl. auch BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II: „um sich durch gezielte und planmäßig wiederholte Kundentäuschung Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen“. 213

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

bewerbs, weil es Mitbewerber in ihrem Verhalten bestärken oder diese veranlassen könne, ebenso zu verfahren, um nicht im Wettbewerb zurückzufallen216. Erkennbar wird also zum einen der Fokus weg vom Nachteil des konkret betroffenen Verbrauchers hin zum Vorteil des handelnden Unternehmers gelenkt. Zum anderen wechselt der zeitliche Anknüpfungspunkt, wenn das Gericht die Vielzahl falscher Angaben vor dem Hintergrund eines wettbewerblichen Vorteils im Hinblick auf die Inanspruchnahme eines weiteren (bis dahin noch nicht abgeschlossenen) Kredits beleuchtet217. Die Figur der überschießenden werbenden Wirkung im Hinblick auf einen neuen Vertrag weicht der Frage, inwiefern nachvertragliche Verhaltensweisen vom UWG erfasst sind, besonders offenkundig aus. Sie stellt vorwiegend auf die Wirkung der Handlung im Hinblick auf künftige Verträge ab. Erwähnenswert ist, dass der BGH in der Entscheidung Monatlicher Ratenzuschlag tatsächlich zunächst betont, dass die durch Angaben in einer Rechnung hervorgerufene Fehlvorstellung über den effektiven Jahreszins geeignet sei, die Entscheidung des Verbrauchers über ein ihm zustehendes Rückgabe- oder Widerrufsrechts zu beeinflussen218. Dies hielt er aber offensichtlich nicht für ausreichend, denn bereits im nächsten Abschnitt fügt er an, dass ein vom Kunden irrtümlich angenommener niedriger effektiver Jahreszinssatz ohne weiteres ein Grund sei, sich bei weiteren Bestellungen für die Beklagte und gegen Mitbewerber mit deutlich höherem effektivem Jahreszinssatz zu entscheiden219. Auch wenn das OLG Frankfurt a.M. in der Entscheidung Kerosinzuschlag die einseitige Erweiterung der Leistungspflicht des Kunden allein (und damit gewissermaßen die Änderung in einen neuen, weil anderen Vertrag) zur Begründung eines marktbezogenen Vorgangs noch nicht für ausreichend erachtet, leitet es diesen letztlich doch mit Hilfe konkurrentenschutzrechtlicher Erwägungen her. Konkret erfolgt dies unter Heranziehung von Sinn und Zweck des § 651a Abs. 4 BGB a.F. So könne der Verstoß gegen eine zwingende – verbraucherschützende – Norm den Anwendungsbereich des UWG auch dann eröffnen, wenn diese Vorschrift (nur) mittelbar zu gleichen Wettbewerbsbedingungen unter Reiseveranstaltern beitrage. Auch hier wird sodann auf die planmäßige Vorgehensweise und die damit verbundene Beeinträchtigung des Leistungswettbewerbs abgestellt220, dessen konkurrentenschutzrechtlicher Grundgedanke bereits aufgezeigt wurde221. In der Entscheidung Sicherungsschein übergeht der BGH die Frage der Anwendbarkeit des UWG und 216

BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft. Vgl. BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft; siehe dazu auch ausführlich 4. Kapitel, A. 218 BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag; siehe dazu auch schon Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 170 f. 219 BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag. 220 OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (729) – Kerosinzuschlag. 221 Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 1. 217

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG 1896 – 2004

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sieht den Verstoß gegen § 651k Abs. 4 BGB a.F. als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG a.F. an222. Wie das Gericht auch einräumt, regelt diese Norm unmittelbar nur die Leistungsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien223 und nicht die Absatzförderung224. Doch auch hier stellt das Gericht fest, dass die Norm mittelbar zu gleichen Wettbewerbsbedingungen unter den Reiseveranstaltern beitrage. Deren Nichtbeachtung habe insofern einen Bezug zur Lauterkeit des Wettbewerbs, als es den guten kaufmännischen Sitten widerspreche, durch Verstoß gegen Vorschriften, die zum Schutz der typischerweise schwächeren Vertragspartei erlassen worden sind, Vorteile im Wettbewerb anzustreben225. Des Weiteren lässt es sich auch mit Hilfe eines Wiederauflebens bzw. der Nichtbeendigung des Wettbewerbs bei Bestehen von Vertragsauflösungsrechten im Sinne der traditionellen Auffassung vermeiden, das UWG nach Vertragsschluss in Fällen anzuwenden, in denen es tatsächlich nur um das Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher geht. Dies geschieht schlicht dadurch, dass man den Kampf um den Kunden auch mit dem Vertragsschluss als nicht beendet ansieht. Damit lässt sich freilich nahezu jedes nachvertragliche Handeln und jede nachvertragliche Verbraucherentscheidung in den Zusammenhang der Konkurrenz unter Anbietern stellen226. In diesem Sinne sieht der BGH Maßnahmen zur Erhaltung des Kundenstammes in der Entscheidung Folgeverträge I ausdrücklich deshalb als unmittelbar wettbewerbsrelevante Handlungen, weil sie geeignet seien, den Bestand der geschlossenen Verträge für die Zukunft zu erhalten und das Abwandern der Kunden zu anderen Mitbewerbern zu verhindern227. Die Erhaltung des Kundenstammes hat zwar keine aktuell absatzfördernde Eignung, sie hat aber einen mittelbaren Bezug zu dem potentiell wiederauflebenden Wettbewerb. Das unmittelbare Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher wird demnach nur insofern relevant, als der Kunde nun einmal Ziel der wettbewerblichen Handlungen der Unternehmer untereinander ist. Zum einen ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil ein Wiederaufleben des Wettbewerbs immer nur die indirekte Folge der Ausübung von Rechten im individuellen Vertragsverhältnis ist. Zum anderen stößt diese konkurrentenschutzrechtliche Perspektive jedenfalls dann an ihre Grenzen, wenn Situationen zu bewerten sind, in denen es nicht um potentiellen neuen Wettbewerb geht. Zu denken ist hier etwa an eine Minderung durch den Kunden. Während die Ausübung eines Vertragslösungsrechts zumindest nicht ganz fernliegend einen Zusammenhang mit dem Wettbewerb um den betroffenen Kunden aufweist, ist der 222

BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. 224 Vgl. dazu auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 122. 225 BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. 226 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 118. 227 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I, mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. 223

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

Wettbewerbsbezug bei der Minderung allenfalls noch ein äußerst mittelbarer228. Wer mindert, hält am Vertrag fest, während das Verhältnis des Unternehmens (als Adressat der Minderungserklärung) zu potentiellen Mitbewerbern nicht berührt wird. Damit beschrieben ist eine Situation, in der unmittelbar und ohne Konkurrentenbezug Verbraucherinteressen betroffen sind. Bezeichnenderweise wäre diese nach keiner der genannten Argumentationsfiguren vom Anwendungsbereich des UWG umfasst. Eine echte Ausnahme könnte allenfalls noch in der bereits genannten Entscheidung Folgeverträge I zu sehen sein229. Der BGH nimmt hier eine Wettbewerbshandlung nicht nur wegen des oben genannten Aspekts der Erhaltung des Kundenstammes an, sondern führt zur Begründung auch eine Gesamtbetrachtung im Sinne der eingangs gewürdigten Fälle durch. Im Unterschied zu diesen Fällen scheint der BGH hier jedoch in der Tat nicht die vorvertragliche Täuschung, sondern die darauf folgende Vertragsdurchsetzung als solche in der Rolle der zu untersagenden Wettbewerbshandlung zu bewerten. Konkret führt das Gericht aus, die „Schutzfunktion des Wettbewerbsrechts würde vernachlässigt, wenn ein Wettbewerbsteilnehmer systematisch die Früchte aus einer Vielzahl von solchen Verträgen ziehen könnte, deren Zustandekommen er durch – ebenfalls ganz systematische und zielgerichtete – Täuschungshandlungen bewirkt hat und – dies [sei] für den Unwertcharakter entscheidend – deren Fortbestand allein darauf zurückzuführen ist, daß er die verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des Vertrags durch konkludentes Verhalten aufrechterhält. Ein solches Vergehen [verstoße] jedenfalls dann, wenn es – wie vorliegend – nicht vereinzelt, sondern systematisch und im Rahmen bzw. als Teil eines von vornherein auf Täuschung der angesprochenen Kreise angelegten Geschäftskonzepts erfolgt, gegen den Verhaltenskodex eines den Anforderungen des Leistungswettbewerbs gerecht werdenden Kaufmanns“230. Selbst wenn damit tatsächlich ein nachvertragliches Verhalten beurteilt wurde, so löst sich doch auch hier die Argumentation nicht von der konkurrentenschützenden Perspektive. Zum einen sollte, wie sich dem zitierten Teil der Entscheidungsgründe entnehmen lässt, ja gerade der Fortbestand der Verträge („dies ist für den Unwertcharakter entscheidend“) und damit der Erhalt des Kunden, mithin das Vermeiden neu auflebenden Wettbewerbs entscheidend sein. Zum anderen wird wiederum der – konkurrentenschutzrechtlich orientierte – Leistungswettbewerb herangezogen, der durch systematisches Vorgehen verletzt werde. Tatsächlich zu einem anderen Ergebnis, d. h. zu einer konsequenten Erfassung nachvertraglicher Verhaltensweisen auch ohne jede Relevanz für einen Wettbewerb unter Konkurrenten, hätten lediglich die Ansätze v. Godins und Knöpfles geführt bzw. führen müssen. Zum einen haben sich diese Autoren aber zu den Konsequenzen 228

Vgl. Koch, Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken, 258 f. So Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 121, 125 ff.; Schockenhoff, NJW 1995, 500 (501), sah einen „Tendenzwechsel“. 230 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I. 229

C. Schutz des Verbrauchers nach Vertragsschluss im UWG 1896 – 2004

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ihres Ansatzes für die Behandlung nachvertraglicher Verhaltensweisen nicht geäußert. Zum anderen wurde bereits ausgeführt, dass sich diese Ansätze nur schwer mit der damals geltenden Rechtslage in Einklang bringen ließen231.

III. Zwischenergebnis Der Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts beschränkte sich bis 2004 auf den Zeitraum vor Vertragsschluss. Handlungen nach der zeitlichen Zäsur des Vertragsschlusses fehlte der Marktbezug; die individuelle Beziehung zwischen Unternehmer und Verbraucher sollte durch das Vertragsrecht geregelt sein. Tatbestandlich ging diese Beschränkung aus dem Merkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs hervor. Dessen Reichweite wiederum erschließt sich vor dem Hintergrund, dass der Wettbewerb als solcher den Wettlauf unter Konkurrenten um den Vertragsschluss mit der Marktgegenseite beschreibt. Entscheidend für die zeitliche Beschränkung des früheren UWG ist die Rolle des Schutzsubjekts Verbraucher innerhalb des Wettbewerbs und des diesen regelnden früheren Wettbewerbsrechts. Am Anfang dessen Entwicklung stand die konkurrentenschutzrechtliche Konzeption des UWG von 1896, die auch unter dem UWG von 1909 lange Zeit dominant war. Mit Aufkommen des sog. sozialrechtlichen Verständnisses wurde der Verbraucherschutz zum Thema im Lauterkeitsrecht. Als vollkommen eigenständiger Schutzzweck kam er indes nicht zur Entfaltung. Obwohl die Belange der Marktgegenseite und insbesondere auch der Verbraucher zunehmend Berücksichtigung fanden, war es letztlich nicht unmittelbar das Vertikalverhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher, das den Gegenstand der lauterkeitsrechtlichen Bewertung bildete. Gerade die Behandlung nachvertraglicher Verhaltensweisen in den untersuchten Urteilen belegt, dass sich lauterkeitsrechtlicher Verbraucherschutz lediglich als zusätzlicher Blickwinkel in die konkurrentenschutzbezogene Argumentation einfügte232. Soweit die Rechtsprechung vermeintliche Ausnahmen vom Grundsatz der Unanwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss zuließ, bewertete sie dabei in Wahrheit gerade nicht mehr nachvertragliche Verhaltensweisen unmittelbar gegenüber der Marktgegenseite und die Auswirkungen in eben diesem Verhältnis. Ob mit der Argumentationsfigur des planmäßigen Gesamtverhaltens, der Betroffenheit einer Vielzahl von Kunden, der Erhaltung des Kundenstammes, überschießender werbender Wirkung, der Erweiterung des Vertrags oder schlicht mit Hilfe des Abstellens auf den Verstoß gegen eine verbraucherschützende Vorschrift: Die Argumentation des Gerichts konzentrierte sich auf die Auswirkungen auf den (Leistungs-)Wettbewerb mit den Konkurrenten. Genau genommen scheint damit gerade die Loslösung von der unmittelbar verbraucherschützenden Perspektive der Schüssel gewesen zu sein, um (vermeintlich) nachvertragliche Verhaltensweisen in den Anwendungsbereich des UWG einzube231

Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 2., c). Vgl. die Formulierung bei Fezer, WRP 2009, 1163 (1165), wonach das Modell der Schutzzwecktrias „den Verbraucherschutz in den Mitbewerberschutz integrierte“. 232

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

ziehen. Dementsprechend erhielten viele faktisch im Verhältnis zum Verbraucher nachvertragliche Handlungen ihre lauterkeitsrechtliche Relevanz erst infolge eines schutzsubjektbezogenen und – damit konnex – zeitlichen Perspektivwechsels. Zwar reicht der Wettbewerb in seiner sozialen Wirkung – diese Erkenntnis brachte das sozialrechtliche Verständnis mit sich – über die Interessensphäre der rivalisierenden Mitbewerber hinaus. Gleichwohl vollzieht er sich sich eben unter Wettbewerbern233. Der Schutz des Verbrauchers war ein wettbewerbsbezogener234. Erst wenn ein Verhalten im Anwendungsbereich des (konkurrentenschützenden) UWG lag (wenn also ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorlag), konnten die Interessen der Verbraucher berücksichtigt werden235. Verhaltensweisen, die vorwiegend oder nur das Verhältnis zum Verbraucher betreffen und sich nicht oder nur noch äußerst mittelbar in den Kontext des Wettbewerbs stellen lassen, konnten mithin nicht durch das UWG erfasst werden. Im Ergebnis war der Schutz des Verbrauchers zwar nunmehr ein Teil des Lauterkeitsrechts. Nach hier vertretener Auffassung stellte er indes zumindest keine „völlig [Hervorhebung durch den Verfasser] gleichgewichtete [weitere]236 Säule des Wettbewerbsrechts“237 dar; der „Sieg der Konsumentenschutzidee“238 war noch nicht errungen.

D. Änderungen durch die Reform von 2004 Die Reform durch das UWG vom 3. Juli 2004 (Inkrafttreten am 8. Juli 2004) sollte der Modernisierung, Liberalisierung und Harmonisierung des Lauterkeitsrechts dienen239. Besonders stach hervor, dass das neue Gesetz nun erstmals systematisch deutlich unterschied zwischen den Voraussetzungen lauterkeitsrechtlicher Haftung (§§ 1 bis 7 UWG), den Rechtsfolgen (§§ 8 bis 11 UWG), Verfahrensvorschriften (§§ 12 bis 15 UWG) und Straftatbeständen (§§ 16 bis 19 UWG). Innerhalb der Vorschriften zu den Haftungsvoraussetzungen wurde nun neben der Definitionsnorm des § 2 UWG, die u. a. den – hier relevanten – Begriff der Wettbewerbshandlung definierte, eine Schutzzweckbestimmung in § 1 UWG vor die Klammer gezogen. In dieser wurde die sog. Schutzzwecktrias normtextlich festgehalten240. Die 233

Vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 43. Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 79. 235 Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl, Rn. 79. 236 Im Original: „zweite“, siehe Schünemann, WRP 2003, 16 (16). Als zweite Säule könnte man u. U. aber auch schon den Schutz der Allgemeinheit bezeichnen, auch wenn dessen eigenständige Bedeutung durchaus zweifelhaft ist. 237 Schünemann, WRP 2003, 16 (16). 238 So Schricker, GRUR 1974, 579 (579). 239 Siehe dazu Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 44 ff. 240 Hierzu Ohly, GRUR 2004, 889 (894). 234

D. Änderungen durch die Reform von 2004

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Generalklausel fand sich nun in § 3 UWG. Sie ersetzte den Begriff der „guten Sitten“ durch denjenigen der „Unlauterkeit“ und wurde fortan konkretisiert durch einen nicht abschließenden Katalog von Beispielen unlauteren Verhaltens in den §§ 4 bis 7 UWG, die die bisherigen richterrechtlich herausgebildeten Fallgruppen kodifizierten und sämtlich auf § 3 UWG verwiesen241.

I. Die Beibehaltung der zeitlichen Beschränkung Für die Beurteilung des Verbraucherschutzes nach Vertragsschluss auf Grundlage des UWG 2004 ist zum einen die explizite Aufnahme des Verbrauchers als Schutzsubjekt in § 1 UWG potentiell bedeutsam. Zum anderen und – wie sich zeigen wird – vor allem ist aber entscheidend, wie sich die erstmalige Definition der Wettbewerbshandlung auf den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts auswirkte. 1. Bestätigung des bisherigen Rechtszustands Lediglich formal wurde die Rolle des Verbrauchers im Lauterkeitsrecht durch den neuen § 1 UWG aufgewertet. Nach dessen Satz 1 dient das UWG dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Der Gesetzesentwurf führt als ein Ziel der Reform an, dass der Verbraucher den ihm gebührenden Stellenwert in einem modernen Lauterkeitsrecht dadurch erhalten solle, dass Verbraucherinnen und Verbraucher als gleichberechtigte Partner in das neue Gesetz aufgenommen werden242. Obgleich die erstmalige nortmtextliche Verankerung des Verbrauchers als Schutzsubjekt des Lauterkeitsrechts einen der Schwerpunkte der Reform bildete243, war allein damit ein „Paradigmenwechsel vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz“244 nicht verbunden. Tatsächlich kodifizierte der neue § 1 UWG lediglich die Schutzzwecktrias, wie sie sich zuvor in der Rechtsprechung herausgebildet hatte245. 241

Siehe hierzu Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 46. RegE BT-Drucks. 15/1487, 1: „Verbraucherinnen und Verbraucher werden als gleichberechtigte Partner in den Schutzbereich des Gesetzes aufgenommen.“ 243 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 12 f. 244 So Engels/Salomon, WRP 2004, 32 (32); krit. zum inflationären Gebrauch des Begriffes „Paradigmenwechsel“ im juristischen Schrifttum Ohly, WRP 2008, 177 (180); eine konzeptionelle Verlagerung des Schwerpunkts der Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts machte Fezer, WRP 2009, 1163 (1165), aus. Darüber hinaus wurde eine stärkere Ausrichtung des UWG von 2004 auf den Verbraucherschutz auch am Gewinnabschöpfungsanspruch des § 10 UWG festgemacht, vgl. Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (251), mit Verweis auf Begr RegE BTDrucks. 15/1487, 13. 245 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 1, Rn. 4; nach Keßler/Micklitz, BB 2005 Special 13/05 zu Heft 49, 1 (2), war die „Signalwirkung“ der Regelung eher „plakativer“ Art; Ohly, GRUR 2004, 889 (894), weist darauf hin, dass es gleichwohl während des Gesetzgebungs242

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

Eine Neuausrichtung der Rolle und Gewichtung des Verbraucherschutzes als Teil dieser Schutzzwecktrias war damit nicht verbunden. Vielmehr wurde nur der bisherige Rechtszustand wiedergegeben246. Dies verdeutlicht auch die Gesetzesbegründung, derzufolge mit der erstmaligen ausdrücklichen Erwähnung des Verbrauchers als Schutzsubjekt (lediglich) die Rechtsprechung zum bisherigen UWG aufgenommen und einer Forderung der Verbraucherverbände genügt werden sollte247. Offenbar lag dem Gesetzesentwurf zwar das Verständnis zugrunde, dass sich ein gleichwertiger Schutz des Verbrauchers in der Praxis bereits herausgebildet hatte und dieser Schutz nunmehr normtextlich verankert werden sollte. Es wurde indes bereits ausführlich dargelegt, dass der bisherige Verbraucherschutz zumindest kein konsequent unmittelbarer und damit kein vollkommen gleichberechtigter war248. Es soll hier die These aufgestellt werden, dass es einen solchen konsequent unmittelbaren, vollkommen gleichberechtigten Verbraucherschutz auch nach Inkrafttreten des UWG 2004 nicht gab. Um dies zu verifizieren, eignet sich wiederum die Untersuchung, wie Verhaltensweisen nach Vertragsschluss bewertet wurden. 2. Fortwirken des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ Erstmalig wurde nun der Zentralbegriff des UWG gesetzlich definiert. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG war nun „Wettbewerbshandlung“ jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern. Eine für die Erweiterung des Schutzzwecks relevante Neuerung kann darin zunächst insofern gesehen werden, als nach der Begründung zum Regierungsentwurf das Vorliegen eines (konkreten) Wettbewerbsverhältnisses nicht mehr erforderlich sein sollte249. Darauf ist der Verzicht auf das Nachteilserfordernis zurückzuführen250, wie es noch in der von der Rechtsprechung entwickelten bisherigen Definition enthalten war251. Auch die Bedeutung dieser Änderung sollte allerdings nicht überschätzt werden. Das Nachteilserfordernis und die Voraussetzung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses basierten noch ganz auf der rein konkurrentenschutzrechtlichen Auslegung des anfänglichen UWG, wonach allein der individuell betroffene Mitbewerber geschützt wurde und nur dieser einen Anspruch geltend machen konnte. verfahrens nicht an Versuchen gefehlt habe, die Stellung des Verbrauchers durch zusätzliche Informationspflichten und Widerrufsrechte zu stärken. 246 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 1, Rn. 4. 247 Begr RegE, BT-Drucks. 15/1487, 12 f. 248 Siehe oben 1. Kapitel, C. 249 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 16; vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 148, der auf diesen Umstand hinweist. 250 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1179); Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 148. 251 Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 2., c).

D. Änderungen durch die Reform von 2004

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Wie herausgearbeitet wurde, war infolge der Schutzzweckerweiterung bereits vor der Reform 2004 ohnehin ein nur potentielles Wettbewerbsverhältnis zu irgendeinem Mitbewerber ausreichend. Dieses folgt indes weniger aus dem Nachteilserfordernis als aus der Eignung, den Absatz oder Bezug des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern, wie es dann auch Teil der Wettbewerbshandlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 wurde. Die Gesetzesbegründung begründete den Verzicht auf das Erfordernis eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses damit, dass dadurch auch Unternehmer mit Monopolstellung erfasst werden252. Sie griff damit letztlich nur ein Argument auf, dass schon zuvor maßgeblich gegen das Erfordernis eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses vorgebracht wurde. Dies führte allerdings keineswegs zwingend dazu, dass jegliche Form des Wettbewerbs, d. h. auch ein abstrakt-potentieller, entbehrlich wurde253. Stattdessen lebte in der neuen Definition das Merkmal des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ fort254: Das maßgebliche Verhalten musste objektiv zur Förderung von Absatz und Bezug geeignet, und subjektiv von der Absicht der Absatz- oder Bezugsförderung getragen sein255. Zwar war zunehmend umstritten, ob der Definition tatsächlich noch ein subjektives Element innewohnt256. Entscheidend für die konkurrentenschutzrechtliche Ausrichtung sowie die daraus folgende Ausklammerung nachvertraglichen Verhaltens waren jedoch ohnehin die objektiven Voraussetzungen der Wettbewerbshandlung. Diese führten zu der Auffassung, dass abnehmergerichtetes Verhalten nach der Entscheidung zum Vertragsschluss nicht mehr wettbewerbsrelevant sein könne. Dementsprechend wurden Handlungen nach Vertragsschluss auch nach der Reform 2004 auf Grundlage der bekannten Prämissen behandelt. Weiterhin wurde bei Maßnahmen, die auf die Durchführung, Beendigung und Rückabwicklung eines Vertrages gerichtet waren, der Marktbezug verneint, weil sie keinen Bezug zu den Mitbewerbern aufwiesen257. Der BGH knüpfte in der Entscheidung Irreführender Kontoauszug explizit an die vorherige Entscheidung Kontostandsauskunft an, indem er erneut betonte, dass nicht nur eine Vertragspflichtverletzung, sondern auch eine Wettbewerbshandlung vorliege, wenn eine Vielzahl von Kunden irregeführt und

252

Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 16. Vgl. oben 1. Kapitel, C., I., 2., c). 254 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 145 ff. 255 Baumbach/Hefermehl-Köhler, UWG, 23. Aufl., § 2, Rn. 22 ff.; vgl. auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 145. 256 Teils war man der Ansicht, es verbiete sich angesichts der Objektivierung der Unlauterkeit im Sinne des § 3 UWG 2004, für § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 noch eine Kombination aus objektivem und subjektivem Tatbestand zu fordern, wie dies zuvor der Fall war. Damit würde man einen wesentlichen Reformschritt des UWG 2004 missachten, nämlich die Aufgabe des Tatbestandsmerkmals eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs, so Fezer, WRP 2009, 1163 (1168); für ein rein objektives Verständnis auch Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 2, Rn. 20, 22 ff. 257 Siehe z. B. Baumbach/Hefermehl-Köhler, UWG, 23. Aufl., § 2, Rn. 53 ff.; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 2, Rn. 9, 36; vgl. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 20, m.w.N.; auch OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (83 f.) – Kundenreklamation. 253

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

dazu veranlasst würde, ihr Konto zu überziehen258. Er rückte die Fallkonstellation dadurch in die Nähe des Absatzwettbewerbs, dass er betonte, die beanstandete Handlung sei geeignet, neue Vertragspflichten zu begründen bzw. bestehende zu erweitern. Deswegen sei ein Marktbezug zu bejahen259. Bezug nehmend auf die vorgenannten Entscheidungen verlangte der BGH in der Entscheidung Änderung der Voreinstellung I ein bewusstes Vorgehen, um ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs annehmen zu können. Dagegen erfülle eine bloß versehentliche Vertragsverletzung nicht die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung260. Das OLG Jena zählte im Rahmen der Entscheidung Kundenreklamation die Behandlung von Reklamationen und Mängelrügen ausdrücklich zu den Maßnahmen der Vertragsabwicklung. Am erforderlichen Marktbezug fehle es deshalb, weil der Wettbewerb um den Kunden bereits beendet sei und vertragliche Pflichten begründet seien. Betroffen sei nur noch das nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Innenverhältnis der Vertragsparteien. Sodann führte das Gericht an, dass dies dann anders zu bewerten sein könne, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die auf die Erhaltung des eigenen Kundenstammes gerichtet sind261. Damit könnten Wettbewerbshandlungen auch solche Handlungen sein, die den Kunden vom Wechsel zu einem Konkurrenten abhalten sollen. Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung bzw. Fortsetzung (sowieso auch der Erweiterung) eines bestehenden Vertragsverhältnisses dienen, und die den Kunden in seiner Entscheidung, wie er seinen Bedarf abdeckt, beeinflussen, seien Wettbewerbshandlungen, insbesondere wenn ihnen ein planmäßiges, systematisches Vorgehen bei einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen zugrunde liege262. In diese Verknüpfung altbekannter Argumentationsmuster reiht sich auch ein weiteres, in diesem Zusammenhang für die Annahme einer Wettbewerbshandlung letztlich entscheidendes Argument ein. Unter Rückgriff auf einen bereits vom BGH in dessen Entscheidung Monatlicher Ratenzuschlag angestellten Gedanken sei bei Maßnahmen zur Vertragsabwicklung eine Wettbewerbshandlung ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn die die Durchführung des Vertragsverhältnisses betreffende Maßnahme inhaltlich so ausgestaltet sei, dass sie eine zusätzliche bzw. überschießende werbende Wirkung entfalte. Diese werbende Wirkung stellte das Gericht sodann explizit in den Zusammenhang marktbezogener Außenwirkung der Handlung, die in der Absicht der Absatzförderung vorgenommen worden sei263. 258

BGH GRUR 2007, 805 (806) – Irreführender Kontoauszug, mit Verweis auf BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft. 259 BGH GRUR 2007, 805 (806) – Irreführender Kontoauszug. 260 BGH MMR 2007, 704 (705 ff.) – Änderung der Voreinstellung I. 261 So OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (84) – Kundenreklamation, mit Verweis auf BGH GRUR 1970, 465 (467) – Prämixe. 262 OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (84) – Kundenreklamation, mit Verweis auf BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung sowie BGH GRUR 1986, 816 (818) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. 263 OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (84) – Kundenreklamation, mit Verweis auf BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag.

D. Änderungen durch die Reform von 2004

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Schließlich blieb die Rechtsprechung ihrer Linie auch bei der Entscheidung darüber treu, ob der Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften, wie etwa die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB, im Rahmen des (zum damaligen Zeitpunkt) in § 4 Nr. 11 UWG geregelten Rechtsbruchtatbestands zu berücksichtigen ist. Dies wurde durchaus unterschiedlich beurteilt264. Selbst soweit eine Anwendung des Rechtsbruchs bejaht wurde, blieb es indes bei den bekannten Prämissen. Das KG räumte etwa ein, der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 UWG sei (grundsätzlich) nicht eröffnet, wenn die Verbotsnorm nur den Schutz von Individualinteressen eines anderen Wettbewerbsteilnehmers bezwecke. § 308 BGB aber beziehe sich gerade nicht auf einen individualvertraglich ausgehandelten Inhalt, sondern erfasse übergreifend Bedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (§ 305 Abs. 1 BGB)265. Erneut ging es nicht um den Schutz des einzelnen Verbrauchers, sondern um einen „typisierten Interessenschutz der Marktgegenseite“266. Erneut sollte also der Schutz des einzelnen Verbrauchers nicht ausreichen; erforderlich war vielmehr eine gewisse Marktrelevanz. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die eigentliche Handlung bei der Verwendung unwirksamer AGB nicht nach Vertragsschluss erfolgt. Soweit es um die Wirkung geht, stellte darüber hinaus das OLG Hamburg ausdrücklich klar, dass nur solche AGB von § 4 Nr. 11 UWG erfasst sein sollten, die sich auf Entscheidungen der Verbraucher im Vorfeld des Vertragschlusses auswirken267. Insofern brachte die Reform von 2004 im Hinblick auf die Behandlung vertragsbezogener Verhaltensweisen nach Vertragsschluss weder legislativ noch judikativ Neues mit sich.

II. Versuche einer Erweiterung des Anwendungsbereichs Ohne sich bereits maßgeblich auf die UGP-Richtlinie vom 11. Mai 2005 zu stützen, gab es in der Literatur Ansätze, den Anwendungsbereich des UWG weiter zu fassen. So hatten etwa Leistner und Tiller zwar bereits die umzusetzende UGPRichtlinie vor Augen. Gleichwohl begründeten beide Autoren auf Grundlage des alten Rechts, warum das UWG auch auf Verhalten nach Vertragsschluss anzuwenden sein sollte.

264 265 266 267

Siehe dazu ausführlicher unten 2. Kapitel, A., I., 2. KG NJW 2007, 2266 (2267 f.). So KG NJW 2007, 2266 (2267 f.). OLG Hamburg NJW 2007, 2264 (2265).

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

1. Die teleologische Erweiterung bei Leistner Leistner geht bereits von einer „vollumfänglichen Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts nach Vertragsschluß“ aus268. Dem Vertragsschluss solle für die Frage nach dem Vorliegen einer Wettbewerbshandlung lediglich indizielle Bedeutung im Sinne eines ausnahmefähigen Grundsatzes zukommen269. Obwohl Leistner betont, dass auch die zuvor ergangene Rechtsprechung diese Haltung erkennen lasse, geht der von ihm vorgeschlagene Ansatz insofern über die Rechtsprechung hinaus, als es auf ein subjektives Kriterium im Rahmen eines planmäßigen Gesamtverhaltens nicht ankommen könne270. Im Grundsatz zutreffend sei der Ansatz von Sack, wonach die Verletzung einer Informationspflicht vor bzw. bei Vertragsschluss (unkorrekte oder fehlende Widerrufsbelehrung) lediglich eine nachvertragliche Rechtsfolge des UWG (Beseitigung des fortdauernden Störungszustandes) auslöse, nicht jedoch – als echte Ausnahme vom Grundsatz der Unanwendbarkeit nach Vertragsschluss – zur Unterlassung der gesamten Vertragsdurchführung als Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs führen könne271. Wie etwa die im Fernabsatz zum Teil erst bei Lieferung zu erfüllenden Informationspflichten zeigten, enthalte das BGB aufgrund europäischer Vorgaben nun aber auch nach Vertragsschluss Pflichten, die über das individuelle Vertragsverhältnis hinaus (mindestens auch) typisiert auf die Regelung des Marktverhaltens im Sinne auf den Massenverkehr ausgerichteter allgemeiner Verkehrssicherungspflichten zielen. Daher sei es nicht mehr geboten, eine lauterkeitsrechtliche Rechtsfolge – wie noch von Sack vertreten – kategorisch an den Parallelwettbewerb vor Vertragsschluss anzuknüpfen272. Stattdessen solle es darauf ankommen, ob auch innerhalb der Abwicklung der vertraglichen Beziehung über den natürlichen Antagonismus der Vertragsparteien hinausgehende, marktrelevante Störungszustände bestehen. Diese zu beseitigen bzw. deren Ausnutzung zu verhindern, sei Aufgabe des Lauterkeitsrechts273. Allein entscheidend für das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung solle also sein, inwieweit das unternehmerische Verhalten nach Vertragsschluss eine marktbezogene Außenwirkung aufweise274. 268 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 583, Fn. 53. Zur Frage, ob der hier vorgetragene Ansatz tatsächlich einen konsequenten Verbraucherschutz nach Vertragsschluss ermöglichte vgl. unten 1. Kapitel, D., II., 3. 269 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 583 ff.; zur Studie Leistners vgl. auch Glöckner, ZGE 2009, 488 ff. 270 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 583, anknüpfend an die Kritik von Sack, GRUR 2004, 625 (633). 271 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 583 f., mit Verweis auf Sack, BB 1987, 1048 (1051 f.). 272 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 584 f. 273 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 585, insofern wiederum in Anknüpfung an Sack, BB 1987, 1048 (1051 f.). 274 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 585.

D. Änderungen durch die Reform von 2004

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Die vorgenannte marktbezogene Außenwirkung sei gegeben, wenn sich die Maßnahme – etwa durch massenhaft-gleichartige unrichtige Wiedergabe höchstrichterlicher Rechtsprechung bezüglich des Bestehens einer Kündigungsmöglichkeit275 – unmittelbar auf die Erhaltung oder gar auf eine Erweiterung des Kundenstamms276 durch aktive Täuschung richte277. Ebenso sollen Verstöße gegen sämtliche vertriebsspezifische Informationspflichten erfasst sein, die der Sicherung eines Widerrufsrechts dienen278. Eine Wettbewerbshandlung solle selbst dann vorliegen, wenn – wie dies der Entscheidung Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen zugrunde lag – ein Vertragsverhältnis unter massenhaft-gleichartiger Täuschung der Kunden über die insoweit bestehenden rechtlichen Spielräume durch den Unternehmer lediglich rechtlich umgestaltet wird. Zwar lege der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und dessen Bezug auf den „Absatz- oder Bezugsförderungszweck“ durchaus nahe, dass die bisherige mitbewerberorientierte Rechtsprechung bestätigt werden sollte. Der gemäß § 1 UWG gleichberechtigte Verbraucherschutzzweck gebiete allerdings eine andere Bewertung. Die Veränderung bestehender Vertragspflichten (im Unterschied zur bloßen Erfüllung bzw. Durchsetzung solcher Pflichten) habe gerade Außenwirkung mit Bezug auf die Verbraucher in ihrer Eigenschaft als Marktteilnehmer insofern, als das im Konditionenwettbewerb gewählte Leistungspaket in seiner exakten Ausgestaltung verändert werde279. Schließlich führe die Anerkennung des Verbraucherschutzes als Interpretationsgrundlage dazu, dass sogar rein durchführungsbezogene Maßnahmen wie Erfüllung und Anspruchsverfolgung zumindest potentiell Marktaußenwirkung entwickeln können, auch wenn sie sich regelmäßig nur in der Sphäre des individuellen Vertrages bewegten280. In solchen Fällen komme eine ergänzende Anwendung des UWG dann in Betracht, wenn es das ordnungspolitische Gebot effektiver Rechtsdurchsetzung erfordere. Dies wiederum sei der Fall, wenn sich eklatant systemwidrige Durchsetzungslücken im Individualvertragsrecht offenbaren, die durch den Unternehmer in gleichartig-massenhafter Weise geschaffen oder genutzt werden. Dann nämlich liege der erforderliche (objektive) Marktbezug gerade in dieser wettbewerblichen Nutzung oder gar gezielten Schaffung einer strukturellen

275

Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 585, mit Verweis auf den Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Köln, VersR 1999, 985 ff., zugrunde lag. 276 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 585, mit Verweis auf BGH GRUR 1990, 609 (610 f.) – Monatlicher Ratenzuschlag sowie auf BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft. 277 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 585, mit Verweis auf BGH GRUR 1970, 465 (467) – Prämixe sowie auf BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. 278 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 585 f., mit Verweis auf BGH GRUR 1977, 498 (500) – Aussteuer-Sortimente. 279 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 586 f. 280 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 587 f.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

Durchsetzungslücke im Vertragsrecht; der Kunde sei dann in seiner Eigenschaft als Marktteilnehmer betroffen281. Diesem Ansatz nach ist im Ergebnis unternehmerisches Handeln zur Umgehung und Durchführung vertraglicher Pflichten zunächst weitgehend im Lauterkeitsrecht mit umfasst. Als Konsequenz sei die Abgrenzung zum Vertragsrecht, die gerade bei der Beurteilung vertragsbezogenen Handelns relevant wird, nicht tatbestandlich, sondern inhaltlich-wertend vorzunehmen. Dabei sei stets von einem Vorrang der Wertungen des Vertragsrechts für die Ausgestaltung des individuellen Vertragsverhältnisses auszugehen282. 2. Tillers Verzicht auf das Merkmal des Marktbezugs Auch Tiller war der Ansicht, dass der Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eine Beschränkung auf Handlungen zur Vorbereitung von Geschäftsabschlüssen nicht zu entnehmen sei283. Eine derartige Beschränkung gehe nicht zwangsläufig aus dem Ziel der Absatz- oder Bezugsförderung hervor. Entgegen der Rechtsprechung284 sei der Absatz allein mit dem Zustandekommen des Vertrages eben noch nicht getätigt und der Wettbewerb damit auch nicht beendet. Wirtschaftlich betrachtet trete der Absatzerfolg erst mit Zahlung bzw. Lieferung der Ware, also mit der tatsächlichen Realisierung des Absatzes ein. Zumal selbst die „Förderung“ des Absatzes schon rein begrifflich nicht nur Handlungen, die einen Erfolg herbeiführen, sondern vor allem auch solche Tätigkeiten erfasse, die darauf gerichtet sind, den eingetretenen Erfolg zu wahren und zu sichern. Insofern erfasse die Förderung des Absatzes ohne Weiteres auch Handlungen zur Vertragsabwicklung285. Darüber hinaus weise die Definition der Wettbewerbshandlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eine ausdrückliche Bezugnahme zum Wettbewerb nicht mehr auf286. Das Merkmal des Wettbewerbs- oder Marktbezugs, wie es für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs gefordert wurde und die Einschränkung des Anwendungsbereichs bewirkte, begegne erheblichen Bedenken. Zunächst erfordere die Wettbewerbs-

281

Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 587 f. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 588 f.; dazu später ausführlich 3. Kapitel, B., II. 283 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 144 ff. 284 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 145, verweist auf BGH GRUR 1986, 816 (818 f.) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. 285 Diese Argumentation sieht er bestätigt mit Hilfe eines Blicks in das Strafrecht, wo für die Annahme einer strafrechtlich relevanten Beihilfehandlung im Sinne des § 27 StGB eine die Haupttat irgendwie fördernde Handlung ausreiche, welche nach ganz herrschender Ansicht auch noch nach Vollendung der Haupttat vorgenommen werden könne, vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 146. 286 Lediglich die Bezeichnung „Wettbewerbshandlung“ als solche trage den Begriff noch in sich, vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 146. 282

D. Änderungen durch die Reform von 2004

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handlung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nun gerade kein Wettbewerbsverhältnis mehr287. Zudem sei es nicht nur inhaltlich unbestimmt, sondern führe zu dogmatischen Ungereimtheiten und Wertungswidersprüchen288. Unbestimmt bleibe das Merkmal des Marktbezugs insofern, als sich nicht klar benennen lasse, ob es eine Handlung in einer Situation des Wettbewerbs bzw. einer Marktsituation oder eine Auswirkung der Handlung auf die Marktverhältnisse, d. h. den Wettbewerb voraussetzt289. Überzeugen könne indes keine der beiden Alternativen. Forderte man, dass die konkrete Handlung in einer Situation des Wettbewerbs vorgenommen wird, so liefe dies erneut auf die Voraussetzung eines zumindest potentiellen Wettbewerbsverhältnisses hinaus. Soweit man eine Eignung der Handlung, sich auf das Marktgeschehen und die Marktbeteiligten auszuwirken, voraussetzen wolle, sei daraus eine Beschränkung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs auf Handlungen vor Vertragsschluss nicht ableitbar. Es spiele gerade keine Rolle, ob das Verhalten vor oder nach Vertragsschluss erfolge. Entscheidend sei vielmehr – anknüpfend an bisherige in der Rechtsprechung verwendete Argumentationsmuster – die Frage, ob die Handlung der Gewinnung neuer Kunden, dem Erhalt des bestehenden Kundenstammes, der Fortsetzung oder Erweiterung bestehender Verträge oder dem Abschluss neuer Geschäfte diene290. Dogmatische Ungereimtheiten ergäben sich mit Blick auf die vom BGH und der herrschenden Meinung ganz selbstverständlich angenommene Wettbewerbshandlung bei Verletzung der Belehrungspflicht des (damaligen) § 355 Abs. 2 S. 1 BGB291. Die gesetzlich angeordnete Belehrungspflicht betreffe allein die Abwicklung des geschlossenen Vertrages und damit letztlich nur das Binnenverhältnis der kontrahierenden Parteien292. Doch nicht nur hinsichtlich der Wirkung einer Verhaltensweise halte sich die herrschende Ansicht nicht an ihre eigenen Prämissen. So treffe § 355 Abs. 2 S. 1 BGB gar keine Aussage, wann die Widerrufsbelehrung zu erteilen ist. Zumindest im Anwendungsbereich des (damaligen) § 312 Abs. 1 BGB dürfte die Belehrung aber erst nach oder frühestens zeitgleich mit der Abgabe der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erfolgen293. Damit 287

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 148. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 148 ff. 289 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 148 f., m.w.N. 290 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 149, führt hier auch die Entscheidungen BGH GRUR 2002, 1093 f. – Kontostandsauskunft und BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung an. 291 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 150 f., m.w.N. 292 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 151. 293 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 151 f., nimmt an dieser Stelle Bezug auf BGH GRUR 2002, 1085 (1087) – Belehrungszusatz: „[…] Allerdings enthält § 355 BGB ebenso wenig wie § 2 HWiG a.F. eine ausdrückliche Bestimmung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung zu erteilen ist. Dem mit der Einräumung eines Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften bezweckten Schutz des Verbrauchers widerspricht es jedoch, dass seine gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das ihm zustehende Recht zum Widerruf seiner auf 288

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

schreibe das Gesetz aus der Perspektive der herrschenden Lehre die Vornahme einer Handlung in einem Zeitpunkt vor, in dem der kritische Punkt des Übergangs vom Lauterkeits- zum Vertragsrecht schon überschritten sei294. Schließlich fördere eine nähere Betrachtung der Entscheidung Aussteuer-Sortimente des BGH Wertungswidersprüche zu Tage295. Die Klägerin beanstandete hier die von einem Vertreter nach Vertragsschluss gemachte Behauptung, es bestehe kein Widerrufsrecht. Dagegen stellten die Instanzgerichte ebenso wie auch der BGH auf die Wettbewerbswidrigkeit der Erklärung bei Vertragsverhandlungen ab, ein solches Widerrufsrecht bestehe nicht296. Nach den Ausführungen des Gerichts soll eine solche Erklärung deshalb zu Zwecken des Wettbewerbs abgegeben werden, weil sie – ihrer Absicht nach – den Käufer von der Ausübung des Widerrufsrechts abhalten soll297. Tiller weist darauf hin, dass der herrschenden Meinung folgend der Marktbezug auch im Falle eines Handelns vor Vertragsschluss zweifelhaft gewesen sein dürfte, weil die Behauptung lediglich Umstände der späteren Vertragsabwicklung betreffe. Nicht überzeugend zu begründen sei, warum dieselbe Behauptung nach Vertragsschluss anders zu beurteilen sei als diejenige vor Vertragsschluss. Wollte man unbedingt am Merkmal des Marktbezugs festhalten, so sei dies inhaltlich weiter zu fassen in dem Sinn, dass der zum Vertragsschluss spiegelbildlichen Entscheidung über ein – wirtschaftlich verstandenes – Lösungsrecht, mit deren Ausübung es zu einem Wiederaufleben der erloschenen Marktsituation käme, dieselbe Marktrelevanz zuzugestehen ist wie dem Vertragsschluss. Damit verwies er auf einen Gedanken, der schon zur alten Rechtslage sowohl in Rechtsprechung als auch Literatur herangezogen wurde298. den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung bereits vor deren Abgabe erteilt wird. Die Belehrung soll dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen führen. Dieses Ziel wird aber nur dann erreicht, wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung bezieht. Das setzt voraus, dass der Verbraucher eine solche Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung steht ihm eine Entscheidungsfreiheit zu, die durch die Gewährung einer nachträglichen Überlegungsfrist wiederhergestellt werden soll […]“; auch Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 82 f., weist auf die Möglichkeit der Nachbelehrung mit der Folge eines einmonatigen Widerrufsrechts gemäß des damaligen § 355 Abs. 2 S. 2 BGB hin. 294 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 150 ff. 295 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 152 ff. 296 Vgl. insofern nur den Leitsatz der Entscheidung, BGH GRUR 1977, 498 (498) – Aussteuer-Sortimente. 297 BGH GRUR 1977, 498 (500) – Aussteuer-Sortimente. 298 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 154, mit Verweis auf BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen; BGH GRUR 1993, 126 (127) – Folgeverträge („Erhaltung des Kundestamms“); BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung („Erhaltung des bisherigen Kundenstamms“); BGH GRUR 1992, 707 (708) – Erdgassteuer („Erhaltung des bisherigen Kundenstamms“); BGH GRUR 1970, 465 (467) – Prämixe; zur Literatur siehe Büchler, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs und Wettbewerbsverhältnis im UWG, 88 f.; vgl. auch bereits 1. Kapitel, C., II.

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Im Ergebnis schlägt Tiller den Verzicht auf das vage Kriterium der Marktbezogenheit bzw. der Wettbewerbsrelevanz299 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vor300. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG sei nicht geeignet, eine sachgerechte Abgrenzung zum Vertragsrecht zu leisten. Stattdessen sei es auf der Grundlage der Schutzzweckbestimmung des § 1 UWG aus Verbraucherschutzgesichtspunkten sowie mittelbar auch mit Blick auf den Konkurrentenschutz (Wiedereintritt in den Markt, Eröffnung einer neuen Absatzchance) geboten, den Anwendungsbereich des UWG auch nach Vertragsschluss uneingeschränkt zu eröffnen301. Wertungskonflikte mit dem Vertragsrecht seien im Rahmen der nachgelagerten Unlauterkeitsprüfung zu lösen302. 3. Würdigung Kurz gefasst war für Leistner auch nach Vertragsschluss allein entscheidend, inwieweit das unternehmerische Verhalten eine (rein objektiv) marktbezogene Außenwirkung aufweist. Tiller wollte auf das Merkmal des Marktbezugs sogar ganz verzichten. Auch wenn damit die zeitliche Beschränkung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs offenbar aufgegeben wird, stellt sich doch die Frage, inwieweit die beiden Ansätze tatsächlich Verhaltensweisen nach Vertragsschluss einbeziehen, die unmittelbar und vorwiegend (oder gar ausschließlich) den Schutz des Verbrauchers betreffen. Nur wenn auch solche Verhaltensweisen erfasst sind, kann von einem konsequenten lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz nach Vertragsschluss die Rede sein. Für die Annahme einer Wettbewerbshandlung auch innerhalb der Abwicklung der vertraglichen Beziehung sollte nach Leistner ein über den natürlichen Antagonismus der Vertragsparteien hinausgehender, marktrelevanter Störungszustand erforderlich sein. Das UWG sollte demnach nur eingreifen, wenn das unternehmerische Verhalten nach Vertragsschluss eine marktbezogene Außenwirkung aufweist. Zur Begründung dieses Marktbezugs zog Leistner jedoch Erwägungen heran, die nicht vorwiegend verbraucherschützenden Charakter haben. Insofern finden sich zum einen die bekannten Argumentationsmuster der Rechtsprechung (Erhaltung oder gar Erweiterung des Kundenstamms, Veränderung bestehender Vertragspflichten) wieder, deren konkurrentenschützende Ausrichtung bereits ausführlich beleuchtet wurde303. Zum anderen wird dies besonders deutlich anhand der Ausführungen zur bloßen Erfüllung bzw. Durchsetzung vertraglicher Pflichten. Diese sei zumindest regelmäßig keine Wettbewerbshandlung. Sie könne aber dann eine solche sein, d. h. dann Marktbezug aufweisen, wenn der Unternehmer dabei gleichartig-massenhaft Durchsetzungslü-

299 300 301 302 303

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 149 f. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 155 ff. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 156. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 157; vgl. dazu später 3. Kapitel, B., III. Siehe oben 1. Kapitel, C., II., 3.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

cken des Individualvertragsrechts schafft oder ausnutzt304. Wie bereits festgestellt wurde, kann von einem wirklich gleichwertigen Verbraucherschutz nur dann die Rede sein, wenn das UWG auch in Situationen Anwendung findet, in denen ein Konkurrent nicht betroffen ist. Dies ist indes gerade nicht der Fall, wenn die Anwendbarkeit des UWG erst aus einem „massenhaft-gleichartigen“ Vorgehen folgen soll. Der Verbraucher selbst ist auch schon bei einer nur vereinzelten Täuschung betroffen. Erfolgen solche Täuschungen aber massenhaft, dann verschafft sich der Unternehmer damit einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern. Dann wiederum steht aus Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht das (individuell nachvertragliche) Verbraucherinteresse als solches im Fokus. Stattdessen geht es dann um einen lediglich reflexartigen Schutz des Verbrauchers als demjenigen Marktteilnehmer, der den Wettbewerb unter Unternehmern entscheidet. Verbraucherschutz kann auf dieser Grundlage immer nur zusammen mit gleichzeitigem Konkurrentenschutz gewährleistet werden. Beispielsweise im Zusammenhang mit der Würdigung der Entscheidungen Ausschank unter Eichstrich und der hier betrachteten Schlechterfüllung betont Leistner die Bedeutung deren massenhafter Ausbreitung im Rahmen einer Vielzahl von Verträgen. Nur wenn der Schlechterfüllung nachweislich eine solche Tendenz innewohne und nur wenn ein Unternehmer das sich aus dem Bagatellcharakter der entstandenen Kundenansprüche ergebende praktische Durchsetzungsproblem massenhaft nutze, um in wettbewerbsrelevanter Weise einen Vorsprung zu erzielen, komme ein Eingreifen des Lauterkeitsrechts in die etablierten Individualvertragsbeziehungen in Betracht305. Die lauterkeitsrechtliche Relevanz folgt demnach gerade aus der Relevanz für Konkurrenten (Vorsprungsgedanke). Diese Begründung gilt unabhängig davon, ob die Handlung innerhalb eines Vertragsverhältnisses oder vor Vertragsschluss erfolgt, weshalb der Ansatz überzeugend zu begründen vermag, warum das UWG auch nach Vertragsschluss anwendbar ist. Er löst sich aber nicht vollständig von der Perspektive des Wettbewerbs unter Konkurrenten und lässt jedenfalls eine Betroffenheit des einzelnen Verbrauchers abseits von Wettbewerbssituationen nicht ausreichen. Sehr viel weiter reicht der Ansatz Tillers. Der vollständige Verzicht auf einen Markt- im Sinne eines Wettbewerbsbezugs stellt in der Tat eine beachtliche Erweiterung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs dar. Die hier vorgebrachte Kritik an der zeitlichen Beschränkung der bisherigen herrschenden Meinung überzeugt. Sie leitet sich indes daraus, dass auch nach Vertragsschluss Wettbewerb stattfindet, und damit aus einem Umstand ab, der sich wiederum in den Zusammenhang des Konkurrentenschutzes stellen lässt. In diesem Sinne betont Tiller, dass es nach Vertragsschluss entscheidend sei, ob die Handlung der Gewinnung neuer Kunden, dem Erhalt des bestehenden Kundenstammes, der Fortsetzung oder Erweiterung bestehender Verträge oder dem Abschluss neuer Geschäfte diene. Insbesondere knüpft er an den bekannten Gedanken des Wiedereintritts in den Wett304 305

Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 587 f. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 1050.

D. Änderungen durch die Reform von 2004

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bewerb an und sieht sogar die Minderung vor diesem Hintergrund deshalb erfasst, weil diese im Rahmen der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung zu einer teilweisen Lösung vom Vertrag führe306. Damit wird letztlich aber nur der Gedanke des Wiedereintritts in den Markt (und in den Wettbewerb) in der Art besonders weit gefasst, dass – ähnlich dem Ansatz Knöpfles307 – bereits das Freiwerden eines Teils der Kaufkraft neuen Wettbewerb begründet. Auch dieses Argument haftet folglich am Erfordernis der Wettbewerbssituation. Ungeachtet dessen, mit welchen Argumenten Tiller den Verzicht auf das Merkmal des Marktbezugs herleitete, führte sein Ansatz freilich im Ergebnis dazu, dass ganz konsequent auch solche Verhaltensweisen nach Vertragsschluss dem Anwendungsbereich des UWG unterfallen, die allein das Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher betreffen. Dementsprechend zog Tiller selbst das Fazit, dass die eigenständige Bedeutung der Wettbewerbshandlung (nur) in der Abgrenzung zu rein privatem sowie zu bloß betriebsinternem Verhalten bestehe308. Dieses Verständnis der Wettbewerbshandlung steht jedoch demjenigen von Knöpfle sowie Büchler nahe und sieht sich daher ähnlichen Einwänden ausgesetzt309. Die Rechtsprechung hat die zuvor entwickelten Kriterien eines „Handelns im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“ auch nach der Reform 2004 übernommen. Zumindest hinsichtlich der Übernahme des objektiven Kriteriums, aus dem der Markt- bzw. Wettbewerbsbezug hergeleitet wurde, bestand auch weitgehend Einigkeit. Ließe man dagegen jedes Tätigwerden nach außen bereits ausreichen, dann wäre jedes Handeln im geschäftlichen Verkehr bereits Wettbewerbshandlung. Zwar ist es richtig, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F., d. h. die dortige Definition, eine ausdrückliche Bezugnahme zum Wettbewerb nicht mehr enthielt. Gleichwohl sprach das Gesetz eben nach wie vor von einer Wettbewerbshandlung310. Einzugestehen ist, dass, an der Legaldefinition orientiert311, ein Verzicht auf jedes objektive Wettbewerbserfordernis durchaus denkbar erscheint. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber von diesem über viele Jahre hinweg gefestigten Merkmal in dieser Konsequenz abrücken wollte. Daran ändert auch nicht etwa der von Tiller angeführte Umstand312 etwas, dass nach der Gesetzesbegründung ein konkretes Wettbewerbsverhältnis nicht mehr erforderlich sein sollte. Laut der Gesetzesbegründung sollte eben nur kein konkretes Wettbewerbsverhältnis mehr erforderlich sein313. Der Gesetzgeber griff damit zum einen eine Ansicht auf, die sich im Anschluss an die Regelung der Verbandsklagebefugnis ohnehin herausgebildet 306 307 308 309 310 311 312 313

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 155. Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 2., c). Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 157. Vgl. oben 1. Kapitel, C., I., 2., c). Darauf weist auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 146, Fn. 692, selbst hin. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 146, Fn. 692, zufolge komme es auf diese an. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 148. Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 16.

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1. Kap.: Der mittelbar vorvertragliche lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz

hatte314. Zum anderen wollte er – worauf die Gesetzesbegründung explizit hinweist – damit Handlungen eines Monopolunternehmens dem Lauterkeitsrecht unterstellen. Offensichtlich war damit jedoch nicht bezweckt, keinerlei (zumindest potentielle) Wettbewerbssituation mehr vorauszusetzen und jegliches nach außen tretende Verhalten dem Lauterkeitsrecht zu unterwerfen. So weist die Gesetzesbegründung etwa darauf hin, dass wettbewerbliches Handeln nicht nur die eigene Absatzförderung, sondern auch das Handeln von Personen umfasse, die den Wettbewerb eines fremden Unternehmens fördern wollen315. Auch wenn – wie sich noch zeigen wird – der Ansatz daher im Hinblick auf die UGP-Richtlinie bereits sehr modern erschien, war er ohne richtlinienkonforme Auslegung nur schwer mit dem alten Recht in Einklang zu bringen.

E. Zusammenfassung Ziel dieses ersten Kapitels war es, herauszuarbeiten, wie sich der Verbraucherschutz nach Vertragsschluss im UWG bisher darstellte. Um zu verstehen, warum das Lauterkeitsrecht nach ganz herrschender Auffassung nach Vertragsschluss im einzelnen Vertragsverhältnis nicht anwendbar war, wurde am Anfang aufgezeigt, wie Lauterkeits- und Vertragsrecht zueinander in Bezug gesetzt wurden. Dabei hat sich als allen Abgrenzungsversuchen gemeinsam herausgestellt, dass mit Abschluss des Vertrages und damit verbundenem Eintritt in die individuelle Vertragsbeziehung zwischen Unternehmer und Verbraucher ein Wettbewerb um den Kunden nicht mehr stattfinden könne. Der Vertragsschluss stelle mithin den zeitlichen Übergang von Lauterkeits- zu Vertragsrecht dar. Diese Grenze ist bereits im Begriff des Wettbewerbs an sich angelegt, der sich auf den Wettlauf unter Konkurrenten um die Gunst des Kunden bezieht. Nach Vertragsschluss im Rahmen des individuellen Vertragsverhältnisses findet ein solcher Wettlauf nicht mehr oder allenfalls noch mittelbar statt. Dementsprechend ließ sich die Beschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs tatbestandlich im Merkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs verankern. Nachdem der Verbraucher im UWG anfangs allenfalls reflexartig geschützt wurde, zeichnete sich zwar eine Entwicklung ab, die – als sog. sozialrechtliches Verständnis beschrieben – den Verbraucherschutzgedanken verstärkt in das Lauterkeitsrecht einführte. Gleichwohl wurde dieser neue Schutzzweck immer wieder lediglich als neues und zusätzliches Argument aus der eigentlich konkurrentenschützenden Perspektive in die bestehenden Argumentationsstrukturen integriert. Gerade anhand der Behandlung von Verhaltensweisen nach Vertragsschluss ließ sich veranschaulichen, wie ausschließlich oder zumindest vorwiegend verbraucherrelevante Handlungen nicht allein aus verbraucherschutzrechtlichen Gründen als 314 315

Vgl. oben 1. Kapitel, C., I., 2., c). Vgl. oben 1. Kapitel, C., I., 2., c).

E. Zusammenfassung

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Wettbewerbshandlung angesehen wurden. Erst wenn ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorlag, konnte sich der Verbraucherschutz bei der Bewertung dieser Wettbewerbshandlung entfalten. Das maßgebliche Merkmal eines objektiven Marktbzw. Wettbewerbsbezugs, der sich in der Außenwirkung im Wettbewerb unter Konkurrenten äußern sollte, wurde auch nach der Reform 2004 weitgehend übernommen. Handlungen nach Vertragsschluss fehlte ein solcher Wettbewerbsbezug, weshalb sie weiterhin nach ganz herrschender Meinung vom Anwendungsbereich des UWG ausgenommen waren. Soweit die zeitliche Grenze weniger strikt gehandhabt wurde, wich man weitgehend auf den Mitbewerberschutz aus. Als solche bezeichnete Ausnahmen vom Grundsatz der Unanwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss beleuchteten in Wahrheit gerade nicht mehr das Verhältnis des Unternehmers zum einzelnen Verbraucher innerhalb des bestehenden Vertragsverhältnisses. Selbst diejenigen Ansätze in der Literatur, die den Anwendungsbereich des UWG konsequent auf Handlungen nach Vertragsschluss ausweiten wollten, erfassten nachvertragliche Verhaltensweisen jedenfalls nicht konsequent aus der Perspektive eines unmittelbaren Verbraucherschutzes. Soweit dies doch der Fall war, war dies mit dem nach wie vor prägenden Begriff der „Wettbewerbshandlung“ nur schwer in Einklang bringen. Im Ergebnis war ein unmittelbarer und völlig eigenständiger Verbraucherschutz nach Vertragsschluss auch unter dem UWG 2004 nicht vorgesehen.

2. Kapitel

Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB Im UWG nach der Novelle 2008 erstreckt sich die „geschäftliche Handlung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch auf Verhaltensweisen nach Vertragsschluss bei der Durchführung des Vertrages. Damit überschreitet das Lauterkeitsrecht nun bereits normtextlich die zeitliche Grenze, wie sie bisher zwischen Lauterkeits- und Vertragsrecht gezogen wurde. Diese durch die UGP-Richtlinie veranlasste Erweiterung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs und deren Auswirkungen auf das Verhältnis von UWG und BGB (gerade im Zeitraum nach Vertragsschluss) werden im Folgenden untersucht. Doch bereits vor Umsetzung der UGP-Richtlinie gab es – vorwiegend unionsrechtlich veranlasste – Entwicklungen, die die im ersten Kapitel dargestellten Abgrenzungskriterien in Frage stellen könnten. In diesem zweiten Kapitel sollen daher zunächst die Entwicklungen bis zur Umsetzung der UGP-Richtlinie erörtert werden. Dabei wird sich zeigen, dass UWG und BGB schon bisher nicht völlig zusammenhangslos nebeneinander standen (A.). Sodann soll der Einfluss der UGP-Richtlinie auf die Reichweite des UWG untersucht sowie generell der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich nun im UWG Regelungen eher vertragsrechtlicher Natur finden (B.). Schließlich ist zu klären, ob sich die bisherigen (kategorischen) Abgrenzungskriterien angesichts der zuvor dargestellten Entwicklungen aufrechterhalten lassen (C.).

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie Schon vor Umsetzung der UGP-Richtlinie gab es (potentielle) Berührungspunkte zwischen UWG und BGB. Zum einen ging es dabei um die Sanktionierung eines Normverstoßes aus dem jeweils anderen Rechtsgebiet im Rahmen von Rezeptionsnormen. Zum anderen hat der Gesetzgeber Wertungen insbesondere in das BGB integriert, die traditionell eher dem Lauterkeitsrecht zuzuordnen waren.

I. Rezeption „fremder“ Normen Die Rezeption „fremder“ Normen wurde und wird sowohl für das BGB als auch für das UWG diskutiert. Die Diskussion betrifft insbesondere die Frage nach den

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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Auswirkungen eines UWG-Verstoßes auf die Wirksamkeit des Vertrags (§§ 134, 138 Abs. 1 BGB) einerseits sowie diejenige der Anknüpfung lauterkeitsrechtlicher Sanktionen an den Verstoß gegen eine BGB-Norm im Rahmen des seit 2004 kodifizierten Rechtsbruchtatbestandes (§ 4 Nr. 11 UWG; seit der neuerlichen Reform 2015 § 3a UWG) andererseits. Diese Rezeption von Normen des jeweils anderen Regelungskomplexes ist für die vorliegende Untersuchung in zweierlei Hinsicht von Relevanz. Zum einen ist etwa die Rezeption von BGB-Vorschriften, die die Vertragsabwicklung betreffen, insofern von Bedeutung, als damit – wie bereits dargestellt1 – die nach bisheriger Rechtslage allgemein angenommene zeitliche Beschränkung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs ausgehebelt wurde. Zum anderen lässt die Anwendung der jeweiligen Rezeptionsnormen einen Rückschluss auf das generelle Verhältnis von BGB und UWG zu. Würden sowohl das UWG als auch das BGB an dasselbe Verhalten anknüpfen, dann würde dies eine Abgrenzung beider Regelungsbereiche erheblich erschweren. 1. Rezeption lauterkeitsrechtlicher Normen im BGB Die direkte Rezeption lauterkeitsrechtlicher Normen bzw. der dahinter steckenden Wertungen wurde (und wird) zum einen intensiv im Zusammenhang mit der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts diskutiert, das gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB verstößt bzw. sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist. Kontrovers wurde zum anderen auch die Frage diskutiert, ob UWG-Normen Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB2 sind. Jeweils geht es um eine bürgerlich-rechtliche Folge eines vorvertraglichen UWG-Verstoßes und damit um eine unmittelbare Verknüpfung beider Rechtsgebiete. Würde etwa allein ein Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Normen die Wirksamkeit des Vertrages beeinflussen, so wäre von völlig identischen Anknüpfungspunkten und Maßstäben auszugehen. a) Die Nichtigkeitsfolge der §§ 134 und 138 BGB Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. § 138 Abs. 1 BGB erklärt ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, für nichtig. Beide Normen stellen jeweils ein potentielles Einfallstor für Wertungen auch des Lauterkeitsrechts dar. So könnte die Verletzung einer UWG-Norm unter Umständen den von § 134 BGB geforderten Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot darstellen. Auch könnte ein UWG-Verstoß zugleich sittenwidrig im Sinne des § 138 1

Siehe oben 1. Kapitel, C., II., 1., f). Damit ist nicht mehr das Verhältnis des UWG zum rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz, sondern vielmehr zum bürgerlichrechtlichen Deliktsrecht betroffen. Ein Bezug zum geschlossenen Vertrag ergibt sich jedoch insofern, als ein UWG-Verstoß in der Vertragsanbahnung einen Anspruch auf Vertragsauflösung im Sinne der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB nach sich ziehen könnte. 2

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Abs. 1 BGB sein, zumal ja selbst das UWG bis zur Reform 2004 noch in der Generalklausel auf die guten Sitten verwies. Die ständige Rechtsprechung und ganz herrschende Lehre wendet indes auf die sog. Folgeverträge, die unter Verletzung des Lauterkeitsrechts zustande gekommen sind, nicht die Nichtigkeitsfolge als schärfste Sanktion des Vertragsrechts an, solange nicht ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen3. b) UWG-Normen als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB Während z. B. in Österreich der OGH dem einzelnen Verbraucher einen individuellen Schadensersatzanspruch sogar aus dem öUWG eingeräumt hat4, gingen und gehen in Deutschland Rechtsprechung und Literatur verbreitet davon aus, dass die Normen des UWG keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind5. Zur Begründung wird in erster Linie auf den abschließenden Charakter der §§ 8 ff. UWG verwiesen, wie er in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt. Etwas anderes gelte lediglich für die Strafvorschriften der §§ 16 ff. UWG, da insofern eben keine erschöpfende Regelung der zivilrechtlichen Rechtsfolgen erfolgt sei6. Die Gesetzesbegründung erklärt den Verzicht auf individuelle Ansprüche des Verbrauchers damit, dass solche einen wirtschaftlichen Standortnachteil nach sich ziehen würden, weil der Unternehmer bei Beibehaltung des materiellen Schutzniveaus jederzeit mit einer Vielzahl von Klagen von Verbrauchern wegen eines (angeblichen) Verstoßes gegen das UWG rechnen müsste7. 2. Berücksichtigung rechtsgeschäftlich verbraucherschützender Normen im UWG Die Fallgruppe des – seit 2004 kodifizierten – Rechtsbruchs8 öffnet das Lauterkeitsrecht für Normen anderer Regelungszusammenhänge. Die Mehrzahl der rezi3 Vgl. BGH GRUR 1990, 522 (528) – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH GRUR 1998, 945 (946) – Co-Verlagsvereinbarung; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67 f.; Köhler, GRUR 2003, 265 (267); Sack, Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, 6 ff.; ders., GRUR 2004, 625 (627); Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 527 ff.; a.A. Reich, JZ 1975, 550 (553). 4 ÖOGH WRP 1998, 789 (790) – 1. Hauptpreis; vgl. Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 241 f. 5 BGH GRUR 1975, 150 (150) – Prüfzeichen; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 62, 68; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, Einl, Rn. 7.5; Schmidt, JZ 2007, 78 (82 f.); zur a.A. siehe unten 2. Kapitel, A., I., 3., a), bb). 6 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 22; vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 62; Köhler/ Bornkamm/Feddersen, UWG, Einl, Rn. 7.5. 7 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 22. 8 Zum Rechtsbruchtatbestand ausführlich Dettmar, Unlauterer Wettbewerb durch Rechtsbruch nach Maßgabe des § 4 Nr. 11 UWG n.F. (2007); v. Walter, Rechtsbruch als un-

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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pierten Normen entstammt dem Verwaltungsrecht9. Gleichwohl wurden und werden auf diesem Weg auch einige verbraucherschützende zivilrechtliche Vorschriften im Lauterkeitsrecht berücksichtigt. Die Handhabung des Rechtsbruchtatbestandes ist insofern für die lauterkeitsrechtliche Behandlung von Verhaltensweisen nach Vertragsschluss unmittelbar relevant, als es teils um BGB-Normen geht, die eben diesen zeitlichen Bereich betreffen. Wie bereits dargestellt, wurden gerade auch die Abwicklung des Vertrags betreffende Normen rezipiert10. Neben den von der Rechtsprechung insofern betrachteten §§ 651a Abs. 4 und 651k Abs. 4 BGB a.F. wurden insbesondere auch die verbraucherschützenden Informationspflichten, beispielsweise im Fernabsatz, über den Rechtsbruchtatbestand im UWG berücksichtigt11. Dass auch damit die Problematik „UWG nach Vertragsschluss“ angesprochen und bereits eine Durchbrechung der traditionellen zeitlichen Grenze verbunden sein kann, hat schon Tiller herausgearbeitet. So betrifft etwa die Widerrufsbelehrung nicht nur die Vertragsabwicklung, die Pflicht zur Belehrung über ein Widerrufsrecht kann sogar tatsächlich auch nach Vertragsschluss bestehen12. Sehr umstritten ist seit längerem, inwiefern die Vorschriften zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) Marktverhaltensregelungen im Sinne des Rechtsbruchtatbestandes sind13. Zumindest in ihren Auswirkungen betreffen auch AGB den nachvertraglichen Bereich, wie beispielsweise ein gemäß den §§ 307 ff. BGB unwirksamer Gewährleistungsausschluss zeigt. 3. Würdigung a) UWG-Verstöße im BGB aa) Die bürgerlich-rechtliche Nichtigkeitsanordnung Die herrschende Lehre verdient Zustimmung. Ein Gleichlauf bürgerlich-rechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Konsequenzen, anknüpfend an dasselbe Verhalten, ist und war schon nach bisherigem Recht abzulehnen. Dagegen spricht entscheidend der grundlegende Unterschied in Anknüpfungspunkt und Methode im Vergleich zwischen BGB und UWG. Während einerseits das UWG die Art und Weise des Zustandekommens von Verträgen betrifft, ist andererseits nach den §§ 134 und lauteres Marktverhalten (2007); Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht (2008); FreyGruber, Der Rechtsbruchtatbestand im UWG (2010). 9 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 9. 10 Siehe 1. Kapitel, C., II., 1., f). 11 BGH GRUR 2007, 159 (161) – Anbieterkennzeichnung im Internet; Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, § 3a, Rn. 1.295 ff.; Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 75 ff. 12 Siehe oben 1. Kapitel, D., II., 2. 13 Vgl. zum Streit etwa Armgardt, WRP 2009, 122 ff.; Lotz/Klickermann, WRP 2013, 1570 (1571). Zu den Entscheidungen BGH GRUR 2010, 1117 ff. – Gewährleistungsausschluss im Internet, und BGH GRUR 2012, 949 (953) – Missbräuchliche Vertragsstrafe, siehe unten 3. Kapitel, C., II., 2., c), cc).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

138 BGB nicht ein bestimmtes geschäftliches Verhalten zu beurteilen, sondern der Inhalt des Vertrags14. Grammatikalisch kommt dies bereits darin zum Ausdruck, dass sowohl § 134 als auch § 138 BGB ein Rechtsgeschäft für nichtig erklären15. Nur ein vermeintliches Gegenargument lieferte bis zum Jahre 2004 der Wortlaut des § 1 UWG a.F., der explizit von der „Sittenwidrigkeit“ sprach. Zum einen verschwand dieses Merkmal im Zuge der UWG-Reform, zum anderen wurde der Begriff bereits zuvor nicht mit seinem Pendant in § 138 Abs. 1 BGB gleichgesetzt16. Einer in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel zufolge ist ein Rechtsgeschäft nach § 138 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmendem Gesamtcharakter gegen die guten Sitten verstößt17. Damit in Einklang können die Umstände in Ausnahmefällen dann zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führen, wenn sie einem auf den ersten Blick indifferenten Inhalt ein sittenwidriges Gesamtgepräge verleihen18. Das bedeutet allerdings nicht, dass allein die Umstände des Zustandekommens für eine Anwendung der Vorschrift ausreichen. Vielmehr ist damit lediglich berücksichtigt, dass sich die Sittenwidrigkeit des Inhalts eines Rechtsgeschäfts nicht nur aus dem objektiven Inhalt als solchem, sondern auch aus den Begleitumständen, insbesondere aus dem Zweck und den Beweggründen, ergeben kann19. Das vorangegangene Verhalten beurteilt § 138 BGB zumindest nicht „originär“20. Im Rahmen des § 138 Abs. 2 BGB wird zwar sogar explizit an rechtlich zu missbilligendes Verhalten beim Zustandebringen von Verträgen angeknüpft. Gleichwohl dienen auch die dort genannten Kriterien (Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche) lediglich der Feststellung, ob der durch ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnete Inhalt eines Vertrages rechtlichen Bestand hat oder zu missbilligen ist. Der Sache nach geht es also auch hier um den Inhalt des Rechtsgeschäfts21. 14 Vgl. hierzu Sack, Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, 6 ff.; ders., GRUR 2004, 625 (626 f.); vgl. auch Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67 f.; Traub, GRUR 1980, 673 (677); Ahrens, FS Loewenheim, 407 (412); GK-Schünemann, UWG, Einl G, Rn. 150 ff.; BGH GRUR 1990, 522 (528) – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz. 15 So ausdrücklich für § 134 BGB Staudinger-Sack/Seibl, BGB, § 134, Rn. 5. 16 BGH GRUR 1990, 522 (528) – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH GRUR 1998, 945 (946) – Co-Verlagsvereinbarung; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67a; Ahrens, FS Loewenheim, 407 (412); anders dagegen noch AG Trier, NJW 1972, 160 (160), wo auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung und der daher erforderlichen übereinstimmenden Auslegung des Merkmals der Sittenwidrigkeit hingewiesen wird. 17 BGH NJW 1961, 822 (822); BGH NJW 2008, 2026 (2027); Staudinger-Sack/Fischinger, BGB, § 138, Rn. 10, m.w.N. 18 RGZ 150, 1 (5); BGH NJW 1970, 1273 (1273 ff.); BGH NJW 2003, 3692 (3693); Ohly/ Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67a; Sack, GRUR 2004, 625 (627). 19 Sack, GRUR 2004, 625 (627); ders., Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, 11; Staudinger-Sack/Fischinger, BGB, § 138, Rn. 10; Soergel-Hefermehl, BGB, § 138, Rn. 27, 29. 20 So Staudinger-Sack/Fischinger, BGB, § 138, Rn. 11. 21 Sack, GRUR 2004, 625 (627); ders., Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, 11 ff.; Staudinger-Sack/Fischinger, BGB, § 138, Rn. 12.

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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Weiterhin wäre die apodiktische Rechtsfolge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts unangemessen für den Vertragspartner; dieser dürfte oftmals trotz eines vorangehenden unlauteren Verhaltens ein Interesse haben, gleichwohl am Vertrag festzuhalten22. Die Nichtigkeitsfolge stünde teleologisch in Kontrast zur Wertung sowohl des UWG als auch des BGB. Würde man direkt an den Verstoß gegen Regelungen des Lauterkeitsrechts die Nichtigkeit des Vertrages knüpfen, liefe das darauf hinaus, dass man mittels eines Verstoßes gegen Normen, die – wie sich noch zeigen wird23 – die Entscheidung des Verbrauchers schützen, direkt in den Grundsatz pacta sunt servanda eingreift und dem Verbraucher die Entscheidung über den Bestand des Vertrags gerade abnimmt. Auch die vom BGB gewählte und beispielsweise in den Regeln zur Anfechtung zum Ausdruck kommende Systematik sieht gerade vor, dass das Opfer einer Täuschung oder Drohung selbst zu entscheiden hat, ob es sich vom Vertrag lösen möchte oder nicht24. Im Ergebnis ist die Diskussion mit Recht weitgehend zum Erliegen gekommen25. Die zuvor dargestellte Ansicht ist inzwischen auch durch den EuGH bestätigt. Der Gerichtshof ging in der Entscheidung Perenicˇ ová und Perenicˇ /SOS davon aus, dass die Feststellung des unlauteren Charakters einer Geschäftspraxis keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Vertrages hat26. Demnach kann zwar die Nichtigkeit des Vertrages durchaus an ein vorangegangenes unlauteres Verhalten anschließen, hinreichend ist dieses jedoch nicht.

22 Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67; vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 182. 23 Siehe dazu ausführlich 3. Kapitel, C., I., 3. 24 Vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67; Sack, Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, 11; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 533. 25 So Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 533, im Zusammenhang mit § 134 BGB. Anders sind indes zum einen diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich der Lauterkeitsverstoß in der Existenz des resultierenden Vertrags perpetuiert, wie beispielsweise im Bereich progressiver Kundenwerbung im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG (vgl. wiederum Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 533). Von den Folgeverträgen unlauteren Verhaltens sind zum anderen auch diejenigen Verträge zu unterscheiden, die selbst zur Begehung eines Wettbewerbsverstoßes verpflichten. Bei diesen sogenannten Basisverträgen ergibt sich die Nichtigkeitsfolge daraus, dass hier der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt, vgl. z. B. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 67; BGH GRUR 2009, 606 (607) – Buchgeschenk vom Standesamt; vgl. auch Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, Einl, Rn. 7.9, der es aber für angemessener erachtet, in solchen Fällen nicht § 134 BGB, sondern die Grundsätze über die anfängliche (rechtliche) Unmöglichkeit der Leistung (§ 311a BGB) anzuwenden. 26 EuGH GRUR 2012, 639 (641) – Perenicˇ ová und Perenicˇ /SOS; für die Verallgemeinerungsfähigkeit der zur Klauselrichtlinie ergangenen Entscheidung Alexander, WRP 2013, 17 (21); ders., WRP 2012, 515 (521).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

bb) UWG-Normen als Schutzgesetze Ebenso ist der herrschenden Meinung darin beizupflichten, dass UWG-Normen keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind. Verfechter der gegenteiligen Ansicht wandten und wenden ein, dass es die Schutzzweckparität der Interessen der Marktteilnehmer unabdingbar mache, einen individuellen Schadensersatzanspruch des Verbrauchers nach § 823 Abs. 2 BGB anzuerkennen27. Der in der Gesetzesbegründung erfolgte Hinweis auf den abschließenden Charakter des Sanktionenrechts im UWG schneide Verbraucherrechte ab28. Zudem erweise sich das Argument eines mit dem Klagerecht des Verbrauchers einhergehenden Standortnachteils als nicht stichhaltig angesichts der praktischen Erfahrungen, die das Schweizer UWG geliefert habe. Hier seien noch nie Klagen über die Wirtschaftsschädlichkeit des wettbewerbsrechtlichen Klagerechts des Verbrauchers zu hören gewesen29. Es dürfte sich jedoch bei all dem vorwiegend um rechtspolitische Einwände handeln30. Zwar liegt es im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB näher als im Rahmen der §§ 134, 138 BGB, an einen UWG-Verstoß eine bürgerlich-rechtliche Rechtsfolge zu knüpfen, weil es beide Male um die Sanktionierung eines Verhaltens geht. Gleichwohl ist die Gesetzesbegründung insofern eindeutig und zu respektieren31. Die dort getroffene Entscheidung ist indes auch begrüßenswert. Auffälligerweise bauen die Gegenargumente sämtlich auf der Prämisse auf, dass mit der An27 Siehe u. a. Wimmer-Leonhardt, GRUR 2004, 12 (20); Schricker, GRUR 1974, 579 (580 f.), hatte bereits früh einen „Entwicklungsrückstand“ darin ausgemacht, dass sich die Gerichte nicht entschließen konnten, „die gewandelte Auffassung vom Schutzzweck des UWG im Rahmen der Haftung wegen Schutznormverletzung aus § 823 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.“ Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 603, spricht von einer „geradezu künstliche[n] Fernhaltung unmittelbar betroffener Verbraucher von den Ansprüchen nach dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb“. 28 So Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, Einl., Rn. 521, Fn. 390, der in der Gesetzesbegründung insofern gar einen „nicht für bare Münze“ zu nehmenden „Beitrag der Ministerialbürokratie“ sieht; siehe auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 21, Rn. 7; krit. zur Gesetzesbegründung Sack, GRUR 2004, 625 (629); ders., WRP 2008, 1141 (1146); ders., WRP 2009, 1330 (1332); ausführlich ders., GRUR 2011, 953 ff.; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 259. 29 Lehmann, FS Schricker, 77 (80); vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 264 f., die darauf hinweist, dass angesichts der sachlichen Zuständigkeit der Landgerichte in lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 UWG und der insofern bestehenden Beratungs- und Warnfunktion der erforderlichen Einschaltung von Rechtsanwälten, die Wahrscheinlichkeit gering einzuschätzen sei, dass die Unternehmen bei Einführung einer individuellen Klagebefugnis für Verbraucher einer Vielzahl von unberechtigten Klagen ausgesetzt wären. Wenn aber die Zahl berechtigter Klagen ansteigen würde, dürfte das gerade die Notwendigkeit einer individuellen Klagebefugnis aufzeigen; Sack, GRUR 2004, 625 (630), sieht bereits die damit zusammenhängende Annahme, dass ungenügende Sanktionen gegen unlauteren Wettbewerb ein Standortvorteil seien, nicht nur rechtspolitisch, sondern auch im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs wirtschaftlich als fragwürdig an. 30 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 567, Fn. 198. 31 Vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 62, 68.

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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erkennung des Verbrauchers als selbständigem Schutzsubjekt automatisch die Gewährung individueller Rechtsbehelfe einhergehen muss. Jedoch zwingt allein die Anerkennung des Verbrauchers als Schutzsubjekt nicht dazu, dem Verbraucher individuelle Rechtsbehelfe zu gewähren32. Entscheidend für die Annahme eines Schutzgesetzes ist, dass die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erkennbar vom Gesetz erstrebt sein oder zumindest im Rahmen des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen muss33. Hierfür ist jedoch eine umfassende Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs vorzunehmen34. Aus der bloßen Identifikation des Verbrauchers als Schutzsubjekt folgt mithin noch keine Aussage zur Ausgestaltung dieses Schutzes35. Wie sich noch zeigen wird36, macht der Verzicht auf eine individuelle Klagemöglichkeit des Verbrauchers das UWG eben nicht zur „lex imperfecta“37. b) BGB-Verstöße im UWG Während also von der ganz herrschenden Meinung bei der Adaption von UWGNormen im BGB – zu Recht – eine Grenze zwischen UWG und BGB gezogen wurde, gab es eine solche umgekehrt bei der Adaption von BGB-Normen im UWG nicht. Die Rezeption verbraucherschützender, rechtsgeschäftlicher Vorschriften bewirkt nicht nur eine weitgehende Überschneidung von BGB und UWG in der Art, dass ein und derselbe Anknüpfungspunkt einen Verstoß gegen das BGB darstellt und zugleich die Unlauterkeit nach dem UWG begründet. Sie sprengt zugleich fast beiläufig und zum Teil ohne nähere Begründung die ansonsten strikt angenommene zeitliche Grenze zwischen Vertrags- und Lauterkeitsrecht38. Die damit verbundene „Ausnahme“ ist jedoch dogmatisch fragwürdig. Fraglich ist schon, ob für die Rezeption verbraucherschützender Normen im UWG überhaupt Raum ist neben Ansprüchen nach dem UKlaG39 oder ob letzteres 32

Keineswegs entpuppt sich ohne einen solchen individuellen Anspruch die „programmatisch in § 1 UWG an die Spitze gestellte Magna Charta des neuen UWG als wohlklingende, aber inhaltsleere Gesetzeslyrik“, wie Säcker, WRP 2004, 1199 (1219), meint. 33 Palandt-Sprau, BGB, § 823, Rn. 58; MüKo-Wagner, BGB, § 823, Rn. 503; st. Rspr., vgl. z. B. BGH NJW 1976, 1740 (1740 f.); BGH NJW 1989, 974 (974); BGH NJW 2008, 1734 (1736). 34 Palandt-Sprau, BGB, § 823, Rn. 58; BGH NJW 2008, 1734 (1736). 35 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 217 f. Insofern besteht also kein Anlass für den Verbraucher, sich angesichts des Fehlens einer individuellen Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit im UWG „verschaukelt“ zu fühlen, so aber Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 65. 36 Ausführlich 3. Kapitel, C., II., 3. 37 So aber Lehmann, FS Schricker, 77 (80). 38 Siehe 1. Kapitel, C., II., 1., f). 39 So GRUR 2010, 1117 (1117, 1119) – Gewährleistungsausschluss im Internet; auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, UKlaG § 1, Rn. 14; ders., NJW 2008, 177 (177 f.);

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

abschließend ist40. Gerade für die bislang herrschende Meinung zur zeitlichen Reichweite des UWG ließe sich zudem z. B. für die Vorschriften der AGB-Kontrolle einwenden, dass diese lediglich die Abwicklung des Vertrages betreffen und damit bereits die Anwendbarkeit des UWG zumindest nach bisheriger Rechtslage hätte fraglich sein müssen41. Dieser Einwand lässt sich wiederum – entsprechend den obigen Ausführungen42 – nur dadurch entkräften, dass man den Fokus weniger auf das von den jeweiligen AGB geregelte Vertragsverhältnis als vielmehr auf den durch die Verwendung unwirksamer AGB erzielten Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten abstellt. Dann jedoch ist der konkurrentenschutzrechtliche Vorsprungsgedanke43 angesprochen, den der BGH in der Entscheidung Abgasemissionen44 gerade aufgegeben hat45. Mit dem Argument, dass aus der Nichteinhaltung von Vorschriften Kostenvorteile und damit ein Vorsprung im Wettbewerb resultierten, lässt sich willkürlich jede Ordungsvorschrift im Vorfeld des Marktgeschehens erfassen. Damit wäre die seit der genannten Entscheidung erfolgte Liberalisierung und Konzentration auf echte Marktverhaltensregelungen ausgehebelt46. Die von der Rechtsprechung entwickelte Schutznormtheorie hat der Gesetzgeber im Zuge der Reform von 2004 aufgegriffen47 und den Rechtsbruch auf Normen beschränkt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Wie spezifisch der Schutz mit der Marktteilnahme verknüpft sein muss, ist

MüKo-Schaffert, UWG, § 4 Nr. 11, Rn. 31; Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 245 ff. 40 So Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 78a; ders., LMK 2011, 312950; Ahrens, WRP 2012, Nr. 10, Die erste Seite; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 287 (288) – Horse Equipe; jurisPKUllmann/Link, UWG, 3. Aufl., § 4 Nr. 11, Rn. 147 (anders jedoch nunmehr jurisPK-Link, UWG, § 3a, Rn. 63). 41 So betont etwa das OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 287 (288) – Horse Equipe, dass die §§ 307 ff. BGB das individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zueinander regle; vgl. auch OLG Köln GRUR-RR 2007, 285 (286) – Schriftformklauseln; a.A. KG Berlin MMR 2005, 466 f.; KG Berlin NJW 2007, 2266 (2267); vgl. dazu auch Armgardt, WRP 2009, 122 ff.; Lotz/ Klickermann, WRP 2013, 1570 (1571). 42 Siehe 1. Kapitel, C., II., 3. 43 Dass dieser Gedanke auch aktuell nicht aus der Mode gekommen ist, zeigt z. B. der Vorschlag einer Neuformulierung des § 4 Nr. 11 UWG bei Glöckner, GRUR 2013, 568 (576). 44 Die Entscheidung BGH GRUR 2000, 1076 ff. – Abgasemissionen, ebenso wie die Entscheidung BGH GRUR 2002, 825 ff. – Elektroarbeiten, bildete dabei nur den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung, die bereits mit den Entscheidungen BGH GRUR 1999, 1128 ff. – Hormonpräparate, und BGH GRUR 2000, 237 ff. – Giftnotruf-Box, ihren Anfang genommen hatte, vgl. Scherer, WRP 2006, 401 (401); siehe auch Frey-Gruber, Der Rechtsbruchtatbestand im UWG, 52 f. 45 Vgl. Ohly, LMK 2011, 312950; auch Becker, GRUR Prax 2010, 487, zur Entscheidung BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet, siehe dazu näher unten 3. Kapitel, C., II., 2., c), cc). 46 Vgl. Ohly, FS Köhler, 507 (516). 47 Siehe Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 19, wo auf BGH GRUR 2002, 825 ff. – Elektroarbeiten, verwiesen wird. Vgl. auch Frey-Gruber, Der Rechtsbruchtatbestand im UWG, 57.

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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umstritten48. Die Praxis legt hier oftmals einen sehr weiten Maßstab an; gefragt wird nicht mehr nach der sekundär wettbewerbsschützenden Funktion einer Norm, sondern die sekundär wettbewerbsschützende Funktion der Norm wird wegen des verbraucherschützenden Charakters von verletzten Normen pauschal bejaht49. Im Ergebnis werden damit verbraucherschützende Normen ähnlich wie – vor der genannten Entscheidung Abgasemissionen im Jahr 2000 – die sogenannten „wertbezogenen“ Vorschriften behandelt und der Rechtsbruchtatbestand dadurch über seinen ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten und in der Praxis anerkannten Gehalt hinaus ausgedehnt50. Eine Vorschrift regelt dann das Marktverhalten, wenn sie das Angebot von und die Nachfrage nach Waren oder Dienstleistungen, das Anbahnen von Geschäften durch Werbung (und neuerdings die Abwicklung von Verträgen51) Handlungs- oder Unterlassungspflichten unterwirft52. Einen derartigen Inhalt haben die bisher rezipierten, verbraucherschützenden BGB-Normen indes zumeist nicht; jedenfalls aber ist ein Rückgriff auf den Rechtsbruchtatbestand nicht erforderlich. AGB-Vorschriften verbieten nicht etwa die Verwendung unwirksamer Klauseln, sondern ordnen deren Unwirksamkeit an53. Etwas anders gestaltet sich dies freilich bei § 651k Abs. 4 BGB a.F. Kommen Reiseveranstalter und Reisevermittler ihrer Pflicht nicht nach, dem Reisenden einen Sicherungsschein zu übergeben, dann dürfen sie Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nicht fordern oder annehmen. Ähnliches gilt für § 651a Abs. 4 BGB a.F., demzufolge der Reiseveranstalter den Reisepreis nur unter bestimmten Umständen, u. a. nachdem er 48 So sollen nach Rechtsprechung und herrschender Meinung auch Vorschriften unter den Rechtsbruchtatbestand fallen, die den Schutz der Interessen, Rechte und Rechtsgüter der Verbraucher bezwecken, wozu etwa die Interessen an Sicherheit, Gesundheit sowie der Jugendschutz gehören sollen, vgl. etwa BGH GRUR 2007, 890 (893) – Jugendgefährdende Medien bei eBay. Genügen soll, dass das jeweilige Interesse durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird, siehe Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3a, Rn. 1.67, m.w.N.; gegen eine Beschränkung auf „kompetitive Marktteilnehmerinteressen“ auch Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht, 149 f.; ebenso gegen eine Beschränkung auf den Schutz lediglich der Nachfrageentscheidung v. Walter, Rechtsbruch als unlauteres Marktverhalten, 97; kritisch zum weiten Verständnis der geschützten Interessen Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 25; ders., WRP 2008, 177 (183 f.); Scherer, WRP 2006, 401 (403 f.); Dettmar, Unlauterer Wettbewerb durch Rechtsbruch nach Maßgabe des § 4 Nr. 11 UWG n.F., 165 f.; Gärtner/Heil, WRP 2005, 20 (22); Wuttke, WRP 2007, 119 (123, 125). 49 Glöckner, GRUR 2013, 224 (234 f.). 50 Glöckner, GRUR 2013, 224 (234 f.). 51 Siehe ausführlich zur Erweiterung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs 2. Kapitel, B., III. 52 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 15. 53 Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. 2010, § 4.11, Rn. 11/78. Ausführlich zur lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der Verwendung von AGB Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln (2016), der jedoch von einem weitreichenden Anwendungsbereich des Rechtsbruchtatbestands ausgeht.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

genaue Angaben gemacht hat, erhöhen darf. Darin steckt ein Verhaltensgebot bzw. -verbot. Gleichwohl liegt der lauterkeitsrechtliche „Unrechtsschwerpunkt“ hier nicht in der Forderung von Zahlungen bzw. der Erhöhung des Reisepreises. Dies stellt vielmehr in erster Linie wiederum die Folge für eine zuvor ausgebliebene Handlung dar. Wenn man indes die Handlung als solche lauterkeitsrechtlich bewertet, dann kann statt auf den Rechtsbruchtatbestand auch auf eine Irreführung abgestellt werden: Der Unternehmer macht Ansprüche geltend, die er – jedenfalls so – nicht geltend machen darf. Des Rückgriffs auf den Rechtsbruchtatbestand bedarf es nicht54. Ganz eindeutig und originär das Marktverhalten regeln aber jedenfalls die in den §§ 312 ff. BGB (und den entsprechenden Vorschriften im EGBGB) enthaltenen Informationspflichten. Diese sind geradezu ein Paradebeispiel für Marktverhaltensregelungen. Sie ordnen ein bestimmtes Verhalten, nämlich die Bereitstellung von Informationen, an, um den Verbraucher in seiner Funktion als Nachfrager am Markt zu schützen. Diese Fallgruppe ist daher auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage durchaus stimmig. Das basiert aber auf der Annahme, dass Informationspflichten im BGB dogmatisch stimmig verortet sind, was gerade in Folge der Novelle 2008 in Frage steht. Wie sich im Rahmen der Darstellung der geltenden Rechtslage zeigen wird, lassen sich nunmehr sämtliche der rechtsgeschäftlich verbraucherschützenden Informationspflichten des BGB auch unmittelbar über das UWG sanktionieren55.

II. Systemübergreifende Elemente im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes Neben der Rezeption von Normen gab es auch vor Umsetzung der UGP-Richtlinie vorwiegend im BGB gesetzliche Neuregelungen, die nur schwer mit den traditionellen Abgrenzungskriterien zwischen UWG und BGB56 und dem damit verbundenen konkret-individuellen, nachvertraglichen Charakter des BGB in Einklang zu bringen waren. 1. Die Einbeziehung von Werbeangaben in den Sachmangelbegriff des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB § 434 BGB regelt, wann ein kaufgewährleistungsrechtlich relevanter Sachmangel vorliegt, indem er umgekehrt bestimmt, wann eine Sache frei von Sachmängeln ist. Die Norm, die in ihrer jetzigen Form auf Art. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie57 54

Siehe ausführlich unten 3. Kapitel, C., II., 2., c), cc). Siehe ausführlich unten 3. Kapitel, C., II., 2., c), aa). 56 Siehe 1. Kapitel, A. 57 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171, 12. 55

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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zurückgeht58, stellt zunächst gemäß Abs. 1 S. 1 auf die vereinbarte Beschaffenheit ab. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache nach Abs. 1 S. 2 frei von Sachmängeln, (Nr. 1) wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst (Nr. 2) wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist indes Abs. 1 S. 3. Demzufolge gehören zu der Beschaffenheit nach S. 2 Nr. 2 auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten darf. Nach der alten Rechtslage konnten Herstellerangaben nur einbezogen werden, wenn diese Grundlage der Vertragsverhandlungen wurden. Auch Werbeangaben wurden nur ausnahmsweise als konkludente Eigenschaftszusicherung angesehen59. Genau genommen stellte dann auch gar nicht die Werbung, sondern die ausdrückliche bzw. konkludente Bezugnahme im individuell-konkreten Verhältnis zum Vertragspartner den maßgeblichen Anknüpfungspunkt dar60. Dagegen sind nunmehr öffentliche Äußerungen (insbesondere Werbung) – auch des Herstellers – im Rahmen des Sachmangelbegriffs per Gesetz zu beachten. Diese Erweiterung trägt faktisch dem Umstand Rechnung, dass der Verbraucher die für seine Entscheidung relevanten Informationen immer seltener im Verkaufsgespräch, sondern stattdessen immer häufiger aus der Werbung bezieht61. Dogmatisch scheint diese Erweiterung traditionell eher lauterkeitsrechtliche Merkmale in das Vertragsrecht hineinzutragen. So ist schon der Begriff der Werbung an sich lauterkeitsrechtlich besetzt, eine rechtsgeschäftlich verbindliche Wirkung ist der Werbung dagegen bisher grundsätzlich nicht zugekommen62. Wie weitreichend damit lauterkeitsrechtliche Charakteristika aufgegriffen werden, hängt insbesondere von der Frage ab, inwieweit im Rahmen des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB objektive, vom individuellen Verhältnis losgelöste Umstände zu berücksichtigen sind. Nach einer Ansicht etwa handelt es sich bei § 434 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB um gesetzlich typisierte Fälle einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung63. Demnach wurzeln auch diese dogmatisch in der – ohnehin vorrangigen – 58

Dazu umfassend Jorden, Verbrauchergarantien (2001). Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (236), m.w.N.; vgl. auch Lehmann, DB 2002, 1090 (1091), m.w.N. 60 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 51. 61 Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 209; vgl. auch schon Schack, AcP 185 (1985), 333 (347); Lehmann, JZ 2000, 280 (287 f.). 62 Vgl. Bernreuther, WRP 2003, 846 (849). 63 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (234, 236); vgl. auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 754; Jacobs, Die Sachmängelgewähr im deutschen und belgischen Kaufrecht nach Umsetzung der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie, 149 f.; Tiller, Gewährleistung 59

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

konkret-individuellen Vereinbarung im Sinne des S. 164. Dagegen unterscheidet eine andere Ansicht deutlich zwischen dem subjektiven Fehlerbegriff in Abs. 1 S. 1 und den objektiven Kriterien in den S. 2 und 365. Dem folgend könnte § 434 Abs. 1 S. 3 BGB tatsächlich einen „Sachmangel durch Werbung“ begründen66. Die Bedeutung dieser feingliedrigen Unterscheidung für die vorliegende Untersuchung soll indes nicht überschätzt werden. Mag sich die dogmatische Rechtfertigung auch unterscheiden, faktisch wird bei der Konkretisierung des Inhalts eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen zwei Personen an Aussagen angeknüpft, die eben nicht in diesem individuellen Verhältnis erfolgen67. Unter einer „öffentlichen Äußerung“ im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB versteht man eine solche, die sich an einen individuell nicht eingegrenzten Personenkreis richtet bzw. von einem nicht individuell umgrenzten Adressatenkreis wahrgenommen werden kann68. „Werbung“ ist gemäß Art. 2 lit. a der Irreführungsrichtlinie69 jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern. Unter den so definierten Begriff fallen jeweils unzweifelhaft Äußerungen, die lange vor einer Konkretisierung des Verhältnisses zwischen Unternehmer und einzelnem, konkretem Verbraucher erfolgen70. Damit entfernt sich das Gewährleistungsrecht an dieser Stelle im Ergebnis von der typisch vertragsrechtlichen Konzentration auf das individuelle Verhältnis zum einzelnen Verbraucher71. Im Übrigen lässt sich auch die „Haftung“ des Verkäufers für die Äußerungen von Gehilfen72 mit bürgerlich-rechtlichen Zurechnungskriterien nicht überzeugend beund Irreführung, 52, sieht die objektiven Kriterien als „Ausfüllung der Vertragslücke, die sich aus dem Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung ergibt“. 64 Vgl. Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (234). 65 Bernreuther, WRP 2002, 368 (368). 66 So bereits in der Überschrift Bernreuther, WRP 2002, 368 (368). 67 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 54. 68 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (236 f.); Jorden, Verbrauchergarantien, 100; Lehmann, JZ 2000, 280 (283); Palandt-Weidenkaff, BGB, § 434, Rn. 34; Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 55. 69 Zunächst Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. Nr. L 250, 17; nunmehr Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABl. Nr. L 376, 21. 70 Etwas allgemeiner kann Werbung für diese Zwecke definiert werden als jedes Verhalten, das andere dafür gewinnen soll, die Leistung desjenigen in Anspruch zu nehmen, für den geworben wird, vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 434, Rn. 35; Bernreuther, MDR 2003, 63 (63). 71 Von einer „Vorverlegung des Zeitpunkts der Bindung“ spricht Grundmann, AcP 202 (2002), 40 (47); Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 61. 72 Der Wortlaut sowohl des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB („des Herstellers […] oder seines Gehilfen“) ebenso wie der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie („des Herstellers oder dessen Ver-

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gründen73. Weil die Äußerungen weit vor Begründung eines Schuldverhältnisses erfolgen, scheidet § 278 BGB mangels eines für die Norm entscheidenden Pflichtenkreises ersichtlich aus74. Auch die Regeln zur Stellvertretung wären mangels Willenserklärung allenfalls analog anwendbar. Dies entspräche aber deshalb nicht dem Sinn und Zweck des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB, weil die hier verlangte Zurechnung nicht von der Reichweite der Vertretungsmacht abhängen kann75. Ebenso wenig entspricht eine Beschränkung auf weisungsabhängige Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB der neuen Regelung76, zumal die Exkulpationsmöglichkeit von dessen Abs. 1 S. 2 nicht in Einklang mit den abschließenden Ausschlusstatbeständen des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB steht77. Bezeichnenderweise wird daher in der Literatur teils der lauterkeitsrechtliche § 8 Abs. 2 UWG analog als Zurechnungskriterium herangezogen78 ; dieser sieht eine Entlastungsmöglichkeit nicht vor79. Daneben finden auch auf Seiten des Empfängers der Werbeangaben objektive Maßstäbe dadurch Eingang in die Bestimmung des Vertragsinhalts, dass zu der treters“) legen nahe, dass der Gehilfe des Verkäufers nicht erfasst ist. Dafür besteht indes kein ersichtlicher Grund. Vielmehr muss für den Verkäufer erst recht gelten, was für den Hersteller gilt. Vgl. Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (237 f.); auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 62. 73 Siehe dazu Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 62 ff. 74 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 63; MüKo-Westermann, BGB, § 434, Rn. 32; Jauernig-Berger, § 434, Rn. 16. 75 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 63; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (237). 76 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (237). 77 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 63 f., der im Übrigen noch darauf hinweist, dass auch § 123 Abs. 2 S. 1 sowie die §§ 31, 89 BGB nicht weiterhelfen. 78 So Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 65, mit Verweis auf die von Köhler, GRUR 1991, 344 (345 f.), herausgearbeiteten Wertungsgesichtspunkte des damaligen § 13 Abs. 4 UWG a.F. als einer „Erfolgshaftung ohne Exkulpationsmöglichkeit“: das Schutzbedürfnis des Verletzten, die für den Unternehmer vorteilhafte Erweiterung des Geschäftskreises, die Beherrschung des Gefahrenkreises und die Beherrschung der Beweislage; vgl. zu § 13 Abs. 4 UWG a.F. auch Bernreuther, MDR 2003, 63 (66). 79 Genau genommen dürfte § 434 Abs. 1 S. 3 BGB hinsichtlich des Maßes an Objektivierung sogar über die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG hinausgehen. Für die Annahme eines Beauftragten im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG ist erforderlich, dass dieser für das Unternehmen eines anderen aufgrund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist. Er muss in die betriebliche Organisation dergestalt eingegliedert sein, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugute kommt, andererseits dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8, Rn. 2.41, m.w.N.). Damit vorausgesetzt ist ein gewisses Maß an Einfluss. Der Gesetzbegründung zu § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist zu entnehmen, dass es bei den Gehilfen um Hilfpersonen gehen soll, die für den Hersteller bei Äußerungen über Tatsachen (Eigenschaften der Sache) „eingeschaltet werden“ (BT-Drucks. 14/6040, 214). Unabhängig davon, welche Anforderungen man exakt an dieses „Einschalten“ stellen möchte, kann die Haftung des Verkäufers hier von einer Einflussmöglichkeit aber kaum abhängen. So dürfte der Verkäufer eine solche allenfalls im Hinblick auf seine Gehilfen haben, während sie im Hinblick auf den Hersteller und erst recht dessen Gehilfen kaum je bestehen dürfte.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB Eigenschaften gehören, die der Käufer „erwarten kann“ bzw. – gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. d Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – „vernünftigerweise erwarten kann“. Nach einer Ansicht ist hierfür das gemeinschaftsrechtliche Verbraucherleitbild zugrundezulegen80, welches gerade im Bereich des (lauterkeitsrechtlichen) Irreführungsschutzes entwickelt wurde81 und wonach man „[…] darauf abzustellen hat, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird.“82 Nach anderer Ansicht soll das Merkmal eigenständig vertragsrechtlich mit Hilfe von §§ 133, 157 BGB entsprechend auszufüllen sein83. Aufgrund der eindeutigen Richtlinienvorgabe („vernünftigerweise erwarten kann“) kommt aber auch diese Gegenansicht nicht umhin, ihre Betrachtung am objektiven Empfängerhorizont auszurichten. Schließlich spricht auch die Gesetzesbegründung explizit vom „Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers“84. Freilich bietet § 434 Abs. 1 S. 3 BGB auch Ansatzpunkte, den Vertragsinhalt doch wiederum auf das konkrete Verhältnis zwischen den (angehenden) Vertragsparteien rückzubeziehen. Insbesondere85 wird im Rahmen der Ausschlusstatbestände ein Bezug zum konkret-individuellen Vertragsverhältnis hergestellt. Demnach ist eine Haftung des Verkäufers ausgeschlossen, wenn er die Äußerung weder kannte noch kennen musste, diese im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte. Während Teile der Literatur etwa die Kaufrelevanz letztgenannter Variante (ähnlich dem Lauterkeitsrecht) abstrakt bestimmen wollen86, setzt eine andere Ansicht ein konkretes Verständnis voraus87; der einzelne betroffene Käufer sei in einer solchen 80 So u. a. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 476; Lehmann, JZ 2000, 280 (284); Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 209; Mees, WRP 2002, 135 (136 f.); Bernreuther, MDR 2003, 63 (66); Sack, GRUR 2004, 625 (628); Jorden, Verbrauchergarantien, 95. 81 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 476; Jorden, Verbrauchergarantien, 110; gegen die Übertragbarbeit des europäischen Verbraucherleitbilds Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 67 ff. 82 EuGH GRUR Int. 1998, 795 (797) – Gut Springenheide. 83 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 57 ff.; auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 199 f. 84 Begr RegE BT-Drucks. 14/6040, 214. 85 Auch könnte angeführt werden, dass die Norm bestimmte Angaben zur Kaufsache voraussetzt („bestimmte Eigenschaften der Sache“). Da sich eine lauterkeitsrechtlich irreführende Werbung nicht zwangsläufig auf eine Angabe zu einer ganz bestimmten Eigenschaft des Produkts unmittelbar zur beworbenen Sache beschränken muss, ist das Vertragsrecht in dieser Hinsicht also enger als das Lauterkeitsrecht, vgl. hierzu Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 56. 86 Ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 780 ff.; auch Bernreuther, WRP 2002, 368 (374); ders., MDR 2003, 63 (67), setzt die Beeinflussung gleich mit der lauterkeitsrechtlichen Relevanz. 87 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (238); Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 72 f.; Haas, BB 2001, 1313 (1314).

