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German Pages 835 [836] Year 2006
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH K R I T I S C H E TEXTE U N D D E U T U N G E N Begründet von Karl Konrad Polheim Herausgegeben von Carsten Kretschmann und Jens Stüben Die historischen Tragödien
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH
KRITISCHE TEXTE U N D D E U T U N G E N
Begründet von Karl Konrad Polheim Herausgegeben von Carsten Kretschmann und Jens Stüben SECHSTER B A N D Die historischen Tragödien
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 2006
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH
DIE HISTORISCHEN TRAGÖDIEN »Maria Stuart in Schottland«, »Marie Roland«, »Richelieu«, »Jacobäa« Kritisch herausgegeben und kommentiert von Marianne Henn
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 2006
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN-13: 978-3-484-10903-2
ISBN-10: 3-484-10903-3
© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006 Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach
Inhaltsverzeichnis Vorwort
8
Maria Stuart in I.
Text 1. Maria 2. Maria 3. Maria 4. Maria
Schottland Stuart Stuart Stuart Stuart
in Schottland in Schottland, in Schottland in Schottland
(H 1 ) Dritter Aufzug (E1) (E1 mit E IK und Ε 2 ) (H 2 )
9 10 115 138 243
II.
Kritischer Apparat 1. Editorische Hinweise 2. Zur Gestaltung von Text und Apparat 3. Sammelvarianten a. Vokalismus und Konsonantismus b. Groß- und Kleinschreibung c. Fremdwörter d. Der Apostroph e. Interpunktion 4. Variantenverzeichnis
345 347 348 348 348 350 350 350 351 352
III.
Text- und Wirkungsgeschichte 1. Die Texte und ihre Entstehungsgeschichte a. Die Handschrift H1 b. Der Einzeldruck (E1) mit Korrekturen (E IK ) und der Neudruck des dritten Aufzugs (E2) c. Die Handschrift H 2 2. Aufführungen von Maria Stuart in Schottland und erste Reaktionen
367 369 369 371
3.
377
Marie I.
II.
Maria Stuart in Schottland in der wissenschaftlichen Literatur
372 372
Roland
Text 1. Marie Roland (H) 2. Marie Roland (E mit E K ) Kritischer Apparat 1. Editorische Hinweise 2. Zur Gestaltung von Text und Apparat
381 382 452 527 529 530
6 3.
4. III.
Sammelvarianten a. Vokalismus und Konsonantismus b. Groß- und Kleinschreibung c. Fremdwörter d. Der Apostroph e. Interpunktion Variantenverzeichnis
Text- und Wirkungsgeschichte 1. Die Texte und ihre Entstehungsgeschichte a. Die Handschrift (H) b. Der Einzeldruck (E) mit Korrekturen (EK) c. Laubes Bühneneinrichtung der Marie Roland 2. Die Aufführung von Marie Roland und erste Reaktionen 3. Marie Roland in der wissenschaftlichen Literatur
530 530 532 532 533 533 534 549 551 552 554 555 556 557
Richelieu-Fragmente I.
Text 1. Richelieu's Ende (H1) 2. Richelieu (H2) 3. Richelieu's Ende (H3)
561 562 628 695
II.
Kritischer Apparat 1. Editorische Hinweise 2. Zur Gestaltung von Text und Apparat 3. Sammel Varianten a. Vokalismus und Konsonantismus b. Groß- und Kleinschreibung c. Fremdwörter d. Der Apostroph e. Interpunktion 4. Variantenverzeichnis
703 705 706 706 706 708 708 708 709 710
III.
Text-und Entstehungsgeschichte 1. Der geschichtliche Stoff und seine Faszination 2. Die Entstehungsgeschichte der Fassungen 3. Handschriftliche Fragmente a. Die Handschrift H1: Richelieu's Ende b. Die Handschrift H2: Richelieu c. Die Handschrift H3: Richelieu 's Ende
717 719 720 722 722 723 124
7
Jacobäa-Fragmente I.
Text 1. Jacobäa (H1) 2. Jacobäa von Bayern (H2)
725 726 769
II.
Kritischer Apparat 1. Editorische Hinweise 2. Zur Gestaltung von Text und Apparat 3. Sammelvarianten a. Vokalismus und Konsonantismus b. Groß- und Kleinschreibung c. Fremdwörter d. Der Apostroph e. Interpunktion
783 785 786 786 787 788 788 788 789
III.