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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Situation nicht schutzbedürftig, in der er die in Rede stehende öffentliche Äußerung nicht kannte oder diese für seine Entscheidung ohne Bedeutung war88. Auch diese Einschränkung ändert jedoch jedenfalls nichts daran, dass rein objektive Maßstäbe eine wichtige Rolle bei der Prüfung des Sachmangels einnehmen. Zumal § 434 Abs. 1 S. 3 BGB selbst bei einem konkreten Verständnis des genannten Ausschlussgrundes insofern weitreichend abstrakt marktsverhaltensregelnde Wirkung zukommt, als dem Verkäufer die Beweislast für den Ausschluss obliegt89. Dieser Beweis dürfte aber nur in seltenen Fällen zu führen sein90. Jedenfalls faktisch kann die Vorschrift daher zu einer vertragsrechtlichen Sanktion irreführender Werbeangaben führen91. 2. Die Regelungen über Garantien in §§ 443, 479 BGB Geht der Verkäufer, Hersteller oder ein sonstiger Dritter in einer Erklärung oder einschlägigen Werbung, die vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war, zusätzlich zu der gesetzlichen Mängelhaftung insbesondere die Verpflichtung ein, den Kaufpreis zu erstatten, die Sache auszutauschen, nachzubessern oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben sind (Garantie), stehen dem Käufer im Garantiefall unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche die Rechte aus der Garantie gegenüber demjenigen zu, der die Garantie gegeben hat (§ 443 Abs. 1 BGB). § 479 Abs. 1 BGB (§ 477 Abs. 1 BGB a.F.) ergänzt die vorgenannte Regelung um Sonderbestimmungen dahingehend, dass die Garantieerklärung einfach und verständlich abgefasst sein sowie bestimmte Informationen, namentlich zu den gesetzlichen Rechten des Verbrauchers, sowie die für die Geltendmachung der Garantie wesentlichen Angaben enthalten muss. Beide Regelungen gehen im Ursprung auf Art. 6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zurück und enthalten im Wesentlichen zwei Erweiterungen des bisherigen Vertragsrechts, die für das Verhältnis zum Lauterkeitsrecht relevant sind92. Erstens enthält § 479 BGB Informationspflichten, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 und 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dienen. Diese Informationspflichten sind indes bei Weitem nicht die einzigen des BGB; die Bedeutung der bürgerlich-rechtlichen Informationspflichten soll daher separat untersucht werden93. Dagegen soll sich der 88

Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (238), m.w.N.; Haas, BB 2001, 1313 (1314). Siehe nur Palandt-Weidenkaff, BGB, § 434, Rn. 38. 90 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (239): vgl. auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 780, m.w.N. 91 Vgl. Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 180. Vgl. auch Fezer/Büscher/Obergfell-Brönneke/Tavakoli, UWG, S 19, Rn. 337 („unmittelbare vertragsrechtliche Relevanz“ irreführender Werbung). 92 Vgl. hierzu Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 736 ff. 93 Siehe 2. Kapitel, A., II., 7. 89

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Blick hier darauf richten, dass zweitens gemäß § 443 Abs. 1 BGB (Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; neu gefasst im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie94) dem Käufer nun im Garantiefall die Rechte aus der Garantie zu den in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen zustehen95. Bis zur Schuldrechtsreform noch überhaupt nicht ausdrücklich angesprochen, nennt nun also nicht nur § 434 Abs. 1 S. 3 BGB, sondern auch § 443 Abs. 1 BGB den Begriff der Werbung explizit. Während es beim Sachmangelbegriff zunächst vorrangig auf das subjektiv Vereinbarte ankommt, besteht hier kein Subsidiaritätsverhältnis in dem Sinne, dass Angaben außerhalb einer Vereinbarung nur bei Fehlen einer solchen zum Tragen kommen. Es tritt also die Haftung für Angaben in der Werbung selbständig neben diejenige für Angaben aus der vertraglich vereinbarten Garantie („die in der Erklärung oder96 einschlägigen Werbung beschrieben sind“)97. Es gilt insofern die „Rosinentheorie“, wonach der Garantiegeber nach den jeweils günstigsten Bedingungen für den Verbraucher für Angaben in der Garantieerklärung und/oder der Werbung einstehen muss98. Nicht nur deshalb geht § 443 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Objektivierung des Maßstabs für die Bestimmung des vertraglichen Inhalts über § 434 Abs. 1 S. 3 BGB hinaus. Auch fehlt es an Ausschlusstatbeständen, die die Haftung am Ende auf die Interessenlage im individuellen Verhältnis zwischen Garantiegeber und -nehmer verengen. Zwar wird teils vertreten, dass die beiden Auschlusstatbestände des § 434 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 Var. 2 und 3 BGB analog heranzuziehen seien99. Dies kann indes – mangels planwidriger Regelungslücke – nicht überzeugen. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und in der Folge § 434 Abs. 1 BGB haben eine solche Ausschlussregelung in unmittelbarer textlicher Nähe für den Begriff des Sachmangels ausdrücklich getroffen, im Rahmen der Garantie aber nicht. 3. § 241a BGB § 241a BGB setzt Art. 9 der Fernabsatzrichtlinie bzw. nunmehr Art. 25, 27 der Verbraucherrechterichtlinie sowie Art. 9 der Finanzdienstleistungsrichtlinie um100. 94 Im Vergleich zur vorherigen Regelung ist die Garantie nunmehr insofern sogar weiter, als sie auch die Erfüllung anderer als die Mängelfreiheit betreffender Anforderungen erfasst, vgl. Palandt-Weidenkaff, § 443, Rn. 1. 95 Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019 (1024), ordnen die Regelung über die Haftung für freiwillig gewährte Garantien und der Werbung hierfür eher dem Lauterkeits- denn dem Vertragsrecht zu. 96 Hervorhebung durch den Verfasser. 97 Vgl. zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 465 f., mit Verweis u. a. auf Lehmann, DB 2002, 1090 (1093). 98 Für das europäische Recht Jorden, Verbrauchergarantien, 529 ff.; für das deutsche Recht siehe nur BeckOK-Faust, BGB, § 443, Rn. 24; MüKo-Westermann, BGB, § 443, Rn. 14. 99 BeckOK-Faust, BGB, § 443, Rn. 29 f. 100 MüKo-Finkenauer, BGB, § 241a, Rn. 1; Palandt-Grüneberg, BGB, § 241a, Rn. 1.

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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Die Norm legt fest, dass durch die Lieferung unbestellter Sachen bzw. die Erbringung von nicht bestellten Leistungen neben den ohnehin nicht begründeten vertraglichen Ansprüchen auch keine gesetzlichen Ansprüche101 aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, Delikt oder Geschäftsführung ohne Auftrag entstehen, vorbehaltlich einer irrtümlichen oder einer aliud-Lieferung102. Während die in den Punkten zuvor dargestellten Normen traditionell eher lauterkeitsrechtliche Maßstäbe bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses anwenden, weist § 241a BGB damit eine andere Art von Verknüpfung mit dem Lauterkeitsrecht auf. Die Norm regelt eine Rechtsfolge bzw. – genau genommen – eine „Nicht-Rechtsfolge“ im Anschluss an ein typisch lauterkeitswidriges Verhalten. Denn das unaufgeforderte Zusenden von Ware stellte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb gemäß § 1 UWG a.F. dar103. Der BGH sah durch ein derartiges Vorgehen die Entschließungsfreiheit des Empfängers beeinträchtigt. Dieser werde genötigt, sich darüber schlüssig zu werden, ob er die Ware behalten will oder nicht. Im letzteren Falle werde er sie entweder unter Aufwendung von Mühe und Kosten zurücksenden oder einstweilen bis zur Klärung in einem Briefwechsel mit dem Absender pfleglich behandeln müssen. Eine bloße Annahmeverweigerung werde in der Regel daran scheitern, dass der Empfänger die Sendung öffnen muss, um von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und dass dann eine Annahmeverweigerung nach den einschlägigen postalischen Bestimmungen nicht mehr zulässig sei. Lasse der Empfänger die Sendung unbeantwortet, so müsse er befürchten, dass der Absender sein Stillschweigen als Annahme des Kaufangebots verstehe. Um diesen und anderen Unannehmlichkeiten zu entgehen, werde sich mancher Empfänger unbestellter Sendungen veranlasst sehen, die Ware zu behalten und zu bezahlen. Eine solche Beeinflussung der freien Willensentschließung sei mit einem lauteren Leistungswettbewerb nicht zu vereinbaren104. Deutlich wird die Verknüpfung von lauterkeitswidrigem Verhalten und bürgerlich-rechtlicher Folge auch daran, dass Art. 27 Verbraucherrechterichtlinie das Nichtbestehen von Ansprüchen explizit an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 und Anhang I Nr. 29 UGP-Richtlinie knüpft.

101

BeckOK-Sutschet, BGB, § 241a, Rn. 9, m.w.N. Aufgrund der Verbraucherrechterichtlinie zweifelnd bezüglich des Ausschlusses auch gesetzlicher Ansprüche Köhler, JuS 2014, 866 ff. Selbst wenn die Richtlinie insofern eine Änderung bezwecken sollte, dürfte eine richtlinienkonforme Auslegung des § 241a Abs. 1 BGB mit Blick auf den eindeutigen Abs. 2 („Gesetzliche Ansprüche sind nicht ausgeschlossen […]“) nicht möglich sein, vgl. BeckOKSutschet, BGB, § 241a, Rn. 9). 102 Vgl. bereits Berger, JuS 2001, 649 ff. 103 BGH GRUR 1959, 277 (278 f.) – Künstlerpostkarten; BGH GRUR 1960, 382 (383) – Verbandsstoffe; BGH GRUR 1977, 157 (158) – Filmzusendung; Palandt-Grüneberg, BGB, § 241a, Rn. 1, bezeichnet die Vorschrift trotz der Verortung im BGB als „im Kern […] wettbewerbsrechtliche Vorschrift“. Vgl. auch Fezer/Büscher/Obergfell-Brönneke/Tavakoli, UWG, S 19, Rn. 385 ff. 104 So BGH GRUR 1960, 382 (383) – Verbandsstoffe, mit Verweis auf BGH GRUR 1959, 277 – Künstlerpostkarten; vgl. auch Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 (2056).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Die mit § 241a Abs. 1 BGB geschaffene Regelung geht hinsichtlich der Sanktionierung von Marktverhalten insofern sogar über den lauterkeitsrechtlichen Ansatz hinaus, als sie stets greift, solange nicht einer der in § 241a Abs. 2 BGB beschriebenen Ausschlussgründe vorliegt. Dagegen kann die lauterkeitsrechtliche Missbilligung nach der Rechtsprechung des BGH durch einen deutlichen Hinweis verhindert werden105. 4. § 661a BGB Ein in diesem Zusammenhang untypisches Beispiel ist § 661a BGB insofern, als die Norm keinen unmittelbaren europarechtlichen Bezug aufweist. Die Norm wurde eher gelegentlich des Fernabsatzgesetzes zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie in das BGB eingefügt106. Ihr zufolge hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten107. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll damit eine Praxis unterbunden werden, mit der versucht wird, den Verbraucher zur Annahme von Waren zu bewegen, weil sie nur den Zweck hat, dem Verbraucher Warenangebote aufzudrängen, mit denen er sich nicht befassen möchte108. Die Norm sanktioniert damit typisch lauterkeitswidriges Verhalten im noch vorindividuellen Stadium109 durch Regelung einer Folge, d. h. eines Anspruchs110. Das konzeptionelle Vorgehen der Vorschrift wurde im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat beanstandet, weil die „Regelung eine, dem Zivilrecht fremde, Sanktionierung unerwünschter Geschäftspraktiken“ darstelle111. Doch entgegnete die Bundesregierung, die lauterkeitsrechtliche Missbilligung habe die bei dieser Werbeform auftretenden Missstände nicht beseitigen können. Eine wirksame Bekämpfung solcher Ver105

Vgl. BGH GRUR 1959, 277 (279) – Künstlerpostkarten. Vgl. MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 2. 107 Zwar begründet § 661a BGB eine Anspruchsnorm, in dogmatischer Hinsicht wird aber eine Haftung aus Rechtsgeschäft überwiegend abgelehnt, weil die Mitteilung des Unternehmers keine Willenserklärung ist, so dass – auch mangels einer auch nur konkludenten Zustimmung des Mitteilungsempfängers – ein Vertrag jedenfalls nicht vorliegt, vgl. MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 4, m.w.N. 108 Begr RegE BT-Drucks. 14/2658, 48 f. 109 Vgl. MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 1, m.w.N., demzufolge der Zweck der Norm im Schutz des Verbrauchers und des lauteren Wettbewerbs besteht. Vgl. auch Lorenz, NJW 2000, 3305 (3306): Die Norm „greift damit die Tendenz der Richtlinie auf, wettbewerbsrechtliche Verstöße allgemein-zivilrechtlich zu sanktionieren.“ Vgl. auch Fezer/Büscher/ Obergfell-Brönneke/Tavakoli, UWG, S 19, Rn. 406 ff. 110 Ebenso wie die Norm des § 241a BGB knüpft auch § 661a BGB insofern ganz besonders im vorindividuellen Bereich an, als hier gar kein rechtsgeschäftlicher Kontakt zwischen den betreffenden Rechtssubjekten besteht, vgl. Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 15. 111 Stellungnahme BRat, BT-Drucks. 14/2920, 7; kritisch z. B. auch MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 1, 4. 106

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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kaufspraktiken könne nur dann erfolgen, wenn der Unternehmer dem Verbraucher gegenüber die Haftung für sein täuschendes Versprechen übernehmen muss112. Vergleichbar § 241a BGB schießt die Regelung über die marktverhaltensregelnde Funktion des UWG deshalb hinaus, weil weder die Lauterkeitswidrigkeit an sich den Gewinnanspruch begründet noch die fehlende Unlauterkeit einen solchen ausschließt113. In beiden Fällen wird indes eine bürgerlich-rechtliche Folge an ein typischerweise lauterkeitsrechtlich relevantes Verhalten geknüpft. 5. Widerrufsrechte Zu den beiden vorgenannten Vorschriften unterscheiden sich die Widerrufsrechte zunächst einmal dadurch, dass sie nicht eine strikte Rechtsfolge, sondern ein fakultatives Gestaltungsrecht normieren. Es besteht aber insoweit eine Parallele, als eben dieses Gestaltungsrecht jeweils an Situationen anknüpft, die lauterkeitsrechtlich typischerweise relevant sind bzw. werden können. Das Widerrufs- oder Rückgaberecht bei Haustürgeschäften etwa soll der Gefahr vorbeugen, dass der Verbraucher in seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überfordert ist. Es räumt ihm eine nachträgliche Bedenkfrist als Ausgleich dafür ein, dass er bei solchen Haustürgeschäften häufig keine hinreichende Möglichkeit hat, vorab andere Angebote zu prüfen oder sich den Vertragsschluss sorgfältig zu überlegen114. Das Widerrufs- oder Rückgaberecht des Verbrauchers bei Fernabsatzgeschäften trägt dem Umstand Rechnung, dass der Verbraucher im Fernabsatz keine Möglichkeit hat, die Ware vor Vertragsschluss in natura zu sehen bzw. sie gar auf ihre Funktionstauglichkeit und weitere Eigenschaften zu untersuchen115. Zweck des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehen ist es, dem Darlehensnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen, damit er das eingegangene Kreditengagement prüfen und nach günstigeren Angeboten Ausschau halten kann. Neben der meist erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Verbraucherdarlehensvertrags spricht für diesen Schutzzweck auch die Komplexität der einzelnen Vertragsbestimmungen116. Alle diese Regelungen knüpfen damit an eine Situation an, in der sich der Verbraucher typischerweise – insofern konzentrieren sich diese Vorschriften nicht auf die Regelung einer bestimmten Sonderverbindung – in unterlegener Stellung wiederfindet, weil die Willensbildung aufgrund situativer Überforderung oder mangelhafter In112

Gegenäußerung BReg, BT-Drucks. 14/2920, 15; Beschlussempfehlung und Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/3195, 33 f.; vgl. auch Staudinger-Bergmann, BGB, § 661a, Rn. 4. 113 Vgl. Staudinger-Bergmann, BGB, § 661a, Rn. 3. 114 Vgl. die Begr GesE des BRats BT-Drucks. 10/2876, 1, 8; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 198, verweist auf den psychischen Druck beim Verbraucher, wenn der Vertrag an Ort und Stelle geschlossen werden soll. 115 Vgl. Erwägungsgrund 14 der Fernabsatzrichtlinie; MüKo-Wendehorst, BGB, § 312g, Rn. 1. 116 Begr RegE BT-Drucks. 11/5462, 21; vgl. auch MüKo-Schürnbrand, BGB, § 495, Rn. 1.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

formation gefährdet ist. Dann gewähren sie ein Vertragslösungsrecht nicht nur, wenn tatsächlich eine „pathologische“ Situation vorliegt, d. h. tatsächlich ein Fehlverhalten des Unternehmers und/oder ein Defizit auf Seiten des Verbrauchers besteht. Vielmehr besteht ein solches einseitiges Lösungsrecht ganz abstrakt von dem tatsächlichen Verhalten und der Situation des Verbrauchers auch bei einem fehlerfrei zustande gekommenen Vertrag117. Faktisch kann es also sogar als reines „Reuerecht“ fungieren118 und reicht damit in seinem Anknüpfungspunkt über das lauterkeitsrechtliche Maß an objektiv und abstrakt marktverhaltensregelnder Wirkung hinaus119. 6. Das Institut der culpa in contrahendo Auch wenn vorvertragliche und deutlich vorindividuelle Verhaltensweisen sich zunehmend im Vertragsrecht auswirken, beziehen sich doch die bisher erörterten Vorschriften unmittelbar auf den Zeitraum nach – im Falle des § 241a BGB vermeintlichem – Vertragsschluss. Sie führen zu einer bestimmten Folge innerhalb des bereits konkretisierten, individuellen Verhältnisses der beteiligten Parteien. Dagegen gewährt das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo einen Schadensersatzanspruch bereits vor Vertragsschluss. Während sich die Rechtsprechung für die Begründung dieses Rechtsinstituts zunächst mit einer Art Vorwirkung des späteren Vertrages behalf, stützte sie die Haftung später auf ein bereits durch die bloße Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründetes „gesetzliches“ Schuldverhältnis, das zur verkehrsüblichen Sorgfalt dem Geschäftsgegner gegenüber verpflichten sollte120. Zur Rechtfertigung diente der Gedanke des allgemeinen Vertrauensschutzes121. Im Zuge der Schuldrechtsreform wurde die culpa in contrahendo in §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert. Gemäß § 311 Abs. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch durch (1) die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, (2) die Anbahnung eines Vertrages, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder (3) ähnliche geschäftliche Kontakte. 117 Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 10. 118 Vgl. Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 199; Gessner, Widerufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 10. 119 Vgl. Ahrens, FS Loewenheim, 407 (414): „Sie sichern die Entscheidungsfreiheit individueller Verbraucher, ohne dass Art und Ausmaß der Beeinflussung ihrer Willensbildung zur Tatbestandsvoraussetzung der Vertragsauflösung gemacht wird. Faktisch wird damit eine Schnittmenge mit Unlauterkeitssachverhalten hergestellt, ohne dass die Tatbestände des UWG unter Verbiegung ihrer Normzwecke für das Vertragsrecht instrumentalisiert werden müssen.“ 120 Vgl. MüKo-Emmerich, BGB, § 311, Rn. 38, m.w.N. 121 BGH NJW 1973, 752 (753); Palandt-Grüneberg, BGB, § 311, Rn. 11; differenzierend MüKo-Emmerich, BGB, § 311, Rn. 38 ff., m.w.N.

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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Während die rein zeitliche Abgrenzung zum UWG durch den Vertragsschluss damit von Seiten des BGB jedenfalls durchbrochen ist, verbleibt die Frage, ab welchem Stadium die werbliche Vertragsanbahnung zu einer Sonderverbindung gemäß § 311 Abs. 2 BGB führt und inwieweit daher schon an die Werbung ein Anspruch aus culpa in contrahendo geknüpft werden kann122. Wenn dem so wäre, würde sich wiederum ein individueller schuldrechtlicher Anspruch an Verhalten außerhalb jeder Konkretisierung auf das Verhältnis zwischen zwei (angehenden) Vertragspartnern knüpfen. Nach einer Ansicht fallen unter die „Aufnahme von Vertragsverhandlungen“ auch Werbemaßnahmen, Prospekte und lediglich einseitige Maßnahmen eines Vertragsteils, die den anderen zu einem Vertragsschluss veranlassen sollen, wenn diese Vertragsverhandlungen einleiten. Falls sie einseitig bleiben, soll unter Umständen der Grundtatbestand der Nr. 2 eingreifen123. Dagegen lässt sich einwenden, dass der Wortlaut der hier in Frage kommenden § 311 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BGB („Vertragsverhandlungen“; „Möglichkeit zur Einwirkung“, „anvertraut“) nahelegt124, dass eine völlig einseitige Werbung (z. B. in Massenmedien) weit außerhalb des Verhältnisses zwischen den potentiellen Vertragspartnern (d. h. ohne dass der Betroffene in irgendeiner Form auf die Werbung eingeht) noch nicht ausreichen dürfte125. Unabhängig von diesem Streit steht aber jedenfalls fest, dass – ähnlich wie bei § 434 Abs. 1 S. 3 BGB – Werbeausagen im Zeitraum vor einer Individualisierung auf das (angehende) Vertragsverhältnis als Anknüpfungspunkt für einen vorvertraglichen Schadensersatzanspruch in Frage kommen126. Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob tatsächlich allein aus der Werbeaussage ein Schadensersatzanspruch folgt, da der Anspruch aus culpa in contrahendo noch weitere Voraussetzungen aufstellt127. Unabhängig von deren Erfüllung bleibt aber

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Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 930. Palandt-Grüneberg, BGB, § 311, Rn. 22 f.; MüKo-Emmerich, BGB, § 311, Rn. 43, 47, fasst einseitige Maßnahmen von vorneherein unter die Nr. 2, solange im Einzelfall eine Einwirkungsmöglichkeit besteht. Ohne genauere dogmatische Einordnung betont Lehmann, DB 2002, 1090 (1091), die vorvertragliche Haftung aus culpa in contrahendo gelte „selbstverständlich auch ganz allgemein für Werbeangaben“. 124 Im Übrigen verlangt auch der Auffangtatbestand der Nr 3 „ähnliche geschäftliche Kontakte [Hervorhebung durch den Verfasser]“. 125 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 931 f.; für ein zweiseitiges Verständnis wohl auch Jauernig-Stadler, BGB, § 311, Rn. 44, der die einseitige Kontaktaufnahme zwar unter Nr. 2 fasst, aber die „Begründung eines rechtsgeschäftlichen Kontakts“ verlangt. Auch Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 202, verlangt, „dass sich der Angesprochene zumindest mit den Angaben befasst“. 126 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 937 ff. Auch Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 212 f., weist darauf hin, dass der Werbende bei der potentiell haftungsbegründenen Handlung einen „typisierten“ Durchschnittsmaßstab anzulegen hat und demnach ein „UWGidentischer abstrakter Maßstab“ angelegt wird. 127 Siehe dazu 3. Kapitel, C., II., 2., a). 123

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

festzuhalten, dass die culpa in contrahendo einen schuldrechtlichen Anspruch an vorvertragliches, lauterkeitsrechtlich relevantes Verhalten knüpfen kann. 7. Rechtsgeschäftliche Informationspflichten Das BGB selbst enthält keine Regelung allgemeiner, für alle Vertragsverhältnisse geltender Informationspflichten. Gleichwohl spielen Informationspflichten im bürgerlichen Recht eine bedeutende Rolle. Nachdem implizite Informationspflichten wie im Rahmen des § 123 Abs. 1 BGB sowie der culpa in contrahendo bereits seit jeher angenommen wurden, sind inzwischen nach Umsetzung europäischer Vorgaben explizite Informationspflichten innerhalb des Schuldrechts im Rahmen bestimmter Vertriebsformen und Vertragsarten geregelt128. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die umfangreichen Informationspflichten bei Verbraucherdarlehen (§§ 491a ff. BGB i.V.m. Art. 247 EGBGB), bei Teilzahlungsgeschäften und anderen Finanzierungshilfen (vgl. nun den Verweis in § 506 Abs. 1, 3 BGB), Darlehensvermittlungsverträgen (§ 655a BGB i.V.m. Art. 247 EGBGB) und dem Erwerb von Teilzeitwohnrechten (§ 482 BGB i.V.m. Art. 242 EGBGB). Im Hinblick auf Garantien beim Verbrauchsgüterkauf (§ 479 Abs. 1 BGB) gelten Informationspflichten ebenso wie bei Pauschalreisen (§ 651d und v BGB i.V.m. Art. 250 EGBGB) und Zahlungsdiensten (§ 675d BGB i.V.m. Art. 248 EGBGB). Bedeutsame verbraucherrechtliche Informationspflichten sind darüber hinaus im Rahmen von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sowie Fernabsatzgeschäften (über Finanzdienstleistungen) gemäß § 312d Abs. 1, 2 BGB i.V.m. Art. 246a und Art. 246b EGBGB zu finden sowie im elektronischen Geschäftsverkehr in § 312i BGB und § 312j BGB i.V.m. Art. 246c bzw. a EGBGB. Generell folgen zudem schließlich aus § 312a BGB (i.V.m. Art. 246 EGBGB) Informationspflichten bei Verbraucherverträgen. Die damit aufgestellten Verhaltenspflichten sollen vorab gesetzlich festgelegte Standardinformationen gewähren und für allgemeine Markttransparenz sorgen. So dient z. B. § 491a Abs. 1 BGB (i.V.m. Art. 247 EGBGB) als Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie neben der Rechtssicherheit zugunsten der Kreditwirtschaft der Transparenz hinsichtlich der Kreditkonditionen und der wirtschaftlichen Folgen des Vertrags. Die Verbraucher sollen unionsweit Angebote vergleichen können, um dann eigenverantwortlich ihre Entscheidung zu treffen129. Über die Verweisung in § 506 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BGB findet u. a. die Norm des § 491a BGB entsprechende Anwendung. Der Zweck ist hier identisch, zumal die Verbraucherkreditrichtlinie ohnehin nicht nach der Art des Kredits unterscheidet, sondern gemäß Art. 3 lit. c unterschiedslos auf sämtliche Verträge Anwendung findet, bei denen ein Kreditgeber einen Kredit in Form eines Zahlungs128 Vgl. auch zur Unterscheidung zwischen expliziten und impliziten Informationspflichten Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 18 ff. 129 MüKo-Schürnbrand, BGB, § 491a, Rn. 4.

A. Entwicklungen vor Umsetzung der UGP-Richtlinie

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aufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt130. Die Informationspflichten im Rahmen eines Darlehensvermittlungsvertrages gemäß § 655a Abs. 2 S. 1 BGB (i.V.m. Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB) sollen dem Verbraucher das gesamte Ausmaß der allein auf der Einschaltung eines Vermittlers beruhenden Verteuerung des Kredits vor Augen führen131. Die im Rahmen eines Teilzeit-Wohnrechtevertrags nach § 482 BGB (i.V.m. Art. 242 EGBGB) zu gewährenden Informationen (die gemäß § 484 Abs. 2 BGB regelmäßig Vertragsinhalt werden) sollen dem Verbraucher ermöglichen, durch umfassende Angaben das angebotene Nutzungsrecht und die damit verbundenen Kosten prüfen zu können, bevor er die privatautonome Entscheidung trifft132. Einem auf Markttransparenz bezogenen Irreführungsschutz dienen auch die Informationspflichten im Rahmen des § 479 BGB (§ 477 BGB a.F.)133. Nicht umsonst weist Erwägungsgrund 21 S. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie explizit darauf hin, dass solche Garantien den Verbraucher nicht irreführen sollten. Die Informationspflichten des § 312d BGB (i.V.m. Art. 246a und b EGBGB) gleichen das im Fernabsatz typischerweise bestehende Informationsdefizit aus134 ; sie schützen vor Überrumpelung und sollen eine überlegte Entscheidung sowohl hinsichtlich des Vertrages als auch mit Blick auf das bestehende Widerrufsrecht gewährleisten135. § 312i und – im Falle von Verbraucherverträgen – § 312j BGB dienen ganz allgemein der Transparenz bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr und somit der Vertrauensförderung136. Es geht um den Schutz vor den spezifischen Gefahren des elektronischen Geschäftsverkehrs wegen der „Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts“137. Vergleichbar den – eng verbundenen – Widerrufsrechten tragen die Informationspflichten der faktischen Entwicklung des modernen Massenverkehrs Rechnung, in dem die individuelle Beziehung ständig an Bedeutung verliert138. Die standardisierten Informationspflichten knüpfen an bestimmte Vertragstypen und die damit verbundenen typischen Gefahren für den Verbraucher im Hinblick auf seine Willensbildung an. In Entstehungs- und Anknüpfungspunkt beruhen sie nicht (klassisch vertragsrechtlich) auf dem individuellen Vertragsverhältnis und begründen damit in einem weitreichend verobjektivierten Sinne im Einzelfall unter Umständen Irreführungsschutz, wo eine Irreführungsgefahr überhaupt nicht besteht. Sie stellen 130

Siehe auch MüKo-Schürnbrand, BGB, § 506, Rn. 1. MüKo-Schürnbrand, BGB, § 655a, Rn. 19. 132 BeckOK-Eckert, BGB, § 482, Rn. 1. 133 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 463; Jorden, Verbrauchergarantien, 549; MüKo-Lorenz, BGB, § 477, Rn. 2; Palandt-Weidenkaff, BGB, § 479, Rn. 2; Homann, Werbeaussagen und Käufererwartungen, 197, sieht in den auf die Garantie bezogenen Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ein „zivilrechtliches Irreführungsverbot“. 134 Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Martens, BGB, § 312c, Rn. 6. 135 Siehe MüKo-Wendehorst, BGB, § 312d, Rn. 2. 136 Vgl. BeckOK-Maume, § 312i, Rn. 2. 137 So allgemein zum Fernabsatzrecht BGH NJW 2004, 3699 f. 138 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 712. 131

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

damit nicht nur explizit eine (Markt-)Verhaltensregelung auf, sondern knüpfen wiederum in ihrer Entstehung an einen generellen Schutzzweck an, der losgelöst vom konkreten Vertragsverhältnis besteht139.

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie Nicht nur das bürgerliche Recht enthält inzwischen traditionell lauterkeitsrechtliche Charakteristika. Spiegelbildlich brachte die UWG-Reform 2008, mit der die UGP-Richtlinie umgesetzt wurde, gewichtige Änderungen mit sich, die die traditionellen Merkmale des massenhaften, generell-abstrakten Schutzes der Verbraucher vor Vertragsschluss in Frage stellen.

I. Die Beschränkung der UGP-Richtlinie auf den Bereich b2c Die bisherige Untersuchung hat zu der Erkenntnis geführt, dass die ursprüngliche Konzentration auf den Konkurrentenschutz zumindest bis zur Reform 2008 nie vollständig aufgegeben wurde und es einen konsequent unmittelbaren Verbraucherschutz – insbesondere nach Vertragsschluss – daher nicht geben konnte140. Der schon im Rahmen der Reform von 2004 vereinzelt ausgemachte „Paradigmenwechsel“141 könnte mit dem Inkrafttreten des UWG 2008 tatsächlich vollzogen sein. Denn auch wenn dies in Deutschland weit überwiegend auf Ablehnung gestoßen ist142 und in der (nicht offiziellen) Fassung des Richtlinienvorschlags vom

139 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 608; auch Züllighoven, Verbraucherschutz durch Informationspflichten im Wettbewerbsrecht, 65 ff., demzufolge etliche der Informationspflichten des Schuldrechts rein lauterkeitsrechtlicher Natur sind oder zumindest lauterkeitsrechtliche Züge tragen, weil sie in einer Phase weit vor den Vertragsverhandlungen greifen. 140 Siehe 1. Kapitel, C., D. 141 Engels/Salomon, WRP 2004, 32 (32). 142 Deutschland und Österreich hatten sich im Rat dagegen gewehrt und eine entsprechende Protokollerklärung abgegeben, vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 84/450/EWG, 97/ 7/EG und 98/27/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) vom 25. 5. 2004, COD 2003/0134, Dok. 9667/04, Anl. 2, Ziff. 3. Jedoch waren die vorgebrachten Einwände gegen ein solches spezielles „Verbraucherwettbewerbsrecht“ angesichts der Rechtslage zahlreicher Mitgliedstaaten, die auf einen dualen Ansatz bauen, nicht konsensfähig, vgl. Ohly, GRUR 2004, 889 (890 f.); kritisch zu dieser Beschränkung u. a. Ohly, WRP 2008, 177 (180 f.); Seichter, WRP 2005, 1087 (1087 f.); Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183 (188 f.); vgl. auch die ablehnenden Stellungnahmen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. und des Max-Planck-Instituts, in GRUR 2004, 215 (215 f.), bzw. GRUR Int. 2003, 926 (926 f.).

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

117

3. Juni 2003 noch nicht vorgesehen war143, beschränkt sich der Schutzzweck der UGP-Richtlinie auf den Schutz von Verbraucherinteressen144. Obwohl es durchaus denkbar gewesen wäre, den Schutz der Verbraucher ganz aus dem UWG herauszunehmen und Verbraucher- und Mitbewerberschutz zu trennen145, hat der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie gerade im UWG umgesetzt. Die Umsetzung einer rein auf den Verbraucherschutz beschränkten Richtlinie legt indes nahe, dass der nunmehrige lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz ein konsequenter sein muss. Das Festhalten am integrierten Ansatz im Rahmen der Umsetzung ist richtlinienkonform146 und die Bedeutung der Beschränkung der Richtlinie auf den Bereich b2c nicht zu überschätzen. Diese geht in erster Linie auf die Zuständigkeiten innerhalb der Kommission zurück147 und war ein Gebot der politischen Klugheit insofern, als über den Schutz der Verbraucher gegen irreführende und aggressive Geschäftspraktiken ein europäischer Minimalkonsens herrscht148. Es ist strikt zwischen Schutzzweck und Anwendungsbereich der Richtlinie zu unterscheiden149. So lässt sich erkennen, dass der von der Richtlinie bezweckte Verbraucherschutz in den Zusammenhang eines funktionierenden Binnenmarktes eingliedert ist, der nicht nur aus der Sicht der Verbraucher gedacht werden kann150. Dass der Unionsgesetzgeber in diesem Binnenmarkt zumindest mittelbar auch die Interessen von Gewerbetrei143

Vgl. Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183 (188). Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (240), sieht im Regelungsbereich der UGPRichtlinie eine „bemerkenswerte[r] Umkehrung der Schutzzwecke“. Während es im europäischen Recht ursprünglich primär um die Interessen der Mitbewerber gegangen sei und man danach die Schutzzwecktrias etabliert habe, schütze nun die umfassendste Regelung des europäischen Sekundärrechts primär die Verbraucherinteressen. 145 Auf die theoretische Möglichkeit einer gesetzlichen Trennung von Verbraucher- und Mitbewerberschutz wies etwa Timm-Wagner, GRUR 2013, 245 (245), hin. Lettl, WRP 2004, 1079 (1089, 1132), hielt es zwar für nicht erstrebenswert, aber doch unumgänglich, Verbraucher- und Mitbewerberschutz vollkommen zu trennen in dem Sinne, dass der Verbraucherschutz im BGB und im UKlaG, der Mitbewerberschutz weiterhin im UWG geregelt ist. Auch die Kommission hatte Deutschland gedrängt, zur Umsetzung der UGP-Richtlinie ein selbständiges Verbraucherschutzgesetz zu erlassen, vgl. Köhler, WRP 2009, 109 (110). Dagegen befürchtete offenbar Hoeren, WRP 2009, 789 (790), mit Verweis auf Samwer, GRUR 1969, 326 (328 ff.), dass der Mitbewerberschutz als Zielperspektive aus dem Lauterkeitsrecht ausscheiden und damit die schon seit Ende der 60er Jahre gehegte Befürchtung, dass der Verbraucherschutz zu Lasten des Schutzes der Mitbewerber überbetont wird, nun Realität werden könnte. 146 Ohly, GRUR 2004, 889 (891); Seichter, WRP 2005, 1087 (1089); Kulka, DB 2008, 1548 (1549). 147 Ohly, GRUR 2004, 889 (890); es ging hier um einen Kompetenzkonflikt zwischen der Generaldirektion Binnenmarkt und der Verbraucherschutzgeneraldirektion. 148 Ohly, WRP 2008, 177 (181); vgl. auch Veelken, WRP 2004, 1 (10). 149 Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 201; Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 79. 150 Brömmelmeyer, GRUR 2007, 295 (296); siehe auch Veelkens, WRP 2004, 1 (5), der darauf hinweist, dass das Ziel eines „reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts“ auch eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der marktbeteiligten Unternehmen impliziere. 144

118

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

benden, den Schutz von Konkurrenteninteressen sowie die Lauterkeit des Wettbewerbs insgesamt im Blick hatte, wird deutlich, wenn man die Erwägungsgründe näher betrachtet151. Zwar ist der in Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie genannte Schutz rechtmäßig handelnder Unternehmen vor Mitbewerbern lediglich ein mittelbarer, gleichwohl bleibt ein unmittelbarer Schutz von Mitbewerberinteressen dem Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten zugewiesen. Wie auch von Erwägungsgrund 6 bestätigt wird, sind diese außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie nicht gehindert, im Einklang mit dem sonstigen Gemeinschaftsrecht autonomes Recht zu setzen152. Gemäß S. 3 des Erwägungsgrunds erfasst und berührt die Richtlinie nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft unter Gewerbetreibenden beziehen. Die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln. Folgerichtig gewährt die UGP-Richtlinie in Art. 11 Abs. 1 S. 2 den Mitbewerbern Rechtsbehelfe und dokumentiert damit den mittelbaren Konkurrentenschutzansatz153. So musste das Bekenntnis zum integrierten Modell, das erst durch die UWG-Reform 2004 seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, nicht bereits wieder konterkariert werden. Eine unmittelbare Stärkung des Verbraucherschutzes lässt sich allein aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie nicht herauslesen. Allenfalls eine Signalwirkung lässt sich dem insofern entnehmen, als die umfassendste Regelung des europäischen Lauterkeitsrechts primär die Interessen der Verbraucher und nur reflexartig die der Unternehmer schützt154. Ob sich am Charakter des Verbraucherschutzes im UWG tatsächlich etwas geändert hat, kann indes nur anhand der konkreten Umsetzung der Richtlinie beantwortet werden.

II. Der Begriff der unternehmerischen Sorgfalt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG Zumindest begrifflich legt eine weitere Änderung nahe, dass im Lauterkeitsrecht nun unmittelbar vertrags- bzw. allgemein schuldrechtliche Wertungen gelten. Nach der Umsetzung der UGP-Richtlinie stellte der neue § 3 Abs. 2 UWG 2008 als ein 151 Vgl. Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 81 ff., 83, dem zufolge es den im Primärrecht verwurzelten gleichberechtigten Schutz aller Marktteilnehmer im Rahmen der Interpretation des vollharmonisierenden Durchschnittsverbraucherleitbilds der UGP-Richtlinie zu berücksichtigen gelte. 152 Seichter, WRP 2005, 1087 (1089); ebenso noch zu Erwägungsgrund 5 des Richtlinienvorschlags Ohly, GRUR 2004, 889 (891). 153 Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 83; damit wird die im deutschen § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG geregelte Klagebefugnis von Mitbewerbern ausdrücklich anerkannt, Seichter, WRP 2005, 1087 (1089). 154 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238 (239 f.).

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

119

Kriterium für die Unzulässigkeit einer geschäftlichen Handlung gegenüber Verbrauchern auf den Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt ab. Das Kriterium der „fachlichen Sorgfalt“ als Umsetzung der „beruflichen Sorgfalt“ im Sinne des Art. 2 lit. h UGP-Richtlinie155 war wiederum legaldefiniert in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG als „der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält“. Mit der neuerlichen Novelle 2015 verweist § 3 Abs. 2 UWG nunmehr auf den Begriff der „unternehmerischen Sorgfalt“ als Voraussetzung für die Unlauterkeit (statt zuvor für die Unzulässigkeit) einer geschäftlichen Handlung. Der Begriff der unternehmerischen Sorgfalt entspricht eher der von der Richtlinie intendierten Aufstellung eines allgemeinen Maßstabs für das Verhalten von Unternehmern gegenüber Verbrauchern. Auch ein Vergleich mit anderen Sprachfassungen der Richtlinie (engl. „professional diligence“; frz. „diligence professionelle“; ital. „diligenza professionale“) verdeutlicht, dass der Unionsgesetzgeber die Sorgfalt eines jeden Unternehmers (frz. „professionel“; frz. „professionista“) im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Verbraucher, mithin die unternehmerische Sorgfalt regeln wollte156. Auch die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG wurde im Zuge der Novelle 2015 leicht abgewandelt („Berücksichtigung der anständigen157 Marktgepflogenheiten“). Die Definition nähert sich dadurch der Richtlinienvorgabe an und stellt klar, dass es nicht auf bloße „Marktgepflogenheiten“ im Sinne einer Branchenüblichkeit, sondern eben auf die „anständigen Marktgepflogenheiten“ ankommt158. Da auch die bisherige Definition diesbezüglich richtlinienkonform auszulegen war159, führt die Neuerung nicht zu inhaltlichen Änderungen160. Dem deutschen Zivilrecht entsprechend könnte die Definition der unternehmerischen Sorgfalt dazu verleiten, den Begriff der Vertragspflichtverletzung bzw.,

155

Diese ist definiert als „der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet“. Der Begriff „berufliche Sorgfalt“ wurde durch „fachliche Sorgfalt“ ersetzt, da ein Beruf nach den Begriffsbestimmungen des deutschen Rechts nur von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann, die Sorgfaltspflichten im Sinne der Richtlinie aber auch juristische Personen treffen sollen. Zur Vermeidung uneinheitlicher Begriffsbildungen im Zivil- und Handelsrecht wurden deshalb die in der englischen und französischen Sprachfassung verwendeten Begriffe „professional diligence“ bzw. „diligence professionelle“ zum Zwecke der Richtlinienumsetzung als „fachliche Sorgfalt“ übersetzt, vgl. Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 21 f. 156 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 131; ders., WRP 2015, 1311 (1312). 157 Hervorhebung durch den Verfasser. 158 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 136. 159 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 136. 160 So auch Redeker/Pres, GRUR-Prax 2016, 7 (7).

120

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

genauer, der Fahrlässigkeit (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) zuzuordnen161. Eine neben diesem rein haftungsrechtlichen Bedeutungsgehalt bestehende Bedeutung und insbesondere ein Bezug zum Lauterkeitsrecht fehlte dem Begriff jedoch bisher162. Damit könnte sich das Lauterkeits- nun dem Vertragsrecht insofern angenähert haben, als schuldrechtliche Maßstäbe Anwendung finden. Auf die Bedeutung der unternehmerischen Sorgfalt für die Unlauterkeitsprüfung wird noch ausführlich zurückzukommen sein163. An dieser Stelle soll die Feststellung ausreichen, dass der Begriff an sich jedenfalls nicht zwingend zu einer Übernahme schuldrechtlicher Wertungen führt. Auch gemäß Art. 10bis Abs. 2 PVÜ, an den schon bisher bei Bestimmung der Unlauterkeit angeknüpft wurde164, fällt unter unlauteren Wettbewerb jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel zuwiderläuft. Die Unlauterkeit war demnach normativ zu bestimmen165. Die ähnlichen Untertatbestandsmerkmale der Definition in Art. 2 lit. h der UGP-Richtlinie ebenso wie diejenigen der Umsetzung in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG („Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten“, „Billigkeit“, „Treu und Glauben“), sind ebenfalls normativ aufzufüllende Begriffe, die sich genauso an einer funktionalen Betrachtung des UWG orientieren müssen wie der Begriff der Unlauterkeit selbst166. Davon, dass sich der Begriff der fachlichen bzw. nunmehr unternehmerischen Sorgfalt mit demjenigen der Lauterkeit inhaltlich deckt, geht nicht nur die Literatur167, sondern anscheinend auch die Gesetzesbegründung aus, derzufolge durch die Berücksichtigung der beruflichen Sorgfalt keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage verbunden sein dürften168. Eine Ausweitung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs in den Bereich des Schuldrechts muss also allein in dieser begrifflichen Annäherung nicht gesehen werden169. 161 Vgl. Scherer, WRP 2009, 761 (762); Kulka, DB 2008, 1548 (1553); Ahrens, FS Loewenheim, 407 (410). 162 Gloy/Loschelder/Erdmann, Hdb. des Wettbewerbsrecht, § 38, Rn. 4; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Schünemann, UWG, 2. Aufl., § 3, Rn. 181; vgl. auch Gamerith, WRP 2005, 391 (417). 163 Siehe unten 4. Kapitel, B., I., 2., a). 164 Vgl. Begr GesE BT-Drucks. 16/10145, 15; Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 16. 165 Siehe Kulka, DB 2008, 1548 (1553 f.); vgl. auch Seichter, WRP 2005, 1087 (1090). 166 Vgl. Dohrn, Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung, 95; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5, Rn. 27; vgl. auch Scherer, WRP 2009, 761 (765). 167 Vgl. zum Begriff der fachlichen Sorgfalt Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 15; HarteBavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, 3. Aufl., § 2, Rn. 180; MüKo-Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 43; wohl auch Kulka, DB 2008, 1548 (1553 f.). 168 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 15. 169 Laut Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 43, kann dagegen aus der Parallelität des Begriffs der fachlichen Sorgfalt zur zivilrechtlichen Fahrlässigkeit auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs des UWG auf die Verletzung von vertraglichen Pflichten im nachvertraglichen Bereich geschlossen werden. Später spricht sie sich jedoch im Anschluss

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

121

III. Die „geschäftliche Handlung“ als Umsetzung der „Geschäftspraktiken“ – erstmalig konsequent unmittelbarer Verbraucherschutz Große Bedeutung könnte allerdings den „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern“ im Sinne des Art. 2 lit. d UGPRichtlinie bzw. der „geschäftlichen Handlung“ gemäß der Umsetzung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zukommen. Letztere hat die „Wettbewerbshandlung“ ersetzt und ist damit seit 2008 der Zentralbegriff des Lauterkeitsrechts. Die europäische Vorgabe definiert die genannten Geschäftspraktiken als „jede Handlung, Duldung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“. Der deutschen Umsetzung zufolge ist geschäftliche Handlung „jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt“. Auffällig ist zunächst eine begriffliche Abweichung der Umsetzungsnorm: der in der Richtlinie verwendete Begriff „geschäftliche Praxis“ oder gar „Praktiken“ wurde gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs deshalb nicht übernommen, weil dem Terminus „Geschäftspraktiken“ in der deutschen Sprache eine abwertende Bedeutung zukomme170. Relevanter sind indes die inhaltlichen Änderungen im Vergleich zur bisherigen Wettbewerbshandlung: So ersetzt zum einen die umfassendere Formulierung „Verhalten“ das bisherige Wort „Handlung“, wodurch zum Ausdruck gebracht werden soll, dass als geschäftliche Handlung gleichermaßen ein positives Tun wie auch ein Unterlassen in Betracht kommen171. Eine Änderung ergibt sich damit insofern nicht, als bereits bisher ein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einem positiven Tun oder auch in einem Unterlassen bestehen konnte, solange den Handelnden eine Erfolgsabwendungspflicht trifft172. Zum anderen und deutlich bedeutender für die vorliegende Untersuchung ist, dass nun Verhalten „vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss“ erfasst ist, das in einem „objektiven Zusammenhang“ statt einem finalen Zurechnungszusammenhang („mit dem Ziel“) nicht nur – wie bisher – mit der „Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen“, sondern eben auch

an Scherer, WRP 2009, 761 (765), dafür aus, dass der Begriff nicht für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Lauterkeitsrechts in den Bereich des Leistungsstörungsrechts herangezogen werden kann, 164. 170 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 20. 171 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 20. 172 So z. B. BGH GRUR 2001, 82 (83) – Neu in Bielefeld I; vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 21; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 12.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

„mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen“ steht173. Die Phase „nach einem Geschäftsabschluss“ bei der „Durchführung eines Vertrags“ betrifft offensichtlich das Vertikalverhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher. Damit könnte das UWG nun tatsächlich nach Vertragsschluss in Konstellationen anwendbar sein, in denen es (zumindest unmittelbar) ausschließlich um die Interessen des betroffenen Verbrauchers geht. 1. Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf die Zeit nach Vertragsschluss Anders als in der deutschen Umsetzung ist die Erstreckung auf Verhaltensweisen nach Vertragsschluss in der Definition der Geschäftspraktiken explizit nicht erwähnt174. Diese erschließt sich allerdings aus Art. 3 Abs. 1 UGP-Richtlinie, demzufolge die Richtlinie „für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Art. 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ gilt. Zudem soll gemäß Erwägungsgrund 13 S. 3 der UGP-Richtlinie zur „Förderung des Verbrauchervertrauens […] das generelle Verbot für unlautere Geschäftspraktiken sowohl außerhalb einer vertraglichen Beziehung zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern als auch nach Abschluss eines Vertrags und während dessen Ausführung gelten“. Im Übrigen beziehen sich einige Tatbestände der Richtlinie auf den Zeitraum nach Vertragsschluss, wie die unmittelbar nachfolgende Untersuchung zeigen wird. Dabei lässt sich differenzieren zwischen Verhalten nach Vertragsschluss und nachvertraglichen Wirkungen. Diese Unterscheidung ist bereits in Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG selbst angelegt, wo die Verhaltensweise/das Verhalten einerseits durch einen unmittelbaren/objektiven Zusammenhang verknüpft ist mit der Lieferung eines Produkts/Durchführung eines Vertrags andererseits. Vor diesem Hintergrund soll die Richtlinie untersucht und in Tatbestände, die nachvertragliche Wirkungen bzw. nachvertragliches Verhalten beschreiben, unterteilt werden. Prüfungssystematisch beschreibt das Vorliegen einer Geschäftspraxis zunächst nur eine von zwei Voraussetzungen, unter denen der – letztlich entscheidende – Verbotstatbestand des Art. 5 Abs. 1 UGP-Richtlinie eingreift. Es muss eine Geschäftspraxis vorliegen und diese muss unlauter sein175. Die Unlauterkeit einer Geschäftspraxis wird sodann in Abs. 2 generalklauselartig umschrieben. Abs. 4 nennt präzise Kategorien unlauterer Geschäftspraktiken und Abs. 5 verweist auf den Anhang I der Richtlinie, der eine Liste von Geschäftspraktiken enthält, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind176. Weil sich die Rechtsanwendung, 173 174 175 176

Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 20 f. Krit. hierzu Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 142. Alexander, GRUR Int. 2010, 1025 (1026). Vgl. Alexander, GRUR Int. 2010, 1025 (1027).

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

123

d. h. die Prüfung der Unlauterkeit in umgekehrter Reihenfolge vollzieht, soll jeweils zunächst auf die Tatbestände der sog. „Schwarzen Liste“, dann auf diejenigen der Art. 6 ff. UGP-Richtlinie eingegangen werden. Am Ende sollen jeweils die Erwägungsgründe im Hinblick auf nachvertragliche Handlungen bzw. Wirkungen untersucht werden. a) Nachvertragliche Wirkungen Gemäß Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn „sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht“ (lit. a) und – hierauf kommt es an dieser Stelle an – „sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers […] wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen“ (lit. b). Die „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ wiederum ist in Art. 2 lit. e UGP-Richtlinie definiert als „die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Der darin enthaltene Bezugspunkt der „geschäftlichen Entscheidung“ beschreibt gemäß Art. 2 lit. k UGPRichtlinie „jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen“. Entscheidend ist mithin die Wirkung einer Verhaltensweise auf eine der vorgenannten Entscheidungen. Darüber, ob der Verbraucher eine Zahlung leisten, ein Produkt behalten oder ein vertragliches Recht ausüben will, muss er zweifellos nach Vertragsschluss entscheiden. Fälle, die die Auswirkungen auf eben solche Entscheidungen betreffen, enthält zunächst die – im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG umgesetzte177 – Liste der stets unlauteren Geschäftspraktiken in Anhang I der UGP-Richtlinie. Stets unlauter irreführend ist etwa gemäß Nr. 1 des Anhangs I die Behauptung eines Gewerbetreibenden, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodex zu gehören, obgleich dies nicht der Fall ist. Zwar dürfte eine solche unwahre Angabe eines Unternehmers regelmäßig den Sinn haben, dem Kunden vor Vertragsschluss eine besondere Kundenfreundlichkeit darzulegen. Gleichwohl kann sie – egal, ob vor oder nach Vertragsschluss erfolgt – durch ein gesteigertes Verbrauchervertrauen Auswirkungen auf die Zahlung durch den Verbraucher bzw. auf dessen Entscheidung über die Ausübung seiner Rechte tätigen178. Selbiges kann für Nr. 3 gelten179, die die Be177

Vgl. ausführlich zu den nachvertraglichen Aspekten des § 3 Abs. 3 UWG Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 171 ff. 178 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 171 f.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

hauptung betrifft, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen Stelle gebilligt, obgleich dies nicht der Fall ist. Nr. 2 missbilligt die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung. Die vertrauensfördernde Wirkung bezieht sich hier mehr auf den Leistungsgegenstand. Der Verbraucher könnte zu der Ansicht gelangen, das Produkt sei von geprüfter Qualität, was sich wiederum auf die Entscheidung des Verbrauchers über die Zahlung sowie insbesondere die Geltendmachung seiner Rechte auswirken kann, unabhängig davon, wann die Behauptung erfolgt180. Auf das Vertrauen des Verbrauchers in den Unternehmer, dessen Handlungen und Produkte wirkt sich auch die in Nr. 4 angesprochene Drittanerkennung aus, was sich dann wiederum (auch) auf die nachvertraglichen Entscheidungen des Verbrauchers auswirken kann181. Ein weiteres, wenngleich untypisches Beispiel ist schließlich die gemäß Nr. 9 stets unlautere Behauptung oder anderweitige Herbeiführung des Eindrucks, ein Produkt könne rechtmäßig verkauft werden, obgleich dies nicht der Fall ist. Der falsche Eindruck von Verkehrsfähigkeit kann sich auf nachvertragliche Entscheidungen des Verbrauchers auswirken. Insbesondere kann er der Auffassung des Verbrauchers entgegenwirken, ein illegales Geschäft getätigt zu haben und dieses in der Folge rückgängig machen zu wollen. Die Auswirkungen beziehen sich dann jedoch nur vermeintlich auf nachvertragliche Rechte. Tatsächlich gab es wegen dessen Nichtigkeit gemäß § 134 BGB nie einen Vertrag und die Auswirkungen auf den Wunsch der Rückabwicklung beziehen sich bei Lichte betrachtet auf gesetzliche Rechte182. Es ist festzuhalten, dass sich die genannten Fälle auf nachvertragliche Entscheidungen und sogar auf tatsächlich nachvertragliches Verhalten beziehen können. Originär liegt den bisher aufgeführten Tatbeständen des Anhangs aber eine Situation zugrunde, in der der Verbraucher durch vorvertragliches Verhalten des Unternehmers im Hinblick auf seine Entscheidung über den Vertragsschluss beeinflusst wird. Tatsächlich gibt es jedoch auch Tatbestände, die vorwiegend die Auswirkungen nach Vertragsschluss im Blick haben. Zwar gilt auch für viele der in Art. 6 Abs. 1 UGPRichtlinie aufgezählten irreführenden Angaben, dass diese auch nach Vertragsschluss relevant werden können183. Einige der dort genannten Angaben beziehen sich aber besonders deutlich auf nachvertragliche Rechte. Damit angesprochen sind unwahre oder anderweitig täuschende Angaben z. B. zu Kundendienst und Beschwerdeverfahren sowie Lieferung (lit. b), den Umfang der Verpflichtungen des 179 180

172 f. 181

173 ff.

Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 173. Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss,

182 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 181 ff.; siehe im Übrigen ausführlich zum Begriff der Verkehrsfähigkeit Leible, GRUR 2010, 183 (185 ff.). Zur Frage, ob die „vertraglichen Rechte“ im Sinne des Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie auch gesetzliche Rechte erfassen vgl. 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (2). 183 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 156.

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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Gewerbetreibenden (lit. c) oder die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur (lit. e). Insbesondere lit. g erklärt sogar explizit unwahre oder anderweitig täuschende Angaben über Rechte des Verbrauchers einschließlich des Rechts auf Ersatzlieferung oder Erstattung gemäß der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für irreführend. Auch Informationen betreffend die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie das Verfahren zum Umgang mit Beschwerden gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. d UGP-Richtlinie betreffen offensichtlich die Abwicklung des Vertrages. Selbiges gilt für die in Art. 7 Abs. 4 lit. e UGP-Richtlinie geforderte Information über ein bestehendes Rücktritts- oder Widerrufsrecht. Nachvertragliche Bezugspunkte finden sich ebenfalls in den Art. 8 und 9 UGPRichtlinie zu den aggressiven Geschäftspraktiken. Gemäß Art. 9 lit. d UGP-Richtlinie ist bei der Feststellung, ob im Rahmen einer Geschäftspraxis die Mittel der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder der unzulässigen Beeinflussung eingesetzt werden, abzustellen auf belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht. Hierzu gehört auch das Recht, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden zu wechseln. b) Nachvertragliches Verhalten Die Richtlinie knüpft aber teilweise tatbestandlich auch explizit an nachvertragliches Verhalten an. In Betracht kommt in diesem Zusammenhang zunächst Nr. 8 des Anhangs I. Danach ist es stets unlauter, wenn Verbrauchern, mit denen der Gewerbetreibende vor Abschluss des Geschäfts in einer Sprache kommuniziert hat, bei der es sich nicht um eine Amtssprache des Mitgliedstaats handelt, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, eine nach Abschluss des Geschäfts zu erbringende Leistung zugesichert wird, diese Leistung aber nur in einer anderen Sprache erbracht wird, ohne dass der Verbraucher eindeutig hierüber aufgeklärt wird, bevor er das Geschäft tätigt. Hier ist nicht unumstritten, ob es sich um die Bewertung vor- oder nachvertraglichen Verhaltens handelt. Einer Ansicht zufolge liegt der eigentliche Anknüpfungspunkt für die irreführende Handlung in der Vertragsverhandlung. Dem Kunden werde im Rahmen der ursprünglichen Verhandlungen suggeriert, dass auch spätere Kundendienstleistungen in der Verhandlungssprache erbracht werden, wodurch das Angebot insgesamt attraktiver erscheine184. Nach anderer Ansicht ist es gerade die Kundendienstleistung nach Vertragsschluss, die den Anknüpfungspunkt bildet185. Tatsächlich betont die Gesetzesbegründung, dass die Bestimmung Kundendienstleistungen, also nachvertragliche Serviceleistungen betrifft. Gleichwohl macht eben die Gesetzesbegründung auch klar, dass die Irrefüh184

Gloy/Loschelder/Erdmann/Dörre, § 47, Rn. 25; Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 181; auch Scherer, WRP 2009, 761 (763 f.). 185 Köhler, WRP 2007, 1393 (1396); Schöttle, GRUR 2009, 546 (546, Fn. 11); Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 47.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

rung bei dieser Vorschrift in der enttäuschten Erwartung des Verbrauchers besteht, auch die Kundendienstleistungen würden in der von der Landessprache des Unternehmers abweichenden, vor dem Abschluss des Geschäfts verwendeten Sprache erbracht186. Die Handlung, die missbilligt wird, ist also eine vorvertragliche. Vergleichbares gilt für Nr. 23, die das Erwecken des fälschlichen Eindrucks betrifft, dass der Kundendienst im Zusammenhang mit einem Produkt in einem anderen Mitgliedstaat verfügbar sei als demjenigen, in dem das Produkt verkauft wird. Tatsächlich nachvertragliches Verhalten betrifft indes Nr. 27. Danach ist es unlauter aggressiv, wenn der Unternehmer einen Verbraucher, der eine Versicherungspolice in Anspruch nehmen möchte, auffordert, Dokumente vorzulegen, die vernünftigerweise nicht als relevant für die Gültigkeit des Anspruchs anzusehen sind. Ebenso unlauter ist demnach die systematische Nichtbeantwortung einschlägiger Schreiben, um so den Verbraucher von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten. Zwar wird auch hierzu vertreten, dass der Schwerpunkt der Vorschrift vor Vertragsschluss liege. Das beschriebene Verhalten lasse sich unter den Gesichtspunkt der Kundentäuschung über die eigene Leistungsbereitschaft subsumieren. Insofern handle es sich um vorvertragliches Verhalten, das lediglich die Eigenart habe, erst nach Vertragsschluss durch die Leistungsverweigerung erkennbar zu werden187. Entgegen dieser Auffassung – vergleichbar dem Argumentationsmuster des planmäßigen Gesamtverhaltens188 – beschreibt der Tatbestand aber einen eigenständigen lauterkeitsrechtlichen Anknüpfungspunkt, nicht lediglich den Teil eines weiter zu fassenden Vorgehens. Der Tatbestand stellt unmittelbar auf die eindeutig nachvertragliche „Aufforderung“ bzw. die nachvertragliche „systematische Nichtbeantwortung“ ab. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass gemäß Art. 3 Abs. 1 UGPRichtlinie explizit Verhaltensweisen nach Vertragsschluss erfasst sind, erscheint es allzu konstruiert, den an sich deutlichen Wortlaut so zu interpretieren, dass letztlich vorvertragliches Verhalten bewertet wird. Es geht mithin um unlauteres Verhalten nach Vertragsschluss bei der Geltendmachung eines Anspruchs189. Unlauter ist weiterhin gemäß Nr. 29 die Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen). Der Fall weist zumindest eine gewisse Nähe zur nachvertraglichen Durchsetzung von Ansprüchen auf. Lediglich aufgrund des sehr weitgehenden § 241a Abs. 1 BGB bzw. der zugrundeliegenden Richtlinienvor186

Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 31 f. So Scherer, WRP 2009, 761 (764); in den Zusammenhang eines Vorsprungs im Wettbewerb stellt den Fall Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311 (1326); vgl. auch Klug, Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Spanien, 14, Fn. 63; ein vorvertragliches Verhalten sieht auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 162. 188 Vgl. oben 1. Kapitel, C., II., 1., a). 189 Vgl. Köhler, WRP 2009, 898 (904, Fn. 30); Schöttle, GRUR 2009, 546 (546, Fn. 11); Ohly/Sosnitza, UWG, Anhang (zu § 3 Abs. 3), Rn. 69. 187

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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schrift190 kommt es selbst bei Zueignungs- und Gebrauchshandlungen nicht zu einem Vertragsschluss191. In diesen Fällen, in denen nach den allgemeinen Grundsätzen bereits ein Vertrag geschlossen wäre, kann damit die Aufforderung des Verbrauchers zu Zahlung oder Rücksendung im Sinne der Nr. 29 nicht als nachvertraglich bezeichnet werden192. Im Rahmen der konkretisierenden Tatbestände unlauterer Geschäftspraktiken gemäß Art. 5 Abs. 4 UGP-Richtlinie sticht des weiteren Art. 9 lit. d UGP-Richtlinie hervor, der die allgemeine Regelung zu Nr. 27 Anhang I UGP-Richtlinie bildet193. Danach ist auf belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art abzustellen, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht. Solche Hindernisse dürften praktisch zu großen Teilen auch dann errichtet werden, wenn der Verbraucher seine Rechte (nach Vertragsschluss) tatsächlich geltend machen will. Schließlich wird nachvertragliches Verhalten über Art. 7 Abs. 4 und 5 UGP-Richtlinie erfasst, der eine Reihe von Informationen nennt, die dem Verbraucher zu gewähren sind. Hier enthalten sind auch Informationspflichten, denen noch nach Vertragsschluss nachzukommen ist194. 2. Versuche einer einschränkenden Auslegung Ganz offensichtlich geht die UGP-Richtlinie davon aus, dass sowohl nachvertragliche Auswirkungen auf die Verbraucherentscheidung als auch nachvertragliche Verhaltensweisen an sich dem Lauterkeitsrecht unterfallen. Für das deutsche UWG spricht bereits die Schlüsselnorm des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG insofern eine noch deutlichere Sprache, als sie bereits nach dem Wortlaut Verhalten nach Vertragsschluss umfasst. Es steht damit außer Frage, dass das UWG nun auch nach Vertragsschluss und damit in einer Phase anwendbar ist, die bisher nach herrschender Meinung dem Vertragsrecht vorbehalten war195. Damit ist freilich noch nicht beantwortet und daher zu klären, wie weit die Anwendbarkeit des UWG im traditionell vertragsrechtlichen Terrain konkret reicht bzw. ob und wie das UWG gleichwohl auf 190

Siehe oben 2. Kapitel, A., II., 3. Palandt-Grüneberg, BGB, § 241a, Rn. 6. 192 Anscheinend a.A. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 48 f. 193 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 134; Scherer, WRP 2009, 761 (764), sieht auch hier eine Kundentäuschung über die eigene Leistungsbereitschaft oder eine Nötigung zur Fortsetzung des Vertrages trotz Beendigungswillens des Verbrauchers, was zu neuem Absatz führe und sich nicht lediglich in der Erfüllung des bereits vorhandenen Vertrages erschöpfe. 194 Siehe dazu ausführlich 2. Kapitel, B., IV. 195 Ein besonders drastisches Hineinreichen des Lauterkeitsrechts in den Bereich inter partes fürchtet Armgardt, WRP 2009, 122 (127), der einen Funktionswandel des Lauterkeitsrechts und damit einen weiteren Schritt zur „Verabschiedung der Privatrechtsgesellschaft“ sieht. 191

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

eine charakteristisch „wettbewerbsrechtliche“ Art von den Regelungen des Vertragsrechts abzugrenzen ist. Wenig ergiebig ist in diesem Zusammenhang Art. 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie. Dieser besagt, dass die UGP-Richtlinie das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrages unberührt lässt. Ebenso wie Erwägungsgrund 9196 lässt sich Art. 3 Abs. 2 der UGP-Richtlinie zum Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht jedoch allenfalls entnehmen, dass lauterkeitsrechtlich nicht existenziell in das vertragliche Verhältnis in der Art eingegriffen werden darf, dass sich das UWG direkt auf den Bestand des Vertrages und die sich aus diesem ergebenden Rechte an sich auswirkt. Das ist aber nicht allein dadurch der Fall, dass das UWG auch nach Vertragsschluss anwendbar ist. Insofern spricht Art. 3 Abs. 2 der UGP-Richtlinie nicht gegen eine „zweigleisige“ Rechtszuständigkeit von Lauterkeits- und Vertragsrecht197. Eine restriktivere Handhabung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs könnte aber etwa unmittelbar aus dem Begriff der Geschäftspraktiken i.V.m. Art. 3 Abs. 1 UGP-Richtlinie folgen. Tatsächlich bietet die Richtlinie in dieser Hinsicht zumindest potentielle Anknüpfungspunkte, die nach dem UWG nicht unmittelbar ersichtlich sind. Insbesondere198 klingt das Merkmal des „unmittelbaren Zusammenhangs“ schon nach allgemeinem Sprachverständnis im Vergleich zu einem „objektiven Zusammenhang“ nach einem „Mehr“ an Zusammenhang. Dies bildet jedoch nur einen Ansatz von mehreren, bereits den Anwendungsbereich des UWG im nachvertraglichen Bereich einzuschränken. a) Marktbezogene Außenwirkung Einer Ansicht zufolge soll es weiterhin bei nachvertraglichem Verhalten darauf ankommen, ob dieses über das individuell-konkrete Vertragsverhältnis hinaus zumindest potentiell auch eine marktbezogene Außenwirkung entfaltet, etwa weil damit gerechnet werden muss, dass ein Unternehmen sich in gleichartigen Fällen in 196

„Diese Richtlinie berührt nicht individuelle Klagen von Personen, die durch eine unlautere Geschäftspraxis geschädigt wurden. Sie berührt ferner nicht die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften in den Bereichen Vertragsrecht, […]“. 197 Vgl. auch Scherer, WRP 2009, 761 (763). 198 Daneben legt der Wortlaut des Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie zunächst eine Beschränkung auf den kaufvertraglichen Bereich nahe („Absatzförderung“, „Verkauf oder Lieferung eines Produkts“), was jedoch durch die insofern weitere Formulierung des Art. 3 Abs. 1 UGPRichtlinie von „einem auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäft“ einer erweiternden Interpretation zu unterziehen ist. Vgl. Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 130, 141 f., der auch auf die weit gefasste Definition des Produktbegriffs in Art. 2 lit. c der UGPRichtlinie hinweist. Zudem ist statt der nun im UWG enthaltenen Passage der „Durchführung eines Vertrags“ die Sprache von der „Lieferung eines Produkts“, vgl. die Kritik hierzu bei Kulka, DB 2008, 1548 (1551 f.). Auch hier erhellt jedoch der Rückschluss aus dem Spektrum an lauterkeitsrechtlich geschützten geschäftlichen Entscheidungen, dass die „Lieferung“ nicht restriktiver verstanden werden kann als die „Durchführung des Vertrags“.

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

129

gleicher Weise verhält. Bloßes individuelles Fehlverhalten im Vertragsverhältnis solle dagegen noch keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche begründen. Gegeben sei marktbezogene Außenwirkung mithin, wenn Maßnahmen eine Vielzahl von Kundenbeziehungen betreffen und sie geeignet sind, neue Vertragspflichten zu begründen bzw. bestehende zu erweitern. Ebenso, wenn die Maßnahmen geeignet sind und dazu dienen, den bisherigen Kundenstamm zu erhalten199. Namentlich Keller wollte dabei im Rahmen seiner – inzwischen aufgegebenen200 – Auffassung sehr weitgehend die bisherige Rechtsprechung zu vertragsbezogenem Handeln heranziehen und sämtliche der bisherigen Argumentationsfiguren im Hinblick auf nachvertragliches Verhalten weiter verwenden201. Mit dem Erfordernis eines zumindest potentiellen Marktbezugs grenzte sich Keller zunächst graduell vom Ansatz Glöckners ab202, wonach ein objektiver Marktbezug im Sinne einer „Wettbewerbsrelevanz“203 zu fordern sei. Gleichwohl ähneln sich die Ansätze jedenfalls insofern, als der Blick weg von dem einzelnen Vertragsverhältnis, hin zu einer (potentiellen) Auswirkung in einer Reihe von Fällen gelenkt wird. Es verwundert daher nicht, dass auch Glöckner zufolge die von der Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunkte herangezogen werden können204. Glöckner begründet seine Ansicht mit Hilfe der Richtlinienterminologie. Schon in der durchgängigen Verwendung des Begriffs der Geschäfts-„Praktiken“ („commercial practices“, „pratiques commerciales“, „pratiche commerciali“) werde das der Richtlinie innewohnende zumindest stillschweigende Vorverständnis deutlich, dass das geschäftliche Verhalten eine gewisse Breitenwirkung und damit auch eine objektive Wettbewerbsrelevanz haben müsse205. Der europäische Gesetzgeber habe bei der Bestimmung der Tiefe des Zugriffsbereichs in Art. 5 Abs. 2 lit. b der UGPRichtlinie als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Geschäfts-„praxis“ einen „Durchschnittsverbraucher“ erreicht bzw. an eine „Gruppe von Verbrauchern“ gerichtet ist, was bei individuellem Geschäftsverhalten gegenüber Verbrauchern nicht der Fall sein könne206. Zudem mache Erwägungsgrund 9 der UGP-Richtlinie deutlich, dass die Richtlinie individuelle Klagen von Personen, die durch eine unlautere Geschäftspraxis geschädigt wurden, sowie die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften im Bereich des Vertragsrechts nicht berühre. Dies sei aber der Fall, 199

Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, 3. Aufl., § 2, Rn. 35. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 95, Fn. 426. 201 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, 3. Aufl., § 2, Rn. 35 ff., insbesondere 39 ff., mit umfangreicher Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung. 202 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, 3. Aufl., § 2, Rn. 35. 203 Diese sei nicht gleichzusetzen mit der bloßen Frage der Wiederholungsgefahr, Glöckner, WRP 2009, 1175 (1182). 204 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1182). 205 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1181). 206 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1181), der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass damit nicht eine – ähnlich dem Ansatz von Köhler – Heranziehung der materiellen Anforderungen des Art. 5 für die Bestimmung des Art. 3 UGP-Richtlinie erfolge. 200

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

würde jegliches Geschäftsverhalten im Einzelfall lauterkeitsrechtliche Folgen nach sich ziehen207. So sei eine gesonderte Regelung der vertragsrechtlichen Haftung für Werbeangaben, wie sie § 434 Abs. 1 S. 3 BGB enthalte, überflüssig, würde die lauterkeitsrechtliche Regelung auf jedes einzelne Individualrechtsverhältnis zurückschlagen208. Verhalten gegenüber Verbrauchern, das seiner Art nach auf nur einen Marktteilnehmer einwirken kann, sei daher im Ergebnis nicht ohne Weiteres dem Anwendungsbereich des UWG zu unterwerfen209. Mit gutem Grund habe der deutsche Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 UWG (in der bis zur Reform 2008 gültigen Fassung) nicht geregelt, dass die spürbare Beeinträchtigung der Interessen „eines“ Marktteilnehmers genüge210. Besonders deutlich hält Isele an der bisherigen Rechtsprechung fest, wenn er das Erfordernis eines bewussten Vorgehens entsprechend der Entscheidung Änderung der Voreinstellung I auch weiterhin voraussetzen möchte211. Darüber hinaus setzt auch Goldhammer am Merkmal des Marktbezugs an212. Verstanden als Erfordernis nach außen gerichteten Verhaltens, das auf das Marktgeschehen an sich, also auf den Wettbewerb, Einfluss nimmt, liege Marktbezug nur vor, wenn das Verhalten über das individuelle Vertragsverhältnis hinausreiche. Das Lauterkeitsrecht dürfe nicht in Verhaltensweisen eingreifen, die nur die individuelle Vertragsbeziehung betreffen213. Entscheidend für das Vorliegen eines Marktbezuges soll demnach – ganz im Sinne traditioneller Argumentationsmuster – sein, ob ein systematisches Verhalten oder ein Verhalten im Einzelfall vorliegt214. Schließlich hält Beater explizit an der Beschränkung des lauterkeitsrechtlichen Schutzes auf die Kollektivinteressen der Verbraucherschaft fest und verweist weitgehend auf die bisherige Rechtsprechung. Das UWG erfasse weder die individuellen Interessen des einzelnen Vertragspartners oder Verbrauchers noch die versehentliche Verletzung einer einzelnen Vertragspflicht215.

207

Glöckner, WRP 2009, 1175 (1181). Glöckner, WRP 2009, 1175 (1181). 209 Insofern anders als Köhler, WRP 2009, 898 (902). 210 Dagegen übernehme die Formulierung der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit „des Verbrauchers“ in Abs. 2 lediglich die in Art. 5 Abs. 2 lit. b der UGP-Richtlinie verwendete Diktion, während bereits im unmittelbar folgenden S. 2 wieder der „Durchschnittsverbraucher“ bzw. ein „durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe“ angesprochen ist, Glöckner, WRP 2009, 1175 (1181 f.). 211 Isele, GRUR 2010, 309 (309 f.); auch schon ders., GRUR 2009, 727 (729 f.). 212 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 188 ff. 213 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 188. 214 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 197 ff. 215 Beater, Unlauterer Wettbewerb (2011), § 12, Rn. 907: „Das UWG fragt allein nach den Kollektivinteressen der Verbraucherschaft.“ 208

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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b) Das funktionale Verständnis Köhlers Köhler sieht im „objektiven Zusammenhang“ den Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Interpretation. Sogar eine eher subjektive Lesart des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG hält er unter Geltung der UGP-Richtlinie durchaus noch für denkbar, erkennt aber an, dass eine Wettbewerbsförderungsabsicht – wie aus der Gesetzesbegründung ersichtlich216 – gerade nicht mehr erforderlich sein soll217. Gleichwohl soll aufgrund eines funktionalen Verständnisses ein objektiver Zusammenhang eines Verhaltens mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages in richtlinienkonformer Auslegung nur dann gegeben sein, wenn das betreffende Verhalten objektiv darauf gerichtet ist, eine „geschäftliche Entscheidung“ des Verbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers) zu beeinflussen218. Dieses gewissermaßen „objektiv-subjektive“ Verständnis gründet im Wesentlichen auf Erwägungsgrund 7 S. 1 und S. 2 der UGPRichtlinie219. Demzufolge bezieht sich die Richtlinie „auf Geschäftspraktiken, die in 216

Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 20 f., wonach es auf einen „finalen Zurechnungszusammenhang“ nicht mehr ankommt. 217 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 46; ders., WRP 2007, 1393 (1395); ders., WRP 2009, 109 (111). 218 Köhler, WRP 2009, 898 (899); ders., WRP 2009, 109 (111); ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 48, 77, 80; ders., WRP 2007, 1393 (1394 ff.); dem folgend BGH GRUR 2013, 945 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; OLG Hamm MMR 2008, 750 (751); Fezer/Büscher/Obergfell-Brönneke/Tavakoli, UWG, S 19, Rn. 318; jurisPK-Ernst, UWG, § 2, Rn. 19; Svigac, NJOZ 2013, 721 (721); auch Gloy/Loschelder/Erdmann, Hdb. des Wettbewerbsrechts, § 31, Rn. 59; Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 104 ff.; Klug, Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Spanien, 14 ff.; nunmehr auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 96; vgl. auch Isele, GRUR 2009, 727 (729); in Anknüpfung an Köhler sieht auch Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 150 ff., im Sinne eines „objektiv-funktionalen Interpretationskonzepts“ das (objektive) Ziel der Beeinflussung geschäftlicher Verbraucherentscheidungen als maßgeblich an; auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 3 ff., verlangt eine „objektive Finalität der Geschäftspraktik“, 6, ausführlich 60 ff.; Dohrn, Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung, 15 f., zufolge kommt es bei der Bestimmung des „unmittelbaren Zusammenhangs“ auf den „unmittelbaren Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf ein Produkt [Hervorhebungen im Original]“ an; vgl. noch zum Richtlinienentwurf auch Veelken, WRP 2004, 1 (7), der der Generalklausel des Richtlinienentwurfs trotz deren systematischer Stellung Bedeutung auch für den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie zumessen will, da Geschäftspraktiken, die zwar im Rahmen der Beziehung zwischen Unternehmen und Endverbrauchern angesiedelt sind, die aber nicht die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Verbraucher berühren, nicht zu „dem durch diese Richtlinie angeglichenen Gebiet“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des Entwurfs gehörten. Eine dem funktionalen Ansatz ähnliche, wenngleich weniger auf die Zielrichtung des Verhaltens abstellende Ansicht vertreten GK-Schünemann, UWG, Einl G, Rn. 174, sowie GKPeukert, UWG, § 2, Rn. 304, denen zufolge darauf abzustellen sein soll, ob das Verhalten (lediglich) objektiv geeignet ist, auf den Vertragspartner und dessen vertragsbezogene Entscheidung Einfluss zu nehmen. 219 Köhler, WRP 2009, 898 (899); ders., WRP 2009, 109 (111); ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 48, 77, 80; ders., WRP 2007, 1393 (1394 ff.).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen. Sie bezieht sich nicht auf Geschäftspraktiken, die vorrangig anderen Zielen dienen“. Für das Erfordernis einer derartigen Zielsetzung führt er weiter an, dass die Definition der Geschäftspraktiken in Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie als Beispielsfall einer Geschäftspraxis die „Werbung“ erwähnt. Werbung wiederum ist in Art. 2 lit. a der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung definiert, wo sich als wichtigstes Kriterium das Ziel der Äußerung, nämlich die Förderung des Absatzes finden lässt220. Im Ergebnis komme dem Erfordernis eines objektiven Zusammenhangs für Handlungen bei und nach Vertragsschluss eine echte Begrenzungsfunktion zu. Nur solche Handlungen bei Abschluss und Durchführung von Verträgen sollen erfasst sein, die das (objektive) Ziel haben, eine geschäftliche Entscheidung im Sinne des Art. 2 lit. k der UGP-Richtlinie herbeizuführen, also beispielsweise eine Zahlung zu leisten, eine Ware abzunehmen oder ein Recht auszuüben. Die bloße Nicht- oder Schlechterfüllung eines Vertrages dagegen stelle keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar221. Diese sei vorwiegend darauf gerichtet, eine vertragliche Schuld zum Erlöschen zu bringen222. Dass etwa die bloße Lieferung eines Produkts für sich allein keine geschäftliche Handlung darstellt, ergebe sich des Weiteren bereits aus der Definition der Geschäftspraktiken in Art. 2 lit. d UGPRichtlinie („Handlung […], die unmittelbar mit der […] Lieferung eines Produkts […] zusammenhängt223“)224. Mit diesem Ansatz ist zwar keine der bisherigen herrschenden Ansicht entsprechende Begrenzung auf den vorvertraglichen Bereich verbunden225, gleichwohl wird der Anwendungsbereich im Hinblick auf bestimmte Fälle nachvertraglichen Verhaltens eingeschränkt.

220

Köhler, WRP 2009, 109 (111); ders., WRP 2007, 1393 (1394 f.). Köhler, WRP 2009, 109 (111); dagegen sieht Svigac, NJOZ 2013, 721 (722 f.), die Schlechtleistung auch auf Basis des funktionalen Verständnisses als geschäftliche Handlung. 222 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 34, der allerdings eine Ausnahme für die offene Schlechtleistung machen will, weil es dem Unternehmer hier bei objektiver Betrachtung nur darum gehe, die Entscheidung des Vertragspartners über die Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs zu beeinflussen. 223 Hervorhebung durch den Verfasser. 224 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 81. 225 Köhler will im nachvertraglichen Bereich mit Hilfe einer restriktiveren Handhabung der Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr im Rahmen des § 8 Abs. 1 UWG, sowie mit Hilfe des Allgemeininteresses und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dafür sorgen, dass man „nicht aus jeder Mücke einer Vertragsverletzung einen Elefanten eines Lauterkeitsverstoßes“ macht, vgl. ders., WRP 2009, 898 (903); ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 86; dazu krit. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 177 f.; dazu später 4. Kapitel, B., II. und III., 4. 221

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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c) Ungeschriebenes Merkmal der „Verbraucherrelevanz“ Nach Ansicht Scherers geht die Richtlinie davon aus, dass es Überschneidungen des Lauterkeitsrechts mit dem Vertragsrecht überhaupt nicht geben kann226. Die als Argumentationsbasis für eine gegenteilige Auffassung in Frage kommenden, stets als unlauter geltenden Geschäftspraktiken der Nrn. 8, 27, 29 des Anhangs I ebenso wie Art. 9 lit. d der UGP-Richtlinie beträfen bei genauer Betrachtung Verhalten vor Vertragsschluss227. Ähnlichkeiten zum Ansatz Köhlers, den Scherer als systemwidrig ablehnt228, bestehen insofern, als auch hier die Lösung aus der Funktion des Verbrauchers am Markt folgen soll. Jeder marktrelevante Kontakt zwischen Unternehmer und Verbraucher werde umschrieben mit dem Begriff der kommerziellen Kommunikation. Diese kommerzielle Kommunikation sei stets gerichtet auf den Geschäftsabschluss zwischen dem Verbraucher und dem kommunizierenden Unternehmer. Neben dem Geschäftsabschluss als solchem sei aber auch jede wirtschaftliche „Verbesserung“ oder Erweiterung des Geschäftsabschlusses für den Unternehmer wirtschaftlich so gut wie ein neuer Geschäftsabschluss, wie sich dies in der Definition der geschäftlichen Entscheidung gemäß Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie niederschlage. Für die Beschreibung des Anwendungsbereichs folge daraus ein ungeschriebenes Merkmal der Verbraucherrelevanz. Relevante kommerzielle Kommunikation gegenüber dem Verbraucher liege nur vor, wenn diese auf die Tätigung oder wirtschaftliche „Verbesserung“ oder Erweiterung eines Geschäftsabschlusses durch eine weitere, zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers gerichtet ist. Dabei dürfe sich diese weitere, zusätzliche Entscheidung nicht in der bloßen Realisierung einer bereits zuvor getroffenen Entscheidung erschöpfen, wie etwa die bloße Erfüllung der eigenen vertraglichen Pflichten. Die Kaufpreiszahlung könne daher keine geschäftliche Entscheidung darstellen. Fälle bloßer Nicht- bzw. Schlechterfüllung könnten ebenfalls keine geschäftliche Handlung darstellen, solange nicht weitere Tatbestandsmerkmale hinzutreten, durch die auf die Willensbildung des Verbrauchers hinsichtlich einer weiteren, zusätzlichen und damit wettbewerbsrelevanten Entscheidung eingewirkt werden kann229. 3. Würdigung der Einschränkungsversuche a) Marktbezogene Außenwirkung All die bisherigen Argumentationsmuster der Rechtsprechung, mit denen ein Marktbezug auch dann begründet wurde, wenn der jeweilige Fall vertragsbezogenes Verhalten betraf, gründeten darauf, dass sich dieser Marktbezug gerade nicht aus dem

226 227 228 229

Scherer, WRP 2009, 761 (763 f.). Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel, B., III., 1, b). Scherer, WRP 2009, 761 (765 f.). Scherer, WRP 2009, 761 (766 f.).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

individuellen Verhältnis zum Verbraucher ergab bzw. ergeben konnte230. Dem entsprechen auch diejenigen Ansichten, die für das neue Recht weiterhin eine marktbzw. wettbewerbsbezogene Außenwirkung verlangen. Isele zufolge soll explizit die bisherige Argumentation mit dem Erfordernis eines bewussten Verhaltens fortgelten. Keller griff u. a. auf das Erfordernis einer Vielzahl betroffener Kunden sowie auf die Begründung neuer bzw. die Erweiterung bestehender Vertragspflichten zurück und zieht auch die frühere Rechtsprechung weitgehend heran. Glöckner zufolge ergebe sich die Wettbewerbsrelevanz gerade aus der „Breitenwirkung“ und Goldhammer verlangt einen Einfluss auf den Wettbewerb durch systematisches Vorgehen. Auch Beater zufolge sollen die bisherigen Argumentationsmuster fortgelten, während die individuellen Interessen des einzelnen Vertragspartners oder die versehentliche Verletzung einer einzelnen Vertragspflicht nicht durch das Lauterkeitsrecht erfasst seien. Eine geschäftliche Handlung kann indes nach neuer Rechtslage gerade auch im individuellen Verhältnis zum einzelnen Verbraucher erfolgen. Dagegen spricht zunächst nicht etwa der Wortlaut. Glöckner weist explizit auf die Trennung zwischen Anwendungsbereich und „Zugriffsbereich“ einer Richtlinie hin231. Umso mehr stellt sich dann die Frage, warum Art. 5 der UGP-Richtlinie (der das Vorliegen einer Geschäftspraxis nur voraussetzt) einen Rückschluss auf den Anwendungsbereich zulassen soll; zumal die in diesem Zusammenhang vorgenommene Argumentation mit dem Wortlaut an sich und die daraus gefolgerte Voraussetzung einer Breitenwirkung keineswegs zwingend ist. So spricht gerade Art. 2 lit. d der UGP-Richtlinie von der Lieferung „eines232 Produkts“ und auch in Art. 3 Abs. 1 der UGP-Richtlinie ist die Rede von einem einzelnen Handelsgeschäft. In diesem Sinne scheint dies dann auch der deutsche Gesetzgeber verstanden zu haben. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG verwendet ebenso wenig den Plural („Durchführung eines233 Vertrags“) wie § 3 Abs. 2 S. 1 UWG 2008 („Fähigkeit des Verbrauchers234) bzw. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG 2015 in Verbindung mit dem neuen § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG 2015 („jede Entscheidung eines235 Verbrauchers“). Für § 3 Abs. 2 S. 1 UWG 2008 erklärt Glöckner dies mit der bloßen Übernahme der Diktion der Richtlinie, während im unmittelbar folgenden Satz bereits wieder der „Durchschnittsverbraucher“ bzw. ein „durchschnittliches Mitglied einer Gruppe“ in Bezug genommen werde236. Letztlich beschreibt der „Durchschnittsverbraucher“ aber einen Maßstab, der keinerlei Aussage darüber trifft, wie viele Betroffene vorliegen müssen. Die Terminologie allein spricht mithin eher dafür, auch eine Betroffenheit des einzelnen Verbrauchers ausreichen zu lassen. Eine be230 231 232 233 234 235 236

Siehe dazu 1. Kapitel, C., II., 3. Glöckner, WRP 2009, 1175 (1177). Hervorhebung durch den Verfasser. Hervorhebung durch den Verfasser. Hervorhebung durch den Verfasser. Hervorhebung durch den Verfasser. Glöckner, WRP 2009, 1175 (1182).

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

135

lastbare Aussage dahingehend, dass es einer Vielzahl betroffener Verbraucher bedarf, ist dem Wortlaut jedenfalls nicht zu entnehmen. Im Übrigen wird gerade in der amtlichen Begründung der UWG-Novelle 2008 ausgeführt, dass in § 7 Abs. 2 UWG „die zahlreichen bisher verwendeten Pluralformen weitgehend durch Singularformen ersetzt“ wurden, um „klarzustellen, dass schon eine einzige Handlung eine unzumutbare Belästigung darstellen und zur Unzulässigkeit der Werbung führen kann“237. Schließlich hat inzwischen auch der EuGH klargestellt, dass es für das Vorliegen einer Geschäftspraxis völlig unbeachtlich ist, ob das Verhalten eines Gewerbetreibenden nur einmal vorgekommen ist und nur einen Verbraucher betroffen hat238. Auch die übrigen Einschränkungen im Hinblick auf Verhaltensweisen im einzelnen Vertragsverhältnis können nicht mehr aufrechterhalten werden. Ausdrücklich erfasst nun § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG Verhalten nach Vertragsschluss, das einen lediglich objektiven Zusammenhang239 mit der Durchführung des Vertrages aufweist. Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs ist eben gerade nicht mehr erforderlich. Die konsequente Anwendung des UWG auf den einzelnen Verbraucher innerhalb eines einzelnen Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer wird aber ausgehebelt, wenn trotzdem weiter ein (potentieller) Markt- oder Wettbewerbsbezug gefordert und auf die bisherigen konkurrentenschutzrechtlichen Argumentationsmuster der Rechtsprechung240 zurückgegriffen wird. Besonders deutlich lehnt sich Isele an das bisherige Erfordernis eines bewussten Vorgehens an und spricht sich für dessen Fortgeltung aus. Entgegen seiner Auffassung dürfte eine solche Fortgeltung des bisherigen Verständnisses auch nicht aus der Entscheidung Änderung der Voreinstellung II folgen. Im Gegenteil stellt der BGH in diesem Zusammenhang gerade fest, dass die bisherige Abgrenzung überholt ist241. Auch die von Isele angeführte Entscheidung ahd.de bietet nur ein schwaches Fundament für seine Ansicht. Hier erwähnt der BGH, dass sich die Anforderungen an eine geschäftliche Handlung im Vergleich zur bisherigen Wettbewerbshandlung nicht geändert hätten242. Dieser eher beiläufige Hinweis des Gerichts dürfte kaum mit der Gesetzesbegründung vereinbar sein. So stellt diese unmissverständlich klar, dass es auf etwaige Zielsetzungen einer 237 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 29; vgl. auch Köhler, WRP 2009, 898 (902); Ohly/ Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 66a. 238 EuGH GRUR 2015, 600 (601) – Ungarische Verbraucherschutzbehörde/UPC; auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 95, hat im Anschluss an den EuGH die in der Vorauflage vertretene Auffassung und das Erfordernis einer zumindest potentiellen marktbezogenen Außenwirkung inzwischen explizit aufgegeben (siehe dort Fn. 426) und verlangt nunmehr ein Verhalten, das geeignet ist, einen nachteiligen Einfluss auf eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers auszuüben. 239 Dazu sogleich 2. Kapitel, B., III., 4., a). 240 Siehe oben 1. Kapitel, C., II. 241 BGH MMR 2010, 248 (250) – Änderung der Voreinstellung II. 242 BGH GRUR 2009, 685 (689) – ahd.de, mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 2007, 987 (Rn. 32) – Änderung der Voreinstellung I.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Handlung nicht mehr ankommen kann243. Aus diesem Grund lehnt auch Goldhammer ein solches subjektives Merkmal ab244. Gleichwohl trägt ihre Forderung eines systematischen Vorgehens faktisch gerade ein solches subjektives Element in die Bestimmung des Anwendungsbereichs hinein. Goldhammer selbst erkennt, dass ein systematisches Verhalten begrifflich eine Bestimmung anhand subjektiver Kriterien nahelegt. Weil allerdings die Tatbestandsmerkmale der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG streng objektiv auszulegen seien, müsse ausschließlich anhand objektiver Kriterien bestimmt werden, ob dem in Rede stehenden Verhalten eine Systematik zugrunde liegt. Dabei solle das Vorliegen mehrerer gleichartiger Fälle desselben Unternehmers eine Systematik erkennen lassen. Ansonsten sei auf andere objektive Kriterien abzustellen, die nahelegen, dass es sich um den „ersten“ Fall einer Serie handelt. Als Kriterien in Betracht kämen hier z. B. Absprachen mit den Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens oder Anweisungen an diese, Äußerungen des Unternehmers gegenüber Dritten, während andererseits z. B. die Rüge der Verhaltensweise eines Mitarbeiters, Hör- oder Verständnisfehler, Verschreiben, Personalausfall oder technische Störungen Indizien sein könnten, dass es sich um einen bloßen Einzelfall handelt245. Tatsächlich wird damit aber das Vorliegen subjektiver Kriterien geprüft. Lediglich die objektive Feststellung, wann denn von einem systematischen Vorgehen ausgegangen werden kann, ändert daran nichts. Schließlich kann jedes subjektive Element notwendigerweise nur anhand objektiver Kriterien unterstellt werden. Auch spricht nicht etwa Nr. 27 Anhang I UGP-Richtlinie dafür, dass es eines systematischen Vorgehens bedarf, weil dieser eine „systematische Nichtbeantwortung einschlägiger Schreiben [fordert], um so den Verbraucher von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten“246. Im Gegenteil lässt sich aus diesem Tatbestand, ebenso wie aus Nr. 26 Anhang I UGP-Richtlinie („hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen“), im Umkehrschluss entnehmen, dass ein derartiges Kriterium generell eben nicht vorauszusetzen ist247. Gegen die Annahme eines lauterkeitsrechtlichen Schutzes des einzelnen Verbrauchers spricht schließlich auch nicht die Ausgestaltung der Sanktionen des UWG. Der Umstand einer lediglich durch Verbraucherverbände kollektiv gewährten Klageberechtigung – unabhängig von der noch zu diskutierenden Berechtigung und Sinnhaftigkeit dieses Umstands248 – darf nicht mit dem tatbestandlichen Schutz des einzelnen Verbrauchers vermengt werden. Schließlich sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers der materiell-rechtliche Schutz des einzelnen Verbrauchers gerade nicht auf das Sanktionssystem durchschlagen249. Es wird auch nicht 243

Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 20 f. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 191 ff., insbesondere 194 f. 245 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 198 ff. 246 So aber Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 204. 247 Köhler, WRP 2009, 898 (903). 248 Siehe dazu ausführlich 3. Kapitel, C., II., 3., b). 249 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 22; darauf verweist auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 82 f. 244

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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hinreichend klar, warum Erwägungsgrund 9 der UGP-Richtlinie ein grundsätzliches Nebeneinandertreten von lauterkeitsrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Normen ausschließen oder die Regelung des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ansonsten überflüssig werden soll. Allein die grundsätzliche Anwendbarkeit zweier Normkomplexe im Rahmen eines Lebenssachverhalts führt nicht zwangsläufig dazu, dass der Bezugspunkt deckungsgleich ist und die jeweiligen Wertungen einander widersprechen. Vielmehr kann die Art des jeweiligen Schutzes durchaus unterschiedlich sein. Die Anwendung des Lauterkeitsrechts nach Vertragsschluss auch im Rahmen eines einzelnen Vertragsverhältnisses hat nicht unbedingt zur Konsequenz, dass vertragsrechtliche Wertungen konterkariert werden250. b) Funktionales Verständnis Der funktionale Ansatz Köhlers und die damit verbundene Filterwirkung bereits auf Anwendbarkeitsebene hat in Rechtsprechung und Literatur viel Zustimmung erhalten und kann inzwischen als herrschende Meinung bezeichnet werden251. Er begegnet indes erheblichen Bedenken. Gegen diesen Ansatz wird zunächst eingewendet, die Argumentation mit Erwägungsgrund 7 S. 2 der UGP-Richtlinie überzeuge insofern nicht, als in dem voranstehenden Satz 1 gar nicht von „Zielen“ die Rede ist, auf welche sich die „anderen“ Ziele des Satzes 2 ohne Weiteres sprachlich beziehen ließen252. Zudem mache das anschließend in S. 2 genannte Beispiel der „kommerziellen, für Investoren gedachten Mitteilungen, wie Jahresberichte und Unternehmensprospekte“ deutlich, dass die mit einem wirtschaftlichen Verhalten verfolgten Ziele den Anwendungsbereich der Richtlinie weder begründen noch ausschließen könnten; am unmittelbaren Zusammenhang von Maßnahmen der Rechnungslegung und Berichterstattung mit geschäftlichen Entscheidungen der Investoren im Hinblick auf Geldanlagen lasse sich gar nicht zweifeln. Der in Satz 2 formulierte Ausschluss rechtfertige sich – in Konsistenz mit der verbraucherrechtlichen Zielsetzung der UGP-Richtlinie – dadurch, dass die durch solche Mitteilungen beeinflussten geschäftlichen Entscheidungen nicht konsumtiver, sondern investiver Natur seien. Die Betonung im Rahmen der „Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte“ im Sinne des S. 1, auf den sich S. 2 ja bezieht, liege auf dem „Verbraucher“ und den „Produkten“. Nicht jedoch lasse sich aus dem Erwägungsgrund ableiten, dass jegliche Zielsetzung jenseits der Beeinflussung der

250

C., II. 251

Siehe ausführlich zu den jeweiligen Wirkungsweisen von UWG und BGB 3. Kapitel,

Siehe oben Fn. 218. Glöckner, WRP 2009, 1175 (1180); Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 175. 252

138

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

geschäftlichen Entscheidung aus dem Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts ausscheidet253. In erster Linie wird damit im Rahmen des Erwägungsgrundes 7 zwischen Verbraucher- und Unternehmerentscheidungen unterschieden. Das spricht zugegebenermaßen auch nicht zwingend gegen das Erfordernis einer bestimmten Zielrichtung auf eine Entscheidung des angesprochenen Adressaten. Über den zuvor genannten Einwand hinaus sieht sich der funktionale Ansatz allerdings durchschlagenderer Kritik ausgesetzt. So erscheint das Erfordernis der „objektiven Gerichtetheit“ auf die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers in mehrerlei Hinsicht problematisch. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist ein „Ziel“ subjektiv konnotiert. Der Begriff lässt sich definieren als „etwas, worauf jemandes Handeln, Tun o.Ä. ganz bewusst gerichtet ist, was jemand als Sinn und Zweck, angestrebtes Ergebnis seines Handelns, Tuns zu erreichen sucht“254. Eine subjektive Finalität erfordert das neue Recht jedoch gerade nicht mehr, wie auch Köhler eingesteht255. Eine Verobjektivierung des Ziels256 dahingehend, dass die Zielgerichtetheit eine objektive sein soll, lässt sich schon mit dem Wortsinn eines Ziels nur schwer vereinbaren257. Im Übrigen erscheint eine derartige Unterscheidung kaum praktikabel vor dem Hintergrund, dass auch eine subjektive Zielrichtung ohnehin regelmäßig nur anhand objektiver Umstände zu bestimmen sein dürfte. Damit würden objektive und subjektive Elemente ineinander verschwimmen258. Wie eng diese doch eher konstruiert wirkende Unterscheidung nach subjektiven und objektiven Zielen an der bisherigen Rechtslage orientiert ist, wird in der Entscheidung Standardisierte Mandatsbearbeitung deutlich. Der BGH schließt sich hier in den Leitsätzen zunächst dem funktionalen Verständnis an, nur um dann im unmittelbaren Anschluss ausdrücklich die Entscheidung Ausschank unter Eichstrich II fortzuführen. Demnach solle für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung im Falle der Schlechtleistung erforderlich sein, dass der Unternehmer mit dieser auf eine Übervorteilung des Kunden abzielt und von vornherein nicht gewillt ist, sich an seine Ankündigungen zu halten259.

253

Glöckner, WRP 2009, 1175 (1180); Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 175 f. 254 Siehe http://www.duden.de/rechtschreibung/Ziel#Bedeutung3, zuletzt abgerufen am 1. April 2019. 255 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 46; ders., WRP 2007, 1393 (1395); ders., WRP 2009, 109 (111). 256 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1183), spricht von einer Reduzierung auf die „bloße Verobjektivierung der Finalität“. 257 Vgl. auch Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 66a: „ein[en] Widerspruch in sich“. 258 So will beispielsweise Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 73, zur Feststellung der objektiven Zielgerichtetheit, „soweit die äußeren Umstände aus der Sicht eines objektiven Dritten keine Zielgerichtetheit [Hervorhebung im Original] der Handlung erkennen lassen, […] hilfsweise auch auf die subjektiven Vorstellungen des Handelnden“ abstellen. 259 Siehe BGH GRUR 2013, 945 (945) – Standardisierte Mandatsbearbeitung.

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

139

Mag man insbesondere den sprachlichen Einwand noch für nicht zwingend erachten, wiegt aber jedenfalls die nachfolgend dargestellte systematische Problematik schwer. Der BGH etwa folgt dem funktionalen Verständnis und stellt ebenfalls in einem recht knappen Abschnitt auf den Erwägungsgrund 7 der UGP-Richtlinie ab260. Das überrascht nicht, besteht doch in der Praxis allgemein wenig Anlass, eine in der Literatur inzwischen nahezu einhellig vertretene Ansicht, die dazu zu praktisch nachvollziehbaren Ergebnissen führt, dogmatisch in Frage zu stellen. Tatsächlich stellt die Aussage des BGH, die vom funktionalen Ansatz abweichende Ansicht Sosnitzas261 lasse die unionsrechtlichen Umstände unberücksichtigt262, die Dinge aber gewissermaßen auf den Kopf. Vielmehr entspricht die strikte Trennung von Bestimmung des Anwendungsbereichs und erst anschließender Prüfung der Unlauterkeit viel eher der typischen Systematik, wie sie vielen unionsrechtlichen Regelungen und insbesondere eben auch der UGP-Richtlinie zugrunde liegt263. Der funktionale Ansatz vermengt durch den Bezug auf die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers bereits bei Bestimmung der Geschäftspraxis/geschäftlichen Handlung unzulässigerweise verschiedene Ebenen der Prüfung. Auch für das UWG bestimmt von jeher die Wettbewerbshandlung und nunmehr die geschäftliche Handlung den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts. § 3 UWG setzt zunächst voraus, dass eine solche geschäftliche Handlung vorliegt. Für ein Verbot der jeweiligen geschäftlichen Handlung mussten bis zur neuerlichen Reform 2015 noch deren „Unlauterkeit“ und „Unzulässigkeit“ hinzukommen. Nunmehr folgt gemäß § 3 Abs. 1 UWG die Unzulässigkeit unmittelbar aus der Unlauterkeit. Nach wie vor ist jedoch die geschäftliche Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG als solche und damit losgelöst von den Kriterien der Unlauterkeit definiert. Etwas weniger deutlich tritt diese Unterscheidung verschiedener Prüfungsebenen freilich in der UGP-Richtlinie hervor. So gilt diese entsprechend der Definition des Anwendungsbereichs in Art. 3 Abs. 1 für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Art. 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. Nimmt man die Regelung jedoch dahingehend ernst, dass die Richtlinie überhaupt nur anwendbar ist auf unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Art. 5, dann wird die Bestimmung des Anwendungsbereichs, wie sie die sekundären Gemeinschaftsrechtsakte infolge des Prinzips der begrenzten Einzelzuständigkeit zunächst vorzunehmen haben, mit der „Tiefe“ des Zugriffsbereichs der Richtlinie vermischt264. Stattdessen ist auch in der Richtlinie zu unterscheiden zwischen dem Vorliegen einer Geschäftspraxis und deren Unlauterkeit. Das Verbot 260

BGH GRUR 2013, 945 (946 f., Rn. 18) – Standardisierte Mandatsbearbeitung. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 23. 262 BGH GRUR 2013, 945 (946, Rn. 17) – Standardisierte Mandatsbearbeitung. 263 Siehe auch MüKo-Bähr, UWG, § 2, Rn. 155. 264 Auf diesen gesetzgebungstechnischen Fehler weist Glöckner, WRP 2009, 1175 (1177), hin, der die Definition in Art. 3 Abs. 1 der UGP-Richtlinie „entschlackt“, so dass sie nur noch „Geschäftspraktiken […] zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ umfasst. 261

140

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

unlauterer Geschäftspraktiken gemäß Art. 5 UGP-Richtlinie verbietet in Abs. 1 unlautere Geschäftspraktiken. Was Geschäftspraktiken sind, regelt Art. 2 lit. d UGPRichtlinie. Dagegen normiert Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie, wann eine Geschäftspraxis (deren Vorliegen separat zu klären ist) unlauter ist. Dies ist der Fall, wenn die Geschäftspraxis „den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht“ (lit. a) und „in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers […] wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen“ (lit. b). Für die letztgenannte Voraussetzung der Unlauterkeit kommt es also auf die „wesentliche Beeinflussung“ des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers an. Art. 2 lit. e UGP-Richtlinie definiert wiederum die „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ als „die Anwendung einer Geschäftspraxis [deren Vorliegen wiederum zuvor geprüft wurde265], um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Die geschäftliche Entscheidung und deren Beeinflussung, auf die die geschäftliche Handlung dem funktionalen Ansatz gemäß „objektiv gerichtet“ sein soll, ist daher nach der Richtliniensystematik dem Merkmal der Unlauterkeit zugeordnet. Der Begriff der Geschäftspraktiken, wie ihn Art. 2 lit. d der UGP-Richtlinie enthält, und wie er Vorbild für die „geschäftliche Handlung“ gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG war, ist der Frage der Unlauterkeitsprüfung vorgelagert266. An der Vermengung von Prüfungsstufen durch den funktionalen Ansatz ändert auch der dagegen vorgebrachte Einwand Köhlers nichts, es sei zwischen der (objektiven) Zielrichtung einer Handlung und der Frage zu unterscheiden, ob die Handlung auch geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen267. Auch dann bleibt es dabei, dass im Rahmen der Frage, ob eine geschäftliche Handlung bzw. eine Geschäftspraxis vorliegt, ein Aspekt in Bezug genommen wird, den weder Art. 2 lit. d der UGP-Richtlinie noch § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG voraussetzen268. Im Übrigen lässt sich bei besonders spitzfindiger Betrachtung selbst Erwägungsgrund 7 UGP-Richtlinie argumentativ für eine Trennung nach Prüfungsstufen heranziehen. Dieser spricht 265

Anmerkung durch den Verfasser. Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 23; ders., WRP 2008, 1014 (1017); MüKo-Bähr, UWG, § 2, Rn. 155; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 66a; Scherer, WRP 2009, 761 (766); auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 174. 267 Köhler, WRP 2009, 898 (899); ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 80; auch Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 153. 268 Ähnliches gilt hinsichtlich des Einwands von Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 62 f., die Beeinflussung als solche sei grundsätzlich neutral, weshalb auch kein die Unlauterkeit begründendes Merkmal in den Anwendungsbereich vorgezogen werde. Eine Vermengung unterschiedlicher, zu trennender Prüfungsstufen findet auch dann statt, wenn, wie dies bei GK-Schünemann, UWG, Einl G, Rn. 174, sowie GKPeukert, UWG, § 2, Rn. 304, der Fall ist, weniger auf eine objektive Zielrichtung, als vielmehr auf den Umstand abgestellt wird, ob das Verhalten (lediglich) objektiv geeignet ist, auf den Vertragspartner und dessen vertragsbezogene Entscheidung Einfluss zu nehmen. 266

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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nämlich von „Geschäftspraktiken“. Wenn bereits im Rahmen der Frage nach dem Vorliegen einer geschäftlichen Handlung bzw. Geschäftspraxis die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers zu berücksichtigen sein sollte, dann wäre die Fassung des Erwägungsgrundes in sich wenig stimmig, weil von einer Geschäftspraxis genau genommen noch gar keine Rede sein könnte. Insofern kann Erwägungsgrund 7 UGP-Richtlinie regelungssystematisch einwandfrei nur so gelesen werden, dass sich die Richtlinie in der Art auf Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen, bezieht, dass sie nur eben solche im Ergebnis missbilligt. Das erscheint auch insofern sachgerecht, als Erwägungsgründe einer Richtlinie nicht darauf abzielen, dogmatische Fragen zu klären. Sie beschreiben vielmehr lediglich – pragmatisch zielorientiert – die Motive und Ziele der dann folgenden Regelung im Ganzen. Selbst wenn man indes an der dogmatischen Aussagekraft von Erwägungsgrund 7 UGP-Richtlinie festhalten möchte, ergäbe sich nach dem funktionalen Ansatz ein weiteres Problem: S. 2 des Erwägungsgrunds spricht auch dann von Geschäftspraktiken, wenn diese anderen Zielen (als der Beeinflussung der Verbraucherentscheidung) dienen. Ebenso bezeichnen S. 3 und 4 auch solche Praktiken als Geschäftspraktiken, die die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen. In diesem Sinne schützt auch § 7 UWG nicht die Verbraucherentscheidung, sondern die Privatsphäre269. Die Norm hat eine von § 3 UWG gelöste Stellung und setzt eine Beeinflussung der Verbraucherentscheidung nicht voraus. Gleichwohl verlangt sie das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung. Insofern wäre es widersprüchlich, im Rahmen der geschäftlichen Handlung doch einen Bezug zur Verbraucherentscheidung zu fordern. Darüber hinaus spricht noch ein weiterer Umstand dafür, die Verbraucherentscheidung aus der geschäftlichen Entscheidung „herauszuhalten“. Denn wenn nicht bereits auf Anwendbarkeitsebene die Verbraucherentscheidung in Bezug genommen wird, lässt sich der integrierte Ansatz des UWG dogmatisch sauberer wahren. So sind mit Blick auf die Mitbewerber auch noch andere Interessen geschützt. Wenn man gleichwohl von einem einheitlichen Begriff der geschäftlichen Handlung ausgehen möchte, dann ist es naheliegend, eine weitere Differenzierung einheitlich erst auf Tatbestandsebene vorzunehmen270. Weiterhin spricht der von Köhler angeführte Wortlaut des Art. 2 lit. d UGPRichtlinie („Handlung […], die unmittelbar mit der […] Lieferung eines Produkts […] zusammenhängt271„)272 nicht zwangsläufig dagegen, auch allein in der Lieferung selbst eine Geschäftspraxis bzw. eine geschäftliche Handlung zu sehen. Gegen die 269

Siehe dazu unten 3. Kapitel, C., I., 3., b). Vgl. die von Hetmank, GRUR 2014, 437 (442); ders., GRUR 2015, 323 (326), geäußerten Bedenken bezüglich des Bezugs zur Entscheidung des Verbrauchers im Rahmen der geschäftlichen Handlung. 271 Hervorhebung durch den Verfasser. 272 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 81. 270

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

strikte Differenzierung zwischen Lieferung und Handlungen im Zusammenhang mit der Lieferung wird vorgebracht, dass auch im Hinblick auf die Variante der Absatzförderung allein die tautologische Fassung des Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie sprachlich missglückt, inhaltlich jedenfalls nicht ausschlaggebend sei273. Würde man unbedingt einen zusätzlichen Zusammenhang verlangen, könne genau genommen die Absatzförderung selbst keine geschäftliche Handlung sein. „Werbung und Marketing“ stellten nach allgemeinem Verständnis „Absatzförderung“ dar. Daraus folgend wäre Geschäftspraxis hier „jede Verhaltensweise […] einschließlich Absatzförderung […], die unmittelbar mit der Absatzförderung zusammenhängt“274. Dies könne schon deshalb nicht der Intention der Richtlinie entsprechen, weil Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie explizit bestimmt, dass „Werbung und Marketing“ eine geschäftliche Handlung darstellt. Insofern müsse auch der Anknüpfungspunkt selbst mit sich zusammenhängen275. Die vorgenannte Argumentation ist indes insofern nicht zwingend, als sie auf der Prämisse beruht, dass „Werbung und Marketing“ stets automatisch eine geschäftliche Handlung darstellen. Der Systematik des Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie entsprechend handelt es sich hier jedoch exakterweise nicht um Beispiele einer geschäftlichen Handlung, sondern um Beispiele einer kommerziellen Mitteilung, die wiederum eine von mehreren Varianten beschreibt („Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung“), die ganz allgemein das Tätigwerden des Gewerbetreibenden beschreiben und lediglich einen Teil der Definition einer geschäftlichen Handlung ausmacht. Die Werbung ist nicht per se geschäftliche Handlung, sondern wird dazu – wie alle anderen Varianten – erst durch den Zusammenhang zur Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher. Andernfalls müsste jede Handlung zugleich geschäftliche Handlung sein. An dieser systematischen Trennung von Anknüpfungspunkt (das Tätigwerden) und Bezugspunkt („Absatzförderung, […] Verkauf, […] Lieferung“) ändert auch der Umstand nichts, dass Werbung und Marketing freilich Paradebeispiele der Absatzförderung darstellen und den Zusammenhang mit eben dieser wohl stets in sich tragen. Gleichwohl geht es auch nach hier vertretener Ansicht fehl, sich entsprechend dem Argument von Köhler allzu sehr an der Bezeichnung des Bezugspunkts zu orientieren. Während der Begriff „Absatzförderung“ sehr abstrakt gehalten ist, beschreiben die beiden weiteren Begriffe „Verkauf“ und „Lieferung“ zwei sehr viel konkretere Bezugspunkte. Es dürfte aber nicht die Intention der Richtlinie sein, damit bereits eine Begrenzung des Anwendungsbereichs herbeizuführen. Im Gegenteil sollte damit wohl eher der weite zeitliche Anwendungsbereich abgebildet werden. Dies scheint im Übrigen auch der deutsche Gesetzgeber so gesehen zu haben, als er die wesentlich abstraktere Formulierung „Durchführung des Vertrags“ gewählt hat. 273 274 275

Svigac, NJOZ 2013, 721 (723). Svigac, NJOZ 2013, 721 (723). Svigac, NJOZ 2013, 721 (723).

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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Schließlich liefert die kürzlich erfolgte Neufassung des § 3 Abs. 2 UWG einen deutlichen Hinweis, dass es einer – wie auch immer gearteten – Zielrichtung/Gerichtetheit auf die Verbraucherentscheidung nicht bedarf. So stellt dieser nun – entsprechend Art. 5 Abs. 2 lit. b UGP-Richtlinie – im Verhältnis b2c Unlauterkeitsvoraussetzungen auf für „[g]eschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen276“. Dass demnach auch nur faktisch den Verbraucher betreffende Verhaltensweisen potentiell unlauter sein können, setzt notwendig voraus, dass sie nicht bereits auf Ebene der Anwendbarkeit herausgefiltert werden. c) „Verbraucherrelevanz“ Es wurde bereits herausgearbeitet, dass sich eine Reihe von Tatbeständen der UGP-Richtlinie auf Verhaltensweisen nach Vertragsschluss bezieht277. Entgegen der Ansicht Scherers kommt es damit zumindest zeitlich durchaus zu einer Überschneidung von Lauterkeits- und Vertragsrecht in dem Sinne, dass das Lauterkeitsrecht auch nach dem Vertragsschluss und innerhalb des Vertragsverhältnisses zur Anwendung kommt. Zu Recht betont Scherer die maßgebliche Bedeutung des Verbrauchers als Entscheider im Markt. Die Reichweite des neuen UWG legt allerdings nahe, dass das Lauterkeitsrecht eben nicht mehr nur diese Rolle des Verbrauchers im Wettbewerb der Marktgegenseite um den Vertragsabschluss schützt, sondern darüber hinausgeht. Die neue geschäftliche Handlung lässt ausdrücklich auch einen objektiven Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrages ausreichen. Relevante kommerzielle Kommunikation kann sich daher nicht darauf beschränken, dass diese auf die Tätigung oder wirtschaftliche „Verbesserung“ oder Erweiterung eines Geschäftsabschlusses durch eine weitere, zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers gerichtet ist. Die Entscheidung über eine Minderung etwa ist als vertragliches Recht von Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie erfasst, führt indes nicht zur Erweiterung eines Geschäfts und ist auch nicht, oder allenfalls äußerst mittelbar „wettbewerbsrelevant“. Noch deutlicher wird die Schwäche dieses Ansatzes, wenn Scherer die Entscheidung über die Zahlung als solche nicht unter die relevanten geschäftlichen Entscheidungen fassen will, da die – wettbewerbsrelevante – Entscheidung hier schon zuvor getroffen worden sei. Anders als bei den vertraglichen Rechten hat die Zahlung einer berechtigten Forderung nicht einmal mehr mittelbar einen Bezug zum Wettbewerb. Sie aber vom Spektrum relevanter geschäftlicher Entscheidungen auszunehmen, lässt sich kaum mit dem Wortlaut von Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie in Einklang bringen278. Viel näher liegt es, dass es der Richtlinie nicht nur um die Rolle des Verbrauchers als 276

Hervorhebung durch den Verfasser. Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 1., b). 278 So schon Köhler, WRP 2009, 898 (899, Fn. 7); ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 84; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 179 f.; auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 104. 277

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Entscheider des Wettbewerbs, sondern auch um seine Rolle als Entscheidungen treffender Vertragspartner geht279. Im Übrigen ist der Ansatz Scherers auch systematisch fragwürdig. Obwohl Scherer feststellt, der Ansatz Köhlers sei mit der Systematik der Richtlinie nicht zu vereinbaren280, soll das Kriterium der „Verbraucherrelevanz“ und damit der wettbewerbsrelevanten Verbraucherentscheidung gerade die „geschäftliche Handlung“ einschränken. Bezeichnenderweise verweist Scherer in diesem Zusammenhang auf die geschäftliche Entscheidung gemäß Art. 2 lit. k der UGP-Richtlinie und vermengt damit ebenfalls die Prüfung der Geschäftspraxis mit deren Unlauterkeit281. 4. Konsequent weitreichender Anwendungsbereich Der Versuch, eine Trennung von Lauterkeits- und Vertragsrecht bereits auf der Anwendbarkeitsebene vorzunehmen282, ist nachvollziehbar. Er entspricht der traditionellen kategorischen Abgrenzung von Vertrags- und Lauterkeitsrecht. Allerdings geht das neue UWG offensichtlich von einem deutlich weiteren Verständnis aus. a) Tatsächlich „objektiver“ Zusammenhang Unmissverständlich macht das UWG in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ebenso wie die UGPRichtlinie in Art. 2 lit. d i.V.m. Art. 3 Abs. 1 klar, dass auch Verhaltensweisen nach Vertragsschluss unter das Lauterkeitsrecht fallen. Ebenso klar ist, dass das Lauterkeitsrecht nunmehr die Durchführung des Vertrages erfasst. Entscheidende Bedeutung für die Frage, inwieweit sich der Anwendungsbereich des UWG erweitert hat, kommt damit dem Merkmal des objektiven Zusammenhangs zu. Dieses lässt einen gewissen Auslegungsspielraum zu. In Einklang mit der Richtlinie und der insofern eindeutigen Gesetzesbegründung erfordert das Merkmal jedenfalls keinen subjektiven finalen Zurechnungszusammenhang. Herausgearbeitet wurde auch bereits, dass der Zusammenhang kein funktionaler sein kann, der einen Bezug der Verhaltensweise zur Beeinflussung der Verbraucherentscheidung verlangt. Ein solches Verständnis entspricht nicht der Systematik der UGP-Richtlinie sowie des deutschen Lauterkeitsrechts. Ebenso wenig kann ein unmittelbarerer Kausalzusammenhang verlangt werden. Für den Bereich der Absatzförderung zeigt sich dies daran, dass in Art. 6 Abs. 1 lit. c UGPRichtlinie ausdrücklich das Sponsoring angesprochen und damit auch die nur mit-

279 280 281 282

Siehe auch Köhler, WRP 2009, 898 (899, Fn. 7). Scherer, WRP 2009, 761 (766). Scherer, WRP 2009, 761 (766 f.). Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 168, auch 188 f.

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

145

telbare Absatzförderung erfasst wird283. Der unmittelbare Zusammenhang kann darüber hinaus nicht im Sinne eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs verstanden werden284. Dagegen spricht aus der Perspektive eines effektiven Verbraucherschutzes, dass sich eine unlautere Einflussnahme285 oftmals nicht allein durch Zeitablauf erledigt286. Tatsächlich kann der Richtlinienbegriff des unmittelbaren Zusammenhangs die Verbindung zur Absatz-/Bezugsförderung bzw. zu Abschluss oder Durchführung eines Vertrages qualitativ nicht näher bestimmen. Stattdessen ist der „Unmittelbarkeit“ im Sinne der Richtlinienvorgabe nicht mehr zu entnehmen als eine Aussage über den personellen Rahmen, innerhalb dessen eine Verhaltensweise stattfindet. Art. 2 lit. d der UGP-Richtlinie definiert „Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern287“. In der Legaldefinition selbst ist die Rede von einem unmittelbaren Zusammenhang „mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher288“. Erwägungsgrund 6 der UGP-Richtlinie stellt klar, dass die Richtlinie lediglich Geschäftspraktiken betrifft, „die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Unternehmer mittelbar schädigen (S. 1). Dagegen erfasse und berühre die Richtlinie „nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen“ (S. 3). Es ist mithin denkbar und vor dem Hintergrund der Konzeption der UGP-Richtlinie vorzugswürdig, die „Unmittelbarkeit“ auf das Verhältnis b2c zu beziehen, d. h. auf Verhaltensweisen, die sich direkt im Verhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ereignen. Ein derartiges Verständnis vermengt nicht verschiedene Ebenen der Prüfung eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs. Es erklärt sich stimmig aus dem Umstand, dass die UGP-Richtlinie nur den Bereich b2c betrifft, mithin nur Verhaltensweisen direkt in dieser Beziehung. Gleichwohl kann der Verbraucher im Marktgeschehen, an dem weitere Unternehmen beteiligt sind und in dem sich aufgrund dieser Konstellation Interdependenzen zwischen Horizontal- und Vertikalverhältnis ergeben, durchaus auch mittelbar betroffen sein kann, d. h. durch Verhaltensweisen, die im Verhältnis b2b erfolgen. Der Begriff der Unmittelbarkeit leistet daher nicht mehr als die Abgrenzung zum b2b-Bereich289. Daher überzeugt es auch, dass der deutsche Gesetzgeber den Begriff des „objektiven“ Zusammenhangs gewählt hat. Auf diese Weise konnte berücksichtigt werden, dass das UWG nach wie vor nicht nur das Verhältnis 283 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 14; Schmidtke, Unlautere geschäftlichen Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 55 ff., insbesondere 56. 284 Zumindest angedacht ist dies bei Fezer/Büscher/Obergfell, § 2 Nr. 1, B., Rn. 136. 285 Diese ist freilich erst nachgelagert im Rahmen der Unlauterkeit zu prüfen. 286 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 59. 287 Hervorhebung durch den Verfasser. 288 Hervorhebung durch den Verfasser. 289 Vgl. auch Glöckner, WRP 2009, 1175 (1181).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

von Unternehmen zu Verbrauchern, sondern auch das Verhältnis von Unternehmen untereinander erfasst290. Ein unmittelbarerer Zusammenhang liegt mithin im Verhältnis b2c vor, in dem es letztlich zu Absatz/Bezug, Abschluss und Durchführung des Vertrages kommt. Dagegen steht eine Verhaltensweise im Verhältnis b2b lediglich (mittelbar) in objektivem Zusammenhang mit Absatz/Bezug, Abschluss und Durchführung eines Vertrages. Insofern wäre der Begriff des unmittelbaren Zusammenhangs für das deutsche Lauterkeitsrecht schlicht verfehlt gewesen291. Wenn also die Richtlinienvorgabe keine Anhaltspunkte für eine bestimmte Mindestqualität des Zusammenhangs liefert, kann der objektive Zusammenhang letztlich nur – dem eigentlichen Wortsinn entsprechend – sehr weit gefasst werden. Eine Verhaltensweise weist demnach einen objektiven Zusammenhang mit der Förderung von Absatz oder Bezug sowie mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages auf, wenn sie (irgend-)eine tatsächliche, sachliche Verbindung hierzu aufweist. Weder muss die Verhaltensweise darauf gerichtet sein noch muss sie sich tatsächlich auf Absatz oder Bezug, Abschluss oder Durchführung eines Vertrages auswirken. Für den Bereich des Verbraucherschutzes nach Vertragsschluss folgt daraus, dass im direkten („unmittelbaren“) Verhältnis zum Verbraucher jede mit der Durchführung des Vertrags objektiv im Kontext stehende Verhaltensweise erfasst ist. Dies umfasst beispielsweise auch die reine Schlechtleistung292. Tatsächlich dürfte das Erfordernis einer geschäftlichen Handlung auf die Bedeutung reduziert sein, wie sie dem früheren Handeln im geschäftlichen Verkehr zukam293, mit dem Unterschied, dass es nicht darauf ankommt, dass das Verhalten auf die Förderung eines Geschäftszwecks gerichtet ist. Ausgegrenzt werden damit rein private und betriebsinterne sowie hoheitliche Tätigkeiten. Erfasst sind dagegen sämtliche Maßnahmen, 290 Vgl. Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 21, wonach der Begriff des objektiven Zusammenhangs zum einen sicherstellt, dass alle am Verhältnis von Unternehmen zu Verbrauchern anknüpfenden lauterkeitsrechtlichen Fallgruppen unter Beachtung der neuen europarechtlichen Vorgaben vom UWG erfasst werden. Zum anderen sei aber auch gewährleistet, dass der Begriff der geschäftlichen Handlung – wie der bisherige Begriff der Wettbewerbshandlung – alle lauterkeitsrechtlichen Fallgruppen erfasst, die das Verhältnis von Unternehmen zu Unternehmen betreffen. Vgl. auch Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 27. 291 Auch der BGH, GRUR 2013, 945 (947) – Standardisierte Mandatsbearbeitung, stellt fest, dass kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dem Merkmal des objektiven Zusammenhangs einen nach dem betroffenen Personenkreis differenzierenden Inhalt beizumessen. Er wendet aber trotz des im Verhältnis b2b nur mittelbaren Bezugs zum Absatz auch hier den funktionalen Ansatz an. 292 So auch Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 76; im Ergebnis auch Svigac, NJOZ 2013, 721 (722 f.), der allerdings grundsätzlich dem funktionalen Verständnis Köhlers folgt, dabei aber jede Lieferung als objektiv auf die Entscheidung über das Behalten des Produkts, auf (Nicht-)Ausübung vertraglicher Rechte sowie auf die Zahlung gerichtet ansieht. Dagegen führt das funktionale Verständnis nach überwiegendem Verständnis zu dem etwas paradox klingenden Ergebnis, dass Erfüllung und Leistungsstörungen zwar „zweifellos […] mit der Vertragsdurchführung in dem engsten vorstellbaren Zusammenhang“ (so Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 114), nicht jedoch in einem objektiven Zusammenhang stehen. 293 Siehe bereits 1. Kapitel, C., I.

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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durch die eine Teilnahme am Geschäftsleben, d. h. am Markt (nicht: am Wettbewerb294) irgendwie zum Ausdruck gelangt. Das Lauterkeitsrecht wird auf der Ebene der Anwendbarkeit sozusagen weniger „spezifisch“ als dies auf Grundlage der bisherigen Kriterien der Fall war. Eine Einschränkung bzw. Abgrenzung zum Vertragsrecht kann daher lediglich noch im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung erfolgen295. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das hier vertretene Verständnis des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG exakt dem eigentlichen Wortsinn einer „geschäftlichen Handlung“ (in Abgrenzung zur früheren „Wettbewerbshandlung“) entspricht. b) Die Gesetzesbegründung als Gegenargument? Gegen das hier zugrunde gelegte Verständnis könnte die Gesetzesbegründung zum UWG 2008 sprechen, wenn sie Folgendes feststellt: „Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen unterfallen weiterhin nicht dem UWG, soweit sie in keinem objektiven Zusammenhang mit dem Absatz von Waren und den anderen […] Unternehmensaktivitäten stehen. Das gilt etwa für redaktionelle Äußerungen oder eine Reichweitenforschung […]. Dienen sie nur der Information der Leserschaft oder der die Anonymität der befragten Personen wahrenden Markt- und Meinungsforschung, fehlt es an einem objektiven Zusammenhang zum Warenabsatz, so dass eine geschäftliche Handlung nicht vorliegt. Sponsoring und Image-Werbung können nach wie vor in den Anwendungsbereich des UWG fallen. Dies wird durch die Erwähnung des Sponsorings in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UWG verdeutlicht und steht im Einklang mit Erwägungsgrund 7 der Richtlinie, wonach es auf den Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers ankommt. Image-Werbung kann eine geschäftliche Handlung sein, sofern sie objektiv geeignet ist, eine solche Entscheidung zu beeinflussen296.“

Damit scheint die Gesetzesbegründung ebenfalls ein funktionales Verständnis zugrunde zu legen. Das ist allerdings überraschend297 und widersprüchlich. Wenn es darauf ankommen soll, wozu eine Verhaltensweise dient, dann läuft dies letztlich auf das Erfordernis einer Wettbewerbsabsicht hinaus298. Eine solche will die Gesetzesbegründung aber gerade nicht mehr voraussetzen299. Mit Verweis auf die ausführliche 294

Siehe dazu sogleich 2. Kapitel, B., III., 5. So auch Sosnitza, WRP 2008, 1014 (1017); Kulka, DB 2008, 1551. 296 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 21. 297 Vgl. Glöckner, WRP 2009, 1175 (1182), der den Hinweis, dass es an einem objektiven Zusammenhang bei redaktionellen Äußerungen oder Reichweitenforschung, die nur der Information der Leserschaft oder der Markt- und Meinungsforschung diene, fehle, als „überraschend“ bezeichnet. 298 Auch Glöckner, WRP 2009, 1175 (1182 f.), weist darauf hin, dass sich der deutsche Gesetzgeber gerade für die Aufgabe des Erfordernisses der Wettbewerbsförderungsabsicht entschieden hat. 299 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 21 f. 295

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Argumentation im vorigen Abschnitt kann dem auch nicht dadurch abgeholfen werden, dass das Ziel verobjektiviert wird, um bereits im Rahmen des objektiven Zusammenhangs eine „Feinsteuerung“ zu bewirken300. Es entsteht der Eindruck, als wolle man generell insbesondere grundrechtlich relevante Verhaltensweisen möglichst frühzeitig vom Unlauterkeitsverdikt ausnehmen. So sollen Maßnahmen zur Verwirklichung von politischen, sozialen, kirchlichen, verbraucheraufklärenden oder wissenschaftlichen, kurzum: außergeschäftlichen Zwecken, selbst dann nicht den strengen wettbewerbsrechtlichen Maßstäben des UWG unterworfen werden, wenn sie Außenwirkung im Wettbewerb entfalten301. Es ist indes keineswegs zwingend, grundrechtlich privilegierte Tätigkeiten bereits vom Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts auszuschließen. In anderen europäischen Staaten ist beispielsweise die Tätigkeit der Medien, der Verbraucherverbände, usw. vom Geltungsbereich der Lauterkeitsgesetze durchaus erfasst302. Alternativ lassen sich grundrechtliche Wertungen stattdessen erst im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung berücksichtigen, wo es ja gerade darum geht, ob eine Verhaltensweise zu missbilligen ist oder nicht303. Gegen ein solches Verständnis wird eingewandt, dass die Anwendung des UWG auf grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen einen Verstoß gegen das dem Erklärenden jeweils zur Seite stehende Freiheitsgrundrecht darstelle304. Der Grundrechtsschutz sei dann deshalb nicht ausreichend gewährleistet, weil zum einen im UWG etwa nach § 4 Nr. 2 UWG (§ 4 Nr. 8 UWG a.F.) der Erklärende mit dem Beweis für die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung belastet ist, während z. B. im allgemeinen Deliktsrecht gemäß § 824 Abs. 2 bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 193 StGB das non liquet zu Lasten des Betroffenen geht, wenn der Erklärende in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelte305. Zum anderen sei die Reichweite des Schutzes der Äußerungsfreiheit im wirtschaftlichen Wettbewerb und damit im UWG eine geringere als z. B. im allgemeinen Deliktsrecht306. Zunächst einmal ist dem zu entgegnen, dass jedenfalls allein die Anwendung des UWG noch gar keinen Eingriff in ein Grundrecht bedeutet. Während das Verbot gemäß § 3 UWG ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG ist307, das grundrechtseinschränkend wirken kann, stellt § 2 UWG schon gar keine regelnde, sondern vielmehr eine definierende Norm dar. Unabhängig von diesem dogmatischen Einwand folgt aus der Berücksichtigung der Grundrechte erst im Rahmen der 300

So aber Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 15. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 40, 88 f. 302 Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311 (1325); Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 6. 303 Vgl. Glöckner, WRP 2009, 1175 (1183). 304 Gomille, WRP 2009, 525 (526). 305 Gomille, WRP 2009, 525 (527), m.w.N. 306 Gomille, WRP 2009, 525 (527). 307 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 91. 301

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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Unlauterkeit nicht zwangsläufig das beschriebene Schutzdefizit. Vergleichbar dem § 4 Nr. 2 UWG liegt die Beweislast auch im allgemeinen Deliktsrecht zunächst § 186 StGB analog in Umkehr der allgemeinen Beweislastregelung beim Äußernden. Erst über § 193 StGB analog fällt die Beweislast bezüglich der Wahrheit der Aussage wieder auf den Betroffenen zurück. Es ist nicht ersichtlich, warum die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht auch im Lauterkeitsrecht zu einer (erneuten) Beweislastumkehr führen sollte308. Soweit im Übrigen der eingeschränkte Schutz im wirtschaftlichen Wettbewerb beklagt wird, ist nichts anderes angesprochen als der allgemein anerkannte Umstand, dass der grundrechtliche Schutz einer Aussage tendenziell restriktiver zu bewerten ist, wenn diese im kommerziellen Zusammenhang fällt309. Soweit es sich tatsächlich um eine Äußerung ohne jedes wirtschaftliche Interesse handelt, ist es aber möglich, auch im UWG den Grundrechtsschutz im Einzelfall – im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung – höher zu gewichten310. 5. Der erweiterte Anwendungsbereich als finaler Schritt vom Wettbewerbs- zum Lauterkeitsrecht Wie die Untersuchung im ersten Kapitel gezeigt hat, war die zeitliche Beschränkung des Lauterkeitsrechts bereits im Begriff „Wettbewerb“ und der Rolle des Verbrauchers innerhalb dieses Wettbewerbs angelegt311. Im aktuellen UWG findet sich der Begriff noch in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, den §§ 17 ff. UWG und in der Schutzzweckbestimmung des § 1 S. 2 UWG. Auch wird das Rechtsgebiet als solches nach wie vor verbreitet als „Wettbewerbsrecht“ bezeichnet312 und ist auch heute noch im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“313 geregelt. Andererseits wurde gerade der Schlüsselbegriff „Wettbewerbshandlung“ durch die „geschäftliche Handlung“ ersetzt314. Im Anschluss daran findet sich der Wettbewerbsbegriff auch in § 3 UWG nicht mehr wieder. Während Referenten- und Regierungsentwurf insofern noch an der Überschrift „Verbot unlauteren Wettbewerbs“ festgehalten haben, ist die seit 2008 geltende Fassung (auch nach der Reform 2015) mit dem „Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen“ überschrieben315. Bis zur UWG-Reform 2008 waren unlautere Wettbewerbshandlungen der Formulierung des früheren § 3 UWG zufolge solche, „die geeignet sind, den Wettbewerb316 zum Nachteil der Mitbewerber, der 308

Glöckner, WRP 2009, 1175 (1184). Vgl. BVerfGE 54, 129 (137); Epping, Grundrechte, 108. 310 Vgl. auch Glöckner, WRP 2009, 1175 (1185). 311 Siehe 1. Kapitel, C., I., 1. 312 Siehe bereits Einleitung, II., 2. 313 Hervorhebung durch den Verfasser. 314 Auf den Bedeutungsverlust des Wettbewerbsbegriffes weist Kulka, DB 2008, 1548 (1551), hin. 315 Vgl. Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (256). 316 Hervorhebung durch den Verfasser. 309

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“. Ersetzt wurde diese 2008 dadurch, dass unlautere geschäftliche Handlungen dann unzulässig sind, „wenn sie geeignet sind, die Interessen317 von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen“318. Dieser terminologische Wandel ist folgerichtig, blickt man auf die inhaltlichen Änderungen durch die Reform 2008. Das UWG findet auf Verhaltensweisen nach Vertragsschluss im Verhältnis eines Unternehmers zu einem einzelnen Verbraucher und damit auch dann Anwendung, wenn eine Wettbewerbssituation nicht besteht. Nicht mehr erforderlich ist es mithin, Handlungen in diesem konkreten Vertragsverhältnis dadurch dem UWG zu unterstellen, dass faktisch die Perspektive in Richtung des Konkurrentenschutzes und eines (z. B. „wiederauflebenden“) Wettbewerbs gelenkt wird. Damit bringt der neue Zentralbegriff der geschäftlichen Handlung tatsächlich eine konsequente Abkehr von der bloßen Eingliederung des Verbraucherschutzes in den Konkurrentenschutz mit sich319. Wird der Unternehmer gegenüber dem Vertragspartner tätig, dann handelt er geschäftlich. Er handelt jedoch nicht stets als Wettbewerber. Der Verbraucher ist in seinen Interessen als Vertragspartner betroffen, während eine unmittelbare Auswirkung auf den Wettbewerb oftmals nicht erkennbar ist. Dies macht die Reichweite der geschäftlichen Entscheidung in Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie deutlich320. Demnach schützt die Richtlinie auch die Entscheidung des Verbrauchers über die Ausübung eines vertraglichen Rechts. Diese Entscheidung hat indes in vielen Fällen keine (oder allenfalls sehr mittelbare) Auswirkungen auf den Wettbewerb und geschieht auch nicht in einer Situation des Wettbewerbs. Aus unmittelbar verbraucherschützender Perspektive geht es etwa bei der Ausübung eines Widerrufsrechts nicht darum, dass ein erloschenes Spannungsverhältnis zwischen Mitbewerbern wiederauflebt. Während vor 317

Hervorhebung durch den Verfasser. Auf die Unvereinbarkeit der bisherigen Formulierung mit der nunmehr erfolgten Erstreckung auf Verhaltensweisen bei und nach Vertragsschluss weist auch Köhler, WRP 2009, 109 (113), Fn. 30, hin. Ders./Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 3, Rn. 110 ff., zufolge war die bisherige Formulierung auch insofern nicht überzeugend, als es schon bisher nicht – kartellrechtlich geprägt – auf eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs, sondern auf eine Eignung der Wettbewerbshandlung ankam, sich nicht nur unerheblich zum Nachteil von Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern auszuwirken und damit zu einer Beeinträchtigung geschützter Interessen der Marktteilnehmer zu führen. Er verweist dabei auf Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 17. Vgl. insbesondere Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 3, Rn. 113: „Damit ist zugleich klargestellt, dass die Spürbarkeit anders als im Kartellrecht nicht marktbezogen, sondern marktteilnehmerbezogen zu verstehen ist.“ 319 Vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 49 f. 320 Mit diesem Vorgriff werden nicht etwa unzulässigerweise verschiedene Prüfungsstufen miteinander vermengt, wie dies bei einer Begrenzung der Anwendbarkeit mit Hilfe von Erwägungen einer späteren Prüfungsebene der Fall ist. Vielmehr muss notwendigerweise ein bei der Prüfung der Unlauterkeit erfasster Aspekt zwangsläufig auch die Hürde der Anwendbarkeit übersteigen. 318

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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Vertragsschluss die Konkurrenz der Mitbewerber um die Gunst des Kunden unmittelbar mit der Entscheiderrolle des Verbrauchers zusammenhängt, ist diese Entscheiderrolle hinsichtlich der Ausübung eines Lösungsrechts einer (erneuten) Konkurrenzsituation unter den Mitbewerbern vorgeschaltet und hat damit für sich eigenständige Bedeutung. Während aber die vorgenannte Konstellation zugegebenermaßen noch mittelbar auf den Konkurrentenschutz im Sinne der Erhaltung des Kundenstammes bezogen werden kann, ist eine konkurrentenschutzrechtliche Dimension z. B. bei einer Minderung nicht mehr321 oder allenfalls sehr mittelbar zu begründen. Diese beschränkt sich sowohl in Ausführung als auch Wirkung auf das konkrete Verhältnis des Unternehmers zum Verbraucher. Zu einem Wiederaufleben der Konkurrenz um diesen Verbraucher kommt es nicht. Noch deutlicher wird der Schutz wettbewerbsunabhängiger Verbraucherinteressen angesichts des Umstands, dass gemäß Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie auch die Entscheidung über die bloße Zahlung einer begründeten Forderung dem Schutz des Lauterkeitsrechts unterfällt. Im Ergebnis kommt in der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht mehr bloß der Verhaltensprozess Wettbewerb zum Ausdruck322, sondern ein geschäftlicher Verhaltensprozess, der auch innerhalb des Vertragsverhältnisses gilt323. Mehr denn je regelt das UWG Lauterkeits- statt Wettbewerbsrecht324. 6. Rechtspraktische Auswirkungen – Notwendigkeit einer Einschränkung? Einzugestehen ist, dass das hier vertretene Verständnis der geschäftlichen Handlung und insbesondere des objektiven Zusammenhangs sehr weit reicht. Eine trennscharfe Abgrenzung des UWG etwa zum Vertragsrecht ist damit an dieser Stelle der Prüfung nicht möglich. Allerdings hat die Untersuchung zum einen gezeigt, dass ein dogmatisch sauberer Weg, bereits die Anwendbarkeit des UWG im Rahmen der geschäftlichen Handlung einzuschränken, nicht ersichtlich ist. Zum anderen lässt die offensichtlich bestehende Skepsis gegenüber einem weitreichenden Verständnis der geschäftlichen Handlung unberücksichtigt, dass allein die Eröffnung des Anwendungsbereichs noch nichts über eine lauterkeitsrechtliche Missbilligung aussagt, 321

Vgl. Koch, Die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken, 258 f.; siehe bereits 1. Kapitel, C., II., 3. 322 So noch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 8, mit Verweis auf Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., Einl., Rn. 1.18 ff., 1.24. 323 Vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 74; ders., FS Doepner, 31 (32), in richtlinienkonformer Auslegung. 324 Vgl. auch die Überschrift „Vom Wettbewerbsrecht zum Lauterkeitsrecht“ bei Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 9; auch Klute, NJW 2010, 3280 (3281), betont die Verlagerung hin zum „Lauterkeitsrecht“; Schricker, GRUR 1974, 579 (582), warf bereits früh mit Verweis auf Ulmer die Frage auf, ob das UWG nicht in Anbetracht der Schutzzweckerweiterung umgetauft werden müsste. Bereits vor Inkrafttreten der UGPRichtlinie hatte sich das Wettbewerbsrecht beispielsweise in einigen Mitgliedstaaten zu einem „Marktrecht“ (Dänemark, Schweden) bzw. „Handelspraktikenrecht“ (Belgien) entwickelt, Henning-Bodewig, GRUR Int. 2002, 389 (391).

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

geschweige denn über das Bestehen eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs. Wie bereits ausgeführt, stellt die UGP-Richtlinie in Art. 5 Abs. 1 ein Verbot unlauterer Geschäftspraktiken auf und nennt in Abs. 2 die Voraussetzungen der Unlauterkeit. Verboten sind demnach nicht Geschäftspraktiken, sondern unlautere Geschäftspraktiken. Bis zur neuerlichen Reform 2015 gliederte das UWG sogar noch etwas feiner nach Prüfungsstufen auf. Hiernach musste eine geschäftliche Handlung nicht nur unlauter, sondern darüber hinaus unzulässig sein, um unter § 3 UWG zu fallen. Gleichwohl gilt auch für das nunmehr – der Richtlinie entsprechend – gültige Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen, dass die geschäftliche Handlung lediglich den Ansatzpunkt für die Bewertung bildet, während die Unlauterkeit und damit der eigentliche Kern der Missbilligung von weiteren Tatbestandsmerkmalen abhängt. Ganz abgesehen von diesen tatbestandlichen Voraussetzungen bedarf es für einen Anspruch nach § 8 Abs. 1 UWG noch der Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr sowie nach § 9 UWG des Vorsatzes bzw. der Fahrlässigkeit. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass ein weites Verständnis allein der geschäftlichen Handlung derart kritisch gesehen wird325. Es leuchtet nicht ein, warum es überzeugender sein soll, „für nötige Korrekturen […] an der Definition der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG anzusetzen, statt erst im weiteren Verlauf der Prüfung mehrere denkbare Korrekturmöglichkeiten vorzusehen“326. Es ist vielmehr unbedenklich, das UWG zunächst weitgehend zur Anwendung zu bringen, um dann im Rahmen der Unlauterkeit das Verhältnis zum Vertragsrecht zu bestimmen.

IV. Lauterkeitsrechtliche Informationspflichten im Rahmen des § 5a UWG Eine weitere einschneidende Änderung stellt die mit Umsetzung der UGPRichtlinie eingefügte Regelung zu irreführenden Unterlassungen dar. Bereits im Vorfeld der UWG-Reform 2004 wurde die Forderung nach Einführung einer generellen Regelung von Informationspflichten im UWG erhoben327, jedoch ohne sich durchsetzen zu können. So wurde der Gedanke einer Schaffung von Markttransparenz zum einen punktuell und anlassbezogen in § 4 Nr. 4 und 5 UWG 2004 berücksichtigt328. Zum anderen griff § 5 Abs. 2 S. 2 UWG 2004 die Möglichkeit einer

325 Der Einwand von Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 146, es sei unnötig, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts für eine bloße berechtigte Vertragsdurchsetzung zunächst zu eröffnen, wenn eine solche geschäftliche Handlung ohnehin nicht unlauter sein kann, verwundert. Geht man von dieser Prämisse aus, dann wäre jede dogmatische Aufgliederung in mehrere Prüfungsstufen per se obsolet. 326 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 177, 187. 327 Vgl. Begr GesE BT-Drucks. 15/1487, 19 f. 328 Peifer, WRP 2008, 556 (557).

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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Irreführung durch Unterlassen explizit auf329. Gleichwohl enthielt das UWG 2004 noch keine umfassende, detaillierte Regelung des positiven Informationsinteresses330. Insofern weist § 5a UWG seit der Reform 2008331 als Umsetzung von Art. 7 UGP-Richtlinie eine neue Qualität auf332. § 5a Abs. 3 UWG zählt im Rahmen des nunmehrigen „Informationsmodell[s] des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes“333 eine Reihe von „Basisinformationen“334 auf, die als wesentlich im Sinne des Abs. 2 gelten und die der Unternehmer von sich aus gewähren muss335. Ebenso gelten seither gemäß Abs. 4 solche Informationen als wesentlich, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. 1. Informationspflichten nach Vertragsschluss Einen zumindest begrifflichen Bezug zum Vertragsrecht weist die Richtlinienvorgabe in Art. 7 Abs. 4 der UGP-Richtlinie insofern auf, als die dort genannten Informationsanforderungen im Falle einer „Aufforderung zum Kauf“ als wesentlich gelten336. Gerade um terminologische Abgrenzungsprobleme zum Vertragsrecht und etwa den Eindruck zu vermeiden, es müsse sich bereits um eine invitatio ad offerendum handeln337, ersetzt § 5a Abs. 3 UWG die „Aufforderung zum Kauf“ durch das Erfordernis eines Angebots von der Gestalt, „dass ein durchschnittlicher Ver329 Freilich leitete der BGH schon zuvor in ständiger Rechtsprechung im Rahmen des Irreführungstatbestandes lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflichten her, siehe hierzu Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 61 ff. 330 Siehe die Terminologie bei Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 54 ff. 331 Vgl. ausführlich zum Tatbestand v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG (2012); Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht (2014). 332 Peifer, WRP 2008, 556 (557), zufolge hat damit nun die Informationsökonomie auch das Lauterkeitsrecht erreicht. Vgl. auch Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 52 f. 333 So Fezer, WRP 2007, 1021 (1027); zu dem Schluss, dies sei ein „weiterer Schritt in der Entwicklung des UWG vom ,Sonderdeliktsrecht‘ deutscher Provenienz zu einem europäisch verorteten ,Recht der Marktkommunikation‘„, kommt Keßler, WRP 2007, 714 (722); zustimmend Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (260). 334 So Erwägungsgrund 14 S. 3 der UGP-Richtlinie. 335 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 25. 336 Gemäß der Definition in Art. 2 lit. i der UGP-Richtlinie ist „Aufforderung zum Kauf“ „jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen“. 337 Auf die Versuchung, auf die vertragsrechtliche Unterscheidung zwischen Angebot und invitatio ad offerendum abzustellen, weist Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 68, hin.

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2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

braucher das Geschäft abschließen kann“338. Ausgeschlossen soll dabei bloße Aufmerksamkeitswerbung sein339; das Angebot des Unternehmers muss sich auf eine Weise „verdichtet“ haben, dass es in einen Vertragsabschluss münden kann340. Die vorangegangenen Feststellungen betreffen jedoch nur die Frage, „ab wann“, d. h. ab welchem Mindestmaß an „Kontakt“ zwischen den potentiellen Vertragspartnern die Informationspflichten vor Abschluss des Vertrags bereits gelten. Für die vorliegende Untersuchung kommt es indes darauf an, „wie lange“ Informationspflichten bestehen. Die Bestimmung der Reichweite des § 5a UWG mit Blick auf die „andere Richtung“ auf der Zeitachse wird von der Literatur offensichtlich nach traditionellem Muster vorgenommen. Verbreitet wird die Vorschrift des § 5a Abs. 3 UWG nach Vertragsschluss für nicht anwendbar erklärt341. Außerhalb einer „Aufforderung zum Kauf“ könnten sonstige wesentliche Informationen nach Vertragsschluss allenfalls auf § 5a Abs. 2 UWG bzw. Art. 7 Abs. 1 der UGP-Richtlinie gestützt werden342. Relevante kommerzielle Kommunikation kann indes auch nach Vertragsschluss stattfinden343. Die in § 5a Abs. 3 BGB genannten Informationspflichten verlieren ihre Bedeutung nicht notwendig mit dem Vertragsschluss. Auch die Richtlinie ist nicht an der rein vorvertraglichen „Verkaufsförderung“ orientiert. Während etwa der Vorschlag für eine VerkaufsförderungsVO keine Pflicht zur Belehrung über ein Widerrufsrecht enthielt, ist eine solche von den Informationspflichten der UGPRichtlinie sehr wohl erfasst. Explizit das Beispiel des Art. 7 Abs. 4 lit. e UGPRichtlinie bzw. des § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG veranschaulicht aber, dass eine Beschränkung auf die Zeit vor Vertragsschluss nicht vollständig durchzuhalten ist. Die Gesetzesbegründung betont, die Regelung diene vor allem der Klarstellung, da der Verbraucher nach (damals) geltendem Recht ja schon nach § 355 BGB über ein bestehendes Widerrufsrecht belehrt werden müsse und Verstöße dagegen nach § 4 Nr. 11 UWG (nunmehr § 3a UWG) unlauter seien344. Wie aber bereits Tiller fest338

Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 25. Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 25. Das Merkmal ist damit weit zu verstehen, vgl. Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 154: „Als Faustformel kann man festhalten, dass die Basisinformationspflichten greifen, sobald etwas mehr als reine Aufmerksamkeitswerbung vorliegt.“ 340 Vgl. Haaf, Restriktionen für den Wettbewerb aufgrund europäischen Lauterkeitsrechts?, 51. 341 Vgl. Dohrn, Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – ihre Interpretation und Umsetzung, 54; ganz explizit Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Dreyer, UWG, § 5a, Rn. 97; auch Haaf, Restriktionen für den Wettbewerb aufgrund europäischen Lauterkeitsrechts?, 51; in der Gesetzesbegründung heißt es: „§ 5a Abs. 2 bis 4 UWG-E gilt dagegen nur für Waren- und Dienstleistungsangebote [Hervorhebung durch den Verfasser] gegenüber Verbrauchern“, Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 25; vgl. auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 168. 342 Ohly/Sosnitza, UWG, § 5a, Rn. 69. 343 Alexander, WRP 2012, 125 (129). 344 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 26. 339

B. Die Auswirkungen der UGP-Richtlinie

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gestellt hat, ging die bisherige Regelung des § 355 BGB selbst ganz offensichtlich davon aus, dass die Belehrung auch nach Vertragsschluss erfolgen kann bzw. die Pflicht zur Belehrung jedenfalls auch nach Vertragsschluss weiterhin besteht345. Schließlich regelte sie (wie nunmehr § 356 Abs. 3 BGB) die Konsequenzen einer Nachbelehrung. Mit einer auch nach Vertragsschluss fortbestehenden Belehrungspflicht wird nicht nur dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben, das vorherige Versäumnis nachzuholen; es ist damit vielmehr auch dem Verbraucherschutz gedient. Daher kann der totalharmonisierenden europäischen Vorgabe kaum unterstellt werden, dass sie solche nachvertraglichen Fälle ausschließen wollte346. Dass die Richtlinienvorgabe – ebenso wie in der Folge das UWG – von Informationspflichten auch nach Vertragsschluss ausgeht, zeigt auch ein Blick auf Art. 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie bzw. § 5a Abs. 4 UWG. Demgemäß gelten auch Informationen als wesentlich, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. Zwar wird vorgebracht, unter § 5a Abs. 4 UWG fielen Informationspflichten nicht, die erst im Zuge des Vertragsschlusses oder bei der Vertragsabwicklung zu erfüllen sind347. Die über die Regelung erfassten Informationspflichten enthalten aber wiederum auch die Belehrung über ein Widerrufsrecht. Erneut zeigt der Blick auf den bisherigen § 355 BGB bzw. den nunmehrigen § 356 Abs. 3 BGB, dass die Pflicht zur Belehrung auch nach Vertragsschluss bestehen kann. Darüber hinaus findet sich eine Reihe weiterer Beispiele auch nach Vertragsschluss bestehender Informationspflichten, die über Art. 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie bzw. § 5a Abs. 4 UWG im Lauterkeitsrecht gelten. So ist z. B. in Anhang II der Richtlinie auf Art. 36 Abs. 2 RL 2002/83/EG verwiesen, demzufolge der Versicherungsnehmer während der gesamten Vertragsdauer über bestimmte Änderungen auf dem Laufenden gehalten werden muss348. Nachvertragliche Informationspflichten finden sich ferner beispielsweise in den §§ 504 und 505 BGB i.V.m. den entsprechenden Normen im EGBGB. Diese setzen die Verbraucherkreditrichtlinie um. Zwar ist diese in der – ohnehin nicht abschließenden – Liste im Anhang der UGP-Richtlinie nicht aufgezählt, doch kann dies allein aufgrund der zeitlichen Abfolge des Inkrafttretens beider Richtlinien notwendig nicht der Fall sein. Schließlich wäre kaum nachvollziehbar, wenn z. B. der Unternehmer in dem Fall nicht über die wesentlichen Merkmale des Produkts im Sinne des Art. 7 Abs. 4 345

Siehe die Ausführungen von Tiller, wie dargestellt unter 1. Kapitel, D., II., 2.; auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 580, zufolge betreffen etwa die Informationspflichten im Fernabsatz bei Lieferung gemäß dem (damaligen) § 312c Abs. 2 BGB Situationen nach Vertragsschluss. 346 Vgl. hierzu auch Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 82 f. 347 So Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Dreyer, UWG, § 5a, Rn. 186. 348 Vgl. auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 150.

156

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

lit. a UGP-Richtlinie aufklären müsste, dass der Unternehmer nach Vertragsschluss mit dem Verbraucher vom Hersteller erfährt, dass das Produkt an einem erheblichen Mangel leidet349. 2. „Dopplung“ der Informationspflichten Der vorangegangene Abschnitt hat gezeigt, dass die im Lauterkeitsrecht geregelten Informationspflichten die zeitliche Grenze zum Vertragsrecht nach traditionellem Verständnis nicht einhalten. Darüber hinaus wirft in besonderem Maße der Umstand die Frage nach dem Verhältnis von UWG und BGB auf, dass die jeweiligen Informationspflichten in BGB wie UWG inhaltlich weitgehend deckungsgleich sind. Die Informationsanforderungen des § 5a Abs. 3 UWG haben ihr Vorbild ersichtlich in den Informationspflichten der bisher im BGB umgesetzten Fernabsatzrichtlinie350. Abs. 4 erklärt u. a. auch diejenigen Informationspflichten für wesentlich, die aus solchen Richtlinien stammen, die im deutschen Recht innerhalb des Schuldrechts umgesetzt wurden. Ehedem vertragsrechtlich verstandene, über den Rechtsbruchtatbestand erfasste Informationspflichten351 macht sich damit das UWG nun im Rahmen der Irreführung durch Unterlassen selbst zu eigen. Bisher vertragsrechtlich verortete Informationspflichten werden damit (auch) zu originär lauterkeitsrechtlichen Informationspflichten.

C. Konsequenzen für die bisherigen Abgrenzungskriterien Wie sich im ersten Kapitel gezeigt hat, waren die bisherigen Ansätze zur Bestimmung des Verhältnisses von BGB und UWG dadurch geprägt, dass dem Vertragsrecht einerseits und dem Lauterkeitsrecht andererseits jeweils spezifische Kriterien zugeordnet wurden352. Es wurde stets versucht, generelle Unterschiede bzw. eine Trennlinie zwischen den beiden Rechtsgebieten herauszuarbeiten. Exemplarisch stellte Alexander fest, eine Deckungsgleichheit der beiden Rechtsgebiete sei angesichts der unterschiedlichen rechtssystematischen Verortung und insbesondere angesichts der Unterschiedlichkeit der zu regelnden Interessenkonflikte ausgeschlossen353. Kurz gefasst regelte entsprechend den bisherigen Kriterien das Lauterkeitsrecht Handlungen vor Vertragsschluss, die eine Vielzahl von Verbrau349 Vgl. den Fall bei Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 86. 350 Vgl. Köhler, WRP 2009, 109 (116). 351 Gerade bei den Verbraucherinformationspflichten handelt es sich um typische Marktverhaltensregeln, wie sie dem Rechtsbruchtatbestand unterfallen, siehe Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 75; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3a, Rn. 1.295. 352 Siehe 1. Kapitel, A. 353 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 49.

C. Konsequenzen für die bisherigen Abgrenzungskriterien

157

chern in einem noch abstrakt-generellen Sinne betreffen. Dagegen regelte das Vertragsrecht das auf den einzelnen Verbraucher konkretisierte individuelle Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher nach Vertragsschluss. Die vorangegangene Untersuchung hat indes gezeigt, dass sämtliche der alten Kriterien nicht mehr nur spezifisch für jeweils eines der beiden Rechtsgebiete gelten. Stattdessen haben sich die Bereiche in mehrerlei Hinsicht einander genähert. Zunächst wurden Wertungen und Maßstäbe des jeweils anderen Bereichs übernommen. Die Abgrenzung nach abstrakt-generellem Charakter des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes einerseits und konkret-individuellem rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz andererseits etwa bleibt zwar insoweit gültig, als die Verhaltensnormen des UWG nicht etwa einen konkreten Verletzungserfolg sanktionieren. Vielmehr liegt diesen Tatbeständen die Erwägung zugrunde, dass die aufgezählten Verhaltensweisen typischerweise geeignet sind, die marktrelevanten Interessen der Marktteilnehmer zu beeinträchtigen354. Ebenso greift das BGB nach wie vor im konkreten Vertragsverhältnis mit dem einzelnen Verbraucher ein. Gleichwohl sind die jeweiligen Anknüpfungspunkte nicht mehr eindeutig den bisherigen Kriterien entsprechend zuzuordnen. Die Berücksichtigung von Werbeangaben im Rahmen des Sachmangelbegriffs gemäß § 434 Abs. 1 S. 3 BGB sowie der Garantiebestimmung des § 443 Abs. 1 BGB führt dazu, dass jedenfalls faktisch im individuellen Vertragsverhältnis auch öffentliche Aussagen von Bedeutung sind, die gerade nicht im individuellen Verhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher getätigt wurden. Der Anknüpfungspunkt und der Inhalt schuldrechtlicher Haftung wird damit in das werbliche Vorfeld einer sich erst entwickelnden individuellen Vertragsbeziehung vorverlagert355. Auch die Existenz von Widerrufsrechten sowie Informationspflichten knüpft nicht an eine Schieflage im ganz konkreten Vertragsverhältnis. Selbst in absoluten Kernbereichen des „klassischen“ Schuldrechts hält damit eine traditionell dem Marktverhaltensrecht des UWG zugeordnete Komponente Einzug356. Eine gewisse „Entindividualisierung“357 des Schuldrechts zeigt sich auch daran, dass der Maßstab des lauterkeitsrechtlich entwickelten europäischen Durchschnittsverbrauchers nun im Vertragsrecht Anwendung findet. Spiegelbildlich zu dieser Entwicklung wächst das Lauterkeitsrecht, wie die ausführlich dargestellte Erweiterung dessen Anwendungsbereichs zeigt, in das konkret-individuelle Vertragsverhältnis hinein. Schon die Gesetzesbegründung zum UWG 2004 sprach ausdrücklich von dem Verbraucher als Schutzsubjekt und nicht

354

Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 83 f. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 206, auch 247. 356 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 204 ff., zufolge führt die teleologische Erweiterung der schuldrechtlichen Prinzipienebene in Richtung auf eine vorverlagerte Regulierung von Wettbewerb und Markttransparenz im Sinne eines genuinen Institutionenschutzes dazu, dass sich das System des Schuldrechts auf dasjenige des Lauterkeitsrechts zubewege. 357 Diesen Begriff verwendet Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 198 ff. 355

158

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

von der Verbraucherschaft358. Jetzt aber ist tatsächlich konsequent der einzelne Verbraucher auch dann geschützt, wenn lediglich seine Interessen innerhalb des Vertragsverhältnisses betroffen sind, ohne dass es auf eine wettbewerbliche Auswirkung ankommt. Eines „Multiplikatoreffekts“ bedarf es nicht mehr. Neben Grad und Zahl der Verbraucherbetroffenheit ist damit zugleich ganz explizit die zeitliche Grenze des Vertragsschlusses, die bereits durch die culpa in contrahendo von Seiten des BGB durchbrochen wurde, nicht mehr länger als Abgrenzungskriterium tragbar. Der zweite Aspekt der gegenseitigen Annäherung wird durch Regelungen wie die §§ 241a und 661a BGB deutlich. Hier ziehen typischerweise lauterkeitsrechtlich missbilligte Verhaltensweisen vertragsrechtliche Konsequenzen nach sich. Umgekehrt zeigt ein Vorgriff auf die geschäftliche Entscheidung im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG, dass gerade vertragliche Rechte ebenso Bezugspunkt lauterkeitsrechtlichen Schutzes sein können359. Insofern können BGB und UWG nicht kategorisch voneinander getrennt werden. Vielmehr sind diese aufeinander bezogen und knüpfen aneinander an. Schließlich ist – gleichsam als extremste Form der Annäherung – eine teils vollständige Deckungsgleichheit der Informationspflichten zu beobachten, die nun im Lauterkeits- wie auch im Vertragsrecht eine Schlüsselrolle spielen360. Hier ist eine klare Trennung zwischen lauterkeits- und vertragsrechtlichen Informationsgeboten kaum mehr möglich361.

D. Zusammenfassung Im zweiten Kapitel wurde die gegenseitige Annäherung von Lauterkeits- und Schuldrecht dargestellt. Dabei standen beide Bereiche bereits vor den aktuelleren Entwicklungen nicht völlig unabhängig nebeneinander. Vielmehr gab es im BGB die Rezeptionsnormen der §§ 134 und 138 BGB sowie im Deliktsrecht des § 823 358

82. 359

Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 12 f.; vgl. auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung,

Dazu später ausführlich 3. Kapitel, C., I., 3. Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 4; generell skeptisch zur Ausweitung von Informationspflichten in Lauterkeits- und Vertragsrecht, da nach der zivilrechtlichen Konzeption grundsätzlich den Verbraucher eine „informationelle Holschuld“ trifft und es die Überbürdung der Informationslast auf den Anbieter ist, die besonderer Rechtfertigung bedarf, vgl. Ohly, GRUR 2004, 889 (898); Steingass/Teworte, WRP 2005, 676 (681), sprechen insoweit von einem „allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz […], dass generell der Verbraucher das Informationsrisiko trägt und die Informationslast nur in begründeten Ausnahmefällen dem Werbenden aufgebürdet wird.“ 361 Vgl. auch Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 153, der allerdings darauf hinweist, dass die „unvollständigen“, weil – abgesehen von Auswirkungen auf Beginn und Dauer von Widerrufsfristen – keine ausdrückliche Sanktion vorsehenden Informationsgebote des BGB auf Rechtsfolgenseite durch das UWG ergänzt würden, vgl. auch 112. 360

D. Zusammenfassung

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Abs. 2 BGB. Mit der herrschenden Meinung war und ist jedoch der bloße UWGVerstoß an sich nicht rechtsgeschäftlich bzw. deliktsrechtlich zu sanktionieren. Vielmehr wurde gerade im Rahmen der §§ 134, 138 BGB, die das Schicksal des Vertrages betreffen, klar, dass es sich hier um einen anderen Anknüpfungspunkt handelt, als dies bei lauterkeitsrechtlichen Normen der Fall ist. So erklären die genannten Normen einen Vertrag aufgrund seines Inhalts für nichtig, während das UWG ein bestimmtes Verhalten sanktioniert. Kritisch zu betrachten ist, dass von Seiten des UWG im Rahmen des damaligen § 4 Nr. 11 UWG sehr weitgehend verbraucherschützende Normen des BGB übernommen wurden. Zum Teil wurde damit auch – recht beiläufig – die ansonsten traditionell angenommene zeitliche Grenze zwischen UWG und BGB durchbrochen. Gegen eine derart weitreichende Anwendung des Rechtsbruchtatbestandes ist nach der hier vertretenen Auffassung einzuwenden, dass die rezipierten vertragsrechtlichen Normen oftmals keine Marktverhaltensregelungen darstellen. Soweit sie dies doch tun, stellt sich die Frage, inwieweit es eines Rückgriffs auf den Rechtsbruchtatbestand überhaupt bedarf. In der Folge wurde aufgezeigt, dass sowohl im BGB als auch im UWG Regelungen Eingang gefunden haben, die sich nach klassischen Kriterien nicht ganz eindeutig nur einem der beiden Bereiche zuordnen lassen. So knüpft auf der einen Seite das Schuldrecht nun im Rahmen der §§ 434 Abs. 1 S. 3, 443 Abs. 1 BGB an vorindividuelle, eher lauterkeitsrechtliche Maßstäbe an. Widerrufsrechte sowie Informationspflichten bestehen generell, ohne dass es auf Besonderheiten des individuellen Vertrages ankommt. Die zeitliche Grenze des Vertragsschlusses wurde schon bisher durch das Institut der culpa in contrahendo durchbrochen. Darüber hinaus knüpfen die §§ 241a Abs. 1 und 661a BGB an typisch lauterkeitsrechtlich relevantes Verhalten eine bürgerlich-rechtliche Rechtsfolge. Auf der anderen Seite schützt nun das UWG auch den einzelnen Verbraucher nach Vertragsschluss in Situationen, die keinen Bezug mehr zum Wettbewerb haben. Zwar gab es Versuche, das Lauterkeitsrecht bereits auf Anwendbarkeitsebene im Rahmen der geschäftlichen Handlung zum Vertragsrecht abzugrenzen; gefordert wurde in diesem Zusammenhang weiterhin ein Marktbezug, die Einflussnahme auf die Verbraucherentscheidung oder ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Verbraucherrelevanz. Tatsächlich ist jedoch nach hier vertretener Auffassung von einem sehr weiten Verständnis der geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auszugehen. Demnach ist für einen „objektiven Zusammenhang“ einer Verhaltensweise mit der Durchführung eines Vertrages – dem Wortsinn entsprechend – jeder objektive sachliche Zusammenhang ausreichend. Vom Anwendungsbereich des UWG ist damit zunächst einmal tatsächlich auch jede bloße Nicht- oder Schlechterfüllung erfasst. Eine Abbzw. Eingrenzung im Verhältnis zum Vertragsrecht muss auf der Ebene der nachfolgend zu prüfenden Unlauterkeit erfolgen. Neben der weitgehenden parallelen Anwendbarkeit von BGB und UWG ist schließlich besonders auffällig, dass Informationspflichten desselben Inhalts sowohl im BGB als auch UWG geregelt sind.

160

2. Kap.: Gegenseitige Annäherung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Infolge all dieser Neuerungen lassen sich Lauterkeits- und Vertragsrecht nicht länger – jedenfalls nicht auf Ebene der Anwendbarkeit – nach den alten Kriterien voneinander abgrenzen.

3. Kapitel

Neuausrichtung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz Die Untersuchung im zweiten Kapitel hat zu dem Ergebnis geführt, dass die im ersten Kapitel dargestellten Kriterien für die Abgrenzung von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz infolge verschiedener Entwicklungen sowohl im BGB als auch im UWG nicht länger tragfähig sind. Im dritten Kapitel soll daher untersucht werden, wie sich lauterkeitsrechtlicher und rechtsgeschäftlicher Verbraucherschutz nach aktueller Rechtslage zueinander verhalten. Zunächst stellt sich dabei die Frage, ob sich den verbraucherschützenden europäischen Vorgaben, wie sie größtenteils hinter den aktuellen Entwicklungen stehen, eine Systematik entnehmen lässt, die zwischen einem charakteristisch lauterkeitsrechtlichen und einem charakteristisch vertragsrechtlichen Schutz unterscheidet (A.). Daraufhin werden aktuelle Ansätze zum Verhältnis von Lauterkeitsund Vertragsrecht dargestellt, die bereits die neueren Rechtsentwicklungen in beiden Rechtsgebieten und insbesondere die Erstreckung des UWG auf den Zeitraum nach Vertragsschluss berücksichtigen (B.). Schließlich soll ein eigener Versuch unternommen werden, das Verhältnis von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz auf der Grundlage des aktuellen Rechts zu bestimmen (C.).

A. Die deutsche Aufgliederung in lauterkeitsrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz vor dem Hintergrund des europäischen Verbraucherschutzrechts Heute ist „Verbraucherschutzrecht“1 ein im Grundsatz allgemein anerkannter, nicht mehr wegzudenkender Teil der deutschen Rechtsordnung2. Verbraucher1 Mit „Verbraucherschutzrecht“ ist die Gesamtheit aller Normen gemeint, die für die Stellung des Verbrauchers Bedeutung haben, vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 11. 2 Wie sehr die Rechtsmaterie nach wie vor „am Puls der Zeit“ liegt, zeigt sich z. B. daran, dass inzwischen eigene Lehrstühle bestehen, die sich mit dem „Rechtsgebiet Verbraucherrecht“ beschäftigen, siehe beispielsweise den Lehrstuhl Zivilrecht IX für Deutsches und Europäisches Verbraucherrecht und Privatrecht sowie Rechtsvergleichung an der Universität Bayreuth, http:// www.schmidt-kessel.uni-bayreuth.de/de/index.html, zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.

162

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

schutzrechtliche Bestimmungen sind seit längerem in die gesamte Bandbreite der Rechtsgebiete integriert3. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf zivilrechtlichen Verbraucherschutz und konkret auf denjenigen in BGB und UWG. Da ein Großteil der relevanten Vorschriften einen europarechtlichen Hintergrund hat, drängt sich die Frage auf, ob das Europarecht eine Systematik aufweist, die sich auch für eine sinnvolle dogmatische Einordnung im deutschen Recht fruchtbar machen lässt.

I. Die Zuspitzung verbraucherschützender Regelungen auf BGB und UWG Im Ausgangspunkt fand sich der Verbraucherschutzgedanke weder im BGB noch im UWG. Wie bereits dargestellt, berücksichtigte das UWG den Verbraucher anfangs allenfalls mittelbar reflexartig4. Und auch das BGB war zu Anfang geprägt durch die Zeit des Wirtschaftsliberalismus und des damit einhergehenden Sozialmodells5. Es basierte in seiner Grundkonzeption auf der Anerkennung einer sehr weitgehenden Freiheit der Bürger in ihren Rechtsbeziehungen untereinander6, ausgehend vom Leitbild des vernünftigen, selbstverantwortlichen und urteilsfähigen Rechtsgenossen, dem die Partizipation an einem freien Markt zugetraut wurde7. Im Anschluss an gesellschaftliche und politische Begebenheiten wurde der Verbraucherschutz jedoch zunehmend zu einer rechtlichen Thematik8. Das schlug sich zunächst in der nationalen Gesetzgebung nieder9 und setzte sich in den später 3

Das stellte schon Damm, VersR 1999, 129 (137), fest. Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 2., a). 5 Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, 33; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 480 ff. 6 Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, 33. 7 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 482; Limbach, JuS 1985, 10 f.; Mangold, Verbraucherschutz und Kunstkauf im deutschen und europäischen Recht, 91; vgl. auch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (292). Damit sah sich die Privatrechtskodifikation von Beginn an dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie die soziale Komponente vernachlässige, den erforderlichen „Tropfen sozialistischen Öles“ vermissen lasse (dieser Ausdruck wird zumeist mit Otto von Gierke in Verbindung gebracht, vgl. v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 10; unklar ist jedoch, inwieweit der Begriff wirklich ursprünglich auf v. Gierke zurückgeht, vgl. hierzu Becker, ZNR 1995, 264 ff., und Repgen, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 4), vgl. zu diesem Vorwurf Sohm, Gruchot’s Beiträge 39 (1895), 737 (747 ff.). 8 Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 17, zufolge war die Diskussion um den Verbraucher für Soziologen und Ökonomen bei Beginn der rechtlichen Reaktion ein „für manchen sogar schon reichlich veraltetes Thema“. 9 Die Tatsache, dass wichtige verbraucherpolitische Gesetze der Anfangszeit verbraucherschutzrechtlicher Gesetzgebung mit der Unterstützung aller im Bundestag der BRD vertretenen Parteien verabschiedet wurden, spricht für die Überzeugung, mit der die Stärkung der Verbraucherstellung zu dieser Zeit angegangen wurde, vgl. Reich/Tonner/Wegener, Verbraucher und Recht, 19. 4

A. Verbraucherschutz in UWG und BGB vor dem Hintergrund des Europarechts

163

maßgeblichen europarechtlichen Vorgaben fort. In rechtsdogmatischer Hinsicht stand bei der Schaffung verbraucherschützender Vorschriften ein spezifisch kodifiziertes „Verbraucherschutzgesetz“ in Deutschland zu keinem Zeitpunkt zur Debatte10. Stattdessen führte der zivilrechtliche Verbraucherschutz zu einer Reihe von Regelungen in Sondergesetzen. Im Hinblick auf traditionell vertragsrechtliche Regelungen wurde zunächst durch den deutschen Gesetzgeber z. B. ein Widerrufsrecht im AbzG eingeführt sowie das AGBG geschaffen11. Das am 16. Januar 1986 verabschiedete HaustürWG stand bereits im Zeichen der Haustürgeschäfterichtlinie12. Ebenso fanden sämtliche weiteren Sondergesetze ihren Ursprung in einer europäischen Regelungsinitiative13. Dies gilt für das Produkthaftungsgesetz vom 15. Dezember 1989, für das Verbraucherkreditgesetz vom 17. Dezember 1990, das Teilzeit-Wohnrechtegesetz vom 20. Dezember 1996 sowie für das Fernabsatzgesetz vom 27. Juni 2000. Lediglich die Pauschalreiserichtlinie wurde durch das Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen vom 24. Juni 1994 innerhalb des BGB umgesetzt. Ausschlaggebend hierfür war wohl, dass der Anwendungsbereich der Regelungen in der nationalen Umsetzung nicht auf Verbraucherverträge beschränkt wurde14. Abseits der bereits dargestellten richterrechtlichen Entwicklung des Verbraucherschutzgedankens15 wurde der Verbraucher im UWG zwar durch die Einführung der Klagebefugnis von Verbraucherverbänden in Folge des UWG-Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1965 visuell wahrnehmbar. Ansonsten erlangte der Verbraucherschutz aber auch im lauterkeitsrechtlichen Umfeld zunächst außerhalb des UWG Bedeutung in Gestalt einer Fülle von Kennzeichnungspflichten, festgelegt durch das Eichgesetz von 1969, die Verordnung über 10 MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 5; anders dagegen einige ausländische Rechtsordnungen, vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 73 f. 11 Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 24, der aber auch auf die Ausnahme des in das BGB integrierten Reiseveranstaltergesetzes sowie auf den Verbraucherschutz besonderer Art in den Vorschriften des sozialen Mietrechts hinweist. Zur Frage des verbraucherschutzrechtlichen Charakters des AGBG vgl. MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 5. 12 MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu § 13, 14, Rn. 7, betont, dass von einem rein nationalen Anliegen trotz der Vorgeschichte des Gesetzes nicht mehr gesprochen werden kann; a.A. Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 17. 13 MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 6 f. Während bei Rittner, JZ 1995, 849 (851), noch von gemeinschaftsrechtlichen „einzelnen Inseln“ die Rede war, hatte dann Basedow, AcP 200 (2000), 445, (453), bereits ein „Archipel des europäischen Verbraucherrechts“ ausgemacht. 14 Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie ist gemäß Art. 3 Abs. 1 zwar auf Verträge zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden beschränkt, doch enthält die Definition des Verbraucherbegriffes in Art. 2 Nr. 4 nicht die sonst übliche Anknüpfung an den privaten Verwendungszweck, vgl. Engelhardt, Europäisches Verbrauchervertragsrecht im BGB, 31. 15 Siehe oben 1. Kapitel, C., I., 2., b).

164

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Preisangaben von 1973 und die Reform des Lebensmittelgesetzes von 1974. Von europarechtlichen Entwicklungen blieb das UWG selbst lange unbeeinflusst16. Es folgte dann allerdings eine Entwicklung, in deren Zuge zahlreiche zivilrechtlich-verbraucherschützende Vorschriften Eingang in das BGB und das UWG fanden. Der Bruch mit der „Tradition der Ausklammerung spezieller zivilrechtlicher Rechtsmaterien aus dem BGB“17 erfolgte, als mit dem Fernabsatzgesetz unter anderem die §§ 13, 14, 361a und 361b BGB eingefügt wurden. Damit waren die Weichen für die spätere Integration der Nebengesetze in das BGB im Rahmen der Schuldrechtsreform gestellt18. Seit dieser enthält nun das BGB in absoluten Kernbereichen des Vertragsrechts eine ganze Reihe von – europarechtlich veranlassten – verbraucherschützenden Vorschriften19. Mit Blick auf das Lauterkeitsrecht konnten sich die Mitgliedstaaten zunächst lediglich auf die in ihren Auswirkungen eher begrenzte Irreführungsrichtlinie von 1984 einigen20. Eine gewisse Initialzündung für eine weitergehende Harmonisierung des Lauterkeitsrechts brachte das in Art. 3 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr niedergelegte Herkunftslandprinzip mit sich21. Ein echter „Meilenstein“22 wurde im Jahr 2005 mit der UGPRichtlinie gesetzt. Diese stellt umfassende Regelungen zu unlauteren Geschäftspraktiken auf23 und zieht den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz vollständig an sich24. Sie wurde im UWG umgesetzt25 und brachte die bereits dargestellten Änderungen hinsichtlich der Reichweite des Verbraucherschutzes mit sich. Das UWG tritt – auch im individuellen Verhältnis des Unternehmers zum einzelnen Verbraucher – als weiteres zentral verbraucherschützendes Regelungswerk im Privatrecht neben das BGB. Insbesondere beim Blick auf das Beispiel der dargestellten 16

Zu den Schwierigkeiten der Harmonisierung Ohly, WRP 2008, 177 (177); ders., Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 3 ff.; Schricker, GRUR Int. 1990, 771 ff. 17 Engelhardt, Europäisches Verbrauchervertragsrecht im BGB, 31. 18 Vgl. Engelhardt, Europäisches Verbrauchervertragsrecht im BGB, 31 ff. 19 Vgl. bereits oben 2. Kapitel, A., II., insbesondere 1., 2., 3., 5. und 7. 20 Ohly, WRP 2008, 177 (177); ausführlich zu den Harmonisierungsbemühungen bis zur Irreführungsrichtlinie ders., in: Schricker/Henning-Bodewig, Neuordnung des Wettbewerbsrechts, 69 ff. 21 Glöckner, WRP 2009, 1175 (1176). 22 Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (252), die auch auf die in dieselbe Richtung gehende Bezeichnung der Richtlinie als „Eckstein“ des Europäischen Lauterkeitsrechts bei Brömmelmeyer, GRUR 2007, 295 (295), verweisen. Vgl. auch Bernitz, The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29, 33 (33): „Few directives in the consumer law field have such a broad scope of application and represent such a high level of legislative ambition.“ 23 Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (252). 24 Das führte auch dazu, dass die neuverkündete Irreführungsrichtlinie von 2006 nun lediglich die irreführende und vergleichende Werbung im b2b-Bereich regelt. 25 Die Kommission hatte Deutschland gedrängt, zur Umsetzung der UGP-Richtlinie ein selbständiges Verbraucherschutzgesetz zu erlassen, vgl. Köhler, WRP 2009, 109 (110, Fn. 4).

A. Verbraucherschutz in UWG und BGB vor dem Hintergrund des Europarechts

165

„Dopplung“ von Informationspflichten26 stellt sich die Frage, wie sich die in BGB und UWG umgesetzten Vorgaben nach europäischem Verständnis charakterisieren lassen und wie sich dies zu den deutschen Kategorien des Lauterkeits- und Vertragsrechts verhält.

II. Lauterkeits- und Vertragsrecht als Kategorien im europäischen Verbraucherschutz In diesem Abschnitt soll untersucht werden, inwiefern sich das europäische Verbraucherschutzrecht in die Kategorien Lauterkeitsrecht und Vertragsrecht unterteilen lässt, vergleichbar der deutschen Systematik. 1. Primärrecht Sowohl im EGKS-Vertrag als auch in den „Römischen Verträgen“ suchte man den Verbraucherschutz noch vergebens27. Mit Aufkommen einer eigenständigen europäischen Verbraucherpolitik wurde jedoch der anfangs anbieterorientiert ausgerichtete EWG-Vertrag neu bewertet28. Das Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags über die Europäische Union (EUV) am 1. November 1993 führte dazu, dass der Verbraucherschutz in den Rang eines Verfassungsziels der neuen Union erhoben wurde29. Um die Aufgaben des Art. 2 EGV zu erfüllen, umfasste die Tätigkeit der Gemeinschaft fortan gemäß Art. 3 lit. s EGV auch „einen Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes“. Art. 129a EGV statuierte die Verpflichtung der Union zur Verwirklichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus und ermöglichte neben Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarkts (Art. 100a EGV) auch „spezifische Aktionen, welche die Politik der Mitgliedstaaten zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher und zur angemessenen Information der Verbraucher unterstützen und ergänzen“. Die Norm verdeutlichte die selbständige Bedeutung des Verbraucherschutzes, die neben dessen binnenmarktakzessorische Bedeutung trat und dadurch die Zweispurigkeit der Verbraucherpolitik in der EU bestätigte30. Im Amsterdamer Vertrag, der am 1. Mai

26

Siehe oben 2. Kapitel, B., IV., 2. Engelhardt, Europäisches Verbrauchervertragsrecht im BGB, 9; erste Ansätze im Bereich der Agrar- und Wettbewerbspolitik sieht Mangold, Verbraucherschutz und Kunstkauf im deutschen und europäischen Recht, 95. 28 Siehe dazu Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 162. 29 Dauses/Sturm, ZfRV 1996, 133 (133), zufolge war damit die rechtliche Grundlage für eine umfassende und kohärente Verbraucherschutzpolitik in Europa geschaffen. 30 Heiss, ZEuP 1996, 625 (625 f.), spricht von der „Zweigleisigkeit des Schutzansatzes in Art. 129a EGV“; Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 164. 27

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

1999 in Kraft trat, wurde die vorherige Regelung des Art. 129a EGV in Art. 153 EG31 mit einigen Änderungen übernommen32. Gleiches gilt für Art. 100a EGV, der sich nunmehr in Art. 95 (i.V.m. Art. 3 lit. t) EG wiederfand. Entsprechend den bisherigen Normen findet sich der Verbraucherschutz nun im AEUV in der Fassung des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon33 wiederum sowohl binnenmarktakzessorisch als institutionelles Ziel in Artt. 169 Abs. 2 lit. a, 114 als auch in Art. 169 Abs. 2 lit. b als Grundlage einer (binnenmarktunabhängigen) eigenständigen Politik verankert. Weil es sowohl im Lauterkeits- als auch im Vertragsrecht um den Schutz des Verbrauchers im geschäftlichen Verkehr als Marktteilnehmer geht, ist für die vorliegende Untersuchung in erster Linie der – generell vorrangige34 – binnenmarktakzessorische Verbraucherschutz relevant. Diese Erkenntnis hilft indes für die hiesige Untersuchung insofern nicht weiter, als der AEUV keine weitere Unterscheidung nach den vorliegend relevanten Kategorien eines vertrags- und lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes kennt. Zum einen sucht man eine primärrechtliche Kategorie des Vertragsrechts vergebens. Zum anderen wird das in der Präambel zum EG-Vertrag bzw. zum nun geltenden AEUV angesprochene Ziel der Gewährleistung eines „redlichen Wettbewerbs“ institutionell garantiert35; nicht jedoch stellt der Schutz des Wettbewerbs eine eigenständige Kategorie mit unmittelbarer Regelung dar36.

31 Rösler, VuR 2003, 12 (12 f.), sah den primärrechtlichen Verbraucherschutz durch diesen auf ein neues Niveau gehoben. 32 Ersetzt wurde die Formulierung der „spezifischen Aktionen“ durch den allgemeinen Begriff „Maßnahmen“, womit klargestellt ist, dass die binnenmarktunabhängige Verbraucherpolitik der Gemeinschaft sich gesetzgeberischer Instrumente bedienen kann, vgl. Staudenmayer, RIW 1999, 733 (735); Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 165 f.; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 78, betont, dass man dadurch verdeutlicht hat, dass die Norm eine eigenständige Kompetenzgrundlage sein soll. 33 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EG Nr. C 115 vom 9. 5. 2008, 47. 34 Der Verbraucherschutz ohne Binnenmarktfinalität ist ein der Binnenmarktidee nachgereihtes Ziel der Gemeinschaftspolitiken, vgl. dazu Basedow, FS Everling I, 49 (62); Heiss, ZEuP 1996, 625 (625). 35 Auch fand sich bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Art. 3 Abs. 1 lit. g EG das Ziel der Etablierung eines „Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“. Nunmehr ist dies geregelt im Protokoll (Nr. 27) über den Binnenmarkt und den Wettbewerb; zu den Auswirkungen dieser „Herabstufung“ (auch wenn gemäß Art. 51 AEUV Protokolle und Anhänge Bestandteil der Verträge sind) Behrens, EuZW 2008, 193, der darauf hinweist, dass die Eliminierung des Wettbewerbs aus den Zielbestimmungen des AEUV das Ergebnis eines Vorstoßes des (damaligen) französischen Staatspräsidenten Sarkozy ist; vgl. auch Basedow, EuZW 2008, 225; Leistner, ZEuP 2009, 56 (87), betont, dass damit keine rechtlich [Hervorhebung im Original] relevante Änderung einhergeht. 36 Dethloff, Europäisierung des Wettbewerbsrechts, 8; vgl. auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 340 ff.

A. Verbraucherschutz in UWG und BGB vor dem Hintergrund des Europarechts

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2. Sekundärrecht Wie der Vorschlag für eine Verbraucherrechterichtlinie aus dem Jahr 2008 in der Formulierung seiner Gründe und Ziele feststellt, umfasst der Besitzstand des gemeinschaftlichen Verbraucherschutzes inzwischen eine ganze Reihe von Verbraucherschutz-Richtlinien37. Zur Entwicklung dieses Besitzstandes wurde zunächst in den 1980er Jahren erheblich beigetragen. Zu nennen sind dabei in einer ersten Phase38 die Irreführungsrichtlinie, die Haustürgeschäfterichtlinie, die Produkthaftungsrichtlinie und die Verbraucherkreditrichtlinie39. Die Kompetenzerweiterung durch die Einheitliche Europäische Akte40 forcierte den sekundärrechtlichen Verbraucherschutz. In der Folge verabschiedet wurden die Pauschalreiserichtlinie, die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln, die Time-Sharing-Richtlinie, die Fernabsatzrichtlinie, die Richtlinie über Unterlassungsklagen, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, die Finanzdienstleistungsrichtlinie und – für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung – die UGP-Richtlinie. Auch seither war der Richtliniengeber aktiv und hat die Zahlungsdiensterichtlinie, eine neue Verbraucherkredit- sowie Time-Sharing-Richtlinie und die Verbraucherrechterichtlinie verabschiedet41. In einer ersten Annäherung an die Art des sekundärrechtlichen Verbraucherschutzes ist die kompetenzrechtliche Grundlage ein Anknüpfungspunkt. So kann etwa aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs der bereits erörterten UGPRichtlinie auf den Bereich b2c (wie sie aus Art. 3 Abs. 1 hervorgeht) nicht auf das Ziel eines alleinigen, vom Markt losgelösten Verbraucherschutzes geschlossen werden42. Die Richtlinie bezweckt vielmehr einen binnenmarktbezogenen Verbraucherschutz, der sich durch die Rolle des Verbrauchers am Markt definiert. Die Zweckbestimmung des Art. 1 UGP-Richtlinie spiegelt exakt die Binnenmarktharmonisierungsvorgaben des Art. 95 EG (Art. 114 AEUV) einschließlich des erforderlichen hohen Verbraucherschutzniveaus gemäß Art. 95 Abs. 3 EG (Art. 114 Abs. 3 AEUV) wider43. Die UGP-Richtlinie steht damit insofern beispielhaft für den 37

Begr. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher vom 8. Oktober 2008, KOM (2008) 614 endg. 2008/0196 (COD), 2. 38 MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 13, unterteilt in zwei Phasen, deren Trennlinie die Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte ist. 39 Vgl. MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 16. 40 ABl. L 169 vom 29. Juni 1987, 1; in Folge der dreifachen Erweiterung durch Art. 100a EGV konnte der Ministerrat auf dieser Grundlage jede Art von Maßnahme erlassen, die Maßnahme musste sich nicht mehr „unmittelbar“ auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken und eine Einstimmigkeit im Ministerrat war nicht mehr erforderlich, vgl. Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 163. 41 Vgl. MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 18, 23. 42 Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 201; hierzu ausführlich auch Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 79. 43 Die Binnenmarktorientierung im Vordergrund sieht auch Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 85; vgl. auch Brömmelmeyer, GRUR 2007, 295 ff. („Binnenmarkt als

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Charakter europäischen Verbraucherschutzrechts, als auch die übrigen Richtlinien weitestgehend auf der Kompetenznorm des Art. 95 EG (Art. 114 AEUV) fußen und das Ziel eines Verbraucherschutzes verfolgen, der sich in die Verwirklichung des Binnenmarkts einfügt. Die hier entscheidende Frage, ob das Sekundärrecht bei der Regelung des Binnenmarkts nach Vertrags- und Lauterkeitsrecht kategorisiert, kann indes nur anhand der Richtlinieninhalte beantwortet werden. a) Formale Trennung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie Die UGP-Richtlinie lässt sich scheinbar eindeutig charakterisieren und dem Lauterkeitsrecht zuordnen. Darauf deutet nicht nur ihre Bezeichnung als solche, sondern eine Reihe weiterer Punkte hin. So soll die Richtlinie ihrer Zweckbestimmung in Art. 1 zufolge die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken angleichen. Erwägungsgrund 2 S. 1 UGPRichtlinie betont die Bedeutung der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs für den Binnenmarkt. Erwägungsgrund 3 weist auf Verzerrungen des Wettbewerbs und Hemmnisse für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts angesichts unterschiedlicher Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken und konkret im Bereich der irreführenden Werbung hin. Gemäß Erwägungsgrund 6 S. 1 gleicht die Richtlinie die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an44. Zum Vertragsrecht dagegen grenzt sich die Richtlinie deutlich ab45. Art. 3 Abs. 2 zufolge lässt sie das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrages unberührt. Ebenso stellt Erwägungsgrund 9 u. a. fest, dass die Richtlinie nicht die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften im Bereich des Vertragsrechts berührt.

Leitstern der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“); Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (252), sehen in der Verwirklichung des Binnenmarkts den Hauptzweck der Richtlinie. Der Streit im Gesetzgebungsverfahren, ob Art. 95 EG allein oder in Verbindung mit Art. 153 EG zu zitieren ist, wurde letztlich derart gelöst, dass im Sinne eines Kompromisses Art. 153 EG zwar nicht als Rechtsgrundlage zitiert wurde, jedoch immerhin ein Verweis auf diesen im Rahmen des Erwägungsgrundes 1 erfolgt ist, vgl. hierzu Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 84, Fn. 271. 44 Damit sind nur einige Beispiele genannt. Im Übrigen gewährleistet die Richtlinie laut Erwägungsgrund 8 S. 2 einen lauteren Wettbewerb in dem durch sie koordinierten Bereich. Laut Erwägungsgrund 11 S. 2 stellt die Richtlinie ein einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinträchtigen. Erwägungsgrund 12 S. 2 zufolge können sich Verbraucher wie Unternehmer durch die Richtlinie an einem einzigen Rechtsrahmen orientieren, der auf einem klar definierten Rechtskonzept beruht, das alle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken in der EU regelt. 45 Vgl. Ohly, LMK 2011, 312950; auch Whittaker, The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29, 139 (140).

A. Verbraucherschutz in UWG und BGB vor dem Hintergrund des Europarechts

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b) Inhaltlich enger Bezug Art. 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie scheint also klare Kategorien von Lauterkeits- und Vertragsrecht zu kennen und die UGP-Richtlinie eindeutig dem Lauterkeitsrecht zuzuordnen. Zugleich steht die UGP-Richtlinie aber in enger Verbindung zum Vertragsrecht. Wie ausführlich dargestellt wurde, findet die Richtlinie auch innerhalb der vertraglichen Beziehung, d. h. im individuellen Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher nach Vertragsschluss, Anwendung46. Voraussetzung der Unlauterkeit gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. b ist darüber hinaus die wesentliche Beeinflussung des Duchschnittsverbrauchers. In diesem Rahmen kommt es gemäß Art. 2 lit. e UGP-Richtlinie auf die geschäftliche Entscheidung an, die sich wiederum gemäß Art. 2 lit. k auch auf vertragliche Rechte des Verbrauchers bezieht. Im Übrigen lassen sich einige weitere Richtlinien weniger deutlich einer bestimmten Kategorie zuordnen, wie sich sogleich zeigen wird. Zumindest jedoch scheinen sie Lauterkeits- und Vertragsrecht nicht als völlig abstrakt nebeneinander stehende Kategorien zu verstehen47. aa) Informationspflichten Ein zentrales Instrument europäischen Verbraucherschutzes ist die Normierung von Informationspflichten. Das Sekundärrecht sieht diese offensichtlich als typisch lauterkeitsrechtliche, wenngleich in engem Zusammenhang mit dem Vertragsrecht stehende Regelungen an. Erwägungsgrund 10 S. 3 UGP-Richtlinie zufolge gilt die Richtlinie nur insoweit, als keine spezifischen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorliegen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind. Erwägungsgrund 1 der aktuellen Verbraucherrechterichtlinie, die die Haustürgeschäfterichtlinie und die Fernabsatzrichtlinie ersetzt48, stellt einerseits fest, dass in den vorgenannten Richtlinien eine Reihe von vertraglichen Rechten der Verbraucher verankert ist. In diesem Zusammenhang nennt Erwägungsgrund 5 S. 7 Verbraucherrechterichtlinie die vollständige Harmonisierung von Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts in Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Andererseits findet sich gerade in den durch die Verbraucherrechterichtlinie ersetzten bzw. abgeänderten, ebenso wie in weiteren Richtlinien eine Reihe von Hinweisen, die auf ein lauterkeitsrechtliches Verständnis der Verbraucherinformation hindeuten. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie etwa muss eine Reihe von in Abs. 1 genannten Informationen, deren kommerzieller Zweck unzweideutig erkennbar sein muss, klar und verständlich auf jedwede der verwendeten Fernkommunikationstechnik ange46

Siehe ausführlich 2. Kapitel, B., III. Vgl. zu konzeptionellen Grenzüberschreitungen im europäischen Sekundärrecht auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 433 ff. 48 Vgl. Erwägungsgrund 64 und Art. 31 Verbraucherrechterichtlinie. 47

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

passte Weise erteilt werden, wobei insbesondere auch die Grundsätze der Lauterkeit bei Handelsgeschäften zu beachten sind49. Art. 3 Abs. 1 der (ursprünglichen) Pauschalreiserichtlinie beispielsweise enthält ein ausdrückliches Irreführungsverbot und damit ein Instrument, das auch für die – eindeutig lauterkeitsrechtliche – UGPRichtlinie charakteristisch ist. Zu diesem Zweck muss gemäß Abs. 2 ein zur Verfügung gestellter Prospekt deutlich lesbare, klare und genaue Angaben zum Preis und – soweit von Bedeutung – zu einer Reihe weiterer Punkte enthalten. Erwägungsgrund 21 S. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sieht Garantien als rechtmäßige Marketinginstrumente an, die den Verbraucher jedoch nicht irreführen sollten. Um sicherzustellen, dass der Verbraucher nicht irregeführt wird, sollen demnach die Garantien bestimmte Informationen enthalten. Laut Erwägungsgrund 29 S. 2 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr müssen im Interesse des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs die verschiedenen Formen der kommerziellen Kommunikation, darunter Preisnachlässe, Sonderangebote, Preisausschreiben und Gewinnspiele, bestimmten Transparenzerfordernissen genügen. Um Transparenz geht es auch in Erwägungsgrund 18 und 19 der Verbraucherkreditrichtlinie50. Hier wird unmittelbar an die UGP-Richtlinie und den Schutz der Verbraucher vor unlauteren oder irreführenden Geschäftspraktiken, insbesondere bei der Veröffentlichung von Informationen durch den Kreditgeber, angeknüpft. Darüber hinaus soll es angebracht sein, besondere Bestimmungen für die Werbung für Kreditverträge und über bestimmte Standardinformationen vorzusehen, die die Verbraucher erhalten sollen, damit sie insbesondere verschiedene Angebote miteinander vergleichen können. Damit sind nur einige von vielen Beispielen angesprochen51, die zeigen, dass Information und die damit verbundene Transparenz

49 Zur engen Verzahnung von Vertrags- und Lauterkeitsrecht am Beispiel des Art. 4 Fernabsatzrichtlinie vgl. Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 36 f. 50 Siehe auch etwa Erwägungsgründe 31, 32. 51 Gemäß Erwägungsgrund 7 der (ursprünglichen) Time-Sharing-Richtlinie ist es wichtig, irreführende und unvollständige Angaben bei der Information, die speziell den Verkauf von Teilzeitnutzungsrechten an einer oder mehreren Immobilien betrifft, zu unterbinden. Art. 3 Abs. 3 der vorgenannten Time-Sharing-Richtlinie zufolge ist in jeder Werbung für eine betreffende Immobilie ein Hinweis auf ein Schriftstück mit Informationen gemäß Abs. 1 anzugeben. Die Time-Sharing-Richtlinie in ihrer späteren Fassung enthält in Art. 4 einen Abschnitt „Vorvertragliche Informationen“. Gemäß Erwägungsgrund 21 S. 2 der Finanzdienstleistungsrichtlinie legt diese Richtlinie aus Transparenzgründen Anforderungen fest, die eine angemessene Verbraucherinformation vor und nach Abschluss eines Vertrages gewährleisten. Nach S. 3 sollten dem Verbraucher vor Abschluss eines Vertrages die erforderlichen Vorabinformationen zugehen, damit er die ihm angebotene Finanzdienstleistung entsprechend beurteilen und folglich seine Entscheidung in Kenntnis aller Umstände treffen kann. Nach Erwägungsgrund 21 der Zahlungsdiensterichtlinie sollten Informationspflichten der Zahlungsdienstleister gegenüber den Zahlungsdienstnutzern festgelegt werden, damit letztere ein gleich hohes Maß an verständlichen Informationen über Zahlungsdienste erhalten und so die Konditionen der verschiedenen Anbieter in der EU vergleichen und ihre Wahl in voller Kenntnis der Sachlage treffen können.

A. Verbraucherschutz in UWG und BGB vor dem Hintergrund des Europarechts

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nach europäischem Verständnis einer Irreführung des Verbrauchers entgegenwirken und damit der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs dienen sollen. bb) Widerrufsrechte Neben Informationspflichten ist v. a. auch das Widerrufsrecht ein häufig verwendetes Instrument des sekundärrechtlichen Verbraucherschutzes. Es weist bereits insofern einen engen Zusammenhang mit den Informationspflichten auf, als diese stets die Belehrung über ein bestehendes Widerrufsrecht umfassen. Die Widerrufsrechte knüpfen in ihrem Geltungsgrund gerade an eine typischerweise als für den Verbraucher riskant bzw. nachteilig beurteilte Geschäftspraxis an. Sie verknüpfen die generelle Bewertung eines Unternehmerverhaltens mit der Regelung einer rechtlichen Möglichkeit des Verbrauchers innerhalb des Vertragsverhältnisses. Erwägungsgrund 37 der Verbraucherrechterichtlinie begründet das Erfordernis eines Widerrufsrechts im Versandhandel etwa damit, dass der Verbraucher die Waren nicht sehen kann, bevor er den Vertrag schließt, und entspricht damit Erwägungsgrund 14 der Fernabsatzrichtlinie. Weiterhin begründet die Verbraucherrechterichtlinie das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen mit dem möglichen Überraschungsmoment und/oder dem psychologischen Druck. Auch bereits in der Haustürgeschäfterichtlinie kam zum Ausdruck, dass eine verbreitete Handelspraxis den Anlass für die Regelung vertraglicher Rechte des Verbrauchers gab52. Im Ergebnis ist das Widerrufsrecht insofern eindeutig zuzuordnen, als es ein vertragliches Recht gewährt. Gleichwohl macht es die enge Verknüpfung deutlich, die auf sekundärrechtlicher Ebene zwischen der generellen Beurteilung einer Geschäftspraxis und dem Bestehen eines vertraglichen Rechts besteht. Widerrufsrechte stehen im Zusammenhang mit einer informierten und freien Entscheidung. Sie dienen damit einem Ziel, das auch Informations- und damit typisch lauterkeitsrechtliche Pflichten verfolgen. cc) Rechtsfolgeregelungen Ganz besonders deutlich wird die Verbindung zwischen der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs und damit zusammenhängenden vertraglichen Rechten z. B. bei der Zusendung unbestellter Waren bzw. der Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen. Bereits Art. 9 Fernabsatzrichtlinie (ebenso Art. 9 Finanzdienstleistungsrichtlinie) schlug die Brücke zwischen Verhaltensregelung und Rechtsfolge. Die Norm gab den Mitgliedstaaten auf, sowohl ein bestimmtes Verhalten zu untersagen als auch die an ein solches Verhalten knüpfende Folge zu regeln. Demnach sollten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um zu untersagen, dass einem Verbraucher ohne vorherige Bestellung Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden, wenn mit der Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung eine 52

Vgl. Erwägungsgrund 1 Haustürgeschäfterichtlinie.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Zahlungsaufforderung verbunden ist (Erster Spiegelstrich), und den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt (Zweiter Spiegelstrich). Art. 15 UGP-Richtlinie knüpft die Pflicht des zweiten Spiegelstrichs explizit an das in der (lauterkeitsrechtlichen) UGP-Richtlinie vorgegebene Verhaltensverbot. Auch Erwägungsgrund 60 der Verbraucherrechterichtlinie nimmt explizit die nach der UGP-Richtlinie verbotene unbestellte Lieferung in Bezug und betont die Erforderlichkeit eines daran anknüpfenden vertraglichen Rechtsbehelfs. Dementsprechend ist der Verbraucher gemäß Art. 27 Verbraucherrechterichtlinie bei einer gegen die UGP-Richtlinie verstoßenden Zusendung unbestellter Waren und bei Erbringung unbestellter Dienstleistungen von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit. Ein weiteres Beispiel für die enge Verknüpfung von Verhaltensgeboten und vertraglichen Konsequenzen findet sich mit Blick auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die neben Informationspflichten im Rahmen von Garantien unmittelbare Folgen im Vertragsrecht regelt und dabei lauterkeitsrechtliche Maßstäbe anlegt53. Schließlich lässt die Kommission auch in ihrem sog. „New Deal for Consumers“54 und der in diesem Rahmen angestrebten Änderung der UGP-Richtlinie erkennen, dass sie von einer engen Verzahnung von Lauterkeits- und Vertragsrecht ausgeht. Obgleich die UGP-Richtlinie gemäß Art. 3 Abs. 2 das Vertragsrecht unberührt lässt, sieht der Richtlinienvorschlag der Kommission in Art. 1 vor, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 11a Abs. 1 einer geänderten UGP-Richtlinie künftig sicherstellen sollen, „dass vertragliche und außervertragliche Rechtsbehelfe auch Verbrauchern zur Verfügung stehen, die durch […] unlautere[n] Geschäftspraktiken geschädigt wurden“55.

III. Zwischenergebnis Gerade in den vorliegend interessierenden Bereichen des Lauterkeits- und Vertragsrechts finden sich zahlreiche verbraucherschützende Regelungen. Der allergrößte Teil dieser Regelungen geht dabei auf europäische Vorgaben zurück. Insofern hatte sich die Frage gestellt, ob sich dem Unionsrecht eine klare Zuordnung von Regelungen betreffend die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs einerseits und die Regelung des Vertragsverhältnisses andererseits entnehmen lässt. Für das Primär53

Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel, A., II., 1. und 2. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften, COM(2018) 185 final. 55 Zur Sinnhaftigkeit des Richtlinienänderungsvorschlags siehe 3. Kapitel, C., II., 3., b). 54

A. Verbraucherschutz in UWG und BGB vor dem Hintergrund des Europarechts

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recht ist die Frage zu verneinen, der AEUV kennt die Kategorien Vertrags- und Lauterkeitsrecht als jeweils spezifische Rechtsbereiche nicht. Der sekundärrechtliche Verbraucherschutz unterscheidet begrifflich eindeutig zwischen Regelungen, die vertragliche Rechte definieren und solchen, die der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs dienen. Unterscheiden lassen sich insofern Informationspflichten, wie sie unmittelbar im Zusammenhang mit der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs stehen einerseits, und vertragliche Rechtsbehelfe und -folgen, die sich an die vorangegangene Beurteilung und Regelung einer Geschäftspraxis anschließen andererseits. Eine strikte Unterscheidung zwischen den Kategorien Lauterkeits- und Vertragsrecht liegt dem Sekundärrecht indes nicht zugrunde, insbesondere enthalten viele Richtlinien Vorgaben beider Art. Das Unionsrecht geht das Thema „Verbraucherschutzrecht“ damit eher pragmatisch am Zweck der Verwirklichung des Binnenmarkts orientiert an56. Dies kann auch nicht verwundern, da es sich kaum mit der jeweiligen Dogmatik eines jeden Mitgliedsstaates beschäftigen und dieser entsprechen kann57. Eine wichtige Erkenntnis ist indes, dass das Unionsrecht offensichtlich davon ausgeht, dass beide Bereiche inhaltlich eng miteinander verwoben sind und sich gegenseitig aufeinander beziehen bzw. aneinander anknüpfen58. Im Ergebnis kann das Unionsrecht nur begrenzt herangezogen werden, um die Stimmigkeit der deutschen Umsetzung in BGB und UWG zu bewerten. Gleichwohl lässt sich zweierlei festhalten: Zum einen scheinen Verhaltens- und insbesondere Informationspflichten nach europäischem Verständnis ein Paradebeispiel lauterkeitsrechtlicher Regelungen darzustellen. Zum anderen sind diese lauterkeitsrechtlichen Pflichten sehr eng mit vertragsrechtlichen Konsequenzen verzahnt.