Text-und Entstehungsgeschichte 1. Der geschichtliche Stoff und seine Faszination 2. Die Entstehungsgeschichte der Fragmente 3. Handschriftliche Fragmente a. Die Handschrift H': Jacobäa b. Die Handschrift H2: Jacobäa von Bayern
791 793 794 795 796 797
Marie von Ebner-Eschenbach und die historische Tragödie 1. Marie von Ebner-Eschenbach als Dramatikerin 2. Die zeitgenössische Bühne und die historische Tragödie 3. Anhang: Ausgewählte Briefe zu den Dramen
799 801 805 809
Bibliographie 1. Quellen a. Textzeugen der historischen Tragödien b. Sonstige Dramen von Marie von Ebner-Eschenbach c. Briefe von und an Marie von Ebner-Eschenbach d. Tagebücher und autobiographische Schriften e. Rezensionen, Ankündigungen und Berichte in Zeitungen f. Sonstige Primärliteratur 2. Sekundärliteratur
825 827 827 828 830 831 832 832 833
8
Vorwort Dieser Band der Historisch-Kritischen Ausgabe der Werke von Marie von EbnerEschenbach bietet ein umfassendes Bild ihrer historischen Tragödien und eröffnet neue aufschlußreiche Aspekte für das Verständnis ihres dramatischen Schaffens. Es werden in diesem Band nicht nur die Erstdrucke der beiden vollendeten Tragödien mit den handschriftlichen Korrekturen Ebner-Eschenbachs wiedergegeben, sondern auch die Handschriften mit einem alle Textänderungen aufweisenden integralen Apparat. Mit dem Abdruck der nach dem Erstdruck überarbeiteten und z.T. erheblich geänderten Handschrift liegt erstmals die ausdrücklich von EbnerEschenbach autorisierte Version für eine mögliche Veröffentlichung ihres vollendeten Trauerspiels Maria Stuart in Schottland vor. Auch die Unterschiede zwischen der Handschrift und dem Erstdruck von Marie Roland zeigen interessante Aspekte auf. Außerdem schließt dieser Band auch die beiden unvollendet gebliebenen Tragödien Richelieu und Jacobäa ein, die bisher nur als handgeschriebene Fragmente in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek zugängig waren. Neben den Texten und dem kritischen Apparat wird der Überblick durch eine Text-, Entstehungs- und Wirkungsgeschichte ergänzt und vervollständigt. Mein Dank gilt besonders Prof. Dr. Karl Konrad Polheim (f), der die Entstehung dieses Bandes mit großem Interesse und konstruktiven Ratschlägen gefördert hat. Dr. Jens Stüben danke ich für die äußerst sorgfältige Durchsicht des Manuskripts. Außerdem bedanke ich mich herzlich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, die an Ort und Stelle wie auch aus der Ferne immer sehr hilfreich gewesen sind. Schließlich danke ich dem Generallandesarchiv Karlsruhe, dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar und dem Stadtarchiv Wuppertal für ihre Hilfe. Edmonton, März 2006
Marianne Henn
I. Text
Maria Stuart in Schottland
1.
Maria Stuart in Schottland (H1)
Maria Stuart in Schottland Schauspiel in fünf Aufzügen
Motto "Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet, Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft Im Augenblick der letzten Rechenschaft, Und wälzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten. Den König, meinen Gatten, ließ ich morden, Und dem Verführer schenkt' ich Herz und Hand!" Maria Stuart von Schiller
(Als Manuscript gedruckt)
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Maria Stuart in Schottland
PERSONEN
MARIA STUART, Königin von HEINRICH DARNLEY, ihr
Schottland
Gemal
EARL VON LENNOX, sein Vater EARL VON MURRAY, natürlicher Bruder der Königin GRAF VON BEDFORT, Gesandter England's GRAF VON BRIENNE, Gesandter Frankreich's JAMES HEPBURN, GRAF VON BOTHWELL EARL VON CAITHNESS,
Lord-Oberrichter
EARL VON M A R LORD DOUGLAS LORD RUTHVEN LORD KERR LORD ATHOL LORD HUNTLY LADY ELEONOR ARGYLL
CUNNINGHAM (Freund Lennox's) IVERNESS, ein Offizier ANDREWS, ein Page RICHTER, LORDS, WÜRDENTRÄGER DES REICHS, OFFIZIERE, SOLDATEN, GEFOLGE.