56 Roth, JZ 2001, 475 (488), spricht von einer „andersartigen Gesetzgebungstechnik des Gemeinschaftsrechts“. Vgl. Collins, The Forthcoming EC Directive on Unfair Commercial Practices, 1 (40): „[…] the EC lacks a general private law system as a co-ordinating point of reference for particularistic regulation.“; vgl. auch Rösler, VuR 2003, 12 (13); ein europäisches „Verbraucherschutzrecht“ musste sich in seiner Entwicklung gerade nicht in ein rechtliches System einfügen, vgl. Antoniolli, The Forthcoming EC Directive on Unfair Commercial Practices, 241 (284 f.). 57 Vgl. zur Unterschiedlichkeit der Regelung des Bereichs des unlauteren Wettbewerbs in den verschiedenen Staaten Grundmann, The Forthcoming EC Directive on Unfair Commercial Practices, 209 (220): „It is not surprising that national laws treat this area in many different ways – not only with respect to substantive content, but also in the way they codify or perceive this area of law. Some states include parts of the law of unfair competition in a Code on consumer protection, some in a Code against unfair competition, and Italy integrates it into the general Civil Code.“ Vgl. auch Otken Eriksson/Öberg, The Regulation of Unfair Commercial Practices under EC Directive 2005/29, 91 (94 f.), die vom „Patchwork Charakter“ des europäischen Verbraucherrechts sprechen. 58 Apetz, Das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, 174, stellt etwa fest, dass im europäischen Sekundärrecht lauterkeitsrechtliche mit (verbraucher-)vertragsrechtlichen Aspekten verquickt sind. Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (254), zufolge liefert die UGP-Richtlinie ein aktuelles Beispiel dafür, wie eng Lauterkeits- und Vertragsrecht auf europäischer Ebene verbunden sind.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

B. Neuere Ansätze für eine Bestimmung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem zu rechtsgeschäftlichem Schutz In der aktuellen Literatur finden sich verschiedene Vorschläge, das Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht auf der Grundlage einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss zu bestimmen. Diese stehen in engem Zusammenhang mit bzw. basieren auf den Ansätzen, wie sie bereits bei der Frage der Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss dargestellt wurden59.

I. Festhalten am „Wettbewerb“ Nach hier vertretener Auffassung hat die Abgrenzung des Lauterkeits- zum Vertragsrecht, insbesondere nach Vertragsschluss, tatbestandlich und nicht bereits auf Anwendbarkeitsebene zu erfolgen. Die Frage, wie dies geschehen soll, stellt sich freilich dann nicht, wenn man das UWG auf nachvertragliche Verhaltensweisen im individuellen Vertragsverhältnis tatsächlich nicht oder nicht konsequent anwendet. Ob man eine marktbezogene Außenwirkung oder – besonders markant – eine „Wettbewerbsrelevanz“ fordert: Im Ergebnis lässt sich damit das UWG weiterhin als „Wettbewerbsrecht“ verstehen, welches vorwiegend den Wettlauf unter Konkurrenten vor Vertragsschluss regelt. Nicht ohne Grund greifen die Vertreter dieser Ansicht weitgehend auf die alte Rechtsprechung und die dort verwendeten Argumentationsmuster (Vielzahl gleichartiger Fälle, systematisches Vorgehen, die Begründung neuer Pflichten oder die Erhaltung des Kundenstammes) zurück60. Im Ergebnis kann demnach das bisherige Verhältnis der beiden Bereiche beibehalten werden. Zu einem unmittelbaren nachvertraglichen Schutz des einzelnen Verbrauchers innerhalb eines konkreten Vertragsverhältnisses ohne Wettbewerbsbezug sowie den damit einhergehenden Abgrenzungsfragen kommt es dann nicht.

II. Die spezifisch funktional-interessenorientierte Abgrenzung Obwohl noch vor der Reform 2008 entwickelt, geht der Ansatz von Leistner bereits von einer weitreichenden Anwendbarkeit des UWG auch nach Vertragsschluss aus. So könnten sogar rein durchführungsbezogene Maßnahmen wie Erfüllung und Anspruchsverfolgung dem UWG unterfallen. Parallelen zum zuvor dargestellten Ansatz ergeben sich jedoch insofern, als auch Leistner – nach damaligem Recht noch deutlich naheliegender – für das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung eine marktbezogene Außenwirkung voraussetzen wollte. Eine ergänzende Anwendung des UWG komme demnach dann in Betracht, wenn es das ordnungs59 60

Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 2. Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 2., a) und c) sowie 3., a) und c).

B. Neuere Ansätze

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politische Gebot effektiver Rechtsdurchsetzung erfordere. Dies sei der Fall, wenn sich eklatant systemwidrige Durchsetzungslücken im Individualvertragsrecht offenbaren, die durch den Unternehmer in gleichartig-massenhafter Weise geschaffen oder genutzt werden. Gerade daraus ergebe sich der erforderliche (objektive) Marktbezug61. Damit wird jedoch wiederum bereits der Anwendungsbereich insofern eingeschränkt, als individuelle Verhaltensweisen ohne Tendenz zur Massenhaftigkeit bereits im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. herausgefiltert werden62. Weiterführend könnten an dieser Stelle indes v. a. die Ausführungen zum dogmatischen Verhältnis von UWG und BGB sein. Demnach soll die Abgrenzung wertend durch eine funktional-interessenorientierte Betrachtung der jeweiligen spezifischen Gefährdungslage des Vertragsmechanismus erfolgen. Leistner betont insofern v. a. die Gemeinsamkeit beider Bereiche und sieht in dem angestrebten Vertragsabschluss den „gemeinsamen Fluchtpunkt“ sowohl des Lauterkeits- als auch des Vertragsrechts. Dieser bilde das Ziel der vornehmlich allgemeinen Verkehrssicherungspflichten des Lauterkeitsrechts nach Art abstrakter Gefährdungsdelikte ebenso wie der von der Grundidee zwar individuellen, nunmehr aber zum Teil typisierten Verkehrssicherungspflichten im Vertragsrecht. Die Schutzsysteme seien mit Blick auf den Vertragsmechanismus „funktional äquivalent“, woraus der „Grundsatz vom Gleichmaß der normativen Maßstäbe im Lauterkeitsrecht und im (Verbraucher-)Vertragsrecht“ folge. Beide Rechtsgebiete greifen danach mit ihren jeweils spezifischen Rechtsfolgen beim Schutz des Vertragsmechanismus idealerweise komplementär ineinander. Vorrangig sei zunächst das Vertragsrecht. Ein überschießender Schutz durch das Lauterkeitsrecht könne generell nur das Ergebnis einer Wertung im Einzelfall sein, wonach vertragsrechtliche Instrumente nicht ausreichen zur strukturellen Gewährleistung der freien Entscheidung der Marktgegenseite oder anderer lauterkeitsrechtlich relevanter Interessenpositionen63. Danach sei letztlich streng anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie ordnungspolitischer Überlegungen zur effektiven Geltendmachung der gewährten Ansprüche zu entscheiden, ob Schutz im Lauterkeitsrecht oder im Verbrauchervertragsrecht zu gewähren ist64. Für diesen Ansatz wird mithin das ordnungspolitische Gebot effektiver Rechtsdurchsetzung zum „Leitgedanken“ für das Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht65. Grundsätzlich in akzessorischer Position66, soll das UWG insbesondere 61

Siehe dazu 1. Kapitel, D., II., 1. Auch wenn solche individuellen Fälle zusätzlich über die Bagatellklausel des § 3 UWG a.F. herausgefiltert werden könnten, vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 592. 63 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 249 ff. 64 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 254 ff. 65 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 256, explizit 279. 66 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 257 ff., insbesondere 262 ff. 62

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

dann eingreifen, wenn Verbraucher ihre Rechte nicht kennen oder wenn sie wegen des Bagatellcharakters des drohenden Schadens typischerweise ihre Rechte nicht geltend machen (wie im Fall einer systematisch minimal mangelhaften Vertragserfüllung) und Unternehmer derartige Durchsetzungslücken im Individualvertragsrecht in marktrelevanter Weise schaffen und nutzen67.

III. Die Unterscheidung nach Schutzzwecken Ebenfalls bereits auf Grundlage des alten Rechts wollte Tiller für die Annahme einer Wettbewerbshandlung auf das Merkmal des Marktbezugs verzichten und eine Abgrenzung zum Vertragsrecht im Rahmen der Unlauterkeit vornehmen68. In seiner Rolle als Regelung des Verhaltensprozesses zur Koordinierung des wirtschaftlichen Lebens aller Marktbeteiligten schütze das Lauterkeitsrecht im Rahmen der abnehmerbezogenen Tatbestände vorrangig die Freiheit des Verbrauchers in Bezug auf eine bestimmte Geschäftsentscheidung69. Dementsprechend lasse sich das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit – bereits in Anlehnung an den damaligen Entwurf einer UGP-Richtlinie – mit Hilfe zweier Kriterien strukturieren70. So müsse das jeweilige Handlungsmoment zum einen objektiv typischerweise geeignet sein, eine Geschäftsentscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. Zum anderen müsse es geeignet sein, die Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen. Dabei vermöge nicht die Beeinflussung selbst – also das „Ob“ – , sondern vielmehr die mit einer bestimmten Art und Weise verbundene Intensität – also das „Wie“ – die Unlauterkeit auszulösen. Weil die Einflussnahme auf Geschäftsentscheidungen des Verbrauchers für sich genommen nicht wettbewerbswidrig sei, könne die bloße Vertragsdurchsetzung im Wege der Geltendmachung von vertraglichen Ansprüchen als Element einer Wettbewerbshandlung für sich allein nie unlauter sein. Gleichwohl seien vertragsabwickelnde Handlungen hinsichtlich ihrer Art und Weise sehr wohl einer Beurteilung anhand der Maßstäbe des Lauterkeitsrechts zugänglich71. Einen vergleichbaren Ansatz vertritt für das neue Recht auch Sosnitza. Fälle der bloßen Nicht- oder Schlechtleistung fielen zwar grundsätzlich in den Anwendungsbereich des UWG. Diese alleine würden jedoch regelmäßig nicht die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung über die Ausübung seiner Rechte (Erfüllung, Gewährleistung) zu treffen, beeinträchtigen. Vielmehr sei die Nicht- oder Schlechterfüllung gerade erst Voraussetzung für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers. Dabei meine die Veranlassung des Verbrauchers zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er ansonsten nicht getroffen hätte (§ 3 Abs. 2 S. 1 UWG), 67 68 69 70 71

Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 591. Siehe 1. Kapitel, D., II., 2. Tiller, Gewährleistung und Irreführung. 161. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 162 ff. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 164 f.

B. Neuere Ansätze

177

eine solche, die für den Verbraucher nachteilig ist, wie z. B. die Nichtausübung ihm eigentlich zustehender Rechte. Das Erfüllungsverlangen und die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten seien aber für den Verbraucher gerade nicht nachteilig. Unlauter könnten daher nur zusätzliche Handlungen im Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung sein, wenn sie geeignet sind, den Verbraucher z. B. von der Ausübung bestehender Rechte abzuhalten, etwa wenn der Unternehmer fälschlich behauptet, es bestünden keine Gewährleistungsrechte72. Schließlich verlangt auch Ohly eine qualifizierte Einwirkung auf die Verbraucherentscheidung im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung. Eine solche weise die bloße Vertragspflichtverletzung nicht auf73. Wie auch Leistner, liefert Tiller zugleich den dogmatischen Unterbau für die Abgrenzung, wenngleich vorwiegend auf das Verhältnis von lauterkeitsrechtlichem Irreführungstatbestand einerseits und Gewährleistungsrecht andererseits bezogen74. Entsprechend der von Drexl75 entwickelten Verbraucherschutzdogmatik gehe es beim Verbraucherschutz um die Gewährleistung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung. Diese setze voraus, dass die Chance zur eigenverantwortlichen Bestimmung der Ziele und Mittel wirtschaftlichen Handelns rechtlich gewährleistet ist. Hierfür wiederum sei die Gewährleistung der Privatautonomie konstitutiv, jedoch nicht ausreichend. Das lauterkeitsrechtliche Verbot irreführender Werbung schütze folglich die wirtschaftlich selbstbestimmte Entscheidung als Ausdruck einer materiell zu verstehenden Entscheidungsfreiheit, derzufolge der Verbraucher seinen privatautonomen Entschluss zum Vertrag auf der Grundlage richtiger und zutreffender Informationen treffen soll76. Dagegen regle das Gewährleistungsrecht etwas ganz anderes, es schütze nämlich das Erfüllungsinteresse des Käufers77. Letztlich führt dies zu der eindeutigen These, dass es zu Konflikten zwischen Lauterkeits- und Vertragsrecht aufgrund des differenten Bezugspunkts gar nicht kommen könne78. Mit einer lauterkeitsrechtlichen Sanktion sei niemals ein Eingriff in das Rechtsverhältnis der Vertragsparteien verbunden79.

72

Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 76; MüKo-Ders., UWG, § 3, Rn. 117. Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 66a f. 74 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 86. 75 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 7 ff. 76 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 88. 77 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 88 f., mit Verweis u. a. auf Apostolopoulos, WRP 2004, 841 (845 f.). 78 Tiller, Gewährleistung und Irreführung,158, 164 f. 79 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 165. 73

178

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

IV. Kollektiver Präventivschutz durch das UWG Auch Köhler stellt entscheidend auf die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers ab, wenngleich schon im Rahmen der geschäftlichen Handlung80. Für das Verhältnis zum Vertragsrecht weist er zunächst auf das in Art. 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie statuierte und auch in Erwägungsgrund 15 UGP-Richtlinie bestätigte Prinzip der Nichteinmischung hin. Er betont allerdings die Wechselwirkungen zwischen beiden Bereichen. Letztlich könne insbesondere mit Blick auf vertragliche Nebenpflichten ein und dasselbe unlautere Verhalten auch vertragsrechtlich relevant sein. Andererseits habe aber das Lauterkeitsrecht keinen Einfluss auf bestehende Rechte und Pflichten aus dem Vertrag81. Vielmehr knüpfe es lediglich an vertragliche Rechtspositionen an, wie § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG zeige82. Die Funktion des UWG bestehe demnach darin, unlautere Einflüsse eines Unternehmers auf geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher, die sich in unterlegener Position befinden, zu unterbinden83. Angesichts des faktisch bestehenden Schutzdefizits im Hinblick auf die vertragsrechtlichen Rechtsbehelfe des Verbrauchers, biete das Lauterkeitsrecht – vor allem mit Hilfe des Unterlassungsanspruchs – einen kollektiven Präventivschutz des Verbrauchers84.

V. Zwischenergebnis Der erstgenannte Ansatz lässt sich mit der aktuellen Rechtslage kaum mehr vereinbaren. Aus den bereits ausführlich dargestellten Gründen85 ist eine derartige Beschränkung auf den Wettbewerb unter Konkurrenten, in den auch unmittelbar verbraucherbezogene Verhaltensweisen eingebettet werden, angesichts der aktuellen Reichweite des UWG nicht mehr sachgemäß. Einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die weitere Untersuchung liefern indes die beiden Ansätze von Leistner und Tiller, insbesondere im Hinblick auf den ganz grundsätzlichen dogmatischen Ausgangspunkt, von dem aus man das Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht zu bestimmen hat. Während Tiller einen grundlegenden Unterschied in den jeweils geschützten Interessen sieht, betont Leistner mit Verweis auf den angestrebten Vertragsschluss die Gemeinsamkeit der beiden Bereiche. Während Leistner zufolge das UWG dann eingreifen soll, wenn dies aus Effizienzgesichtspunkten notwendig ist, weil das Vertragsrecht nicht ausreicht, basiert der Ansatz Tillers darauf, dass die Bewertung nach dem UWG einen ganz anderen Anknüpfungspunkt hat als diejenige nach dem Vertragsrecht. Wie auch bei Sosnitza und Ohly ist dieser Anknüpfungs80 81 82 83 84 85

Siehe dazu ausführlich oben 2. Kapitel, B., III., 2., b). Köhler, WRP 2009, 898 (912). Köhler, WRP 2009, 898 (912), hier mit Verweis auf Scherer, WRP 2009, 761 (767). Köhler, WRP 2009, 898 (912). Köhler, WRP 2009, 898 (912). Siehe dazu 2. Kapitel, B., III., 3., a) und 5.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

179

punkt in der Beeinflussung der Entscheidung des Verbrauchers – im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung – zu finden. Damit stehen sich eine materiell-rechtliche und eine konkurrenzähnliche Lösung gegenüber86. Köhler stellt auf den Ausgleich eines faktischen Schutzdefizits durch einen kollektiven lauterkeitsrechtlichen Schutz ab. Insofern ist zu unterscheiden: Soweit man daraus wiederum die materiell-rechtliche Abgrenzung eines kollektiven von einem individuellen Schutz gemäß den traditionellen Kriterien ableiten will, wonach das UWG nicht innerhalb des einzelnen Vertragsverhältnisses greife, entspricht dies gerade nicht dem neuen UWG87. Die Beschränkung auf einen kollektiven Präventivschutz lässt sich allerdings auch derart auffassen, dass dieser kollektive Präventivschutz durchaus im einzelnen Vertragsverhältnis gilt, die Beschränkung auf den Kollektivschutz sich also lediglich auf die Rechtsfolgenseite bezieht88. Nach diesem Verständnis wäre die Beschränkung auf einen kollektiven Schutz nur ein Spiegelbild des Umstands, dass das UWG einen individuellen Rechtsbehelf des Verbrauchers nach wie vor nicht regelt. Im Übrigen bildet das von Köhler angesprochene gegenseitige Aneinanderanknüpfen von BGB und UWG einen überzeugenden Anknüpfungspunkt für die weitere Untersuchung. Aus den dargestellten Ansätzen lassen sich die entscheidenden Erkenntnisse für die weitere Untersuchung gewinnen. Zunächst ist von Bedeutung, ob sich die beiden Bereiche ganz grundlegend dadurch voneinander abgrenzen lassen, dass sie völlig unterschiedliche Interessen schützen, oder ob sie insoweit eher übereinstimmen. Daran anknüpfend ist zu untersuchen, ob und inwiefern sich die Bereiche in Wirkungsweise bzw. Methodik unterscheiden.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche Im folgenden Abschnitt geht es darum, unter Berücksichtigung der zuvor herausgearbeiteten Fragestellungen das Verhältnis von UWG und Vertragsrecht zu bestimmen. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob es im theoretischen Ausgangspunkt die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede sind, die das Verhältnis der beiden Bereiche prägen (I.). Daran anschließend ist zu klären, wie das jeweilige Schutzziel methodisch verfolgt wird (II.).

86

Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 590, Fn. 84. Dies entspräche wiederum der bereits ausführlich gewürdigten „Breitenwirkung“ bzw. der „marktbezogenen Außenwirkung“ oder „Wettbewerbsrelevanz“, siehe bereits 2. Kapitel, B., III., 3., a). 88 So Köhler, WRP 2009, 898 (912). 87

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

I. Einheitlicher Ausgangspunkt als theoretische Basis Leistner und Tiller haben die beiden unterschiedlichen Möglichkeiten dargestellt, sich dem Verhältnis von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Instrumentarium zu nähern. Es könnte einerseits von einem Gleichlauf der geschützten Interessen und Ziele ausgegangen werden oder aber andererseits gerade von deren Unterschiedlichkeit. Bevor der Charakter verbraucherschützender Vorschriften in BGB und UWG näher untersucht wird, soll aber zunächst einmal dargestellt werden, welche ganz grundlegenden Herangehensweisen an das Thema Verbraucherschutz es gibt. 1. Legitimation und mögliche Modelle des Verbraucherschutzes Seit längerem gilt der Verbraucher sowohl gesellschafts- als auch rechtspolitisch ganz allgemein und von vornherein als besonders schutzwürdig89. Der „Verbraucherschutz“ ist jedoch auch ein „ideologiebeladene[s] Modewort“, mit dem unterschiedliche Zielsetzungen verbunden werden90. Es gibt folglich eine Reihe verschiedener Motive und Konzeptionen des Verbraucherschutzes91. Weil die Thematik im Ausgangspunkt weniger ein rechtliches als vielmehr ein politisches und ökonomisches Phänomen ist92, liegt auch den rechtswissenschaftlichen Verbraucherschutztheorien eine ökonomische Begründung des richtigen Verbraucherschutzmodells zugrunde93. Ganz grundlegend standen sich hier von Anfang an zwei Grundmodelle gegenüber, die sich kurz gefasst als sozialer und liberaler Ansatz beschreiben lassen94. Darüber hinaus wurde auch versucht, die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers im Rahmen der ökonomischen Analyse des Rechts zu begründen.

89 GK-Schünemann, UWG, 1. Aufl., Einl C, Rn. 24; Vgl. Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, 30; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 17, 22; Sommer, Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz, 17. 90 Siehe Giere, Die Bedeutung öffentlicher Interessen bei der Anwendung des § 1 UWG, 124. 91 Vgl. die Darstellungen bei Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 25 ff.; Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 45 ff.; Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 101 ff.; Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 24 ff. 92 Vgl. Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 46. 93 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 25; vgl. Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 101. 94 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1, spricht von rechtspolitischen und ideologischen Grabenkämpfen zwischen jenen, die sich ein sozialer apostrophiertes Zivilrecht erhofften, und jenen, die sich als Verteidiger der Marktwirtschaft sahen. Vgl. die Einteilung u. a. bei Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 25 ff.; Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 103 ff.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

181

a) Sozialer Ansatz Den verschiedenen Varianten95 des sozialen Ansatzes ist gemein, dass sie den Selbstregulierungskräften des Marktes skeptisch gegenüberstehen96. Grundgedanke ist, dass das Ergebnis des Entscheidungsprozesses im Markt nicht unbedingt verbindlich sein solle und Maßnahmen zum Schutz des unterlegenen Teils erforderlich sein sollen97. Ausgegangen wird dabei vom Leitbild eines unterlegenen, hilfsbedürftigen Verbrauchers98, den es durch paritätswahrende bzw. wiederherstellende Maßnahmen zu schützen gelte99. Die Vertreter dieses Ansatzes gehen von einem strukturellen Ungleichgewicht zu Ungunsten des Verbrauchers aus100. Aufgrund einer asymmetrischen Macht- und Kommunikationsstruktur sei der Verbraucher in eine passiv-rezeptive Rolle gedrängt. Echte Konsumentensouveränität sei realitätsfern, weshalb Privatautonomie im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher keinen Sinn ergebe. Der Verbraucher sei nicht Souverän, sondern „Untertan“ des Marktgeschehens101. Die strukturelle Unterlegenheit und die damit einhergehende Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers seien wirtschaftlich, psychologisch und intellektuell bedingt102. So werden diese etwa aus dem Gegensatz von Konsum- und Gewinninteressen sowie dem darin enthaltenen Unterschied zwischen Gebrauchs- und (bloßem) Tauschwert103 gefolgert104. Zudem folge die Unterlegenheit des Verbrauchers daraus, dass die marktbeherrschenden Unternehmer mit angepassten Marketingstrategien den Umstand ausnutzten, dass der – insofern hilflose – Verbraucher angesichts der komplexen Marktsituation nicht mehr autonom und rational entscheiden könne105. Neben der unterlegenen Marktmacht sowie zunehmender Komplexität des Angebots, verbunden mit einer oftmals auf suggestive Beeinflussung gerichteten Werbung 95 Die Darstellung greift nur einige Vertreter und Variationen heraus, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 96 Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 46. 97 Vgl. Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 35. 98 Vgl. Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 47. 99 Ausführlich Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem (1981); krit. hierzu Lieb, AcP 183 (1983), 327 (362). 100 Exemplarisch Reich, Markt und Recht, 183 f.; Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 410 ff.; Tamm, Verbraucherschutzrecht, 13 f. 101 Reich, Markt und Recht, 183 f.; auch zitiert bei Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 34. 102 Vgl. Tamm, Verbraucherschutzrecht, 141 ff., m.w.N., die zudem im Rahmen des sozialen Modells weiter untergliedert zwischen einem situativen/vertragsbezogenen Ansatz (der Überschneidungen mit dem liberalen Modell aufweise) und einem verallgemeinernden, rollensoziologischen Ansatz (konsequent orientiert an der Zugehörigkeit zur „Gruppe der Verbraucher“). 103 Vgl. hierzu krit. Gröner/Köhler, Verbraucherschutzrecht in der Marktwirtschaft, 12 ff. 104 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 410 ff. 105 Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 134 ff.

182

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

seitens der Unternehmen folge die Unterlegenheit der Verbraucher schließlich auch aus deren fehlender Versiertheit sowie deren fehlendem Organisationsgrad106. In einem derartigen Markt funktioniere die Wahrung der Nachfragerinteressen durch den Konkurrenzmechanismus – wie er gerade durch den Nachfrager gesteuert werden sollte – nicht mehr, was ein Eingreifen des Staates erforderlich mache107. Gefordert wird folglich eine soziale Auslegung des Zivilrechts sowie die auf Grundlage des Sozialstaatsprinzips erforderliche Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit dort, wo der Bürger aufgrund seiner ökonomischen Situation sich seiner Freiheit nicht bedienen könne108. Verbraucherrecht solle zum Ausgleich des bestehenden Machtgefälles zwischen den Klassen verstärkt durch zwingendes Recht marktkompensatorisch eingreifen109. Im Rahmen eines sog. partizipatorischen Ansatzes110 sollen zudem die Verbraucher als Gegenmacht kollektiv im Produktionsprozess mitbestimmen dürfen und die Träger der wirtschaftlichen Macht einer öffentlichen Kontrolle unterstellt werden111. b) Liberaler Ansatz Die zweite der beiden grundsätzlichen Strömungen basiert auf der liberalen marktwirtschaftlichen Vorstellung, dass der Staat möglichst nicht bzw. möglichst wenig in wirtschaftliche Vorgänge eingreifen sollte112. aa) Ordnungspolitisches Informationsmodell Ausgangspunkt des – namentlich z. B. von Dauner-Lieb vertretenen – liberalen Informationsmodells ist, dass bereits die Existenz eines funktionierenden Marktes an sich einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den am Rechtsverkehr teilnehmenden Rechtssubjekten, d. h. auch zwischen Unternehmern und Verbrauchern, gewährleistet. Dabei wird in hohem Maße auf die Selbstheilungskräfte eines Marktes vertraut, in dem der Verbraucher sehr wohl in der Lage und angesichts der Knappheit der Mittel dazu angehalten ist, rationale Entscheidungen im Marktprozess zu treffen113. Der Markt wird nicht als Mittel zur Verwirklichung definierter Ziele 106 107 108

98. 109

Siehe v. Hippel, Verbraucherschutz, 4. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 141. Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 91 ff.,

Reich, ZRP 1974, 187, 188 f. So die Bezeichnung bei Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 48; Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 42 f. 111 Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 156 f. 112 Vgl. Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 25. 113 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 62; Schünemann, FS Brandner, 279 (294), setzt den „reasonable man“ voraus. 110

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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angesehen, sondern selbst zum Ziel erhoben114. Verbraucherschutz kann diesem Verständnis zufolge lediglich durch eine „systemimmanente Anpassung“ erfolgen, d. h. durch eine marktkomplementäre Anpassung des geltenden Zivilrechts an die veränderten wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen115. Zwar wird eine – auch aus strukturellen Erwägungen und konkret der organisatorischen und wirtschaftlichen Konzentration auf Anbieterseite hergeleitete – subjektiv-intellektuelle Unterlegenheit des Verbrauchers grundsätzlich erkannt; letzterem fehlten häufig die nötigen Informationen, um zwischen den verschiedenen, am Markt angebotenen Gütern die für ihn richtige Auswahl zu treffen bzw. überhaupt erst zu entscheiden, ob er sich ein bestimmtes Gut leisten kann und will116. Dem sei allerdings vorwiegend durch das marktkomplementäre Mittel der Statuierung von Informationspflichten entgegenzuwirken117. Beabsichtigt ist damit die Stärkung des Konsumenten als Individuum, nicht als Gruppe118. bb) Situativer Verbraucherschutz Auch Drexl hält die Grundüberlegungen des liberalen Informationsmodells eher für geeignet als die alternativen „sozialen“ Modelle119. Entscheidungszuständigkeiten müssten den Wirtschaftsteilnehmern, nicht dem Staat zugewiesen werden. Um die für das Funktionieren des Markts wesentliche Selbsbestimmtheit der Entscheidungen zu sichern, müsse es rechtspolitische Aufgabe sein, zum einen wettbewerbliche Marktbedingungen herzustellen, und zum anderen Situationen zu identifizieren und auf diese zu reagieren, in denen trotz grundsätzlichen Wettbewerbs die Selbstbestimmung nicht gewährleistet ist120. In diesem Zusammenhang zieht Drexl jedoch die im Rahmen des Informationsmodells vorgenommene Beschränkung auf die Kompensation von Informationsdefiziten in Zweifel121. Zwar diene eine verbesserte Informationslage der selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers. 114

Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 29. Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 62 f.; im Hinblick auf den Begriff der marktkomplementären Konzeption mit Verweis auf Reich, Markt und Recht, 198 ff. 116 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 63 ff. 117 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 69 ff.; siehe zum Informationsmodell auch Lieb, AcP 183 (1983), 348 (363); Hommelhoff, Verbraucherschutz im System des deutschen und europäischen Privatrechts, 24 ff.; Gröner/Köhler, Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, 43. 118 Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 106. 119 Dabei setzt er den Begriff bewusst in Anführungszeichen, weil er im Hinblick auf diese Modelle die Gefahr sieht, dass sie im Rahmen ihrer Verwirklichung tatsächlich zu unsozialen Ergebnissen führen, siehe Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 29, 63. 120 Drexl, Die wirtschaftliche Selbsbestimmung des Verbrauchers, 286 f. 121 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 28, 63. 115

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Gleichwohl seien Situationen denkbar, in denen auch umfassende Information eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung des Verbrauchers aus bestimmten, falltypischen Gründen nicht ermöglichte oder die notwendigen Informationen nicht zu bekommen seien122. Bereits mit Blick auf die – noch zu untersuchenden – verbraucherschützenden Vorschriften stellt er im Anschluss an Bydlinski123 fest, dass auch diese nicht sämtlich der Kompensation eines Informationsdefizits dienten. Dies veranschaulicht er am Beispiel des Widerrufsrechts im Rahmen des Haustürgeschäfts, welches auch dem voll informierten und belehrten Kunden zustehe124. Statt des Informationsmodells schlägt Drexl im Rahmen des von ihm entwickelten Modells der wirtschaftlichen Selbstbestimmung des Verbrauchers125 einen situationsbezogenen Verbraucherschutz vor126. Diesen unterteilt er in konstitutiven und kompensatorischen Verbraucherschutz. Der konstitutive Verbraucherschutz solle die Voraussetzung schaffen, dass Selbstbestimmung am Markt überhaupt möglich ist; dies sei primär über ordnungspolitische Maßnahmen (Wettbewerbspolitik, Wahrung der Privatrechtsordnung) zu verfolgen. Wo situativ eine selbstbestimmte Entscheidung nicht möglich ist, d. h. ordnungspolitische Maßnahmen versagen, müsse die Verbraucherschutzpolitik durch Formulierung allgemeiner Tatbestände kompensierend eingreifen, sei es im Wege der Gesetzgebung, sei es im Wege der richterlichen Konkretisierung von Generalklauseln127. c) Verbraucherschutz aus Effizienzgesichtspunkten Ein weiterer Ansatz nähert sich dem Thema Verbraucherschutz unter dem Gesichtspunkt der ökonomischen Analyse des Rechts128. Dabei wird grundsätzlich vom marktwirtschaftlichen System ausgegangen, wobei die optimale Allokation der 122

Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 70. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 751 f. 124 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 28. 125 Siehe dazu sogleich noch 3. Kapitel, C., I., 2., a). 126 Drexl, Die wirtschaftliche Selbsbestimmung des Verbrauchers, 284 ff.; anknüpfend an europäische Richtlinien zum situationsbezogenen Verbraucherbegriff ders., JZ 1998, 1046 (1050 f.); vgl. zum „Modell des situativ schutzbedürftigen Verbrauchers“ auch MüKo-Micklitz/ Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 42 ff., die dieses Modell indes dem „Schutz des Schwächeren“ unterordnen. Auch Tamm, Verbraucherschutzrecht, 142 f., sieht den situativen Verbraucherschutz als Modell zwischen dem liberalen und dem sozialen Schutzmodell und ordnet ihn dem sozialen Modell unter. Tamm gesteht indes ein, dass es eher dem liberalen Verbraucherschutzmodell entspreche, einen Verbraucherschutz, der über die bloße Informationsausstattung des Verbrauchers hinausgehe, unabhängig von rollen-soziologischen Betrachtungen nur nach Maßgabe situativer und vertragsspezifischer Besonderheiten greifen zu lassen. 127 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 9. 128 Vgl. hierzu auch Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 45 ff.; vgl. zur Entwicklung der ökonomischen Analyse des Rechts die Einführung bei Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 146 ff., m.w.N.; vgl. auch den Überblick bei Schwintowski, JZ 1998, 581 ff. 123

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Ressourcen den Maßstab für Rechtsanwendung und -politik und damit auch für den Schutz des (schwächeren) Verbrauchers bilden soll129. Insbesondere stünden der Gedanke von Effizienz und Verbraucherschutz nicht in einem Gegensatz130. Vielmehr solle Verbraucherschutz und Verbraucherrecht gerade als Mittel zur Schaffung effizienter Märkte eingesetzt werden, da nur so eine gesamtwohlfahrtsteigernde optimale Allokation von Ressourcen bewirkt werde131. Wo – wie im Bereich des Verbraucherschutzes – der Markt sich nicht selbst regulieren könne, müsse sich das Privatrecht um eine Substitution fehlender Marktkräfte bemühen132. Auf Seiten des Verbrauchers bestünden Informations- und Rationalitätsdefizite sowie prohibitiv hohe Transaktionskosten, da der Verbraucher als Abnehmer kleiner Gütermengen die Fixkosten der Informationsbeschaffung nicht auf größere Abnahmemengen verteilen könne133. Um dem entgegenzuwirken, sollen diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die die größten Effizienzvorteile versprechen. Dabei werden nicht nur Informationspflichten vorgeschlagen134, um der Freiwilligkeit eines – dann effizienten135 – Austausches Geltung zu verschaffen. Ebenso umfasst dieser Ansatz die Stärkung der schwächeren Marktgegenseite durch Bildung von Marktmacht sowie subsidiär staatliche Marktaufsicht136. Verbraucherschützende Regelungen sind demnach – pragmatisch orientiert – Eingriffe zur Effizienzerhöhung, ohne dabei Partei für eine Seite einzunehmen137.

129

Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, 179 f.; Horn, AcP 176 (1976), 307 (308); Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 (220); dies., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts, 9; vgl. auch Magoulas, Zur ökonomischen Analyse des Konsumentenschutzes – unter besonderer Berücksichtigung informations- und risikobezogener Probleme von Konsumentenmärkten, 23 (50); ausführlich und differenzierend zur Verwendbarkeit effizienzbasierter Marktmodelle für die Gestaltung des Rechts Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 80 ff. 130 Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 (220); dies., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts, 9. 131 Vgl. MüKo-Micklitz/Purnhagen, BGB, 7. Aufl., Vorb. zu §§ 13, 14, Rn. 45, mit Verweis u. a. auf Luth, Behavioural Economics in Consumer Policy, 15 ff. 132 Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, 179. 133 Magoulas, Zur ökonomischen Analyse des Konsumentenschutzes – unter besonderer Berücksichtigung informations- und risikobezogener Probleme von Konsumentenmärkten, 23 (43 f.); vgl. auch Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 46. 134 Magoulas, Recht und Ökonomie beim Konsumentenschutz und Konsumentenkredit, 23 (50). 135 Posner, Recht und Ökonomie: Eine Einführung, 79 (87). 136 Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, 180. 137 Dick, Das Verbraucherleitbild der Rechtsprechung, 53.

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d) Fazit Die jeweiligen Verbraucherschutztheorien unterscheiden sich hinsichtlich des ihnen zugrundegelegten Wirtschafts- und Wettbewerbsmodells. Während sich die sozialen Modelle auf ein interventionsstärkeres soziales Referenzmodell beziehen138, knüpft der liberale Ansatz an die ordoliberale Schule an und will in erster Linie dem Individuum Hilfe zur Selbsthilfe bieten139. Er basiert auf dem wirtschaftsund gesellschaftstheoretischen Referenzmodell der sozialen Marktwirtschaft und hält am Primat der Wettbewerbspolitik zum Verbraucherschutz fest140. Keine weitere Verkomplizierung bringt der Ansatz der ökonomischen Analyse des Rechts mit sich. Dieser steht insofern zwischen dem liberalen und dem sozialen Modell, als er einerseits auf einem positiven Verständnis der Marktwirtschaft basiert, andererseits ergebnisorientiert nicht den marktlichen Entscheidungsprozess an sich zum Ziel erhebt. Jeweils charakteristisch und für die weitere Untersuchung entscheidend ist die rechtspolitische Konsequenz, mit der die Ansätze den Verbraucherschutz verwirklichen wollen: marktkomplementär durch Stärkung des Verbrauchers in seiner Rolle als Marktteilnehmer oder marktkompensatorisch durch eine Korrektur der Verbraucherentscheidung und damit der durch den Markt erzielten Ergebnisse. 2. Prinzipien und Instrumente des rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes Die zuvor dargestellten Ansätze unterscheiden sich darin, wie weitgehend das durch Vertragsschluss erzielte Ergebnis und die dort getroffene Entscheidung akzeptiert oder stattdessen (gegebenenfalls) korrigiert wird. Um den Charakter rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes herauszuarbeiten, müssen daher die verbraucherschutzrechtlichen Normen zur Privatautonomie als zentralem Prinzip des Vertragsrechts in Verhältnis gesetzt werden. a) Die Privatautonomie als liberaler Ausgangspunkt Die gesamte Privatrechtsordnung wird von dem Prinzip der Privatautonomie geprägt141. Diese ist als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2, 1 GG verfassungsrechtlich verankert142. Inhaltlich werden unter die Privatautonomie u. a. 138

Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 108. Vgl. zur Konzeption Walter Euckens als dem Begründer der sog. Freiburger Schule Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, 1 (22). 140 Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, 104. 141 Staudinger-Busche, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, F., Rn. 3. 142 BVerfGE 74, 129 (151 f.); vgl. Staudinger-Olzen, BGB, Einl SchuldR, Rn. 49. Dass die Privatautonomie zwar in verschiedenen Vorschriften des BGB, wie insbesondere den §§ 241 und 311 BGB, zum Ausdruck kommt, gleichwohl aber nicht explizit definiert ist, geht lediglich darauf zurück, dass ihre Geltung für den Gesetzgeber so selbstverständlich war, dass er eine 139

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die Vereinigungs- und Satzungsfreiheit sowie die Eigentümer- und Testierfreiheit gefasst143. Ihre Haupterscheinungsform ist indes die Vertragsfreiheit als die Freiheit, die eigenen Lebensverhältnisse durch Vertrag eigenverantwortlich zu gestalten144. Die Vertragsfreiheit wiederum umfasst sowohl die Abschluss- und Auflösungsfreiheit als auch die Gestaltungs- bzw. Inhaltsfreiheit145. Damit ist die Privatautonomie und die damit verbundene freie Entscheidung Ausdruck eines liberalen Verständnisses, das sowohl dem Unternehmer als auch dem Verbraucher jeweils als (potentieller) Vertragspartei ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Freiheit einräumt. Die Rechtsgeschäftsordnung kennt des Weiteren aber auch das Prinzip der Vertragstreue bzw. der vertraglichen Bindungswirkung („pacta sunt servanda“) sowie das Äquivalenzprinzip146. Der Inhalt des erstgenannten Prinzips ist aus sich heraus verständlich. Das Äquivalenzprinzip147 zielt auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung in gegenseitigen Verträgen148. Es lässt sich die Frage aufwerfen, inwieweit diese Prinzipien ihrerseits die freiheitliche Privatautonomie fortsetzen oder diese vielmehr einschränken. Nach teils vertretener Ansicht vermag die Privatautonomie etwa die vertragliche Bindungswirkung nicht149 oder jedenfalls nicht allein zu begründen, weshalb hier zusätzlich der Gedanke des Verkehrs- und Vertrauensschutzes herangezogen wird150. In der Tat wohnt jedem Vertrag zwangsläufig der Antagonismus inne, einerseits zur Verwirklichung von Selbstbestimmung zu dienen, andererseits eben diese zugleich durch Selbstbindung einzuschränken151. Gleichwohl impliziert rechtliche Geltung notwendigerweise Bindung152. Vertrags-

ausdrückliche Erwähnung schlicht nicht für erforderlich hielt, siehe Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 293. 143 Staudinger-Olzen, BGB, Einl SchuldR, Rn. 52. 144 Palandt-Ellenberger, BGB, Einf v § 145, Rn. 7. Nach Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 18, ist die Vertragsfreiheit „zu verstehen als pars pro toto der Privatautonomie“; vgl. auch Staudinger-Olzen, BGB, Einl SchuldR, Rn. 52. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 17, sieht den Vertrag als die wichtigste Erscheinungsform der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen. 145 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 17. 146 Ausführlich Staudinger-Olzen, BGB, Einl SchuldR, Rn. 48 ff. 147 Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 178 f., Fn. 28, zufolge ist es umstritten, ob das Äquivalenzprinzip Prinzip des Vertragsrechts ist. 148 Staudinger-Olzen, BGB, Einl SchuldR, Rn. 66, m.w.N. 149 Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 153, betont, dass Freiheit bzw. Selbstbestimmung allein angesichts des begrifflichen Gegensatzes von Freiheit und Bindung eine Verbindlichkeit des Rechtsgeschäfts noch nicht rechtfertigen könnten. 150 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 28 f., m.w.N., ausführlich 35 ff.; für eine Rechtfertigung aus dem Verkehrsschutzgedanken heraus auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 180 f. 151 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (279). 152 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (279).

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treue ohne vorherige Selbstbestimmung ist sinnvollerweise ebenso wenig denkbar153 wie eine selbstbestimmte Entscheidung ohne deren rechtliche Bindungswirkung. Insofern ist die vertragliche Bindungswirkung Ausdruck und notwendige Konsequenz der Selbstbestimmung des Einzelnen154. Zumindest mit Blick auf ihren grundsätzlichen Geltungsgrund lässt sich die Bindungswirkung mithin auf die Privatautonomie zurückführen155. Wie sich das Äquivalenzprinzip zur privatautonomen Entscheidung verhält, hängt davon ab, welches Verständnis man diesem Prinzip zugrunde legt. Bei der Bewertung der Austauschleistungen ist dabei zwischen subjektiver und objektiver Äquivalenz zu unterscheiden156. Ein objektiver Ansatz zielt auf die objektive „Gerechtigkeit“ eines Austauschverhältnisses, wohingegen es nach subjektivem Verständnis genügt, dass jede Partei aufgrund ihrer eigenen Einschätzung in der Leistung des anderen ein genügendes Äquivalent für ihre eigene Leistung erblickt157. Während also ersterer Ansatz der Privatautonomie eine Grenze setzt, lehnt sich zweiterer unmittelbar an die Privatautonomie an158. Die Untersuchung der verbraucherrelevanten Normen wird zeigen, welches Modell dem BGB zugrunde liegt. b) Die rechtsgeschäftlichen Regelungen und deren Verhältnis zur Privatautonomie Die Privatautonomie besteht freilich nur im Rahmen der geltenden Gesetze159 und erhält ihre Ausprägung durch die Rechtsordnung160. Obwohl das BGB im Ursprung eine sehr liberale Grundhaltung einnahm161, griffen zunehmend auch soziale Erwägungen und insbesondere auch der Verbraucherschutz Platz. Heute gehört es zum anerkannten Gemeingut, dass es eine rein formale, vollkommen sich selbst überlassene Privatautonomie nicht geben kann bzw. geben soll162. Einigkeit besteht also

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Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 29. Larenz, Richtiges Recht, 57, spricht von „Selbstbestimmung durch Selbstbindung“; vgl. auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 28. 155 Vgl. auch Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 39; siehe auch Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 57. 156 Staudinger-Olzen, BGB, Einl SchuldR, Rn. 67. 157 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., § 2, Rn. 22 f. 158 Vgl. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 184; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (283), veranschaulicht, dass man von subjektiver Äquivalenz spricht, wenn die Rechtsordnung als Gegenleistung grundsätzlich anerkennt, was die Parteien vereinbart haben, während objektive Äquivalenz bedeutet, dass die Rechtsordnung ihrerseits die Gegenleistung unabhängig vom Parteiwillen inhaltlich festlegt. 159 BVerfG NJW 1990, 1469 (1470). 160 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 15 ff. 161 Siehe oben 3. Kapitel, A., I. 162 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 183, mit Verweis auf den Palandt als Gradmesser, siehe Palandt-Ellenberger, BGB, Einf v § 145, Rn. 13. 154

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dahingehend, dass es einer „Materialisierung“ der Privatautonomie bedarf163. In der sich daran anschließenden Frage, auf welche Art „der Vertrag“ materialisiert werden soll, spiegelt sich die Diskussion um Legitimation und Konzept des Verbraucherschutzes wider164. Gegenüber stehen sich Ansätze, die die Entscheidung zum Vertrag für grundsätzlich maßgeblich erachten und lediglich den Verbraucher in seiner Rolle als Vertragspartner stärken sowie solche, die inhaltlich korrigierend zu Gunsten der Personengruppe der Verbraucher eingreifen wollen. Schmidt-Rimpler etwa wies dem Vertrag als einem hoheitlicher Regelung überlegenen Instrument eine Richtigkeitsgewähr in dem Sinne zu, dass der Vertrag zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit bietet, ein „gerechtes“ bzw. „richtiges“ Ergebnis herbeizuführen165. Dagegen müsste nach Raiser der Staat den Schwachen auch im Vertragsrecht schützen und soziale Gerechtigkeit verwirklichen, wobei er beispielhaft u. a. den Schutz des Verbrauchers nannte166. Dementsprechend unterstehe die Freiheit dem Gebot der Gerechtigkeit, das es erlaube, Verträgen die Anerkennung zu versagen, die nach der Art ihres Zustandekommens oder ihrem Inhalt nach der Rechtsordnung zuwiderlaufen167. Flume sah eine Materialisierung nicht mit Blick auf den Inhalt, sondern auf das Zustandekommen des Vertrags als erforderlich an168. „Richtig“ sei der Vertrag, weil und soweit er von der beiderseitigen Selbstbestimmung getragen ist. Die inhaltliche Gestaltung innerhalb des von der Rechtsordnung der Selbstbestimmung überlassenen Bereichs entziehe sich aber einem rechtlichen Urteil169. Wolf setzte ebenso an den Funktionsbedingungen der Privatautonomie selbst an. Aufgabe des Rechts müsse es sein, die Voraussetzungen zu schaffen, dass der einzelne zur selbstbestimmten Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen bzw. zur Abwehr unberechtigter Forderungen in der Lage ist170. In 163

Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 38. Siehe 3. Kapitel, C., I., 1.; zur nachfolgenden Darstellung vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 35 ff.; auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 182 ff. 165 Schmidt-Rimpler, FS Raiser, 3 (8, 8 f.), spricht von einer „Tendenz zur Gerechtigkeit“. Der Autor stellt aber klar, dass er auch in seinem ursprünglichen Beitrag zu der Thematik aus dem Jahre 1941, ders., AcP 147 (1941), 130 ff., den Vertragsmechanismus und seine Richtigkeit nicht als den einzigen Grund für die Eignung des Soziallebens sah und die Richtigkeitsgewähr damit nicht auf den Einzelfall bezogen war. Die besondere Betonung der Richtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus erklärt er aus einem rechtspolitischen Anliegen, das den Umständen der Zeit geschuldet war. 166 Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, 31 f. 167 Raiser, JZ 1958, 1 (3). 168 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 10. 169 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 8. 170 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, 69 f. Wolf ging sogar so weit, im Zuge der maßgeblichen Bedeutung der Selbstbestimmung das Vorliegen rechtsgeschäftlicher Entscheidungsfreiheit als selbständige Voraussetzung für die Gültigkeit einer Willenserklärung zu betrachten, siehe 124 f. Krit. im Hinblick auf die Rechtsunsicherheit, die mit einer solchen „wirtschaftlichen Geschäftsfähigkeit“ einherginge Drexl, Die wirtschaftliche Selbsbestimmung des Verbrauchers, 40, 209, jeweils mit Verweis auf 164

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diesem Sinne stellt auch Weitnauer ein Marktversagen fest, sofern Entscheidungen im Marktgeschehen nicht auf freien, unabhängigen und autonomen Entschlüssen beruhen171. Schließlich setzt auch das bereits genannte situative Verbraucherschutzmodell der wirtschaftlichen Selbstbestimmung von Drexl vorwiegend an der Materialisierung der Entscheidung und damit an den Funktionsbedingungen der Privatautonomie selbst an. Konstitutiv seien die formale Privatautonomie und die Freiheit des Wettbewerbs zu gewährleisten; als notwendigen kompensatorischen Verbraucherschutz sieht er die Gesamtheit der Normen, die dazu bestimmt sind, in Abweichung vom Prinzip der formalen Privatautonomie selbstbestimmte Entscheidungen des Verbrauchers im Sinne materieller Freiheit zu sichern172. Insgesamt scheint die Argumentation mit einem vertraglichen Ungleichgewicht aufgrund genereller Unterlegenheit seit längerem auf dem Rückzug zugunsten einer Betrachtungsweise, die auf die Funktion des Zustandekommens des Vertrages abstellt173. In diesem Sinne stellt etwa das BVerfG für die Materialisierung der Vertragsfreiheit zumindest vorwiegend auf die Verbürgung der Vertragsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG ab. Es stellt den Schutz vor Fremdbestimmung und nicht in erster Linie die Schutzbedürftigkeit des Schwächeren in den Mittelpunkt seiner Betrachtung174. Die nachfolgende Untersuchung der (zumindest auch175) verbraucherschützenden Normen176 wird zeigen, dass auch das BGB Verbraucherschutz in erster Linie in der Art verwirklicht, dass es zu einer nicht nur formal, sondern faktisch (materialisiert) selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers beiträgt. Hierfür greift es zumeist nicht korrigierend in den Marktmechanismus ein, sondern trägt zu dessen Funktionieren bei177.

Fikentscher, FS Hefermehl, 41 (49); auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 184, Fn. 64. 171 Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 17 f. 172 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 283. 173 Drexl, Die wirtschaftliche Selbsbestimmung des Verbrauchers, 41 f. 174 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 42, mit Verweis auf BVerfGE 89, 214 (232, 254 f.). Gleichwohl erkennt auch Drexl, dass das Gericht für ein Abweichen von der formalen Privatautonomie auch auf ein vertragliches Ungleichgewicht abstellt. 175 Insofern zählen zum rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz im weiteren Sinne auch Regelungen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre wie beispielsweise die Anfechtungsregeln, Regelungen des allgemeinen Schuldrechts wie die vorvertragliche Informationshaftung im Rahmen der culpa in contrahendo, und des besonderen Schuldrechts, insbesondere die Vorschriften über die Sachmängelhaftung im Kaufrecht, vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 266. 176 Ausführlich zu verbraucherschutzrechtlichen Instrumenten des BGB Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 177 ff. 177 Vgl. auch Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 151, 209 f.

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aa) Der Verbraucherbegriff Eine erste Grundentscheidung für ein situatives Verbraucherschutzrecht, das nicht auf eine generelle strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers abstellt, trifft bereits die nunmehrige Definition des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB178. Demnach ist Verbraucher nicht etwa eine bestimmte Person an sich, sondern jede Person, die in einer bestimmten Rolle am Markt teilnimmt. Es entspricht einem marktkomplementären Verständnis, wenn verbraucherschützende Normen in der Folge nicht an eine schutzbedürftige Personengruppe, sondern an das Tätigwerden als (potentieller) Vertragspartner anknüpfen. bb) Informationspflichten Wie bereits dargelegt179, ist ein dominantes Instrument europäischer Verbraucherschutzvorgaben zweifellos die Normierung von Informationspflichten des Unternehmers dem Verbraucher gegenüber. Die nach entsprechender Umsetzung zahlreichen Informationspflichten im BGB verfolgen den Zweck, Transparenz zu schaffen und einer im Rahmen bestimmter Vertragstypen bestehenden Informationsasymmetrie vorzubeugen180. Damit verbleibt die Entscheidung über den Vertragsschluss und den Inhalt des Vertrages bei den Parteien. Der Ausgleich von Informationsdefiziten führt aber zu tatsächlich selbstbestimmtem Entscheidungsverhalten181. Im Hinblick auf die Privatautonomie wirken Informationspflichten damit unterstützend in dem Sinne, dass sie die Vertragsfreiheit als den zentralen Teil der Privatautonomie materialisieren. Sie sind daher geradezu ein Paradebeispiel des liberalen, marktkomplementären Modells182. Weil Informationspflichten nicht nur vor Vertragsschluss gelten183, ist zu berücksichtigen, dass diese Vertragsfreiheit nicht nur die freie Entscheidung über den Vertragsschluss als solchen umfasst. Ebenso erfasst sie z. B. die Entscheidung über die Ausübung eines Widerrufsrechts184.

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Siehe bereits Einleitung, II., 3. Siehe 3. Kapitel, A., II., 2., b), aa). 180 Siehe bereits 2. Kapitel, A., II., 7. 181 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 451, zufolge stellen Informationspflichten den geringsten Eingriff in die Privatautonomie dar. Überzeugender scheint es jedoch, erst gar nicht von einem Eingriff zu sprechen. Zwar erlegen Informationspflichten dem Unternehmer eine Pflicht auf. Doch bewirkt diese Pflicht eben nicht unmittelbar, dass der Unternehmer in seiner Entscheidung beschränkt oder der Inhalt des Vertrages direkt geregelt wird. 182 Vgl. auch Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 48. 183 Siehe bereits oben 1. Kapitel, D., II., 2. und 2. Kapitel, B., IV., 1. 184 Siehe auch Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 49. 179

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cc) Widerruf Widerrufsrechte knüpfen an eine Situation an, in der der Verbraucher typischerweise in seiner Willensbildung beeinträchtigt ist. In diesen Fällen gewähren sie dem Verbraucher eine nachträgliche Überlegungsfrist185. Argumentieren ließe sich, dass ein solches Lösungsrecht deshalb die Privatautonomie unterstützt, weil es auf der Beeinträchtigung der Verbraucherentscheidung basiert. Gleichwohl liegt auf der Hand, dass damit eine Aufweichung des Grundssatzes pacta sunt servanda einhergeht186. Ein Widerrufsrecht gibt dem Verbraucher die Möglichkeit, sogar unabhängig von einer tatsächlichen Beeinträchtigung einen fehlerfrei zustande gekommenen, zunächst wirksamen Vertrag187 einseitig aufzulösen und kann damit faktisch im Einzelfall als reines „Reuerecht“ wirken188. Man wird hier indes unterscheiden müssen zwischen faktischer (Einzelfall-)Wirkung und konzeptioneller rechtlicher Zielsetzung. In der Grundidee basieren die Widerrufsrechte auf der Annahme, dass der Verbraucher in bestimmten Situationen bzw. bei bestimmten Vertragsarten typischerweise situativ bzw. informativ unterlegen und daher nicht in der Lage ist, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Das Widerrufsrecht soll dann die Entscheidungsfreiheit und damit die Vertragsfreiheit mit Hilfe einer Bedenkzeit nach Vertragsschluss wiederherstellen189. Wie bereits dargelegt, stehen die Widerrufsrechte in engem Zusammenhang mit den Informationspflichten190. Sie weisen im Vergleich zu diesen jedoch eine verschiedene Herangehensweise auf. Während letztere auf eine informierte (erste) Entscheidung hinwirken, erlauben die Widerrufsrechte die Korrektur einer typischerweise nicht selbstbestimmten, d. h. uninformierten und/oder unfreien Entscheidung. Im Hinblick auf seine Auswirkungen kann das Widerrufsrecht letztlich als – sogar starke – Abweichung vom Prinzip pacta sunt servanda gelten. Seiner Intention nach

185 Siehe bereits oben 2. Kapitel, A., II., 5; zum sekundärrechtlichen Hintergrund der Widerrufsrechte siehe bereits 3. Kapitel, A., II., 2., b), bb). 186 Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 199; vgl. auch Gessner, Widerufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 10; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (344). 187 Palandt-Grüneberg, BGB, § 355, Rn. 4; Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Müller-Christmann, BGB, § 355, Rn. 13; anders zu den meisten Widerrufsrechten noch die h.M. zur alten Rechtslage, vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 451, der von einem „Hinauszögern der Wirksamkeit des Vertrages“ spricht; vgl. auch Staudinger-Kaiser, BGB, § 355, Rn. 22, m.w.N. 188 Vgl. Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 199; Gessner, Widerufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 10. 189 Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 10 f.; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 124, mit Verweis auf Begr RegE BT-Drucks. 7/4078, 8. 190 Siehe 3. Kapitel, A., II., 2., b), bb).

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schützt es aber gerade eine materialisierte Vertragsfreiheit191. Dem entspricht es auch, dass in den ausgemachten Gefahrensituationen nicht etwa auf Gültigkeit und Inhalt des geschlossenen Vertrages Einfluss genommen, sondern dem Verbraucher lediglich eine neue Chance gegeben wird, selbstbestimmt zu entscheiden192. dd) Anfechtung Auch die Erklärung der Anfechtung ermöglicht es dem Verbraucher, den Vertragsschluss zu überdenken und seine Entscheidung auf verbesserter Grundlage neu zu treffen193. Im Rahmen der Anfechtung sind die Irrtumsanfechtung und die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bzw. widerrechtlicher Drohung zu unterscheiden. Die dogmatisch überaus umstrittene194 Irrtumsanfechtung sieht zur Wahrung der Privatautonomie eine Kompensation der vom Gesetz vorgesehenen und häufig praktizierten Bindung an das nicht Gewollte vor195. Dabei kennen die §§ 119, 120 BGB vier verschiedene Anfechtungsgründe, die auf unterschiedliche Weise die Selbstbestimmtheit des Erklärenden berühren. Sie knüpfen teils an der Entscheidungsfindung, teils an der Entscheidungsäußerung an196. In den Fällen des Erklärungs- und Übermittlungsirrtums (§§ 119 Abs. 1 Var. 2, 120 BGB) entspricht schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden197. Eine (auch nur formal) privatautonome Gestaltung liegt erst gar nicht vor198. Auch im Rahmen des Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1 Var. 1 BGB) fallen Erklärung und Wille auseinander. Hier entspricht zwar der äußere Tatbestand der Erklärung dem Willen des Erklärenden, jedoch irrt letzterer über Bedeutung und Tragweite der Erklärung199. Dieser Fall steht einem Fehler in der Willensbildung 191 Vgl. auch Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 48 f. 192 In den Worten Canaris’ handelt es sich um ein „prozedurales“ Instrument zum Schutz der Entscheidungsfreiheit, nicht um ein „inhaltlich beschränkendes“. Das entspreche dem liberalen Grundmodell, Canaris, AcP 200 (2000), 273 (345). 193 Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 189. 194 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 260, zufolge gehört die Irrtumslehre „bekanntlich zu den am kontroversesten diskutierten Bereichen der gesamten Rechtsgeschäftslehre“. 195 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 260. 196 Wegen Irrtums kann angefochten werden, weil sich der Erklärende so nicht entschieden hat, oder aber, weil er sich so nicht entschieden hätte. Vgl. Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 207, der zwischen Fällen, in denen schon formal keine selbstbestimmte Entscheidung vorliegt, und solchen unterscheidet, in denen die formal selbstbestimmte Entscheidung materiell nicht die erforderliche Qualität aufweist. 197 Palandt-Ellenberger, BGB, § 119, Rn. 10. § 120 BGB stellt die irrtümlich unrichtig übermittelte Erklärung dem Irrtum in der Erklärungshandlung gleich. 198 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 262 f. 199 Palandt-Ellenberger, BGB, § 119, Rn. 11.

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näher als derjenige des Erklärungs- oder Übermittlungsirrtums, weil er zumindest die Willensbildung über die Wahl des Erklärungszeichens betrifft200. Gleichwohl geschieht der Fehler auch in diesem Fall zumindest nicht unmittelbar in der dem Erklärungsakt vorgelagerten Willensbildung als solcher201. Tatsächlich die Willensbildung als solche betrifft die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB). Hier stimmen Wille und Erklärung tatsächlich überein, während der Erklärende über Eigenschaften des Gegenstands und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit irrt202. Ganz besonders deutlich betrifft § 123 BGB Fälle einer gestörten Willensbildung. Gemäß dessen Abs. 1 kann der Erklärende anfechten, wenn er zur Abgabe der Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Die Norm schützt „die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiete“ als solche203. Sie greift in Fällen ein, in denen auf Seiten des Getäuschten bzw. Bedrohten eine – exogen verursachte – nicht mehr verantwortbare schwere Beeinträchtigung der materiellen Selbstbestimmung vorliegt204. Im Ergebnis setzt die Anfechtung nicht etwa eine Unausgewogenheit des Vertrags voraus, sondern lässt grundsätzlich allein die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit ausreichen205. Dabei ist es gleichgültig, ob die Anfechtungsmöglichkeit nun an der Bildung oder Äußerung der Entscheidung ansetzt, eine mit der Erklärung übereinstimmende, materiell selbstbestimmte Entscheidung liegt in diesen Fällen nicht vor206. Um diese dennoch zu ermöglichen, wird ein Vertragslösungsrecht gewährt, damit noch einmal über den Bestand des Vertrages entschieden werden kann207. Die weitreichende Bedeutung der selbstbestimmten Entscheidung wird gerade in den Fällen deutlich, in denen der Fehler in Willensbildung bzw. -äußerung aus der Sphäre des Erklärenden selbst stammt. Einen Ausgleich bei der gebotenen Abwägung zwischen Privatautonomie und Selbstverantwortung einerseits und 200 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 265; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 190. 201 Die Abgrenzung zwischen Fehlern in der Motivation und solchen im Erklärungsakt ist bisweilen schwierig, vgl. ausführlich Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 265 ff. 202 Palandt-Ellenberger, BGB, § 119, Rn. 23; Staudinger-Singer, BGB, § 119, Rn. 79; ausführlich zur dogmatischen Einordnung des Eigenschaftsirrtums wiederum Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 294 ff. 203 Mot. I, 204; vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 314, 348; vgl. auch Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 291, 453. 204 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 314 f.; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 209. 205 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (281). 206 Die weitreichende Bedeutung der selbstbestimmten Entscheidung wird gerade in den Fällen deutlich, in denen der Fehler in Willensbildung bzw. -äußerung aus der Sphäre des Erklärenden selbst stammt. 207 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 309.

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Vertrauens- und Bestandsschutz andererseits schafft indes dann der gleichzeitige Anspruch der Gegenseite auf Ersatz des Vertrauensinteresses (§ 122 BGB)208. ee) Gewährleistungsrecht Ebenso wenig wie das Recht zur Anfechtung ist das Gewährleistungsrecht spezifisches Verbraucherrecht. Gleichwohl ist es nicht nur Verbraucherrecht im weiten Sinne insofern, als es auch den Verbraucher betrifft. Darüber hinaus wurden, wie bereits dargestellt209, gerade im Sachmängelgewährleistungsrecht verbraucherschützende europäische Vorgaben umgesetzt. § 433 BGB bildet zunächst die logische Konsequenz eines Austauschvertrages ab und beschreibt die Leistungspflichten, wie sie unmittelbar aus dem Willen der Vertragsschließenden folgen. Insofern wird lediglich die Privatautonomie, von der das BGB ausgeht, rechtlich in Geltung gesetzt210. Eine explizite Regelung für den Fall eines Mangels werden die Parteien dagegen regelmäßig nicht getroffen haben. Gleichwohl stehen dem Vertragspartner die Rechte aus § 437 BGB zu. So kann der Verbraucher Nacherfüllung verlangen oder gegebenenfalls vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz verlangen. Die Sachmängelgewährleistung ist damit Ausdruck des Äquivalenzprinzips211. Um einer Äquivalenzstörung entgegenzusteuern, knüpft das BGB an das Vorliegen eines Sach- oder Rechtsmangels grundsätzlich dispositives Recht, welches letztlich die Typisierung des mutmaßlichen Willens redlicher und vernünftiger Parteien darstellt212. Im Falle des Verbrauchsgüterkaufs sind die beschriebenen Rechte sogar nach Maßgabe des § 476 Abs. 1 BGB zwingend. Das zwingende Bestehen von Gewährleistungsregeln hat in gewissem Maße paternalistischen Charakter213. Zudem beziehen sich, wie die Untersuchung gezeigt hat214, die Maßstäbe des Gewährleistungsrechts zum Teil nicht nur auf das einzelne Vertragsverhältnis, sondern folgen einer objektiven Betrachtung. Gleichwohl ist die hier angestrebte Äquivalenz eine subjektive, die die selbstbestimmte Entscheidung des Verbrauchers sicherstellen soll. Gewährleistungsrechte werden von der Rechtsordnung im Hinblick auf die Vereinbarung der Parteien gewährt215, der „vertraglich-gesetzliche“ Anspruch aus § 437 BGB erhält 208

Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschte Vertrag, 261, 263; vgl. auch MüKoArmbrüster, BGB, § 119, Rn. 1, der von einem „Mittelweg“ spricht. 209 Siehe 2. Kapitel, A., II., 1. 210 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. 211 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 88 f.; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 182, spricht vom „Prinzip der Verantwortung für nicht korrekte Erfüllung“. 212 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (285). 213 Vgl. krit. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (362 ff.), der in diesem Zusammenhang einen „spießbürgerlichen Paternalismus“ ausmacht. 214 Siehe bereits 2. Kapitel, A., II., 1., 2. 215 Vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3 f.

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seinen Inhalt aus der Vereinbarung in dem Vertrag216. So soll der Käufer genau die Leistung bekommen, für die er sich entschieden hat. Zumindest soll er sich andernfalls vom Vertrag lösen, mindern oder verlangen können, so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. Das Gewährleistungsrecht schützt den Verbraucher als Vertragspartner in seiner Erwartung ordnungsgemäßer Erfüllung der vertraglichen Pflichten, die er bewusst herbeiführen wollte217. Nicht etwa der Inhalt eines Vertrages wird zwingend geregelt, sondern allein die Möglichkeit, seiner Entscheidung auch tatsächlich Geltung zu verschaffen. Dass das Vertragsrecht eine faktisch privatautonome Entscheidung ermöglichen will, zeigt sich dabei schon in der Ausgestaltung der Gewährleistung. Auch wenn diese – zumindest beim Verbrauchsgüterkauf – dem Verbraucher unter Umständen zwingend Rechte zur Verfügung stellt, so bleibt es doch dessen Entscheidung überlassen, ob er die Rechte tatsächlich ausübt. ff) AGB-Kontrolle Die AGB-Kontrolle ist nicht nur seit längerer Zeit gesetzlich geregelt218, sie ist mit Umsetzung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln, deren Anwendungsbereich auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern beschränkt ist, auch zu einer spezifisch verbraucherschützenden Regelung geworden219. § 310 Abs. 3 BGB erweitert den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB bei Verbraucherverträgen. Die Regelung legt für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern sowohl hinsichtlich der Einbeziehung von AGB als auch mit Blick auf deren inhaltliche Kontrolle einen strengeren Maßstab an. Möchte man die AGB-Vorschriften in Verhältnis zur Privatautonomie setzen, dann ist genau genommen zu unterscheiden zwischen der Einbeziehung von AGB und deren Wirksamkeit sowie zwischen dem Geltungsgrund und der Wirkungsweise der Vorschriften. Gemäß § 305 Abs. 2 BGB werden AGB nur dann Bestandteil des Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss bestimmte Voraussetzungen erfüllt, die der Transparenz dienen, und wenn die andere Vertragspartei mit der Geltung der AGB einverstanden ist. Dem Übertölpelungsschutz des § 305c Abs. 1 BGB zufolge werden Bestimmungen in AGB nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen brauchte. Damit wird nur Vertragsbestandteil, worüber der Verbraucher als Vertragspartner auch wirklich entschieden hat. Diese Rechtsfolge ist im Allgemeinen eine logische Konsequenz der Privatautonomie und an sich geradezu eine Selbst216

Vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 5. Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 311. 218 Die Kontrolle von AGB war anfangs im BGB nicht vorgesehen, wurde aber bald von der Rechtsprechung auf der Grundlage von § 242 und § 315 BGB vorgenommen, siehe Canaris, AcP 200 (2000), 273 (320), mit Verweis auf BGHZ 22, 90 (97 f.). 219 Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 187. 217

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verständlichkeit: Was dem Vertragspartner „untergeschoben“ wird, kann mangels entsprechenden Entschlusses nicht Teil einer vertraglichen Einigung werden220. Die Privatautonomie unberührt lässt daran anknüpfend auch die Rechtsfolge des § 306 BGB. Demnach bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (Abs. 1) und richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (Abs. 2). Lediglich wenn das Festhalten am Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde, ist der Vertrag gemäß Abs. 3 unwirksam. Schwerpunkt der §§ 305 ff. BGB ist indessen die Inhaltskontrolle. Deren Verhältnis zur Privatautonomie lässt sich weniger eindeutig bestimmen, ordnen die §§ 307 ff. doch die Unwirksamkeit von Klauseln aufgrund eines bestimmten Inhalts an. Der Verbraucherentscheidung als solcher liegt damit nicht zwangsläufig ein Mangel an Selbstbestimmung zugrunde. Zwar kann festgestellt werden, dass sich die Inhaltskontrolle von § 305c Abs. 1 BGB nur schwer kategorisch trennen lässt221. Tatsächlich machte die frühere Rechtsprechung einen solchen Unterschied zwischen überraschenden und inhaltlich unangemessenen Klauseln überhaupt nicht, sondern begründete die Eigenschaft „überraschend“ stets auch mit inhaltlichen Erwägungen222. Und auch in neueren Urteilen wird der „Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht“, wie er entscheidend für die Inhaltskontrolle ist, auch zu den Umständen gezählt, die den „Überrumpelungseffekt“ einer Klausel begründen223. Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB folgt die unangemessene Benachteiligung durch eine Klausel explizit auch aus mangelnder Transparenz. Während der Verwender von AGB diese meist professionell entwirft, dürfte der Kunde deren Inhalt bei Vertragsschluss kaum je vollständig überblicken oder überhaupt zur Kenntnis nehmen224. In diesem Sinne wird darauf hingewiesen, dass eine inhaltlich nach §§ 307 ff. BGB einwandfreie Klausel den Verbraucher nur selten wird überraschen können, während eine den Verbraucher inhaltlich unangemessen benachteiligende Klausel regelmäßig auch überraschen dürfte225. Gleichwohl rechtfertigt der Überraschungsgedanke bzw. die Annahme mangelnder Information in erster Linie die Einbeziehungskontrolle226. Mit Blick auf die einzelnen Klauselverbote dürfte die drohende faktische Fremdbestimmung durch den Verwender227 nicht allein aus mangelnder Information, sondern generell aus dem 220

188. 221 222 223 224 225

Rn. 2. 226 227

Vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, Siehe Staudinger-Schlosser, BGB, § 305c, Rn. 2. MüKo-Basedow, BGB, § 305c, Rn. 4, m.w.N. MüKo-Basedow, BGB, § 305c, Rn. 4, m.w.N. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321). MüKo-Basedow, BGB § 305c, Rn. 4; vgl. auch Staudinger-Schlosser, BGB, § 305c, Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 333 ff. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321).

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

einseitigen Stellen von Vertragsbedingungen228 folgen. Davon kann auch die Situation umfasst sein, in der der Verbraucher als Vertragspartner eine Klausel wissentlich hinnimmt. Dann kann deren Einbezug durchaus Ausdruck einer – zumindest formalen – Privatautonomie und die Unwirksamkeit der Klausel eine Beschränkung der Vertragsfreiheit sein. Tatsächlich (materiell) ist dieses Einverständnis aber unter Umständen nur schwach fundiert229 und weniger einer frei und verantwortlich getroffenen Entscheidung des Kunden als vielmehr dessen „Unterwerfung“ geschuldet230. Weil der Betroffene sich auf die Hauptleistungspflichten konzentriert, ist im Hinblick auf durch AGB geregelte Nebenpflichten regelmäßig das Interesse zu niedrig, als dass – wettbewerbstypische – Verhaltensweisen wie ein Ausweichen oder Konsumverzicht eine reale Rolle spielten231. Eine Aufklärung des Verbrauchers bliebe in solchen Fällen ineffizient232. Mangelnde Information ist daher nicht der einzige Mangel, der einer selbstbestimmten Entscheidung entgegensteht. Auch der Verbraucher, der Vertragsbedingungen aus einem Gefühl der Ohnmacht – insofern spielen auch strukturelle Erwägungen eine Rolle – akzeptiert, entscheidet nicht tatsächlich selbstbestimmt. Insgesamt rechtfertigt sich das AGB-Recht damit durch die Annahme eines Informations- und Motivationsgefälles des Kunden233. Die grundsätzliche Geltung der Inhaltskontrolle lässt sich im Ergebnis mit dem Schutz vor uninformierten Entscheidungen oder solchen erklären, die der Verbraucher weniger bewusst trifft als vielmehr hinnimmt. Gleichwohl greift die Inhaltskontrolle und die mit ihr verbundene Anordnung der Unwirksamkeit zum einen unabhängig davon, ob der Betroffene tatsächlich ein Informations- oder Motivationsdefizit aufweist, zum anderen hängt auch die Rechtsfolge nicht vom Willen des Betroffenen ab. Damit führt sie zumindest faktisch in vielen Fällen in erster Linie zur Verwirklichung einer objektiven Äquivalenz234, auch wenn gerade dem Verbraucher gegenüber die konkret-individuellen Umstände des Einzelfalls gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB Berücksichtigung finden235.

228

Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 333, 490. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321). 230 MüKo-Basedow, BGB, Vorb zu §§ 305 ff., Rn. 4 f.; vgl. auch Staudinger-Schlosser, BGB, Vorb zu §§ 305 ff., Rn. 4, der ebenfalls darauf hinweist, dass es sich für den Abnehmer regelmäßig nicht lohnt, sich in die Regelungsmaterie einzuarbeiten und den Verhandlungsaufwand für bessere Bedingungen zu betreiben. 231 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (323 f.); vgl. auch Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 339 ff. 232 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (325). 233 MüKo-Basedow, BGB, Vorb zu §§ 305 ff., Rn. 5. 234 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (325); von einer Objektivierung des Maßstabs spricht auch Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 489. 235 Vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, § 310, Rn. 19; MüKo-Wurmnest, BGB, § 307, Rn. 41; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 187 f. 229

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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gg) Nichtigkeitsfolge Nicht nur eine teilweise Unwirksamkeit wie bei § 306 BGB, sondern regelmäßig gleich die gänzliche Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts bewirken die nicht spezifisch, aber auch verbraucherschützend wirkenden §§ 134 und 138 BGB236. § 138 Abs. 2 BGB legt insofern den Schutz der Entscheidung als solcher nahe, als hier die Rede ist von einer Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen237. Hinzutreten müssen freilich noch weitere Voraussetzungen238. Die bisherige Untersuchung hatte aber schließlich zu dem Ergebnis geführt, dass es im Rahmen des § 138 Abs. 2 BGB, ebenso wie bei dessen Abs. 1 sowie bei § 134 BGB, um die Beurteilung des Vertragsinhalts geht. Gerade § 138 Abs. 2 als Kombination aus der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit (Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche), inhaltlicher Unausgewogenheit (auffälliges Missverhältnis) und Zurechenbarkeit (Ausbeutung)239 zeigt zwar, dass der Schutz der Entscheidung durchaus eine Rolle spielt. Gleichwohl setzt die Rechtsfolge jedenfalls unmittelbar am Vertragsinhalt und damit am Vertrag als solchem in seiner Existenz an. Die §§ 134 und 138 BGB erklären ein Rechtsgeschäft schlicht für nichtig und damit faktisch den Willen der Vertragsschließenden für unbeachtlich. Damit verbunden ist eindeutig eine Einschränkung der Privatautonomie240. hh) Sonstige Rechtsfolgeregelungen Einige weitere zwingende Rechtsfolgeregelungen hängen wiederum mit dem Schutz gerade der Verbraucherentscheidung zusammen241. Wie bereits dargestellt wurde, ist die in § 241a Abs. 1 BGB angeordnete (Nicht-)Rechtsfolge eine Reaktion auf eine unternehmerische Praxis, durch die typischerweise die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers beeinträchtigt wird242. In der Herangehensweise vergleichbar knüpft § 661a BGB zwingend einen Anspruch des Verbrauchers an eine Verhaltensweise des Unternehmers, die typischerweise die Entscheidungsfreiheit des 236

Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel, A., I., 1., a). Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (280). 238 Siehe dazu bereits 2. Kapitel, A., I., 1., a). 239 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (280, 287), der in dem Tatbestand eine Absage an eine Ausrichtung am gerechten Vertragsinhalt sieht, wenngleich er erkennt, dass es doch auch auf den Inhalt des Vertrages ankommt. 240 Palandt-Ellenberger, BGB, § 134, Rn. 1 sowie § 138, Rn. 1; MüKo-Armbrüster, BGB, § 138, Rn. 1. 241 Zur Anordnung von Rechtsfolgen und dem damit zum Ausdruck kommenden Zusammenhang zwischen der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs und vertraglichen Rechten im Sekundärrecht siehe bereits 3. Kapitel, A., II., 2., b), cc). 242 Siehe 2. Kapitel, A., II., 3. 237

200

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Verbrauchers beeinträchtigt243. Eine zwingende Rechtsfolgenregelung im Anschluss an einen Mangel an Information bildet des Weiteren die Verlängerung der Widerrufsfrist durch deren Nichtanlaufen bei unterlassener oder nicht vollständiger (Widerrufs-)Belehrung244 (siehe etwa §§ 356 Abs. 3 S. 1, 356a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 356b Abs. 2 S. 1 und 2, 356c Abs. 1 BGB)245. Sämtliche der genannten Regelungen lassen sich als Materialisierung der Privatautonomie begreifen. § 241a Abs. 1 BGB regelt zwar im Ausgangspunkt eine Selbstverständlichkeit246 : ohne Bestellung kein Vertrag und damit keine (vertraglichen) Ansprüche. Verhindern will die Regelung aber v. a.247, dass durch konkludente Annahmehandlungen doch ein Vertrag zustande kommt248. Damit wird auf den ersten Blick die Privatautonomie eingeschränkt, weil sonst durchaus gebräuchliche Arten der Annahme (und damit einer privatauonomen Erklärung) per Gesetz für unbeachtlich erklärt werden. Bei näherer Betrachtung wird aber gerade dadurch die Privatautonomie in einem materialisierten Sinne geschützt. So wird solchen Annahmeerklärungen die Wirksamkeit versagt, die aufgrund der oben genannten Umstände249 regelmäßig nicht auf einer selbstbestimmten Entscheidung, sondern vielmehr auf Bequemlichkeit, Unwissen oder einem Versehen beruhen. Freilich bleibt es dem Verbraucher unbenommen, tatsächlich einen Vertrag zustande zu bringen, indem er in Kenntnis der Rechtslage zahlt250 und damit eine bewusste, von den genannten Negativfaktoren unbeeinflusste Entscheidung trifft. Auch § 661a BGB trifft eine Folgeregelung in Konstellationen, in denen der Verbraucher typischerweise zu einer Entscheidung gedrängt wird bzw. werden soll. Ungeachtet der damit verbundenen präventiven, traditionell eher lauterkeitsrechtlichen Zielsetzung (Eliminierung einer Geschäftspraxis)251 sowie der umstrittenen dogmatischen Rechtfertigung des § 661a BGB252 weist die Norm durchaus auch in ihrer konkreten Wirkweise Elemente auf, die der Privatautonomie und der mit ihr einhergehenden vertraglichen Bindungswirkung eigen sind. Zum einen wird dem Verbraucher das gewährt, wofür er sich entscheidet. Die Entscheidung des Ver243

Siehe 2. Kapitel, A., II., 4. Zum Unterschied zwischen der Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerrufsrecht und der Verletzung sonstiger Informationspflichten im Hinblick auf die Regelung des damaligen § 355 Abs. 3 BGB vgl. Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 141 ff. 245 Krit. zur Effektivität dieser Rechtsfolge Busch, Informationspflichten im Wettbewerbsund Vertragsrecht, 112, 153. 246 MüKo-Finkenauer, BGB, § 241a, Rn. 5, 26. 247 Der Ausschluss auch gesetzlicher Ansprüche kann für die vorliegende Betrachtung des rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes außer Betracht bleiben. 248 MüKo-Finkenauer, BGB, § 241a, Rn. 3, 26. 249 Siehe 2. Kapitel, A., II., 3. 250 BeckOK-Sutschet, BGB, § 241a, Rn. 9. 251 MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 4. 252 Vgl. MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 4. 244

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brauchers, einen Gewinn in Anspruch zu nehmen, wird oftmals beiläufig fallen, indem sich der Verbraucher in erster Linie für eine im Zusammenhang mit der Gewinnzusage abgesetzte Ware entscheidet. Weil es einer solchen Kombination aber nicht bedarf253, kann sich die Entscheidung auch bloß darin erschöpfen, den Gewinn „anzunehmen“. Zum anderen wird auf Seiten des Unternehmers der Zeitpunkt der Bindung vorverlagert. Die stärkere Auswirkung abstrakter Aussagen auf einen konkret-individuellen Anspruch konnte bereits im Rahmen des Sachmangelbegriffs sowie der §§ 433, 443, 479 BGB ausgemacht werden254. Dass dem Unternehmer damit gewissermaßen aus erzieherischen Gründen eine Bindung gegen den Willen aufgezwungen wird, ist der Rechtsgeschäftslehre auch nicht fremd, wie § 116 BGB zeigt. Schließlich bezweckt die Regelung, wonach die Widerrufsfrist nicht anläuft, ohne dass bestimmte Informationen gewährt wurden, eine Absicherung des Widerrufsrechts. Trotz der damit verbundenen Auflockerung des Grundsatzes pacta sunt servanda dient dieses Instrument in seiner grundsätzlichen Konzeption gerade der selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers und damit der Privatautonomie255. Dem Widerrufsrecht vorgelagert, garantiert diese Rechtsfolge, dass der Verbraucher über die Möglichkeit der erneuten Entscheidung erst dann innerhalb eines begrenzten zeitlichen Rahmens entscheiden muss, wenn er über die für die Entscheidung notwendige Kenntnis verfügt. ii) Nebenpflichten/culpa in contrahendo Das Institut der culpa in contrahendo256 kennt drei Fallgruppen257. Erstens ergänzt dieser vertragsähnliche Anspruch die deliktische Haftung, indem das Integritätsinteresse des Verhandlungspartners geschützt wird. Zweitens schützt die culpa in contrahendo das Dispositionsinteresse und das Vermögen durch die Haftung desjenigen, der Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Drittens, und für die vorliegende Untersuchung von besonderer Relevanz, haftet derjenige, der den Verhandlungspartner durch vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben oder durch eine schuldhaft unterbliebene Aufklärung zum Abschluss eines Vertrages bestimmt, den dieser nicht oder zumindest nicht so abgeschlossen hätte258. Soweit die Beeinträchtigung der Entscheidung betroffen ist, wird jedoch unterschiedlich beurteilt, ob die Haftung aus culpa in contrahendo unabhängig von einer mit dem Vertrag einhergehenden Vermögensverletzung tatsächlich auch die Ent253

MüKo-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 661a, Rn. 7. Siehe oben 2. Kapitel, A., II., 1. und 2. 255 Siehe 3. Kapitel, C., I., 2., b), cc). 256 Siehe bereits 2. Kapitel, A., II., 6. 257 Siehe Staudinger-Kaiser, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, I., Rn. 227, mit Verweis auf Palandt-Grüneberg, BGB, § 311, Rn. 29 ff. 258 Staudinger-Kaiser, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, I., Rn. 227, m.w.N. 254

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scheidungsfreiheit als solche mit umfasst259. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn eine solche Beeinträchtigung auch die Rechtsfolge einer Vertragslösung nach sich ziehen könnte. Hiergegen wurde vorgebracht, eine Vertragsaufhebung als Naturalrestitution im Sinne des § 249 S. 1 BGB sei mit dem Normzweck der Haftung aus culpa in contrahendo nicht zu vereinbaren. Die aus dem vorvertraglichen Verhältnis entspringenden Pflichten zur Mitteilung für den Vertragsschluss wesentlicher Umstände hätten nicht etwa den Zweck, die Willensfreiheit des Partners zu schützen. Vielmehr sollen sie den Vertragspartner (nur) davor bewahren, mit dem Vertrag nicht erfüllbare Erwartungen zu verbinden. Deshalb sei das Schadensereignis nach dem Grundgedanken der culpa in contrahendo nicht der Vertragsschluss selbst, sondern die Enttäuschung von Erwartungen, die die ersatzberechtigte Partei nach den geführten Verhandlungen berechtigterweise an den Vertrag knüpft260. Als Rechtsfolge komme mithin lediglich der Ausgleich der mit dem Vertragsschluss verbundenen Nachteile, nicht jedoch die Beseitigung der Vertragsbeziehung in Frage261. Vielmehr sei das Problem der Vertragsaufhebung bei Verletzung vorvertraglicher Pflichten abschließend durch die Anfechtung geregelt262. Von der Zweispurigkeit des Schutzes der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit einerseits und der Vermögenssphäre andererseits263 ging zunächst auch der BGH aus, indem er – in Abgrenzung zur Anfechtung – für die Rückgängigmachung nach culpa in contrahendo-Grundsätzen auf Tatbestandsseite den Eintritt eines Schadens verlangte264. Diesen dogmatischen Ausgangspunkt verließ das Gericht aber zugleich, indem es bei der Bestimmung des Schadens normative Kriterien einbezog. Es stellte fest, dass im Rahmen eines subjektbezogenen Schadensbegriffs trotz objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung auch derjenige einen Schaden erleiden kann, der einen Vertrag schließt, den er ansonsten nicht geschlossen hätte, wenn die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist265. Mit Hilfe einer solchen Subjektivierung des Schadensbegriffs266 näherte sich der BGH im Ergebnis

259

Vgl. hierzu eingehend Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 387 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 869 ff.; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 136 ff.; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 219 ff.; Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (108 ff.). 260 Stoll, FS Riesenfeld, 275 (281 f.). 261 Stoll, FS Riesenfeld, 275 (283). 262 John, JuS 1983, 176 (178); Lieb, FS Medicus, 337 (338 ff.). 263 Lieb, FS Medicus, 337 (343); Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 139 f., führt mit Verweis auf Krieger, DAR 1979, 257 (262), als Argument in diesem Zusammenhang noch den inzwischen abgeschafften § 13a UWG an, der ein Rücktrittsrecht regelte (und damit offensichtlich ein Bedürfnis für ein solches sah). 264 BGH NJW 1998, 302 (304). 265 BGH NJW 1998, 302 (304). 266 Eine solche lässt sich feststellen, auch wenn der BGH betont, dass die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt nicht aus rein subjektiver Sicht erfolgen darf. Vielmehr soll auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände

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dann doch dem Schutz der Dispositionsfreiheit an267. Die eingewandte Beschränkung des Schutzzwecks der culpa in contrahendo auf den Schutz vor unerfüllbaren Erwartungen bedeutet in Wahrheit primär den Schutz der Willensfreiheit. Wer mit dem Abschluss eines Vertrages unerfüllbare Erwartungen verbindet, der geht beim Vertragsschluss von falschen Voraussetzungen aus und unterliegt damit einer Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit268. Gegen das Erfordernis eines Vermögensschadens spricht auch, dass die Naturalrestitution gemäß § 249 S. 1 BGB das Vorliegen eines solchen nicht voraussetzt. Die Ersatzpflicht immaterieller Schäden ist nach § 253 BGB nur im Hinblick auf Geldersatz eingeschränkt269. Dementsprechend kann auch allein die Belastung mit einer Verbindlichkeit einen Schaden darstellen, selbst wenn die Leistungen einander wertmäßig entsprechen270. Dieses Ergebnis kann jedenfalls seit der Schuldrechtsreform 2002 keinem Zweifel mehr unterliegen. In der Gesetzesbegründung kommt explizit zum Ausdruck, dass die Erwähnung der „Interessen“ in § 241 Abs. 2 BGB neben den „Rechten und Rechtsgütern“ verdeutlichen soll, dass auch Vermögensinteressen sowie andere Interessen wie z. B. die Entscheidungsfreiheit zu schützen sind271. Einzuräumen ist indes, dass diese Lösung eine wertungsbezogene Kollision der kurzen Ausschlussfrist des § 124 BGB mit der im Rahmen eines Anspruchs aus culpa in contrahendo geltenden Regelverjährung nach sich zieht. Diese ist dergestalt aufzulösen, dass die Frist des § 124 BGB analog auf eine Vertragsaufhebung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo anzuwenden ist272. den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansehen, vgl. BGH NJW 1998, 302 (304). 267 Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (113); Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 221; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 139. Auch Lieb, FS Medicus, 337 (339), weist darauf hin, dass durch die Normativierung der Schadensfeststellung eine Annäherung an die bloße Beeinträchtigung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit erfolgt; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 871, zufolge wurde „mit der Loslösung von der rein vermögensmäßigen Werthaltigkeit und dem Abstellen auf die subjektiv-typisierte Brauchbarkeit für den Betroffenen das Kriterium des Vermögensschadens als Abgrenzung zur Anfechtung in eine sehr ,kleine Münze‘ gewechselt, ja wohl beinahe auf eine reine Scheinabgrenzungsfunktion reduziert“. 268 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 71 f. 269 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 73; Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 221; MüKo-Emmerich, BGB, § 311, Rn. 78; Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (112). 270 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 73; Hefermehl, FS Weitnauer, 347 (351 f.); Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 221; Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 69. 271 Begr GesE BT-Drucks. 14/6040, 126; vgl. hierzu MüKo-Emmerich, BGB, 6. Aufl., § 311, Rn. 90; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 871 f. Damit wird die scharfe Kritik (noch vor der Schuldrechtsreform) bei Lieb, FS Medicus, 343 ff., 347, endgültig entschärft, wonach es sich bei einer Erstreckung der culpa in contrahendo auf die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit um „rechtspolitisches Wunschdenken“ handle. 272 So schon Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 882; auch schon Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (119), m.w.N.

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Für die vorliegend untersuchte Frage bleibt festzuhalten, dass die culpa in contrahendo unmittelbar die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers schützt und damit auch der Verwirklichung einer materialisierten Privatautonomie dient. In diesem Sinne gewährt sie dem Verbraucher eine schadensersatzrechtliche Möglichkeit zur Lösung vom Vertrag. Zugleich wird damit zwar die vertragliche Bindungswirkung gelockert, doch geht dies auf den Gedanken zurück, dass diese Bindung auf einer nicht selbstbestimmten Entscheidung beruht und die Bindung damit nur einer formalen Privatautonomie Ausdruck verleiht. Der Verbraucher als Verhandlungs- und Vertragspartner erhält die Möglichkeit, die Entscheidung erneut und tatsächlich selbstbestimmt zu treffen. 3. Lauterkeitsrechtlich geschützte Interessen Seit der Reform 2004 ist der Zweck des UWG in § 1 ausdrücklich festgeschrieben. Gemäß S. 1 dient das Gesetz dem Schutz der Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb bzw. seit 2008 vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. S. 2 lässt sich entnehmen, dass das UWG lauteren Wettbewerb in erster Linie in einem „unverfälschten Wettbewerb“ erblickt273. Das Allgemeininteresse an einem solchen bildet den gemeinsamen Bezugspunkt der schutzwürdigen Partikularinteressen274. Die Frage bleibt allerdings bestehen, welche jene Partikularinteressen sind, die letztlich den „unverfälschten Wettbewerb“ als Ganzen konstituieren. Einer expliziten Definition der Unlauterkeit enthält sich das UWG. Für den Bereich des 273

Rn. 9. 274

Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5, Rn. 9 f.; vgl. auch Ohly/Sosnitza, UWG, § 1,

Wunderle, Verbraucherschutz im Europäischen Lauterkeitsrecht, 36. Es ist fraglich, ob dem „Schutz der Allgemeinheit“ ein darüber hinausgehender, eigenständiger Zweck zukommt, oder ob § 1 S. 2 UWG insofern lediglich deklaratorischen Charakter hat. Wuttke, WRP 2007, 119 (120), wirft in einer Kapitelüberschrift die Frage auf, ob die Schutzzwecktrias in Wahrheit nur ein Dualismus ist; die Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 15 f., stellt fest: „Der eigentliche Zweck des UWG liegt darin, das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Mitbewerber und der Verbraucher und damit zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu regeln. […] Der Schutz sonstiger Allgemeininteressen ist weiterhin nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts.“ Auch wenn die Begründung des Regierungsentwurfs zum Ausdruck bringt, dass das Recht von einem integrierten Modell eines gleichberechtigten Schutzes der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit ausgeht, bleibt unklar, worin ein selbständiger Zweck des Schutzes der Allgemeinheit zu sehen sein soll, zumal die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG ein Interesse der Allgemeinheit nicht erwähnt. Den systematischen Zusammenhang der §§ 1 und 3 UWG betont im Rahmen der Frage nach der eigenständigen Bedeutung der Interessen der Allgemeinheit auch Ohly, GRUR 2004, 889 (894 f.), der feststellt, dass Fallkonstellationen, in denen ein „Interesse der Allgemeinheit“ als drittes Element der Schutzzwecktrias selbständige Bedeutung erlangen könnte, nur schwer auszumachen seien. Überzeugender wäre daher eine Formulierung der Schutzzweckbestimmung gewesen, wie sie Köhler/Bornkamm/HenningBodewig, WRP 2002, 1317 (1317), vorschlugen: „Dieses Gesetz bezweckt den Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber und der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Es schützt damit [Hervorhebung durch den Verfasser] auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“

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Verbraucherschutzes rückt seit der neuerlichen Reform 2015 zudem verstärkt der Begriff der unternehmerischen Sorgfalt in den Mittelpunkt. Die Verbrauchergeneralklausel des neuen § 3 Abs. 2 UWG knüpft an diesen Begriff an, wie er nunmehr in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG legaldefiniert ist und für das Verhältnis b2c inhaltlich den Maßstab der Lauterkeit prägt275. Gleichwohl handelt es sich nach wie vor um einen inhaltlich unbestimmten Rechtsbegriff, dessen inhaltliche Ausfüllung normativ zu erfolgen hat276. Eine konkrete inhaltliche Aussage zum Charakter des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes lässt sich allein den verbraucherschützenden Tatbeständen des UWG entnehmen. Bereits Ulmer skizzierte 1937 die Unterscheidung zwischen Mitbewerber- und Abnehmerinteressen277. Später unterschied Burmann zwischen konkurrenzbezogener, verbraucherbezogener und marktbezogener Unlauterkeit278. Ebenso wenig wie diese Vorschläge Eingang in das Gesetz fanden, wurde auch im Zuge der Reform 2004 eine Aufgliederung der Beispielstatbestände unlauteren Wettbewerbs in Handlungen, die „gegenüber der Marktgegenseite, insbesondere den Verbrauchern“ unlauter sind, und solche, die „gegenüber den Mitbewerbern“ unlauter sind, vorgenommen, wie sie noch der Gesetzgebungsvorschlag von Köhler/ Bornkamm/Henning-Bodewig279 enthalten hatte280. Auch im Zuge der Reform 2008 änderte sich hieran nichts, wohingegen das UWG nach der neuerlichen Reform 2015 deutlicher unterscheidet. Sowohl der Referenten- als auch der Regierungsentwurf enthielten zwar eine b2c- und eine b2b-Generalklausel, nicht jedoch wurde in den Beispielstatbeständen zwischen mitbewerberbezogenen und verbraucherbezogenen Beispielstatbeständen unterschieden281. Das nunmehr geltende Recht enthält zwar eine Verbrauchergeneralklausel, nicht jedoch eine separate Mitbewerbergeneralklausel282. Gleichwohl unterscheidet es erstmals deutlich zwischen Tatbeständen, die das Horizontalverhältnis zwischen Konkurrenten betreffen einerseits, und Tatbe275

Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 14. Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 15, m.w.N.; vgl auch bereits oben 2. Kapitel, B., II. 277 Ulmer, GRUR 1937, 769 (772 f.). 278 Burmann, WRP 1968, 258 (263). 279 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317 (1319 f.). 280 Vgl. Gamerith, WRP 2005, 391 (399). 281 Für eine stärkere Unterscheidung zwischen der Unlauterkeit im Horizontal- und Vertikalverhältnis bereits Ohly, GRUR 2014, 1137 ff.; ders., WRP 2015, 1443 ff. 282 Dies geht auf die Kritik aus der Literatur zurück, dass die im Referenten- sowie Regierungsentwurf angelegte Verquickung von Mitbewerber- und Verbraucherschutz im Falle doppelrelevanter Handlungen (Handlungen, die die Interessen sowohl der Verbraucher als auch der Mitbewerber unmittelbar schädigen) zu einer Verkürzung des Mitbewerberschutzes geführt hätte, weil mitbewerberschützende Vorschriften oftmals Verhaltensweisen betreffen, die sich zugleich „an Verbraucher richten oder diese erreichen“ und damit auch der Verbrauchergenerelklausel unterworfen gewesen wären, vgl. Köhler, WRP 2014, 1410 (1414 f.); ders., WRP 2015, 275 (280 ff.); siehe auch Ohly, GRUR 2014, 1137 (1141, 1144); ders., WRP 2015, 1443 (1444 f., 1447), der sich jedoch für eine geänderte Fassung der Mitbewerbergeneralklausel ausgesprochen hat. 276

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

ständen, die das Vertikalverhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern bzw. – genereller – sonstigen Abnehmern betreffen, andererseits. Die Charakterisierung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes folgt damit normativ aus § 3 UWG sowie den verbraucherschützenden Tatbeständen der §§ 3a ff. UWG a) Der zentrale Bezugspunkt lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes: die geschäftliche Entscheidung In wirtschaftstatsächlicher Hinsicht ist im Anschluss an Smith festzuhalten, dass dem Verbraucher bzw. den Abnehmern allgemein eine Schiedsrichterfunktion zukommt, die das entscheidende Kriterium für jeden wie auch immer ansonsten charakterisierten oder beschriebenen Wettbewerb ist. Deren Ausübung erfolgt dadurch, dass der Verbraucher „an der Ladentheke abstimmen“ bzw. „schiedsrichtern“ kann283. Auf der Erkenntnis, dass die Entschließungsfreiheit des Verbrauchers geradezu essentiell für ein Funktionieren der im Markt wirkenden und diesen bestimmenden Kräfte ist284, basiert auch der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz, wie er sowohl aus § 3 UWG als auch aus den verbraucherschützenden Tatbeständen folgt. aa) Die Verbrauchergeneralklausel Gemäß der Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG sind „geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, […] unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen“. Ebenso wie die Vorlage des Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie erklärt die Regelung damit unternehmerisches Verhalten für unlauter, wenn dieses kumulativ zum einen der beruflichen/unternehmerischen Sorgfalt widerspricht (sog. Unwertkriterium) und zum anderen einen relevanten Einfluss auf das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers hat (sog. Relevanzkriterium)285. Letzteres Relevanzkriterium wiederum lässt sich mit Blick auf Art. 5 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 2 lit. e UGP-Richtlinie bzw. § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG noch einmal konkretisieren und unterteilen. Demnach muss die Verhaltensweise geeignet sein, die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung spürbar zu beeinträchtigen (Einwirkung auf die Entscheidung) und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls 283 Beater FS Tilmann, 87 (87), mit Verweis auf Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 24 f. 284 Vgl. Beater, FS Tilmann, 87 (87); ders., Unlauterer Wettbewerb (2002), § 13, Rn. 22; ders., Unlauterer Wettbewerb (2011), § 14, Rn. 1093; Augenhofer, WRP 2006, 169 (170). 285 Vgl. Köhler, GRUR 2012, 1073 (1074 f.); zur Unterscheidung von „Unwertkriterium“ und „Relevanzkriterium“ bereits ders., GRUR 2009, 626 (628).