Erster Aufzug Erster Auftritt Saal in Holyrood Die im Hintergrunde geöffnete Thüre (die jedoch nach dem 2. Auftritte geschlossen wird,) gewährt die Aussicht auf eine Terrasse, auf welcher WACHEN auf und nieder gehen. LENNOX, der eintreten
will wird von
ihnen
angerufen:
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Das Losungswort? LENNOX. Hoch König Darnley! LADY ARGYLL durch die Seitenthüre links eintretend, eilt auf ihn zu. Willkommen theurer, ehrwürdiger (hochverehrter) Lord In diesem Hause, das kein Freund betrat Seit zweien langen, fürchterlichen Tagen! Willkommen Sir! Willkommen um so freud'ger,
Lennox!
Als minder wir auf dieses Glück gehofft! LENNOX. Ihr seh{e}t (Mylady) mich so tief bewegt {Mylady}, Daß mir das Wort versagt. Hier meine Hand Es reicht sie Euch ein treu Verbündeter. LADY ARGYLL. Ich fasse sie, und mit ihr neue Hoffnung, Nicht Alles hat die Königin verloren, So lang{e} {Ihr} noch schützend sie umgebt (Lennox, bei ihr steht). Ihr kommt vom König! ... Ist's nicht so Mylord? Ihr bringt von uns'rem Herren Gruß und Kunde, Er wird die Schmach, die unerhörte, sühnen, Mit der man ihn in seiner Gattin traf ... Ihr kommt vom König - kommt vom König doch? ... - Was frag' ich nur! ... Ihr kommt, und d a ß Ihr kommt, Ist Zeichen mir, und ist Beweis zugleich! ... LENNOX. Bei Gott Mylady! H i e r vermutet, h i e r , Erwartet, hab' ich meinen Sohn, daß ich's Umsonst gethan, das ist ein Räthsel mehr Zu allen, die mir in den letzten Tagen
(hochverehrter) üdZ; keine Tilgung. (Mylady) üdZ, eingewiesen nach seht. (Lennox, bei ihr steht) iidZ, eingewiesen über sie umgebt; keine Tilgung.
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Maria Stuart in
Das Schicksal aufzulösen gibt. Ein bang Gerücht bis Dumbarton gedrungen, rief mich Nach Edinburg. - Ich komme - frage und Was ich erforscht, ist halbe Wahrheit kaum; Auf jedem Antlitz les' ich bleichen Schrecken, Dem Keiner wagt ein deutlich Wort zu leih'n, Nur flüsternd raunen sie's einander zu Das Gräßliche - und das Unmögliche ... LADY ARGYLL. Das Gräßliche fürwahr! Doch leider n i c h t Unmögliche zugleich ... LENNOX.
Mylady!
LADY ARGYLL.
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Schottland
Ja!
Ihr findet Eure Königin gefangen, Die Schwelle feucht vom Blute Rizio's, Das Haus besetzt, bewacht von seinen Mördern. LENNOX. Dann trug ein Wunder Gottes mich hierher Denn alle Pforten Schloß mein Name auf Als ein Ersehnter fast ward ich begrüßt LADY ARGYLL. V o n w e m M y l o r d ?
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LENNOX. Von Douglas, Kerr, von Ruthven ... LADY ARGYLL. Die Gräßlichen! Ein neues Opfer grüßten Mit wilder Freude sie, als diese Pforten Sich hinter Euch für immerdar geschlossen. LENNOX. Ich kam zu theilen meiner Fürstin Loos. LADY ARGYLL. Ο könntet Ihr doch mehr als nur es theilen, Vermöchtet Ihr zu wenden es, Mylord! So ungeheuer ist, was sie getroffen, Daß mir's erscheint ein böses Bild des Traums Erzeugt von kranken Fantasie'n. Noch starrt Mein Blut, noch sträub{e}t sich (auf) mein Haar, ruf ich's Zurück ... Hier ward's erlebt - in d e m Gemach - zur selben Unheimlich düst'ren Stunde, wo der Tag Mit Schatten ringend - ihnen unterliegt. Die Fürstin, von der Krankheit kaum genesen Die an den Rand des Grabes sie geführt Nach der Geburt des königlichen Prinzen, Empfing, umringt von ihren Frauen Den Kanzler Rizio, eines Befehl's Vollziehung ihm gebietend, dem in stets
(auf) üdZ, eingewiesen nach sich.