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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nicht getroffen hätte (Auswirkung auf die Entscheidung)286. Kern des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes ist demnach der Schutz der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers. bb) Die verbraucherschützenden Einzeltatbestände Während § 3 UWG bis zur Reform 2008 noch mit einem einzigen Absatz ausgekommen ist, gestaltet sich die Norm seitdem differenzierter. Nach der Reform 2008 wies die Norm drei Absätze auf, seit der neuerlichen Novelle 2015 sind es deren vier. Anlass für unterschiedliche Interpretationen bot im Anschluss an die Reform 2008 der Umstand, dass neben der Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG auch Abs. 1 geschäftliche Handlungen für unzulässig erklärte, die die Interessen u. a. der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen geeignet sind. Abs. 1 stand mithin im Bereich des Verbraucherschutzes scheinbar neben Abs. 2 und enthielt ein eigenes Relevanzkriterium. Dies hat zu der Frage geführt, in welchem Verhältnis die Absätze zueinander stehen und woran die nachfolgenden Tatbestände gesetzessystematisch anknüpfen. Nach Ansicht von Fezer war im Geltungsbereich der UGP-Richtlinie von einem einheitlichen Rechtsbegriff der Unlauterkeit auszugehen, der sich zwingend nach den unlauterkeitsbegründenden Beurteilungskriterien des Art. 5 Abs. 2 lit. a und b UGP-Richtlinie bestimme287. Auf das UWG übertragen sollte demnach der spezielle § 3 Abs. 2 S. 1 UWG im Bereich des durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Verbraucherschutzes die einzig relevante Generalklausel darstellen288. Nach anderer Ansicht sollte im Rahmen des Verbraucherschutzes grundsätzlich von einer kumulativen Anwendbarkeit beider Absätze auszugehen sein289, da sich die „Unlauterkeit“ nur in Abs. 1, nicht jedoch in Abs. 2 fand. Lediglich soweit die „Verbrauchergeneralklausel“ als Auffangtatbestand zur Anwendung komme, habe sie eigenständige Bedeutung290. Schließlich sollten nach Ansicht von Köhler die §§ 4 ff. UWG allein auf § 3 Abs. 1 UWG bezogen sein291; Scherer zufolge sollte gar der „überflüssige“292 § 3 Abs. 2 S. 1 UWG schlicht ignoriert werden293 286

Vgl. Köhler, WRP 2014, 259 (260). Fezer, WRP 2010, 677 (678, 681 f.); ders., WRP 2009, 1163 (1166 ff.). 288 Fezer, WRP 2010, 677 (681, 683); ders., WRP 2009, 1163 (1171); ebenso Götting/ Nordemann-Wirtz, UWG, 1.Aufl., § 3, Rn. 10 f. 289 Hierfür könnte auch die Sprachregelung der Gesetzesbegründung vorgebracht werden, die wiederholt von „§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG“ spricht, siehe Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 12, 15, 16, 17. 290 Schöttle, GRUR 2009, 546 (548, 550 f.); Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 68 f., mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 2011, 163 (165) – Flappe, und BGH GRUR 2010, 852 (854) – Gallardo Spyder; vgl. auch ders., WRP 2008, 1014 (1018); Kulka, DB 2008, 1548 (1555 f.). 291 Köhler, WRP 2010, 1293 (1297 ff.); siehe auch ders., WRP 2009, 898 (910); ders./ Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 3, Rn. 8a; ders., GRUR 2009, 626 (629 f.); auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 9. Aufl., § 5, Rn. 9. 287

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Der Streit drehte sich im Kern darum, ob im Rahmen der Beispielstatbestände Raum für die Anwendung der Relevanzkriterien des § 3 Abs. 2 UWG ist294. Er ist inzwischen zugunsten der Ansicht Köhlers entschieden295. So hat bereits der EuGH in seiner Entscheidung CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH klargestellt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Art. 6 ff. UGPRichtlinie ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie nicht in Frage kommt296. Daraus folgte, dass § 3 Abs. 2 UWG in richtlinienkonformer Auslegung allenfalls als Auffangtatbestand eigenständige Bedeutung erlangen konnte. Diesem Verständnis folgt auch das neue UWG; die Spezialtatbestände der §§ 3a – 6 UWG regeln nunmehr die Unlauterkeit abschließend und enthalten insbesondere eigene Relevanzkriterien, indem sie ausdrücklich verlangen, dass die geschäftliche Handlung „geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. § 3 Abs. 1 UWG enthält keine eigene Spürbarkeitsschwelle mehr; die Norm fungiert im Hinblick auf die verbraucherschützenden Tatbestände lediglich noch als „Scharniernorm“ auf die Rechtsfolgen gemäß §§ 8 – 10 UWG297. Im Ergebnis findet sich nunmehr sowohl in der Verbrauchergeneralklausel als auch in den das Vertikalverhältnis betreffenden Spezialtatbeständen die geschäftliche Entscheidung als maßgeblicher Bezugspunkt des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes wieder. cc) Elemente einer selbstbestimmten Entscheidung Das bereits genannte Unwertkriterium als Teil der Unlauterkeit beschreibt die missbilligte Verhaltensweise298 und wird in Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie bzw. § 3 Abs. 2 UWG umschrieben durch den Verstoß gegen die berufliche bzw. unternehmerische (bis zur Reform 2015: fachliche) Sorgfalt. Der unbestimmte Rechtsbegriff lässt sich mit Hilfe der Spezialtatbestände Art. 6 ff. UGP-Richtlinie bzw. der entsprechenden – und seit der Reform 2015 wesentlich näher am Richtlinienwortlaut umgesetzten – verbraucherschützenden Vorschriften des UWG (§§ 4a, 5, 5a) in-

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Siehe die Überschrift bei Scherer, WRP 2010, 586 (586). So Scherer, WRP 2010, 586 (592), die auch von einer reinen „Placebo-Funktion“ spricht, um die Bundesrepublik Deutschland vor einem Vertragsverletzungsverfahren zu bewahren. Gegen diesen Ansatz mit bemerkenswerter Schärfe Fezer, WRP 2010, 677 ff. 294 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5, Rn. 9. 295 Vgl. Köhler, WRP 2014, 259 (262 f.); Sack, GRUR 2014, 609 (610); Ohly, FS Bornkamm, 423 (432). 296 Siehe EuGH GRUR 2013, 1157 (1158, Rn. 35 ff.) – CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH; ebenso EuGH GRUR 2015, 600 (602 f.) – Ungarische Verbraucherschutzbehörde/UPC. 297 Ohly, GRUR 2016, 3 (4). 298 Vgl. Köhler, GRUR 2012, 1073 (1074). 293

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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haltlich näher konkretisieren299. Deren Analyse zeigt, dass Störungen der Verbraucherentscheidung in zweierlei Hinsicht drohen: bezüglich der Entscheidungsgrundlage und des Entscheidungsprozesses300. (1) Schutz der Entscheidungsgrundlage Der Schutz vor Irreführung und damit die zentrale Bedeutung des Wahrheitsgebots im Lauterkeitsrecht wurde schon im UWG von 1896 in § 1 Abs. 1 S. 1 offenbar, der ein Irreführungsverbot nicht nur enthielt, sondern dieses in den Mittelpunkt des Gesetzes rückte301. Seit der großen UWG-Reform 2004 enthielt § 5 Abs. 2 S. 1 UWG 2004 eine Konkretisierung durch die normtextliche Erwähnung von der Rechtsprechung entwickelter, schon zuvor unter dem Irreführungstatbestand des § 3 UWG 1909 erfasster Fälle302. Die Reform 2008 brachte zum einen eine Erweiterung insofern mit sich, als nicht mehr nur irreführende Werbung, sondern nunmehr irreführende geschäftliche Handlungen erfasst sind. Zum anderen wurde der Tatbestand der Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG) eingeführt, der einen Katalog von Informationen aufstellt, die stets als wesentlich anzusehen sind. Mit der Novelle 2015 wurde der Irreführungstatbestand noch deutlicher an die UGPRichtlinie angepasst und die verbraucherschützenden, teils ebenfalls dem Wahrheitsgrundsatz dienenden Beispielsfälle der § 4 Nrn. 1 – 6 UWG a.F. ersatzlos gestrichen303. Auf den Punkt gebracht erklären es die §§ 5, 5a UWG (ebenso wie die Art. 6, 7 UGP-Richtlinie sowie die irreführenden Tatbestände des Anhangs I) für unlauter, wenn der Unternehmer bestimmte unwahre oder sonst irreführende Angaben macht bzw. bestimmte erforderliche Angaben gerade nicht macht. Der Irreführungstatbestand statuiert damit den das gesamte Lauterkeitsrecht beherrschenden Wahrheitsgrundsatz304. 299 Regelbeispielen wird ganz allgemein der Sinn beigelegt, die grundsätzlichen Wertungen der rechtslogisch ihnen vorausliegenden Generalklausel zu konkretisieren, vgl. Schünemann, FS Georgiades, 1087 (1092), der u. a. auf die grundlegende Arbeit von Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 2. Aufl. 1968, verweist. Siehe grundlegend zu den Funktionen der Generalklausel Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 234 ff. Wie der Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 13, zu entnehmen ist, sollte die Einführung eines Beispielskatalogs dazu führen, „dass das UWG transparenter wird, ohne dass gleichzeitig die Möglichkeit, neu auftretende Problemfälle im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung zu lösen, verbaut wird“. 300 Beater, FS Tilmann, 87 (88); nach dieser Einteilung gehen beispielsweise auch Götting/ Kaiser-Götting/Hetmank, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsprozessrecht, § 6, Rn. 6, vor; vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 52 ff. 301 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 0.1. 302 Ohly/Sosnitza, UWG, § 5, Rn. 5. 303 Vgl. auch die Zusammenfassung der Änderungen im Rahmen der Novelle 2015 bei Ohly/Sosnitza, UWG, Einf A, Rn. 54 ff. 304 Ohly/Sosnitza, UWG, § 5, Rn. 9, m.w.N.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Wenn und soweit der Verbraucher im Rahmen der mitbewerberschützenden Tatbestände (mit-)betroffen ist, geht es auch dabei um den Schutz einer informierten Entscheidung. In Betracht kommt in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelung des § 6 UWG zur vergleichenden Werbung. Hierzu wird vertreten, die in dieser Norm enthaltenen Vorschriften dienten auch dem Schutz der Verbraucher305. Mit Blick auf die zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben und deren Umsetzung im deutschen Recht bestehen indes Zweifel, ob § 6 UWG eine verbraucherschützende Zwecksetzung überhaupt innewohnt, d. h. ob die irreführende vergleichende Werbung306 im Bereich des Verbraucherschutzes von der Norm erfasst wird. § 6 UWG beruht im Ausgangspunkt auf der Richtlinie 97/55/EG, die die ursprüngliche Irreführungsrichtlinie 84/450/EWG zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung ergänzte und nunmehr als Richtinie 2006/114/EG neu verkündet wurde307. Während die Irreführungs- bzw. Werberichtlinie von 1984 und 1997 noch eine Schutzzwecktrias für irreführende Werbung vorsahen, hat die UGP-Richtlinie in der Zwischenzeit den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz an sich gezogen. Im Anschluss an die durch Art. 14 Nr. 1 UGP-Richtline angeordnete Änderung bestimmt Art. 1 Werberichtlinie nunmehr, dass „Zweck dieser Richtlinie […] der Schutz von Gewerbetreibenden vor irreführender Werbung und deren unlauteren Auswirkungen sowie die Festlegung der Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung“ ist. Die Konsequenzen dieser Schutzzweckänderung werden durchaus unterschiedlich interpretiert. Nach einer Ansicht wurde damit lediglich der Schutzzweck in Bezug auf irreführende Werbung auf den Schutz von Gewerbetreibenden beschränkt308. Nach anderer Ansicht ist die Richtlinie generell und damit auch deren Regelung der vergleichenden Werbung auf den Schutz der Gewerbetreibenden beschränkt309. In diesem Sinne nennt auch die verbraucherschützende UGP-Richtlinie die vergleichende Werbung im Zusammenhang mit dem Konkurrentenschutz (Erwägungsgrund 6) und bestimmt in Art. 6 lit. a lediglich, dass das allgemeine Irreführungsverbot auch für vergleichende Werbung gilt310. Die deutsche Umsetzung legt ein Verständnis dahingehend nahe, dass der irreführungsbezogene verbraucherschützende Teil der vergleichenden Werbung lediglich 305 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 6, Rn. 11a, 95. Für einen „zumindest gleichwertig[en]“ Schutz von Mitbewerbern und Verbrauchern Fezer, GRUR 2009, 451 (455). Siehe auch Scherer, WRP 2009, 1446 (1448). 306 Ausführlich zum europäischen Hintergrund und der Umsetzung von irreführender vergleichender Werbung, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Differenzierung zwischen den Bereichen b2c und b2b, siehe Eckel, Die Kohärenz der Harmonisierung von irreführender vergleichender Werbung in Deutschland und England (2015). 307 Vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 1. 308 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Sack, UWG, § 6, Rn. 8. 309 Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 9; ders., GRUR 2007, 3 (6); Köhler, GRUR 2013, 761 (763). 310 Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 9.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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in § 5 UWG verortet, dem § 6 UWG jedoch entzogen ist. Nach lit. a des Art. 4 Werberichtlinie, an den sich § 6 UWG im Wesentlichen anlehnt311, ist vergleichende Werbung nur zulässig, wenn sie nicht irreführend im Sinne der Art. 2 lit. b, Art. 3 und Art. 8 Abs. 1 Werberichtlinie oder im Sinne der Art. 6 und 7 der UGP-Richtlinie ist. Dieser Teil des Art. 4 Werberichtlinie, der die Irreführung und damit einen typischerweise den Verbraucherschutz betreffenden Teil des Lauterkeitsrechts betrifft, wurde indes gerade nicht in § 6 UWG umgesetzt. Stattdessen enthält § 5 Abs. 3 UWG eine Klarstellung dahingehend, dass den irreführenden Angaben auch solche im Rahmen vergleichender Werbung unterfallen. Damit werden Irreführungen im Rahmen von Vergleichen den allgemeinen Regeln unterstellt312. Im Zusammenhang mit etwaigen Überschneidungen zwischen den §§ 5 und 6 UWG ungeklärt313 ist insbesondere das Verhältnis der – sowohl in § 5 Abs. 2 UWG als auch in § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG genannten – Verwechslungsgefahr314. So regelt zum einen Art. 4 lit. h Werberichtlinie die Verwechslungsgefahr „bei den Gewerbetreibenden“. Gleichzeitig enthält der verbraucherschützende Art. 6 Abs. 2 lit. a UGP-Richtlinie einen Bezug zur Verwechslungsgefahr315. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Unterscheidung zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern indes nicht aufgegriffen; insbesondere enthält § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG keine Beschränkung auf den Konkurrentenschutz. Nach einer Ansicht soll der Verwechslungsschutz nach § 5 Abs. 2 UWG mangels eigenen Anwendungsbereichs neben § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG überflüssig sein316. Andernorts wird von einer Anspruchskonkurrenz ausgegangen317. Nach einer weiteren Ansicht handelt es sich bei § 5 Abs. 2 UWG in seinem Anwendungsbereich für vergleichende Werbung gegenüber Verbrauchern um die speziellere Regelung. Demnach betrifft – in richtlinienkonformer Auslegung – § 5 Abs. 2 UWG ausschließlich den Bereich b2c, während § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG ausschließlich den Bereich b2b erfasst318. Teils wird angesichts 311 Zu den Abweichungen Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 11; vgl zu den Abweichungen zum Unionsrecht auch Köhler, GRUR 2013, 761 ff.; ausführlich auch Eckel, Die Kohärenz der Harmonisierung von irreführender vergleichender Werbung in Deutschland und England, 201 ff., 225 ff. 312 Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 11. 313 Vgl. BGH WRP 2012, 318 (321) – Teddybär. 314 Siehe zum Streitstand die Übersicht bei Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Sack, UWG, § 6, Rn. 255 ff. 315 Hierzu Eckel, Die Kohärenz der Harmonisierung von irreführender vergleichender Werbung in Deutschland und England, 145 f. 316 Götting/Nordemann, UWG, § 5, Rn. 8.37. 317 Fezer, GRUR 2009, 451 (455), demzufolge § 6 UWG „zumindest gleichwertig den Mitbewerberschutz neben dem Verbrauchetschutz“ bezwecke. Auch Scherer, WRP 2009, 1446 (1448) geht davon aus, dass sowohl § 5 Abs. 2 UWG als auch § 6 UWG den Schutz des Verbrauchers bezwecken. Für eine parallele Anwendbarkeit auch MüKo-Menke, UWG, § 6, Rn. 226. 318 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 6, Rn. 142; ders., GRUR 2013, 761 (766); Eckel, Die Kohärenz der Harmonisierung von irreführender vergleichender Werbung in

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

der verallgemeinernden Umsetzung des § 5 Abs. 2 UWG die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG sogar als überflüssig angesehen, sofern in § 5 Abs. 2 UWG auch Unternehmen als Bezugspunkt der Verwechslung berücksichtigt werden319. Ob § 6 UWG neben § 5 UWG – unmittelbar oder mittelbar – dem Verbraucherschutz dient, kann jedoch im Ergebnis dahinstehen. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ausreichend ist die Feststellung, welche Verbraucherinteressen der Schutz vor unlauterer vergleichender Werbung – unabhängig von dessen normtextlicher Verortung – schützt. Insofern gibt die zugrundeliegende Interessenlage Aufschluss. So birgt etwa die vergleichende Werbung für den in Bezug genommenen Mitbewerber die Gefahr einer Rufschädigung oder Rufausbeutung in sich. Gleichwohl ist aber auch der Verbraucher insofern betroffen, als Vergleiche in der Werbung eine sehr nützliche Informationsquelle für den Verbraucher sein können320. Auch soweit die Tatbestände des § 6 Abs. 2 UWG für verbraucherschützend gehalten werden, steht dieser Verbraucherschutz daher stets im Zeichen des Schutzes der informierten Verbraucherentscheidung321. Schließlich ergänzt der mitbewerberschützende Nachahmungsschutz des § 4 Nr. 3 UWG zumindest faktisch das Irreführungsverbot, indem er einen Verwechslungsschutz bietet322. Im Ergebnis soll der Verbraucher seine geschäftliche Entscheidung auf einer dem wahren Sachverhalt entsprechenden, informierten Tatsachengrundlage treffen. Das Irreführungsverbot schützt mithin die Entscheidungsgrundlage und stellt eine der beiden Säulen des harmonisierten lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes dar. (2) Schutz des Entscheidungsprozesses Wie Beater veranschaulicht, „nutzt [es] nichts, wenn der Unternehmer dem Verbraucher, nachdem er ihn perfekt über alle Vorzüge und Nachteile informiert hat, ein Messer an den Hals halten dürfte, um ihn nunmehr zum Geschäftsabschluss zu motivieren“323. Die Schiedsrichterfunktion, die dem Verbraucher in seiner Rolle als Marktteilnehmer zukommt, verlangt Schutz nicht nur hinsichtlich einer richtigen Entscheidungsgrundlage, sondern darüber hinaus auch hinsichtlich des Entscheidungsprozesses. Deutschland und England, 232 f.; siehe auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Sack, UWG, § 6, Rn. 258, m.w.N. 319 Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 11. 320 Ohly/Sosnitza, UWG, § 6, Rn. 2. 321 Siehe exemplarisch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Sack, UWG, § 6, Rn. 123, zu § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG („Irreführungsschutz“, „Informationszweck“, „[r]ationale Verbraucherentscheidungen“) sowie zu § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG („typisierte[r] Irreführungsschutz“). 322 Ohly/Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 3/4. 323 Beater, Unlauterer Wettbewerb (2002), § 16, Rn. 1; ders., Unlauterer Wettbewerb (2011), § 17, Rn. 1568; auch zitiert bei Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 60.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Die Art. 8 und 9 UGP-Richtlinie (und die aggressiven Beispielstatbestände des Anhangs I) sowie die entsprechenden Regelungen des UWG machen deutlich, dass es hier nicht darum geht, dass der Verbraucher aufgrund eines Wissensdefizits in seiner Willensbildung beeinträchtigt ist. Vielmehr betreffen die Fälle bestimmte Verhaltensweisen und/oder bestimmte Situationen, bei/in denen der Verbraucher dazu neigt, Entscheidungen aus sachfremden Motiven zu treffen. So enthält das UWG nunmehr seit der Novelle 2015 mit § 4a UWG eine eigenständige Bestimmung betreffend aggressive geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern und sonstigen Marlktteilnehmern, durch die die Vorgaben der Richtlinie umfassend umgesetzt werden sollen324. Gemäß § 4a Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch Belästigung, Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen. Dabei liegt eine unzulässige Beeinflussung laut S. 3 vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. Die Nennung der „informierten Entscheidung“ im Rahmen des § 4a Abs. 1 S. 3 UWG ist indes missverständlich insofern, als das Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen eben gerade nicht die „informierte“ Entscheidung (d. h. vor Irreführung), sondern die (von unsachlichem, verwerflichem Einfluss) „freie“ Entscheidung schützt325. Im Ergebnis wird eine bestimmte Art der Einflussnahme bewertet, immer im Hinblick darauf, ob der Verbraucher noch eine rationale, nicht von Belästigung, Nötigung oder sonst unsachlichem Einfluss geleitete Entscheidung treffen kann. Der Verbraucher soll nicht in seiner Willensbildung, sondern noch grundlegender darin geschützt werden, sich Gedanken zu machen und überhaupt frei im eigentlichen Sinne in seinem Entscheidungsprozess zu sein. Dies bildet die zweite Säule des in Erwägungsgrund 6 S. 1 UGP-Richtlinie angesprochenen Schutzes der wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers. Der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz umfasst mithin das Interesse der Verbraucher, eine freie und informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können326. dd) Entscheidungsinhalt und -definition Bis hierher wurde herausgearbeitet, dass es dem Lauterkeitsrecht um den Schutz der Verbraucherentscheidung geht. Präzisiert wurde dies dahingehend, dass dieser 324 325 326

Siehe Ohly/Sosnitza, UWG, § 4a, Rn. 2, mit Verweis auf BR-Drucks. 26/15, 13. Zum Referentenentwurf Ohly, GRUR 2014, 1137 (1142). Siehe auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 3.1.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Schutz sowohl Maßnahmen gegen falsche oder fehlende Information bei der Willensbildung als auch gegen Irrationalität bzw. sachfremden, exogenen Einfluss beim Entscheidungsprozess umfasst. Es verbleibt indes die Frage, was genau Ziel dieses Schutzes ist, mithin was unter der geschützten Entscheidung zu verstehen ist. Im UWG suchte man bis zur neuerlichen Reform 2015 vergeblich nach einer Definition der „geschäftlichen Entscheidung“, weil der Begriff laut der Gesetzesbegründung „aus sich heraus verständlich“ sei327. Nunmehr liefert § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG eine – an Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie angelehnte – Definition328. Gemeint ist demnach „jede Entscheidung eines Verbrauchers oder eines sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden“.

In dem Spektrum erfasster Entscheidungen spiegelt sich der erweiterte Anwendungsbereich des UWG wider – die Entscheidung über die Leistung einer Zahlung, das Abgeben bzw. Behalten einer Ware oder Dienstleistung sowie die Ausübung eines vertraglichen Rechts findet nach Vertragsschluss statt329. Gleichwohl wirft die Definition Fragen hinsichtlich der Reichweite des Schutzes auf. (1) Schutz der „Nichtentscheidung“ Eine Beschränkung könnte sich daraus ergeben, dass die Definition am Wortlaut orientiert lediglich „jede Entscheidung“ umfasst. Grundsätzlich ist Voraussetzung für eine Entscheidung im Wortsinn, dass bewusst anhand bestimmter Präferenzen eine Wahl zwischen verschiedenen Alternativen oder Varianten getroffen wird330. Nicht unter die Definition fällt daher steng genommen die „Nichtentscheidung“331

327 So Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 13; dagegen schlägt Köhler, WRP 2013, 403 (405, 412), die Aufnahme in den Definitionenkatalog des § 2 UWG vor. 328 Der maßgebliche Unterschied besteht darin, dass sich die Definition im UWG – dem integrierten Ansatz entsprechend – nicht auf die Entscheidung des Verbrauchers beschränkt. Darüber hinaus entfällt die in der Richtlinie enthaltene Beschränkung auf die Tätigung eines Kaufs. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 76, hatte bereits darauf hingewiesen, dass eine derartige Beschränkung von der Richtlinie nicht intendiert ist. Dies ergibt sich mittelbar aus Art. 3 Abs. 1 („auf ein Produkt bezogenes Handelsgeschäft“) i.V.m. Art. 2 lit. c UGP-Richtlinie („,Produkt‘ jede Ware oder Dienstleistung […]“). Auch Köhler, WRP 2014, 259 (260), hatte festgestellt, dass jeder entgeltliche Vertrag erfasst ist. Siehe dazu auch Omsels, WRP 2016, 553 (554), m.w.N. 329 Siehe dazu 2. Kapitel, B., III. 330 Siehe z. B. Etzioni, Die aktive Gesellschaft, 272; Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 84. 331 Laut Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 85, kann der Begriff definiert werden als „statischer geistiger Zustand, der mangels Kenntnis von Informationen nicht in den dynamischen Prozess der Entscheidungsfindung übergehen kann.“

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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des Verbrauchers332. Gemeint ist damit nicht etwa der Fall, dass der Verbraucher sich dazu entscheidet, ein Tätigwerden zu unterlassen, wie er unmissverständlich von § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG bzw. Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie erfasst ist. Vielmehr geht es um die Situation, in der der Verbraucher über das Für und Wider einer „echten“ Entscheidung überhaupt nicht reflektiert, weil er schon gar nicht in einen Entscheidungsfindungsprozess eintritt. Gerade im nachvertraglichen Bereich kann dem Unternehmer aber sehr daran liegen, dass der Verbraucher erst gar nicht auf die Idee kommt, er könne ein vertragliches Recht ausüben333. So trifft etwa der Verbraucher, der über das Bestehen eines Widerrufsrechts im Rahmen eines bestimmten Vertragstyps nicht belehrt wird, unter Umständen überhaupt keine Entscheidung, ob er dieses Recht ausübt334, weil er schlicht nicht von der Existenz eines derartigen Rechts weiß. Dass indes auch dieser Fall lauterkeitsrechtlich relevant ist, ergibt sich zum einen bereits aus dem Umstand, dass die unterlassene Widerrufsbelehrung explizit in § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG genannt ist. Zum anderen würde ansonsten der von der UGPRichtlinie intendierte Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers335 in einer Fallkonstellation ausgehebelt, in der der Unternehmer den Verbraucher in der stärkstmöglichen Form in seiner Entscheidung beeinträchtigt, weil er eine solche vorschriftswidrig schon im Ansatz verhindert336. (2) Entscheidung über gesetzliche Rechte Dass sich der von der Richtlinie erstrebte Schutz nicht daran orientieren kann, ob bestimmte Fälle explizit genannt werden oder nicht, hat auch der EuGH indirekt zum Ausdruck gebracht. In der Entscheidung Trento Sviluppo hat der Gerichtshof im Sinne eines weiten Verständnisses festgestellt, dass unter den Begriff „geschäftliche Entscheidung“ sämtliche Entscheidungen fallen, die mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen. Als Beispiel nennt er dabei das Betreten des Geschäfts337. Angesichts dieses weiten Verständnisses dürfte die Definition des Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie (und damit des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG) schließlich in einem weiteren – für den Zeitraum nach Vertragsschluss eminent wichtigen – Punkt im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes auszulegen sein. So spricht die Definition (lediglich) von der Entscheidung über „ein vertragliches Recht im Zusam332

Siehe hierzu Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 84 ff. 333 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 85. 334 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 85, nennt zudem den Fall, dass der Unternehmer von einem Mangel des verkauften Produkts nachträglich erfährt und den Käufer nicht darüber unterrichtet. 335 Siehe Erwägungsgründe 6 S. 1, 8 S. 1, 13 S. 2 sowie Art. 1 UGP-Richtlinie. 336 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 86 ff. 337 EuGH GRUR Int. 2014, 276 (278 f.) – Trento Sviluppo u. a. / Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato; die Entscheidung im Interesse des Verbraucherschutzes begrüßend Köhler, WRP 2014, 259 (260).

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

menhang mit dem Produkt“. Denkbar ist es jedoch auch, dass der Verbraucher gesetzliche Rechte geltend machen will, die in engem Zusammenhang mit dem (vermeintlichen) Vertrag stehen338. In Betracht kommt hier insbesondere die Entscheidung darüber, einen Leistungsaustausch rückgängig zu machen, der auf einem rechtlich nie wirksam geschlossenen oder ex tunc nichtigen Vertrag beruht. Ebenso könnte hier die Fallkonstellation eine Rolle spielen, wie sie der Entscheidung Kerosinzuschlag zugrunde lag, wo – bei grundsätzlichem Bestehen eines Vertrages – die Entscheidung über den Verzicht auf die Rückforderung eines unzulässig erhöhten Zahlungsbetrages betroffen sein kann339. Auch die Entscheidung über gesetzliche bzw. nicht vertragliche Ansprüche kann aus teleologischen Erwägungen nicht vom Schutz des Lauterkeitsrechts ausgenommen werden340. Wäre dem so, so würde dies zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, die mit dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers kaum zu vereinbaren wären. So könnte bei Anbahnung eines Vertrages die Beeinflussung der Geltendmachung eines Anspruchs aus culpa in contrahendo (als außervertragliches Recht) nicht lauterkeitswidrig beeinflusst werden, während eine entsprechende lauterkeitswidrige Beeinflussung bei einer Handlung nach Abschluss des Vertrages möglich wäre. Damit würde die lauterkeitsrechtliche Bewertung doch wieder vom Abschluss des Vertrages abhängen, nur in diesem Fall insofern andersherum als es klassischen Vorstellungen entspricht, als ein Vertragsschluss die Anwendung des UWG überhaupt erst ermöglichen würde. Darüber hinaus könnte die lauterkeitsrechtliche Missbilligung davon abhängen, ob der Verbraucher einen Vertrag nach den §§ 346, 355 BGB oder nach den §§ 812 ff. BGB abwickeln würde. Selbiges gilt auch für die Abwicklung nach Anfechtung. In all diesen Fällen ist die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers nicht geringer als im Falle vertraglicher Rechte. Es ist daher überzeugend, auch vertragsähnliche und gesetzliche Rechte einzubeziehen, solange diese – wie z. B. bei Anfechtung, culpa in contrahendo und Kondiktionsansprüchen oftmals der Fall – den erforderlichen Geschäfts- und Produktbezug aufweisen und sich damit innerhalb der Grenzen bewegen, die der bezweckte Schutz der wirtschaftlichen Interessen im Geschäftsverkehr beinhaltet341. Zu fordern ist demnach, dass eine geschäftliche Entscheidung einen – weit verstandenen – Produktbezug in dem Sinne aufweist, dass die Entscheidung eine Auswirkung auf das tatsächliche oder rechtliche Verhältnis zwischen dem Unternehmer und dem 338

Krit. zu einem engen Verständnis auch Schöttle, GRUR 2009, 546 (549); ausführlich zur Problematik Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 46 ff., 78 ff. 339 Siehe bereits oben 1. Kapitel, B., IV. 340 Siehe dazu Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 51 ff. 341 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 51 ff., 79 ff. Ein wirtschaftliches Verständnis des Begriffs der „geschäftlichen Entscheidung“ legt auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 163, zugrunde, demzufolge unter einer Geschäftsentscheidung „jede Entscheidung, mit der der Abnehmer mittelbar oder unmittelbar über seine Kaufkraft verfügt“ zu verstehen ist.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Verbraucher in Bezug auf einen produktbezogenen Geschäftsabschluss entfalten kann342. (3) „Entscheidungen ohne Wahlmöglichkeit“ Stellt der Unternehmer, etwa wie in den Folgeverträge-Entscheidungen343 des BGH, eine Rechnung aus, während mit der Zahlung ein – anfechtbarer – Vertrag überhaupt erst zustandekommt, dann entscheidet der Kunde – wenngleich auf falscher Grundlage – mit der Zahlung zugleich darüber, ein Geschäft einzugehen344. Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie setzt indes – ebenso wie der neue § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG – eine solche zusätzliche Dimension der Zahlung nicht voraus. Vielmehr erfasst die Definition explizit auch die Entscheidung darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen der Verbraucher eine Zahlung als solche leisten will. Der Verbraucher unterfällt demnach auch dann dem Schutz der Richtlinie, wenn der Unternehmer bloß einen bestehenden, fälligen Anspruch einfordert. Wie bereits dargestellt, spricht Scherer der Entscheidung über die bloße Zahlung ihre lauterkeitsrechtliche Bedeutung ab. Ebenso wurde jedoch bereits festgestellt, dass dies mit dem insoweit klaren Wortlaut der Richtlinie nicht in Einklang zu bringen ist345. Zwar kommt in solchen Fällen keine unlauter irreführende, wohl aber eine unsachliche Beeinflussung in Betracht. Der hiermit bewirkte Entscheidungsschutz richtet sich nicht mehr dagegen, dass der Verbraucher seine Kaufkraft in ungewollter Weise bindet, sondern bezieht sich eher auf die Integritätsinteressen des Verbrauchers, soweit dieser im Wirtschaftsverkehr tätig wird. Vor diesem Hintergrund ist auch die sich anschließende Frage zu beantworten, ob ein vertragliches Recht, das der Verbraucher geltend machen will, tatsächlich bestehen muss346. Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie und § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG sprechen von dem Willen, ein vertragliches Recht auszuüben. Mit Blick auf die subjektive Komponente spricht der Wortlaut nicht zwingend dafür, ein tatsächlich bestehendes Recht verlangen zu müssen347. Relevant kann dann freilich wiederum nur ein unsachlicher Einfluss werden. ee) Lauterkeitsrechtlicher Schutz der Verbraucherentscheidung und Privatautonomie Die Entscheidung des Verbrauchers darüber, „ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen“ will, betrifft den absoluten Kern der Privatauto342 343

II. 344

Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 82. BGH GRUR 1994, 126 ff. – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 ff. – Folgeverträge

Siehe dazu näher 4. Kapitel, A., III., 4. Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 3., c). 346 Für ein weites Verständnis des Schutzes der Entscheidung sowohl über die Zahlung als auch über die Geltendmachung eines vertraglichen Rechts spricht sich auch Schmidtke, Unlautere geschäftlichen Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 139 f., aus. 347 A.A. Köhler, WRP 2009, 898 (905). 345

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

nomie, nämlich die Vertragsfreiheit in ihren Erscheinungsformen der Abschluss- und Inhaltsfreiheit. Vor Vertragsschluss trägt der lauterkeitsrechtliche Schutz daher zur Gewährleistung einer tatsächlich selbstbestimmten Entscheidung bei. Die Reichweite der lauterkeitsrechtlich geschützten geschäftlichen Entscheidungen umspannt indes auch sämtliche der nachvertraglichen Entscheidungen, die das BGB vorsieht. Mit dem Schutz eben dieser Entscheidungen verhält sich der lauterkeitsrechtliche Schutz zur Privatautonomie genau in dem Verhältnis, wie es oben für die jeweiligen Instrumente des bürgerlichen Rechts dargestellt wurde348. Soweit das UWG dem Verbraucher eine selbstbestimmte Entscheidung über ein Widerrufsrecht ermöglicht, dient es der Privatautonomie insofern, als diese zweite Entscheidung über den Vertrag selbstbestimmt erfolgt. Trotz der damit verbundenen Aufweichung der vertraglichen Bindungswirkung unterstützt das UWG damit der grundsätzlichen Intention nach die Verwirklichung der Privatautonomie. Es schützt unmittelbar die selbstbestimmte Entscheidung über den Widerruf und damit mittelbar auch die selbstbestimmte Entscheidung über den ursprünglichen Vertrag. Die Entscheidung über die Erklärung der Anfechtung betrifft den nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret pathologischen Fall einer nicht selbstbestimmten, ursprünglichen Entscheidung und damit gewissermaßen die Privatautonomie „im zweiten Anlauf“. Auch die Anfechtung unterfällt nach dem hier vertretenen weiten Verständnis dem Begriff der vertraglichen Rechte im Sinne des Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie bzw. des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG. Die durch das UWG gewährleistete selbstbestimmte Entscheidung über Gewährleistungsrechte als vertragliche Rechte hilft dabei, die getroffene Entscheidung über einen Vertrag in Geltung zu setzen. Eine Ausnahme stellen die Fälle dar, in denen der Unternehmer auf unsachliche Weise eine tatsachlich bestehende Forderung eintreibt oder ein tatsächlich nicht bestehendes Verbraucherrecht abwehrt. In diesen Fällen geht es nicht mehr um den Schutz der selbstbestimmten Entscheidung im Rahmen der Privatautonomie. Vielmehr hat der Verbraucher diese Entscheidung hier bereits getroffen oder ihm steht eine Entscheidungsmöglichkeit überhaupt nicht zu. Stattdessen geht es allein noch um die Intensität der Einflussnahme, mithin um den Schutz von Integritätsinteressen im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Entscheidung. b) Schutz sonstiger Interessen Ebenfalls dem Schutz von Integritätsinteressen dient die Regelung des § 7 UWG zu unzumutbaren Belästigungen. Diese knüpft – anders als die übrigen zivilrechtlichen Unlauterkeitstatbestände – seit der UWG-Novelle 2008 nicht mehr an § 3 UWG bzw. an den Begriff der Unlauterkeit an. Stattdessen erklärt die Norm bestimmte geschäftliche Handlungen für „unzulässig“. Ebenso wie der Verweis auf das Unwertkriterium der Unlauterkeit fehlt, legt der Tatbestand auch sein eigenes

348

Siehe dazu oben 3. Kapitel, C., I., 2.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Relevanzkriterium der Unzumutbarkeit zugrunde349. Konsequenterweise nimmt auch die Rechtsfolgenseite diese Zweiteilung der lauterkeitsrechtlichen Tatbestände auf, indem die §§ 8 – 10 UWG jeweils von einer „nach § 3 oder350 § 7 unzulässige[n] Handlung“ sprechen. Damit ist der – von einer Beeinflussung der Verbraucherentscheidung unabhängige – Schutz der Privatsphäre bezweckt351. Die Norm ist mit den Vorgaben der UGP-Richtlinie vereinbar. Zwar sieht die vollharmonisierende352 UGPRichtlinie den Kern des Lauterkeitsrechts im Schutz der Entscheidungsgrundlage des Verbrauchers vor Irreführung und dem Schutz des Entscheidungsprozesses vor unsachlicher Beeinflussung353, während sie den Schutz seiner Privatsphäre, mithin den Schutz vor bloßen Belästigungen nicht vorsieht354. Gleichwohl ergibt sich ein dahingehender Spielraum aus Erwägungsgrund 7 der Richtlinie355. Gemäß dessen S. 3 bezieht sich die Richtlinie nicht auf „die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands“. Vielmehr erkennt die Richtlinie in S. 4 an, dass „Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken […] in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen Gründen unerwünscht sein“ können. S. 4 erklärt daher, dass die „Mitgliedstaaten […] im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen“. 349

Vgl. Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 28. Hervorhebung durch den Verfasser. 351 Ohly/Sosnitza, UWG, § 7, Rn. 1; MüKo-Leible, UWG, § 7, Rn. 1; Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, § 7, Rn. 3 (der jedoch eine Ausnahme für § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG macht); ders., GRUR 2005, 793 (800). Gleichwohl ist die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung im Rahmen des von Köhler entwickelten funktionalen Ansatzes auch (generell) für § 7 UWG relevant, siehe bereits oben 2. Kapitel, B., III., 3., b). Vgl. auch Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig-Schöler, § 7, Rn. 39 f. (ebenfalls mit einer Ausnahme im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG). A.A. Fezer/Büscher/Obergfell-Mankowski, UWG, § 7, Rn. 43. 352 Ohly, WRP 2006, 1401 (1409 f.); Fezer, WRP 2006, 781 (782); Henning-Bodewig, GRUR Int. 2005, 629 (630); Köhler, GRUR 2005, 793 (793); vgl. z. B. S. 1 des Erwägungsgrundes 13 der Richtlinie, wonach „die in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Generalklauseln und Rechtsgrundsätze zu ersetzen“ sind, sowie Art. 3 Abs. 5 der UGPRichtlinie, dem im Umkehrschluss zu entnehmen ist, dass nach Ablauf einer Übergangsfrist von sechs Jahren ab Ende des Umsetzungszeitraums restriktivere oder strengere Regelungen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen sind, Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (252 f.). 353 Ohly, WRP 2008, 177 (178). 354 Ohly/Sosnitza, UWG, Einf C, Rn. 44; ders., WRP 2006, 1401 (1410 f.); Timm-Wagner, GRUR 2013, 245 (248). 355 Sosnitza, WRP 2006, 1 (6), bezeichnet Erwägungsgrund 7 der UGP-Richtlinie als „versteckte Öffnungsklausel“; ähnlich Jungheim/Haberkamm, VuR 2009, 250 (253). Dagegen sieht Ohly/Sosnitza, UWG, § 7, Rn. 11, den Schutz vor bloßen Belästigungen, die die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher nicht beeinträchtigen, schon gar nicht im Anwendungsbereich der Richtlinie; vgl. auch ders., WRP 2006, 1401 (1410); Veelken, WRP 2004, 1 (25); vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 7, Rn. 9 mit Verweis auf BGH GRUR 2010, 1113 – Grabmalwerbung. Zur Richtlinienkonformität von § 7 UWG auch Köhler, 2012, 1073 (1081 f.). 350

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Der so verstandene Schutz gegen unzumutbare Belästigungen stellt einen Fremdkörper im UWG dar356. Er ist für die vorliegende Untersuchung wenig relevant, weil er das Integritätsinteresse des Verbrauchers betrifft und damit eher für das Verhältnis zum Deliktsrecht (oder dem insofern vergleichbaren vertraglichen Schutz eines eher deliktischen Pflichtenprogramms im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB357) relevant ist, unabhängig davon, ob eine Verhaltensweise vor oder nach einem Vertragsschluss stattfindet. 4. Zwischenergebnis Zur Rechtfertigung des Verbraucherschutzes lassen sich eher sozial motivierte Modelle von eher liberalen unterscheiden. Die sozialen Modelle gehen von einer strukturellen Unterlegenheit des Verbrauchers aus, der durch marktkompensatorische Maßnahmen zu begegnen sei. Dagegen gehen die liberalen Ansätze von einer lediglich informativen bzw., etwas weiter gefasst, von einer situativen Unterlegenheit eines ansonsten grundsätzlich rationalen und souveränen Verbrauchers aus. Dieser ist demnach vorwiegend durch marktkomplementäre Verbraucherschutzmaßnahmen zu begegnen. Ein dritter Ansatz versucht ein Verbraucherschutzmodell auf die ökonomische Analyse des Rechts gestützt an ökonomischen Zielen auszurichten und will dabei sowohl auf marktkomplementäre als auch marktkompensatorische Maßnahmen zurückgreifen. Um den jeweiligen Verbraucherschutzansatz charakterisieren zu können, wurde zunächst für das Vertragsrecht die Privatautonomie als zentrales Prinzip ausgemacht. Daneben bestehen jedoch auch noch das Prinzip der vertraglichen Bindungswirkung und das Äquivalenzprinzip. Diese lassen sich nur schwer allein aus der privatautonomen Selbstbestimmung heraus erklären, sich aber ebenso wenig vollständig von dieser trennen. In der rechtlichen Umsetzung des Verbraucherschutzes gibt es dann – in gerader Linie zu den sozialen bzw. liberalen Verbraucherschutzkonzeptionen – zum einen Vorschriften, die eher marktkompensatorischen Charakter aufweisen und damit gewissermaßen der Privatautonomie entgegenlaufen. Zum anderen und vorwiegend bedient sich das Vertragsrecht aber Vorschriften mit marktkomplementärem Charakter, die die Privatautonomie weitgehend in Takt lassen bzw. materialisieren, indem sie dafür sorgen, dass die Entscheidung des Verbrauchers nicht nur formal selbstbestimmt ist. Dass sich dabei nicht stets eindeutig zwischen den einzelnen Prinzipien des Vertragsrechts kategorisch unterscheiden lässt, zeigt der in dieser Hinsicht ambivalente Charakter einiger Normen. So stellt z. B. ein Widerrufsrecht in seiner Wirkung durchaus eine Auflockerung der vertraglichen Bindungswirkung dar. 356

Laut Ohly/Sosnitza, UWG, § 7, Rn. 10; ders., GRUR 2014, 1137 (1139); ders., WRP 2015, 1443 (1446), ders., WRP 2015, 1443 (1446), wäre die Norm im Datenschutzrecht besser aufgehoben. 357 Gemeint sind an dieser Stelle die „traditionellen“ Schutzgüter des § 241 Abs. 2 BGB, unabhängig von der im Rahmen der culpa in contrahendo erörterten Erweiterung auf die Entscheidungsfreiheit (vgl. 3. Kapitel, C., I., 2., b), ii)).

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Gleichwohl dient es in seiner Konzeption überwiegend einer selbstbestimmten Entscheidung und damit der Vertragsfreiheit des Verbrauchers. Es ermöglicht dem Verbraucher in Situationen typischer Überforderung eine erneute Entscheidung. Dadurch schließt sich der Kreis zwischen den verschiedenen Prinzipien insofern, als die vertragliche Bindungswirkung eben nur dann Ausdruck und notwendige Konsequenz der Privatautonomie ist, wenn die privatautonome Entscheidung tatsächlich selbstbestimmt war. Noch mehr gilt dies für das Recht der Anfechtung und insbesondere für § 123 Abs. 1 BGB, wo gerade an eine ursprünglich – auch im ganz konkreten Einzellfall – nicht selbstbestimmte Entscheidung angeknüpft wird. Weiterhin ist die Entscheidungsfreiheit auch Schutzgut der culpa in contrahendo. Die Ausrichtung der Informationspflichten auf die Gewährleistung einer selbstbestimmten Entscheidung drängt sich auf. Ambivalent, aber durchaus im Einklang mit dem Schutz der selbstbestimmten Entscheidung sind auch einige Folgeregelungen des BGB, wie z. B. § 241a Abs. 1 BGB. Dagegen weist etwa die Nichtigkeitsanordnung gemäß den §§ 134, 138 BGB einen die Privatautonomie beschränkenden Charakter auf. Das Schutzziel einer selbstbestimmten Entscheidung, wie es jedenfalls einem Großteil der rechtsgeschäftlichen Instrumente zugrunde liegt, teilen diese mit dem lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz. Neben dem für die vorliegende Untersuchung weniger relevanten Schutz der Privatsphäre gemäß § 7 UWG ergibt sich vorwiegend aus § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 4a, 5, 5a UWG, aber auch aus § 3 Abs. 2 S. 1 UWG ein Verbraucherschutz, der auf die Gewährleistung einer materialisiert freien und informierten Verbraucherentscheidung zielt. Die Art des gewährten Schutzes lässt sich dahingehend konkretisieren, dass die Verbraucherentscheidung sowohl auf der Grundlage ausreichender und unverfälschter Information als auch auf sachlich-rationale Art und Weise erfolgen soll. Das Spektrum an so geschützten (geschäftlichen) Entscheidungen ist weit auszulegen und umfasst insbesondere auch „Nichtentscheidungen“ sowie die Entscheidung über die Ausübung gesetzlicher Rechte im Zusammenhang mit dem jeweiligen Geschäft. Weil sich der damit bezweckte Schutz auch auf diejenigen Entscheidungen bezieht, die das BGB nach Vertragsschluss ermöglicht, verläuft der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz in seiner Zielrichtung parallel zum rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz. Er unterstützt gerade diejenigen Entscheidungen, die dem Verbraucher durch das BGB ermöglicht werden. Vor dem Hintergrund der zumindest im Hinblick auf das Schutzziel bestehenden weitgehenden Übereinstimmung von rechtsgeschäftlichem und lauterkeitsrechtlichem Verbraucherschutz ist die zu Anfang aufgeworfene Frage zu beantworten. In diesem Sinne überzeugt der Einwand Tillers nicht, lauterkeitsrechtliches Irreführungsverbot und Gewährleistungsrecht verfolgten gänzlich verschiedene Schutzzwecke. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Irrtumsanfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB, auf die Tiller seinen Ansatz neben der Abgrenzung der Irreführung zum Gewährleistungsrecht erweitert. So bezweckten die Vorschriften über die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts gerade nicht einen Schutz vor Beeinträchti-

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

gungen der Entscheidungsfreiheit. § 123 Abs. 1 BGB enthalte zum einen kein Täuschungsverbot, zum anderen ließen sich durch die Ausübung des Anfechtungsrechts zwar die wirtschaftlichen Folgen der Beeinträchtigung, nicht aber die Beeinträchtigung selbst rückgängig machen358. Soweit man auf den Schutzzweck bzw. das Schutzziel abstellt, bleibt aber doch ein gemeinsamer Nenner beider Regelungsbereiche. Auch wenn das Verbot irreführender Werbung vor einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit schützt, während § 123 i.V.m. § 142 BGB Schutz bei einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit gewährt359, ist zentraler Punkt und Schutzzweck beider Regelungen der Schutz der Entscheidungsfreiheit und damit der selbstbestimmten Entscheidung. Gerade die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB mit ihren tatbestandlichen Alternativen der arglistigen Täuschung und der widerrechtlichen Drohung spiegelt sehr anschaulich die beiden Aspekte des Schutzes der Entscheidungsfreiheit wider, wie sie auch der lauterkeitsrechtlichen Unterteilung in den Schutz der Entscheidungsgrundlage und des Entscheidungsprozesses zugrunde liegt. Insofern ist im Ausgangspunkt im Anschluss an Leistner von einer „funktionalen Äquivalenz“ auszugehen. Nicht nur in wirtschaftstatsächlicher Hinsicht ist der Vertrag das Zentrum von Privatautonomie und Marktwirtschaft (und damit „Wettbewerb“). Auch mit Blick auf die vorliegend untersuchte rechtliche Problematik eint das Schutzziel „selbstbestimmt geschlossener Vertrag“ die Bereiche des lauterkeitsrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutzes. Gleichwohl ist Tiller dahingehend zuzustimmen, dass es zu einem Spannungsverhältnis zwischen den beiden Bereichen nicht kommt. Der Unterschied ist allerdings weniger im Unterschied der Schutzzwecke als vielmehr in der unterschiedlichen Methode zu suchen, mit der den übereinstimmenden Zielen und Zwecken gedient wird.

II. Unterschiedliche Methode: Schutz der Entscheidungsentstehung als maßgebliches Charakteristikum des Lauterkeitsrechts Funktionale Äquivalenz besteht zielbezogen hinsichtlich eines selbstbestimmt geschlossenen Vertrages. Insofern ist im Ausgangspunkt der Ansatz Leistners demjenigen Tillers vorzuziehen. Es ist indes nach hier vertretener Auffassung nicht lediglich nach ordnungspolitischen Gesichtspunkten zu entscheiden, wann welche Sanktionen greifen. Effizienzgesichtspunkte spielen zwar eine wichtige Rolle360. 358

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 89. So Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 89. 360 Insofern wird Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 1090, zugestimmt, dass das Instrumentarium des UWG und der hierdurch mögliche Dritteingriff notwendig ist, um den von unlauterem Wettbewerb in der Vertragsanbahnung betroffenen Verbrauchern zu ermöglichen, ihre individuellen vertragsrechtlichen Rechte und Ansprüche selbst effektiv wahrzunehmen. 359

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Allerdings legt eine Orientierung allein an der ordnungspolitischen Effektivität nahe, dass lauterkeitsrechtlicher und rechtsgeschäftlicher Schutz nicht nur dasselbe Ziel verfolgen, sondern zugleich denselben Anknüpfungspunkt bzw. dieselbe Methode teilen. So verweist Leistner etwa auf die historische Entwicklung der Reaktion von Lauterkeits- und Vertragsrecht auf neuartige Herausforderungen. Im Rahmen der Darstellung der zeitlichen Komplementarität von Lauterkeits- und Verbrauchervertragsrecht werden drei Stufen skizziert: Auf der ersten Stufe würden neuartige Vertriebsformen historisch typischerweise zunächst vom lauterkeitsrechtlichen System „aufgefangen“. In einem zweiten Schritt komme es dann zu einer legislativen Reaktion, charakterisiert durch den Erlass von Sondergesetzen. Diese würden die Gefährdung typischerweise mit Mitteln des allgemeinen Zivil- und Vertragsrechts durch allgemeine Verkehrssicherungspflichten beheben, die sich nicht länger allein auf den Schutz der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit richteten, sondern nach traditionellem Verständnis teils lauterkeitsrechtlichen Charakter aufwiesen. Nach Erreichen der „kritischen Masse“ seien dann auf der letzten der drei Stufen diese Sondergesetze wieder in das BGB integriert worden361. Die damit nahegelegte Vorstellung, dass der entsprechende Verbraucherschutz entweder durch das UWG oder das BGB gewährleistet werden kann, berücksichtigt indes nicht ausreichend, dass ein methodischer Unterschied zwischen UWG und BGB im Hinblick darauf besteht, wie dem Schutzziel der Verbraucherentscheidung gedient wird. Die zielführende Frage muss demnach lauten: „Wie schützt das jeweilige Gesetz die (übereinstimmenden) Interessen des Verbrauchers?“. Der daraus resultierende Schutz bezieht sich dann nach neuem Recht auf jede einzelne Entscheidung und hängt nicht etwa davon ab, ob – ordnungspolitisch missbilligenswert – Schutzlücken massenhaft-gleichartig ausgenutzt werden. 1. Gewährung von Entscheidungsmöglichkeiten und konkrete Entscheidungssicherung Um eine nicht nur formal, sondern tatsächlich selbstbestimmte Entscheidung des Verbrauchers zu gewährleisten, bedarf es sowohl „konstitutiver“ als auch „kompensatorischer“ Maßnahmen362. Drexl, an den diese Unterscheidung terminologisch angelehnt ist, verwendet diese Begriffe in dem Sinne, dass der konstitutive Verbraucherschutz mit der formalen Privatautonomie und der Freiheit des Wettbewerbs die Grundbedingungen dafür gewährleisten solle, dass Selbstbestimmung überhaupt möglich wird. Dagegen greife das kompensatorische Verbraucherschutzrecht in Situationen, in denen die genannten konstitutiven Elemente die Herstellung wirt-

361

Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 260 f. Vgl. die Terminologie bei Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 288 f.; siehe auch bereits oben 3. Kapitel, C., I., 1., b), bb). 362

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schaftlicher Selbstbestimmung nicht hinreichend garantieren363. Dem folgend ist der Schutz durch das UWG im abnehmerbezogenen Bereich eher dem kompensatorischen Verbraucherschutz zuzuordnen364. Die vorliegende Betrachtung verengt sich dagegen spezifisch auf das Verhältnis von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz und deren gemeinsamen Bezugspunkt der Verbraucherentscheidung. Der Unterschied zwischen konstitutivem und kompensatorischem Verbraucherschutz wird daher noch einmal „heruntergebrochen“ auf den Schutz der einzelnen Entscheidung des Verbrauchers. Das BGB setzt eine selbstbestimmte Entscheidung voraus und reagiert (kompensatorisch) auf (potentielle) Beeinträchtigungen durch die Bereitstellung neuer Entscheidungsmöglichkeiten. Das UWG sorgt für eine selbstbestimmte Entscheidung, indem es bereits deren Entstehungsprozess (konstitutiv) schützt. Zur Verwirklichung eines übereinstimmenden Ziels greifen die beiden Bereiche komplementär ineinander365. a) Das BGB als Gesetz der Folgeregelungen Das BGB setzt eine selbstbestimmte Entscheidung weitgehend voraus und geht von der „Richtigkeit“ der getroffenen Vereinbarung aus. Damit hat es aber im Rahmen einer materialisierten Privatautonomie nicht sein Bewenden. Mit Blick auf die dargestellten Regelungen366 wirkt das bürgerliche Recht eventuellen „Unrichtigkeiten“ bei der Entscheidung oder einer Abweichung von Entschiedenem und Erhaltenem auf zwei Arten entgegen: Zum einen werden bestimmte Konsequenzen schlechthin angeordnet. Dies kann in der Art geschehen, dass einem Rechtsgeschäft und damit auch dem hierzu erklärten Willen schlicht die Wirksamkeit verweigert wird. Es kann aber auch in der Art geschehen, dass an bestimmte unternehmerische Verhaltensweisen eine verbesserte Rechtsstellung des Verbrauchers geknüpft wird. Zum anderen werden dem Verbraucher Möglichkeiten an die Hand gegeben, mit deren Hilfe er eine „fehlerfreie“ Entscheidung im zweiten Versuch treffen bzw. eine Übereinstimmung von Entscheidung und Erhaltenem herbeiführen kann. Die Auf363

630.

Zusammenfassend Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 302,

364 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 300, 450, 553 ff., sieht das UWG an der Nahtstelle von konstitutivem und kompensatorischem Verbraucherschutzrecht, wobei der Aspekt der wirtschaftlichen Selbstbestimmung den kompensatorischen Charakter zu erklären vermöge, während der konstitutive Charakter in erster Linie mit der wettbewerbssichernden Wirkung von Maßnahmen zu tun habe, die den Abnehmer nur mittelbar betreffen. Das Lauterkeitsrecht stehe demnach zwischen Schaffung der Grundvoraussetzungen für selbstbestimmte Entscheidungen und Reaktion auf typisierbare Situationen von Markt- und Wettbewerbsversagen. Das Irreführungsverbot z. B. sei ein Fall kompensatorischen Verbraucherschutzrechts, weil es die Informationslage des Verbrauchers verbessere, während die Generalklausel insoweit das konstitutive Verbraucherschutzrecht betreffe, als sie ganz allgemein die Lauterkeit des Wettbewerbs schütze. 365 Von Komplementarität bzw. „komplementären Schutzmechanismen“ spricht auch Alexander, WRP 2013, 17 (20). 366 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 2.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

225

gabe des BGB besteht mithin darin, einerseits Grenzen zulässiger Vereinbarungen zu bestimmen. Andererseits und für die Untersuchung von besonderer Bedeutung liefert es dem Verbraucher – bildlich gesprochen – das notwendige „Werkzeug“, um seine Selbstbestimmung materiell herzustellen bzw. durchzusetzen. Freilich verbleibt die Frage, wie sich diese Feststellung zu dem Umstand verhält, dass das BGB im Zusammenhang mit bestimmten Vertriebsformen und Vertragsarten nicht nur ein Widerrufsrecht gewährt, sondern zahlreiche Informationspflichten statuiert. Damit regelt es ganz offensichtlich weder Rechtsbehelf noch Rechtsfolge, sondern schreibt dem Unternehmer ein bestimmtes Verhalten vor. Dieses Vorgehen bleibt eine Ausnahme, auf die noch näher einzugehen sein wird367. b) Lauterkeitsrechtliche Sicherung jeder einzelnen Entscheidung Das UWG gewährt dem Verbraucher keine Entscheidungsmöglichkeiten, sondern setzt diese voraus. Seine traditionelle Aufgabe ist es, Entscheidungsgrundlage und -prozess im Vorfeld eines Vertragsschlusses sicherzustellen. Diese ursprüngliche Entscheidung, eine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abzugeben, ist jedoch bei Weitem nicht die einzig mögliche Entscheidung des Verbrauchers im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag. Dem entspricht nunmehr auch das UWG und erweitert das Spektrum geschützter Verbraucherentscheidungen auf eine ganze Reihe von nachvertraglichen Entscheidungsmöglichkeiten. Die lauterkeitsrechtliche Methode zur Gewährleistung der Selbstbestimmung besteht darin, bestimmte Verhaltensweisen des Unternehmers zu verhindern. Der damit gewährleistete Schutz ist unabhängig vom Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung. Vor wie nach Vertragsschluss schützt das UWG die (auch einzelne) selbstbestimmte Entscheidung in ihrer Entstehung. 2. Gegenseitiges Aneinanderknüpfen der Bereiche Aus der beschriebenen Zielsetzung und Rollenverteilung von BGB und UWG im Rahmen des Verbraucherschutzes ergibt sich also zum einen eine Übereinstimmung hinsichtlich des Ziels „selbstbestimmt geschlossener Vertrag“, zum anderen jedoch ein Unterschied hinsichtlich der Methodik der beiden Bereiche. Das Verhältnis der beiden Bereiche lässt sich mithin ebenso wenig mit grundlegener Verschiedenheit wie mit vollständiger Übereinstimmung erklären. Schlüssig ist dagegen ein komplementäres Verständnis, in dessen Rahmen die beiden Bereiche zielidentisch aber methodenverschieden ineinander greifen. Diese Komplementarität ist in mehrerlei Hinsicht näher zu erläutern. So stellt sich die – bereits viel diskutierte368 – Frage, inwieweit sich ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht auf den Vertrag auswirkt. Fraglich ist umgekehrt auch, wie sich nach diesem Verständnis ein Verstoß gegen 367 368

Siehe 3. Kapitel, C., II., 2., c), aa). Siehe dazu bereits 2. Kapitel, A., I., 1., a).

226

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

vertragliche Pflichten auf die lauterkeitsrechtliche Wertung niederschlägt. Schließlich sind Fälle einzuordnen, bei denen sich die dargestellte klare Rollenverteilung zwischen UWG und BGB offenbar nicht durchhalten lässt. a) Vertragliche Rechtsfolgen als Konsequenz lauterkeitswidrigen Verhaltens Komplementarität im oben genannten Sinne bedeutet, dass das UWG präventiv auf die selbstbestimmte Entscheidung hinwirkt, während das BGB auf eventuelle Mängel in der Selbstbestimmung reagiert. Denkbar wäre, dass man daraus einen „Wirkungsautomatismus“369 in dem Sinne folgert, dass sich an unlauteres Verhalten nach (fehlerhaft) getroffener Entscheidung stets eine Rechtsfolge bzw. ein Rechtsbehelf nach dem BGB anschließt. Tatsächlich hat die Untersuchung gezeigt, dass viele der rechtsgeschäftlich angeordneten Konsequenzen auf ein lauterkeitsrechtlich relevantes Verhalten folgen können. So weist im Rahmen der §§ 134, 138 BGB gerade § 138 Abs. 2 BGB einen auffälligen Bezug zu lauterkeitsrechtlich relevantem Verhalten auf („Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche“)370. Der Übertölpelungsschutz des § 305c Abs. 1 BGB sowie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sanktionieren mangelnde Transparenz und damit ein – typisch lauterkeitsrechtlich relevantes – Defizit hinsichtlich der Entscheidungsgrundlage371. Hinzu kommt, dass nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB gerade im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auch das Verhalten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher zu berücksichtigen ist372. Auch kann lauterkeitswidriges Verhalten in der Vertragsanbahnung rechtsgestaltende Vertragsauflösungsrechte begründen. Dies ist dort der Fall, wo das Bestehen eines solchen Gestaltungsrechts an die exogene Einflussnahme auf den Verbraucherwillen durch unternehmerisches Verhalten geknüpft wird. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang in erster Linie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung373. Die beiden Alternativen des § 123 Abs. 1 BGB spiegeln sogar sehr deutlich die lauterkeitsrechtlichen Facetten des Verbraucherschutzes wider, indem sie die Entscheidungsgrundlage (Täuschung) einerseits, sowie den Entscheidungsprozess (Drohung) andererseits betreffen. Nicht von einem tatsächlichen, so aber doch von einem typischerweise gegebenen Mangel in der Willensbildung und 369

Diesen Begriff verwendet Alexander, WRP 2013, 17 (20 f.), freilich ohne einen solchen „Wirkungsautomatismus“ anzunehmen. 370 Siehe bereits 2. Kapitel, A., I., 1., a). 371 Vgl. Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 188. Siehe auch schon 3. Kapitel, C., I., 2., b), ff). 372 Vgl. Alexander, WRP 2012, 515 (519), im Zusammenhang mit EuGH GRUR 2012, 639 ff. – Perenicˇ ová und Perenicˇ /SOS. Vgl. auch Hennigs, Anm. zu EuGH GRUR 2012, 639 (642) – Perenicˇ ová und Perenicˇ /SOS. 373 Siehe dazu Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 189 ff.; siehe bereits oben 3. Kapitel, C., I., 2., b), dd).

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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damit einer traditionell eher lauterkeitsrechtlich relevanten Situation der irreführenden oder unsachlichen Beeinflussung des Verbrauchers geht der Gesetzgeber bei der Anordnung der Widerrufsrechte aus374. Im Rahmen des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB sowie des § 443 Abs. 1 BGB finden traditionell lauterkeitsrechtlich konnotierte Werbeangaben auch im Kaufvertragsrecht Berücksichtigung und wirken sich auf das Bestehen von Ansprüchen aus375. Ganz besonders auffällig sind UWG und BGB im Zusammenhang mit der Zusendung unbestellter Waren aufeinander abgestimmt376. Das Unionsrecht schlägt hier erkennbar die Brücke zwischen Verhaltensregelung und Rechtsfolge, indem es den Mitgliedstaaten zum einen aufgibt, die unbestellte Zusendung zu untersagen, und zum anderen die Befreiung des Verbrauchers von einer Gegenleistung verlangt, sollte es doch zur Zusendung gekommen sein. Für den Fall, dass gleichwohl zur Zahlung oder Rücksendung der unbestellten Ware aufgefordert wird, folgt aus Nr. 29 Anhang I zu § 3 Abs. 3 UWG (bzw. Nr. 29 Anhang I zur UGP-Richtlinie) wiederum eine lauterkeitsrechtliche Sanktion. Weil auch die Entscheidungsfreiheit unter § 241 Abs. 2 BGB fällt377, bedingt jede irreführende oder aggressive geschäftliche Handlung zugleich immer auch eine Verletzung einer Nebenpflicht378. Insofern kann unlauteres Verhalten auch einen Anspruch aus culpa in contrahendo bzw. allgemein aus einer Nebenpflichtverletzung nach sich ziehen. All das führt jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass die rechtsgeschäftlichen Instrumente die zwangsläufige Fortsetzung des lauterkeitsrechtlichen Schutzes darstellen. Vielmehr bildet der UWG-Verstoß zumeist nur ein (wenn auch gewichtiges), nicht aber das einzige Kriterium für rechtsgeschäftliche Folgen379. Das BGB gibt insofern den „Takt“ vor, als es nach eigenen Maßstäben wertet und bestimmt, wann ein UWG-Verstoß Konsequenzen nach sich zieht. Die Einbeziehungskontrolle des § 305c Abs. 1 BGB etwa knüpft direkt an ein unlauter irreführendes, weil verschleierndes Verhalten die Rechtsfolge des Nichteinbezugs einer solchen Klausel an. Dies relativiert sich jedoch insofern, als bei der Prüfung, ob eine Klausel überraschend ist, zumeist auch deren inhaltliche Angemessenheit berücksichtigt wird, mithin inhaltliche Kriterien eine wichtige Rolle spielen380. Auch im Rahmen der Kaufgewährleistung gemäß § 434 Abs. 1 S. 3 BGB sowie gemäß § 443 Abs. 1 BGB hängt das Bestehen eines Anspruchs sehr eng mit lauterkeitsrechtlich relevanter Werbung zusammen. Der hier angelegte Maßstab lässt sich mit Blick auf das tatsächliche Bestehen des Anspruchs nur zum Teil (§ 434 374

3. Kapitel, C., I., 2., b), cc). 3. Kapitel, C., I., 2., b), hh), und 2. Kapitel, A., II., 1., 2. 376 Vgl. Alexander, WRP 2012, 515 (522); dazu auch schon 3. Kapitel, C., I., 2., b), hh), und 2. Kapitel, A., II., 3. 377 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 2., b), ii). 378 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen nach Vertragsschluss, 43. 379 Vgl. Alexander, WRP 2012, 515 (519): „Unlauterkeit als Indiz“. Siehe auch ders., WRP 2013, 17 (20 f.). 380 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 2., b), ff). 375

228

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Abs. 1 S. 3 BGB) durch Ausschlusstatbestände wieder auf die Situation im konkreten Vertragsverhältnis zurückführen381. Soweit dies nicht der Fall ist (§ 443 Abs. 1 BGB), folgt unmittelbar aus einer lauterkeitswidrigen Werbung auch das Vorliegen eines Sachmangels. Angesichts der nunmehr auch im UWG geregelten Informationspflichten knüpft auch die Rechtsfolge des Nichtanlaufens der Widerrufsfrist unmittelbar und ohne abweichende Voraussetzungen an unlauteres Verhalten an. Dass daraus indes kein allgemeines Prinzip abgeleitet werden kann, zeigen auch die übrigen Instrumentarien. Wie bereits ausführlich dargestellt, führt unlauteres Verhalten alleine weder zur Unwirksamkeit einer Klausel noch eines Vertrags382. §§ 241a und 661a BGB knüpfen potentiell an ein lauterkeitsrechtlich missbilligtes Verhalten eine bürgerlich-rechtliche Rechtsfolge. Auf den UWG-Verstoß als solchen kommt es jedoch nicht an, vielmehr tritt die Rechtsfolge auch ohne einen solchen ein383. Damit ist das BGB sogar strenger als das UWG. Ähnliches gilt bezüglich der Widerrufsrechte, die auch dann bestehen, wenn es zu einer lauterkeitsrechtlich bedenklichen Beeinflussung der Verbraucherentscheidung im konkreten Fall gar nicht gekommen ist. Besonders im Rahmen der Anfechtung wird deutlich, dass es der Wertung des BGB überlassen bleibt, ob und wann eine Rechtsfolge bzw. ein Rechtsbehelf an lauterkeitswidriges Verhalten geknüpft wird. § 123 Abs. 1 BGB folgt insofern seinem eigenen Maßstab, als er etwa über die Täuschung hinaus Arglist und damit Vorsatz erfordert384. Auch wenn Werbemitteilungen in den Anwendungsbereich der culpa in contrahendo fallen können, d. h. – solange sie einseitig bleiben – genauer unter § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB385, verlangt auch ein solcher Anspruch zusätzlich zu einem unlauteren Verhalten weitere Voraussetzungen hinsichtlich Verschulden und Kausalität386. Im Ergebnis ruft ein UWG-Verstoß alleine nur teilweise, nicht jedoch generell eine rechtsgeschäftliche Konsequenz hervor. Insofern ist festzuhalten, dass das BGB selbst bestimmt, ob und wann es im Anschluss an lauterkeitswidriges Verhalten eine Folge regelt. Einen „Wirkungsautomatismus“ gibt es nicht.

381

Siehe oben 2. Kapitel, A., II., 1. und 2. sowie 3. Kapitel, C., I., 2., b), hh). EuGH GRUR 2012, 639 (641) – Perenicˇ ová und Perenicˇ /SOS; für die Verallgemeinerungsfähigkeit der zur Klauselrichtlinie ergangenen Entscheidung Alexander, WRP 2013, 17 (21); ders., WRP 2012, 515 (521). Siehe oben 2. Kapitel, A., I., 1., a), und 3., a), aa). 383 Siehe 2. Kapitel, A., II., 3. und 4. 384 BeckOK-Wendtland, BGB, § 123, Rn. 17. 385 Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 222 f. 386 Vgl. hierzu Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 229 f. 382

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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b) Vertragliche Rechte und Pflichten als Bezugspunkt des Lauterkeitsrechts Bezugspunkt des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes ist die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers. Nach Vertragsschluss sind dies diejenigen Entscheidungen, die das BGB dem Verbraucher im Zusammenhang mit dem Vertrag ermöglicht. Insofern knüpft das UWG an Rechtspositionen an, die das BGB gewährt, wie ein Blick auf § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG bestätigt387. Es ist mithin insofern akzessorisch, als es seinen Schutz gerade dort entfaltet, wo das BGB „Werkzeuge“ bereitstellt. Damit wirkt der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz in der Art, dass er die Entscheidung des Verbrauchers über den Vertrag sowie über den Einsatz der ihm durch das BGB an die Hand gegebenen Entscheidungsmöglichkeiten nach Vertragsschluss begleitet. Das UWG sichert deren Selbstbestimmtheit in der Entstehung dadurch ab, dass das unternehmerische Verhalten reguliert wird. c) Fälle der Deckungsgleichheit und rückwirkender Wertungen Die geltende Rechtslage und -anwendung könnte Zweifel an der zuvor beschriebenen, eindeutigen Rollenverteilung von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz zulassen. Insbesondere werden diese durch die beschriebene „Dopplung“ der Informationspflichten, Fälle der auffällig marktverhaltensregelnden Tendenz des BGB sowie die weitgehende Übernahme von BGBNormen im Rahmen des § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) geweckt. aa) Dopplung der Informationspflichten Informationspflichten zielen auf die Schaffung von Markttransparenz und geben dem Unternehmer ein bestimmtes Verhalten auf. Vor Vertragsschluss sollen sie den Kunden in die Lage versetzen, eine fundierte Entscheidung über das Ob und Wie des Vertragsabschlusses zu treffen. Nach Vertragsschluss sollen sie ihm eine zuverlässige Entscheidung über die Ausübung eines Widerrufsrechts oder sonstiger Rechte ermöglichen388. Sie stellen Marktverhaltenspflichten zur Sicherung einer rationalen Nachfragerentscheidung389 und damit ein Paradebeispiel für die lauterkeitsrechtliche Absicherung der Verbraucherentscheidung im zuvor beschriebenen Sinne dar. Gleichwohl finden sich diese Pflichten weitgehend deckungsgleich in UWG und BGB390. Es drängt sich mithin die Frage auf, inwieweit diese Parallelität von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz ihre Berechtigung hat bzw. wie sich die beiden Bereiche hier zueinander verhalten.

387 388

7. 389 390

Vgl. auch Köhler, WRP 2009, 898 (912). Palandt-Grüneberg, EGBGB, Einf v 238, Rn. 2; vgl. dazu schon oben 2. Kapitel, A., II., Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 75. Siehe oben 2. Kapitel, A., II., 7. sowie B., IV.

230

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Busch sieht lauterkeitsrechtliche und vertragsrechtliche Informationspflichten im Verhältnis „zwei[er] konzentrische[r] Schutzwälle“391. Eine Dopplung will er vermeiden, indem er die Informationspflichten verschiedenen Phasen der Vertragsanbahnung zuordnet. Er unterscheidet zwischen Werbe- und Verhandlungsphase und nimmt dabei eine inhaltliche Abstufung der Informationspflichten vor392. Dies birgt aber zum einen praktische Probleme der Abgrenzung in sich. So gestaltet sich die Bestimmung schwierig, wann es sich noch um ein eher lauterkeitsrechtlich zu charakterisierendes Maß an Distanz zum Kunden, wann schon um ein bürgerlichrechtliches Maß an Nähe handeln soll. Zum anderen wurde festgestellt, dass allgemein die Charakteristika abstrakt-generell und individuell-konkret zur Abgrenzung von Lauterkeits- und Vertragsrecht gerade nicht mehr geeignet sind393 und ganz konkret lauterkeitsrechtliche Informationspflichten nach Vertragsschluss im individuellen Vertragsverhältnis bestehen394. Tatsächlich ist nach hier vertretener Auffassung auch kein anderer Ansatz erkennbar, mit dem sich die „Dopplung“ der Informationspflichten stimmig erklären lässt. Sie ist vielmehr im Ergebnis dahingehend aufzulösen, dass diese Art der Verhaltenspflichten – soweit sie den Schutz der selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers im geschäftlichen Verkehr betreffen – ausschließlich dem UWG überantwortet wird395. Im Zuge eines verstärkten Ineinandergreifens beider Bereiche sollte sich das BGB darauf beschränken, die Konsequenzen unterlassener Informationsgewährung zu regeln, wie dies mit Blick auf die nicht anlaufende Widerrufsfrist der Fall ist. Vor dem Hintergrund, dass die nun vom UWG umfassten Informationspflichten bisher nicht nur auch, sondern ausschließlich im BGB verortet waren, mag der hier gezogene Schluss drastisch klingen. Er ist jedoch schon deshalb nicht undenkbar, weil die Einordnung einiger Elemente aus den umgesetzten verbraucherschützenden Richtlinien im BGB ohnehin keineswegs zwingend war396 – die bisherige Untersuchung hat gerade gezeigt, dass das Unionsrecht einen pragmatischen Ansatz verfolgt, der sich nicht an nationaler Dogmatik orientiert397. Gerade hinsichtlich der Vorgaben zur Schaffung von Informationspflichten hat die Untersuchung sogar

391

Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 165 ff. Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 165, 174. 393 Siehe ausführlich 2. Kapitel. 394 Siehe oben 2. Kapitel, B., IV. 395 Überholt ist jedenfalls die Ansicht, dass es nicht Aufgabe des UWG ist, für eine ausreichende Kundeninformation zu sorgen. So aber noch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 142, dessen Aussage jedoch auch mit der zuvor gemachten, an der aktuellen Rechtslage vorbeigehenden Feststellung einhergeht, „dass das Wettbewerbsrecht nur wenige Aufklärungs- und Informationspflichten kennt“. 396 Vgl. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 261. 397 Siehe oben 3. Kapitel, A., II. 392

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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gezeigt, dass das Unionsrecht solche Pflichten typischerweise im Zusammenhang mit der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs sieht398. Darüber hinaus ist zu präzisieren: Nach der hier vertretenen Auffassung ist nicht bezweckt, sämtliche denkbaren Informations- bzw. Aufklärungspflichten des BGB in das UWG zu überführen. Vielmehr beschränkt sich der vorliegende Ansatz darauf, diejenigen Informationspflichten ausschließlich im lauterkeitsrechtlichen Rahmen zu regeln, die den Verbraucher dadurch schützen, dass sie dessen selbstbestimmte Entscheidung im Zuge des Tätigwerdens im geschäftlichen Verkehr in ihrer Entstehung schützen. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die nunmehr im UWG geregelten Informationspflichten genau diesen Zweck verfolgen und damit gewährleisten, dass der Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen kann. Soweit die im BGB vorhandenen Informationspflichten mit denjenigen des UWG inhaltlich übereinstimmen, sind sie weder systematisch überzeugend verortet noch – angesichts der ohnehin bestehenden „Dopplung“ – zum Wohle des Verbrauchers erforderlich. Soweit die im BGB geregelten Informationspflichten eine andere Zwecksetzung verfolgen, besteht – aus gutem Grund – gerade keine „Dopplung“ und eine Überführung der jeweiligen Informationspflicht in das UWG ist angesichts des dann gerade nicht lauterkeitsrechtlichen Charakters der Informationspflicht nicht angezeigt. Konkret weisen all diejenigen Informationspflichten lauterkeitsrechtliche Züge auf, die dem Verbraucher Informationen gewähren sollen, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 S. 1 UWG). Zahlreiche Informationspflichten, die auf sekundärrechtlichen Vorgaben beruhen, sind dem Verbraucher gegenüber nach § 5a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UWG zu erfüllen. § 5a Abs. 4 UWG zufolge gelten solche Informationen als wesentlich, „die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen“. Die nicht abschließende Liste des Anhangs II der UGP-Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber nicht übernommen, um die Bestimmung der relevanten Informationspflichten der Rechtsprechung zu überlassen399. Entscheidend ist dabei stets, dass die jeweilige Information einen Bezug zur „kommerzielle[n] Kommunikation“400 und insbesondere zur geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers aufweist. 398 Siehe oben 3. Kapitel, A., II., 2., b), aa). Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 233, bezeichnet die Erfassung der Informationspflichten über den Rechtsbruchtatbestand als „nicht elegant, sondern eher als Notlösung“. 399 Siehe hierzu Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 26 f. 400 So § 5a Abs. 4 UWG. Der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ ist in der UGPRichtlinie selbst nicht definiert. Gemäß Art. 2 lit. f der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr erfasst diese „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Sämtliche vertragsrechtlichen Aufklärungspflichten, die auf Richtlinien beruhen, weisen lauterkeitsrechtliche Züge auf401. So hat die Untersuchung gezeigt402, dass die vielen im BGB verorteten Informationspflichten den Verbraucher gerade – typisch lauterkeitsrechtlich – vor einer Irreführung schützen und damit eine informierte geschäftliche Entscheidung gewährleisten sollen. Dies betrifft – als Umsetzung der in Anhang II der UGP-Richtlinie explizit genannten Richtlinienvorgaben – die Informationspflichten in § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB (als Umsetzung von Art. 6 und 8 Verbraucherrechterichtlinie, die die in Anhang II genannten Art. 4 und 5 Fernabsatzrichtlinie abgelöst haben403), in § 312d Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246b EGBGB (als Umsetzung von Art. 3 und 5 Finanzdienstleistungsrichtlinie404), in dem früheren § 651a Abs. 3 S. 2 BGB i.V.m. § 4 BGB-InfoV (als Umsetzung von Art. 3 Pauschalreiserichtlinie405) und in § 482 BGB i.V.m. § 242 EGBGB (als Umsetzung von Art. 3 Time-Sharing-Richtlinie406). Die nicht abschließende „dynamische Verweisung“407 des Art. 7 Abs. 5 UGPRichtlinie, den § 5a Abs. 4 UWG umsetzt, bezieht sich darüber hinaus auf weitere bisher im BGB umgesetzte Informationspflichten. Dies betrifft etwa § 479 Abs. 1 BGB (als Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie408), § 491a Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 247 EGBGB (als Umsetzung von Art. 5 und 6 Verbraucherkreditrichtlinie409), § 655a Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 EGBGB (als Umsetzung von Art. 5, 6, 7, 21 Verbraucherkreditrichtlinie410), § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c EGBGB (wobei Art. 246c EGBGB eine Umsetzung von Art. 10 Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr darstellt411), mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe, Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt“. 401 Siehe auch Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 217, 221 ff., der zu dem Ergebnis kommt, die Informationspflichten seien „in BGB-untypischer Weise konzipiert“ (232). 402 Siehe bereits 2. Kapitel, A., II., 7.; 3. Kapitel, A., II., 2., b), bb), sowie C., I., 2., b), bb). 403 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5a, Rn. 5.6. 404 Palandt-Grüneberg, BGB, § 312d, Rn. 1. 405 Vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 5a, Rn. 86; siehe nunmehr § 651d und v i.V.m. Art. 250 EGBGB; vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, § 651d, Rn. 1, sowie § 651v, Rn. 1. 406 Ohly/Sosnitza, UWG, § 5a, Rn. 86; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5a, Rn. 5.8; siehe nunmehr Art. 3 f. der neuen Time-Sharing-Richtlinie; siehe auch Palandt-Weidenkaff, BGB, § 482, Rn. 1. 407 Siehe Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5a, Rn. 5.4. 408 BGH GRUR 2011, 638 (639) – Werbung mit Garantie. 409 Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491a, Rn. 1. 410 Palandt-Sprau, BGB, § 655a, Rn. 8. 411 MüKo-Wendehorst, BGB, EGBGB Art. 246c, Rn. 22; Dagegen fasst v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 228 f., die in Art. 10 Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr genannten Informationen nicht unter den Begriff „kommerzielle Kommunikation“. Hiergegen spricht indes, dass die dort genannten

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§ 312j BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB (als Umsetzung von Art. 8 Abs. 2, 3 Verbraucherrechterichtlinie412) sowie § 312a Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246 EGBGB (als Umsetzung von Art. 5 Verbraucherrechterichtlinie413). Soweit Informationspflichten des BGB einen sekundärrechtlichen Hintergrund nicht aufweisen und – noch entscheidender – nicht der Entstehung einer selbstbestimmten geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers dienen, kommt diesen Informationspflichten kein lauterkeitsrechtlicher Charakter zu. In diesem Zusammenhang zu nennen sind etwa die Informationspflichten im Rahmen eines Behandlungsvertrags (§§ 630c, 630e BGB). Diese Informationspflichten beruhen gerade nicht auf dem bereits im Detail beschriebenen Verbraucherschutzansatz der Gewährleistung einer selbstbestimmten geschäftlichen Entscheidung durch Information des Verbrauchers414. Zum einen ist bereits nicht abschließend geklärt, ob es sich bei einem Patienten um einen Verbraucher handelt415. Zum anderen und insbesondere verfolgen die hier angeordneten Informationspflichten keinen typisch lauterkeitsrechtlichen Schutzzweck. Zwar dienen auch diese Informationspflichten dem Ausgleich einer bestehenden Informationsasymmetrie416. Gleichwohl sind die angeordneten Informationspflichten nicht dem Schutz einer geschäftlichen Entscheidung im Sinne des Lauterkeitsrechts, mithin dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers417 zuzuordnen. So geht es etwa bei der in § 630c Abs. 2 S. 1 BGB angeordneten, bisher als „therapeutische Aufklärung“ bezeichneten, Informationspflicht schon nicht um die Gewährleistung einer autonomen Entscheidung, sondern um die Sicherung des Behandlungserfolgs418. Soweit die Informationspflicht aus Abs. 2 S. 2 (Fehlerinformation) auch monetäre Interessen betrifft, dient auch diese Information nicht dem lauterkeitsrechtlich intendierten Schutz wirtschaftlicher Interessen im Geschäftsverkehr. Vielmehr geht es in diesen Fällen um den Schutz der Gesundheit des Patienten bzw. um die Erleichterung einer schadensersatzrechtlichen Kompensation der Verletzung von IntegritätsinteresInformationen (insbesondere die Information über sämtliche Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft) für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers über die Abgabe einer Bestellung von Bedeutung sein dürften. Für eine Einordnung des Art. 10 Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unter § 5a Abs. 4 UWG zutreffend auch OLG Hamburg MMR 2010, 696 (696). 412 Palandt-Grüneberg, BGB, § 312j, Rn. 1. 413 Palandt-Grüneberg, BGB, § 312a, Rn. 3; vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5a, Rn. 5.6. 414 Siehe dazu 2. Kapitel, A., II., 7. sowie 3. Kapitel, C., I., 2., b), bb). 415 Bejahend MüKo-Micklitz, BGB, § 13, Rn. 11; auch Spickhoff, Medizinrecht, § 630c BGB, Rn. 33. 416 MüKo-Wagner, BGB, § 630c, Rn. 1. 417 Vgl. explizit zur lauterkeitsrechtlichen Intention des Schutzes der „wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher“ bzw. deren „wirtschaftliche[n] Verhalten[s]“ Erwägungsgründe 4 S. 1, 6 S. 1, 8 S. 1, 11 S. 2, 12 S. 3, 13 S. 2, 19, Art. 5 Abs. 2 lit. b, Abs. 3 UGP-Richtlinie sowie § 3 Abs. 2 UWG. 418 MüKo-Wagner, BGB, § 630c, Rn. 2.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

sen419. Einen Grenzfall stellt freilich Abs. 3 (wirtschaftliche Information) insofern dar, als die zu gewährenden Informationen die finanziellen Folgen der Behandlung betreffen. Auch in diesem Fall wird der Patient jedoch nicht in seiner Rolle als Marktteilnehmer tätig, sondern als natürliche Person, die sich zur Wahrung ihrer körperlichen Integrität in Behandlung begibt. Die Information des Verbrauchers dient mithin nicht in erster Linie einer ökonomisch rationalen geschäftlichen Entscheidung. Es handelt sich damit wiederum um eine Situation, die bei wertender Betrachtung keines lauterkeitsrechtlichen Schutzes bedarf, sondern in der die in § 630c Abs. 1 BGB angelegte vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Parteien des Behandlungsvertrags420 zum Zwecke einer bestmöglichen Behandlung im Vordergrund steht. Gleiches gilt für die Aufklärungspflicht gemäß § 630e BGB. Auch hier geht es zwar um die Selbstbestimmung, nicht jedoch um eine geschäftliche Entscheidung. Dem Patienten soll eine informierte Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit er Körper und Gesundheit zu riskieren bereit ist, um die Heilungschance wahrzunehmen421. Die Vielzahl der rechtsgeschäftlichen Informationspflichten dient indes dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher durch die Gewährleistung einer informierten geschäftlichen Entscheidung. Diese Art der Informationspflicht ist als typisch lauterkeitsrechtlich zu bezeichnen und damit nach hier vertretener Auffassung – allein – im UWG zu verorten. Das damit vorgeschlagene Modell würde freilich eine engere Verzahnung der beiden Rechtsbereiche voraussetzen. Die durch § 5a UWG besonders deutlich gewordene „normative[n] Verklammerung“422 muss demnach so interpretiert werden, dass bürgerlich-rechtliche Rechtsbehelfe und Rechtsfolgen an Informationspflichten geknüpft werden, die (nur) im UWG geregelt sind. Mit einer solchen Idee des rechtsgebietsübergreifenden zivilrechtlichen Verbraucherschutzes verschwimmen letztlich Grenzen, die das Unionsrecht ohnehin nicht kennt. Schließlich ist es auch schon bisher nicht ungewöhnlich gewesen, dass bürgerlich-rechtliche Folgen an die Verletzung von Informationspflichten knüpfen, die das BGB selbst gar nicht regelt. So setzt das unter den Begriff der arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 BGB fallende Verschweigen von Umständen, hinsichtlich derer eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht423, eben diese Pflicht nur voraus, während sie sich aus der Norm selbst nicht ergibt424. 419

MüKo-Wagner, BGB, § 630c, Rn. 30. MüKo-Wagner, BGB, § 630c, Rn. 1. 421 MüKo-Wagner, BGB, § 630e, Rn. 4, m.w.N. zur Rechtsprechung des BGH. 422 Vgl. die Bezeichnung bei Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 198. 423 Palandt-Ellenberger, § 123, Rn. 5. 424 Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsabschluß, 5; Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 113. § 123 BGB normiert damit weder „indirekte“ noch „direkte“ Informationspflichten, vgl. Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 58, m.w.N., sondern regelt nur eine Folge bei Nichterteilung der entsprechenden Informationen. 420

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Busch ist der Ansicht, es sei nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts, dafür zu sorgen, dass der Anbieter dem Nachfrager alle Informationen liefert, die dieser zur Entscheidung über einen Vertragsschluss benötigt425. Dem sei im Ergebnis zumindest dahingehend widersprochen, dass, wenn überhaupt ein Informationsbedarf beim Verbraucher ausgemacht ist, es die Aufgabe gerade des Lauterkeitsrechts sein muss, dem Verbraucher für eine sachgerechte geschäftliche Entscheidung Informationen zu liefern426. bb) Die Rückwirkung der Widerrufsrechte Wie festgestellt wurde, geht das BGB infolge aktueller Entwicklungen hinsichtlich des Maßes an Typisierung sogar über das UWG hinaus. So bestehen die verschiedenen Widerrufsrechte im Rahmen bestimmter Vertragsarten und Vertriebsformen unabhängig von einer konkreten Gefahr der Beeinträchtigung des Verbrauchers in seiner Entscheidung427. Das könnte die Frage aufwerfen, ob das BGB bereits die lauterkeitsrechtliche Wertung vorwegnimmt, statt nur – der hier vertretenen Auffassung entsprechend – Bezugspunkt der UWG-Normen zu sein. Tatsächlich ist die Frage nach dem Zusammenhang bzw. den gegenseitigen Rückwirkungen zwischen den Widerrufsrechten und dem Lauterkeitsrecht umstritten428. Während einerseits aus der Regelung des Widerrufs eine auch im Rahmen des Lauterkeitsrechts zu beachtende grundsätzliche Missbilligung der bestimmten Vertriebsform herausgelesen wird429, sehen andere derartige Vertriebsformen mit der Rechtsprechung als grundsätzlich lauterkeitsrechtlich zulässig an und leiten dies ebenfalls aus der Existenz des Widerrufsrechts ab430. Zum Teil wird auch eine Rückwirkung jedenfalls insofern angenommen, als angesichts der §§ 312 ff. BGB rein faktisch eine lauterkeitsrechtliche Schutzwürdigkeit im Einzelfall nicht anzunehmen sei. Ohne einen lauterkeitsrechtlichen Eingriff rechtfertigende Zusatzas-

425

Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 90. Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 112, sieht die im BGB normierten, auf europäische Vorgaben zurückgehenden expliziten Informationspflichten nur (aber jedenfalls) im Hinblick auf die Rechtsfolge als lauterkeitsrechtliche Pflichten an. 427 Vgl. 2. Kapitel, A., II, 5.; 3. Kapitel, C., I., 2., b), cc). 428 Vgl. hierzu ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 653 ff. 429 Fezer/Büscher/Obergfell-Mankowski, UWG, § 7, Rn. 311 ff., im Zusammenhang mit der unzumutbaren Belästigung. 430 Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Schöler, UWG, § 7, Rn. 70, m.w.N., ebenso bezogen auf die unzumutbare Belästigung. Schöler weist jedoch darauf hin, dass die gesetzlichen Regelungen zur Widerrufbarkeit von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen der Annahme einer Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden Werbemethoden nicht generell entgegenstünden. 426

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

pekte (wie die über den Einzelfall hinausgehende Nachahmungsgefahr) sei die Wertung des BGB zu respektieren431. Nach hier vertretener Ansicht kann ein vertragsrechtlicher Rechtsbehelf an ein unlauteres Verhalten anknüpfen, muss dies aber nicht. Zwischen unlauterem Verhalten und der vertraglichen Rechtsfolge besteht gerade kein „Wirkungsautomatismus“432. Umgekehrt ist auch die lauterkeitsrechtliche Wertung nicht fix an die vertragsrechtliche gebunden. Aus der Existenz der Widerrufsrechte ist weder zu folgern, dass die betroffene Geschäftspraxis auch lauterkeitsrechtlich zu missbilligen ist, noch ist umgekehrt aus der Ausgestaltung als Widerrufsrecht die grundsätzliche lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der Geschäftspraxis zu schließen. Eine eindeutige Wertung lässt sich dem BGB insofern nicht entnehmen. So spricht einerseits für die grundsätzliche Zulässigkeit der jeweiligen Vertriebsform nicht etwa, dass der Vertrag gültig ist, der Verbraucher also selbst über die Möglichkeit der Lösung vom Vertrag entscheidet. Ein solcher Rückschluss von der Gültigkeit des Vertrags auf die lauterkeitsrechtliche Billigung der diesem Vertrag vorausgegangenen Vertriebsform ist nicht möglich. Wie bereits dargelegt wurde433, schützt das UWG die ursprüngliche Entscheidung zum Vertragsschluss sowie etwaige nachgelagerte Entscheidungen, wie über die Ausübung des Widerrufsrechts, in ihrer Entstehung, ohne jedoch Einfluss auf die Gültigkeit des Vertrags zu nehmen. Andererseits liegt der typisierten Vertragslösungsmöglichkeit zwar die Erkenntnis zugrunde, dass bestimmte Vertriebsformen typischerweise Gefahren für den Verbraucher mit sich bringen. Gleichwohl lässt sich daraus eine generelle lauterkeitsrechtliche Missbilligung nicht ableiten. Zum einen erklärt das BGB den Vertrag gerade nicht protektionistisch für nichtig. Zum anderen lässt sich in diesem Zusammenhang etwa eine Parallele des Widerrufsrechts zur Halterhaftung des § 7 StVG ziehen. Dieser zivilrechtliche Anspruch führt zu einer Haftung des Halters, ohne Verhaltensunrecht vorauszusetzen434. Die damit geregelte Gefährdungshaftung beruht auf der Erkenntnis, dass von Kraftfahrzeugen Gefahren ausgehen, und knüpft an diese Betriebsgefahr einen Anspruch. Aus der Halterhaftung ist indes nicht auf eine grundsätzliche Missbilligung des Betriebs von Kraftfahrzeugen durch den Gesetzgeber zu schließen. Dass dem Verbraucher mit dem Widerrufsrecht in typischerweise – nicht notwendig im konkreten Fall – gefahrträchtigen Situationen ein zusätzliches Recht eingeräumt wird, ist ebenso Ausdruck einer sachgerechten Risikoverteilung, basierend auf dem Gedanken, dass bestimmte Vertriebsformen zwar Risiken bergen, die Vorteile für alle Beteiligten bei einer Gesamtschau jedoch überwiegen. 431

So Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 661 ff. Dies hängt wiederum mit der von Leistner geforderten massenhaft-gleichartigen Tendenz des Lauterkeitsrechts zusammen. 432 Hierzu 3. Kapitel, C., II., 2., a). 433 Hierzu 2. Kapitel, A., I., 1., a) sowie 3., a), aa); 3. Kapitel, C., II., 1., b). 434 Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 7 StVG, Rn. 1.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Weil die Methode des Verbraucherschutzes in BGB und UWG jeweils eine andere ist, führt die Existenz eines zusätzlichen Rechtsbehelfs und damit einer weiteren Entscheidungsmöglichkeit schließlich auch nicht im Sinne ordnungspolitischer Effizienz zu dem Schluss, dass die ursprüngliche Entscheidung in ihrer Entstehung keiner lauterkeitsrechtlichen Absicherung mehr bedarf. Im Ergebnis ist im UWG autonom zu prüfen. Ein Widerrufsrecht besteht auch, wenn das vorangegangene Unternehmerverhalten lauterkeitsrechtlich unbedenklich ist. Dieses weitreichende Maß an Typisierung im Rahmen der Widerrufsrechte lässt sich durchaus kritisch beurteilen435. Letztlich ist aber die Wertung des „taktgebenden“ BGB hinzunehmen. Zumal das vom Gesetzgeber vorgenommene Maß an Typisierung letztlich aus Gründen der Rechtssicherheit eine zumindest praktisch nachvollziehbare Lösung bietet436. cc) § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) Geht man von der Prämisse aus, dass UWG und BGB auf unterschiedliche Weise verbraucherschützend wirken, dann weckt die unmittelbare Rezeption einer verbraucherschützenden BGB-Norm im UWG Zweifel. Das Lauterkeitsrecht bewirkt einen präventiven Schutz der Verbraucherentscheidung vor unlauterem Einfluss, indem es entsprechendes Unternehmerverhalten verhindert. Es baut damit auf zwei Kriterien auf, der Regelung des Unternehmerverhaltens (Ursache) und der damit herbeigeführten Vermeidung einer unlauteren Beeinflussung der Verbraucherentscheidung (Wirkung). Die Entscheidungspraxis zu § 3a UWG bzw. zu § 4 Nr. 11 UWG a.F. im Rahmen der Rezeption verbraucherschützender Normen berücksichtigt indes beide Kriterien nur unzureichend. In Zusammenschau mit den übrigen verbraucherschützenden UWG-Normen ist im Anschluss an die dogmatischen Bedenken fragwürdig, ob es des Rechtsbruchtatbestandes jedenfalls zum Schutz einer selbstbestimmten Verbraucherentscheidung überhaupt bedarf. (1) Undogmatische Anwendung des Rechtsbruchtatbestandes Die Übernahme verbraucherschützender Vorschriften aus dem BGB ist dogmatisch in zweierlei Hinsicht bedenklich. So berücksichtigt die bestehende, extensive Praxis die für den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz prägenden Anforderungen weder hinsichtlich des Ansatzpunktes des UWG (Regelung des Unternehmerverhaltens) noch hinsichtlich dessen Regelungsziels (Gewährleistung einer informierten und sachlichen Entscheidung).

435

Vgl. hierzu Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 15 f. 436 Gessner, Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung im deutschen und europäischen Verbraucherrecht, 15 f.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Die meisten der bisher rezipierten Normen stellen keine Marktverhaltensregelungen dar437. Bedauerlicherweise hat indes der BGH in den Entscheidungen Gewährleistungsausschluss im Internet und Missbräuchliche Vertragsstrafe entschieden, dass § 475 Abs. 1 BGB a.F. (nunmehr § 476 Abs. 1 BGB) bzw. die §§ 307 ff. BGB unter den Rechtsbruchtatbestand fallen438. Die Argumentation des Gerichts ist in mehrerlei Hinsicht nicht überzeugend. So geht es ohne nähere Begründung davon aus, dass der Rechtsbruchtatbestand neben dem UKlaG anwendbar ist439. Tatsächlich hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln gerade davon abgesehen, eine Klagebefugnis für Konkurrenten vorzusehen. Dagegen enthält das UKlaG eine explizite – und abschließende – Regelung, wer neben den Vertragsparteien gegen die Verwendung unwirksamer AGB vorgehen kann440. Neben dem Umstand, dass der BGH den ansonsten überwundenen – und nach neuer Rechtslage erst recht unnötigen441 – Vorsprungsgedanken für die Eröffnung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs heranzieht442, stößt vor allem die Tatsache auf Bedenken, dass der BGH die Vorschriften als Marktverhaltensregelungen ansieht443. § 476 Abs. 1 BGB (§ 475 Abs. 1 BGB a.F.) enthält zwar mittelbar ein Verhaltensgebot insofern, als sich der Unternehmer auf eine Vereinbarung, die von den in der Vorschrift genannten Normen zum Nachteil des Verbrauchers abweicht, nicht berufen kann. In erster Linie sieht die Norm damit aber eine Konsequenz für den Fall vor, dass eine unzulässige Vereinbarung getroffen wurde. Nicht jedoch 437

Siehe bereits oben, 2. Kapitel, A., I., 3., b). BGH GRUR 2010, 1117 ff. – Gewährleistungsausschluss im Internet; dem folgend BGH GRUR 2012, 949 (953) – Missbräuchliche Vertragsstrafe; beide vorgenannten Entscheidungen werden auch zitiert in BGH GRUR 2014, 88 (90 f.) – Vermittlung von Netto-Policen. Siehe ausführlich zur Thematik Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln (2016), der jedoch von einem weitreichenden Anwendungsbereich des Rechtsbruchtatbestands ausgeht. 439 BGH GRUR 2010, 1117 (1119) – Gewährleistungsausschluss im Internet. 440 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 78a; ders., LMK 2011, 312950; ders., Gutachten im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages e.V., Rn. 49, siehe https://www. bihk.de/bihk/downloads/bihk/schutz-unternehmerischer-interessen-im-lauterkeitsrecht.pdf, zuletzt abgerufen am 10. März 2019, weist darauf hin, dass für diese Begrenzung ein guter Grund bestehe. Während Verbraucherverbände sich im Zweifel bereits aufgrund begrenzter Ressourcen auf die Verfolgung schwerwiegender Verstöße beschränkten, setzten Mitbewerber Abmahnungen möglicherweise strategisch ein. Eine abschließende Regelung durch das UKlaG erkennt auch Ahrens, WRP 2012, Nr. 10, Die erste Seite. A.A. Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 245 ff.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3a, Rn. 1.43; MüKo-Schaffert, UWG, § 4 Nr. 11, Rn. 31, 359. 441 Siehe zum weiten Anwendungsbereich des UWG 2. Kapitel, B., III., 4., a). 442 BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet. 443 Vgl. bereits oben 2. Kapitel, A., I., 3., b). Gegen die Annahme einer Marktverhaltensregelung in Bezug auf die AGB-Kontrolle Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 78a; ders., LMK 2011, 312950; ähnlich Armgardt, WRP 2009, 122 (127); krit. auch Tüngler/Ruess, WRP 2009, 1336 (1346); a.A. Köhler, NJW 2008, 177 ff.; Mann, WRP 2007, 1035 ff.; Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 16. 438

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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verbietet sie die Vereinbarung als solche. Das erkennt auch der BGH. Er stellt jedoch darauf ab, dass die Norm eine mit einem Klauselverbot jedenfalls vergleichbare Regelung darstelle und jedenfalls eine § 475 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. entgegenstehende Vereinbarung nicht zulässig sei444. Die Formulierung, wonach der Unternehmer sich auf eine abweichende Vereinbarung nicht berufen kann, sei lediglich gewählt worden, um klarzustellen, dass der Kaufvertrag mit seinen sonstigen Pflichten wirksam bleibt445. Das greift aber nicht durch. Es spielt schon gar keine Rolle, ob eine Vereinbarung für unwirkam erklärt wird oder der Unternehmer sich nicht auf diese berufen kann: geregelt wird eine rechtliche Folge, nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung als solche446. Es geht darüber hinaus zu weit, sich ganz pragmatisch am Ziel eines effektiven Verbraucherschutzes orientiert447 über die Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Folgeregelung dadurch hinwegzusetzen, dass man in jede Folgeregelung zugleich das Verbot des vorangehenden Fehlverhaltens hineinliest. Auf die Spitze getrieben ließen sich auf diese Weise sogar die Vorschriften zur Regelung vertragstypischer Pflichten, wie sie beim Kaufvertrag in §§ 433 ff. BGB zu finden sind, als Marktverhaltensregelungen ansehen448. Zwar leuchtet ein, dass der im Vertrag selbst privatautonom geregelte Inhalt schon nicht als gesetzliche Vorschrift anzusehen und damit nicht vom Rechtsbruchtatbestand erfasst ist, ebenso wenig, wie dies bei AGB an sich der Fall ist449. Wenn allerdings nicht die AGB selbst, wohl aber die Rege444

BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet; auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 19, betont mit Verweis auf die Entscheidung, dass es für eine Marktverhaltensregelung nicht darauf ankommen könne, welche Rechtsfolge an einen Verstoß geknüpft wird. Zudem ändere die Ausgestaltung einer Norm, welche nicht die Vereinbarung explizit verbietet, sondern lediglich verbietet, sich auf diese Vereinbarung zu berufen, bzw. deren Nichtigkeit anordnet, nichts daran, dass eine entgegenstehende Vereinbarung unzulässig sei. 445 BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet, mit Verweis auf Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des SchuldR BT-Drucks. 14/7052, 199. Dies greift auch Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 51, auf. 446 Vgl. auch Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4.11, Rn. 11/78. 447 Siehe BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet: „Für die Bestimmung des § 475 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Vorschrift eine Marktverhaltensregelung i. S. des § 4 Nr. 11 UWG darstellt. Die Bestimmungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dienen neben der Stärkung des Vertrauens der Verbraucher und der Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus dem Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und der besseren Nutzung der Vorzüge des Binnenmarkts und der neuen Fernkommunikationstechniken (Erwägungsgründe 1 und 3 bis 5). Diesen Zwecken dient § 475 Abs. 1 S. 1 BGB, der Art. 7 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie umsetzt. Die Vorschrift des § 475 Abs. 1 S. 1 BGB hat daher [Hervorhebung durch den Verfasser] eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion. Gleiche Zielsetzungen verfolgt nach dem Erwägungsgrund 4 auch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken.“ 448 Die Frage wirft auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 44, 65 ff., auf. 449 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 13.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

lungen der §§ 307 ff. BGB zu deren Wirksamkeit unter den Rechtsbruchtatbestand fallen sollen, dann liegt es nicht völlig fern, auch z. B. § 437 BGB als Marktverhaltensnorm anzusehen. Schließlich regelt dieser nicht nur (mittelbar als Verweisungsnorm) eine Rechtsfolge, nämlich das Bestehen von Gewährleistungsrechten bei mangelhafter Leistung. Ihm lässt sich mit viel Wohlwollen auch eine mittelbare Marktverhaltensanordnung zuschreiben („Leiste ordentlich!“). Dies ist zugegebenermaßen eine weitreichende Interpretation, die – soweit ersichtlich – von niemandem vertreten wird450. Sie ist allerdings prinzipiell vergleichbar mit der ganz selbstverständlich von weiten Teilen implizit den Rechtsfolgeregelungen in §§ 307 ff. BGB beigemessenen Marktverhaltensanordnung („Verwende keine unwirksamen Klauseln!“). Der Unterschied besteht auch nicht darin, dass die Regelungen der §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 ff. BGB nicht die mangelhafte Leistung an sich verbieten451. Tatsächlich enthalten auch die §§ 307 ff. BGB kein solches Verbot. Genau betrachtet ist bereits der Begriff „Klauselverbote“ an sich unzutreffend, da er ein Verbot nicht weniger mittelbar aufstellt als z. B. § 437 BGB. Dieses Ergebnis steht schließlich auch in Einklang mit der Tatsache, dass der Richtliniengeber bei Erlass der UGP-Richtlinie in Kenntnis der Problematik unwirksamer AGB diese eben nicht dem Lauterkeitsrecht zugeordnet hat. Dementsprechend fehlt die Klauselrichtlinie in der Aufzählung der marktverhaltensregelnden Rechtsakte des Anhang II UGP-Richtlinie452. Richtig ist zwar, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist (Erwägungsgrund 15 S. 3 UGP-Richtlinie)453. Dafür, dass die Richtlinie die AGB-Kontrolle nicht erfassen will, lässt sich jedoch anführen, dass Art. 7 Abs. 4 lit. d UGP-Richtlinie bei Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen lediglich die Erfüllung von Informationspflichten verlangt454. Ähnliches wie zu § 475 Abs. 1 BGB a.F. (bzw. nunmehr § 476 Abs. 1 BGB) lässt sich auch zum verhaltensanordnenden Charakter der §§ 651a Abs. 4 BGB a.F. (bzw. nunmehr § 651f Abs. 1 BGB) und 651k Abs. 4 BGB a.F. (bzw. nunmehr § 651t Nr. 1 BGB) sagen. Zwar lässt sich diesen auch ein Verhaltensverbot entnehmen, in erster Linie regeln sie jedoch die Rechtsfolge, die auf ein missbilligtes Verhalten (fehlende Angaben zur Berechnung des neuen Preises; fehlende Übergabe des Sicherungsscheins bzw. fehlende Kundengeldabsicherung) folgt455. Soweit man auf das vorausgesetzte Verhaltensgebot abstellt, sind Informationszwecke betroffen. Dies zeigt sich gerade mit Blick auf § 651k Abs. 3 S. 1 BGB a.F. (bzw. nunmehr 450

67. 451

Letztlich dann auch nicht Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht,

So aber Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 67. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4, Rn. 11/78. 453 Darauf weist Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 21, hin. 454 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 78a. 455 Siehe bereits oben 2. Kapitel, A., I., 3., b). Der Wortlaut des § 651t Nr. 1 BGB setzt nunmehr die Übergabe des Sicherungsscheins nicht mehr voraus, siehe Palandt-Sprau, BGB, § 651t, Rn. 2. 452

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

241

§ 651r Abs. 4 S. 1 BGB), wonach dem Reisenden ein Sicherungsschein zum Nachweis des Anspruchs gegen den Kundengeldabsicherer zu übergeben ist456. Ebenso wie bei den marktverhaltensregelnden Informationspflichten lässt sich aber auch diese Nachweispflicht besser unmittelbar über das UWG erfassen, ohne den Rechtsbruchtatbestand bemühen zu müssen. Zwar fehlt ein Verweis auf Art. 7 der (ursprünglichen) Pauschalreiserichtlinie, den § 651k BGB a.F. umsetzte, in Anhang II der UGP-Richtlinie, doch ist diese Liste – wie bereits vorgebracht – nicht abschließend. Auch hinsichtlich des Regelungsziels des Lauterkeitsrechts, d. h. hinsichtlich der Gewährleistung einer informierten und rationalen geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers hält sich die bisherige Praxis im Rahmen des Rechtsbruchs nicht an den Maßstab der Richtlinie. Hat die Rechtsprechung eine Norm erst einmal als Marktverhaltensregelung charakterisiert, sieht sie deren Verletzung in aller Regel auch als unlauter an457. Eine Prüfung der Auswirkungen auf die Verbraucherentscheidung findet faktisch nicht statt458. Diese ist allerdings für den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz abseits des § 7 UWG entscheidend. Innerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie enthalten sowohl Art. 5 Abs. 2 lit. b als auch die Art. 6 ff. UGP-Richtlinie jeweils Relevanzkriterien mit Blick auf den Einfluss auf die Verbraucherentscheidung. (2) Kein Bedürfnis für den Rechtsbruchtatbestand beim lauterkeitsrechtlichen Schutz der Verbraucherentscheidung Die Rechtsprechung begründet das Vorliegen einer Marktverhaltensregelung sowie die Unlauterkeit eines Verstoßes gegen die in Rede stehende Regelung oftmals mit einem abstrakten Verweis auf deren verbraucherschützenden Zweck459. Dass sich dieses Vorgehen über die eigentliche Prüfungssystematik des UWG erhebt, dürfte 456 Der zu schließende Vertrag zwischen dem Reiseveranstalter und dem Kundengeldabsicherer ist ein Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB und in seiner Wirksamkeit unabhängig von der Übergabe eines (nur deklaratorischen) Sicherungsscheines, MüKo-Tonner, BGB, § 651k, Rn. 23. 457 Ohly, FS Köhler, 477 (478), spricht von einem abstrakten Verbraucherschutz, der im Gegensatz zu dem konkreten Verbraucherschutz stehe, den das UWG ansonsten bezwecke. 458 Vgl. Ohly, FS Köhler, 477 (481), m.w.N., wonach die konkrete wettbewerbliche Relevanz eines Normverstoßes in der Rechtsprechung allenfalls formelhaft oder abstrakt mit dem verbraucherschützenden Zweck der verletzten Norm begründet wird. Vgl. auch ders., Gutachten im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages e.V., Rn. 37, 43, 50 f., siehe https://www.bihk.de/bihk/downloads/bihk/schutz-unternehmerischer-interessen-im-lauter keitsrecht.pdf, zuletzt abgerufen am 10. März 2019, der auf den typischen Fall einer Entscheidung des OLG Hamm, BeckRS 2012, 23071, hinweist. In dieser Entscheidung stellte das Gericht fest, der Verstoß gegen Energie-Kennzeichnungsvorschriften sei keine Bagatelle, weil die Informationspflicht dem Verbraucherschutz diene und zudem wesentlich sei, da sie auf Europarecht beruhe. Kritisch zur fehlenden Prüfung der Relevanz für die Verbraucherentscheidung im Rahmen des Rechtsbruchtatbestands auch Steinbeck, WRP 2011, 1221 (1223 f.). 459 Siehe oben Fn. 458.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

wohl schlicht mit der großen rechtspolitischen Bedeutung zu erklären sein, die dem Rechtsbruchtatbestand bei der Gewährleistung eines effektiven Verbraucherschutzes eingeräumt wird. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit ein dogmatisch sauberer Weg zu einem abweichenden Verbraucherschutzniveau führen würde. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem lauterkeitsrechtlichen Schutz der Entscheidungsgrundlage und des Entscheidungsprozesses einerseits und dem Schutz übriger Verbraucherinteressen andererseits. Die oben genannten Fälle lassen sich auch ohne Rückgriff auf den Rechtsbruch dadurch lauterkeitsrechtlich erfassen, dass auf das zugrundeliegende Verhalten abgestellt wird. In besonderem Maße gilt dies für die Informationspflichten, die inhaltsgleich über § 5a Abs. 3 und 4 UWG erfasst werden können. Doch auch wer einen Gewährleistungsausschluss verwendet, der tatsächlich unwirksam ist, der täuscht objektiv über die Rechtslage, d. h. konkret über das Nichtbestehen von Ansprüchen460. Der BGH stellt selbst auf diesen Aspekt ab, wenn er erkennt, dass der Verbraucher davon abgehalten werden kann, Ansprüche geltend zu machen461. Damit ist zugleich ein Aspekt angesprochen, der im vollharmonisierenden Geltungsbereich der UGP-Richtlinie essentiell ist. Die potentiellen Auswirkungen auf die Verbraucherentscheidung sind sowohl in Art. 5 Abs. 2 lit. b als auch in den Art. 6 ff. UGPRichtlinie von Bedeutung. Dieses Relevanzkriterium gilt es im Anwendungsbereich der Richtlinie zu beachten462. Grundsätzlich ist es zwar schon bisher denkbar gewesen, auch im Rahmen des Rechtsbruchtatbestandes in richtlinienkonformer Auslegung die Relevanz des Verstoßes etwa gegen eine Informationspflicht zu prüfen463; nach neuem Recht wird in § 3a UWG nun auch explizit ein – allgemein gehaltenes – Relevanzkriterium geregelt. Zum einen enthält die Norm jedoch nach wie vor nicht die maßgeblichen Vorgaben der UGP-Richtlinie und erfüllt daher nicht die unionsrechtlichen Anforderungen an die Klarheit einer nationalen Umsetzung464. Die Kommission hat in der Vergangenheit bereits die erheblich geringeren sprachlichen Abweichungen des § 5a UWG a.F. von Art. 7 UGP-Richtlinie als unzurei-

460

Auch die Rechtsprechung hat unwirksame AGB bereits unter § 5 UWG gefasst, siehe etwa OLG Jena, WRP 2014, 92 (95). Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 22, weist darauf hin, dass die „Einbeziehung unwirksamer AGB als eine Geschäftspraktik während einem Geschäftsabschluss, die unmittelbar mit der Vertragsdurchführung zusammenhängt, […] nach Art. 6 Abs. 1 lit. c UGP-Richtlinie oder Art. 5 Abs. 2 UGPRichtlinie lauterkeitsrechtlich kontrolliert werden“ könne. Alexander, WRP 2016, 139 (142), sieht im Fall der Verwendung unwirksamer AGB einen Fall des § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG. 461 BGH GRUR 2010, 1117 (1118 f.) – Gewährleistungsausschluss im Internet. 462 Vgl. Ohly, FS Köhler, 477 (482, Fn. 38). 463 Alexander, FS Bornkamm, 297 (309); vgl. auch Ohly, FS Köhler, 477 (483); ders./ Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 8a. Für eine richtlinienkonforme Auslegung des Rechtsbruchtatbestands auch v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 254. 464 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 8a; a.A. Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 188 ff.

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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chende Umsetzung beanstandet465. Zum anderen stellt sich die Frage, welche eigenständige Bedeutung dem Rechtsbruch in diesem harmonisierten Bereich zukommt. Wohl deshalb, weil sich der Rechtbruchtatbestand zu einer zentralen Norm des gesamten deutschen Lauterkeitsrechts entwickelt hat466, wird ihm zwar gerade auch bei der Rezeption von Verstößen gegen Informationspflichten weiterhin große Bedeutung eingeräumt. In der Rechtsprechung und der Literatur werden zum Teil § 5a UWG und § 3a UWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG a.F. parallel angewandt und § 5a UWG lediglich als zusätzliche Möglichkeit neben dem Rechtsbruchtatbestand angesehen467. Zum Teil wird sogar nur auf den Rechtsbruchtatbestand abgestellt468 und angenommen, es verbliebe angesichts des weiten Anwendungsbereichs des Rechtsbruchtatbestandes kaum noch ein Anwendungsbereich für § 5a Abs. 1 und 2 UWG469. Gleichwohl stellt sich die Frage, warum man in diesen Fällen an § 3a UWG festhalten sollte. Die UGP-Richtlinie kennt keinen Rechtsbruchtatbestand470. Auch wenn dies nicht unbedingt gegen die lauterkeitsrechtliche Erfassung von Normverstößen spricht471, wurde doch gerade die Verletzung von Informationspflichten zu einem originär lauterkeitsrechtlichen Anliegen. Die Vorgabe des Art. 7 UGP-Richtlinie enthält eigene Relevanzkriterien, in deren Rahmen die Auswirkungen auf die Verbraucherentscheidung zu berücksichtigen sind. Diese Kriterien sind auch in der Umsetzungsnorm des § 5a UWG zu berücksichtigen, über deren Abs. 4 sich sämtliche geschäftsrelevante Informationspflichten mit unionsrechtli-

465 Siehe Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Dreyer, UWG, § 5, A., Rn. 104, der einen – kritisch zu betrachtenden – „erheblichen Auslegungsaufwand“ sieht. 466 Emmerich, JuS 2011, 753 (753). 467 BGH GRUR 2010, 251 (252) – Versandkosten bei Froogle I; BGH GRUR 2010, 248 (250) – Kamerakauf im Internet; BGH GRUR 2011, 82 (83 f.) – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; BGH GRUR 2012, 842 (843) – Neue Personenkraftwagen; vgl. Ohly, FS Köhler, 477 (482). Für eine parallele Anwendbarkeit auch v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 254; Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 163 f.; in diese Richtung auch Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 27 („Darüber hinaus werden Verstöße gegen marktverhaltensregelnde Informationspflichten – wie schon bisher – auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs nach § 4 Nr. 11 UWG zu würdigen sein.“). 468 BGH GRUR 2010, 652 (653) – Costa del Sol; GRUR 2012, 1159 (1159) – Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot; vgl. hierzu Ohly, FS Köhler, 477 (482). 469 So ausdrücklich Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 152, auch 170, wo davon die Rede ist, dass der eigenständige Anwendungsbereich des § 5a Abs. 2 UWG „denkbar gering“ sei. 470 Darauf weisen hin: Alexander, WRP 2012, 515 (520); Fezer, WRP 2010, 577 (582); v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 254; Ohly, Gutachten im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages e.V., Rn. 44, siehe https://www.bihk.de/bihk/downloads/bihk/schutz-unternehmerischer-interessen-im-lauter keitsrecht.pdf, zuletzt abgerufen am 10. März 2019; Hennigs, Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln, 160. 471 Alexander, FS Bornkamm, 297 (307).

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

chem Hintergrund ohne den Umweg des Rechtsbruchtatbestandes erfassen lassen472. Es besteht kein Grund, Fälle, die originär im UWG geregelt sind, stattdessen oder auch nur zusätzlich durch den Import „fremder“ Normen zu erfassen473. Eine andere Frage ist es freilich, ob die Heranziehung des § 3a UWG dort möglich und wünschenswert ist, wo es um Normen geht, die nicht dem vollharmonisierenden Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie unterfallen. Hier ist noch einmal zu unterscheiden. In Betracht kommen dabei zum einen Verhaltensweisen im Verhältnis b2b, zum anderen solche, die sich außerhalb der „kommerzielle[n] Kommunikation“ des Art. 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie bewegen474. Für die vorliegende Untersuchung ist nur die zweite Variante relevant. Im Verhältnis zum Vertragsrecht dürften insofern jedoch nur wenige Fälle denkbar sein, in denen es des Rechtsbruchtatbestandes bedarf. Das Unternehmerverhalten im Zusammenhang mit dem Vertrag dürfte – gerade auch mit Blick auf die obigen Ausführungen zu den Charakteristika des Vertragsrechts – regelmäßig unter die ohnehin sehr weite Definition der kommerziellen Kommunikation in Art. 2 lit. f der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und damit unter die nicht abschließende Liste des Art. 7 Abs. 5 i.V.m. Anhang II UGP-Richtlinie fallen. Gelten dürfte dies etwa auch für die Informationspflichten in Art. 6 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, umgesetzt in § 477 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.475 bzw. nunmehr § 479 Abs. 1 S. 2 BGB, sowie die weiteren bereits genannten (bisher im BGB bzw. dem EGBGB geregelten) Informationspflichten, die auf europäischen Vorgaben basierend die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers schützen476. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen Normen den Verbraucher unabhängig von einer etwaigen geschäftlichen Entscheidung in sonstigen Interessen schützen. Für die Zwecke der Bestimmung des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem und bürgerlich-rechtlichem Verbraucherschutz kommen insofern die Informationspflichten im Rahmen des Behandlungsvertrags477 sowie die – ohnehin nur impliziten 472 Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 173, weist etwa auf die nicht zu leugnende Parallele des § 5a Abs. 4 UWG zum Rechtsbruchtatbestand hin, da auch § 5a Abs. 4 UWG keine eigenen Informationspflichten aufstellt, sondern Verstöße gegen Normen außerhalb des UWG ahndet. Auf die Ähnlichkeit zwischen Art. 7 Abs. 5 UGP-Richtlinie und dem Rechtsbruchtatbestand im Bereich der Informationspflichten weist auch v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 254, hin. 473 Für eine alleinige Anwendung des § 5a UWG im Anwendungsbereich der UGPRichtlinie auch Ohly, FS Köhler, 477 (483); ders./Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 8a; Fezer, WRP 2010, 577 (582); Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3a, Rn. 1.19; ders., WRP 2017, 1 (6); Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Dreyer, UWG, § 5, A., Rn. 104; MüKo-Alexander, UWG, § 5a, Rn. 69. 474 Dazu Köhler, WRP 2012, 638 (646 f.). 475 So auch BGH WRP 2011, 866 (868) – Werbung mit Garantie; restriktiver Köhler, WRP 2012, 638 (647). 476 Siehe oben 3. Kapitel, C., II., 2., c), aa). 477 Siehe hierzu bereits 3. Kapitel, C., II., 2., c), aa).

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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– deliktsrechtlichen Informations- bzw. Warnpflichten beim Inverkehrbringen von Produkten, die Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken in sich bergen, im Rahmen der aus § 823 Abs. 1 BGB herzuleitenden generellen Verkehrssicherungspflicht478 in Betracht. Auch wenn die weitreichende Anwendung des Rechtsbruchtatbestandes systematische Bedenken hervorruft479, zumal wenn es an einem unionsrechtlichen Hintergrund fehlt480, mag die Norm hier aufgrund ihrer Flexibilität einem berechtigten rechtspolitischen Bedürfnis nachkommen481. Damit ist aber zugleich der für die vorliegende Untersuchung relevante Bereich verlassen. Der Rechtsbruch bildet dann lediglich eine weitere Norm neben § 7 UWG, die der Bereichsausnahme des Erwägungsgrunds 7 S. 3 UGP-Richtlinie unterfällt und genau genommen innerhalb des UWG eine formal von der Verbraucherentscheidung gelöste, aus lauterkeitsrechtlicher Sicht eher atypische Stellung einnimmt. 3. Konsequenzen des komplementären Verständnisses a) Unmöglichkeit eines lauterkeitsrechtlichen „Eingriffs“ in die vertragliche Beziehung Die hier vertretene Aufgabenzuweisung an BGB und UWG führt zu dem klaren Ergebnis, dass es trotz eines gemeinsamen Schutzziels nicht zu einem Konflikt zwischen lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz kommen kann482. Insbesondere erlaubt das UWG nicht etwa Dritten einen Eingriff in das Vertragsverhältnis483. Wird ein irreführender oder unsachlicher Einfluss auf den Verbraucher bei dessen Entscheidung untersagt, dann ist damit gerade nicht z. B. die Vertragsdurchsetzung als solche Gegenstand der Missbilligung. Daher liegt eben kein Eingriff in die Privatautonomie oder eine Bevormundung des Verbrauchers vor484. Im Gegenteil dient dieser „Eingriff“ gerade der materiell privatautonomen Entscheidung des Verbrauchers. Es kann mithin niemals um ein lauterkeitsrechtliches Verbot der Vertragsdurchführung an sich (gegen den Willen des Verbrauchers) gehen, sondern stets nur um das Verbot eines von der Durchsetzung als solcher 478

Hierzu MüKo-Schaffert, UWG, § 4 Nr. 11, Rn. 222, 225. Hierzu Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 23 ff. 480 Siehe etwa v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – Ein neuer Tatbestand im UWG, 254. 481 Vgl. Ohly, FS Köhler, 477 (485). 482 Trotz abweichenden theoretischen Ausgangspunkts im Hinblick auf den Schutzzweck der beiden Bereiche entspricht dies im Ergebnis dem Ansatz von Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 86 ff. 483 Vgl. auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 28 ff., der jedoch wiederum die Abgrenzung im Rahmen der Anwendbarkeit vornimmt. 484 A.A. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 145 f., derzufolge bereits die Qualifikation als geschäftliche Handlung einen Konflikt mit dem Vertragsrecht zu begründen vermag. 479

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

rechtlich zu trennenden Elements, oder mit den Worten Tillers485 : um ein Verbot des „Wie“ der Durchsetzung486. Das UWG lässt daher das Vertragsrecht ganz im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UGP-Richtlinie unberührt, obwohl es zeitlich sowohl vor als auch nach Vertragsschluss anwendbar ist. Es bleibt weiterhin ganz dem einzelnen Verbraucher überlassen, über seine „Instrumente“ im Zusammenhang mit dem Vertrag zu entscheiden. Genauso bleibt es aus lauterkeitsrechtlicher Sicht dem Unternehmer überlassen, z. B. schlecht zu leisten487. Aufgabe des Lauterkeitsrechts ist es lediglich, die selbstbestimmte Entscheidung des Verbrauchers über seine Rechte zu gewährleisten, indem es diese frei von irreführendem und unsachlichem Einfluss hält. Lauterkeitsrechtlicher und rechtsgeschäftlicher Verbraucherschutz überschneiden sich nicht, sondern ergänzen sich. Eine Konstellation, in der tatsächlich ein Mitbewerber in ein individuelles Vertragsverhältnis eingreifen kann, ergibt sich allerdings aus folgendem Umstand: Die durch Dritte veranlasste Beseitigung einer lauterkeitsrechtlich unzulässig unterlassenen Informationspflicht ist in der Regel gleichzeitig mit der Beseitigung der im Vertragsrecht entsprechenden Informationspflichtverletzung verbunden488. Dies ist indes schlicht Folge der nicht überzeugenden Verortung der Informationspflichten im BGB. Auch hier verbleibt jedoch die Entscheidung über sein Recht letztlich beim Verbraucher, während die Informationspflichten ihm gegenüber nur von Dritten durchgesetzt werden können489. b) Keine individuellen Verbraucheransprüche im Lauterkeitsrecht Schon vor der Novelle 2008 wurde ausführlich diskutiert, ob es eines individuellen lauterkeitsrechtlichen Verbraucheranspruchs bedarf. Der nun im UWG bezweckte konsequente, unmittelbare Schutz des einzelnen Verbrauchers könnte diesem Gedanken zusätzlichen Vorschub leisten und in die Frage münden, ob ein Anspruch des individuellen Verbrauchers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 UWG nicht doch in Betracht kommt490 oder sogar de lege ferenda ein originär lauter-

485

Siehe dazu oben 3. Kapitel, B., III. Auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 31, weist darauf hin, dass zwischen der reinen Form der Schlecht- oder Nichtleistung und etwaigen begleitenden unzulässigen Einflüssen unterschieden werden muss, wobei letztere selbständig lauterkeitsrechtlich sanktionierbar sind, ohne dass dabei etwa in das Vertragsrecht eingegriffen wird. 487 Vgl. Svigac, NJOZ 2013, 721 (725). 488 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 37, m.w.N. 489 Vgl. auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 37 ff. 490 Die Frage wirft auch schon Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 569, auf. 486

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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keitsrechtlicher Individualbehelf wünschenswert wäre491. Dass ein individueller Anspruch des Verbrauchers im Lauterkeitsrecht durchaus denkbar ist, zeigt der frühere § 13a UWG a.F. Dieser schuf einen individualvertraglichen Rechtsbehelf492 und damit eine direkte Verknüpfung von Lauterkeits- und Vertragsrecht493. Festzuhalten ist dabei zunächst, dass die Richtlinie einen solchen Anspruch – jedenfalls bis dato494 – nicht verlangt. So verpflichtet Art. 11 Abs. 1 Uabs. 2 der UGP-Richtlinie die Mitgliedstaaten zum Erlass von Vorschriften, die es Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse an der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken haben, einschließlich Mitbewerbern, gestatten, gerichtlich gegen diese Praktiken vorzugehen. Explizit werden nur die Mitbewerber genannt, während die Bestimmung der Personen und Organisationen im Übrigen gerade den Mitgliedstaaten überlassen wird. Wie sich Erwägungsgrund 9 der UGP-Richtlinie entnehmen lässt, will die Richtlinie zwar individuelle Ansprüche von Verbrauchern, die sich auf Delikts- oder Vertragsrecht stützen, nicht grundsätzlich verwehren. Einen lauterkeitsrechtlichen Individualschutz trägt sie den Mitgliedstaaten jedoch nicht auf495. Entscheidend ist daher, ob ein solcher Anspruch mit Blick auf den Gesamtzusammenhang und insbesondere das Zusammenwirken von UWG und BGB sinnvoll wäre. Das ist im Ergebnis zu verneinen. Ein individueller lauterkeitsrechtlicher Verbraucherschutz wäre ebenso unsystematisch wie ineffektiv: Im Vorfeld der Reform 2004 wurde bereits ein allgemeines Vertragsauflösungsrecht diskutiert. Die Gesetzesbegründung indes stellte dann u. a. fest, dass Fallkonstellationen, in denen der Verbraucher gegen sein schutzwürdiges Interesse an der Erfüllung eines unlauter zustande gekommenen Vertrags festgehalten würde, nicht erkennbar seien. Darüber hinaus betonte sie den engen Zusammenhang zwischen den Regelungen zur irreführenden Werbung, dem Gewährleistungsrecht und den weiteren verbraucherschützenden Bestimmungen des BGB, mit dessen Regelungskonzept ein lauterkeitsrechtliches Vertragsauflösungsrecht nicht zu vereinbaren sei496. Dies entspricht zum einen der hier vertretenen Ansicht zur Funktion des UWG. Denn genau der enge Zusammenhang zwischen Lauterkeits- und Vertragsrecht hatte 491 Siehe Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 273 f., derzufolge es heute nicht mehr gerechtfertigt sei, dem durch unlauteren Wettbewerb beeinträchtigten Verbraucher entgegen dem Schutzzweck des UWG Schadensersatzansprüche aus dem UWG vorzuenthalten. 492 Siehe hierzu ausführlich Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien; auch Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 62 ff. 493 Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 63. 494 Siehe zum sog. „New Deal for Consumers“ bereits oben 3. Kapitel, A., II., 2., b), cc). 495 Schmidt, JZ 2007, 78 (83); Köhler, GRUR 2005, 793 (801); auch Alexander, GRUR Int. 2005, 809 (813); vgl. auch Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 101. 496 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 14 f.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

zu der Erkenntnis geführt, dass die beiden Bereiche in einer Art und Weise ineinandergreifen, die den rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz durch das BGB in der Rolle eines „Lieferanten“ des entsprechenden „Werkzeugs“ sieht497. Individuelle Rechtsbehelfe sind dem Verbraucher zwar nicht im UWG, so aber doch im BGB gegeben. Nicht nur ist eine Lücke im Instrumentarium des BGB nicht ersichtlich498, wie auch die überschaubare rechtspraktische Bedeutung des § 13a UWG a.F.499 und dessen folgerichtig nur relativ kurze Halbwertszeit zeigt. Vor allem wäre ein weiterer individueller Behelf im UWG systematisch falsch verortet. Zum anderen würde ein lauterkeitsrechtlicher Individualanspruch nicht effektiv dem Wissens- bzw. Freiheitsdefizit begegnen, vor welchem das UWG den bisherigen Ausführungen entsprechend schützen soll. Der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz soll den Verbraucher in Situationen schützen, in denen er sich aus faktischen Gründen nicht selbst schützen und seine Entscheidung nicht selbstbestimmt treffen kann. Insofern muss der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz – gerade soweit es um die Beseitigung lauterkeitswidriger Umstände oder deren erstmalige Verhinderung geht – trotz Schutzes der einzelnen Entscheidung in der praktischen Umsetzung ein kollektiver durch Dritte bleiben: Allein Verbraucherverbände und Mitbewerber sind in der Lage, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher seine Entscheidung informiert und unbeeinflusst treffen kann. Erst durch ein Unterlassen von irreführenden Handlungen oder unsachlichem Einfluss oder durch die Beseitigung eines bestehenden Defizits bei der Entscheidungsfindung wird der Verbraucher in die Lage versetzt, von seinen Rechten selbstbestimmt Gebrauch zu machen. Der Verbraucher kann sich oftmals eben nicht ausreichend dadurch wehren, dass er seine Rechte einfach gerichtlich geltend macht500. Besonders deutlich tritt dies etwa in Fällen zutage, in denen dem Verbraucher von vorneherein – entgegen der tatsächlichen Rechtslage – erklärt wird, es liege kein Widerrufsrecht vor oder aber wenn schlicht die Pflicht zur Widerrufsbelehrung nicht erfüllt wird. Faktisch wird selbst ein durchschnittlich informierter Verbraucher derartige Aussagen oftmals „für bare Münze nehmen“. Zudem ist einem juristischen Laien nicht zwangsläufig bekannt, dass er z. B. bei jedem Fernabsatzvertrag automatisch ein Widerrufsrecht hat. Wenn aber der Verbraucher davon ausgeht, kein Recht zu haben, bzw. über ein solches erst gar nicht nachdenkt, dann kann denknotwendig nur ein außenstehender Dritter die Informationsbeschaffung bzw. Täuschungsunterlassung erwirken. Der Verbraucher selbst benötigt die entsprechenden Informationen bereits in dem Moment nicht mehr, 497

Siehe oben 3. Kapitel, C., II., 1. und 2. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 1, Rn. 39, m.w.N.; hierzu auch ders., GRUR 2003, 265 (267 ff.); Ohly/Sosnitza, UWG, Einf D, Rn. 68, m.w.N.; Engels/Salomon, WRP 2004, 32 (33); Lettl, GRUR 2004, 449 (460); a.A. Fezer, WRP 2003, 127 (129 ff.); Augenhofer, WRP 2006, 169 (175 f.). 499 Vgl. Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 14; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 65, spricht vom „Status eines Mauerblümchendaseins“, über das die Vorschrift in der Praxis nicht hinausgekommen sei. 500 Anders Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 149 f. 498

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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in dem er sich seiner Rechte bewusst ist. Nachträgliche Möglichkeiten gewährt ihm dagegen bereits das BGB ausreichend. Vor diesem Hintergrund sind schließlich auch der sog. „New Deal for Consumers“ und die in diesem Zusammenhang angesprochenen individuellen Ansprüche des Verbrauchers zu bewerten. Nach Art. 1 des Richtlinienvorschlags in COM(2018) 185 final soll ein künftiger Art. 11a UGP-Richtlinie die Mitgliedstaaten gemäß Abs. 1 verpflichten, sicherzustellen, „dass vertragliche und außervertragliche Rechtsbehelfe auch Verbrauchern zur Verfügung stehen, die durch […] unlautere[n] Geschäftspraktiken geschädigt wurden“. Nach Abs. 2 müssten demnach vertragliche Rechtsbehelfe „mindestens beinhalten, dass der Verbraucher den Vertrag einseitig kündigen kann“. Außervertragliche Rechtsbehelfe müssten „mindestens beinhalten, dass der Verbraucher für den ihm entstandenen Schaden entschädigt werden kann“. Im Anschluss an die obigen Erwägungen ist zum einen festzuhalten, dass „zusätzliche“501 individuelle lauterkeitsrechtliche Rechtsbehelfe des Verbrauchers weder nötig sind noch zielführend wären. Zum anderen zwingt auch der genannte Art. 11a UGP-Richtlinie in der Form des Richtlinienvorschlags der Kommission nicht zur Einführung weiterer Individualrechtsbehelfe im deutschen Recht. So besteht bereits de lege lata die Möglichkeit, dass sich an einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht vertragliche Rechte und insbesondere auch Vertragslösungsrechte des Verbrauchers anschließen502. Auch außervertragliche, d. h. vertragsähnliche (culpa in contrahendo) und deliktische Ansprüche können schon de lege lata an lauterkeitswidriges Verhalten anknüpfen503. c) Gerichtlicher Prüfungsumfang Bei der Prüfung bürgerlich-rechtlicher Ansprüche als Folge lauterkeitswidrigen Verhaltens ergeben sich insofern keine weiteren Probleme, als der jeweilige Rechtsbehelf lediglich unter den im BGB selbst normierten Voraussetzungen entstehen kann. Der lauterkeitswidrige Sachverhalt bietet gewissermaßen nur den noch weiter zu konkretisierenden Anlass für eine Rechtsfolge bzw. einen Rechtsbehelf. Die umgekehrte Konstellation, in der bürgerlich-rechtliche Behelfe als Gegenstand der geschäftlichen Entscheidung den Bezugspunkt für die lauterkeitsrechtliche Prüfung bilden, wirft dagegen zivilprozessuale Fragestellungen auf. Wenn – wie nach neuem Recht anzunehmen ist – auch Verhalten innerhalb der konkreten Vertragsbeziehung am Maßstab des UWG zu messen ist und die Einflussnahme auf die einzelne Entscheidung des Verbrauchers über ein vertragliches 501 So aber explizit der Bericht über den Richtlinienvorschlag vom 25. Januar 2019, A8 – 0029/2019, 34. 502 Siehe hierzu ausführlich 3. Kapitel, C., II., 2., a). 503 Vgl. auch Augenhofer, EuZW 2019, 5 (8), die jedoch die Einführung eines individuellen Rechtsbehelfs des Verbrauchers bei Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht befürwortet und lediglich die Unbestimmtheit des vorgeschlagenen Art. 11a bemängelt.

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Recht bewertet wird, dann kann ein und dieselbe Rechtsfrage Gegenstand der Beurteilung sowohl eines zivilgerichtlichen als auch eines lauterkeitsrechtlichen Verfahrens sein504. Im lauterkeitsrechtlichen Verfahren ist dann z. B. das Bestehen eines Gewährleistungsrechts zwingend als Vorfrage zu klären, um beurteilen zu können, ob eine Irreführung über dessen Bestehen vorliegt505. Die daraus u. U. resultierende doppelte Befassung verschiedener Gerichte mit derselben Rechtsfrage wirft in verschiedener Hinsicht Probleme auf506. Sie könnte zunächst einmal dem Grundsatz der Prozessökonomie zuwiderlaufen507. Darüber hinaus könnte sie zu einer Verschiebung der gerichtlichen Zuständigkeiten und einer Überforderung der Wettbewerbsgerichte führen. So hat die im lauterkeitsrechtlichen Verfahren gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG zuständige Kammer für Handelssachen u. U. komplexe Rechtsfragen zu entscheiden, über die üblicherweise sachlich und/oder funktionell ein anderes Gericht, nämlich das Amtsgericht oder eine allgemeine Zivilkammer am Landgericht, entscheiden würde508. Schließlich besteht in materiell-rechtlicher Hinsicht die Gefahr, dass es in den verschiedenen Verfahren zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt. Eine Bindungswirkung des zuerst entscheidenden Gerichts besteht angesichts der Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände einerseits und der jeweils verschiedenen Parteien und der inter partes-Wirkung des § 325 Abs. 1 ZPO andererseits nicht509. Tatsächlich lassen sich die dargestellten Probleme mit dem vorhandenen zivilprozessualen Instrumentarium nicht vollständig lösen. So kann etwa eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO zumeist keine Abhilfe schaffen. Zum einen kommt eine Aussetzung dann nicht in Frage, wenn lauterkeitsrechtlicher und zivilgerichtlicher Prozess nicht zugleich anhängig sind510. Zum anderen findet § 148 ZPO in den gerade bei lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten praktisch so bedeutenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der besonderen Eilbedürftigkeit keine Anwendung511.

504

Darauf weist schon Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, 34 f., hin. Vgl. Köhler, WRP 2009, 898 (905, 907); Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 128 f. 506 Siehe dazu Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 173 ff.; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 128 ff. 507 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 89, 128 f. 508 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 173 f.; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 130 ff. 509 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174 f.; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 136 ff. 510 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 89, 129, 137. 511 Siehe Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 137 f.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 12, Rn. 3.28; Musielak/Voit-Stadler, ZPO, § 148, Rn. 2. 505

C. Komplementäres Verständnis der Bereiche

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Mit Hilfe der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO512 ließe sich zwar eine Übereinstimmung hinsichtlich des Streitgegenstandes herstellen, gleichwohl bliebe es bei der Verschiedenheit der an den Verfahren beteiligten Parteien. Eine Bindungswirkung würde damit immer noch an der fehlenden subjektiven Rechtskraftwirkung scheitern. Nicht in Frage kommt schließlich eine Bindung über die Interventionswirkung des § 68 ZPO513. Nicht ausreichend für ein „rechtliches Interesse“ am Obsiegen der unterstützten Hauptpartei gemäß § 66 Abs. 1 ZPO ist ein bloß tatsächliches Interesse514. Ein eben solches dürfte hier aber allein in Betracht kommen. Die Rechtskraft des einen Urteils erstreckt sich gerade nicht auf den anderen Prozess. Insofern könnte der Nebenintervenient im Folgeprozess allenfalls insofern profitieren, als sich das zeitlich später entscheidende Gericht an der früheren Entscheidung faktisch orientieren könnte515. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht eine rein faktische Präzedenzwirkung aber nicht aus516. Den Streit verkünden kann gemäß § 72 Abs. 1 ZPO nur die Partei, „die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch […] gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt“. Damit kommt lediglich der unlauter handelnde Unternehmer und Vertragspartner des Verbrauchers als Streitverkünder in Frage, weil nur dieser Partei sowohl im Vor- als auch im Folgeprozess sein kann517. Der Unternehmer hat jedoch bei Unterliegen in dem einen Verfahren keinen Anspruch gegen den Streitverkündeten in dem anderen Verfahren. Auch hat er keinen Anspruch zu besorgen. Die Bedeutung der Streitverkündung liegt darin, durch die Bindung des Richters im Folge- (Regress-)Prozess an die Ergebnisse des Erstprozesses dem Streitverkünder das Risiko eines doppelten Prozessverlustes abzunehmen. Dies betrifft Fälle, in denen der Streitverkünder wegen der materiell-rechtlichen Abhängigkeit der im Erst- und Folgeprozess geltend gemachten bzw. geltend zu machenden Ansprüche jedenfalls in einem Prozess obsiegen muss518. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis besteht indes zwischen dem lauterkeitsrechtlichen und dem bürgerlich-rechtlichen Anspruch nicht519. 512

Diese spricht Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174 f., an. Siehe Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174 f.; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 139 f. 514 MüKo-Schultes, ZPO, § 66, Rn. 8; Musielak/Voit-Weth, ZPO, § 66, Rn. 6, jeweils m.w.N. 515 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 174 f., insbesondere Fn. 833; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 139 f. 516 Vgl. Musielak/Voit-Weth, ZPO, § 66, Rn. 7, mit Verweis auf BGH NJW 2016, 1018 (1019), und BGH NJW-RR 2011, 907 (908). 517 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 175, insbesondere Fn. 834; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 140 f. 518 Zöller-Vollkommer, § 72, Rn. 1, m.w.N. 519 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 175, insbesondere Fn. 834; Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 140 f. 513

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3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

Mit Tiller ist schließlich festzuhalten, dass der Mangel an verfahrensrechtlicher Abstimmung – mag man diesen auch für unbefriedigend erachten520 – nicht das materiell-rechtliche Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht in Frage stellen kann521. Zudem relativieren sich die Einwände insofern, als sie dem Grunde nach nicht völlig neu sind. Zivilrechtliche Fragestellungen wurden auch schon bisher in lauterkeitsrechtlichen Verfahren geprüft (§ 4 Nr. 11 UWG a.F., nunmehr § 3a UWG), ebenso wie umgekehrt die Zivilgerichte „fremde“ Normen geprüft haben (§§ 134, 823 Abs. 2 BGB)522. Gerade auch in den Entscheidungen Ausschank unter Eichstrich I und Ausschank unter Eichstrich II hat der BGH geprüft, ob eine Vertragsverletzung vorliegt523. Dagegen kann auch nicht überzeugend eingewandt werden, diese Fälle unterschieden sich von der nunmehr erforderlichen Prüfung von Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich der Komplexität und Reichweite der rechtlichen Prüfung524. Zum einen ist auch im Rahmen des Rechtsbruchtatbestandes der jeweils rezipierte Tatbestand vollständig in all seinen Voraussetzungen zu prüfen525. Selbst wenn aber nun die Prüfungstiefe im neuen Recht zunehmen sollte, kann ein solcher rein quantitativer Unterschied zum anderen keine prinzipielle Bedeutung haben. Die tiefgreifende Prüfung von Tatbeständen außerhalb des UWG ändert nichts daran, dass es sich um eine lauterkeitsrechtliche Streitigkeit handelt526. Dass nun auch verstärkt vertragsrechtliche Fragen – als Zwischenschritt – mitzubewerten sind, ist notwendig dem Umstand geschuldet, dass das UWG im Sinne eines komplementären Verständnisses enger mit dem BGB verknüpft ist. Schließlich kommt es auch nicht zu einer „Sanktionenkonkurrenz“527. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man – wie im Rahmen dieser Studie vorgeschlagen – § 3a UWG nicht auf Regelungen des BGB anwendet, die bei Lichte betrachtet gerade selbst eine Rechtsfolgeregelung darstellen. Angesichts der unterschiedlichen Aufgabenverteilung der beiden Bereiche beim Verbraucherschutz überlagern sich die jeweiligen Sanktionen nicht, sondern ergänzen sich.

520

So Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 138. Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 175 f. 522 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 175 f.; auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 130. 523 Vgl. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 130, die außerdem auf die Entscheidung Änderung der Voreinstellung II verweist. 524 So aber Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 131 f. 525 BGH GRUR 2008, 530 (531) – Nachlass bei der Selbstbeteiligung; Ohly/Sosnitza, UWG, § 3a, Rn. 27; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3a, 1.84. 526 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 132, hat insofern offenbar Bedenken. 527 Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 132 f., mit Verweis auf Köhler, GRUR 2004, 381 (387). 521

D. Zusammenfassung

253

D. Zusammenfassung Größtenteils durch europäische Vorgaben veranlasst fand nach einer anfänglich zersplitterten Umsetzung insbesondere mit der Schuldrechtsreform eine Reihe verbraucherschützender Vorschriften Eingang in das BGB und insbesondere in das Vertragsrecht. Spiegelbildlich wurde mit der UGP-Richtlinie eine Vorgabe umgesetzt, die zu einem konsequenten Verbraucherschutz im UWG führt. Eine kategorische Trennung von lauterkeits- und vertragsrechtlichen Regelungen, wie es der deutschen Systematik entspricht, lässt sich den europäischen Vorgaben nicht entnehmen. Vielmehr ist der europäische Verbraucherschutz in erster Linie ein binnenmarktfunktionaler, der die Ausgestaltung einer ökonomischen Rolle am Markt betrifft und dabei die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs und die Regelung des vertraglichen Verhältnisses auch innerhalb der jeweiligen Richtlinien eng miteinander verknüpft. Dabei sieht er gerade die Bereitstellung von Informationen und die Schaffung von Transparenz als typisches Instrument an, um die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs zu gewährleisten. In engem Zusammenhang damit gewähren Widerrufsrechte zwar ein vertragliches Recht, doch knüpft dieses unmittelbar an die Beurteilung einer bestimmten Geschäftspraxis des Unternehmers und damit an die Beurteilung von Marktverhalten an. Ganz besonders deutlich wird die Verknüpfung bei der Zusendung unbestellter Waren, wo das Sekundärrecht das Verbot der Verhaltensweise und deren Rechtsfolge in direktem Zusammenhang regelt. Auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verknüpft unlauteres Marktverhalten mit einer vertraglichen Rechtsfolge. Dem europäischen Sekundärrecht lässt sich damit allenfalls entnehmen, dass die Lauterkeit des unternehmerischen Verhaltens im Geschäftsverkehr eng mit der vertraglichen Regelung rechtlicher Instrumente des Verbrauchers verknüpft ist. Auf Basis der Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss im Rahmen der individuellen Vertragsbeziehung gab es einige Versuche, das Verhältnis von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz zu bestimmen. Dieser Problematik gehen dagegen diejenigen aus dem Weg, die bereits im Rahmen der Anwendbarkeit ganz der alten Rechtslage entsprechend eine marktbezogene Außenwirkung fordern. Unvereinbar mit der neuen Rechtslage wird damit im Ergebnis individuelles Verhalten nach Vertragsschluss wiederum ausgeklammert. Auf der Grundlage einer weitgehenden Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss liefern Leistner und Tiller zwei verschiedene Ansätze, sich dem Verhältnis von BGB und UWG ganz grundsätzlich zu nähern. Ersterer sieht Lauterkeits- und Vertragsrecht im Hinblick auf den Schutz des Vertragsmechanismus als funktional äquivalent an und will die Anwendbarkeit des UWG – im Sinne einer Konkurrenzlösung – von deren ordnungspolitischer Notwendigkeit abhängig machen. Dagegen geht zweiterer von einer völligen Unterschiedlichkeit der Schutzzwecke und damit von einer tatbestandlichen Abgrenzung aus. Das Lauterkeitsrecht schütze die Entscheidungsfreiheit, das Gewährleistungsrecht dagegen schütze das Erfüllungsinteresse des Käufers. Ein weiterer Ansatz betont ähnlich wie Tiller die entscheidende Bedeutung

254

3. Kap.: Neuausrichtung des Verbraucherschutzes in UWG und BGB

der Einflussnahme auf die Entscheidung des Verbrauchers im Lauterkeitsrecht und unterscheidet den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz aufgrund seiner kollektiven präventiven Schutzwirkung vom vertragsrechtlichen Schutz. Vor diesem Hintergrund wurden zunächst die generellen Möglichkeiten dargestellt, wie Verbraucherschutz konzeptionell verwirklicht werden kann. Die jeweiligen (sozialen oder liberalen) Modelle unterscheiden sich insbesondere in der Frage, ob es eines marktkorrigierenden Eingriffs bedarf oder ob der grundsätzlich souveräne Verbraucher marktkomplementär in der Ausübung seiner Rolle am Markt unterstützt werden soll. Die anschließende Untersuchung des verbraucherschutzrechtlichen Instrumentariums in BGB und UWG hat einerseits gezeigt, dass das Ziel einer selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers den lauterkeitsrechtlichen und den rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz im Ausgangspunkt eint. Sowohl UWG als auch BGB dienen damit weitgehend einer marktkomplementären Materialisierung der Privatautonomie, indem sie gewährleisten, dass der Verbraucher tatsächlich (statt nur formal) selbstbestimmt entscheidet und die Leistung auch dieser Entscheidung entspricht. Andererseits unterscheiden sich BGB und UWG in der Art und Weise, wie sie die selbstbestimmte Entscheidung des Verbrauchers sichern. Das BGB setzt vor Vertragsschluss eine selbstbestimmte Entscheidung voraus und stellt nach Vertragsschluss Instrumente zur Verfügung, diese entweder durchzusetzen oder sie tatsächlich in einem zweiten Versuch erstmals zu treffen. Der lauterkeitsrechtliche Schutz bezieht sich auf eben diese Entscheidungsmöglichkeiten, die das BGB voraussetzt bzw. zur Verfügung stellt. Er verhält sich damit in seiner Zielrichtung zur Privatautonomie übereinstimmend mit den rechtsgeschäftlichen Instrumenten. Im Hinblick auf die einzelne Verbraucherentscheidung sichert damit das UWG die selbstbestimmte Entscheidung jeweils konstitutiv in ihrer Entstehung, während das BGB kompensatorisch eingreift, wenn die Entscheidung im ersten Versuch typischerweise oder tatsächlich nicht selbstbestimmt war. Bildlich formuliert kommt dem rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz die Rolle als „Lieferant“ der Rechtsfolgen und v. a. -behelfe zu. Dagegen gewährleistet der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz konstitutiv den Prozess der selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers. Die beschriebene Aufgabenverteilung führt dazu, dass die beiden Bereiche in zweierlei Hinsicht aneinanderknüpfen, mithin in einem Komplementärverhältnis stehen. Zum einen können vertragsrechtliche Rechtsbehelfe bzw. -folgen aus dem Verstoß gegen Lauterkeitsrecht folgen. Dabei ist zu beachten, dass das BGB insofern stets selbst die Voraussetzungen regelt, allein der UWG-Verstoß also noch keine Rechtsfolge im BGB nach sich zieht. Ungleich wichtiger für die vorliegende Untersuchung ist zum anderen, dass vertragliche Rechte und Pflichten als Bezugspunkt des Lauterkeitsrechts in Frage kommen. Unlautere Einflussnahme ist auch nach Vertragsschluss im Hinblick auf die dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe aus dem BGB möglich. Die unterschiedliche Rollenverteilung legt zudem nahe, dass die „Dopplung“ inhaltsgleicher Informationspflichten in den beiden Gesetzen, wie sie infolge Umsetzung der UGP-Richtlinie nun besteht, da-

D. Zusammenfassung

255

hingehend aufzulösen ist, dass Informationspflichten in das Lauterkeitsrecht gehören. Sie sind ein Paradebeispiel für den konstitutiven Schutz der Verbraucherentscheidung. Ferner ist eine Rückwirkung der Existenz von Widerrufsrechten auf die lauterkeitsrechtliche Wertung der zugrundeliegenden Geschäftspraxis abzulehnen. Schließlich ist die bisherige Rezeption verbraucherschützender BGB-Normen im Rahmen des Rechtsbruchtatbestandes dogmatisch nicht überzeugend. Stattdessen können und sollten die entsprechenden Fälle über die übrigen lauterkeitsrechtlichen Tatbestände gelöst werden. Zumindest im rechtsgeschäftlich verbraucherschützenden Bereich besteht auch kein Bedürfnis, § 3a UWG heranzuziehen. Eine entscheidende Konsequenz des hier vertretenen Komplementärverständnisses von UWG und BGB ist es, dass es zu einem lauterkeitsrechtlichen „Eingriff“ Dritter in die vertragliche Beziehung nicht kommen kann. Der Verbraucher selbst trifft die im Zusammenhang mit dem Vertrag möglichen Entscheidungen. Dritte sorgen lediglich mit Hilfe des Lauterkeitsrechts dafür, dass diese Entscheidungen frei von unlauterem Einfluss erfolgen. Ein lauterkeitsrechtliches Verbot bezieht sich dementsprechend niemals auf die Vertragsdurchführung als solche, sondern auf deren „Wie“. Zumindest insofern ist auch denjenigen zuzustimmen, die auf den kollektiven Charakter des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes hinweisen. Denn rein tatsächlich können regelmäßig nur außenstehende Dritte die Initiative ergreifen, eine Irreführung oder unsachliche Beeinflussung des Verbrauchers zu beseitigen. Aus diesem Umstand sowie der beschriebenen Rollenverteilung von UWG und BGB folgt zugleich, dass individuelle lauterkeitsrechtliche Ansprüche des Verbrauchers nicht nur unsystematisch, sondern auch unnötig wären. Abschließend wurde auf verfahrensrechtliche Zuständigkeitsüberschneidungen und Abstimmungsprobleme hingewiesen, die das komplementäre Verständnis und die damit einhergehende weitreichende Prüfung vertragsrechtlicher Fragen im lauterkeitsrechtlichen Verfahren mit sich bringt. Diese können jedoch zum einen die materiellrechtliche Bewertung nicht in Frage stellen. Zum anderen bringen sie im Vergleich zur bisherigen Praxis allenfalls eine quantitative, nicht aber eine prinzipielle Änderung mit sich.

4. Kapitel

Die Anwendung des komplementären lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes auf problematische Fallgruppen Wie das dritte Kapitel gezeigt hat, besteht die Rolle des Lauterkeitsrechts vor wie nach Vertragsschluss darin, auch die einzelne Entscheidung des Verbrauchers über den Vertrag oder die Ausübung eines Rechts im Zusammenhang mit dem Vertrag zu schützen. Vor diesem Hintergrund bedarf es für die abschließende Bewertung der Kenntnis, um welche Entscheidung es im konkreten Fall geht. Daran anknüpfend lassen sich Fallgruppen bilden (A.). Weil eine Eingrenzung des UWG nach den Erkenntnissen im zweiten Kapitel auf Anwendbarkeitsebene kaum noch möglich ist, stellt sich sodann die Frage, ob im Rahmen der Unlauterkeit oder nachgelagerter Prüfungsebenen eine einschränkende Auslegung des UWG vorzunehmen ist, um einer „Ausuferung“ entgegenzuwirken (B.). Schließlich sind die zu Anfang der Untersuchung dargestellten Fallkonstellationen nachvertraglichen Verhaltens nach neuem Recht zu würdigen (C.).

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss – nachvertragliches Verhalten und nachvertragliche Auswirkungen Für die abschließende Bewertung der Fälle ist klar zu benennen, welches Verhalten den Anknüpfungspunkt bildet und woraus sich die Unlauterkeit dieses Verhaltens ergeben soll. Es wird sich zeigen, dass die zeitliche Einordnung des jeweiligen Falls von der klaren Unterscheidung zwischen Verhalten und Wirkung abhängt, die Rechtsprechung allerdings diese Unterscheidung bisher oftmals nicht eindeutig getroffen hat. Gerade weil der Anwendungsbereich des UWG nun viel weiter reicht, bieten die jeweiligen Fälle verschiedene mögliche Verhaltensweisen, an die für die lauterkeitsrechtliche Bewertung angeknüpft werden könnte. Von deren Wahl hängt letztlich ab, ob es sich tatsächlich um eine Fallkonstellation handelt, in der Verhalten nach Vertragsschluss bewertet wird. Sodann muss die Verhaltensweise in Bezug gesetzt werden zu der Verbraucherentscheidung, auf die Einfluss genommen wird. Vor diesem Hintergrund lassen sich Fallgruppen bilden.

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss

257

I. Klageantrag, Verletzungshandlung und Verletzungsform In der Unterscheidung zwischen Verhaltensweise und Wirkung spiegelt sich die Frage wider, was genau den Gegenstand der rechtlichen Bewertung bildet einerseits und was den Verstoß gegen das UWG begründet andererseits. Ausgangspunkt für die lauterkeitsrechtliche Bewertung ist stets der Antrag. So regelt § 308 Abs. 1 ZPO als Ausdruck der Parteifreiheit und Parteiverantwortung1 in S. 1, dass das Gericht nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Der Kläger bzw. Antragsteller bestimmt daher im Rahmen seines Antrags gemäß § 253 Abs. 2 ZPO2, was genau Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung wird3. Neben der erforderlichen Bestimmtheit in prozessualer Hinsicht muss der Antrag in materiell-rechtlicher Hinsicht dem Konkretisierungsgebot Rechnung tragen, d. h. sich im Bereich der konkreten Verletzungshandlung halten4. Diese konkrete Verletzungshandlung ist letztlich Gegenstand des Unterlassungsanspruchs5. Im Ausgangspunkt bildet zunächst jede zu beurteilende geschäftliche Handlung einen tatsächlichen Lebensvorgang ab, der sich aus einer Mehrzahl an Verhaltenselementen zusammensetzt6. Das UWG verbietet aber nicht allein die geschäftliche Handlung als solche, sondern die Handlung in Verbindung mit den ihr innewohnenden unlauteren Elementen7. Die lauterkeitsrechtlich neutralen Bestandteile des Lebensvorgangs sind daher von denjenigen zu unterscheiden, die einen Verstoß gegen das UWG begründen. Zur letztlich verbotenen konkreten Verletzungshandlung wird der Lebensvorgang nur durch denjenigen Bestandteil, der einen Verstoß gegen das UWG begründet. Man bezeichnet diesen Bestandteil als konkrete Verletzungsform8. Dabei kann eine konkrete Verletzungshandlung durchaus mehrere konkrete Verletzungsformen enthalten9. Um dem Konkretisierungsgebot Rechnung zu tragen, muss der Antrag damit

1

Musielak/Voit, ZPO, § 308, Rn. 1. Vgl. die Einführung bei v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 901 (902). 3 Vgl. MüKo-Musielak, ZPO, § 308, Rn. 5. 4 Ohly/Sosnitza, UWG, § 12, Rn. 69. 5 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 12, Rn. 2.43. 6 Vgl. Nirk/Kurtze, GRUR 1980, 645 (646). 7 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 144. 8 Nirk/Kurtze, GRUR 1980, 645 (647); Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 12, Rn. 2.43. 9 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 12, Rn. 2.43; Nirk/Kurtze, GRUR 1980, 645 (647), veranschaulichen dies am Beispiel des Verteilens von Prospekten mit der Angabe „In dieser Stadt warten zehn Häuser auf Ihren Besuch“. Diese Angabe kann zum einen wettbewerbswidrig, weil irreführend sein, wenn das werbende Unternehmen zwar Geschäftsräume in zehn Gebäuden betreibt, diese vom Verkehr aber wegen ihres baulichen Zusammenhangs nur als drei Häuser angesehen werden. Ist die inhaltliche Angabe des Prospekts aber richtig, so kann Lauterkeitswidrigkeit unter Umständen auch durch die Verteilung des Prospekts an sich begründet sein, etwa wenn die Prospekte ständig vor dem Geschäft eines Mitbewerbers verteilt werden. 2

258

4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

nicht nur die angegriffene Handlung beschreiben, sondern ebenso die konkrete Verletzungsform, die die Handlung erst zur konkreten Verletzungshandlung macht10. Mit Hilfe der Differenzierung zwischen Verletzungshandlung und Verletzungsform lässt sich nachfolgend aufzeigen, dass die bisherige Kategorisierung einiger Fallkonstellationen, wie sie im ersten Kapitel dargestellt wurden, nicht überzeugend ist. Richtigerweise ist klar zu unterscheiden: Gegenstand der lauterkeitsrechtlichen Bewertung ist zunächst ein Verhalten. Davon ging die herrschende Meinung aus, wenn sie zur zeitlichen Reichweite des UWG festhielt, dass Handlungen nach Vertragsschluss keine Wettbewerbshandlung mehr darstellten11. Besonders deutlich wird dies etwa in der Entscheidung des BGH Aussteuer-Sortimente12. Obwohl sich der Klageantrag explizit gegen Behauptungen nach Vertragssschluss richtete, bewertete das Gericht letztlich Behauptungen im Rahmen der Vertragsverhandlungen. Das Gericht machte damit deutlich, dass die Handlung nach altem Verständnis unbedingt vor Vertragsschluss liegen musste, auch wenn es offensichtlich jedenfalls um die Einflussnahme auf ein und dieselbe nachvertragliche Entscheidung ging, nämlich diejenige über die Ausübung eines Widerrufsrechts. Anknüpfungspunkt jeder lauterkeitsrechtlichen Beurteilung ist mithin die geschäftliche Handlung, d. h. eine bestimmte Verhaltensweise. Entscheidend für das lauterkeitsrechtliche Urteil ist aber die konkrete Verletzungsform, für die es maßgeblich auf die Einflussnahme auf die Verbraucherentscheidung, mithin auf die Wirkung der Verhaltensweise ankommt.

II. Alternative Anknüpfungspunkte aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs Am Beispiel der Entscheidungen Ausschank unter Eichstrich des BGH lässt sich veranschaulichen, wie wichtig es ist, sauber zwischen Verletzungshandlung und Verletzungsform zu unterschieden, gerade wenn es um die Frage der Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss geht. Zudem lässt sich anhand der dort beschriebenen Fallkonstellation aufzeigen, wie viele verschiedene Ansatzpunkte für eine lauterkeitsrechtliche Bewertung angesichts der neuen Rechtslage potentiell bestehen, löst man sich vom Antrag als dem eigentlichen Ausgangspunkt. In den Entscheidungen ging es jeweils um den Fall, dass eine bestimmte Menge Bier beworben, tatsächlich jedoch weniger ausgeschenkt wurde. Zudem wurde der Verbraucher dazu aufgefordert, nicht genügend gefüllte Krüge nachschenken zu lassen. In beiden Fällen ging der Antrag dahin, es zu unterlassen, mit einer bestimmten Menge Bier zu einem bestimmten Preis zu werben, sofern nicht tatsächlich 10 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 12, Rn. 2.43; vgl. dazu auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 143. 11 Statt vieler Scherer, WRP 2009, 761 (761). 12 Siehe dazu bereits oben Tiller, 1. Kapitel, D., II., 2.

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss

259

für den angegebenen Preis die angegebene Menge ausgeschenkt wird13. Es liegt mithin nahe, dass nicht etwa die Schlechtleistung, sondern die Werbung mit einer bestimmten Menge Bier Gegenstand der Bewertung war und damit ein vorvertragliches Verhalten bewertet wurde. Dementsprechend hatte das Berufungsgericht auch noch jeweils die Angabe auf ihre irreführende Wirkung hin geprüft14. Dagegen kreisen die Ausführungen des BGH sehr ausführlich um die Minderleistung als solche. So wird insbesondere im Leitsatz zur Entscheidung Ausschank unter Eichstrich I klargestellt, dass die Schlecht- oder Nichterfüllung vertraglicher Pflichten ohne wettbewerbliche Zielrichtung keine Ansprüche nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts gewähre15. Darüber hinaus stellt der BGH in den Entscheidungsgründen fest, die Ankündigung „0,5 l Münchner Hell DM 1,80“ sei als solche nicht zu beanstanden16. Eine vertragswidrige Minder- oder Schlechterfüllung sei nicht ohne Weiteres wettbewerbswidrig. Das UWG greife erst ein, wenn der Gastwirt von vornherein nicht gewillt sei, auch tatsächlich die angekündigte Menge Bier auszuschenken, sondern im Sinne eines planmäßigen und bewussten Vorgehens die Nichteinhaltung der Ankündigung durch Minderausschank zum Mittel des Wettbewerbs mache17. Während das Gericht ein solch planmäßiges Vorgehen im Falle eines nur zweimaligen Minderausschanks im Abstand von mehreren Wochen noch nicht angenommen hatte18, sah es einen bewussten und planmäßigen Minderausschank bei 20 bis 30 Fällen mit deutlich oder erheblich weniger Bier gegeben19. Einzugestehen ist, dass der BGH den Bezugspunkt der Ankündigung nicht aus den Augen verloren hat20. Gleichwohl sind die Ausführungen im Hinblick auf die Frage, 13 Im Fall BGH GRUR 1983, 451 (451) – Ausschank unter Eichstrich I, hatte der Kläger, ein eingetragener Verein, beantragt, dem beklagten Gastwirtsehepaar unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Letztverbrauchern mit der Ankündigung zu werben: „0,5 l Münchner Hell DM 1,80“, sofern nicht tatsächlich für den angegebenen Preis 0,5 l Münchner Hell ausgeschenkt werden. Bei BGH GRUR 1987, 180 (180) – Ausschank unter Eichstrich II, hatte der klagende Verbraucherschutzverband beantragt, die Beklagte, die in München eine Gaststätte betrieb, zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Maß Bier zum Preis von 5,– DM anzubieten, sofern nicht tatsächlich eine volle Maß für den angegebenen Preis ausgeschenkt wird. 14 Siehe BGH GRUR 1983, 451 (451) – Ausschank unter Eichstrich I; BGH GRUR 1987, 180 (180) – Ausschank unter Eichstrich II. 15 BGH GRUR 1983, 451 (451) – Ausschank unter Eichstrich I. 16 BGH GRUR 1983, 451 (451) – Ausschank unter Eichstrich I. 17 Vgl. BGH GRUR 1983, 451 (451 f.) – Ausschank unter Eichstrich I; BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II. 18 BGH GRUR 1983, 451 (451 f.) – Ausschank unter Eichstrich I. 19 Hier wird auch angeführt, dass der Biergarten zum fraglichen Zeitpunkt nicht sehr stark besucht gewesen sei, so dass keine das Ausschenken beeinträchtigende Ausnahmesituation gegeben gewesen sei. Zudem seien Reklamationen unberücksichtigt geblieben, BGH GRUR 1987, 180 (180 f.) – Ausschank unter Eichstrich II. 20 Vgl. BGH GRUR 1983, 451 (451 f.) – Ausschank unter Eichstrich I („Aber auch im Hinblick auf die Feststellung der Vorinstanzen, […] kann die angegriffene Ankündigung [Hervorhebung durch den Verfasser] aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen nicht untersagt werden.“); BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II („In diesem Falle hätte

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

was bewertet wird, zumindest missverständlich21. Abels wies gar im Anschluss an die Entscheidung Ausschank unter Eichstrich I deutlich darauf hin, dass es hier um „nichts als die nicht vollständige Erfüllung eines Kaufvertrages über 0,5 l Bier“ gehe. Um eine etwaige Irreführung durch das Angebot gehe es dagegen nicht. Über die Pflichten im Synallagma verhalte sich das UWG aber nicht, eine Leistungsstörung als solche sei ohne jede wettbewerbsrechtliche Relevanz22. Die vorgenommene Gesamtbetrachtung verwischt eine exakte zeitliche Einordnung23, indem sie nicht klar trennt zwischen Verletzungshandlung und Verletzungsform. Tatsächlich ist aber zu differenzieren: Es geht in den Ausschank unter Eichstrich-Fällen um die (vorvertragliche) Verletzungshandlung der Werbung mit einer bestimmten Menge Bier. Diese wird potentiell dadurch zur konkreten Verletzungshandlung, dass sie sich als unwahr und damit irreführend herausstellt, weil – wie der Antrag als konkrete Verletzungsform beschreibt – „nicht tatsächlich für den angegebenen Preis 0,5 l Münchner Hell ausgeschenkt werden“. Die vertragliche Mindererfüllung dient demnach lediglich als Bestätigung der Irreführung durch die antragsgemäß bewertete Werbung24. Das neue UWG erfasst in seinem Anwendungsbereich nunmehr weitgehend Verhaltensweisen nach Vertragsschluss, die mit der Durchführung des Vertrags objektiv zusammenhängen. Der objektive Zusammenhang ist dabei nach hier vertretener Auffassung sehr weitreichend in dem Sinne zu verstehen, dass ein geschäftliches Handeln im Kontext der Vertragsabwicklung ausreicht25. Löst man sich in den genannten Entscheidungen Ausschank unter Eichstrich I und II vom Klageantrag, dann eröffnet der den Entscheidungen zugrundeliegende Lebenssachverhalt eine Reihe weiterer Ansatzpunkte, die tatsächlich nach Vertragsschluss liegen. Neben der Aufforderung, nachschenken zu lassen, bzw. der anschließenden Verweigerung des Nachschanks26, könnte insbesondere auch der Umstand, dass der Wirt zu wenig ausschenkt, d. h. die Minderleistung an sich, nicht lediglich die konkrete Verletzungsform ausmachen, sondern selbst als Verletzungshandlung in Frage sie mit der Ankündigung der Abgabe von einem Liter Bier für 5,– DM [Hervorhebung durch den Verfasser] in der Tat die Kundentäuschung zum Mittel des Wettbewerbs gemacht und damit insoweit zu Zwecken des Wettbewerbs […] gehandelt.“). 21 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 128. 22 Abels, Anm. zu BGH GRUR 1983, 451 (452 f.) – Ausschank unter Eichstrich I. 23 Siehe bereits 1. Kapitel, C., II., 3. 24 Vgl. auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 123 f.; auch Mees, FS Brandner, 473 (475), betont den Unterschied zwischen dem Erbringen einer vertragswidrigen Leistung und der vorliegenden Antragstellung. Auf die Vermischung von Einzelakten vor Vertragsschluss und den davon streng zu trennenden Einzelakten nach Vertragsschluss im Rahmen der Konstruktion eines planmäßigen Gesamtverhaltens weist Bauer, Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs, 38 f., hin. 25 Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 4. 26 Darin sieht Köhler, WRP 2009, 898 (905), für den Fall Ausschank unter Eichstrich II den Schwerpunkt.

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss

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kommen27. Dann wäre freilich im nächsten Schritt im Rahmen der Unlauterkeit zu prüfen, inwieweit diese Vertragspflichtverletzung Einfluss auf eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nehmen kann.

III. Faktisch und rechtlich nachvertragliches Verhalten Wie der vorgenannte Fall gezeigt hat, hängt es von einer sauberen Trennung zwischen dem beurteilten Verhalten und dessen unlauteren Elementen ab, ob eine bestimmte Konstellation tatsächlich die Frage der Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss betrifft. Nach neuem Recht kommt es indes auf die exakte zeitliche Einordnung gar nicht an. Vielmehr fällt jede einzelne Verhaltensweise, unabhängig davon, wann sie erfolgt, in den Anwendungsbereich des UWG, solange sie nur einen – dem Wortsinn entsprechend – objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen aufweist. Spezifischer wird die Prüfung erst auf der Ebene der Unlauterkeit. Hier geht es um die letztlich entscheidende Frage, welche geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers potentiell beeinflusst wird. Erst mit Blick auf eben diese Entscheidung lässt sich eine Einordnung als vor- oder nachvertragliches Verhalten sowie die Zuordnung zu einer der Varianten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG („Förderung des Absatzes oder Bezugs“, „Abschluss“ oder „Durchführung eines Vertrags“) vornehmen. Dabei kann durchaus eine auf den ersten Blick nachvertragliche Verhaltensweise bei näherer Betrachtung in einem anderen Licht erscheinen. Auf der Grundlage des Zusammenspiels zwischen dem beurteilten Verhalten und dessen Wirkung auf den Verbraucher lassen sich die folgenden Fallgruppen bilden. 1. Vorvertragliches Verhalten mit vorvertraglicher Wirkung Die Fälle Ausschank unter Eichstrich I und II betrafen antragsgemäß einen eher traditionellen lauterkeitsrechtlichen Fall vorvertraglicher Absatzförderung. Ähnliches gilt für den Fall Ziegelvorhangfassade. Hier richtete sich der Antrag gegen das Angebot einer Ziegelvorhangfassade, wenn diese nicht bestimmten Kriterien entspricht. Schon dem Leitsatz zufolge beschäftigte sich das Gericht mit einem wett27

Svigac, NJOZ 2013, 721 (721), verweist auf eine Entscheidung des LG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 4. 2012, 12 O 154/12, in dem dieses per einstweiliger Verfügung verboten hat, „im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken von Verpackungsmaterial, insbesondere Verpackungschips zum Kauf nach Volumen anzubieten und diese Volumenangabe bei der tatsächlichen Auslieferung zu unterschreiten“. Er folgert daraus, dem Unternehmer werde dadurch die Schlechtleistung untersagt. Dieser Schluss ist indes nicht zwingend. In erster Linie geht es auch hier um das Angebot als Verletzungshandlung, das eben durch die spätere Schlechtleistung zur konkreten Verletzungshandlung werden kann. Allein die nur etwas stärker an der Schlechtleistung orientierte Formulierung zwingt nicht, hier auf diese als Verletzungshandlung abzustellen.

262

4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

bewerbswidrigen und irreführenden Handeln beim Angebot von nicht standfesten Ziegelvorhangfassaden28. Konkret hat es der BGH als entscheidenden Aspekt für die rechtliche Bewertung angesehen, dass die Beklagte Vorhangfassaden anbietet, obwohl sie weiß oder zumindest wissen musste, dass diese nicht standsicher sind29. Die bewertete Handlung lag hier rein faktisch vor Vertragsschluss. Ein (unlauterer) Einfluss kommt dabei insbesondere mit Blick auf die Entscheidung über den Vertragsschluss insofern in Betracht, als der Verbraucher bei Kenntnis der tatsächlichen Eigenschaften der Fassaden einen Vertrag eventuell erst gar nicht geschlossen hätte. Es handelt sich also auch bei rechtlicher, d. h. auf den Bezugspunkt der geschäftlichen Entscheidung gerichteter Betrachtung um vorvertragliches Verhalten, mithin um die klassische Förderung des Absatzes, wie sie gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. noch das Ziel der Wettbewerbshandlung sein musste. Eine weitere, bisher – soweit ersichtlich – nicht höchstrichterlich entschiedene Fallkonstellation, die in die vorliegende Fallgruppe gehört, stellt der verspätete Widerruf eines bereits abgegebenen, aber noch nicht angenommenen Vertragsangebots gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB dar30. So mag der Unternehmer zu dem Entschluss kommen, dass der zunächst gewollte Vertrag doch nicht vorteilhaft für ihn ist bzw. dass er anderweitig einen vorteilhafteren Vertrag schließen könnte. Der dann verspätet erklärte Widerruf eines Angebots und eine damit unter Umständen erklärte Rechtzeitigkeit könnte Einfluss auf die Verbraucherentscheidung zum Abschluss des Vertrags durch Annahme des nach wie vor gültigen Angebots haben. In den Kategorien des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ließe sich dieses Verhalten sehr mittelbar in den Zusammenhang eines künftigen, „besseren“ Absatzes stellen. Unmittelbar stellt es sich aber gerade als das Gegenteil von Absatzförderung dar, schließlich wird der Vertragsschluss gerade verhindert31. Insofern erlangt in dieser Fallkonstellation der Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eigenständige Bedeutung32. Schließlich lässt sich der Fall in die Fallgruppe vorvertraglichen Verhaltens mit vorvertraglicher Wirkung einordnen, dass der Unternehmer eine Forderung beim Verbraucher geltend macht, die tatsächlich nicht besteht. Dies kann in der Art geschehen, dass der Unternehmer Rechnungen für vermeintlich geschlossene Verträge versendet. Dies war – abseits der gegen die nachfolgende Durchsetzung der anfechtbaren Verträge gerichteten Anträge – etwa in den Fällen Folgeverträge ein potentieller Anknüpfungspunkt. Ein solches Vorgehen hat potentiell Einfluss auf die Entscheidung des Verbrauchers zur Zahlung und dem damit konkludent verbundenen 28 Hierzu auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 119, mit Verweis auf Alexander, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 179 f. 29 BGH GRUR 1994, 641 (642) – Ziegelvorhangfassade. 30 Siehe Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 100; Köhler, WRP 2009, 898 (901). 31 Köhler, WRP 2009, 898 (901). 32 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 100; Köhler, WRP 2009, 898 (901).

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss

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Abschluss eines Vertrages. Um das Eingehen eines anfechtbaren Vertrages geht es auch, wenn der Unternehmer eine tatsächlich nicht existente Forderung unter Anwendung von Gewalt oder Drohung eintreibt. Dies könnte der Konstellation im Fall Besuch durch Inkasso-Team entsprechen, soweit die hier in Rede stehenden pornografischen Filme in Wirklichkeit nie heruntergeladen wurden. 2. Vorvertragliches Verhalten mit nachvertraglicher Wirkung Der Fall einer „verzögerten Wirkung“ findet sich in einigen der dargestellten Entscheidungen. Verwendet der Unternehmer vor oder bei einem Vertragsschluss einen unwirksamen Gewährleistungsausschluss oder unterlässt er eine Widerrufsbelehrung bzw. behauptet er, ein entsprechendes Recht bestünde nicht, so dürfte sich ein solcher Ausschluss bzw. eine solche Behauptung regelmäßig nicht schon auf die Kaufentscheidung auswirken. Zum einen dürften beispielsweise AGB ganz allgemein in den wenigsten Fällen kaufrelevant sein, zum anderen wirkt sich ein solcher Ausschluss hinsichtlich der Kaufentscheidung jedenfalls nicht positiv für den Unternehmer aus. Entscheidender Bezugspunkt beim (vermeintlichen) Ausschluss von Verbraucherrechten ist daher die Entscheidung über ein (nachvertragliches) Gewährleistungsrecht bzw. über ein Widerrufsrecht. In der Entscheidung Gewährleistungsausschluss im Internet richtete sich der Antrag gegen das Angebot, welches einen unzulässigen Gewährleistungsausschluss enthielt. Das Gericht stellte dabei auch auf die Eignung der Klausel ab, den Verbraucher an einer informationsgeleiteten Entscheidung über die Geltendmachung seiner Gewährleistungsansprüche zu hindern33. Im Fall Aussteuer-Sortimente richtete sich der Antrag an sich gegen nach Vertragsschluss aufgestellte Behauptungen, ein Widerrufsrecht bestehe nicht. Davon abweichend haben indes sowohl Berufungsgericht als auch BGH entsprechende Äußerungen im Verlauf von Vertragsverhandlungen und deren Auswirkungen auf die sachgemäße Entscheidung des Kunden über das (tatsächlich bestehende) Widerrufsrecht bewertet34. Für die Entscheidung Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf ist bereits mit Blick auf die Anträge zu unterscheiden. Die Klägerin richtete sich gegen den Abschluss eines Vertrages ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung (1) sowie gegen die nach Vertragsschluss erfolgten Behauptungen, ein Widerruf sei verfristet (2) bzw. mit Blick auf die Art des Geschäfts nicht möglich (3)35. Für die vorliegende Fallgruppe relevant ist lediglich der Klageantrag zu 1. Diesen beurteilte der BGH mit Blick auf die Wirkung auf die Ausübung des Widerrufsrechts36. Es geht jeweils um die Wirkung vorvertraglichen Verhaltens auf eine nach Vertragsschluss zu treffende Entscheidung. In den Kategorien des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 33 34 35 36

BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet. BGH GRUR 1977, 498 (499 f.) – Aussteuer-Sortimente. BGH GRUR 1986, 816 (817) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. BGH GRUR 1986, 816 (818) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

stehen diese Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrags. 3. Nachvertragliches Verhalten mit vorvertraglicher Wirkung Selbst faktisch nachvertragliches Verhalten kann bei rechtlicher Betrachtung mit Blick auf die relevante Verbraucherentscheidung seinen Schwerpunkt vor Vertragsschluss haben. Wie der Umgang mit vermeintlich nachvertraglichem Handeln in der früheren Rechtsprechung37 zeigt, lässt sich wohl ein Großteil der Verhaltensweisen nach Vertragsschluss auch in einen Bezug zur Förderung künftigen Absatzes setzen38. Entscheidend ist letztlich, welchen Vertrag die beeinflusste Entscheidung betrifft. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zunächst die Entscheidungen Kontostandsauskunft bzw. Irreführender Kontoauszug. Der Kläger wandte sich hier mit seinem Antrag gegen die Praxis, Kunden gegenüber Kontostände mitzuteilen, die auf Grund von Buchungsvorgängen ohne Berücksichtigung von Wertstellungen berechnet worden sind39 bzw. bei der Mitteilung des Kontostands nicht darauf hinzuweisen, dass auch Beträge mit späterer Wertstellung enthalten sein können40. Verletzungshandlung ist damit die nachvertragliche Mitteilung der Kontosalden. Zur konkreten Verletzungshandlung könnte diese Vertragspflichtverletzung durch eine beim Verbraucher bewirkte Irreführung werden. Wie auch der BGH annimmt41, ist Bezugspunkt der Irreführung die Entscheidung des Verbrauchers, Geld abzuheben und damit unbewusst sein Konto zu überziehen. Diese Entscheidung betrifft indes nicht mehr den ursprünglichen, sondern einen neuen Vertrag. Ein solcher Überziehungskredit ist gleichbedeutend mit dem Abschluss eines eigenen Darlehensvertrages42. Im Anwendungsbereich der Sonderregeln für Verbraucher in §§ 504, 505 BGB gilt dies zumindest dann, wenn es sich um eine geduldete Überziehung im Sinne des § 505 BGB handelt. Der eigentliche Darlehensvertrag kommt in diesem Fall erst zustande, wenn der Darlehensnehmer nach Abschluss des Vertrages sein Konto über den Habenstand oder über einen eingeräumten Darlehensrahmen hinaus 37

Siehe dazu 1. Kapitel, C., II. Sosnitza, WRP 2008, 1014 (1017), zufolge hindere nichts daran, dem Vertragsschluss nachfolgende Handlungen als auf potentielle zukünftige Verträge bezogen anzusehen im Sinne eines „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Albrecht, Die Aktivlegitimation der Verbraucher nach Wettbewerbsverstößen, 49, betont, dass sich auch während und nach Vertragsschluss die Weichen für künftige Entwicklungen stellen ließen, weil es zu jedem Zeitpunkt einen künftigen Absatz auf dem Markt gebe. 39 BGH GRUR 2002, 1093 (1093) – Kontostandsauskunft. 40 BGH GRUR 2007, 805 (806) – Irreführender Kontoauszug. 41 BGH GRUR 2002, 1093 (1093 f.) – Kontostandsauskunft; BGH GRUR 2007, 805 (806) – Irreführender Kontoauszug. 42 Palandt-Weidenkaff, BGB, Vorb v § 488 Rn. 26; Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 136. 38

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss

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überzieht, damit dem Darlehensgeber ein Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages macht, und der Darlehensgeber dieses durch Duldung konkludent annimmt43. In diesem Sinne stellte auch der BGH auf die Veranlassung von Kunden ab, „durch ungewollte Kontoüberziehungen Kreditleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, die sie bei zutreffender Kontostandsangabe nicht in Anspruch genommen hätten“44. Noch deutlicher wird der Zusammenhang mit einem weiteren Vertrag in der Entscheidung Beitragsrechnung. Diese betraf den Fall, dass ein Versicherungsunternehmen seinen Kunden ein Angebot zur Erhöhung der Deckungssumme der Privathaftpflichtversicherung unterbreitete. Versicherungsnehmern, die sich zu diesem Erhöhungsangebot nicht geäußert hatten, übersandte die Beklagte dann Beitragsrechnungen, in denen die Prämie entsprechend dem Erhöhungsangebot ausgewiesen war. Der Klageantrag bezog sich auf die Übersendung von „Beitragsrechnungen“ nebst einem Blanko-Überweisungsformular45. Das Berufungsgericht lehnte zwar letztlich ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs ab, sah aber eine Irreführung dahingehend, dass dem Kunden verschwiegen werde, dass mit der Zahlung des als fällig geforderten Betrages die Zustimmung zur Erhöhung der Deckungssumme verbunden ist. Indessen stellte der BGH auf die Eignung der Beitragsrechnung ab, den Kunden davon abzuhalten, nach Einholung anderer Angebote unter Kündigung des Versicherungsvertrages zu einem anderen Versicherer zu wechseln46. Tatsächlich ist der vom Berufungsgericht gewählte Ansatz sehr viel naheliegender. Die Bezahlung auf die als Rechnung getarnten Schreiben hin war nichts anderes als die Zustimmung zum Angebot, Prämie und Deckungssumme zu erhöhen. Als relevante Verbraucherentscheidung kommt demnach in erster Linie diejenige zum Abschluss eines „neuen“ Vertrags entsprechend den Bedingungen des Erhöhungsangebots in Betracht. Vergleichbar beurteilte der BGH in der Entscheidung Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen die Versendung eines Rundschreibens an Versicherungsnehmer, das die Ersetzung von für unwirksam erklärten Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Kapitallebensversicherungsverträgen zum Gegenstand hatte. Auch hier stellte der BGH auf den Erhalt von Verträgen und Kunden ab47. Dagegen liegt es dem Klägervortrag entsprechend zumindest dann nahe, auf den neuen, inhaltlich geänderten Vertrag abzustellen, wenn für die vermeintliche „Gestaltung von bestehenden Vertragsverhältnissen“48 eine Zustimmung der Kunden erforderlich gewesen ist49. 43

Palandt-Weidenkaff, BGB, § 505, Rn. 3; MüKo-Schürnbrand, BGB, § 505, Rn. 8. BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft; ähnlich BGH GRUR 2007, 805 (806) – Irreführender Kontoauszug. 45 BGH GRUR 1992, 450 (451) – Beitragsrechnung. 46 BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. 47 BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen. 48 So der BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen. 49 Das Gericht weist darauf hin, dass die Frage umstritten ist, ob § 172 Abs. 2 VVG a.F. eine (einseitige) Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen bei sämtlichen Versiche44

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

In all den vorgenannten Fällen ist es damit zwar ein nachvertragliches Verhalten, das bewertet wird. Die Entscheidung, auf die das Verhalten maßgeblich einwirkt, betrifft jedoch einen neuen Vertrag. Für die ersten beiden Fälle Kontostandsauskunft und Irreführender Kontoauszug lässt sich diese Entscheidung über einen neuen Vertrag in den Zusammenhang mit der Absatzförderung stellen, auch wenn diese in einem weitgehend konkretisierten Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher erfolgt. Auch im Fall Beitragsrechnung ging es um einen „besseren“ Vertrag und damit um Absatzförderung. Lediglich im Fall Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen ging es allenfalls mittelbar um Absatzförderung. In erster Linie wurden lediglich für unwirksam erklärte Versicherungsbedingungen – notgedrungen – ersetzt. Nach neuem Recht lassen sich solche Fälle passender in den Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrags oder dessen Durchführung stellen, freilich ohne dass es für die rechtliche Wertung entscheidend darauf ankäme. Maßgeblich ist die Einflussnahme auf die Kundenentscheidung über die Akzeptanz der Bedingungen. Bei einer stark verrechtlichten Betrachtung enthalten auch die bereits genannten Fälle Aussteuer-Sortimente und Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf Anknüpfungspunkte nachvertraglichen Verhaltens, das sich aber streng dogmatisch auf eine vorvertragliche Entscheidung auswirkt. Wie bereits ausgeführt50, war hier – antragsgemäß – an sich ausschließlich51 oder doch zumindest auch52 über das nach Vertragsschluss auf ein Kundenbegehren hin erfolgte Bestreiten eines Widerrufsrechts zu entscheiden. Statt eines Widerrufsrechts verneinte das beklagte Unternehmen im Fall Kundenreklamation auf eine eben solche hin per Schreiben das Bestehen eines Rücktrittsrechts53. In diese Reihe gehört auch der Fall, dass sich der Unternehmer auf einen unwirksamen Gewährleistungsausschluss beruft54. Auf den ersten Blick scheint es stets die Entscheidung des Verbrauchers über sein Vertragslösungsrecht zu sein, die hier unter Umständen unlauter beeinflusst wurde55. Demnach würden die Fälle eher in die Fallgruppe nachvertraglichen Verhaltens mit nachvertraglicher Wirkung gehören. Genau genommen unterscheiden sie sich jedoch von der rein vorsorglichen (vorvertraglichen) Behauptung, ein Vertragslösungsrecht rungsverträgen ermöglicht, BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen. 50 Siehe oben 4. Kapitel, A., III., 2. 51 So BGH GRUR 1977, 498 (499) – Aussteuer-Sortimente. 52 So BGH GRUR 1986, 816 (817) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. 53 OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (83) – Kundenreklamation. 54 Anders als in den beiden Entscheidungen Aussteuer-Sortimente und Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf war eine solche tatsächlich nachvertragliche Verhaltensweise in BGH GRUR 2010, 1117 ff. – Gewährleistungsausschluss im Internet, nicht Teil des Klageantrags. Gleichwohl ist das Berufen auf eine unwirksame Klausel durch den Unternehmer bei einer umfassenden Betrachtung, die nicht am Antrag stehen bleibt, denkbar und naheliegend. 55 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 152 ff., zufolge war schon nach bisherigem Recht nicht überzeugend zu begründen, warum dieselbe Behauptung nach Vertragsschluss anders zu beurteilen sei als diejenige vor Vertragsschluss. Vgl. dazu oben 1. Kapitel, D., II., 2.

A. Die Entscheidung nach Vertragsschluss

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bestünde nicht, mit Blick auf die betroffene Verbraucherentscheidung. Die verneinende Reaktion auf die Geltendmachung eines Vertragslösungsrecht hin erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher, der den Widerruf bzw. die Anfechtung oder den Rücktritt erklärt, seine Entscheidung über die Ausübung dieses (Gestaltungs-)Rechts bereits getroffen hat56. Obwohl es nach wie vor um das gleiche Verhaltenselement wie bei der Behauptung „aus eigenem Antrieb“ geht, wechselt der Bezugspunkt der geschäftlichen Entscheidung. Die rechtlich falsche Behauptung, ein Lösungsrecht bestehe nicht, kann den Verbraucher allenfalls in den noch ausstehenden Entscheidungen beeinflussen. In Frage kommt einerseits die Geltendmachung von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen in dem Fall, dass der Verbraucher die ex tunc wirkende Anfechtung erklärt hat57. Insbesondere kommt jedoch eine Einflussnahme dahingehend in Betracht, dass sich der Verbraucher durch die weitere Abwicklung (Zahlung und Annahme des Produkts) des ex tunc oder ex nunc beseitigten Vertrages konkludent auf einen neuen Vertrag einlässt58. Dann steht die nachvertragliche Behauptung, ein Recht bestehe nicht, mit dem Abschluss eines neuen Vertrages und damit der Absatzförderung in Zusammenhang, wenn auch im ökonomisch individualisierten Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher. Die Behauptung entfaltet daher bei rechtlicher Betrachtung vorvertragliche Wirkung. 4. Nachvertragliches Verhalten mit nachvertraglicher Wirkung In einem Großteil der Fälle werden Verbraucherrechte nach Vertragsschluss wohl erst auf einen Vorstoß des Vertragspartners hin in Abrede gestellt. Auf Grundlage der zuvor beschriebenen Unterscheidung zwischen Behauptungen aus freien Stücken und solchen, die auf die Geltendmachung von Rechten durch den Verbraucher folgen, dürften daher viele Fälle streng genommen eine vorvertragliche Wirkung mit sich bringen. Gleichwohl kommen auch nach Vertragsschluss Verhaltensweisen in Frage, von denen objektiv eine Wirkung auf die nachvertragliche Entscheidung über die Zahlung bzw. – als Kehrseite – die (Nicht-)Ausübung z. B. von Gewährleistungsrechten ausgeht. In diesen Fällen besteht damit ein Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrags. Hierher gehören die Fallkonstellationen, in denen eine vorangegangene Täuschung bei der Vertragsdurchführung fortbesteht. In den Folgeverträge-Entscheidungen etwa ging es darum, dass zunächst ein Formular als vermeintliche Rechnung zugesandt wurde. Auf deren Bezahlung hin wurde dann ein Betrag für eine weitere vertragliche Leistung eingefordert, die sich aus dem ursprünglichen Formular bei Zahlung ergab. Als Anknüpfungspunkt käme grundsätzlich auch die ursprüngliche 56

Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 120. Vgl. hierzu Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 77, 101, 119 f. 58 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 120. 57

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

Zusendung des „Bestellschein-Anzeigenauftrags“ und deren Wirkung auf den Abschluss des Vertrages in Frage. Dies wäre dann – wie beschrieben – der ersten Fallgruppe zuzuordnen. Der Kläger hat indes gerade den Versuch der Vertragsdurchsetzung ohne Aufklärung des Verbrauchers über die vorangegangene Täuschung beanstandet. Der Klageantrag war dementsprechend darauf gerichtet, es der Beklagten zu untersagen, „im Rahmen von Geschäftsbeziehungen, die durch Übersendung der Bestellscheine/Anzeigenaufträge und daraufhin erfolgte Zahlung durch die Adressaten zustande gekommen sind59, Anzeigenkosten für Folgeauflagen einzufordern, anzumahnen und/oder durch Nachnahme einziehen zu lassen, ohne gleichzeitig und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Anzeigenkosten für Folgeauflagen dann nicht geschuldet werden und gezahlt werden müssen, wenn der Adressat die erste Zahlung in der durch das ihm übersandte Formular erweckten irrigen Vorstellung geleistet hat, es handele sich bei diesem Formular um eine Rechnung für eine bereits erfolgte Bestellung“60. Als Verletzungshandlung bewertet wurde daher die nachvertragliche Einforderung61. Wie schon aus dem Antrag folgt, sah die Klägerseite die konkrete Verletzungsform in der fehlenden Aufklärung über das fehlerhafte Zustandekommen des Vertrages. Eine relevante Einflussnahme kommt mithin hinsichtlich der Entscheidung des Kunden über die Zahlung einerseits, vor allem aber über die (Nicht-)Anfechtung des Vertrages andererseits in Betracht. Denn wenn der Empfänger die Überweisung des Rechnungsbetrages in dem irrigen Glauben vornimmt, dadurch eine bestehende Schuld zu tilgen, während er die Schuld in Wahrheit damit erst begründet, dann unterliegt er einem relevanten Rechtsirrtum, der zur Anfechtung berechtigt62. Die Anfechtung sprach auch der BGH explizit an und stellte auf die Eignung ab, den Bestand der geschlossenen Verträge und das Abwandern der Kunden zu verhindern63. Für den Unwertcharakter sei entscheidend, dass der Fortbestand der Verträge darauf beruhe, dass der Unternehmer die verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des Vertrags durch konkludentes Verhalten aufrechterhält64.

59 Zur Wirksamkeit der abgegebenen (konkludenten) Willenserklärung Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 254 ff. 60 BGH GRUR 1994, 126 (126) – Folgeverträge I; auch in der Entscheidung BGH GRUR 1995, 358 (359) – Folgeverträge II, geht der Klageantrag dahin, es zu unterlassen, die Forderungen anzumahnen und/oder sonst beizutreiben zu versuchen. 61 Siehe auch bereits die Leitsätze in BGH GRUR 1994, 126 (126) – Folgeverträge I („handelt auch bei der späteren Durchsetzung der zustande gekommenen Verträge wettbewerbswidrig“; „Das Verbot der […] Durchsetzung“) sowie den zweiten Leitsatz in BGH GRUR 1995, 358 (359) – Folgeverträge II („Zum Verbot der Durchsetzung“). 62 Mit der Zahlung verbinden sich mehr Rechtsfolgen, als dies dem Erklärenden bei Abgabe bewusst und von ihm gewollt war. Zudem greift in einem solchen Fall, wenn die Täuschung vorsätzlich erfolgt ist, neben § 119 Abs. 1 BGB auch § 123 Abs. 1 BGB ein, siehe Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 256. 63 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I. 64 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I.

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Auch im Fall Gewinn-Zertifikat könnte theoretisch an die Zusendung der als „Gewinn-Zertifikat“ gekennzeichneten Schreiben angeknüpft werden. Gleichwohl war antragsgemäß ausdrücklich über die Abwicklung der im Zuge eines UWGVerstoßes zustandegekommenen Verträge zu entscheiden65. Die Klageanträge im Fall Monatlicher Ratenzuschlag wandten sich sowohl gegen die Gestaltung der Bestellkarte als auch – für die vorliegende Fallgruppe maßgeblich – gegen einen (irreführenden) Hinweis auf einen Ratenzuschlag ohne Angabe des effektiven Jahreszinses in der Rechnung66. Zweitgenannter Antrag betrifft mit der Rechnungszusendung eine Verhaltensweise nach Vertragsschluss. Der vermeintlich besonders günstige Jahreszins, wie er sich aus der Rechnung ergibt, kann sich auf die Entscheidung des Verbrauchers über eine mögliche Lösung vom Vertrag auswirken. Zumindest auch ging der BGH auf die Ausübung eines Rückgabe- oder Widerrufsrechts ein67, wenngleich er dann die Wirkung auf künftige Bestellungen mit einbezog68 (was wiederum der dritten Fallgruppe entspricht). Potentiell können auch Verhaltensweisen nach Vertragsschluss ohne eine vorangegangene Irreführung aus sich selbst heraus objektiv die Entscheidung des Verbrauchers über seine vertraglichen Rechte beeinflussen. Damit sind die Fälle der Schlechtleistung angesprochen. Wie sich gezeigt hat69, kommt in den Fällen Ausschank unter Eichstrich neben der vorvertraglichen Werbung bzw. dem vorvertraglichen Angebot auch die nachvertragliche (mangelhafte) Lieferung der jeweiligen Ware als selbständige Verletzungshandlung in Betracht. Um die Lieferung mangelhafter Fassaden und damit um die Verletzung vertraglicher Pflichten ging es auch in der Entscheidung Ziegelvorhangfassade. Gerade in der letztgenannten Entscheidung umfasste der Antrag neben dem Angebot nicht standsicherer Fassaden u. a. auch deren Montage70. Rein objektiv kann eine solche Schlechtleistung unter Umständen Einfluss auf die Entscheidung des Verbrauchers über die Ausübung seiner vertraglichen Rechte haben; wer irrig davon ausgeht, eine mangelfreie Ware erhalten zu haben, denkt logischerweise nicht an die Geltendmachung von Mängelrechten. Im Fall Standardisierte Mandatsbearbeitung hatte sich die Klägerin sogar explizit auch gegen die irreführende Wirkung der Schlechtleistung einer konkurrierenden Anwaltskanzlei gewandt, weil der Mandant ohne Aufklärung nicht mit einer wahrheitswidrigen Rechtsverteidigung rechne71. In anderen Fällen steht nicht so sehr die Entscheidung über die Ausübung vertraglicher Rechte als vielmehr unmittelbar diejenige über die Zahlung an sich im Mittelpunkt. Dies gilt etwa für den Fall Besuch durch Inkasso-Team. Hier zielte der 65 66 67 68 69 70 71

BGH GRUR 2001, 1178 (1179) – Gewinn-Zertifikat. BGH GRUR 1990, 609 (609) – Monatlicher Ratenzuschlag. BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag. BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag. Siehe oben 4. Kapitel, B., II. BGH GRUR 1994, 640 (641) – Ziegelvorhangfassade. BGH GRUR 2013, 945 (945) – Standardisierte Mandatsbearbeitung.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

klägerische Antrag darauf ab, es der Beklagten zu untersagen, an Verbraucher Mahnschreiben zu versenden, in denen der unabgesprochene Besuch von Inkassomitarbeitern zu Inkassozwecken angekündigt wird72. Zumindest soweit ein vertraglicher Anspruch über die hier in Rede stehenden pornografischen Filme tatsächlich bestand, kann die Anmahnung sich allein auf die Entscheidung des Verbrauchers zur Zahlung auswirken (andernfalls ginge es um den Abschluss des Vertrags und damit um die erste Fallgruppe). In der Entscheidung Sicherungsschein ging der Klageantrag dahin, es zu unterlassen, „den über den Anzahlungsbetrag von 10 % des Reisepreises hinausgehenden Reisepreis vor Reisebeginn anzufordern und/ oder anzunehmen, sofern dem Kunden nicht vorher ein Sicherungsschein gemäß § 651k Abs. 4 BGB [a.F.] oder eine entsprechende Sicherung im Sinne von § 651k Abs. 5 BGB [a.F.] übergeben worden ist“73. Konkrete Verletzungshandlung ist dem Antrag zufolge die Einforderung des Reisepreises. Die konkrete Verletzungsform wird dadurch beschrieben, dass die Einforderung unberechtigt, weil ohne vorherige Übergabe des Sicherungsscheins erfolgt. Als relevante, potentiell unlauter beeinflusste Verbraucherentscheidung kommt diejenige über die – an sich nicht geschuldete – Zahlung in Betracht. Dieser Gedanke findet sich, wenngleich nicht mit zentraler Bedeutung, auch im Urteil des BGH wieder, wenn das Gericht auf die Rechtsunkenntnis der Vertragspartner und deren Ausnutzung hinweist74. Einen besonderen Fall betrifft schließlich die Konstellation, wie sie zur Entscheidung Kerosinzuschlag geführt hat. Hier ging es um die einseitige Erhöhung des Reisepreises sowie die auf Zahlung unter Vorbehalt hin versandten Schreiben mit der Erklärung, die Reiseunterlagen würden nur bei vorbehaltloser Zahlung ausgehändigt. Weil es zur Erhöhung des Reisepreises nicht notwendig stets einer neuen vertraglichen Vereinbarung bedarf, wie sich aus § 651a Abs. 4 BGB a.F. ergibt, war es dem Reiseveranstalter im Grundsatz möglich, den Reisepreis durch einseitige, gestaltende Erklärung zu erhöhen und dadurch eine vertragliche Hauptleistungspflicht zu erweitern. Angesichts der Tatsache, dass der Vertragspartner hierauf keinen Einfluss hatte, kann die unlauter beeinflusste Entscheidung und damit die konkrete Verletzungsform jedenfalls nicht in der Erweiterung des Vertrages als solcher bestehen75. Damit in Einklang wandte sich auch der Klageantrag gegen die Behauptung gegenüber Kunden, eine Zahlung unter Vorbehalt könne nicht akzeptiert werden, sofern nicht auf die nach wie vor mögliche Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen hingewiesen wird76. Genau genommen ging es daher nicht um den Einfluss auf die Entscheidung über die Zahlung, sondern über das Wie der 72

OLG München GRUR-RR 2010, 50 (50) – Besuch durch Inkasso-Team. BGH GRUR 2000, 731 (732) – Sicherungsschein. 74 BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. 75 Abweichend von der Ansicht des Gerichts besteht insoweit doch ein Unterschied zwischen dem Abschluss einer Preiserhöhungsvereinbarung und der als solcher verstandenen Akzeptanz einer einseitigen Preiserhöhung durch vorbehaltlose Zahlung, vgl. OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (728 f.) – Kerosinzuschlag. 76 OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (727) – Kerosinzuschlag. 73

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht?

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Zahlung (ohne Vorbehalt) und insbesondere um die Abwehr von Rechten als Reaktion auf ein Vorbringen des Kunden. Anders als in den eingangs genannten Fällen handelt es sich aber nicht um vertragliche Rechte im engeren Sinne. Vielmehr wird das in Rede stehende Antwortschreiben insofern relevant, als es sich objektiv auf die Entscheidung des Kunden über die Geltendmachung gesetzlicher Rückforderungsrechte auswirken kann. Diese Entscheidung ist nicht nur nach neuem Recht vom Begriff der geschäftlichen Entscheidung erfasst77. Auch der BGH hat die entscheidende Bedeutung des Einflusses auf eben diese Entscheidung – abseits einiger nach neuem Recht weder erforderlicher noch zielführender Ausführungen – insofern erkannt, als er auf die Ausnutzung der Rechtsunkenntnis der Kunden und die Eignung abstellte, bei den betroffenen Kunden unzutreffende Vorstellungen über die Möglichkeit einer späteren Rückforderung des Erhöhungsbetrages hervorzurufen78.

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht? Wie ausführlich dargestellt wurde79, hat das Prüfungsmerkmal der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG keine Filterwirkung, die über die bloße Konzentration auf Verhalten im geschäftlichen Verkehr hinausgeht. Im Rahmen der Unlauterkeit wurde die Rolle des UWG dahingehend spezifiziert, dass jede einzelne produktbezogene80 Entscheidung des Verbrauchers vor wie nach Vertragsschluss vor irreführendem oder unsachlichem Einfluss geschützt wird. An keiner Stelle kommt es daher auf eine Wettbewerbsabsicht oder eine Wettbewerbs- bzw. Marktrelevanz an. Bevor abschließend die zuvor gebildeten Fallgruppen bewertet werden, stellen sich noch Fragen, die das bisher beschriebene weite Verständnis des UWG und insbesondere dessen Anwendung auch im einzelnen Fall im Rahmen individueller Vertragsverhältnisse aufwirft. Insbesondere ist unklar, ob das UWG damit stets eingreifen soll, sobald z. B. im einzelnen Vertragsverhältnis objektiv von einer Irreführungsgefahr auszugehen ist, oder ob auch berechtigte Interessen des Unternehmers berücksichtigt werden können. Gerade mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und grundrechtliche Wertungen könnte zweifelhaft sein, ob das Lauterkeitsrecht rein objektives Marktverhaltensrecht in jedem einzelnen Fall darstellt bzw. darstellen sollte. Begründet etwa das versehentliche Ausstellen einer objektiv falschen Rechnung eine lauterkeitsrechtlich verfolgbare Irreführung? Wie ist der Fall zu beurteilen, dass der Unternehmer in gutem Glauben zur Verteidigung seiner Position die irrige Rechtsansicht äußert, das gelieferte Produkt sei mangel77

Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (2). OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (727 ff.) – Kerosinzuschlag. 79 Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 4., a). 80 „Produktbezogen“ wird dabei – im Sinne der UGP-Richtlinie – weit verstanden und umfasst Waren und Dienstleistungen. 78

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

frei81? Kann das Versprechen bestimmter Eigenschaften bereits dann lauterkeitsrechtlich sanktioniert werden, wenn sich die Kaufsache im Einzelfall später ohne Kenntnis des Unternehmers als mangelhaft herausstellt? Lässt sich damit automatisch jede bloße Schlechtleistung zur lauterkeitsrechtlich verbotenen Irreführung über Produkteigenschaften umwidmen? Eine Einschränkung ist dogmatisch auf verschiedene Weise denkbar. In Frage kommen dabei einschränkende Kriterien im Rahmen des Tatbestandes einerseits und eine einschränkende Interpretation auf Rechtsfolgenseite andererseits.

I. Tatbestandliche Einschränkung Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, bieten sich verschiedene tatbestandliche Ansatzpunkte, das UWG im vertragsbezogenen Kontext restriktiv anzuwenden. Diese fußen einerseits auf einer entsprechenden Auslegung des jeweiligen Beispiels- und insbesondere des Irreführungstatbestandes und andererseits auf einer übergeordneten Gesamtbetrachtung im Rahmen des § 3 UWG. 1. Normativierte Prüfung der Unlauterkeit Das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen verlangt stets ein Unwertkriterium sowie ein Relevanzkriterium. Ersteres bezieht sich auf das jeweils betrachtete Unternehmerverhalten, während zweiteres auf die Ein- und Auswirkungen dieses Verhaltens auf den Verbraucher und dessen Entscheidung abstellt82. Beide Kriterien, d. h. sowohl die Unternehmer- als auch die Verbraucherseite bieten Ansatzpunkte für eine einschränkende Auslegung. a) Restriktives Verständnis der „Angabe“ i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG Jede (nachvertragliche) Schlechtleistung hat zur Konsequenz, dass sich die ursprünglichen Angaben zu dem gelieferten Produkt ex post als unrichtig herausstellen. Vor diesem Hintergrund ließe sich aus jeder Schlechtleistung eine vorvertragliche Irreführung über die Beschaffenheit folgern. Eine dogmatische Möglichkeit, nicht in all diesen Fällen automatisch eine lauterkeitsrechtlich relevante Irreführung anzunehmen, setzt unmittelbar am Begriff der Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG an. Namentlich wiederum Tiller unterscheidet für das Angebot von Waren zwischen solchen, die im Zeitpunkt des Angebots bereits vorhanden sind einerseits und noch herzustellenden andererseits. Lediglich im erstgenannten Fall mache der Unternehmer tatsächlich „Angaben“ im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG zur Beschaffenheit des Produkts, weil nur dann der für eine Angabe erforderliche Tatsachenkern 81 82

Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 176. Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a).

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht?

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vorliegen könne. Andernfalls beschränke sich der Tatsachenkern auf das Versprechen, zur Leistung des Angekündigten bereit und fähig zu sein, denn Vorgänge in der Zukunft seien keine Tatsachen83. Die „Verifizierung“ der damit angegebenen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit könne dann nur ex ante erfolgen. Entscheidend für die Frage einer Irreführung sei demnach der Zeitpunkt der Kundgabe, da unlauter letztlich das Verhalten des Unternehmers sei84. b) Normative Korrektur der Verbrauchererwartung Ein weiterer Ansatz zur restriktiveren Prüfung der Unlauterkeit besteht darin, das Verbraucherverständnis normativ zu modifizieren85. Anhaltspunkte hierfür bieten die Ausführungen des BGH in der Entscheidung 10 % Geburtstags-Rabatt86, wo das Gericht bewertet hat, ob die ursprüngliche Werbung mit einer befristeten Rabattaktion bei deren nachträglicher Verlängerung eine Irreführung darstellt. Der BGH unterschied dabei zwischen einer von vornherein geplanten und einer solchen Verlängerung, die auf Umständen basiert, die sich nach Erscheinen der Werbung unvorhersehbar ergeben. Der Verkehr werde nach der Lebenserfahrung zwar in Rechnung stellen, dass eine mit einem Endtermin beworbene Verkaufsaktion aus unvorhersehbaren Gründen ausnahmsweise verlängert werden könne. Mit einer Verlängerung aus Gründen, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge unter Beachtung der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt voraussehbar waren, rechne er indes nicht87. Dieser Ansatz weist Parallelen zum vorangegangenen insofern auf, als auf eine miterklärte innere Absicht statt ganz objektiv auf die nach außen erklärte Aussage abgestellt werden soll. Die Einschränkung wird hier jedoch nicht an der Unternehmeraussage festgemacht, sondern durch eine Normativierung der Verbrauchererwartung bewirkt. Im Anschluss an die Ausführungen des BGH wurde der hier angestellte Gedanke in der Literatur dahingehend verallgemeinert, dass der Verbraucher Erklärungen von Unternehmern generell nur so verstehe, dass die Erklärungen aus der Perspektive des Unternehmers unter Einhaltung der für ihn geltenden Sorgfalt zutreffend sind. Der Verbraucher berücksichtige indes zugleich, dass die Erklärung aus auch für den Unternehmer unvorhersehbaren Gründen unzutreffend sein kann und werde dann trotz objektiv wahrheitswidriger Aussagen nicht irrege-

83

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 116 ff. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 120 ff. 85 Zumindest angedacht bei Svigac, NJOZ 2013, 721 (724). 86 BGH GRUR 2012, 208 ff. – 10 % Geburtstags-Rabatt. 87 BGH GRUR 2012, 208 (208, 211) – 10 % Geburtstags-Rabatt; ähnlich BGH WRP 2012, 316 (317) – Frühlings-Special; vgl. auch Berneke, GRUR-Prax 2011, 235 (237); ähnlich für den umgekehrten Fall einer vorzeitigen Beendigung einer Rabattaktion BGH GRUR 2014, 91 (92 f.) – Treuepunkte-Aktion; zustimmend Schröler, GRUR 2013, 564 (567); krit. Keller, FS Bornkamm, 381 (387). 84

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

führt88. Auf die Lieferung von Waren übertragen bedeutet dies, dass der Unternehmer bei der Lieferung einer Ware aus Verbrauchersicht (nur) konkludent erkläre, dass er nach Anwendung der für ihn geltenden fachlichen Sorgfalt davon ausgeht, dass die Ware mangelfrei ist89. c) Eignung zur Einflussnahme Nach einer weiteren, einschränkenden Auffassung stellt die bloße Nicht- oder Schlechtleistung – insoweit entsprechend der vorliegend vertretenen Ansicht – zwar durchaus eine geschäftliche Handlung dar. Gleichwohl werde diese alleine regelmäßig nicht die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung über die Ausübung seiner Rechte (wie z. B. über das Erfüllungsverlangen oder die Ausübung von Gewährleistungsrechten) zu treffen, beeinträchtigen. Vielmehr sei die Nichtbzw. Schlechterfüllung erst die Voraussetzung für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers90. Zudem meine die Formulierung von der Veranlassung des Verbrauchers zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er andernfalls nicht getroffen hätte, eine solche, die für den Verbraucher nachteilig ist, wie z. B. die Nichtausübung ihm zustehender Rechte. Das Erfüllungsverlangen und die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten seien aber für den Verbraucher nicht nachteilig. Daraus folge, dass die bloße Schlecht- oder Nichtleistung grundsätzlich nicht unlauter sei. Anderes gelte, wenn zusätzliche Handlungen hinzukämen, etwa wenn der Unternehmer fälschlich behaupte, es bestünden keine Gewährleistungsrechte91. 2. Nachgeschaltete Korrektur im Rahmen des Unwertkriteriums Grundrechtlich geschützte Erklärungen des Unternehmers ließen sich ebenso wie bloß versehentliche, vereinzelte Falschaussagen früher leicht über das subjektive Merkmal der Wettbewerbsabsicht schon vom Anwendungsbereich des UWG ausnehmen. Das Erfordernis der Wettbewerbsabsicht war aber bereits nach der Reform 2004 zunehmend umstritten92 und ist nun jedenfalls seit der Novelle 2008 nicht mehr erforderlich93. Wenn aber auch im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung allein objektiv die Funktionalität der Schiedsrichterrolle des Verbrauchers den Maßstab bilden würde, dann käme es nicht darauf an, ob eine Handlung grundrechtlichem 88

Siehe Svigac, NJOZ 2013, 721 (724). Siehe Svigac, NJOZ 2013, 721 (724). Einen vergleichbaren Gedanken hatte auch schon die Revision im Fall Ausschank unter Eichstrich II angestellt, siehe BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II. So sei allgemein bekannt, dass bei Bier ein exaktes Einfüllen genau bis zum Eichstrich normalerweise nicht möglich ist. 90 Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 76. 91 Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 76. 92 Siehe oben 1. Kapitel, D., I., 2. 93 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 20 f.; vgl. zum rein objektiven Verständnis der geschäftlichen Handlung 2. Kapitel, B., III., 4., a). 89

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht?

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Schutz untersteht oder bloß versehentlich in einem Einzelfall erfolgt ist. Um in diesen Fällen gleichwohl auch die Interessen des Unternehmers zu berücksichtigen, sind im Rahmen des Unwertkriteriums verschiedene Möglichkeiten einer Einschränkung denkbar. a) Einschränkung mit Hilfe der „unternehmerischen Sorgfalt“? Schon Tiller ist mit Blick auf grundrechtliche Wertungen zu dem Ergebnis gelangt, dass allein die objektive Irreführung nicht den „Makel der Unlauterkeit“94 begründen könne. So sei es nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Planungs- und Gestaltungsfreiheit vereinbar, wenn bereits dann Unlauterkeit angenommen wird, wenn die Ware entgegen der eigenen Erwartung des Unternehmers nicht die erhofften Leistungsmerkmale aufweist95. Mit Verweis auf die Ausführungen des BGH in der Entscheidung Ziegelvorhangfassade96 verlangt Tiller ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Demnach sei eine Irreführung nur dann anzunehmen, wenn der Unternehmer etwa die Mangelhaftigkeit seiner Waren kannte oder zumindest damit rechnen musste97. Auch am Beispiel der Äußerung einer Rechtsansicht argumentiert er, dass allein die irreführende Wirkung einer falschen Angabe aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zur Unlauterkeit führen dürfe98. Er verweist dabei auf den Fall einer nach § 4 Nr. 10 UWG a.F. (nunmehr § 4 Nr. 4 UWG) zu beurteilenden unberechtigten Abmahnung99. Hier entspreche es der ganz herrschenden Ansicht, dass die unberechtigte Abmahnung allein die Unlauterkeit nicht begründen könne, weil dem Abmahner unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht zuzumuten sei, bei zweifelhafter Rechtslage auf die Abmahnung zu verzichten100. Dementsprechend sei von einer Wettbewerbswidrigkeit nur auszugehen, wenn der Abmahnende um die fehlende Berechtigung weiß oder sich dieser Kenntnis bewusst verschließt101. Dies sei auf die Äußerung einer Rechtsansicht zu übertragen102. Es entspricht gerade für das Beispiel der Äußerung einer Rechtsansicht auch einer verbreiteten Auffassung, dass diese nur dann eine Irreführung zu begründen vermag, wenn der äußernde Unternehmer – ähnlich den bereits zur Eingrenzung des lau94

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 131. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 131. 96 BGH GRUR 1994, 640 (642) – Ziegelvorhangfassade. 97 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 132. 98 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 176 ff. 99 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 179 f. 100 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 179, mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 1994, 841 (843) – Suchwort. 101 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 179, mit Verweis u. a. auf Baumbach/Hefermehl-Köhler, UWG, 23. Aufl., § 4, Rn. 1.167. 102 Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 179. 95

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

terkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs herangezogenen Kriterien103 – systematisch104 bzw. planmäßig105 wider besseres Wissen106 handelt. Das LG Karlsruhe etwa hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2011 explizit an die fachliche Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG 2008 angeknüpft und betont, dass die Geltendmachung oder Zurückweisung zivilrechtlicher Ansprüche sowie eine dabei vertretene Rechtsansicht grundrechtlichem Schutz unterfalle. Eine entsprechende Äußerung sei nur dann zu missbilligen, wenn der Äußernde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im Sinne einer „Plausibilitätskontrolle“ missachte107. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Svigac, der ebenfalls ganz konkret bei der fachlichen Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG 2008 ansetzt. Als Konsequenz erfolgt die Lösung hier ähnlich der Entscheidung Änderung der Voreinstellung I, wonach ein Lauterkeitsverstoß zu bejahen sein sollte, wenn ein zielgerichtetes statt eines bloß versehentlichen Vorgehens gegeben ist108. Für den Fall der Schlechtleistung wäre demnach Unlauterkeit dann nicht gegeben, wenn der Unternehmer die Schlechtleistung nicht zu vertreten hat109. Während die lauterkeitsrechtlichen Beispielstatbestände den Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt indizierten, sei es Sache des Unternehmers, die Umstände darzulegen, die für die Einhaltung der fachlichen Sorgfalt sprechen110. So verstanden würde die fachliche bzw. seit der neuerlichen Reform 2015 die unternehmerische Sorgfalt Raum für die Berücksichtigung von Unternehmerinteressen bieten111. Grundrechtlich geschütztes Verhalten würde eine Vorwerfbarkeit ausschließen und eine bloß versehentliche Irreführung des Verbrauchers im Einzelfall wäre zumindest nicht per se ein UWG-Verstoß. b) Billigkeit und höherrangiges Recht Jedenfalls vor Geltung der UGP-Richtlinie bestand gerade für den Irreführungstatbestand weitgehende Einigkeit, dass es Fälle gibt, in denen zwar eine Irre103

Siehe hierzu 1. Kapitel, C., II., 1., a) und b). Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5, Rn. 2.10; a.A. nunmehr Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.15. 105 BGH GRUR 1986, 816 (819) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. 106 Ohly/Sosnitza, UWG, § 5, Rn. 705. 107 LG Karlsruhe, 16. 12. 2011 – 14 O 27/11 KfH III, Rn. 117, 124, Juris; dazu krit. Stillner, WRP 2015, 438 (439 ff.) 108 So BGH GRUR 2007, 987 (989) – Änderung der Voreinstellung I, wobei diese Ausführungen jedoch im Zusammenhang mit der Frage erfolgen, ob ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorliegt. Siehe hierzu bereits 1. Kapitel, C. II., 1., a). 109 Svigac, NJOZ 2013, 721 (725). 110 Vgl. Svigac, NJOZ 2013, 721 (725), mit Verweis auf BGH GRUR 2012, 208 (211) – 10 % Geburtstags-Rabatt, wonach es Sache des Werbenden ist, „die Umstände darzulegen, die für die […] Einhaltung der fachlichen Sorgfalt sprechen“. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Falls sei daher die Einhaltung der fachlichen Sorgfalt. 111 Auch Ohly, FS Bornkamm, 423 (432), sieht in der unternehmerischen Sorgfalt einen geeigneten Ansatzpunkt für eine Interessenabwägung. 104

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht?

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führung vorliegt, eine lauterkeitsrechtliche Untersagung des entsprechenden Unternehmerverhaltens aber ungerechtfertigt wäre112. Auch nach der Reform 2008 wird an der Möglichkeit einer Interessenabwägung in bestimmten Fällen in weiten Teilen festgehalten113. Erfolgen kann eine solche grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten: Erstens kann eine Interessenabwägung im Sinne einer Normativierung des Irreführungsbegriffs – tatbestandsintegriert – bereits im Rahmen der Frage Eingang finden, ob eine empirisch festgestellte Irreführung auch rechtlich erheblich ist. Zweitens können weitere Interessen im Wege einer nachgeschalteten Billigkeitskontrolle in eine Abwägung eingestellt werden114. Die erstgenannte Alternative entspricht der wohl herrschenden Meinung zur Rechtslage vor der Reform 2008 und beruht auf einer Normativierung der Irreführung als solcher115. Ergibt demnach eine Interessenabwägung, dass eine Angabe trotz bestehender Irreführung gestattet sein muss, soll bereits der Tatbestand des Irreführungsverbots nicht erfüllt sein116. Es handelt sich mithin um eine immanente Schranke des Irreführungsverbots117. Eine solche Normativierung weist Parallelen zu den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Ansätzen auf, die den Erklärungsgehalt der Unternehmeräußerung bzw. die Erwartung des Verbrauchers normativ zu bestimmen versuchen118. Nach der zweiten der zuvor dargestellten Alternativen bedarf es einer der Irreführungsprüfung nachgeschalteten Interessenabwägung in Fällen, in denen zwar eine relevante Irreführung festgestellt wurde, gleichwohl gewichtige gegenläufige Interessen für die Zulässigkeit der geschäftlichen Handlung sprechen119. Diese Auffassung trägt dem Umstand, dass ein kategorisches Irreführungsverbot nicht bestehen kann, im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG 2008 Rechnung. In die dort vorzunehmende Interessenabwägung sollen Kriterien wie der Grad der Irreführungsgefahr, die Erheblichkeit der Information für die Verbraucherentscheidung, die Erheblichkeit von Fehlentscheidungen 112 Siehe etwa Beater, Unlauterer Wettbewerb (2011), § 16, Rn. 1424 ff., m.w.N.; näher zur Entwicklung der Interessenabwägung im Rahmen des Irreführungsverbots Ohly, FS Bornkamm, 423 (425 ff.); ausführlich Hösl, Interessenabwägung und rechtliche Erheblichkeit bei § 3 UWG, 7 ff. 113 Sack, GRUR 2014, 609 (610), m.w.N.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.200 ff.; MüKo-Ruess, UWG, § 5, Rn. 225; anders Harte-Bavendamm/Henning-BodewigDreyer, UWG, § 5 B, Rn. 197. 114 Vgl. Ohly, FS Bornkamm, 423 (431); eine ausführliche Darstellung des Meinungsstands zum UWG 1909 findet sich bei Hösl, Interessenabwägung und rechtliche Erheblichkeit bei § 3 UWG, 97 ff. 115 Vgl. Ohly, FS Bornkamm, 423 (431). 116 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.201, mit Verweis auf BGH GRUR 2003, 628 (630) – Klosterbrauerei. 117 Ohly/Sosnitza, UWG, § 5, Rn. 218 ff., m.w.N. 118 Siehe dazu oben 4. Kapitel, A., I., 1., a) und b). 119 Siehe Ohly, FS Bornkamm, 423 (432). Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.214, sehen dies als nachgelagerte Verhältnismäßigkeitsprüfung an und unterscheiden diese kategorisch von der tatbestandsintegrierten Interessenabwägung.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

sowie – auf Unternehmerseite – u. a. die Vermeidungsmöglichkeiten für den Unternehmer und dessen Sorgfaltspflichten einzustellen sein120.

II. Einschränkung auf Rechtsfolgenebene Köhler will „dem Anliegen, nicht aus jeder Mücke einer Vertragsverletzung einen Elefanten eines Lauterkeitsverstoßes zu machen“ im Rahmen der Prüfung von Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG Rechnung tragen121. Eine Änderung zur bisherigen Praxis ergäbe sich diesem Ansatz zufolge insbesondere bei der Wiederholungsgefahr. Anzunehmen ist diese grundsätzlich dann, wenn ein erneuter Verstoß ernsthaft und greifbar zu besorgen ist122. Nach bisherigem Verständnis spricht für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr eine widerlegliche tatsächliche Vermutung, die sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung speist, dass ein schon einmal begangener Wettbewerbsverstoß dessen Wiederholung befürchten lässt123. Die Vermutung zu widerlegen ist demnach Sache des Verletzers, der er regelmäßig durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nachkommt124. Köhler weist in diesem Zusammenhang jedoch auf den Unterschied zwischen Maßnahmen, die der Absatzförderung dienen, und einzelnen Maßnahmen im Rahmen der Vertragsdurchführung hin. Bei ersteren sei eine Wiederholungsgefahr regelmäßig zu bejahen, weil hinter ihnen ein wirtschaftliches Interesse stehe. Dagegen sei bei einmaligem Fehlverhalten im Rahmen der Vertragsdurchführung danach zu differenzieren, ob die konkrete Handlung ihrer Art nach wiederholbar ist125. Statt die Wiederholungsgefahr – wie üblich – zu vermuten, soll bei bloß einmaligem, auf die Besonderheiten des konkreten Falls bezogenem Fehlverhalten in der vertraglichen Beziehung die Wiederholungsgefahr positiv nachzuweisen sein. Dagegen sei die Wiederholungsgefahr weiterhin dann zu vermuten, wenn das konkrete Verhalten des Unternehmers seiner Art nach wiederholbar ist, wie dies z. B. beim Bestreiten von Gewährleistungsrechten unter Berufung auf AGB der Fall sei126. In der großen Mehrzahl der Fälle sei freilich die Wiederholbarkeit der konkreten Handlung zu

120

Ohly, FS Bornkamm, 423 (425 ff., insbesondere 433, 439). Köhler, WRP 2009, 898 (903); vgl. auch ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 86. 122 Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 7. 123 Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 8, mit Verweis auf BGH GRUR 1996, 290 (291) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH GRUR 2001, 453 (455) – TCM-Zentrum; BGH GRUR 2002, 717 (719) – Vertretung der Anwalts-GmbH. 124 Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 10. 125 Vgl. Köhler, WRP 2009, 898 (903). 126 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 86; ders., WRP 2009, 898 (903). 121

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bejahen, womit es dann dabei bleibe, dass die Wiederholungsgefahr zu vermuten ist127.

III. Würdigung Der zuerst dargestellte Ansatz gründet auf einer bestimmten Auslegung des Tatbestandes von § 5 Abs. 1 S. 2 UWG. Im Übrigen indes basieren die vorgenannten Ansätze im Kern auf der – berechtigten – Wertung, dass es einen absoluten Schutz von Verbraucherinteressen ohne jede Berücksichtigung der übrigen Marktteilnehmer nicht geben kann. Konkret würden die Unternehmerinteressen unzulässigerweise beeinträchtigt, dürfte der Unternehmer kategorisch ohne Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände Äußerungen nicht tätigen, die zwar einem berechtigten Interesse entsprechen und insbesondere grundrechtlichem Schutz unterfallen, dabei aber zu einer obektiven Irreführung des Verbrauchers führen. 1. Verhältnismäßigkeit sowie Gebot der Interessenabwägung als Kern einer einschränkenden Auslegung Der lauterkeitsrechtliche Schutz des Verbrauchers kann nicht allein mit Blick auf die Auswirkungen einer Verhaltensweise auf den Verbraucher erfolgen. Dass auch die Interessen des handelnden Unternehmers notwendig zu berücksichtigen sind, folgt aus allgemeinen Grundsätzen, wie sie in der UGP-Richtlinie selbst an verschiedener Stelle zum Ausdruck kommen. Dieser nicht allein verbraucherschutzbezogene Ansatz spiegelt sich darüber hinaus sowohl im europäischen Primärrecht als auch in der Rechtsprechung des EuGH wider und kommt auch in der Gesetzesbegründung zum UWG 2008 sowie der Rechtsprechung des BGH zum Ausdruck. Gerade in Bezug auf den lauterkeitsrechtlichen Schutz des Verbrauchers innerhalb eines konkretisierten, einzelnen Vertragsverhältnisses kommt dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit und einer abwägenden Berücksichtigung aller betroffenen Interessen besondere Bedeutung zu. a) Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung in der Richtlinienvorgabe Art. 6 der UGP-Richtlinie zufolge gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher zu täuschen, und wenn sie ihn zu einer Entscheidung veranlassen kann, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Die – vollharmonisierende – Richtlinie setzt also bei Erfüllung des Relevanzkriteriums, mithin bei relevanter Wirkung auf Seiten des Verbrauchers, eine Interessenabwägung nicht voraus128. Gleichwohl wird in mehrerlei Hinsicht deutlich, dass der unionsrechtliche Irrefüh127 128

Köhler, WRP 2009, 898 (903). Siehe auch Ohly, FS Bornkamm, 423 (428).

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

rungsschutz kein absoluter ist129. Dies stellt die UGP-Richtlinie selbst klar, die sich in Art. 13 S. 2 ausdrücklich zum Verhältnismäßigkeitsprinzip bekennt130. Nach Erwägungsgrund 6 S. 2 schützt die Richtlinie die Verbraucher „[i]m Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip131 […] vor den Auswirkungen solcher unlauteren Geschäftspraktiken, soweit sie als wesentlich anzusehen sind, berücksichtigt jedoch, dass die Auswirkungen für den Verbraucher in manchen Fällen unerheblich sein können“. Während damit in erster Linie eine Normativierung auf Seiten des Verbraucherinteresses bezweckt zu sein scheint (die sich dogmatisch wiederum im Wesentlichen in den Relevanzkriterien verorten lässt), weist die Richtlinie an anderer Stelle deutlicher darauf hin, dass eine Gesamtabwägung aller betroffenen Interessen erforderlich ist. So bestimmt Art. 11 Abs. 2 UGP-Richtlinie, dass den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse übertragen werden, „die sie ermächtigen, in Fällen, in denen sie diese Maßnahmen unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen und insbesondere des öffentlichen Interesses132 für erforderlich halten“, gegen unlauteres Verhalten vorzugehen133. In diesem Sinne finden sich noch eine Reihe weiterer Anhaltspunkte in den Erwägungsgründen, die eine korrigierende Bewertung unter Beachtung von Unternehmerinteressen zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit nahelegen. Erwägungsgrund 7 S. 6 etwa betont, dass bei der Anwendung der Richtlinie die Umstände des Einzelfalles umfassend gewürdigt werden sollten. Erwägungsgrund 20 S. 2 unterscheidet verschiedene Anforderungsniveaus an das Verhalten der Gewerbetreibenden und macht damit deutlich, dass nicht allein die Auswirkungen beim Verbraucher entscheidend sein können. Erwägungsgrund 23 S. 2 zufolge geht die Richtlinie entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht über das für die Beseitigung der Handelshemmnisse und die Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Verbraucherschutzniveaus erforderliche Maß hinaus. Im Ergebnis ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Richtliniengeber zufolge als übergeordnetes Prinzip stets zu beachten. Er muss dazu führen, dass dem Unternehmer keine Verhaltenspflichten auferlegt werden, die ihn unverhältnismäßig belasten, weil sie über das hinausgehen, was zum angemessenen Schutz der wirtschaftlichen Verbraucherinteressen erforderlich und zumutbar ist134.

129

Siehe Ohly, FS Bornkamm, 423 (429 ff.). Ohly, FS Bornkamm, 423 (429). 131 Hervorhebung durch den Verfasser. 132 Hervorhebung durch den Verfasser; vgl. auch Ohly, FS Bornkamm, 423 (429). 133 Ohly, FS Bornkamm, 423 (429). 134 Köhler, WRP 2012, 22 (25); ders., WRP 2017, 1 (4), betont im Zusammenhang mit dem zu berücksichtigenden Interesse des Unternehmers den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er der UGP-Richtlinie zugrunde liege. 130

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b) Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung in der Rechtsprechung des EuGH Dass der von der Richtlinie intendierte Schutz des Verbrauchers vor Irreführung kein absoluter sein kann und vor dem Hintergrund höherrangigen Rechts ausgelegt werden muss, spiegelt sich auch sowohl im europäischen Primärrecht als auch in der Rechtsprechung des EuGH wider. Dementsprechend hat letzterer die Reichweite des Irreführungsverbots nicht für sich, sondern auch vor dem Hintergrund der Gemeinfreiheiten sowie berechtigter Interessen des Unternehmers bewertet135 und betont, dass bei der Auslegung des Unionsrechts kollidierende Grundrechtspositionen zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen sind136. In einem Spannungsverhältnis zu den vorangegangenen Ausführungen steht indes die bereits genannte137 Entscheidung CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH, in der es um die Frage ging, ob ein Reisebüro lauterkeitswidrig irreführend wirbt, wenn es behauptet, bestimmte Unterkünfte seien „exklusiv“ nur bei ihm zu buchen. Zwar war diese Exklusivität faktisch nicht gegeben, weil auch andere Reisebüros diese Unterkünfte anboten. Allerdings hatte sich das Reisebüro von den Beherbergungsbetrieben die Exklusivität vertraglich zusichern lassen und sich dementsprechend auf die Richtigkeit der eigenen Aussage verlassen138. Der EuGH stellt in diesem Zusammenhang fest, dass der Irreführungsschutz der UGP-Richtlinie im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert sei und im Falle des Vorliegens einer objektiven Irreführung die Sphäre des Unternehmers nicht mehr zu prüfen sei139. Die vorgenannte Entscheidung ist mit den zuvor dargestellten Vorgaben der UGPRichtlinie und der in dieser notwendig angelegten Berücksichtigung auch der Unternehmerinteressen140 nur schwer in Einklang zu bringen. Sie betraf zudem einen eher traditionell lauterkeitsrechtlichen Fall, in dem die objektiv irreführende (vorvertragliche) Werbung mit einer faktisch nicht gegebenen Exklusivität an eine Vielzahl von Verbrauchern gerichtet war. In der Entscheidung Ungarische Ver135 Siehe etwa EuGH GRUR Int. 1991, 215 (216) – Pall/Dahlhausen; vgl. auch EuGH GRUR 1999, 1122 (1123) – EG-Neuwagen I: „Allerdings müssen auch die Interessen des Werbenden berücksichtigt werden: Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG [a.F.] eine Verpflichtung, negative Eigenschaften des eigenen Angebots in der Werbung offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich [Hervorhebung durch den Verfasser] ist […].“ 136 Siehe EuGH GRUR 2012, 1161 (1163) – Deutsches Weintor/Rheinland-Pfalz; vgl. Ohly, FS Bornkamm, 423 (430), m.w.N. 137 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), bb). 138 EuGH GRUR 2013, 1157 (1157) – CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH. 139 EuGH GRUR 2013, 1157 (1158 f.) – CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH; siehe hierzu näher 4. Kapitel, B., III., 2., c). 140 Siehe oben 4. Kapitel, B., III., 1., a).

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braucherschutzbehörde/UPC141 hat der EuGH seine Auffassung zwar grundsätzlich bestätigt und sich ausdrücklich auf die Entscheidung CHS Tour Services GmbH/ Team4 Travel GmbH bezogen. In diesem Fall, in dem es um eine einzelne Verhaltensweise gegenüber nur einem Verbraucher ging, hat der EuGH indes auch explizit auf die Art. 11 und 13 UGP-Richtlinie Bezug genommen und in der Folge festgestellt142: „Daher ist es Sache der Mitgliedstaaten, für Gewerbetreibende, die auf unlautere Geschäftspraktiken zurückgreifen, eine geeignete Sanktionsregelung vorzusehen und zu gewährleisten, dass diese Sanktionen insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. In diesem Zusammenhang werden Umstände wie die Häufigkeit der vorgeworfenen Praxis, die Frage, ob Vorsatz vorliegt und das Ausmaß des Schadens, der dem Verbraucher durch sie entstanden ist, gebührend berücksichtigt werden können143.“

Auch der EuGH stellt damit fest, dass sämtliche Maßnahmen gegen Unternehmen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügen müssen144, und erkennt im Ergebnis an, dass gerade im Rahmen vereinzelter Verhaltensweisen nach Vertragsschluss Umstände zu berücksichtigen sind, die der Sphäre des Unternehmers zuzurechnen sind. Dabei lässt der EuGH offen, ob ein Korrektiv des weiten Begriffs der Geschäftspraxis, wenn es sich um eine unlautere Geschäftspraxis handelt, auf Verbotsebene oder erst bei der Frage der Verhängung einer Sanktion erfolgen soll145. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht etwa die Entscheidung CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH dazu führen, dass bei der lauterkeitsrechtlichen Bewertung einer Verhaltensweise entgegen der in der UGP-Richtlinie angelegten notwendigen Berücksichtigung von Unternehmerinteressen generell allein auf die Auswirkungen einer Verhaltensweise auf Verbraucherseite abzustellen ist. c) Verhältnismäßigkeit in der Gesetzesbegründung Neben der UGP-Richtlinie selbst weist die Gesetzesbegründung zum UWG 2008 auf die allgemeine Gültigkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch in Situationen hin, in denen die Voraussetzungen der Unlauterkeit an sich erfüllt sind. Konkret betont die Gesetzesbegründung, dass selbst im Rahmen der Per-se-Verbote (§ 3 Abs. 3 UWG) „stets der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ zu beachten ist146.

141 EuGH GRUR 2015, 600 (601) – Ungarische Verbraucherschutzbehörde/UPC; siehe bereits 2. Kapitel, B., III., 3., a). 142 EuGH GRUR 2015, 600 (602) – Ungarische Verbraucherschutzbehörde/UPC. 143 Hervorhebung durch den Verfasser. 144 Büscher, GRUR 2016, 113 (113 f.). 145 Büscher, GRUR 2016, 113 (113 f.). 146 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 30.

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Auch der deutsche Gesetzgeber ist damit gerade nicht davon ausgegangen, dass der unionsrechtliche Verbraucherschutz allein auf die objektiven Auswirkungen auf Seiten des Verbrauchers abstellt. d) Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung in der aktuellen Rechtsprechung des BGH Darüber hinaus setzt auch der BGH in seiner LGA tested-Entscheidung im Rahmen des § 5a Abs. 2 S. 1 UWG und insbesondere für die Frage, ob eine Information „wesentlich“ ist, eine Interessenabwägung voraus. Demnach solle es einer Information nur bedürfen, wenn neben dem Gewicht der Information für den Verbraucher deren Angabe „unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann“. Auf Seiten des Unternehmers sei in die Interessenabwägung „dessen zeitlicher und kostenmäßiger Aufwand für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange zu berücksichtigen“147. Damit hat der BGH klargestellt, dass es im Rahmen von § 5a Abs. 2 S. 1 UWG für die Wesentlichkeit einer Information nicht ausreicht, lediglich das Gewicht der Information für den Verbraucher zu betrachten. Vielmehr ist auch ein gegenläufiges Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen. Dies entspricht wiederum dem in der UGP-Richtlinie verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit148. Zwar mag die Bedeutung des Unternehmerinteresses im Falle einer etwaigen Pflicht zur ungefragten Offenbarung bestimmter Informationen höher zu gewichten sein als im Falle einer objektiv irreführenden, positiven Angabe. Gleichwohl ändert dies nichts an dem im Unionsrecht angelegten allgemeinen Prinzip, dass die lauterkeitsrechtliche Bewertung nicht allein auf die Wirkung beim Verbraucher abstellen darf, sondern Ergebnis einer Interessenabwägung unter Einbeziehung auch des Unternehmerinteresses sein muss. Auch der EuGH hat noch in seiner Entscheidung Mediaprint in einer Konstellation, die nicht lediglich eine etwaige Irreführung durch Unterlassen betraf, festgestellt, dass die Eignung der in Rede stehenden Geschäftspraxis zur wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers „allein keineswegs den Schluss“ zulasse, dass es sich um eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der UGP-Richtlinie handle. Vielmehr müsse auch geprüft werden, ob die fragliche Praxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspreche149.

147 BGH GRUR 2016, 1076 (1078 f.) – LGA tested. Siehe auch 1081: „Gewichtung der Interessen des Verbrauchers einerseits und der Bekl. andererseits“. 148 Köhler, WRP 2017, 1 (4); ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5a, Rn. 3.14. 149 EuGH WRP 2011, 45 (49) – Mediaprint.

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e) Bedeutung der Interessenabwägung für Verhaltensweisen im Rahmen des individuellen Vertragsverhältnisses Zunächst ist klarzustellen, dass es nach der vorliegend vetretenen Auffassung nicht um die Verhältnismäßigkeit des Irreführungstatbestandes als solchem in vertragsbezogenen Konstellationen geht, in denen zugleich zivilrechtliche Ansprüche bestehen. In diesem Zusammenhang stellt etwa Tiller die Existenz vertraglicher Rechte in die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein und kommt – anders als Goldhammer150 – zu dem Ergebnis, dass diese allein nicht generell zur Unverhältnismäßigkeit des Irreführungsverbots führen151. Angesichts der oben beschriebenen unterschiedlichen Rollen von UWG und BGB152 können vertragsrechtliche Ansprüche die generelle Unverhältnismäßigkeit eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs nicht begründen. Aufgrund der abweichenden Methode des Verbraucherschutzes kann etwa ein gewährleistungsrechtlicher Anspruch nicht dazu führen, dass es an der Erforderlichkeit des lauterkeitsrechtlichen Schutzes fehlt. Es geht daher vielmehr um Fälle, in denen es im konkreten Einzelfall unverhältnismäßig erscheint, den Unternehmer das volle Risiko einer faktischen Irreführung u. a. bezüglich eines vertraglichen Rechts tragen zu lassen. Im Ausgangspunkt ist zwar auch weiterhin davon auszugehen, dass das Interesse sowohl von Verbrauchern als auch der Allgemeinheit am Schutz vor irreführenden Praktiken regelmäßig überwiegt und dass daher das Vorliegen einer Irreführung des Verbrauchers auch die Unlauterkeit der Verhaltensweise indiziert153. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der erweiterte § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nunmehr Fallkonstellationen dem UWG unterstellt, in denen eine Abwägung verschiedener Interessen und insbesondere eine Berücksichtigung der Unternehmerinteressen von verstärkter Bedeutung ist. So sind gerade angesichts der Erstreckung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs auf (versehentliche) Verhaltensweisen des Unternehmers gegenüber dem einzelnen Verbraucher im Rahmen des individuellen Vertragsverhältnisses Fallkonstellationen denkbar, in denen ein lauterkeitsrechtliches Verbot im Einzelfall unverhältnismäßig erscheint. In diesen Fällen spricht neben den Unternehmerinteressen eine weitere, praktische Erwägung gegen einen nur von der Verbraucherwirkung her gedachten Schutzzweck des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes: Hätte der Unternehmer keinerlei Möglichkeiten, sich einer lauterkeitsrechtlichen Sanktion zu entziehen, solange nur im Rahmen eines einzelnen Vertragsverhältnisses der Verbraucher objektiv irregeführt wird, so würde er seine unternehmerische Strategie wohl an diesem unverhältnismäßig hohen Risiko ausrichten. Er würde dieses Risiko sowie zusätzliche Anstrengungen zu dessen Ver150

Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 157 f. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 191 ff. Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als mögliches Korrektiv im Hinblick auf einzelne Vertragspflichtverletzungen sieht auch Köhler, WRP 2009, 898 (903). 152 Siehe ausführlich 3. Kapitel, C., II. 153 Ohly, FS Bornkamm, 423 (424, 430). 151

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meidung einpreisen. Davon wäre dann wiederum der Verbraucher negativ betroffen, was den Zielen auch der UGP-Richtlinie gerade zuwiderlaufen würde154. Im Ergebnis muss der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung in den für den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz neuen Konstellationen, in denen der einzelne Verbraucher im Rahmen eines individuellen Vertragsverhältnisses auch ohne Bezug zum Wettbewerb betroffen ist, besondere Bedeutung eingeräumt werden. 2. Tatbestandliche Einschränkung Nach den Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt ist festzuhalten, dass Situationen denkbar sind, in denen die objektiven Voraussetzungen eines lauterkeitsrechtlichen Tatbestandes vorliegen, in denen jedoch ein lauterkeitsrechtliches Verbot der in Rede stehenden Verhaltensweise aufgrund überwiegender schutzwürdiger Belange des handelnden Unternehmers nicht zu rechtfertigen ist. Diese Situationen können insbesondere in den nunmehr vom lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereich umfassten Situationen auftreten, in denen nur ein einzelner Verbraucher im Rahmen eines individuellen Vertragsverhältnisses von einer unternehmerischen Verhaltensweise betroffen ist. Damit ist indes noch nicht gesagt, welcher der oben dargestellten Ansätze dogmatisch überzeugend ist. § 3 UWG spricht ein Verbot aus und bestimmt damit, was der Unternehmer darf bzw. nicht darf. Dagegen bezieht sich die Rechtsfolgenebene lediglich noch auf die Durchsetzung dieses Verbots. Würde man also erst im Rahmen der §§ 8 und 9 UWG eine Einschränkung vornehmen, dann bliebe die entsprechende Verhaltensweise gleichwohl verboten155. Anders als dem bloßen Vorliegen einer geschäftlichen Handlung wohnt der Bewertung einer Verhaltensweise als unlauter aber bereits ein Unwerturteil inne; der Begriff dient dazu, erlaubtes geschäftliches Verhalten von unerlaubtem geschäftlichen Verhalten zu unterscheiden und ist damit dem der Rechtswidrigkeit vergleichbar156. Im Falle überwiegender schutzwürdiger Interessen und insbesondere im Falle einer grundrechtlich geschützten Verhaltensweise des Unternehmers wäre ein solches Unwerturteil nur schwer zu rechtfertigen. Daher sind schützenswerte Interessen des Unternehmers bereits tatbestandlich zu berücksichtigen.

154

Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 131. Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 182. 156 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 2.15 („bereichsspezifische Bezeichnung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens“); vgl. auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 180 f., mit Verweis auf Köhler, GRUR 2004, 381 (386, 388). 155

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a) Die „Angabe“ als begrenzt hilfreicher Ansatzpunkt Grundsätzlich ist der Begriff „Angabe“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 UWG weit auszulegen und erfasst sämtliche Ausdrucksformen157. Soweit es jedoch um die einer Schlechtleistung vorangegangene Werbung bzw. das vorangegangene Angebot geht, zeigt der Ansatz Tillers einen dogmatisch stimmigen, am Wortlaut orientierten Weg auf, nicht in jedem Fall der versehentlichen Schlechtleistung automatisch die ursprüngliche Äußerung des Unternehmers über die Beschaffenheit des Produkts als unlautere Irreführung zu verstehen. Angaben sind Aussagen (oder Äußerungen) eines Unternehmens, die sich auf Tatsachen beziehen und daher inhaltlich nachprüfbar sind158. Die „Angabe“ muss sich also auf konkrete äußere oder innere Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart beziehen159, während Vorgänge in der Zukunft (noch) keinen überprüfbaren Tatsachenkern haben160. Bewirbt der Unternehmer ein Produkt, das zum Äußerungszeitpunkt noch nicht existiert, so ist die Beschaffenheit und Güte dieses Produkts aktuell noch nicht nachprüfbar. Einen Zukunftsbezug stellt die vorgenannte Definition lediglich über die Berücksichtigung innerer Tatsachen her, womit tatsächlich nicht auf das spätere Ereignis, sondern gerade auf eine diesbezügliche Absicht abgestellt wird. Zum Kundgabezeitpunkt nachprüfbar sind die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft des Unternehmers. Im Falle noch herzustellender Waren kommt daher als Angabe mit nachprüfbarem Tatsachengehalt in der Tat nur die Behauptung von Leistungsfähigkeit sowie Leistungsbereitschaft in Betracht. Mit Tiller ist auch anzumerken, dass gegen dieses Verständnis nicht etwa das Unionsrecht spricht. Etwas anderes lässt zwar noch die Kommissionsbegründung zum Entwurf der UGPRichtlinie vermuten, wenn sie den Fall als irreführend und unlauter ansieht, dass der Verkäufer das Angebot eines Dienstes behauptet, diesen Dienst aber „in der Folge“ nicht erbringt161. Die hier gewählte Formulierung würde den Irreführungstatbestand jedoch zu einem Erfolgsdelikt umfunktionieren162. Im Übrigen findet sich dieser eher versteckte Hinweis in vergleichbarer Form nicht in der Richtlinie wieder. Schließlich ist selbst anhand des keineswegs eindeutigen Wortlauts der Kommissionsbegründung nicht ausgeschlossen, dass das beschriebene Verhalten deshalb unlauter ist, weil der Unternehmer – wie im Zeitpunkt der Äußerung geplant und/oder aufgrund fehlender Leistungsfähigkeit – eine Leistung nicht dem vorangegangenen Angebot entsprechend erbringen will und/oder kann. Stellt man demnach auf Leistungsfähigkeit und -bereitschaft im Zeitpunkt der Handlung ab, dann müssen freilich sowohl bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit als äußerer Tatsache als auch des Leistungswillens als innerer Tatsache die 157 158 159 160 161 162

Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.39. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.21. Erbs/Kohlhaas-Diemer, Strafrechtliche Nebengesetze, § 16 UWG, Rn. 10. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 118. KOM (2003) 356 endg., 16. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 123.

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Umstände der Vertragsabwicklung als Indizien berücksichtigt werden163. Während die bloße Schlechterfüllung stets ex post die Unrichtigkeit einer Beschaffenheitsangabe belegt, dürfte sie jedenfalls im Einzelfall nicht ausreichen, um den fehlenden Leistungswillen und/oder die fehlende Leistungsfähigkeit bereits im Kundgabezeitpunkt zu belegen. Dadurch entstehen auch nicht etwa Schutzlücken in den Fällen, in denen der Unternehmer erst im Nachhinein den Entschluss fasst, nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprechende Waren zu liefern. Wie die Untersuchung gezeigt hat, kommt gerade auch die Schlechtleistung als solche als irreführende geschäftliche Handlung in Betracht. Mit der Schlechtleistung als solcher und der damit verbundenen konkludenten Angabe164 ist zugleich nur ein Fall beschrieben, in dem das vorangegangen beschriebene Verständnis des Angabenbegriffs nicht einschränkend zugunsten des Unternehmers wirken kann. Für die Frage, ob auch eine (versehentliche) Schlechtleistung als solche (d. h. originär in der Rolle als der bewerteten geschäftlichen Handlung) unlauter ist, spielt die erläuterte Interpretation des Angabenbegriffs ebenso wenig eine Rolle wie generell für den Fall einer Äußerung zur Beschaffenheit eines im Äußerungszeitpunkt bereits existierenden Produkts oder der Äußerung einer Rechtsansicht. Die mit einer Schlechtleistung verbundene Äußerung zur Beschaffenheit der Ware ist just im Moment der Schlechtleistung objektiv nachprüfbar. Dies gilt generell, soweit der Unternehmer Produkte anbietet und bewirbt, die im Äußerungszeitpunkt bereits existieren. Ebenso steht die Rechtslage im Moment der Äußerung fest, auch wenn eine gerichtliche Klärung noch aussteht. Insofern liegt bereits im Zeitpunkt der (konkludenten) Äußerung eine lauterkeitsrechtlich relevante Angabe vor, die sich auch bei einer nur einzelnen Schlechtleistung oder einer nur einzelnen Äußerung einer unrichtigen Rechtsansicht als irreführend erweist. Dem vorliegenden Ansatz kann daher nur eine begrenzte Bedeutung zukommen. b) Keine weitere Normativierung der Irreführung Eine Reihe der genannten Ansätze basiert letztlich auf einer weitergehenden Normativierung der Irreführungsprüfung. Dies gilt für die Korrektur der Verbrauchererwartung ebenso wie für die des Erklärungsgehalts bzw. der Relevanz einer Unternehmerangabe und die Feststellung der Irreführung im Rahmen einer Interessenabwägung. Für all diese Ansätze dürfte allerdings im neuen Recht kein Raum mehr sein. Nach Art. 6 UGP-Richtlinie entscheidet die normativ festzustellende Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Das Leitbild des Durchschnittsverbrauchers ist indessen gerade das Ergebnis einer Interessenabwägung165. Steht die Irreführung des 163

Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 127 ff. Siehe dazu 4. Kapitel, B., III., 2., b). 165 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Dreyer, UWG, § 5 B., Rn. 240. Auf den Umstand, dass das normative Verbraucherleitbild bereits eine Interessenabwägung beinhalte, weist 164

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Verbrauchers nach diesem Maßstab fest, dann ist für eine Korrektur unter Berücksichtigung von Unternehmerinteressen im Rahmen der Irreführungsprüfung kein Platz mehr166. Zumal die Annahme, der Verbraucher bedenke von vornherein eine ausnahmsweise Mangelhaftigkeit des Produkts, neben den systematischen Bedenken auch schon inhaltlich zu weit gehen und die durchschnittliche Verbraucherwartung nicht mehr repräsentieren dürfte. Der Verbraucher wird seine Erwartung nicht in dem Sinne relativieren, dass der Unternehmer nur aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Ankündigungen nachkommt. Vielmehr darf und wird auch der aufgeklärte und informierte Verbraucher fest davon ausgehen, dass das von ihm erworbene Produkt den Ankündigungen entspricht167. Latente Mängel dürfte der Verbraucher in den allermeisten Fällen nicht einkalkulieren168. Auch geht die Annahme fehl, die Lieferung eines Produkts könne keinen Einfluss auf eine dem Verbraucher nachteilige Entscheidung nehmen. Wie die Untersuchung gezeigt hat, wird gerade auch die Nichtentscheidung des Verbrauchers geschützt169. Die Nichtentscheidung zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ist aber durchaus nachteilig und wird objektiv sehr wohl dadurch beeinträchtigt, dass der Verbraucher fälschlich davon ausgeht, die Ware sei mangelfrei170. Das lässt sich mit Hilfe eines Umkehrschlusses illustrieren: Würde der Unternehmer der gelieferten Ware einen Zettel mit dem Hinweis beilegen, dass die Ware nicht der bestellten entspricht (und damit die Irreführung beseitigen), würde der Verbraucher die Ware mit aller Wahrscheinlichkeit als erfüllungsuntauglich zurückweisen, Mängelrechte geltend machen oder ein Widerrufsrecht ausüben171. Zum alten Recht hatte etwa schon Abels am Beispiel der Entscheidung Ausschank unter Eichstrich I ausgefürt, der bloßen Vertragspflichtverletzung könne eine zusätzliche, lauterkeitsrechtliche Dimension dann zukommen, wenn z. B. die Maß zwar bis zum Eichstrich gefüllt ist und dieser Eichstrich auch eine Füllmenge von 0,5 l Bier ausweist, in Wirklichkeit aber fälschlicherweise eine Füllmenge von 0,4 l Bier beschreibt172. Unter objektiven Gesichtspunkten kann aber eben auch allein mit der Vertragspflichtverletzung ein auch Lettl, FS Bornkamm, 407 (417 f., 420 f.), hin, der dann aber die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit doch separat berücksichtigen will, weil diese nicht bereits im Verbraucherleitbild berücksichtigt worden sei. 166 Vgl. auch Ohly, FS Bornkamm, 423 (431). 167 Siehe auch schon (wenngleich noch zu Zeiten eines eher protektionistischen Verbraucherleitbilds) BGH GRUR 1987, 180 (181) – Ausschank unter Eichstrich II: „Regelmäßig rechnet der Gast mit einer auftragsgemäßen Ausführung seiner Bestellung, […] wenn er eine entsprechende Bestellung getätigt hat.“ 168 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 33. 169 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (1). 170 Vgl. auch Svigac, NJOZ 2013, 721 (723). 171 Siehe Svigac, NJOZ 2013, 721 (723), für das Beispiel der Lieferung eines Sessels aus Kunstleder statt, wie vereinbart, aus Echtleder. Einen relevanten objektiven Erklärungsgehalt der Vertragspflichtverletzung und eine relevante Wirkung beim Verbraucher nimmt auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 168, 67 ff., an. 172 Vgl. Abels, Anm. BGH GRUR 1983, 451 (453) – Ausschank unter Eichstrich I.

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irreführender Erklärungsgehalt einhergehen. So täuscht die offenkundige Schlechtleistung über den Umfang der Leistungspflicht („Mehr schulde ich nicht.“) und die verdeckte Schlechtleistung täuscht über die Beschaffenheit des Produkts („Das Produkt entspricht der Vereinbarung.“)173. Der Schlechtleistung kommt mithin der konkludente Erklärungsgehalt zu, die Sache sei mangelfrei (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG)174. Davon zu unterscheiden ist indes die reine Nichtleistung, von der in der Regel mangels positiven Erklärungsgehalts keine lauterkeitsrechtlich relevante Einflussnahme auf eine Verbraucherentscheidung ausgeht175. Richtig ist zwar, dass sie sich potentiell auf die Entscheidung des Vertragspartners/Verbrauchers über die Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs auswirkt176. Diese Beeinflussung ist allerdings in der Tat insofern keine nachteilige, als sie den Verbraucher erst dazu anregt, Ansprüche geltend zu machen177. Etwas anderes ist allenfalls für den eher theoretischen Fall denkbar, dass der Nichtleistung aus Sicht des Verbrauchers die nicht völlig abwegige Aussage „Ich schulde tatsächlich gar nichts“ zukommt178.

173 Siehe Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 32, mit Verweis auf Dohrn, Die Generalklausel der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, Rn. 182 f.; vgl. zum Erklärungsgehalt der Schlechtleistung auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 69; vgl. auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Weidert, UWG, § 5 C, Rn. 64, demzufolge auch das Nichtoffenbaren eines Mangels zu einer relevanten Irreführung führen kann. 174 Siehe Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 74; krit. GK-Schünemann, UWG, Einl G, Rn. 172 („völlig überzogen“). 175 Vgl. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 109 f.; Dies., 111 ff., sieht aber in der Nichtleistung bzw. Verzögerung der Leistung eine Irreführung durch Unterlassen. Wie sich aus § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ergebe, sei auch der Zeitpunkt der Erbringung einer Leistung wesentliches Merkmal, was auch auf § 5a Abs. 3 UWG zu übertragen sei. Abs. 3 gelte zwar nicht mehr nach Vertragsschluss, doch sei die Information, dass die Leistung nun erst später erbracht wird, eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, da sie die Entscheidung über die Zahlung des Kaufpreises beeinflussen könne. Schließlich sei es dem Unternehmer auch zuzumuten, den Verbraucher durch ein kurzes Telefonat zu informieren. Genau genommen liegt das entscheidende Unterlassen dann aber eben nicht in der Nichtleistung, sondern bereits zuvor im Unterlassen einer Mitteilung, nachdem dem Unternehmer klar wurde, dass er den vereinbarten Liefertermin nicht einhalten kann. 176 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 35. 177 Insofern zutreffend Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 3, Rn. 76; im Ergebnis geht dann auch Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 35 ff., nicht von einer unlauteren Einflussnahme auf die Entscheidung aus. Anders Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 108 ff., bei der es aber letztlich eher um die unterlassene Aufklärung über die Nichteinhaltung eines Liefertermins geht. In diesem Fall dürfte der täuschende Gehalt eher im ursprünglichen Versprechen liegen, das sich erst durch die Nichtleistung als unwahr herausstellt. Ein eigenständiger Erklärungsgehalt fehlt der Nichtleistung als solcher regelmäßig. 178 Vgl. Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 36, der indes darauf hinweist, dass dadurch die Grenze zur Unterlassung verwischt würde. So käme allenfalls ein Unterlassen in Betracht, wobei jedoch keine unter § 5a UWG erforderliche Informationspflicht verletzt ist.

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Auch wenn damit eine weitere Normativierung im Rahmen der Irreführung nicht in Frage kommt, heißt das nicht, dass auch eine normative Betrachtung außerhalb der Frage einer Irreführung ausscheidet. Es würde mit Blick auf die obigen Ausführungen und insbesondere dem dort beschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht dem Willen der UGP-Richtlinie sowie dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des EuGH entsprechen, Unternehmerinteressen stets unberücksichtigt zu lassen, sobald objektiv eine Irreführung des Verbrauchers vorliegt179. Weil die Verhältnismäßigkeit der Sanktion auch bei Vorliegen einer Irreführung vorauszusetzen ist, kann auch Erwägungsgrund 18 S. 2 UGP-Richtlinie180 nicht derart gelesen werden, dass die Verhältnismäßigkeit bereits vollumfänglich im Verbraucherleitbild aufgeht181. c) Der Weg über die unternehmerische Sorgfalt Einen zumindest begrifflich sehr naheliegenden Lösungsansatz bietet die berufliche bzw. unternehmerische Sorgfalt im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 lit. a UGPRichtlinie bzw. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG. Der Begriff konkretisiert nach der Richtliniensystematik das Unwertkriterium182 und drängt sich für eine abwägende Berücksichtigung schützenswerter Unternehmerinteressen geradezu auf. Schon der Hinweis auf „Treu und Glauben“ bedeutet an sich, dass das erforderliche Maß an Sorgfalt auch durch eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer und der Verbraucher zu bestimmen ist183. Nach dem Gebot von Treu und Glauben sind Handlungen an grundlegenden rechtlichen Wertungen sowie der Verhältnismäßigkeit zu messen und mit den Interessen aller Beteiligten sowie der Allgemeinheit abzuwägen184. Zwar wurde bereits festgestellt, dass es sich bei der unternehmerischen Sorgfalt um einen normativen Begriff handelt, der durchaus entsprechend dem bisherigen Verständnis funktional ausgelegt werden kann, ohne nun 179

Siehe dazu 4. Kapitel, B., III., 1. Dieser lautet wie folgt: „Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend und um die wirksame Anwendung der vorgesehenen Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, nimmt diese Richtlinie den Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren in der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab, enthält aber auch Bestimmungen zur Vermeidung der Ausnutzung von Verbrauchern, deren Eigenschaften sie für unlautere Geschäftspraktiken besonders anfällig machen.“ 181 Ohly, FS Bornkamm, 423 (429). 182 Vgl. Köhler, WRP 2012, 22 (25). 183 Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 2, Rn. 131, § 3, Rn. 43. Vgl. auch ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 139, wonach bei der Abwägung der Interessen von Unternehmer und Verbrauchern einerseits der Zweck der UGP-Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, andererseits aber auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sei. 184 Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 118, m.w.N. 180

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eine typisch schuldrechtliche Verantwortlichkeit in das UWG hineinzutragen185. Andererseits wurde bisher lediglich festgestellt, dass dieser – nach dem juristischen Sprachgebrauch eher dem Verschulden zugeordnete – Begriff nicht zu einer Abkehr von einem rein funktionell bestimmten Unlauterkeitsbegriff im Sinne des bisherigen Verständnisses zwingt. Ebenso wenig zwingend ist es jedoch ausgeschlossen, dass dieser Begriff einen verstärkten Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung von Unternehmerinteressen in dieses funktionelle Verständnis hineinträgt. So nimmt die Definition der unternehmerischen Sorgfalt noch deutlich mehr als der bisher herangezogene Art. 10bis Abs. 2 PVÜ die Unternehmerseite in den Blick, wenn sie neben „Treu und Glauben“ sowie den „Marktgepflogenheiten“ auch den „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ in Bezug nimmt. Letzterer umschreibt die Anforderungen an das Verhalten eines Unternehmers gegenüber Verbrauchern und bezieht das Können und Wissen des Unternehmers in den Maßstab mit ein186. Kernelement von „Treu und Glauben“ ist die Interessenabwägung187 und schließlich verdeutlicht der Begriff „billigerweise“ noch einmal die Notwendigkeit einer Abwägung188. Ob ein korrigierender Rückgriff auf die berufliche Sorgfalt nach der Richtliniensystematik in Frage kommt, hatte indes bereits der EuGH zu entscheiden. In der bereits genannten189 Entscheidung CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH ging es um die Frage, ob ein Reisebüro lauterkeitswidrig irreführend wirbt, wenn es behauptet, bestimmte Unterkünfte seien „exklusiv“ nur bei ihm zu buchen. Zwar war diese Exklusivität faktisch nicht gegeben, weil auch andere Reisebüros diese Unterkünfte anboten. Allerdings hatte sich das Reisebüro von den Beherbergungsbetrieben die Exklusivität vertraglich zusichern lassen und sich dementsprechend auf die Richtigkeit der eigenen Aussage verlassen190. Der öOGH tendierte dazu, dem Unternehmer bei einer aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers irreführenden oder aggressiven Geschäftspraxis die Möglichkeit einzuräumen, aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beweisen, dass er die berufliche Sorgfalt eingehalten hat. Dafür spreche systematisch, dass die Beispielstatbestände lediglich eine Konkretisierung der Unlauterkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie seien. Letzterer aber definiere die Unlauterkeit eben auch durch einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt191. Der EuGH hat indes klargestellt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Art. 6 ff. UGP-Richtlinie ein Rückgriff auf Art. 5 185

Siehe oben 2. Kapitel, B., II. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 2, Rn. 130, § 3, Rn. 41. 187 So auch Kieffer, Die Informationspflichten des § 5a UWG und die Bedeutung des Informationsmodells für das Privatrecht, 118 f. 188 Vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 3, Rn. 47. 189 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), bb), sowie 4. Kapitel, B., III., 1., b). 190 EuGH GRUR 2013, 1157 (1157) – CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH. 191 öOGH GRUR Int. 2012, 268 (270); für „gewissermaßen erstaunlich“ hielt dies in den Schlussanträgen GA Wahl, 13. 06. 2013, Rechtssache C-435/11, BeckRS 2013, 81212, Rn. 26 – CHS/Team4 Travel. 186

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Abs. 2 UGP-Richtlinie nicht in Frage kommt192 und damit den Streit entschieden. In diesem Sinne regeln nach der UWG-Novelle 2015 nunmehr die Spezialtatbestände der §§ 3a – 6 UWG die Unlauterkeit und machen damit klar, dass es eines Verstoßes gegen die unternehmerische Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG nicht bedarf193. Das ist so hinzunehmen, auch wenn der EuGH – und im Anschluss der deutsche Gesetzgeber – damit bedauerlicherweise ohne Not den wohl naheliegendsten Weg verbaut hat, einen mit Blick auf die vorangegangenen Ausführungen zwingenden Interessenausgleich tatbestandlich stimmig zu verorten194. So hatte etwa der Richtlinienvorschlag der Kommission die Notwendigkeit des Begriffs der beruflichen Sorgfalt noch damit begründet, dass zu gewährleisten sei, „dass eine dem allgemeinen Handelsbrauch und den Gepflogenheiten entsprechende Geschäftspraxis […] von der Generalklausel nicht erfasst wird, selbst wenn sie dazu geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher zu beeinflussen“195. Auch die Richtlinie selbst lässt sich ohne Weiteres dergestalt interpretieren, wie dies etwa der öOGH getan hat. Wie sich gezeigt hat196, setzt die Richtlinie sogar zwingend voraus, dass auch Unternehmerinteressen für die lautekeitsrechtliche Bewertung einer Verhaltensweise von Bedeutung sind, die Unlauterkeit einer Verhaltensweise folglich nicht allein auf die Auswirkungen beim Verbraucher gestützt werden kann. d) Interessenabwägung als nachgelagerte Korrektur In der Literatur wurde schon vor der genannten EuGH-Entscheidung gegen den Rückgriff auf § 3 Abs. 2 UWG in verbraucherbezogenen Fällen vorgebracht, die Richtlinie stelle in den Art. 6 ff. jeweils eigene Relevanzkriterien auf197. Tatsächlich bieten die einzelnen Tatbestände zumindest zum Teil potentielle Anknüpfungspunkte, um im Rahmen der Relevanz einer Verbraucherbeeinflussung eine Interessenabwägung vorzunehmen, ohne auf die Generalklausel zurückzugreifen. Art. 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie zufolge gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, „wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände […] wesentliche198 Informationen vorenthält“. Gemäß Art. 8 Abs. 1 UGP-Richtlinie gilt eine Geschäftspraxis als aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit […] erheblich199 beeinträchtigt“. Zum einen fehlen solche Anknüpfungspunkte jedoch 192 EuGH GRUR 2013, 1157 (1158, Rn. 35 ff.) – CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH. 193 Siehe bereits oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), bb). 194 Krit. auch Ohly, FS Bornkamm, 423 (432). 195 KOM (2003), 356 endg., 14. 196 Siehe 4. Kapitel, B., III., 1., a). 197 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), bb). 198 Hervorhebungen durch den Verfasser. Vgl. zur Berücksichtigung von Unternehmerinteressen im Rahmen der Wesentlichkeit bereits oben 4. Kapitel, B., III., 1., d). 199 Hervorhebungen durch den Verfasser.

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zumindest für die unwahren Angaben im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie, zum anderen spricht der EuGH auch mit Blick auf das Relevanzkriterium eine deutliche Sprache. So stellt der Gerichtshof fest, dass das Verbot allein von den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie abhängt und diese Kriterien allein die Verbrauchersphäre betreffen200. Konsequent zu Ende gedacht würde dies jedoch zu dem Ergebnis führen, dass etwa im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie jede unwahre Angabe des Unternehmers dann stets verboten ist, wenn sie in relevanter Weise auf die Verbraucherentscheidung einwirkt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum gerade im Rahmen von Art. 6 UGP-Richtlinie – anders als in Art. 7 und Art. 8 UGP-Richtlinie und entgegen den in der Richtlinie wiederholt zum Ausdruck kommenden Prinzipien – keine Möglichkeit bestehen soll, Unternehmerinteressen zu berücksichtigen. Im Ergebnis wäre dem Unternehmer in der Tat beispielsweise jede gutgläubige Rechtsverteidigung untersagt. Dass die völlige Ausblendung unternehmerischer Rechte nicht nur im Ergebnis nicht zutreffen kann, sondern auch vom Unionsrecht nicht bezweckt ist, wurde bereits dargelegt. Insofern wird auch nicht etwa eine eigene, dem Unionsrecht fremde Voraussetzung geschaffen, wenn im UWG weiterhin eine Interessenabwägung das Verbot abwenden kann, obwohl der Verbraucher tatsächlich in relevantem Maße getäuscht wurde201. In dogmatischer Hinsicht ist in zweierlei Hinsicht zu präzisieren: Zum einen ist zwischen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einerseits und der Interessenabwägung andererseits zu unterscheiden. Diese hängen zwar eng miteinander zusammen und überschneiden sich, nicht jedoch sind sie deckungsgleich. Soweit der durchschnittliche Verbraucher in relevanter Weise irregeführt wird, dürfte in der Regel ein milderes, gleich geeignetes Mittel als ein lauterkeitsrechtliches Verbot nicht gegeben sein. Daraus folgt, dass die trotz einer relevanten Wirkung beim Verbraucher gegebenenfalls erforderliche Berücksichtigung schützenswerter Unternehmerinteressen im Rahmen einer Interessenabwägung innerhalb der Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu erfolgen hat202. Zum anderen bleibt zu klären, im Rahmen welcher Norm sich die erforderliche Interessenabwägung dogmatisch verorten lässt. Wie bereits dargelegt, scheidet die naheliegendste Variante, mithin § 3 Abs. 2 UWG und insbesondere die unternehmerische Sorgfalt, aus. Folglich verbleibt lediglich § 3 Abs. 1 UWG als geeigneter Anknüpfungspunkt203. An der Möglichkeit eines Rückgriffs auf § 3 Abs. 1 UWG hat

200 EuGH GRUR 2013, 1157 (1158 f., Rn. 41 ff.) – CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH. 201 Ohly, FS Bornkamm, 423 (432 f.); die unionsrechtliche Zulässigkeit einer zusätzlichen Interessenabwägung abseits der Irreführungsprüfung verneinend z. B. Lettl, FS Bornkamm, 407 (420). 202 Ohly, FS Bornkamm, 423 (435). 203 So auch Ohly, FS Bornkamm, 423 (432 f.), wenngleich zur Rechtslage vor der Novelle 2015.

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sich auch nicht etwa durch die Novelle 2015 etwas geändert204. Zwar dient die Norm nunmehr vorwiegend als Scharniernorm zu den Rechtsfolgeregelungen205 und wird in der Literatur nur außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie, mithin abseits verbraucherbezogener Konstellationen weiterhin als eigenständiger Auffangtatbestand angesehen206. Gleichwohl hat die Untersuchung gezeigt, dass auch und gerade das Unionsrecht sowie insbesondere die UGP-Richtlinie eine Interessenabwägung auch weiterhin voraussetzen207. Da der EuGH den dogmatisch stimmigsten Weg über die unternehmerische Sorgfalt verbaut hat, ist eine dem Einzeltatbestand nachgelagerte, ungeschriebene Voraussetzung der Interessenabwägung im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG erforderlich. Angesichts des klaren Bekenntnisses der UGP-Richtlinie zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch bei objektiv vorliegender Irreführung kann die Entscheidung CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH ebenso wenig zu einem anderen Ergebnis führen208 wie das neugefasste UWG. 3. Kriterien für eine einschränkende Auslegung im Wege der Interessenabwägung Im Rahmen einer umfassenden Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen, wie sie auch die UGP-Richtlinie gerade voraussetzt209, müssen die im konkreten Fall bestehenden Gefahren und Risiken für die Unternehmer, die Verbraucher und die Allgemeinheit sowie deren jeweiliges Gewicht im Sinne eines beweglichen Systems210 berücksichtigt werden. Zwar sollte eine dem Irreführungstatbestand nachgelagerte Korrektur anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Grundsatz nur ausnahmsweise erfolgen211. Gleichwohl ist der nunmehr weitreichenden Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts nach Vertragsschluss und der besonderen Interessenlage Rechnung zu tragen, die bei Verhaltensweisen innerhalb individueller Vertragsverhältnisse gegenüber dem einzelnen Verbraucher gegeben ist. Wenngleich weder die Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts noch die Bewertung einer Verhaltensweise als unlauter eine Vielzahl betroffener Verbraucher voraussetzt, so ist doch zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen einer Verhaltensweise innerhalb eines einzelnen Vertragsverhältnisses auf den unverfälschten Wettbewerb im 204

Auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.202, sieht § 3 UWG nach wie vor als geeigneten Ort für die Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit. 205 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), bb). 206 Siehe etwa Alexander, WRP 2016, 411 (413), m.w.N. 207 Ohly, FS Bornkamm, 423 (432 f.). 208 Siehe bereits oben 4. Kapitel, B., III., 1., b). 209 Siehe 4. Kapitel, B., III., 1., a). 210 Vgl. Ohly, FS Bornkamm, 423 (435, 439). 211 Lettl, FS Bornkamm, 407 (420 f.), wendet etwa ein, selbst eine nur ausnahmsweise nachgelagerte Verhältnismäßigkeitsprüfung „nähme dem Irreführungstatbestand jegliche Kontur“.

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Sinne des § 1 S. 2 UWG regelmäßig geringer ausfallen als dies bei traditionell dem Lauterkeitsrecht unterfallenden Verhaltensweisen der Fall ist. Dieser Umstand allein vermag freilich nichts an dem Grundsatz zu ändern, dass auch Verhaltensweisen gegenüber dem einzelnen Verbraucher unlauter sein können. Eine unlautere Wirkung beim Verbraucher mag indes dann im Wege einer Interessenabwägung zurücktreten, wenn im Einzelfall weitere Umstände hinzutreten, die ein Verbot der einzelnen Verhaltensweise unverhältnismäßig erscheinen lassen. a) Grundrechtliche Wertungen In besonderem Maße muss bei der Bewertung einer unternehmerischen Verhaltensweise der grundrechtliche Schutz des Unternehmers beachtet werden. Mit Blick auf das Grundrechtsregime, das die Grundlage für die schutzwürdigen Unternehmerbelange bildet, ist zunächst zu präzisieren: In seinem Solange II-Beschluss hat das BVerfG klargestellt, dass Akte staatlicher Gewalt dann nicht mehr am Maßstab der deutschen Grundrechte gemessen werden, wenn diese Akte auf europarechtlichen Vorgaben beruhen und ein wirksamer Grundrechtsschutz gewährleistet ist, der dem unabdingbaren Grundrechtsschutz des deutschen GG im Wesentlichen gleichzuachten ist212. Der deutsche Grundrechtsschutz lebt demnach erst dann wieder auf, wenn der europäische Grundrechtsschutz unter den Grundrechtsstandard des GG absinkt213. Zum einen erfüllt die EUGRCh die Anforderungen des BVerfG214. In diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist auch, dass ein weitergehendes nationales Grundrecht eine gemeinsame Verfassungsüberlieferung im Sinne des Art. 52 Abs. 4 EUGRCh widerspiegeln kann215, die in die Auslegung des EUGRCh-Grundrechts einfließt216. Zum anderen gilt in Bereichen, die vollständig durch Unionsrecht determiniert sind, ohnehin der Vorrang des Unionsrechts, der auch durch Art. 53 EUGRCh keine Einschränkungen erfährt217. Vor diesem Hintergrund wird der Grundrechtsschutz in vollharmonisierten Bereichen wie dem durch die UGP-Richtlinie harmonisierten lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz nicht mehr durch die entsprechenden Artikel des GG, sondern durch deren europarechtliches Pendant gewährleistet218. Anwendbar ist damit die 212

BVerfG NJW 1987, 577 (582) – Solange II. BVerfG NJW 2000, 3124 (3125) – Bananenmarktverordnung. 214 Meyer-Borowsky, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 53, Rn. 9, 23. 215 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 53, Rn. 25; ebenso Meyer-Borowsky, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 53, Rn. 9. 216 Vgl. Calliess/Ruffert-Kingreen, EUV/AEUV, Art. 52 EU-GRCharta, Rn. 41: „Angstklausel […], die nochmals den mitgliedstaatlichen Befürchtungen einer Beschneidung ihrer Kompetenzen Rechnung tragen soll“. 217 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 53, Rn. 25, 27; vgl. hierzu auch Calliess/ Ruffert-Kingreen, EUV/AEUV, Art. 52 EU-GRCharta, Rn. 1 ff. 218 Raue, GRUR Int. 2012, 402 (403 f.). 213

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EUGRCh gemäß deren Art. 51 Abs. 1. Der im Rahmen der vorliegend relevanten Fallkonstellationen in Frage kommende Schutz von Meinung und Beruf bzw. unternehmerischer Tätigkeit ist auch auf Unionsebene in Art. 11 Abs. 1 bzw. Art. 15 Abs. 1, 16 EUGRCh grundrechtlich geschützt219. Insofern spricht die Berufsausübungsfreiheit bzw. die unternehmerische Freiheit sowie der Schutz von Meinungsäußerungen und insbesondere der Äußerung von Rechtsansichten dafür, dass die Anforderungen an den Unternehmer nicht überspannt werden dürfen220. So erfasst etwa die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit gemäß Art. 11 Abs. 1 EUGRCh auch werbliche Äußerungen durch Unternehmen221. Neben dem Schutz der Meinungsfreiheit greift gerade im Falle der Wirtschaftswerbung regelmäßig auch die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 EUGRCh222. Das Verbot einer werblichen Äußerung stellt auch einen Eingriff sowohl in die Meinungsfreiheit als auch in die unternehmerische Freiheit dar223. Eine Einschränkung dieser Grundrechte muss gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 1 EUGRCh gesetzlich vorgesehen sein, wobei grundsätzlich auch eine nationale Vorschrift dem Gesetzesvorbehalt genügen kann224. Welche Regelungen dabei dem Gesetzesvorbehalt genügen, richtet sich nach nationalem Recht225. Bei den Vorschriften des UWG handelt es sich indes um dem Gesetzesvorbehalt genügende Regelungen226. In jedem Fall aber muss ein Eingriff in den Schutzbereich durch ein lauterkeitsrechtliches Verbot gemäß Art. 52 Abs. 1 EUGRCh insbesondere auch verhältnismäßig sein. Für die erforderliche Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn sowie bereits für die vorgelagerte Frage, ob überhaupt der Schutzbereich eines Grundrechts eröffnet ist, muss notwendig die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes im konkreten Fall bestimmt werden. Gerade für die Reichweite des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes wird deutlich, dass diese von Umständen in der Sphäre des Unternehmers, mithin von dessen Verhalten und Sorgfalt abhängt. In Bezug auf den Gewährleistungsgehalt des Grundrechts und dessen Bedeutung für eine etwaige Einschränkung durch ein lauterkeitsrechtliches Verbot eindeutig ist die Rechtslage für die klassische Form des Werturteils („Nach meiner Auffassung besteht dieses Recht nicht.“). Dieses fällt unproblematisch unter den Schutzbereich

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Vgl. auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 153. Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 131, mit Bezug auf Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 GG. 221 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 11, Rn. 11, 16, m.w.N. Siehe auch Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EU-GRCharta, Rn. 6. 222 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 16, Rn. 5. Siehe auch EuGH LMuR 2016, 12 (18) – Neptune. 223 EuGH LMuR 2016, 12 (18) – Neptune. 224 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 52, Rn. 26 225 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 52, Rn. 26. 226 Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 1.19, 1.26. 220

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der Meinungsfreiheit und entzieht sich einem lauterkeitsrechtlichen Unwerturteil227. In der Realität des Wirtschaftslebens dürften freilich die wenigsten Unternehmer derart schüchtern auf ihr (vermeintliches) Recht hinweisen228. Auch ein forscheres Vorgehen („Ein Recht besteht nicht!“) bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf Grundrechtsschutz. Vielmehr sind etwa nach der Rechtsprechung des BVerfG auch Tatsachenbehauptungen von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, wenn und solange sie meinungsbezogen sind229. Das BVerfG legt dabei ein weites Verständnis zugrunde230 und sieht den Schutzbereich der Meinungsfreiheit erst dann nicht mehr eröffnet, wenn jeglicher Meinungsbezug fehlt, wie etwa bei statistischen Erhebungen231. Auch für das – vorliegend maßgebliche – Grundrecht aus Art. 11 Abs. 1 EUGRCh ist mit Blick auf die Praxis des EGMR, auf dessen Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann232, von einem weiten Verständnis des Begriffs „Meinung“ auszugehen. Erfasst ist demnach jede Ansicht, Überzeugung, Stellungnahme, Tatsachenäußerung und jedes Werturteil unbeschadet der Qualität und des Inhalts233. Auch wenn also die Äußerung zur Rechtslage als Tatsachenbehauptung vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit dem Grunde nach erfasst ist, gilt dies jedoch nicht uneingeschränkt. So umfasst etwa der sachliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG der Rechtsprechung des BVerfG zufolge keine (im Zeitpunkt der Äußerung) erwiesen oder erkenntlich unwahren Behauptungen234. Vergleichbares gilt für die Auslegung durch den EGMR. Auch dieser sieht ein Werturteil auch im Falle der Äußerung von Tatsachen dann gegeben, wenn die Äußerung wertende Elemente aufweist235. Zudem betont der EGMR jedoch, dass die Ausübung der Meinungsfreiheit mit „Pflichten und Verantwortung“ verbunden ist236. Demnach müsse jeder, der Informationen weitergeben will, soweit das nach den Umständen möglich ist, prüfen, ob sie genau und zuverlässig sind237. Der EGMR berücksichtigt mithin im Rahmen einer Abwägung, inwiefern die äußernde Person ihren Sorgfaltspflichten im 227

Köhler, WRP 2009, 898 (907). Dieses praktische Problem spricht auch Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 134 f., an. 229 BVerfG NJW 1983, 1415 (1415 f.) – Wahlkampf. 230 BVerfG NJW 1983, 1415 (1416) – Wahlkampf. 231 Siehe BVerfG NJW 1984, 419 (421) – Volkszählung; vgl. auch BeckOK-Schemmer, GG, Art. 5, Rn. 6, m.w.N. 232 Der Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 EUGRCh ist identisch mit demjenigen von Art. 10 Abs. 1 S. 1 und 2 EMRK, vgl. Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EU-GRCharta, Rn. 2. 233 Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EU-GRCharta, Rn. 6, m.w.N. 234 BVerfG NJW 1983, 1415 (1415) – Wahlkampf; siehe auch Maunz/Dürig-Grabenwarter, GG, Art. 5 Abs. 1,2, Rn. 49, m.w.N. 235 Vgl. Payandeh, JuS 2016, 690 (694), mit Verweis auf EGMR BeckRS 2016, 10852. 236 EGMR NJW 2011, 3501 (3504); siehe auch Payandeh, JuS 2016, 690 (694). 237 EGMR NJW 2011, 3501 (3504). Der EGMR stellt in diesem Zusammenhang zudem auf die Rechtsprechung des BVerfG ab, wonach es für den grundrechtlichen Schutz darauf ankomme, ob „wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht“ wurden. 228

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Hinblick auf die Ermittlung des Wahrheitsgehalts einer Äußerung gerecht geworden ist. Der Grundrechtsschutz hängt also von der Erkenntlichkeit der Unrichtigkeit für den Unternehmer, mithin von einer subjektiven Komponente und insbesondere von der durch den Unternehmer angewandten Sorgfalt ab. Dem Unternehmer kommt damit nicht generell ein „Irrtumsprivileg“ zu. Er ist jedoch darin geschützt, Rechtsansichten zu äußern sowie Tatsachen zu behaupten, soweit diese vertretbar und nicht für ihn erkennbar falsch sind. Wenn indes der grundrechtliche Schutzumfang von der Kenntnis und der Sorgfalt des Unternehmers abhängt, dann muss diese subjektive Komponente zwangsläufig – zumindest mittelbar – auch eine Rolle bei der lauterkeitsrechtlichen Bewertung einer Verhaltensweise spielen. b) Subjektive Verantwortlichkeit Wenn man wie etwa Svigac und Tiller ein Vertretenmüssen verlangt238, dann wird die subjektive Verantwortlichkeit zur Voraussetzung der Unlauterkeit gemacht und in der Tat ein typisch schuldrechtlicher Haftungsmaßstab in das Lauterkeitsrecht transportiert. Das begegnet zumindest auf den ersten Blick Bedenken. Zwar ist der Gedanke subjektiver Erfordernisse im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung keineswegs neu. Noch unter Geltung des § 1 UWG 1909 verlangten Rechtsprechung und herrschende Literatur zwar nicht das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit, so aber doch ein Handeln in Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände239. Spätestens mit der UWG-Reform 2004 hat sich jedoch eine funktionale Betrachtung durchgesetzt, derzufolge die Unlauterkeit alleine an einer objektiven Beeinträchtigung des Wettbewerbsgeschehens anknüpfe240. Und auch nach der Novelle 2008 soll es nach Rechtsprechung und Literatur allein darauf ankommen, ob eine geschäftliche Handlung objektiv geeignet ist, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen241. Maßgebliches Argument gegen die Berücksichtigung einer subjektiven Verantwortlichkeit im Rahmen der Unlauterkeit ist der Umstand, dass der lauterkeitsrechtlich im Vordergrund stehende Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch gemäß § 9 Abs. 1 UWG

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Siehe oben 4. Kapitel, B., I., 2., a). Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 39, m.w.N.; eingehend zur Thematik Anders, Subjektive Elemente des Sittenwidrigkeitsbegriffs des § 1 UWG, 18 ff., mit Darstellung des Meinungsstands zu den jeweils vertretenen Positionen. 240 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 40, m.w.N.; von einem „Objektivierungsprozeß“ sprach bereits Schricker, GRUR 1974, 579 (582); Berneke, FS Doepner, 3 (17) sprach in jüngerer Vergangenheit von einer „moderne[n] Tendenz zur objektiven Fassung des Lauterkeitsrechts“. 241 BGH GRUR 2009, 1080 (1082) – Auskunft der IHK, mit Verweis auf BGH GRUR 2005, 778 (778) – Atemtest, und BGH GRUR 2007, 800 (800) – Außendienstmitarbeiter; vgl. jeweils m.w.N. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 2.16 f.; Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 40; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Podszun, UWG, § 3, Rn. 153 ff. 239

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weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit voraussetzt242. Strukturell sei das Merkmal der Unlauterkeit eher der Rechtswidrigkeit zugeordnet und vom Verschuldenserfordernis zu trennen243. Die Richtlinie scheint dies zudem in Art. 11 Abs. 2 S. 1 UGPRichtlinie zu bestätigen, wonach der Nachweis von „Vorsatz oder Fahrlässigkeit“ für das Verbot einer unlauteren Geschäftspraxis nicht erforderlich ist244. Festzuhalten ist zunächst, dass sich die Notwendigkeit einer rein objektiven Prüfung der Unlauterkeit nicht zwingend und unmittelbar aus der Reform 2004 ergibt. Der Bundesrat hatte insofern noch darum gebeten, dass im Gesetz eine Klarstellung erfolgt, dass es auf die Vorstellungen des Handelnden nicht ankommt245. Dagegen sah die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung gerade keine Veranlassung zu einer Klarstellung und wollte die Klärung der Frage ausdrücklich der Rechtsprechung und Literatur überlassen246. Bei Lichte betrachtet lassen sich subjektive Kriterien auch gar nicht stets aus der Prüfung eines lauterkeitsrechtlichen Verbots heraushalten. Zumindest denkbar scheint es, schon aus Art. 5 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 2 lit. e UGP-Richtlinie ein subjektives Element herauszulesen („um […] zu“). Eine solche Lesart verliert aber an Überzeugungskraft, vergleicht man die deutsche Sprachfassung der Richtlinie mit derjenigen anderer Länder. Sowohl das englische „thereby causing“ (dadurch verursachen) als auch das französische „par conséquent“ (folglich) legen eher einen objektiven Kausalzusammenhang nahe247. Jedenfalls aber kann mit Blick auf die einzelnen Tatbestände des UWG248 und der Richtlinie nicht geleugnet werden, dass in manchen Fällen eine subjektive Komponente zu prüfen ist. Dies wird deutlich beim Blick auf einige der im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG aufgeführten stets unzulässigen geschäftlichen Handlungen. Zu nennen sind Nr. 6 („in der Absicht“), Nr. 7 („um […] zu“), Nr. 11 („zu Zwecken“), Nr. 13 („in der Absicht“), Nr. 19 („um den Verbraucher dazu zu bewegen“) und Nr. 27 („abgehalten werden soll“; „systematisch nicht beantwortet werden“). Auch § 4 Nr. 4 UWG („gezielt“) sowie § 4a Abs. 2 Nr. 3 („bewusste Ausnutzung“) setzen ein subjektives Element auf Seiten des Unternehmers voraus. Über den Rechtsbruchtatbestand muss zudem der vollständige „fremde“ Normverstoß und damit unter Umständen auch der 242 Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 39, m.w.N.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 2.17; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Podszun, UWG, § 3, Rn. 157. 243 Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 141; vgl. auch Köhler, GRUR 2004, 381 (386). 244 Darauf weist Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 2.18, hin. 245 Stellungnahme BRat, BT-Drucks. 15/1487, 30. 246 Gegenäußerung BReg, BT-Drucks. 15/1487, 40; vgl. dazu auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 180, insbesondere Fn. 853. 247 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 4; krit. zur Formlierung der Richtlinie auch Veelken, WRP 2004, 1 (8 f.); ausführlich gegen ein Verständnis, das der Richtlinie ein Verschuldenselement entnehmen will, argumentiert Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 139 ff. 248 Vgl. auch Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 181.

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entsprechende subjektive Tatbestand geprüft werden249. Auch die Richtlinie setzt in einer Reihe von Tatbeständen offensichtlich subjektive Elemente voraus; so in Art. 9 lit. c UGP-Richtlinie („Ausnutzung“), Anhang I Nr. 5 („Aufforderung […], ohne dass darüber aufgeklärt wird, dass der Gewerbetreibende hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass er nicht in der Lage sein wird […]“), Nr. 6 lit. c („in der Absicht“), Nr. 7 („um so“), Nr. 13 („absichtlich“), Nr. 15 („Behauptung, der Gewerbetreibende werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen, obwohl er dies keineswegs beabsichtigt“), Nr. 25 („um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen“) und Nr. 27 („um so den Verbraucher von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten“). Richtig ist, dass damit Einzeltatbestände beschrieben sind, die am Grundsatz objektiver Beurteilung nicht zwangsläufig etwas ändern250. Dass die streng objektive Prüfung der Unlauterkeit aber auch abseits dieser Fälle nicht stets durchgehalten werden kann, zeigt sich, wenn man dem oben genannten strukturellen Einwand differenzierend nachgeht: Freilich ist die Unlauterkeit kategoriell eher der Rechtswidrigkeit zugeordnet. Diese betrifft nicht etwa das Vertretenmüssen und damit die Zurechnung von Unrecht zu einer bestimmten Person, sondern die Frage, ob ein Verhalten objektiv missbilligenswert ist. Allerdings besteht die Besonderheit der lauterkeitsrechtlichen Tatbestände darin, dass die Unlauterkeit – ähnlich einem Rahmenrecht – im Rahmen einer umfassenden Gesamtbetrachtung festzustellen ist251. In diese Gesamtbetrachtung müssen nach den obigen Ausführungen auch die schützenswerten Interessen des Unternehmers eingestellt werden. Dabei liegt auf der Hand, dass die Gewichtung dieser Interessen, mithin die Schutzwürdigkeit des Unternehmers nicht unabhängig von dessen Absichten bewertet werden kann. Das lässt sich gerade mit Hilfe eines Blicks auf den oben dargestellten, von subjektiven Kenntnissen und der Sorgfalt des Unternehmers abhängigen Grundrechtsschutz verifizieren. Aus Wertungsgesichtspunkten lässt sich dieses Ergebnis in Parallele zur Behandlung unberechtigter lauterkeitsrechtlicher Abmahnungen setzen. Auch hier geht es um die Frage, ob der Unternehmer einen (vermeintlichen) Anspruch geltend machen darf. Wenngleich die Kenntnis oder das Kennenmüssen einer nicht gegebenen Rechtsverletzung für die Rechtswidrigkeit an sich nicht vorausgesetzt ist, streitet u. a. Art. 5 Abs. 1 GG für die Zulässigkeit einer solchen Abmahnung252. Unlauter soll die Abmahnung demnach nur sein, wenn der Abmahner von der

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Siehe Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 181, mit Verweis auf Köhler, GRUR 2004, 381 (385). 250 Vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 3, Rn. 42; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 3, Rn. 2.19. 251 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 182. 252 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4, Rn. 4.166 f.

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fehlenden Berechtigung weiß oder sich dieser Kenntnis bewusst verschließt253. Insofern wurden von der Rechtsprechung nicht die – in der Literatur ohnehin kritisierten254 – Grundsätze zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung übernommen255, wonach ohne jede Interessenabwägung allein die fehlende Berechtigung zu einem Unterlassungsanspruch wegen rechtswidrigen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb führen soll256. Diese strenge Haltung wurde und wird auf den Charakter der Schutzrechte zurückgeführt. Die Schutzrechte gewähren ein absolutes Recht, dessen Stärke es rechtfertige, dem Inhaber als Korrelat auch die Gefahren der fälschlichen Behauptung eines solchen Rechts aufzubürden257. Ein solches absolutes Recht besteht indes beim Vorgehen aus Wettbewerbsrecht nicht258. Zudem ist die Risikolage für den Verwarnten nicht mit derjenigen bei der Schutzrechtsverwarnung vergleichbar. Weder bestehen bei einer Abmahnung aus Lauterkeitsrecht Anhaltspunkte für einen Informationsvorsprung des Abmahnenden noch ist das Schadensrisiko für den Abgemahnten höher als in anderen deliktsrechtlichen Streitigkeiten259. Erst recht gilt diese unterschiedliche Wertung und die geringere Schutzwürdigkeit des Verbrauchers bzw. höhere Schutzwürdigkeit des Unternehmers für Fälle, in denen der Unternehmer (nur) seine vertraglichen Rechte geltend macht bzw. geltend zu machen glaubt. Im Ergebnis mag eine subjektive Verantwortlichkeit des Handelnden nicht unmittelbar Voraussetzung für die Unlauterkeit sein. Zumindest mittelbar im Rahmen einer Interessenabwägung spielt das Kriterium indes zwangsläufig eine Rolle. Die Bedeutung dieser subjektiven Komponente geht über die Subjektivierung des Begriffs „Angabe“ im Sinne eines Abstellens auf eine innere Absicht hinaus260. So finden Kenntnis und Sorgfalt des Unternehmers auch in Fällen (mittelbar) Berücksichtigung, in denen etwa Äußerungen zur Beschaffenheit eines Produkts oder zur Rechtslage aktuell nachprüfbar sind. Entscheidend ist demnach, dass die in die Interessenabwägung einzustellenden Belange des Unternehmers und deren Schutzwürdigkeit von subjektiven Merkmalen abhängen. Zum einen ist dieses Ergebnis insofern keine Revolution, als der lauterkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch ohnehin faktisch zu keinem Zeitpunkt ohne jedes subjektive Element ausgekommen ist. Auch wenn das UWG spätestens nach der Reform 2004 weitestgehend als objektives Marktverhaltensrecht angesehen wurde, zeigt bereits die aus253

Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4, Rn. 4.167, mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 2010, 1133, Rn. 24 – Bonuspunkte; Ullmann, GRUR 2001, 1027 (1030); auch Ohly/ Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 4/43. 254 Siehe etwa Ohly/Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 4/38, m.w.N. 255 BGH GRUR 2011, 152 (157) – Kinderhochstühle im Internet; vgl. Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, § 4, Rn. 4.166 f.; Ohly/Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 4/43. 256 BGH GRUR 2005, 882 (884 f.); vgl. MüKo-Wagner, BGB, § 823, Rn. 328 ff., m.w.N. 257 Meier-Beck, GRUR 2005, 535 (537, 540), mit Verweis auf RGZ 58, 24 (30) – Juteplüsch. 258 Vgl. Ullmann, GRUR 2001, 1027 (1027). 259 Vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 4/43. 260 Siehe oben 4. Kapitel, B., I., 1., a), und III., 2., a).

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

führlich dargestellte Einschränkung auf Anwendbarkeitsebene, dass die Absichten bzw. Ziele des Unternehmers immer wieder herangezogen wurden („Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“)261. Dies gilt auch für einschränkende Ansätze nach der Reform 2008262. Ob ein derartiger Rekurs im Rahmen der Anwendbarkeit oder der Unlauterkeit erfolgt, ändert nichts daran, dass jedenfalls stets auch Kenntnisse und Motive des Unternehmers in bestimmten Fällen in die Betrachtung mit einbezogen wurden und werden263. Zum anderen steht dieses Ergebnis letztlich auch in Einklang mit der Aussage der amtlichen Begründung zu § 3 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, wonach die Feststellung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb nicht unerheblich zu verfälschen, eine nach objektiven und subjektiven Momenten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffende Wertung voraussetzt264. Im Ergebnis kommt gerade im Zusammenhang mit vertragsbezogenem Verhalten eine Interessenabwägung zugunsten des Unternehmers trotz einer ansonsten objektiv unlauteren Auswirkung auf Seiten des Verbrauchers bei fehlender Verantwortlichkeit des Unternehmers im Einzelfall in Frage, um unverhältnismäßige Konsequenzen zu vermeiden265.

4. Vermutung der Wiederholungsgefahr Für die verbleibenden Fälle, in denen etwa eine vereinzelte vertragsbezogene Verhaltensweise nicht im Wege einer Interessenabwägung vom Unlauterkeitsverdikt ausgenommen ist, kann die zurückhaltendere Auslegung der Wiederholungsgefahr dazu führen, dass es im Einzelfall nicht zu einem Unterlassungsanspruch kommt. Es handelt sich dabei um Verhaltensweisen, die tatsächlich missbilligenswert sind und daher ein grundsätzliches Unwerturteil rechtfertigen, die aber rein faktisch einen derartigen Einzelfallcharakter aufweisen, dass eine Wiederholung bei realistischer Betrachtung nicht zu besorgen ist. Insofern bietet der Ansatz Köhlers eine dogma261

Siehe oben 1. Kapitel, C., D. Siehe oben 2. Kapitel, B., III., 2., b) sowie 3., b). Auch GK-Peukert, UWG, § 3, Rn. 372 erkennt in dem funktionalen Ansatz Köhlers einen „Rekurs auf subjektive Tatbestandselemente“. 263 Vgl. zum Irreführungstatbestand noch Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5, Rn. 2.10: „Zwar kommt es auf ein subjektives Element an sich nicht mehr an; […] Gleichwohl liegt nicht in jeder unrichtigen Angabe, die sich im Zuge der Anspruchsdurchsetzung einschleicht, eine unlautere geschäftliche Handlung. Erforderlich ist insofern ein systematisches Vorgehen [Hervorhebungen durch den Verfasser]. Nicht jedes Versehen im Einzelfall kann als Wettbewerbsverstoß verfolgt werden.“ Nicht ganz klar ist, wie sich dies mit der nachfolgenden Feststellung verträgt, für ein systematisches Vorgehen sei kein Vorsatz erforderlich. Anders inzwischen Köhler/ders./Feddersen, UWG, § 5, Rn. 1.15. 264 Begr RegE BT-Drucks. 15/1487, 17. 265 Vgl. auch die Ausführungen zur gebotenen Interessenabwägung und zur Berücksichtigung von subjektiver Kenntnis in BGH GRUR 2007, 890 (892, 894) – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 262

B. Ausuferndes Lauterkeitsrecht?

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tisch überzeugende Möglichkeit266, bloße Einzelfälle im Ergebnis restriktiver zu handhaben, ohne dabei von einem Schutz auch im einzelnen Fall und bei lediglich individueller Betroffenheit abzurücken. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr und damit die Umkehr der Darlegungslast ist im Allgemeinen rechtspraktisch durchaus begrüßenswert. Sie ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt und wird nicht in Frage gestellt267. Fallgestaltungen, in denen die Vermutung der Wiederholungsgefahr trotz eines begangenen Verstoßes widerlegt werden kann bzw. von vornherein nicht anzunehmen ist, sind in der Praxis bisher äußerst selten268. Der Einwand einzigartiger Umstände wurde in der Vergangenheit zwar oftmals gegen das Bestehen einer Wiederholungsgefahr geltend gemacht und konnte im Einzelfall begründet sein, zumeist wurde und wird er jedoch erfolglos erhoben269. Im Allgemeinen gelingt die Widerlegung der Vermutung vielmehr nur durch die Abgabe einer bedingungslosen und unwiderruflichen Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung270. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die Vermutung der Wiederholungsgefahr auch für Verhaltensweisen im individuellen Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher in ihrer bisherigen Reichweite zu rechtfertigen ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist es erforderlich, sich den Hintergrund des Unterlassungsanspruchs allgemein und der auf den Verletzungsunterlassungsanspruch regelmäßig angewandten Vermutungsregelung im Speziellen vor Augen zu führen. Der Verletzungsunterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 UWG soll zukünftige Zuwiderhandlungen verhindern und wirkt damit bei Lichte betrachtet grundsätzlich ebenso „vorbeugend“ wie der Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 UWG271. Auch im Rahmen des Verletzungsunterlassungsanspruchs geht es mithin um die Bewertung einer Begehungsgefahr, während die bereits erfolgte Zuwiderhandlung nur den Anknüpfungspunkt für die Vermutung der Wiederholungsgefahr bildet272. Wiederholungsgefahr setzt ebenso wie Erstbegehungsgefahr voraus, dass ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte für das Eintreten eines UWG-Verstoßes bestehen273. Wegen des Präventionszwecks ist daher jeder der beiden Unterlassungsansprüche von einer Prognose abhängig274. Während für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr keine 266 Krit. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Keller, UWG, § 2, Rn. 95, Fn. 427, der eine Lösung im materiellen Recht für vorzugswürdig erachtet. 267 MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 35, m.w.N. zu Rechtsprechung und Literatur. 268 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Goldmann, UWG, § 8, Rn. 45. 269 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8, Rn. 1.52. 270 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8, Rn. 1.44, m.w.N. 271 MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 13, 15. 272 MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 17, 21 f.; vgl. auch Harte-Bavendamm/HenningBodewig-Goldmann, UWG, § 8, Rn. 79. 273 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Goldmann, UWG, § 8, Rn. 42, 84. 274 MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 15.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

tatsächliche Vermutung streitet275, beruht die Vermutung im Falle des Verletzungsunterlassungsanspruchs auf der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach ein Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr eine geschäftliche Handlung deshalb vornimmt, weil er sich davon einen Vorteil verspricht, so dass er diese Handlung in der Regel wiederholen wird276. Wiederholungsgefahr bedeutet damit die durch Tatsachen (den bereits erfolgten rechtswidrigen UWG-Verstoß) begründete konkrete Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verletzer in gleicher oder jedenfalls sehr ähnlicher Weise erneut gegen das Lauterkeitsrecht verstoßen wird277, und erfasst die konkrete Verletzungsform sowie alle Begehungsformen, die mit der konkreten Verletzungsform im Kern wesensgleich sind, in denen also das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt278. Wenn es also bei der Vermutung der Wiederholungsgefahr um die Bewertung von Wahrscheinlichkeiten geht, dann ist zu berücksichtigen, dass die bisherige Praxis aus einer Zeit stammt, in der ein Handeln zum Zwecke des Wettbewerbs prägend für das Lauterkeitsrecht war, während einzelne nachvertragliche Handlungen im individuellen Vertragsverhältnis bei der Entstehung dieser Rechtspraxis keine Rolle gespielt haben. Insofern muss die tradierte Rechtspraxis für diese Sachverhaltskonstellation auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls neu bewertet werden. Anders als bei klassischen lauterkeitsrechtlichen Konstellationen, in denen sich ein Unternehmen an eine Vielzahl von Verbrauchern wendet, ist bei individuellen Verhaltensweisen im konkretisierten Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und einzelnem Verbraucher gerade nicht stets aus der Lebenserfahrung zu schließen, dass sich ein einmal erfolgter Verstoß im Rahmen eines anderen Vertragsverhältnisses wiederholt. Einzugestehen ist freilich, dass die von Köhler vertretene Abgrenzung zwischen wiederholbarem und nicht wiederholbarem Verhalten oftmals schwierig sein dürfte, da schließlich jede Verhaltensweise auch im Einzelfall stets wiederholbar ist279. Im Ergebnis ist daher nicht auf den – wenig trennscharfen – Begriff der Wiederholbarkeit, sondern maßgeblich auf den Charakter der in Rede stehenden Verhaltensweise abzustellen. Verwendet etwa ein Unternehmer unwirksame AGB und beruft sich sodann im Rahmen eines individuellen Vertragsverhältnisses gegenüber dem Verbraucher auf einen Ausschluss von Rechten, so ist dieses Verhalten, auch wenn es im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses stattfindet, geradezu darauf ausgelegt, sich auch in weiteren Vertragsverhältnissen zu wiederholen. Soweit das Unternehmerverhalten indes ausschließlich individuellen Charakter hat, wie etwa das Bestreiten eines spezifischen, für den Unternehmer erkennbaren Mangels im Rahmen eines einzelnen Vertragsverhältnisses, dann ist die Vermutung einer Wiederholungsgefahr nur schwer zu rechtfertigen. Entscheidend dürfte mithin weniger 275 276 277 278 279

Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Goldmann, UWG, § 8, Rn. 86, m.w.N. MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 35; Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 8, m.w.N. MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 32, mit Verweis auf die st. Rspr. Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 8, m.w.N. Vgl. Goldhammer, Lauterkeitsrecht und Leistungsstörungsrecht, 88.

C. Lösung der relevanten Fälle

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die Wiederholbarkeit einer Verhaltensweise als vielmehr die Frage sein, ob dem individuellen Verhalten ein verallgemeinerbarer, in seiner konkreten Ausprägung auch auf andere individuelle Vertragsverhältnisse übertragbarer Charakter in dem Sinne zukommt, dass zu erwarten ist, dass der Unternehmer gegenüber anderen Verbrauchern in gleicher Weise vorgeht280. Soweit es sich um eine isolierte, auf ein bestimmtes Vertragsverhältnis begrenzte Maßnahme handelt, ist eine weitere, im Kern gleiche Verletzungshandlung281 nicht zu befürchten. Diesbezüglich ist zudem bereits fraglich, ob es sich bei einer Verhaltensweise in einem gänzlich anderen Vertragsverhältnis überhaupt um eine im Kern gleiche Verletzungshandlung handelt. Insoweit würde es sich vielmehr um eine Erstbegehungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2 UWG handeln, für die eine Vermutungsregelung ohnehin keine Anwendung findet.

C. Lösung der relevanten Fälle Auf Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse sind abschließend die verschiedenen Fallgruppen vertragsbezogenen Verhaltens zu lösen.

I. Vorvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung Anknüpfend an die Ausführungen eingangs dieses Kapitels lassen sich innerhalb der Fallgruppe vorvertraglicher Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung Fälle der Absatzförderung und solche der Absatzverhinderung unterscheiden. 1. Klassisch absatzförderndes Verhalten Die Absatzförderung im Sinne des Hinwirkens auf einen vollkommen neuen Vertrag ist der klassische Fall des Lauterkeitsrechts. Es kann indes noch einmal differenziert werden zwischen dem irreführenden Angebot und dem irreführenden bzw. unsachlichen Einfordern einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung. In den diesbezüglich entschiedenen Fällen kommt die Rechtsprechung zu Lösungen, die im Ergebnis auch dem vorliegend vertretenen Lösungsansatz entsprechen. In den Fällen Ausschank unter Eichstrich I und II sowie Ziegelvorhangfassade lag jeweils ohne Weiteres eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 280

Vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 2, Rn. 86, der im Ergebnis darauf abstellt, ob „davon auszugehen [ist], dass der Unternehmer auch in gleich gelagerten Fällen so verfahren wird“. 281 Für eine Beschränkung der Wiederholungsgefahr auf die „identische Verletzungsform“ statt auf „alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen“ wohl MüKo-Fritzsche, UWG, § 8, Rn. 33; auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8, Rn. 1.46.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

Nr. 1 UWG vor. Abweichend von den Ausführungen des BGH bedarf es nach neuem Recht keines Rückgriffs auf die Figur des planmäßigen Gesamtverhaltens und eines damit verbundenen Wettbewerbsvorteils. Das Angebot einer bestimmten Menge Bier zu einem bestimmten Preis ist ebenso unproblematisch als geschäftliche Handlung zu qualifizieren wie das Angebot von Ziegelvorhangfassaden mit bestimmten Eigenschaften282. Während die Unterscheidung zwischen der späteren Schlechtleistung im Einzelfall und in mehreren Fällen bei der Prüfung der geschäftlichen Handlung keine Rolle spielt, wird sie im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung relevant. Konkret kommt es auf diese Unterscheidung für die Frage an, ob eine irreführende Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG anzunehmen ist. Im Anschluss an die obigen Ausführungen283 kann die Angabe hier jeweils nur in dem Versprechen gesehen werden, ein – erst noch herzustellendes – Produkt in einer bestimmten Quantität bzw. Qualität liefern zu können und zu wollen. Ob die Fähigkeit und der Wille hierzu im Zeitpunkt der Kundgabe vorlagen, kann nur anhand einer Gesamtschau der objektiven Indizien beurteilt werden, wobei gerade die wiederholte Minderleistung den maßgeblichen Anhaltspunkt bildet. Damit kommt letztlich die vom BGH entwickelte Argumentationsfigur an anderer Stelle zum Einsatz. Ein einzelner Fall der Schlechtleistung dürfte regelmäßig – d. h. ohne konkrete anderweitige Anhaltspunkte – kein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen oder die Leistungsbereitschaft im Zeitpunkt der Äußerung sein. Anders ist der Fall dann zu bewerten, wenn die Schlechtleistung sich in einer Vielzahl von Fällen häuft284. Das daraus folgende Ergebnis einer unlauteren Irreführung ist dann auch mit Blick auf die bestehende Interessenlage und insbesondere angesichts des bewussten Vorgehens des Unternehmers sachgerecht und daher nicht etwa im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu korrigieren. Soweit man – wie im Fall Ausschank unter Eichstrich II – anhand der Vielzahl der späteren Schlechtleistungsfälle auf einen von Anfang an fehlenden Willen zur Leistung in der versprochenen Art und Weise schließt, liegt die fehlende Schutzbedürftigkeit des Unternehmers auf der Hand. Dagegen ging es im Fall Ziegelvorhangfassade weniger um die fehlende Leistungsbereitschaft als vielmehr um die fehlende Leistungsfähigkeit. Bei einer Vielzahl bekanntgewordener Fälle nicht standsicherer Fassaden ist der Unternehmer jedoch beim Angebot entsprechender Fassaden aufgrund der potenzierten Auswirkungen auf Verbraucherseite sowie deshalb nicht schutzwürdig, weil er – wie auch der BGH zutreffend erkannt hat – die mangelnde Standsicherheit kannte oder kennen musste285. In den Folgeverträge-Entscheidungen ging es dem Antrag entsprechend nicht unmittelbar um die Zusendung von Rechnungen für Leistungen, über die an sich noch kein Vertrag geschlossen wurde. Gleichwohl wurde die Unlauterkeit dieses 282 Zur Schlechtleistung als der relevanten geschäftlichen Handlung siehe unten 4. Kapitel, C., IV., 2. 283 Siehe dazu 4. Kapitel, B., I., 1., a), und III., 2., a). 284 Vgl. Tiller, Gewährleistung und Irreführung, 127 ff. 285 BGH GRUR 1994, 640 (642) – Ziegelvorhangfassade.

C. Lösung der relevanten Fälle

307

Vorgehens vorausgesetzt und in die Gesamtbetrachtung der späteren Durchsetzung einbezogen286. Die Zusendung derartiger Rechnungen als solche ist ohne Weiteres eine geschäftliche Handlung. Die relevante Angabe ist die konkludente (und unrichtige) Äußerung zur Rechtslage dahingehend, dass der Verbraucher infolge eines (tatsächlich nicht erfolgten) Vertragsschlusses einen Geldbetrag zu zahlen hat. Es handelt sich dabei auch um eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG; ob ein Vertrag geschlossen wurde oder nicht, ist eine aktuell auf ihre Richtigkeit hin überprüfbare Frage. Ob der Verbraucher sich von den Bestellkarten irreführen lässt, hängt freilich von deren konkreter Gestaltung ab. Der BGH hatte hier jeweils noch eine Irreführung angenommen. Ob diese Beurteilung auch dem inzwischen liberaleren Verständnis von einem aufgeklärten Verbraucher standhält, lässt sich durchaus in Frage stellen. So wies die Bestellkarte zwar im Kleingeschriebenen, aber doch ganz explizit darauf hin, dass der Vertrag erst mit Bezahlung zustande kommt287. Es dürfte indes zumindest vertretbar sein, auch nach aktuellem Verbraucherleitbild eine Irreführung anzunehmen. Die Bedeutung, die die Richtlinie der Zusendung von Rechnungen ohne vorangegangene Bestellung beimisst, wird daran deutlich, dass der Fall als stets unzulässige Geschäftspraxis im Sinne von Anhang I Nr. 21 gilt, umgesetzt in Anhang Nr. 22 UWG. Nimmt man also im Ergebnis einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht an, dann ist dies auch wertungsgerecht. Es ist keinerlei schutzwürdiges Interesse des Unternehmers daran ersichtlich, Angebote nicht auch klar als solche kenntlich zu machen. In gleicher Weise ist der Fall zu bewerten, dass der Unternehmer den Verbraucher durch eine unsachliche Beeinflussung dazu veranlasst, einen nicht geschuldeten Betrag zu zahlen und damit einen – anfechtbaren – Vertrag einzugehen. Die Ankündigung des Besuchs eines auf Inkasso spezialisierten Mitarbeiter-Teams in den Abendstunden enthält die implizite Drohung mit der Anwendung von Gewalt und beeinflusst den Verbraucher relevanterweise in seiner Entscheidung über die Zahlung. Dies hat auch das OLG München in der Entscheidung Besuch durch InkassoTeam festgestellt288. Soweit der von der Beklagten im vorgenannten Fall behauptete Vertrag über den Bezug pornografischer Filme bis dahin tatsächlich nicht geschlossen wurde289, nimmt der Unternehmer nicht nur auf die Zahlung als solche, sondern auch auf die damit getroffene, gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechtbare Entscheidung über den Abschluss eines Vertrags Einfluss. Ein schutzwürdiges Unternehmerinteresse für eine derartige Einflussnahme ist nicht ersichtlich.

286

Siehe BGH GRUR 1995, 358 (359 f.) – Folgeverträge II. Siehe BGH GRUR 1993, 126 (126) – Folgeverträge I. 288 OLG München GRUR-RR 2010, 50 (51) – Besuch durch Inkasso-Team. 289 Siehe zur abweichenden Sachverhaltsvariante eines erfolgten Vertragsschlusses unten 4. Kapitel, C., IV., 3., d). 287

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

2. „Absatzverhinderndes“ Verhalten Nicht jede Verhaltensweise vor Vertragsschluss hängt unmittelbar mit der Förderung des Absatzes zusammen. Auch der verspätete Widerruf eines bereits abgegebenen, aber noch nicht angenommenen Vertragsangebots gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB ist ohne Weiteres eine geschäftliche Handlung. Er enthält darüber hinaus eine konkludente (und anhand des Gesetzes aktuell nachprüfbare) Angabe dahingehend, dass der Widerruf rechtzeitig und eine Annahme nicht mehr möglich sei. Selbst der aufmerksame Verbraucher wird im Regelfall als juristischer Laie nicht über die nach wie vor mögliche Annahme im Bilde sein und damit irregeführt. Gleichzeitig steckt in der Angabe jedoch eine Äußerung zur Rechtslage, die ein wertendes Kriterium enthält und daher vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit zu bewerten ist. Der Unternehmer dürfte in Fällen eines Angebots unter Abwesenden, d. h. im schriftlichen Geschäftsverkehr, oftmals gar nicht wissen (können), ob dem potentiellen Vertragspartner das Angebot bereits zugegangen ist. Der verspätete Widerruf dürfte mithin lediglich in den Fällen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und daher unlauter sein, in denen der Unternehmer vom vorherigen Zugang des Angebots weiß. Vertritt der Unternehmer auch in diesen Fällen die Rechtsauffassung, der Widerruf sei gleichwohl noch möglich, so ist dies nicht schutzwürdig. Diese Rechtsauffassung lässt sich durch einen einfachen Blick in das Gesetz überprüfen und als falsch erkennen. In derartigen Fällen kann allein die restriktive Handhabung der Wiederholungsgefahr einem lauterkeitsrechtlichen Anspruch entgegenstehen, sollte der verspätete Widerruf sich bisher auf einen einzelnen Fall beschränkt haben. Auch wenn im Ergebnis eine unlautere Handlung in vielen Fällen nicht vorliegen wird, so trägt der Unternehmer doch bei einer rein objektiv irreführenden Aussage insofern ein Risiko, als er für den grundrechtlichen Schutz seiner – in gutem Glauben erfolgten – Äußerung die Darlegungs- und Beweislast trägt.

II. Vorvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung Auch der Großteil der oben in die Fallgruppe der vorvertraglichen Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung eingeordneten Fälle sind im Ergebnis übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung zu lösen, wenngleich mit abweichender Begründung. Die Verwendung eines Gewährleistungsausschlusses etwa ist eine geschäftliche Handlung, ohne – wie der BGH in der Entscheidung Gewährleistungsausschluss im Internet – auf die Kostenerparnis für den Unternehmer290 und damit auf den Vorsprungsgedanken abstellen zu müssen. Für die Begründung der Unlauterkeit eines solchen Ausschlusses ist der Rückgriff auf den Rechtsbruchtatbestand i.V.m. § 475 290

BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet.

C. Lösung der relevanten Fälle

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Abs. 1 BGB a.F. (nunmehr § 476 Abs. 1 BGB) unnötig. Das Gericht selbst erkennt, dass ein solcher Gewährleistungsausschluss den Verbraucher davon abhält, seine Gewährleistungsansprüche geltend zu machen291. Es zeigt damit auf, worum es hier eigentlich geht: die Irreführung über vertragliche Rechte des Verbrauchers gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG. Der Ausschluss stellt eine Angabe zur Rechtslage dar, die wegen § 475 Abs. 1 BGB a.F. (nunmehr § 476 Abs. 1 BGB) objektiv unrichtig ist. Der Verbraucher wird indes regelmäßig die vorgenannte Norm und die mit ihr verbundenen Konsequenzen für den Unternehmer nicht kennen und sich daher in seiner Entscheidung über die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten in relevanter Weise beeinflussen lassen. Vergleichbares gilt für die vorvertraglichen Äußerungen in den Fällen Aussteuer-Sortimente und Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. Behauptet der Unternehmer dem Verbraucher gegenüber wahrheitswidrig, es bestehe kein Widerrufsrecht, dann ist dies, wie auch das Gericht erkannt hat292, irreführend und fällt nunmehr unter § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist ein Fall des § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG. Wenn die Belehrung, wie im Fall Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf, die unrichtige Angabe enthält, die Widerrufsfrist betrage nur sieben Tage, dann ist damit zugleich wiederum eine positive Irreführung über ein vertragliches Recht verbunden. Tatsächlich hat die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu laufen begonnen, so dass die Angabe zur Frist bereits im Zeitpunkt der Äußerung unrichtig war. Darauf hat im Anschluss an das Berufungsgericht auch schon der BGH abgestellt und betont, die sachlich unrichtige Angabe sei geeignet, den Käufer von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Mithin werde seine Rechtsunkenntnis ausgenutzt293. In all den vorgenannten Fällen gebietet auch nicht etwa eine abwägende Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Unternehmers eine Korrektur. Selbst wenn dem Unternehmer das zwingende Bestehen eines Widerrufsrechts tatsächlich nicht bekannt sein sollte, ist diese Unkenntnis jedenfalls als nicht schutzwürdiges bewusstes Sichverschließen zu werten. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung und mit Blick auf den in diese Abwägung einzustellenden Schutz der Äußerung einer Rechtsauffassung nicht schutzwürdig, wenn der Unternehmer falsche Angaben zur Rechtslage macht, ohne sich über die – in diesem Fall abstrakt und unschwer zu beantwortenden – Rechtsfragen zur tatsächlichen Rechtslage zu informieren. Eine Abweichung könnte sich indes im Fall Aussteuer-Sortimente ergeben. Insofern spricht die Ausführlichkeit, mit der in der Entscheidung Aussteuer-Sortimente das Bestehen eines Widerrufsrechts erörtert wurde294, dafür, dass der Unternehmer seine (falsche) Rechtsansicht durchaus vertreten durfte und sich nicht etwa der tatsächlichen Rechtslage bewusst verschlossen hat. Insoweit führt also die mittelbare 291 292 293 294

BGH GRUR 2010, 1117 (1118) – Gewährleistungsausschluss im Internet. BGH GRUR 1977, 498 (500) – Aussteuer-Sortimente. BGH GRUR 1986, 816 (817 f.) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. Siehe BGH GRUR 1977, 498 (499 f.) – Aussteuer-Sortimente.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

Wirkung der Meinungsfreiheit dazu, dass hier von einem unlauteren Verhalten nicht auszugehen ist, solange nicht Kenntnis über das Bestehen eines Widerrufsrechts vorliegt und/oder die Auswirkungen über den Einzelfall hinausgehen.

III. Nachvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung Die obige Kategorisierung hat gezeigt, dass bei exakter rechtlicher Betrachtung Fälle zu unterscheiden sind, in denen die Entscheidung über einen völlig neuen Vertrag einerseits und diejenige über den konkludenten Neuabschluss des an sich aufgelösten alten Vertrags betroffen sein können. 1. Abschluss eines neuen Vertrags Abweichend von den Ausführungen des BGH in den Entscheidungen Kontostandsauskunft und Irreführender Kontoauszug kommt es nach neuem Recht nicht darauf an, dass der Unternehmer das nachvertragliche Handeln zum Mittel seines Wettbewerbs macht295. Teilt die Bank im Rahmen eines Girovertrags dem Kunden gegenüber Kontostände mit, dann nimmt sie damit eine geschäftliche Handlung vor. Insofern ist allein die darin im konkreten Fall liegende Vertragspflichtverletzung zugleich geschäftliche Handlung, ohne dass es zusätzlicher, auf einen Wettbewerbsvorteil gerichteter Argumentationsfiguren bedarf. Die jeweiligen Auskünfte wiesen den aktuellen Kontostand aus und enthielten damit eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG. Weil dabei aber der letztlich angegebene Kontostand Beträge umfasste, die zum Abfragezeitpunkt noch nicht wertgestellt waren, waren die Auskünfte sachlich unrichtig296 oder doch zumindest missverständlich297. Die damit verbundene Fehlinformation ist auch geeignet, bei dem Verbraucher die Fehlvorstellung hervorzurufen, über den ausgewiesenen Betrag auch tatsächlich verfügen zu können. Er wird damit dahingehend beeinflusst, dass er in der Folge eine Abhebung tätigt und – mit der Auszahlung des Geldes – einen zusätzlichen (anfechtbaren) Darlehensvertrag schließt. Auf eben diese Irreführung hat auch der BGH jeweils abgestellt298. Selbst im Einzelfall ist damit ein UWG-Verstoß anzunehmen und auch interessengerecht. Insbesondere ist der Unternehmer nicht schutzwürdig, soweit er Kontostände im Rahmen eines automatisierten, zahlreiche Kunden betreffenden Verfahrens nicht korrekt auszuweist. Gegen die Schutzbedürftigkeit der Bank spricht 295

Siehe aber BGH GRUR 2002, 1093 (1094) – Kontostandsauskunft; BGH GRUR 2007, 805 (806) – Irreführender Kontoauszug. 296 So BGH GRUR 2002, 1093 (1093) – Kontostandsauskunft. 297 So BGH GRUR 2007, 805 (805 f.) – Irreführender Kontoauszug. 298 BGH GRUR 2002, 1093 (1093 f.) – Kontostandsauskunft; BGH GRUR 2007, 805 (806 f.) – Irreführender Kontoauszug.

C. Lösung der relevanten Fälle

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zudem der Umstand, dass die Unrichtigkeit der ausgewiesenen Kontostände bekannt war und die aus der Irreführung erzielten Beträge offenbar gerne in Kauf genommen wurden299. Damit ist dem BGH im Ergebnis zuzustimmen. Insofern bliebe lediglich die Möglichkeit, einen Unterlassungsanspruch bei einer bloß vereinzelt falschen Angabe restriktiv zu interpretieren. In den konkret entschiedenen Fällen spielt dies indes keine Rolle. Die automatisiert falsche Angabe von Kontoständen bzw. die missverständliche Gestaltung von Kontoauszugsvordrucken wurde in einer Vielzahl von Fällen verwendet. Im Fall Beitragsrechnung hat noch das Berufungsgericht ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs abgelehnt, während der BGH ein solches mit Verweis auf die Erhaltung des Kundenstammes als Teil des Wettbewerbs angenommen hat300. Auch ohne diese Erwägung stellt das Zusenden der jeweiligen „Rechnung“ nach aktuellem Recht eine geschäftliche Handlung dar, so dass allein die Frage der Irreführung problematisch sein könnte. Der BGH hat insofern im Anschluss an das Berufungsgericht eine besonders hohe Gefahr der Irreführung erkannt301. Das dürfte nicht nur für den „flüchtigen Leser“302, sondern trotz aller Liberalisierungstendenz im Lauterkeitsrecht auch für den aufgeklärten Verbraucher nach wie vor Geltung beanspruchen. Die in Rede stehenden Schreiben waren explizit mit „Rechnung“ überschrieben. Im Anschreiben selbst ist von der Fälligkeit des Jahresbeitrags die Rede, um dessen Überweisung der Kunde gebeten wird303. Zwar enthält das Schreiben einen mit „Achtung“ beginnenden, aufklärenden Zusatz. Zum einen befindet sich dieser Hinweis aber abseits der für den Verbraucher relevanten Teile, d. h. der Überschrift und des Anschreibens. Diese indes sind in ihrer Formulierung sehr deutlich auf die Zahlung eines vermeintlich geschuldeten Betrages gerichtet. Zum anderen sei noch einmal auf die absolute Missbilligung der irreführenden Zusendung von Rechnungen durch das UWG (Anhang Nr. 22) sowie die UGP-Richtlinie (Anhang I Nr. 21) hingewiesen304. Anders als noch vom BGH in der Entscheidung Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen angenommen305, stellt auch die Versendung eines Rundschreibens, das die Ersetzung von für unwirksam erklärten Versicherungsbedingungen zum Gegenstand hat, eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Ob damit aber auch eine Entscheidung des Verbrauchers unlauter beeinflusst werden konnte, hängt davon ab, ob der Verbraucher überhaupt eine Wahl hatte. Es kam im entschiedenen Fall mithin darauf an, ob der damalige § 172 Abs. 2 VVG anwendbar war. Nur für den Fall, dass dem nicht so war, hätte der Kunde 299 300 301 302 303 304 305

Vgl. BGH GRUR 2002, 1093 (1093 f.) – Kontostandsauskunft. BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. BGH GRUR 1992, 450 (452 f.) – Beitragsrechnung. BGH GRUR 1992, 450 (452) – Beitragsrechnung. Siehe BGH GRUR 1992, 450 (451) – Beitragsrechnung. Siehe bereits oben 4. Kapitel, C., I., 1. BGH WRP 2003, 76 (77) – Ersetzung unwirksamer Versicherungsbedingungen.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

in Richtung eines neuen, inhaltlich geänderten Vertrages lauterkeitsrechtlich relevant beeinflusst werden können, da er diesen neuen Bedingungen hätte zustimmen müssen. Der Kunde erklärt konkludent sein Einverständnis mit Neufassungen von AGB, wenn er nach eindeutiger Übermittlung der Änderungen das Vertragsverhältnis ohne Widerspruch fortsetzt. Allerdings werden die neuen Klauseln nur Vertragsinhalt, wenn eine angemessene Widerspruchsfrist gesetzt und neben der neuen Fassung auch ein unmissverständlicher Hinweis auf die Bedeutung eines Schweigens beigefügt wurde306. Ohne einen derartigen Hinweis wird der Kunde über die Möglichkeit getäuscht, die AGB nicht hinnehmen zu müssen. In den beschriebenen Fällen bedarf es jeweils auch keiner nachgelagerten Korrektur des gefundenen Ergebnisses; der Unternehmer ist nicht schutzbedürftig. Es ist nicht ersichtlich, welches Interesse der Unternehmer daran haben soll, ein bloßes Angebot als „Rechnung“ zu bezeichnen. Ebenso wenig besteht ein schutzwürdiges Interesse daran, dem Verbraucher (bzw. einer Vielzahl von Verbrauchern) geänderte AGB zu diktieren, ohne auf die bestehende Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen. Auch ist Unternehmern die Unzulässigkeit einer bloß einseitigen nachträglichen Änderung des Vertrages erkennbar. 2. Neuabschluss des alten Vertrags Erwidert der Unternehmer auf die Geltendmachung eines Rechts hin, ein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht bestehe nicht, dann nimmt er damit wiederum stets eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor. Insoweit ist den Ausführungen des BGH in der Entscheidung Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf307 zu widersprechen. Ein Ausweichen auf die spiegelbildliche Behauptung während der Vertragsverhandlungen, wie etwa im Fall Aussteuer-Sortimente308, ist ebenso unnötig wie die in der Entscheidung Kundenreklamation herangezogene werbende Wirkung hinsichtlich zukünftiger Bestellungen309. Die Behauptung stellt jeweils eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG dar; ob ein Widerrufsrecht besteht, lässt sich zum Zeitpunkt der Äußerung nachprüfen. Beeinflusst wird der Verbraucher indes den obigen Ausführungen entsprechend310 nicht etwa in der – bereits getroffenen – Entscheidung über die Ausübung des Vertragslösungsrechts. Die Behauptung ist geeignet, bei dem Verbraucher die Fehlvorstellung zu erzeugen, er habe kein solches Recht und dies dementsprechend auch nicht wirksam ausüben können. Diese Fehlvorstellung wiederum ist geeignet, den Verbraucher zur

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Palandt-Grüneberg, BGB, § 305, Rn. 47. BGH GRUR 1986, 816 (818 f.) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. 308 BGH GRUR 1977, 498 (499 f.) – Aussteuer-Sortimente; siehe dazu bereits oben 4. Kapitel, A., III., 2. 309 OLG Jena GRUR-RR 2008, 83 (84) – Kundenreklamation. 310 Siehe oben 4. Kapitel, A., III., 3. 307

C. Lösung der relevanten Fälle

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Abwicklung des Vertrages und damit zum konkludenten Neuabschluss des (dann anfechtbaren) Vertrages zu veranlassen. Fraglich ist in diesen Konstellationen jedoch, ob das Unwerturteil der Unlauterkeit in solchen Fällen wertungsgerecht ist oder ob dem Unternehmer gewissermaßen ein „Irrtumsprivileg“ zukommt. Insbesondere könnte die Meinungsfreiheit des Unternehmers gegen die Unlauterkeit in einem solchen Fall jedenfalls dann streiten, wenn es sich um einen Einzelfall handelt, in dem der grundrechtliche Schutz im Rahmen einer Interessenabwägung den nur begrenzten Auswirkungen auf den unverfälschten Wettbewerb gegenübersteht. Wie bereits dargestellt311, spricht die Ausführlichkeit, mit der in der Entscheidung Aussteuer-Sortimente das Bestehen eines Widerrufsrechts erörtert wurde312, dafür, dass der Unternehmer seine (falsche) Rechtsansicht durchaus vertreten durfte und sich nicht etwa der tatsächlichen Rechtslage bewusst verschlossen hat. Dies gilt für die vorvertragliche ebenso wie für die nachvertragliche Äußerung. Hier führt mithin die mittelbare Wirkung des Art. 11 Abs. 1 EUGRCh dazu, dass von einem unlauteren Verhalten nicht auszugehen ist, solange nicht Kenntnis über das Bestehen eines Widerrufsrechts vorliegt und/oder die Auswirkungen über den Einzelfall hinausgehen. Differenzierend ist auch der Fall Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf zu beurteilen. Soweit es den unstreitig als Abzahlungsgeschäft zu charakterisierenden Vertrag über Porzellanwaren betrifft, musste dem Unternehmer klar sein, dass insoweit ein Widerrufsrecht besteht. Auch dass dieses im konkreten Fall noch nicht verfristet war, hat der Unternehmer in nicht schutzwürdiger Weise verkannt. Er selbst hatte im Wege einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung diesen Umstand hervorgerufen. Nicht so eindeutig zu beurteilen, da von der Meinungsfreiheit gedeckt, ist die Behauptung des Unternehmers, der als Barzahlungsgeschäft abgeschlossene Vertrag über Wäsche und Handtücher sei nicht widerruflich. Auch der BGH hat in diesem Zusammenhang (sogar generell für die nachvertraglichen Erklärungen) ausgeführt, die Beurteilung der Rechtslage sei „im Hinblick auf die gegebene, rechtlich und tatsächlich nicht eindeutige Situation vertretbar gewesen“313. Von Unlauterkeit ist in einem solchen Fall indes wiederum dann auszugehen, wenn Kenntnis über das Bestehen eines Widerrufsrechts vorliegt und/oder die Auswirkungen über den Einzelfall hinausgehen. Insofern kommt auch der vom BGH (wenngleich im Rahmen der Frage eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs) angesprochenen Figur des gezielten und planmäßigen Handelns314 für die Interessenabwägung und das Gewicht der Unternehmerinteressen Bedeutung zu. Die Unternehmeräußerungen im Fall Kundenreklamation betrafen nicht die Rechtslage an sich, sondern die Qualität des vom Kunden als mangelhaft angesehenen Produkts. Ein schutzwürdiges Interesse daran, ohne Ansehung des Produkts 311 312 313 314

Siehe oben 4. Kapitel, C., II. Siehe BGH GRUR 1977, 498 (499 f.) – Aussteuer-Sortimente. BGH GRUR 1986, 816 (819) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf. BGH GRUR 1986, 816 (819) – Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

Ansprüche mithilfe einer nur behaupteten gerichtlichen Bestätigung hinsichtlich eines anderen Produkts abzuwehren, besteht nicht. Dem OLG Jena ist daher im Ergebnis zuzustimmen. Ohnehin spricht gegen eine ausnahmsweise Berücksichtigung unternehmerischer Interessen vorliegend, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelte, sondern um eine an eine Vielzahl von Kunden gerichtete Erklärung. Generell dürften die Anforderungen an den Unternehmer im Rahmen der Äußerung einer Rechtsansicht bei nicht eindeutiger Rechtslage wachsen, je weiter der Empfängerkreis ist. Auch insofern kann also die früher von der Rechtsprechung im Rahmen der Anwendbarkeitsfrage herangezogene Unterscheidung zwischen Einzelfällen und einer Vielzahl gleicher Fälle an späterer Prüfungsstelle noch eine Rolle spielen. So ist nach der Rechtsprechung des EGMR die Ausübung der Meinungsfreiheit mit „Pflichten und Verantwortung“ verbunden315. Während der Unternehmer im Einzelfall bei der Äußerung einer Rechtsansicht noch schutzwürdig sein kann, solange er sich der Unrichtigkeit seiner Rechtsansicht nicht verschließt, treffen ihn bei einer massenhaften Äußerung erhöhte Prüfpflichten.

IV. Nachvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung Anknüpfend an den jeweiligen Bezugspunkt der geschäftlichen Entscheidung lässt sich die folgende weitere Unterteilung mit jeweils besonderen Problemstellungen vornehmen. 1. Die vorsorglich-nachvertragliche Abwehr von Verbraucherrechten Wie bereits ausgeführt wurde, dürfte die Einflussnahme auf die Ausübung vertraglicher Rechte nach Vertragsschluss in einer Vielzahl der Fälle eine Reaktion auf die vorangegangene Geltendmachung eben dieser Rechte darstellen. Dann jedoch ist bei rechtlicher Betrachtung nicht mehr die hiesige Fallgruppe betroffen. Es gibt indes Fälle, in denen sich unternehmerische Aussagen auf nachvertragliche Entscheidungen des Verbrauchers auswirken, ohne dass sie bloß eine Reaktion auf die Initiative des Verbrauchers darstellen. Dies ist etwa in der Konstellation der Fall, wie sie der Entscheidung Monatlicher Ratenzuschlag zugrunde lag. Hier ging es um einen (aus eigener Initiative erfolgten) Hinweis auf einen Ratenzuschlag ohne Angabe des effektiven Jahreszinses in der Rechnung. Erneut ist ohne Weiteres von einer geschäftlichen Handlung auszugehen. Im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung stellt sich sodann die Frage, ob ein falscher, oder zumindest missverständlich angegebener Jahreszins den Verbraucher über die Merkmale des erworbenen Produkts irreführt und ihn dadurch in seiner Entscheidung über die Ausübung etwa eines Vertragslö315 EGMR NJW 2011, 3501 (3504); siehe auch Payandeh, JuS 2016, 690 (694); siehe bereits oben 4. Kapitel, B., III., 3., a).

C. Lösung der relevanten Fälle

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sungsrechts unlauter beeinflusst. Genau dies ist die entscheidende Frage, ohne dass es – worauf noch der BGH zumindest u. a. abgestellt hat316 – auf eine werbende Wirkung mit Blick auf künftige Bestellungen ankommt. Vor dem Hintergrund des modernen Verbraucherleitbilds kann indes nicht davon ausgegangen werden, dass die objektiv richtige Angabe „Monatlicher Ratenzuschlag 0,50 % PM“ geeignet ist, einen nicht unerheblichen Teil der Verbraucher irrezuführen317. Vielmehr ist mit dem Berufungsgericht anzunehmen, dass dem Kunden durchaus geläufig ist, dass die verlangten Zinsbeträge in monatlichen Ratenzuschlägen berechnet werden. Eine etwaige Überlegung des Empfängers der vorgelegten Rechnung, der effektive Jahreszins errechne sich aus 12 × 0,50 % Zinsen und betrage deshalb 6 %, ist eher fernliegend und nicht schutzwürdig318. 2. Die Vertragspflichtverletzung als solche Wie bereits festgestellt wurde, kann auch die Vertragspflichtverletzung selbst geschäftliche Handlung sein. Daran anknüpfend bleibt zu klären, inwieweit sie auch zu einer Irreführungsgefahr führt und wie sich eine eventuelle Unlauterkeit der Vertragspflichtverletzung zu einer vorangegangenen irreführenden Werbung verhält. a) Irreführung durch Schlechtleistung Es wurde bereits herausgearbeitet, dass der Angabenbegriff des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG insgesamt weit auszulegen ist und auch konkludente Angaben umfasst319. Ebenso wurde dargelegt, dass der Schlechtleistung durchaus ein (konkludenter) Erklärungsgehalt zur Vertragsgemäßheit der Leistung beigemessen werden kann320. Soweit die Ware im Zeitpunkt der Äußerung bereits existiert, stellt das Angebot auch im Zeitpunkt der Äußerung eine aktuell nachprüfbare Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG dar. Sowohl die offene als auch die verdeckte Schlechtleistung kann zu einer Irreführung dergestalt führen, dass der Verbraucher von einer Übereinstimmung der Produktmerkmale bzw. des Leistungsumfangs mit der vertraglichen Vereinbarung ausgeht, die tatsächlich nicht gegeben ist. Dies wiederum ist dazu geeignet, den Verbraucher in seiner Entscheidung über die Ausübung von vertraglichen Gewährleistungsrechten zu beeinflussen; regelmäßig wird dies dazu führen, dass der Verbraucher eine – ebenfalls geschützte – „Nichtentscheidung“ trifft, zu der es ansonsten nicht gekommen wäre, weil der Verbraucher bei Kenntnis der Mangelhaftigkeit mit hoher Warscheinlichkeit Gewährleistungsrechte geltend gemacht hätte. 316 317 318 319 320

BGH GRUR 1990, 609 (611) – Monatlicher Ratenzuschlag. So aber BGH GRUR 1990, 609 (610 f.) – Monatlicher Ratenzuschlag. Vgl. BGH GRUR 1990, 609 (610) – Monatlicher Ratenzuschlag. Siehe oben 4. Kapitel, B., III., 2., a). Siehe oben 4. Kapitel, B., III., 2., b).

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

Wenn also tatsächlich eine Vertragspflichtverletzung nicht nur eine geschäftliche Handlung darstellt, sondern auch eine unlautere Irreführung hervorrufen kann, dann ist mit Blick auf die oben herausgearbeitete Rollenzuweisung von UWG und BGB eine (nochmalige) Klarstellung wie folgt erforderlich: Es ist zwar die Vertragspflichtverletzung, d. h. die Schlechtleistung als solche, die als geschäftliche Handlung beurteilt wird. Das unlautere, weil irreführende Element ist indes niemals die Schlechtleistung als solche, sondern stets ein mit ihr verbundener konkludenter Erklärungsgehalt. Mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts kann also niemals die Schlechtleistung als solche untersagt werden321. Vielmehr geht es dem UWG lediglich darum, einen mit der Vertragspflichtverletzung einhergehenden irreführenden Erklärungsgehalt zu beseitigen. Dies könnte etwa durch eine mit der Leistung erfolgende Klarstellung dahingehend geschehen, dass das gelieferte Produkt in Quantität oder Qualität von der Vereinbarung abweicht. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch, neben einer konkludenten Erklärung der Vertragsgemäßheit von einer Irreführung durch Unterlassen im Sinne des – auch nach Vertragsschluss anwendbaren322 – § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG („alle wesentlichen Merkmale der Ware“) auszugehen. Eine andere Frage ist freilich, inwieweit ein solches Erfordernis der gleichzeitigen Aufklärung realistisch und zumutbar ist. Für den Fall, dass der Unternehmer um die Abweichung von der Vereinbarung weiß, ist eine Aufklärung ohne Weiteres zumutbar. Fraglich ist indes, ob es unlauter sein kann, wenn der Unternehmer nicht aufklärt, weil er von einer Abweichung des Produkts von der Vereinbarung selbst überhaupt nichts weiß. Auch in diesen Fällen liegt objektiv eine Irreführung des Verbrauchers vor. Gleichwohl scheidet ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht in diesen Fällen bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung der Interessenlage von Unternehmer, Verbraucher und der Allgemeinheit aus. So würde es zunächst einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit bedeuten, würde die Schlechtleistung und der damit verbundene Erklärungsgehalt ohne Weiteres ein lauterkeitsrechtliches Verbot nach sich ziehen. Dieser Eingriff ist in Anbetracht der im Übrigen betroffenen Interessen nicht zu rechtfertigen. So wären sowohl die Allgemeinheit als auch die Verbraucher zumindest mittelfristig gerade negativ betroffen, müsste der Unternehmer selbst bei einer versehentlichen Schlechtleistung im Einzelfall lauterkeitsrechtliche Ansprüche befürchten. In diesem Fall wäre zu erwarten, dass der Unternehmer ein derart hohes Risko zukünftig einpreisen würde. Vor diesem Hintergrund ist es nicht interessengerecht, wenn selbst die versehentliche Schlechtleistung im Einzelfall zu lauterkeitsrechtlichen Sanktionen führt, solange der Unternehmer nicht zugleich über diese Schlechtleistung aufklärt. Etwas anderes gilt lediglich, wenn die fehlende Übereinstimmung mit der Vereinbarung für den

321 Anders sieht dies Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 32, für den Fall eines weiten Verständnisses der geschäftlichen Handlung. 322 Siehe oben 2. Kapitel, B., IV., 1.

C. Lösung der relevanten Fälle

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Unternehmer im Zeitpunkt der Lieferung erkennbar ist. Das jedoch ist in der Regel zu verneinen, weil den Verkäufer gerade keine generelle Untersuchungspflicht trifft323. b) Konkurrenzverhältnis zur vorvertraglichen Werbung Unklar ist, ob es dem Kläger frei steht, gegen die vorvertragliche Werbung, die Schlechtleistung oder beides vorzugehen, ob es dem Unternehmer demnach nicht nur verboten werden kann, mit einer Leistung zu werben, die er so später nicht erbringt, sondern auch, ohne entsprechende Aufklärung schlecht zu leisten. Beide Verhaltensweisen beziehen sich auf einen unterschiedlichen lauterkeitsrechtlichen Bezugspunkt. Während die vorvertragliche Werbung bzw. das Angebot potentiell Einfluss auf die Entscheidung zum Vertragsschluss nimmt, kann die Schlechtleistung Einfluss auf die Ausübung nachvertraglicher Rechte des Verbrauchers nehmen. Die eigenständige lauterkeitsrechtliche Bedeutung beider Verhaltensweisen wird etwa in dem Fall offenbar, in dem der Unternehmer im Falle noch herzustellender Waren bei Abgabe eines Angebots leistungsfähig und leistungswillig ist, im Anschluss jedoch den Entschluss fasst, weniger als vereinbart zu liefern. Der Fall, dass der Unternehmer bereits zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots nicht leistungsfähig und/ oder -willig ist, lässt sich sachgerecht im Wege der Konkurrenz lösen. Vergleichbar mit der strafrechtlichen Konkurrenzlehre tritt dann das nachfolgende Unterlassen einer Aufklärung hinter die aktive Täuschung zurück324. In jedem Fall muss der Kläger bzw. Antragsteller die konkrete Verletzungshandlung konkret bestimmen; die rechtliche Begründung der Unlauterkeit unterscheidet sich je nachdem, ob sich der Antrag gegen die vorvertragliche Werbung bzw. das vorvertragliche Angebot oder die nach Vertragsschluss erfolgte Schlechtleistung richtet. 3. Die Geltendmachung vertraglicher Rechte Die sich bei der Geltendmachung von Rechten durch den Unternehmer ergebenden Problemfälle sind wie folgt zu lösen: a) Das Einfordern als Gesetzesverstoß Etwa in der Entscheidung Sicherungsschein hat der BGH auf den Rechtsbruchtatbestand zurückgegriffen. Zu bewerten war hier die Einforderung einer Zahlung auf den Reisepreis, ohne dass vorher ein Sicherungsschein übergeben wurde, wie dies von § 651k Abs. 3 BGB a.F. angeordnet wird. Die Einforderung ist als solche wiederum unproblematisch geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. 323 Svigac, NJOZ 2013, 721 (725), mit Verweis auf MüKo-Westermann, BGB, 6. Aufl., § 433, Rn. 67. 324 Vgl. MüKo-Freund, StGB, § 13, Rn. 292.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

Sie verstößt auch gegen die Vorschrift des § 651k Abs. 4 BGB a.F. Diesem zufolge dürfen Zahlungen des Reisenden nur gefordert werden, wenn diesem ein Sicherungsschein übergeben wurde. Der BGH hat in diesem Zusammenhang gerade die Nichtbeachtung der vorgenannten Vorschrift als solche in Bezug zur Lauterkeit gesetzt325. Dieses Rückgriffs auf den Rechtsbruchtatbestand bedarf es indessen nicht. Weil die Einforderung der Zahlung gesetzlich an die Bedingung geknüpft ist, zuvor einen Sicherungsschein übergeben zu haben, rückt sogleich die Norm des § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG ins Zentrum der Betrachtung. Demnach gelten als wesentliche Information im Sinne des Abs. 2 Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der unternehmerischen Sorgfalt abweichen. Dass die Regelung auch nach Vertragsschluss greift, wurde bereits erörtert326. Die Bedingung, zuvor einen Sicherungsschein übergeben zu haben, lässt sich ohne Weiteres unter die Zahlungsbedingungen (d. h. Bedingungen, unter denen Zahlungen zu leisten sind327) fassen. Schließlich kann angenommen werden, dass das Wissen des Verbrauchers um den Umstand, dass der Geldbetrag erst nach vorheriger Information über die Kundengeldabsicherung gefordert werden darf, seine Entscheidung zur Zahlung dieses Betrages beeinflussen kann. Entscheidend ist also letztlich die Irreführung des Verbrauchers über die (unrichtige) Tatsache, dass er zahlen muss. Auch im Rahmen einer wertenden Betrachtung ist festzustellen, dass es für den Unternehmer leicht ersichtlich ist, dass eine Einforderung der Zahlung ohne vorherige Übergabe eines Sicherungsscheins nicht erlaubt ist. Wie auch der BGH festgestellt hat, handelte der Reiseveranstalter im vorliegenden Fall zumindest in dem Bewusstsein, dass die Rechtslage zweifelhaft war328. Er ist mithin nicht schutzwürdig. Schließlich kommt im konkreten Fall auch keine Einschränkung auf Rechtsfolgenseite in Betracht, da das in Rede stehende Verhalten nicht nur auf einen Einzelfall beschränkt war. b) Das Einfordern als Abwehr gesetzlicher Rechte Ebenfalls an den Verstoß gegen eine bürgerlich-rechtliche Norm knüpft der BGH in der Entscheidung Kersosinzuschlag an. Hier ging es um Schreiben, in denen auf eine Zahlung der Kunden unter Vorbehalt hin erklärt wurde, die Reiseunterlagen würden nur bei vorbehaltloser Zahlung ausgehändigt. Weil es eben nicht um die Reisepreiserhöhung als solche geht, überzeugt der Verweis auf eine Unterwanderung des § 651a Abs. 4 BGB a.F., wie vom Gericht ausgeführt329, nicht. Zielführend ist es stattdessen, auf die Eignung abzustellen, bei dem betroffenen Kunden unzutreffende Vorstellungen über die Möglichkeit einer späteren Rückforderung des Erhöhungs325 326 327 328 329

Vgl. BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. Siehe erneut 2. Kapitel, B., IV., 1. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Dreyer, UWG, § 5a, Rn. 174. BGH GRUR 2000, 731 (733) – Sicherungsschein. OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (729) – Kerosinzuschlag.

C. Lösung der relevanten Fälle

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betrages hervorzurufen330. Das OLG Frankfurt a.M. misst der Leistung der Kunden unter Vorbehalt, also der Vorbehaltserklärung, die Bedeutung bei, dass dadurch dem Verständnis der Leistung als Anerkenntnis entgegengetreten wird. Die Rückforderungsmöglichkeit gemäß § 812 BGB soll unter Ausschluss der Wirkung des § 814 BGB erhalten bleiben331. Wie bereits ausgeführt332, geht es damit um den Einfluss auf die Entscheidung des Verbrauchers, gesetzliche Rückforderungsrechte auszuüben. So führt eine (durch unsachlichen bzw. irreführenden Einfluss) bewirkte vorbehaltlose Zahlung dazu, dass sich einem „durchschnittlich informierten und verständigen Reisekunden, der in der Regel juristisch nicht vorgebildet ist, die Annahme aufdrängen [muss], nach einer bewussten Abstandnahme von dem Vorbehalt […] sei eine spätere Rückforderung des ,Kerosinzuschlags‘ nicht mehr möglich“333. Im Ergebnis ist eine unlautere Irreführung ohne Rückgriff auf den Rechtsbruchtatbestand anzunehmen. Auch aus Wertungsgesichtspunkten ist keine Korrektur erforderlich. Ein schutzwürdiges Interesse des Unternehmers an einer vorbehaltlosen Zahlung ist nicht ersichtlich. Zudem beschränkte sich das in Rede stehende Verhalten nicht auf einen Einzelfall, sodass auch eine rechtsfolgenseitige Einschränkung nicht in Betracht kommt. c) Die Reichweite der Informationspflichten Die Fallkonstellation, wie sie den Folgeverträge-Entscheidungen des BGH zugrunde lag, enthält wiederum verschiedene Verhaltensweisen, an die die lauterkeitsrechtliche Bewertung angeknüpft werden kann. Wie bereits oben ausgeführt334, kommen dabei sowohl die ursprüngliche Zusendung von Rechnungen für vermeintlich geschlossene Verträge als auch die spätere Einforderung von Zahlungen aus anfechtbaren Verträgen in Betracht. Allein letzteres unterfällt der hier beurteilten Fallgruppe. Ebenfalls bereits ausgeführt wurde, dass es dabei maßgeblich um die Einflussnahme auf die (Nicht-)Entscheidung über die Loslösung vom Vertrag durch Erklärung der Anfechtung geht. Wie der BGH festgestellt hat, muss bei der Bewertung der Vertragsdurchsetzung zu der ursprünglichen Täuschung vor dem Vertragsschluss hinzutreten, dass die bewirkte Täuschung bei der Einforderung aufrechterhalten wird335. Tatbestandlich ließe sich ein solches Aufrechterhalten indes sowohl bei § 5 UWG als auch bei § 5a UWG verorten. So könnte der Einforderung bei rein objektiver Betrachtung ein konkludenter Erklärungsgehalt dahingehend zukommen, dass alles 330

OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (727 f.) – Kerosinzuschlag. OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (728) – Kerosinzuschlag. 332 Siehe dazu 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (2). 333 OLG Frankfurt a.M. GRUR 2002, 727 (728) – Kerosinzuschlag. 334 Siehe oben 4. Kapitel, A., III., 1. und 4. 335 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 (360) – Folgeverträge II. 331

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

seine Ordnung hat, der Vertrag auf unbedenkliche Weise geschlossen wurde und damit auch keine zusätzlichen Lösungsrechte bestehen. Auch der BGH stellt auf die konkludente Aufrechterhaltung der ursprünglichen Täuschung ab336. Zugleich erwähnt das Gericht einen verwandten Aspekt, der aber nach der inzwischen geltenden Rechtslage tatbestandlich von der konkludenten Täuschung zu unterscheiden ist. So betont der BGH auch, dass im entschiedenen Fall Insertionsentgelte eingetrieben werden, die möglicherweise auf Täuschung beruhen, ohne dabei den anfechtbaren Grund zu offenbaren337. Das Gericht stellte im Urteil mithin deutlich auf die fehlende Aufklärung über eine mögliche Anfechtung ab338. Auch der Antrag im Fall Folgeverträge I richtete sich explizit gegen die Einforderung, „ohne gleichzeitig und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Anzeigenkosten für Folgeauflagen dann nicht geschuldet werden und gezahlt werden müssen, wenn der Adressat die erste Zahlung in der durch das ihm übersandte Formular erweckten irrigen Vorstellung geleistet hat, es handele sich bei diesem Formular um eine Rechnung für eine bereits erfolgte Bestellung“339. Da nunmehr § 5a UWG eine separate Regelung zur Irreführung durch Unterlassen enthält, liegt es nahe, zunächst diesen Tatbestand zu prüfen, statt auf eine konkludente Behauptung abzustellen. Für eine Aufklärung über ein möglicherweise340 bestehendes Anfechtungsrecht kommt konkret § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG in Betracht. Bereits festgestellt wurde, dass die in § 5a Abs. 3 UWG aufgezählten Informationspflichten auch in der Zeit nach Vertragsschluss gelten können341. Ebenso wurde festgestellt, dass die Entscheidung über vertragliche Rechte auch diejenige über gesetzliche und vertragsähnliche Rechte umfasst, solange diese in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Vertrag stehen342. § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG nennt indes ausdrücklich nur Rücktritt und Widerruf. Eine Nähe hierzu weist die Anfechtung insofern auf, als sie eine Möglichkeit begründet, sich vom Vertrag zu lösen. Soweit ersichtlich, wurde eine der336 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I; BGH GRUR 1995, 358 (360) – Folgeverträge II. 337 BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I. 338 Dies sowohl im Rahmen der Argumentation mit einem einheitlichen, von Anfang an auf Täuschung als Mittel des Wettbewerbs angelegten Gesamtkonzepts als auch mit der Figur der Erhaltung des Kundenstammes, BGH GRUR 1994, 126 (127) – Folgeverträge I. Sogar ganz explizit hatte der Kläger in der Entscheidung Wirtschaftsregister beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Empfänger der zuvor versandten vermeintlichen Rechnungen, „soweit sie Zahlungen geleistet hätten, darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein Angebot und nicht um eine Rechnung mit entsprechender Zahlungsverpflichtung gehandelt habe“. Und in der Tat sah der BGH den geforderten Hinweis zur Beseitigung des durch die zuvor versandten Formularschreiben hervorgerufenen Störungszustandes als notwendig und auch dem Beklagten zumutbar an, selbst wenn er „geeignet war, ihn bloßzustellen“, BGH GRUR 1998, 415 (415) – Wirtschaftsregister. 339 BGH GRUR 1994, 126 (126) – Folgeverträge I. 340 Allein die Täuschung führt noch nicht zu einem Anfechtungsrecht. 341 Hierzu 2. Kapitel, B., IV., 1. 342 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (2).

C. Lösung der relevanten Fälle

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artige Analogie im Rahmen des § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG noch nicht in Betracht gezogen. Anknüpfend an die obigen Ausführungen spricht insbesondere die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers dafür, auch die Möglichkeit der Anfechtung unter die genannte Norm zu fassen. Auch der Unterschied, dass diese im Vergleich zum Widerrufsrecht an einen „pathologischen“ Fall anknüpft, kann kein Argument gegen die Gleichstellung der Anfechtung sein. Schließlich ist das ebenso an einen „pathologischen“ Fall geknüpfte Rücktrittsrecht normtextlich erwähnt, obwohl der systematische und sachliche Unterschied zwischen den beiden Gestaltungsrechten des Rücktritts und des Widerrufs dem Gesetzgeber bekannt und bewusst gewesen sein dürfte. Es kommt indes auf die exakte dogmatische Einordnung der Pflicht zur Aufklärung über eine mögliche Anfechtung nicht an. Selbst wenn man eine analoge Anwendung des § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG ablehnt, verbleibt angesichts des nicht abschließenden Abs. 3343 der Rückgriff auf Abs. 2. Letztlich bildet der Entschluss über die Erklärung der Anfechtung eine weitere geschäftliche Entscheidung, die dem Verbraucher unter Umständen möglich geworden ist und die es lauterkeitsrechtlich zu schützen gilt. Ob beim jeweiligen Verbraucher tatsächlich ein Irrtum vorliegt, d. h. ob tatsächlich alle Voraussetzungen eines Anfechtungsrechts vorliegen, spielt dann keine Rolle. Der Unternehmer hat über die vorangegangene Täuschung und damit über denjenigen Teil der Voraussetzungen eines möglichen Anfechtungsrechts zu informieren, der in seiner Verantwortungssphäre liegt. Schließlich sanktioniert das UWG missbilligenswertes Marktverhalten, weshalb bereits ein potentielles Anfechtungsrecht344 eine Informationspflicht zu begründen vermag. Das Gleiche gilt auch für den Fall, welcher der Entscheidung Gewinn-Zertifikat zugrunde lag. In den Fällen Folgeverträge I und II hat der BGH zwar – nach neuem Recht – unnötige Erwägungen zur Begründung einer Wettbewerbshandlung herangezogen, er hat jedoch im Ergebnis einen Verstoß gegen das UWG angenommen. Dagegen hat er im Fall Gewinn-Zertifikat einen solchen abgelehnt345. Tatsächlich kommt es aber auch hier nicht etwa auf eine Gesamtschau unter Heranziehung des § 27 StGB an, wie sie noch vom BGH vorgenommen wurde. Vielmehr ist der Fall entsprechend den vorangegangenen Ausführungen zu den Folgeverträge-Entscheidungen zu bewerten. Dieses Ergebnis ist auch wertungsgerecht: Zwar ist es in praktischer Hinsicht nicht zu erwarten, dass der irreführende Unternehmer bei nachfolgender Geltendmachung von Rechten auf eine vorangegangene Täuschung hinweist. Auch ist zu beachten, dass der Umfang an Informationspflichten generell im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Geschäftsverkehrs ein gewisses Maß nicht überschreiten 343 Begr RegE BT-Drucks. 16/10145, 25; a.A. Harte-Bavendamm/Henning-BodewigDreyer, UWG, § 5a, Rn. 137. 344 Der Unternehmer kann zwangsläufig nicht über ein tatsächlich bestehendes Anfechtungsrecht informieren, weil es dazu ja auch noch eines Irrtums beim Verbraucher bedürfte. Exakterweise müsste der Unternehmer daher über die Täuschung, d. h. letztlich über seinen Beitrag informieren. 345 BGH GRUR 2001, 1178 (1180) – Gewinn-Zertifikat.

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

sollte. Wo jedoch der Unternehmer gerade bewusst täuscht bzw. die vorangegangene bewusste Täuschung durch ein anderes Unternehmen kennt, ist es ihm zuzumuten, über diese Täuschung auch aufzuklären346. Informationspflichten als solche kollidieren mit dem Grundsatz „caveat emptor“347. Dieses Prinzip erfährt insofern eine „Verschiebung“348, als die Informationsverantwortung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten in bestimmten Situationen weg von der informationellen Selbstverantwortung des Verbrauchers, hin zur Verantwortung des Vertragspartners für die Informationsbeschaffung und damit für die informierte Willensbildung beim Verbraucher verschoben wird349. Zum einen führt die Pflicht zur Offenbarung einer erfolgten Täuschung im Vergleich zu den abstrakt zu gewährenden Informationspflichten insofern zu einer weniger einschneidenden Verschiebung von Verantwortlichkeiten, als die Pflicht zur Information über eine vorangegangene Täuschung aus einem Fehlverhalten des Unternehmers folgt. Wenn dem Verbraucher Informationen in Situationen zu gewähren sind, in denen seine selbstbestimmte geschäftliche Entscheidung typischerweise gefährdet ist, dann gilt dies erst recht in Situationen, in denen der Unternehmer durch eine missbilligenswerte Einflussnahme eine informierte Entscheidungsgrundlage bewusst beseitigt hat. Zum anderen gilt der Grundsatz „caveat emptor“ ohnehin nicht bei täuschendem Verhalten (vgl. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB). Für den Fall, in dem es für den Unternehmer ersichtlich ist oder sein muss, dass ein Anfechtungsrecht bestehen könnte, d. h. konkret in Fällen des § 123 BGB, erscheint eine Pflicht zur Offenbarung des daraus potentiell entstandenen Vertragslösungsrechts daher angemessen. Ein denkbarer Einwand, dadurch würde unzulässiger Weise aus einem vorangegangenen Tun im Nachhinein ein Unterlassen gemacht, greift in mehrerlei Hinsicht zu kurz. Zunächst bezieht sich das jeweilige Tun bzw. Unterlassen dann jeweils auf eine unterschiedliche geschäftliche Entscheidung, nämlich einmal auf die Entscheidung „Vertragsschluss“ und einmal auf die Entscheidung „Nichterklären der Anfechtung“. Zudem ist – wie bereits dargelegt – auch im Strafrecht in Konstellationen, in denen Tun und Unterlassen nacheinander vorkommen, anerkannt, dass eine eventuelle Kollision auf Konkurrenzebene behandelt wird350. Schließlich kommt es letztlich darauf an, ob sich der Antrag gegen die ursprüngliche Zusendung von Rechnungen oder gegen die Einforderung von Zahlungen richtet.

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Vgl. zum Rechtsgedanken der Ingerenz im Lauterkeitsrecht in den Fällen eines unlauteren Verhaltens in der Vertragsanbahnung Tiller, Gewärleistung und Irreführung, 167, Fn. 806. 347 Vgl. Dauner-Lieb/Langen-Becker, BGB, § 311, Rn. 72. 348 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrechts, 181. 349 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrechts, 181. 350 Siehe oben 4. Kapitel, C., IV., 2., b).

C. Lösung der relevanten Fälle

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d) Geltendmachung berechtigter Forderungen Um die Geltendmachung berechtigter Forderungen ging es im Fall Besuch durch Inkasso-Team – dies gilt zumindest dann, wenn die in Rede stehenden pornografischen Filme tatsächlich bezogen wurden351. Im Falle einer tatsächlich bestehenden Forderung kommt ein irreführender Einfluss auf die Verbraucherentscheidung allenfalls dann in Betracht, wenn die Forderung zwar grundsätzlich begründet, derzeit allerdings noch nicht fällig ist. Dann behauptet der Unternehmer eventuell konkludent, der Anspruch sei fällig und handelt dabei unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, weil er über seine Rechte täuscht352. Soweit die Forderung indes auch fällig ist, scheidet eine Irreführung aus und es kommt allenfalls eine aggressive Einflussnahme im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG in Betracht. Diese Einflussnahme betrifft auch nicht etwa die – wettbewerbsrelevante353 – Entscheidung über den Abschluss eines Vertrags, sondern ausschließlich noch die Entscheidung über die Zahlung eines – tatsächlich geschuldeten – Rechnungsbetrags als solche. Wie die Untersuchung gezeigt hat, entfaltet das UWG seinen Schutz auch dann, wenn der Verbraucher an sich seine privatautonome Entscheidung getroffen hat und es lediglich noch um den Schutz seiner Integrität im Zusammenhang mit der – ihm an sich abgenommenen – Entscheidung über die Zahlung auf eine begründete Forderung hin geht („Entscheidung ohne Wahlmöglichkeit“354). Die Entscheidung zum Vertragsschluss hat der Verbraucher bereits getroffen; die Pflicht zur Zahlung folgt aus dem Gesetz355 und dem Prinzip der vertraglichen Bindungswirkung, der sich der Verbraucher durch eigene Entscheidung unterworfen hat. Gleichwohl unterfällt auch die Entscheidung über die Zahlung als solche und die damit verbundene Erfüllung vertraglicher Pflichten (d. h. ohne eine zusätzliche wettbewerbliche Dimension des Abschlusses eines Geschäfts) der – insoweit unmissverständlichen – Definition der geschäftlichen Entscheidung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG bzw. des Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie. Das OLG München hat eine unsachliche Einflussnahme im zu entscheidenden Fall zu Recht angenommen. Die implizite Drohung mit dem Besuch durch eine „Schlägertruppe“ ist durchaus geeignet, bei dem Durchschnittsverbraucher ein erhebliches Maß an Angst und Verunsicherung hervorzurufen. Aus Verbrauchersicht kann die Ankündigung derart verstanden werden, 351

Siehe für die abweichende Sachverhaltsvariante, dass es zu dem von Beklagtenseite behaupteten Bezug von pornografischen Filmen nicht gekommen ist, 4. Kapitel, C., I., 1. 352 Schmidtke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss, 164. 353 Vgl. Scherer, WRP 2009, 761 (766 f.); siehe hierzu bereits 2. Kapitel, B., III., 2., c), 3., c), sowie 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (3). 354 Siehe oben 3. Kapitel, C., I., 3., a), dd), (3). 355 Für die exakte rechtliche Einordnung, d. h. die Bestimmung der anwendbaren Vorschriften, kommt es bei dem „Bezug“ (so der Wortlaut in dem beanstandeten Schreiben) von Filmen im Internet insbesondere darauf an, ob die Benutzungsmöglichkeit dauerhaft („Download“; Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 BGB) oder nur zeitlich begrenzt eingeräumt wird („Streaming“; Mietvertrag), siehe Redeker, IT-Recht, D., Rn. 1137 ff. Vgl. für den Fall des Werkkonsums per Cloud-Computing Zech, ZUM 2014, 3 (7 f.).

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

dass es zu einer Gewaltanwendung und damit zu rechtlich unzulässigen Handlungen im Sinne des Art. 9 lit. e UGP-Richtlinie bzw. § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG kommt356.

D. Zusammenfassung Im abschließenden vierten Kapitel ging es darum, die im ersten Kapitel dargestellten Fälle einer Lösung nach dem neuen Recht zuzuführen. In einem ersten Schritt wurden diese Fälle neuen Fallgruppen zugeordnet, die sich nicht lediglich – wie im ersten Kapitel – grob an dem tatsächlichen Kontext orientieren. Stattdessen wurde differenziert zwischen der Verhaltensweise, die bewertet wird, und der relevanten Verbraucherentscheidung, deren Beeinflussung durch den Unternehmer die – wenngleich nicht allein – entscheidende Komponente für ein lauterkeitsrechtliches Unwerturteil darstellt. Diese Unterscheidung hat sich in der Gegenüberstellung von Verletzungshandlung und Verletzungsform widergespiegelt. Auf ihrer Grundlage hat sich gezeigt, dass viele der bisher entschiedenen Fälle verschiedene Anknüpfungspunkte bieten, gerade wenn man sich von dem jeweiligen Antrag löst und auch diejenigen Verhaltensweisen einbezieht, die erst nach neuem Recht dem UWG unterfallen. Das prägnanteste Beispiel bilden insofern wohl die Fälle einer bloßen Vertragspflichtverletzung, etwa durch einen Minderausschank im Biergarten. Auch dieser Minderausschank ist nach neuem Recht als geschäftliche Handlung anzusehen. Es verbleibt dann allein im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung die Frage, auf welche geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers sie sich auswirken kann. Gezeigt hat sich, dass auch die zeitliche Einordnung einer Verhaltensweise erst aus dem Zusammenspiel mit ihrer Wirkung beurteilt werden kann. Die Kategorisierung des Zusammenwirkens von Verhaltensweise und deren Auswirkung auf die Verbraucherentscheidung hat zu vier verschiedenen Fallgruppen geführt: Vorvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung, vorvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung, nachvertragliches Verhalten mit vorvertraglicher Wirkung und nachvertragliches Verhalten mit nachvertraglicher Wirkung. In einem Zwischenschritt wurde der Frage nachgegangen, ob im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung eine einschränkende Auslegung vorgenommen werden sollte und kann. Das zweite Kapitel hatte zuvor ergeben, dass der Anwendungsbereich infolge des denkbar weiten Begriffs der geschäftlichen Handlung eine einschränkende Auslegung kaum mehr zulässt. Dem im dritten Kapitel entwickelten Komplementärverständnis liegt die Annahme zugrunde, dass grundsätzlich jede einzelne Entscheidung durch das UWG von einem unlauteren Einfluss freigehalten werden soll. Auch insofern ist von einem denkbar weiten Eingriffsbereich des UWG vor wie nach Vertragsschluss auszugehen. Gleichwohl hat die Untersuchung gezeigt, dass mit Blick auf den in der UGP-Richtlinie mehrfach prominent genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Raum für die Berücksichtigung der Unternehmerin356

Vgl. Ahrens, FS Loewenheim, 417 f.

D. Zusammenfassung

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teressen sein muss. Wie sich sodann herausgestellt hat, bieten sich tatbestandlich nur unzureichende Anknüpfungspunkte, diese Unternehmerinteressen zu berücksichtigen. Zwar kann (und muss) der Begriff der Angaben im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG dahingehend restriktiv ausgelegt werden, dass er Äußerungen über erst noch herzustellende Produkte nicht erfassen kann; zum Kundgabezeitpunkt aktuell nachprüfbar sind insofern lediglich die Fähigkeit und Bereitschaft, das vertraglich versprochene Produkt der Vereinbarung gemäß zu liefern. Damit verbleiben indes etwa diejenigen Fälle, in denen der Unternehmer im Einzelfall versehentlich (und ohne Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit) etwa eine unrichtige Rechtsansicht vertritt, unrichtige Äußerungen zu einem bereits existierenden Produkt tätigt oder ein mangelhaftes Produkt liefert. Auf der Grundlage eines rein objektiven Verständnisses kann selbst die zuletzt genannte versehentliche Schlechtleistung einen unlauteren Einfluss auf die Verbraucherentscheidung über die Ausübung von Gewährleistungsrechten ausüben. Mit Blick auf eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher betroffener Interessen ist es allerdings im Ergebnis nicht wertungsgerecht, wenn jede einzelne versehentliche Schlechtleistung oder Äußerung einer unrichtigen Rechtsansicht stets unlauter ist, nur weil sie einen irreführenden Einfluss auf die Verbraucherentscheidung ausübt. Als naheliegendsten Anknüpfungspunkt für eine Korrektur und insbesondere die Berücksichtigung auch der Unternehmerinteressen wurde die unternehmerische Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG ausgemacht. Diesen dogmatischen Weg hat indes der EuGH versperrt. Stattdessen verbleibt nurmehr eine Korrektur im Sinne einer der Unlauterkeitsprüfung im engeren Sinne nachgelagerten Interessenabwägung, dogmatisch verortet im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG. Die vorgenannte Interessenabwägung bringt notwendig mit sich, dass jedenfalls mittelbar auch die Beweggründe und die Kenntnis des Unternehmers und damit eine subjektive Komponente Teil der Prüfung werden können. Zwar entspricht es der herrschenden Meinung, wie sie sich vor der UWG-Reform 2008 bereits herausgebildet hatte, dass die Unlauterkeit objektiv zu bestimmen ist. Gleichwohl hat die Untersuchung bereits im Rahmen des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs gezeigt, dass die lauterkeitsrechtliche Prüfung zu keinem Zeitpunkt vollständig losgelöst von subjektiven Elementen erfolgt ist. Inbesondere mit Blick auf den – von subjektiven Kriterien abhängigen – grundrechtlichen Schutzbereich wurde gezeigt, dass eine kategorische Ausklammerung subjektiver Motive und Kenntnisse gar nicht möglich ist. Sie ist in einem von jeher fallbezogenen, von normativ ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen abhängigen Rechtsgebiet wie dem Lauterkeitsrecht auch nicht wünschenswert. Gerade in den nunmehr vom weitreichenden Anwendungsbereich des UWG erfassten vertragsbezogenen Konstellationen, in denen nur ein einzelner Verbraucher von einer unternehmerischen Verhaltensweise betroffen ist, kommt auch bei objektiv unlauteren Auswirkungen auf den Verbraucher einer ausnahmsweisen wertenden Interessenabwägung verstärkte Bedeutung zu. In diese Abwägung sind etwa die – im Vergleich zu klassisch lauterkeitsrechtlichen Konstellationen – geringeren Aus-

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4. Kap.: Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes

wirkungen auf den unverfälschten Wettbewerb sowie die in ihrem Gewicht und ihrer Reichweite von subjektiven Kriterien abhängigen schutzwürdigen Interessen des handelnden Unternehmers einzustellen. Schließlich hat die Bewertung der bisherigen Fälle gezeigt, dass trotz des hier vertretenen weiten Anwendungsbereichs des UWG die bisherige Rechtsprechung in den meisten Fällen zumindest hinsichtlich des Ergebnisses weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann. Die im zweiten Kapitel dargestellten Argumentationsfiguren zur Beschränkung des Anwendungsbereichs können nach neuem Recht nicht aufrechterhalten werden; sie können indes etwa bei der Prüfung der Unlauterkeit eine Rolle spielen. Der Umstand eines Handelns in einer Vielzahl von Fällen kann etwa Aufschluss darüber geben, ob im Äußerungszeitpunkt ein Leistungswille vorlag und die Äußerung damit als irreführende Angabe zu qualifizieren ist. Ebenso kann sich das Vorliegen einer Vielzahl von Fällen im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Unternehmerinteressen und der objektiv irreführenden bzw. unsachlichen Wirkung beim Verbraucher auswirken und etwa Aufschluss darüber geben, ob der Unternehmer eine bewusst bzw. für ihn erkennbar falsche (konkludente) Äußerung tätigt. So hat ein etwaiges systematisches Vorgehen Einfluss auf die (grundrechtliche) Schutzwürdigkeit des Unternehmers und dessen Prüfpflichten. Schließlich ist eine Vielzahl von betroffenen Verbrauchern unmittelbar relevant für die in eine Interessenabwägung einzustellenden Auswirkungen auf den unverfälschten Wettbewerb. Insofern wird im Falle eines systematischen Vorgehens und der Betroffenheit einer Vielzahl von Verbrauchern auch die hier vorgeschlagene wertende Interessenabwägung regelmäßig nicht zu einer Ergebniskorrektur führen können. Im Ergebnis führt der hier vertretene Ansatz überwiegend zu gleichen Ergebnissen wie die bisherige Rechtsprechung, lediglich die Herleitung dieser Ergebnisse weicht von der bisherigen Praxis ab. Eine Ausuferung des Lauterkeitsrechts geht mit der Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbereichs damit letztlich nicht einher. Etwaige Bedenken bezüglich des weiten Verständnisses der geschäftlichen Handlung haben sich als unbegründet erwiesen.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Kapitel

Im ersten Kapitel wurde zunächst herausgearbeitet, inwieweit es einen Verbraucherschutz nach Vertragsschluss im UWG vor der Novelle 2008 gab. Um zu verstehen, warum das Lauterkeitsrecht im Ergebnis nach ganz herrschender Auffassung nach Vertragsschluss nicht anwendbar war, wurde anfangs das Verhältnis von Lauterkeits- und Vertragsrecht untersucht. Als allen Abgrenzungsversuchen gemeinsam hat sich dabei herausgestellt, dass mit Abschluss des Vertrages und damit verbundenem Eintritt in die individuelle Vertragsbeziehung zwischen Unternehmer und Verbraucher ein Wettbewerb um den Kunden nicht mehr stattfinden könne, der Vertragsschluss mithin den zeitlichen Übergang von Lauterkeits- zu Vertragsrecht darstelle. Die damit bewirkte zeitliche Beschränkung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs ist bereits begrifflich angelegt: Der für das UWG namensgebende Begriff des Wettbewerbs bezieht sich auf den Wettlauf unter Konkurrenten um die Gunst des Kunden. Nach Vertragsschluss im Rahmen des individuellen Vertragsverhältnisses findet ein solcher Wettlauf nicht mehr oder allenfalls noch sehr mittelbar statt. Tatbestandlich fand die damit bewirkte Einschränkung im früheren Merkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs ihren Ausdruck. Zu Anfang wurde der Verbraucher im UWG allenfalls reflexartig geschützt. Schon bald jedoch fand der Verbraucherschutz im Zuge des sog. sozialrechtlichen Verständnisses Eingang in das Lauterkeitsrecht. Maßgebliche Erkenntnis des ersten Kapitels war es indes, dass eben dieser neue Schutzzweck des Verbraucherschutzes immer wieder lediglich als neues und zusätzliches Argument im Rahmen der bestehenden Argumentationsstrukturen berücksichtigt wurde. Tatsächlich wurde die konkurrentenschützende Perspektive nicht aufgegeben. Dies ließ sich gerade anhand der Behandlung von Verhaltensweisen nach Vertragsschluss veranschaulichen, da diese in erster Linie weniger den Wettbewerb unter Konkurrenten als vielmehr das individuelle Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher betreffen. Selbst ausschließlich oder zumindest vorwiegend verbraucherrelevante Handlungen führten gerade nicht aus vorwiegend verbraucherschutzrechtlichen Gründen zur Annahme einer Wettbewerbshandlung. Erst nachdem ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorlag, konnte sich der Verbraucherschutz als Argument entfalten. Das für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs maßgebliche Merkmal eines objektiven Markt- bzw. Wettbewerbsbezugs, der sich in der Außenwirkung im Wettbewerb unter Konkurrenten äußern sollte, wurde auch nach der Reform 2004 weitgehend übernommen. Handlungen nach Vertragsschluss fehlte ein solcher Wettbewerbsbezug, weshalb sie weiterhin nach ganz herrschender Meinung vom Anwendungs-

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

bereich des UWG ausgenommen waren. Soweit die zeitliche Grenze weniger strikt gehandhabt wurde, wich man trotzdem weitgehend auf den Mitbewerberschutz aus. Vermeintliche Ausnahmen vom Grundsatz der Unanwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss richteten den Fokus in Wahrheit gerade nicht mehr auf das Verhältnis des Unternehmers zum einzelnen Verbraucher innerhalb des bestehenden Vertragsverhältnisses. Vielmehr stellten die entsprechenden Argumentationsfiguren wiederum auf den (mittelbaren) Wettbewerb unter Konkurrenten ab. Selbst diejenigen Ansätze in der Literatur, die den Anwendungsbereich des UWG konsequent auf Handlungen nach Vertragsschluss ausweiten wollten, erfassten nachvertragliche Verhaltensweisen jedenfalls nicht konsequent aus der Perspektive eines unmittelbaren Verbraucherschutzes, oder ließen sich mit dem nach wie vor prägenden Begriff der „Wettbewerbshandlung“ nur schwer in Einklang bringen. Im Ergebnis war ein unmittelbarer und völlig eigenständiger Verbraucherschutz nach Vertragsschluss durch das UWG nicht vorgesehen. 2. Kapitel

Bereits vor den nachfolgend untersuchten Entwicklungen standen Lauterkeitsund Schuldrecht nicht völlig unabhängig nebeneinander. Zu Überschneidungen führten einerseits im BGB die Rezeptionsnormen der §§ 134 und 138 BGB sowie im Deliktsrecht des § 823 Abs. 2 BGB. Insofern wurde insbesondere festgestellt, dass die herrschende Meinung zu Recht davon ausgegangen ist (und nach wie vor davon ausgeht), dass der bloße UWG-Verstoß an sich nicht rechtsgeschäftlich zu sanktionieren ist. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass die §§ 134, 138 BGB einen Vertrag aufgrund seines Inhalts für nichtig erklären, während das UWG Verhalten sanktioniert. Damit weisen die Normen einen anderen Anknüpfungspunkt als das Lauterkeitsrecht auf. Kritisch zu bewerten ist andererseits nach hier vertretener Auffassung, dass im Rahmen des Rechtsbruchtatbestandes sehr weitgehend fremde Normen rezipiert und v. a. auch verbraucherschützende Normen des BGB übernommen wurden. Dagegen ist zunächst einzuwenden, dass die rezipierten vertragsrechtlichen Normen oftmals keine Marktverhaltensregelungen darstellen. Soweit sie dies doch tun, stellt sich zudem die – im Rahmen des dritten Kapitels näher thematisierte – Frage, inwieweit es eines Rückgriffs auf den Rechtsbruchtatbestand überhaupt bedarf. Weitgehend durch europäische Vorgaben angestoßen, haben sowohl im BGB als auch im UWG Wertungen Eingang gefunden, die sich nach den – im ersten Kapitel dargestellten – klassischen Kriterien nicht ganz eindeutig nur einem der beiden Bereiche zuordnen lassen. Dies gilt zunächst für das BGB: Im Rahmen der §§ 434 Abs. 1 S. 3, 443 Abs. 1 BGB knüpft das Vertragsrecht an vorindividuelle, eher lauterkeitsrechtliche Maßstäbe an. Widerrufsrechte sowie Informationspflichten bestehen generell, ohne dass es auf Besonderheiten des individuellen Vertrages ankommt, und die zeitliche Grenze des Vertragsschlusses wurde schon bisher durch das Institut der culpa in

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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contrahendo durchbrochen. Darüber hinaus knüpfen die §§ 241a Abs. 1 und 661a BGB an typisch lauterkeitsrechtliches Verhalten eine bürgerlich-rechtliche Rechtsfolge. Aber auch das UWG lässt sich gerade infolge der Änderungen durch die Reform 2008 nicht mehr mit den klassischen Kriterien charakterisieren: So schützt das Lauterkeitsrecht nun auch den einzelnen Verbraucher nach Vertragsschluss in Situationen, die keinen Bezug mehr zum Wettbewerb haben. Es gab und gibt zwar eine ganze Reihe von Versuchen, einer allzu extensiven Reichweite des UWG bereits auf der Anwendbarkeitsebene dadurch entgegenzuwirken, dass in die geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG „typisch wettbewerbsrechtliche“ Anforderungen hineingelesen werden. Gefordert wird etwa weiterhin ein Marktbezug, die Einflussnahme auf die Verbraucherentscheidung oder ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Verbraucherrelevanz. Nach hier vertretener Auffassung bietet das neue Recht indes für all diese Ansätze keine Grundlage. Stattdessen ist von einem sehr weiten Verständnis der geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auszugehen. Demnach ist für einen „objektiven Zusammenhang“ einer Verhaltensweise mit der Durchführung eines Vertrages – dem Wortsinn entsprechend – bereits jeder objektive sachliche Zusammenhang ausreichend. Auch wenn dies der inzwischen ganz herrschenden Auffassung (und vielleicht auch der lauterkeitsrechtlichen Intuition) widerspricht, ist damit zunächst einmal tatsächlich auch jede bloße Nicht- oder Schlechterfüllung erfasst. Eine Abgrenzung zum Vertragsrecht kann jedoch auch noch auf der Ebene der nachfolgend zu prüfenden Unlauterkeit erfolgen. Neben der weitgehenden parallelen Anwendbarkeit von BGB und UWG ist schließlich besonders auffällig, dass seit der Reform 2008 Informationspflichten desselben Inhalts sowohl in BGB als auch UWG geregelt sind. Infolge all dieser Neuerungen lassen sich Lauterkeits- und Vertragsrecht nicht länger – zumal nicht auf Ebene der Anwendbarkeit – nach den alten Kriterien voneinander abgrenzen. 3. Kapitel

Während unionsrechtlich vorgegebene verbraucherschützende Vorschriften früher recht zersplittert im Rahmen verschiedener Sondergesetze umgesetzt wurden, kam es im Zuge der Schuldrechtsreform zu einer Konzentration verbraucherschützender Normen im BGB und insbesondere im Schuldrecht. Spiegelbildlich wurde im Jahr 2008 mit der UGP-Richtlinie eine konsequent verbraucherschützende europäische Vorgabe im UWG umgesetzt. Angesichts dessen, dass der Großteil der verbraucherschützenden Normen in BGB und UWG ihren Ursprung im Unionsrecht haben, liegt es nahe, im Europarecht nach einer Aussage dahingehend zu suchen, wie die jeweiligen Vorschriften einzuordnen sind. Eine kategorische Trennung von lauterkeits- und vertragsrechtlichen Regelungen, wie es der deutschen Systematik entspricht, lässt sich den europäischen

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Vorgaben indes nicht entnehmen. Der europäische Verbraucherschutz fügt sich in erster Linie funktional in die Gewährleistung des Binnenmarkts ein, indem er die Ausgestaltung einer ökonomischen Rolle am Markt betrifft. Dabei verknüpft er auch innerhalb der jeweiligen Richtlinien eng die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs und die Regelung des vertraglichen Verhältnisses miteinander. Gerade die Gewährung von Informationen und die Schaffung von Transparenz sind demnach als typisches Instrument für die Gewährleistung der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs anzusehen. Damit eng verbunden gewähren Widerrufsrechte zwar ein vertragliches Recht, doch knüpft dieses unmittelbar an die Beurteilung einer bestimmten Geschäftspraxis des Unternehmers und damit an die Beurteilung von Marktverhalten an. Ganz besonders deutlich wird die enge Verknüpfung bei der Zusendung unbestellter Waren, wo das Sekundärrecht das Verbot der Verhaltensweise und deren Rechtsfolge in direktem Zusammenhang regelt. Auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verknüpft unlauteres Marktverhalten mit einer vertraglichen Rechtsfolge. Im Ergebnis lässt sich dem europäischen Sekundärrecht zumindest insofern eine inhaltliche Zuordnung entnehmen, als die Regelung der Lauterkeit ein bestimmtes Verhalten des Unternehmers betrifft, während der vertragliche Rechtsbehelf an ein (typischerweise) unlauteres Verhalten anknüpft. Letztlich stehen die jeweiligen Regelungen in engem Zusammenhang und greifen zum Schutze des Verbrauchers im Markt ineinander. Oftmals wurde der Problematik des Verhältnisses von lauterkeitsrechtlichem und rechtsgeschäftlichem Verbraucherschutz dadurch aus dem Weg gegangen, dass bereits im Rahmen der Anwendbarkeit ganz der alten Rechtslage entsprechend – und unvereinbar mit der seit 2008 geltenden Rechtslage – eine marktbezogene Außenwirkung gefordert und damit im Ergebnis individuelles Verhalten nach Vertragsschluss wiederum ausgeklammert wurde. Es gab indes durchaus – gerade auch schon vor Umsetzung der UGP-Richtlinie – Versuche, das Verhältnis auf Grundlage einer Anwendbarkeit des UWG nach Vertragsschluss im Rahmen der individuellen Vertragsbeziehung zu bestimmen. Insofern liefern Leistner und Tiller zwei grundlegende Ansätze, sich dem Verhältnis von BGB und UWG zu nähern. Ersterer sieht Lauterkeits- und Vertragsrecht im Hinblick auf den Schutz des Vertragsmechanismus als funktional äquivalent an und will die Anwendbarkeit des UWG – im Sinne einer Konkurrenzlösung – von deren ordnungspolitischer Notwendigkeit abhängig machen. Dagegen geht zweiterer von einer völligen Unterschiedlichkeit der Schutzzwecke und damit von einer tatbestandlichen Abgrenzung aus. Das Lauterkeitsrecht schütze die Entscheidungsfreiheit, das Gewährleistungsrecht dagegen schütze das Erfüllungsinteresse des Käufers. Ein weiterer Ansatz betont ähnlich wie Tiller die entscheidende Bedeutung der Einflussnahme auf die Entscheidung des Verbrauchers im Lauterkeitsrecht und unterscheidet den lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutz aufgrund seiner kollektiven, präventiven Schutzwirkung vom vertragsrechtlichen Schutz. Im Anschluss wurden zunächst die generellen Möglichkeiten dargestellt, wie Verbraucherschutz konzeptionell verwirklicht werden kann. Diesbezüglich standen sich soziale und liberale Modelle gegenüber, die sich insbesondere in der Frage

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unterscheiden, ob es eines marktkorrigierenden Eingriffs bedarf oder ob der grundsätzlich souveräne Verbraucher marktkomplementär in der Ausübung seiner Rolle am Markt unterstützt werden soll. Eine Untersuchung der verbraucherschützenden Instrumentarien in BGB und UWG hat gezeigt, dass es sowohl im lauterkeitsrechtlichen als auch im rechtsgeschäftlichen Verbraucherschutz um die Gewährleistung einer selbstbestimmten Entscheidung des Verbrauchers geht. Beide Bereiche dienen weitgehend einer marktkomplementären Materialisierung der Privatautonomie, indem sie gewährleisten, dass der Verbraucher tatsächlich (statt nur formal) selbstbestimmt entscheidet und die Leistung auch dieser Entscheidung entspricht. Im Ausgangspunkt ist daher mit Leistner von einer funktionalen Äquivalenz beider Bereiche auszugehen. Allerdings unterscheiden sich BGB und UWG in der Art und Weise, wie die selbstbestimmte Entscheidung des Verbrauchers gesichert wird. Das BGB setzt vor Vertragsschluss eine selbstbestimmte Entscheidung voraus und stellt nach Vertragsschluss Instrumente zur Verfügung, diese entweder durchzusetzen oder sie tatsächlich in einem zweiten Versuch erstmals zu treffen. Der lauterkeitsrechtliche Schutz bezieht sich auf eben diese Entscheidungsmöglichkeiten, die das BGB voraussetzt bzw. zur Verfügung stellt. Er verhält sich damit in seiner Zielrichtung zur Privatautonomie vergleichbar den rechtsgeschäftlichen Instrumenten und je nachdem, welche Entscheidung vor unlauterem Einfluss geschützt wird. Im Hinblick auf die einzelne Verbraucherentscheidung sichert damit das UWG die selbstbestimmte Entscheidung jeweils konstitutiv in ihrer Entstehung, während das BGB kompensatorisch eingreift, wenn die Entscheidung im ersten Versuch typischerweise oder tatsächlich nicht selbstbestimmt war. Die damit herausgearbeitete Rollenverteilung zwischen BGB und UWG lässt sich bildlich gesprochen in der Art zusammenfassen, dass der rechtsgeschäftliche Verbraucherschutz dem Verbraucher das jeweilige rechtliche Werkzeug an die Hand gibt, während der lauterkeitsrechtliche Verbraucherschutz gerade die bereitgestellten (oder vorausgesetzten) Entscheidungsmöglichkeiten in ihrer Entstehung absichert, den Verbraucher mithin in die Lage versetzt, von seinem Werkzeug Gebrauch zu machen. Die beschriebene Aufgabenverteilung führt dazu, dass die beiden Bereiche in zweierlei Hinsicht komplementär aneinander anknüpfen. Zum einen können vertragsrechtliche Rechtsbehelfe bzw. -folgen aus dem Verstoß gegen Lauterkeitsrecht folgen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass das BGB insofern stets selbst die Voraussetzungen regelt, allein der UWG-Verstoß also noch keine Rechtsfolge im BGB nach sich zieht. Ungleich wichtiger für die vorliegende Untersuchung ist zum anderen, dass vertragliche Rechte und Pflichten als Bezugspunkt des Lauterkeitsrechts in Frage kommen. Unlautere Einflussnahme ist auch nach Vertragsschluss im Hinblick auf die dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe aus dem BGB möglich. Als Konsequenz der damit beschriebenen unterschiedlichen Rollenverteilung ist nach hier vertretener Auffassung die seit 2008 bestehende „Dopplung“ inhaltsgleicher Informationspflichten in BGB und UWG unstimmig. Informationspflichten werden nicht umsonst in den europäischen Vorgaben als Beispiel für Regelungen genannt, die die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs betreffen.

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Sie sind die typischste Form einer Regelung von Marktverhalten und dienen der konstitutiven Vorbereitung einer Verbraucherentscheidung. Dementsprechend ist die genannte „Dopplung“ dergestalt aufzulösen, dass Informationspflichten allein im Lauterkeitsrecht zu verorten sind, soweit sie der Entstehung einer selbstbestimmten geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers dienen. Ferner ist eine Rückwirkung der Existenz von Widerrufsrechten auf die lauterkeitsrechtliche Wertung der zugrundeliegenden Geschäftspraxis abzulehnen. Schließlich ist die bisherige Rezeption verbraucherschützender BGB-Normen im Rahmen des hier vertretenen komplementären Verständnisses von BGB und UWG dogmatisch nicht überzeugend. Stattdessen können und sollten die entsprechenden Fälle über die übrigen lauterkeitsrechtlichen Tatbestände gelöst werden. Zumindest im rechtsgeschäftlich verbraucherschützenden Bereich besteht auch kein rechtspolitisches Bedürfnis für die Heranziehung des Rechtsbruchtatbestandes. Eine entscheidende Konsequenz der komplementären Rollenverteilung von UWG und BGB ist es, dass es zu einem lauterkeitsrechtlichen „Eingriff“ Dritter in die vertragliche Beziehung nicht kommen kann. Der Verbraucher selbst trifft die im Zusammenhang mit dem Vertrag möglichen Entscheidungen. Dritte sorgen lediglich mit Hilfe des Lauterkeitsrechts dafür, dass diese Entscheidungen frei von unlauterem Einfluss erfolgen. Ein lauterkeitsrechtliches Verbot bezieht sich dementsprechend niemals auf die Vertragsdurchführung als solche, sondern auf deren „Wie“. Insofern ist in faktischer Hinsicht denjenigen zuzustimmen, die auf den kollektiven Charakter des lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes hinweisen. So können nur außenstehende Dritte eine Irreführung oder unsachliche Beeinflussung des Verbrauchers beseitigen. Daraus sowie aus der beschriebenen Rollenverteilung von UWG und BGB folgt zugleich, dass individuelle lauterkeitsrechtliche Ansprüche des Verbrauchers nicht nur unsystematisch, sondern auch unnötig wären. Sofern eine weitgehende Anwendung des UWG auf nachvertragliches Verhalten zu verfahrensrechtlichen Zuständigkeitsüberschneidungen und Abstimmungsproblemen führt, vermag dies das komplementäre Verständnis und die weitreichende Anwendbarkeit des UWG im individualisierten Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher nicht in Frage zu stellen. Zum einen betrifft diese verfahrensrechtliche Problematik nicht das materiellrechtliche Ergebnis der Untersuchung. Zum anderen ist die damit einhergehende weitreichende Prüfung vertragsrechtlicher Fragen im lauterkeitsrechtlichen Verfahren nichts prinzipiell Neues und bringt damit im Vergleich zur bisherigen Praxis allenfalls eine quantitative Änderung mit sich. 4. Kapitel

Abschließend waren die im ersten Kapitel dargestellten Fälle einer Lösung nach dem neuen Recht zuzuführen. Während sich die Einordnung im ersten Kapitel noch bloß am sachlichen Kontext orientiert hat, wurde nun eingangs des vierten Kapitels eine Fallgruppenbildung vorgenommen, die auf dem Zusammenwirken von untersuchter Verhaltensweise einerseits und deren Wirkung auf die Verbraucherentscheidung andererseits basiert. Dabei hat sich insbesondere gezeigt, dass viele der

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bisher entschiedenen Fälle verschiedene Anknüpfungspunkte bieten, gerade wenn man sich von dem jeweiligen Antrag löst und auch diejenigen Verhaltensweisen einbezieht, die erst nach neuem Recht dem UWG unterfallen. Das prägnanteste Beispiel sind insofern wohl die Fälle einer bloßen Vertragspflichtverletzung, etwa durch einen Minderausschank im Biergarten. Auch dieser Minderausschank ist nach geltendem Recht als geschäftliche Handlung anzusehen. Es verbleibt dann allein im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung die Frage, auf welche geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers sie sich auswirken kann. Gezeigt hat sich, dass auch die zeitliche Einordnung einer Verhaltensweise erst aus dem Zusammenspiel mit ihrer Wirkung beurteilt werden kann. Die Kategorisierung des Zusammenwirkens von Verhaltensweise und deren Auswirkung auf die Verbraucherentscheidung hat schließlich zu vier verschiedenen Fallgruppen geführt: Vorvertragliche Verhaltensweisen mit vorvertraglicher Wirkung, vorvertragliche Verhaltensweisen mit nachvertraglicher Wirkung, nachvertragliches Verhalten mit vorvertraglicher Wirkung und nachvertragliches Verhalten mit nachvertraglicher Wirkung. Vor der abschließenden Würdigung der Fallgruppen war der Frage nachzugehen, ob im Anschluss an den weitreichenden Anwendungsbereich des UWG im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung eine einschränkende Auslegung vorgenommen werden sollte und kann. Insofern hat die Untersuchung gezeigt, dass mit Blick auf den in der UGP-Richtlinie mehrfach prominent genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Raum für die Berücksichtigung der Unternehmerinteressen sein muss. Tatbestandlich bietet zunächst der Angabenbegriff im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG einen Ansatzpunkt für eine restriktive Auslegung. So kann der Begriff Äußerungen über erst noch herzustellende Produkte nicht erfassen; zum Kundgabezeitpunkt aktuell nachprüfbar sind lediglich die Fähigkeit und Bereitschaft, das vertraglich versprochene Produkt der Vereinbarung gemäß zu liefern. Damit führt etwa die bloße Schlechtleistung nicht notwendig dazu, dass die ursprüngliche Äußerung des Verkäufers eine Irreführung darstellt. Es verbleiben indes etwa diejenigen Fälle, in denen der Unternehmer im Einzelfall versehentlich (und ohne Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit) etwa eine unrichtige Rechtsansicht vertritt oder ein – im Zeitpunkt der Äußerung existentes – mangelhaftes Produkt bewirbt oder ein mangelhaftes Produkt liefert und damit eine – aktuell überprüfbare – konkludente Aussage zu dessen Vertragsgemäßheit trifft. Auf der Grundlage eines rein objektiven Verständnisses kann selbst die zuletzt genannte versehentliche Schlechtleistung einen unlauteren Einfluss auf die Verbraucherentscheidung über die Ausübung von Gewährleistungsrechten ausüben. Mit Blick auf eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher betroffener Interessen ist es allerdings im Ergebnis nicht wertungsgerecht, wenn jede einzelne versehentliche Schlechtleistung oder Äußerung einer unrichtigen Rechtsansicht stets unlauter ist, nur weil ein irreführender Einfluss auf die Verbraucherentscheidung vorliegt. Den tatbestandlich naheliegendsten Anknüpfungspunkt für eine Korrektur und insbesondere eine Berücksichtigung auch der Unternehmerinteressen bildet die unternehmerische Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG. Es ist daher bedauerlich, dass der EuGH diesen dog-

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

matisch eleganten Weg mit seiner Entscheidung CHS Tour Services GmbH/Team4 Travel GmbH ebenso versperrt hat, wie dies der Gesetzgeber mit dem seit 2015 geltenden Recht getan hat. Es verbleibt nurmehr eine Korrektur im Sinne einer der Unlauterkeitsprüfung im engeren Sinne nachgelagerten Interessenabwägung, dogmatisch verortet im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG. Eine derartige wertende Gesamtbetrachtung trägt dem Umstand Rechnung, dass der nunmehr weitreichende Anwendungsbereich des UWG auch vertragsbezogene Konstellationen erfasst, in denen nur ein einzelner Verbraucher von einer unternehmerischen Verhaltensweise betroffen ist, die Auswirkungen einer Verhaltensweise mithin im Vergleich zu den traditionellen lauterkeitsrechtlichen Konstellationen geringer sind. Dies ändert zwar nichts an dem Grundsatz, dass auch der einzelne Verbraucher lauterkeitsrechtlich geschützt ist. Gleichwohl können gerade in derartigen individuellen Konstellationen im Einzelfall Umstände auf Seiten des Unternehmers hinzutreten, die ein lauterkeitsrechtliches Verbot unverhältnismäßig erscheinen ließen. Wenn es also notwendig einer Interessenabwägung bedarf, dann führt dies zwingend dazu, dass auch die Beweggründe und die Kenntnis des Unternehmers in diese Abwägung einzustellen und bei der Gewichtung der Unternehmerinteressen zu berücksichtigen sind. Damit findet – zumindest mittelbar – auch eine subjektive Komponente Eingang in die Prüfung der Unlauterkeit einer Verhaltensweise. Zwar hatte sich bereits vor der Reform 2008 die ganz herrschende Meinung herausgebildet, dass die Unlauterkeit objektiv zu bestimmen ist. Gleichwohl hat die Untersuchung gezeigt, dass eine rein objektive Prüfung überhaupt nicht konsequent durchzuhalten ist und die Prüfung auch zu keinem Zeitpunkt rein objektiv erfolgt ist. Insbesondere hat die Untersuchung gezeigt, dass bereits im Rahmen des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs subjektive Elemente bei der Eröffnung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs Berücksichtigung fanden. Auch die herrschende Meinung zum neuen Recht bewirkt eine Eingrenzung des lauterkeitsrechtlichen Anwendungsbereichs letztlich nur mit Hilfe einer „objektivierten“ subjektiven Zielsetzung des Unternehmers. Mit Blick auf den – von subjektiven Kriterien abhängigen – grundrechtlichen Schutzbereich wurde gezeigt, dass eine kategorische Ausklammerung subjektiver Motive auch im Rahmen der Unlauterkeitsprüfung gar nicht möglich ist. Sie ist gerade in einem von jeher fallbezogenen, von normativ ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen abhängigen Rechtsgebiet wie dem Lauterkeitsrecht auch nicht wünschenswert. Die Bewertung der im ersten Kapitel dargestellten Fälle hat schließlich gezeigt, dass trotz des hier vertretenen weiten Anwendungsbereichs des UWG die bisherige Rechtsprechung in den meisten Fällen zumindest mit Blick auf die jeweiligen Ergebnisse weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann. Die im zweiten Kapitel dargestellten Argumentationsfiguren zur Beschränkung des Anwendungsbereichs können nach neuem Recht nicht aufrechterhalten werden. Sie können indes bei der Prüfung der Unlauterkeit eine Rolle spielen. Etwa der Umstand eines systematisch plan-

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mäßigen Handelns in einer Vielzahl von Fällen kann Aufschluss darüber geben, ob im Äußerungszeitpunkt ein Leistungswille vorlag und die Äußerung damit als irreführende Angabe zu qualifizieren ist. Zudem wirken sich sowohl ein systematisches, gezieltes Vorgehen als auch eine Vielzahl betroffener Verbraucher jeweils als Kriterium im Rahmen einer Interessenabwägung aus. Damit führt der hier vertretene Ansatz weitgehend zu gleichen Ergebnissen wie die bisherige Rechtsprechung. Es besteht mithin im Ergebnis kein Grund, reflexartig an der von der herrschenden Meinung vorgenommenen Einschränkung bereits auf der Anwendbarkeitsebene festzuhalten.

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Stichwortverzeichnis Absolutes Recht 301 AGB – Einbeziehung(-skontrolle) 196 f., 227 – Inhaltskontrolle 197 f. – Klauselverbote 197 f., 239 f. – Richtlinie über missbräuchliche Klauseln 167, 196, 238 – Verwendung unwirksamer AGB 81, 95, 100 f., 238 ff., 263, 304 AGB-Kontrolle 100, 196 ff., 240 Aggressive Geschäftspraktiken/geschäftliche Handlungen 43, 125, 213, 323 Allgemeine Handlungsfreiheit 186 Allgemeines Gesetz 148 Allgemeininteresse(n) 53, 204 Amsterdamer Vertrag 165 Anerkenntnis 319 Anfechtung 68 ff., 193 ff., 216, 218, 221 f., 226, 228 – arglistige Täuschung bzw. widerrechtliche Drohung 193 f., 221 f., 226, 228, 234 – Aufklärung über Anfechtungsrecht 268, 319 ff. – Eigenschaftsirrtum 194 – Erklärungs- und Übermittlungsirrtum 193 f. – Ersatz des Vertrauensinteresses 195 – Inhaltsirrtum 193 Angabe – äußere Tatsachen 286 – Begriff 272 f., 286 f., 325 – innere Tatsachen 286 Äquivalenz – funktionale Äquivalenz 175, 222, 253 – objektive Äquivalenz 188, 198 – subjektive Äquivalenz 188, 195 Äquivalenzprinzip 187 f., 195, 220 Aufforderung zum Kauf 153 f. Äußerung einer (unrichtigen) Rechtsansicht 275 f., 287, 296 ff., 314, 325 Aussetzung 250

Behandlungsvertrag 233 f., 244 Behinderungswettbewerb/Nichtleistungswettbewerb 49 Bereicherungsrechtliche Ansprüche 267 Berücksichtigung von Unternehmerinteressen 276, 279 ff., 290 ff., 325 f. Berufliche Sorgfalt 119 f., 208 ff. 283, 291 f., Berufsausübungsfreiheit 296 Beweislast 107, 149, 308 Breitenwirksamkeit/Breitenwirkung 38, 40, 129, 134 Caveat emptor 322 Culpa in contrahendo 39, 112 ff., 158 f., 201 ff., 216, 221, 227 f., 249 Darlehensvertrag 264 f., 310 Deliktsrecht 38 f., 148 f., 158 f., 220, 249, 301 Dispositionsinteresse 201 ff. „dynamische Verweisung“ 232 EGKS-Vertrag 165 Einheitliche Europäische Akte 167 „Entindividualisierung“ des Schuldrechts 157 Erfolgsdelikt 286 Erfüllungsinteresse 177, 253 Europarecht – Europäische Verbraucherpolitik 165 – Europäischer Verbraucherschutz 161 ff. – Primärrecht 165 f., 279, 281 – Sekundärrecht 167 ff., 231 ff., 253 Fachliche Sorgfalt 119 f., 208, 276 Fernabsatzgeschäfte 111, 114 Fernabsatzgesetz 28, 110, 163 f. Fernabsatzrichtlinie 108, 156, 167, 169 ff. Folgeverträge 65, 93 ff.

358

Stichwortverzeichnis

Garantie(n) 107 f., 114 f., 157, 170, 172 Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen 250 Gefährdungshaftung 236 Gemeinfreiheiten 281 Generalklausel(n) 46 f., 76 f., 205 ff. Gerichtliche Zuständigkeiten 250 Gesetzesvorbehalt 296 Gesetzliches Verbot 93 Gewährleistungsrecht 102, 104, 177, 195 f., 253, 267, 274, 284 Gewinnzusage(n) 110, 201 Grundrechtsschutz 148 f., 271, 274 ff., 281, 285, 295 ff., 325 f. Halterhaftung 236 Handeln im geschäftlichen Verkehr 47, 60, 89 Harmonisierung des Lauterkeitsrechts 76, 164 Hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen 136 Haustürgeschäfte 111, 184 Haustürgeschäfterichtlinie 163, 171 HaustürWG 163 Herkunftslandprinzip 164 Individualrechtsbehelf 56, 94, 98 f., 172, 178 f., 246 ff. Informationen – Basisinformationen 153 – Standardinformationen 114, 170 – wesentliche Information(en) 154, 318 Informationsasymmetrie 191, 233 Informationsdefizit 115, 183 f., 191 Informationsmodell 153, 182 ff. Informationspflichten – deliktsrechtliche Informations- und Warnpflichten 245 – „Dopplung“/Deckungsgleichheit der Informationspflichten 156, 165, 229 ff., 254 – explizite Informationspflichten 114 – implizite Informationspflichten 114 – standardisierte Informationspflichten 115 Integriertes Modell/integrierter Ansatz 117 f., 141

Integritätsinteresse(n) 201, 217 ff. Interessenabwägung 276 ff., 279 ff., 292 ff., 325 f. Inter partes-Wirkung 250 Interventionswirkung 251 Invitatio ad offerendum 153 Irreführung – durch Unterlassen 152 ff., 209, 316 f., 320 ff. – immanente Schranke des Irreführungsverbots 277 – Normativierung der Irreführung 272 ff., 287 ff. Irreführungstatbestand/Irreführungsverbot 47, 54 f., 209, 272 ff. Irreführungs-/Werberichtlinie 104, 164, 167, 210 f. „Irrtumsprivileg“ 298, 313 Kartellrecht 27 f. Kausalität/Kausalzusammenhang 144, 228, 299 Kennzeichnungspflichten 163 Klageantrag 257 f. Kollektiver Charakter des UWG 38, 130, 136, 178 f., 248, 254 f. Kommerzielle Kommunikation 133, 143, 153 ff., 231, 244 Kommerzielle Mitteilung 142 konkludente Annahmehandlung 200, 265 konkludente Aufrechterhaltung der ursprünglichen Täuschung 65, 74, 268, 320 konkludenter (Neu-)Abschluss eines Vertrags 262 f., 267, 310, 312 f. Konkreter Verletzungserfolg 157 Konkurrenz – Begriff 48 – konkurrentenschutzrechtliches Verständnis 40, 50 ff., 70 ff., 78 ff., 87 ff., 116 ff., 135 – totale Konkurrenz 58 Konkurrenzlehre 317, 322 Konkurrenzlösung 179, 253 Leistungswettbewerb

48 f., 55

Stichwortverzeichnis Maastrichter Vertrag 165 Markt – (anständige) Marktgepflogenheiten 119 f., 291 – marktbezogene Außenwirkung/Außenwirkung im Wettbewerb 61 f., 71, 80, 82 f., 87, 91, 128 f., 133 ff., 174, 253 – marktkompensatorische Maßnahmen 182, 186, 220 – marktkomplementäre Maßnahmen 183, 186, 191, 220, 254 – (objektiver/potentieller) Marktbezug 62, 68, 75, 79 f., 83 ff., 128 ff., 133 ff., 175 f. – Wiedereintritt in den Markt 87 ff. Markthandlung 58 ff. Marktrelevanz 81 f., 87, 133, 176, 271 Markttransparenz 114 f., 152 f., 229 Marktverhaltensrecht 58, 157, 271, 301 Marktverhaltensregelung(en) 95, 100 ff., 159, 238 ff. Marktversagen 190 „Materialisierung“ der Privatautonomie/ Vertragsfreiheit 188 ff., 220, 224, 254 Meinungsfreiheit 296 ff., 308, 310, 313 f. – Tatsachenbehauptung 297 – Werturteil 296 f. Mikroökonomisches Spannungsverhältnis 39, 62, 68 Minderung 73 f., 88 f., 143, 151 Monopolstellung 79 „Multiplikatoreffekt“ 38, 40, 69, 158 Nachahmungsschutz 212 Nachteilserfordernis 78 f. Naturalrestitution 202 f. Nebenintervention/Nebenintervenient 251 Nebenpflicht(en) 178, 201 ff., 227 „New Deal for Consumers“ 172, 249 Nichtigkeit/Nichtigkeitsfolge 93 ff., 199, 221 Nichtleistung/Nichterfüllung 61, 71, 132 f., 159, 176, 259, 274, 289 Non liquet 148 „normative Verklammerung“ 234 Objektiver Empfängerhorizont Objektives Ziel 132, 138

106

359

Öffentliches Interesse 53, 280 Ökonomische Analyse des Rechts 184 ff., 220 Ordnungspolitische Effizienz/ordnungspolitisches Gebot effektiver Rechtsdurchsetzung 83, 175, 237, 253 Ordoliberale Schule 186 Pacta sunt servanda 97, 187, 192, 201 Partizipatorischer Ansatz 182 Pauschalreiserichtlinie 163, 167, 170, 232, 241 „Plausibilitätskontrolle“ 276 Präzedenzwirkung 251 Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit 139 Prinzip der Nichteinmischung 178 Prozessökonomie 250 „Psychologischer Kaufzwang“ 55 Qualifizierte Einwirkung auf die Verbraucherentscheidung 177 Rahmenrecht 300 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 301 Rechtsbruch(tatbestand) 81, 94 f., 99 ff., 159, 237 ff., 255 Referenzmodell der sozialen Marktwirtschaft 186 Relevanzkriterium 206 f., 218 f., 242, 272, 279, 293 „Reuerecht“ 112, 192 Richtigkeitsgewähr 189 Römische Verträge 165 Sachmangel – Begriff 102 f. – durch Werbung 102 ff., 157, 227 f. – Herstellerangaben 103 – konkludente Beschaffenheitsvereinbarung 103 f. – konkludente Eigenschaftszusicherung 103 – öffentliche Äußerungen 103, 107 „Sanktionenkonkurrenz“ 252 Scharniernorm 208, 294

360

Stichwortverzeichnis

Schlechterfüllung/Schlechtleistung – konkludente Angabe durch Schlechtleistung 287 ff., 315 f. – offene Schlechtleistung 289, 315 – systematische Schlechtleistung 41, 71, 88 – verdeckte Schlechtleistung 289, 315 – versehentliche Schlechtleistung 286 f., 316, 325 Schlechtleistung als geschäftliche Handlung/ Wettbewerbshandlung 61 f., 88, 132 f., 146, 159, 176, 274 Schuldrechtlicher Haftungsmaßstab 298 Schuldrechtsreform 108, 112, 164, 203, 253 Schutz der Privatsphäre 141, 219, 221 Schutzgut/Schutzobjekt des UWG 48 ff. Schutznormtheorie 100 Schutzwürdigkeit des Unternehmers 279 ff., 285, 300 f., 326 Schutzwürdigkeit des Verbrauchers 180, 301 Schutzzweckbestimmung 76, 87, 149 Schutzzweckerweiterung 52 ff., 78 f. Schutzzwecktrias 30, 76 ff., 210 Schwarze Liste 123 Sittenwidrigkeit 54, 93 f., 96, 298 Situative Überforderung/Unterlegenheit 111, 192, 220 Sonderdeliktsrecht 38 f. Soziales Referenzmodell 186 Sozialstaatsprinzip 182 Spürbarkeitsschwelle 208 Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt 119, 291 Stets unlautere Geschäftspraktiken 123 ff. Streitverkündung/Streitverkünder 251 Strukturelles Ungleichgewicht/strukturelle Unterlegenheit 181, 183, 198, 220 Subjektive Finalität 138 Subjektive/schuldrechtliche Verantwortlichkeit 118 ff., 290 f., 298 ff. Subjektivierung des Schadensbegriffs 202 Subjektiv-intellektuelle Unterlegenheit 181, 183

Subsidiaritätsprinzip 118 Systemwidrige Durchsetzungslücken im Individualvertragsrecht 83 f., 174 ff. Time-Sharing-Richtlinie 167, 170, 232 Treu und Glauben 119 f., 290 f. „Übertriebenes Anlocken“ 55 Überziehungskredit 264 – geduldete Überziehung 264 – ungewollte Kontoüberziehung 265 Unberechtigte Abmahnung 275, 300 f. Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung 301 Unbestellte Leistungen 108 ff., 126, 171 f., 227, 253 Unmittelbarer Zusammenhang 128, 145 f. Unterlassungsanspruch – Begehungsgefahr 152, 303 ff. – konkrete Verletzungsform 257 ff., 304 – konkrete Verletzungshandlung 257 ff., 304 f., 317 – Konkretisierungsgebot 257 f. – strafbewehrte Unterlassungserklärung 278 – Unterlassungsverpflichtungserklärung 303 – Verletzungsunterlassungsanspruch 303 f. – Wiederholbarkeit 278, 304 f. – Wiederholungsgefahr 152, 278 f., 302 ff., 308 Unternehmerische Freiheit 296, 316 Unwertkriterium 206, 208, 218, 272, 274 f., 290 Unzumutbare Belästigung 135, 218 ff. Verbandsklagebefugnis 55, 59 Verbraucher – Durchschnittsverbraucher 106, 134, 157, 287 – gewerblicher Verbraucher 28 f. – letzter Verbraucher 28 f. – Schiedsrichterrolle (des Verbrauchers) 39, 206, 212, 274 Verbraucherdarlehensvertrag 111, 114 Verbraucherkreditrichtlinie 114 f., 155 Verbraucherrechterichtlinie 29, 108 f., 167 ff., 232 f.

Stichwortverzeichnis Verbraucherschutz – abstrakt-genereller Verbraucherschutz 38 f., 157, 230 – binnenmarktakzessorischer Verbraucherschutz 165 f. – binnenmarktfunktionaler Verbraucherschutz 253 – eigenständiger Verbraucherschutz 60 f., 91 – individuell-konkreter Verbraucherschutz 38 f., 230 – kompensatorischer Verbraucherschutz 182, 184, 190, 220, 223 f., 254 – konstitutiver Verbraucherschutz 184, 190, 223 f., 254 f. Verbraucherschutzgesetz 163 Verbrauchervertrag 114 f., 196 Verbrauchsgüterkauf(richtlinie) 102 ff., 107 ff., 114 f., 167, 170, 172, 195 f., 232, 244, 253 Verhaltensgebot/Verhaltensverbot 238 ff. Verhältnismäßigkeitsprüfung 293 ff. Verkaufsförderung 154 Verkehrssicherungspflichten 82, 175, 223 Verschulden/Verschuldenserfordernis 119 f., 228, 291, 298 ff. Vertrag von Lissabon 166 Vertragliche Bindungswirkung 187 f., 200, 204, 218, 220 f. Vertragsfreiheit 187, 190 ff., 217 f., 220 f. Vertragsschluss als zeitliche Zäsur 39 f., 62, 75 Vertrauensschutz 112, 187 Verwechslungsgefahr 211 Vorrang des Unionsrechts 295 Vorsprungsgedanke 55, 88, 100, 238

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Wahrheitsgrundsatz 209 Wahrnehmung berechtigter Interessen 148 f. Werbung – Aufmerksamkeitswerbung 154 – Begriff 104 – Image-Werbung 147 – Sponsoring 144 f., 147 – vergleichende Werbung 210 ff. – Wirtschaftswerbung 296 Wertbezogene Vorschriften 101 Wettbewerb – Begriff 47 ff., 58 f., 90 – (objektiver) Wettbewerbsbezug 73 f., 88 ff., 135, 174 – Wiederaufleben des Wettbewerbs 68, 73, 86, 150 f. – Wiedereintritt in den Wettbewerb 87 ff. Wettbewerbsabsicht 69, 147, 271, 274 Wettbewerbsförderungsabsicht 131 Wettbewerbskonzeptionen und -definitionen 48 Wettbewerbsrelevanz 87, 129, 134, 174 Wettbewerbsverhältnis 57 ff., 78 f., 85, 89 Widerruf – (unterlassene) Widerrufsbelehrung 85 f., 95, 154 f., 171, 215, 248, 263 – verspäteter Widerruf 262, 308 Widerrufsfrist 200 f., 228, 230 Widerrufsrecht 86, 111 f., 150 f., 157, 159, 171, 184, 192 f., 220 f., 227 f., 235 ff., 253, 255 „Wirkungsautomatismus“ 226, 228, 236 Wirtschaftsliberalismus 162 Zahlung unter Vorbehalt 270 f., 318 f. Zurechnungszusammenhang 121, 144 Zwischenfeststellungsklage 251