I. Text
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Gewohnter Art der Staatsrath widerstrebt. Da öffnet plötzlich sich des Zimmers Pforte Und fünf vermummte Männer treten ein. Es klirrt das Eisen unter ihren Mänteln In ihren Händen glänzen nackte Schwerter — Und vier von ihnen dringen mit dem Rufe: "Du bist des Todes!" {Ein} (ein) auf Rizio Nachdem der Fünfte - offenbar ihr Führer Durch einen Wink des Angriff's Zeichen gab ... In Rücken, Brust und Kopf zugleich getroffen Stürzt Rizio zusammen - seine Hand Erhebt er flehend zu der Königin Und schleppt sich sterbend, noch zu ihren Füssen, Sie breitet schützend über ihn den Arm Beugt nieder sich zu ihm entsetzensbleich Doch kaum hat sie den Sterbenden berührt So ringet wild ein Schrei der höchsten Wut Sich aus der Brust des Mannes, der bisher Dem grausen Schauspiel schweigend zugeschaut Er stürzt heran - dicht an die Königin, Und über ihrer Schulter senkt den Dolch Der Gräßliche in seines Opfers Nacken Schon hebt er ihn zu einem zweiten Streich, Schon fährt gezückt an ihr vorbei der Stahl — Da faßt sie ihn mit der Verzweiflung Kraft Und ringt die Waffe aus des Mörders Händen Zu spät - denn röchelnd sinkt der Kanzler nieder Mit seinem Blut{e} (be)netzend ihr Gewand ... LENNOX. Unseliger! LADY ARGYLL. Doch nun, wird's laut im Schlosse, Ο die Verbrecher kamen nicht allein! Indessen sie den Rizio ermorden Entwaffnen ihre Söldlinge die Wachen Auf allen Treppen, allen Gängen, tobt Der Kampf. Vergeblich suchen Athol, Huntly, Vom {kühnen} (edlen) Both well mutig angeführt, Der Uebermacht mit ihrer kleinen Schaar Voll Todeskühnheit Widerstand zu leihen, Sie weichen endlich - überall verdrängt ... LENNOX. Ihr nennt den König nicht? Den König, Lady! Wo blieb mein Sohn an diesem Schreckenstag? LADY ARGYLL. Vergeblich rief die Königin nach ihm
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Maria Stuart in Schottland
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Und fordert ihn von den Verschwornen, als Sie unverlarvt nach ihrem Sieg erschienen; Vergeblich auch hat sie bisher gefragt Nach des Complott's geheimnißvollem Führer, - Er werde bald sich zu erkennen geben, Ist der Rebellen immer gleiche Antwort. LENNOX. ES ist der falsche Murray - zweifelt nicht! Seit der Verbannung hat er nicht geruht, Von England aus erhaltend wach den Haß Des trotz'gen Adels g'en das Königshaus. Was e r ersann, das haben hier vollführt Der rauhe Ruthven und der stolze Douglas, Und s e i n e m Ehrgeiz der nicht Grenzen kennt, Ist Rizio gefallen. LADY ARGYLL.
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Ruthven kommt. -
Sein finstres Angesicht will ich vermeiden Und gehn der Fürstin freudig anzumelden Den freudig sie, willkommen heißen wird. Ab
Zweiter Auftritt DER VORIGE. DOUGLAS. RUTHVEN.
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DOUGLAS ZU Lennox. Ihr seid dem Wunsche rasch zuvorgekommen Den wir gehegt Euch hier zu seh'η My lord! Laßt uns aus dieser Eile, Theil am Sieg Zu nehmen, auf den Eifer schliejsslßen den Ihr hegt für uns're Sache, und Euch grüjsslßen
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Nicht nur als Gast - auch als Verbündeten. LENNOX. Ich bin gew{ö}ohnt, im Haus das ich betrete Als seines Eig'ner's Gastfreund mich zu fühlen, Und hier ... DOUGLAS. Seid aufrichtig! Ihr dürft's. Noch heut Entsaget König Darnley dem Geheimniß ... LENNOX. D e r K ö n i g ? !
DOUGLAS. Wartet nur auf Murray's Ankunft Um abzulegen frei, vor aller Welt Die Maske, die ... RUTHVEN. Was Maske! Laßt die Bilder! Beim Namen nennt, was einen Namen hat!
I. Text
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- Ist Euer Staunen keine Lüge Lennox, So hör{e}t, daß {der König} (König Darnley) eifersüchtig Mit gutem Recht, auf Rizio den Kanzler, Durch ihn verdrängt von allen Staatsgeschäften Wie aus der Gattin pflichtvergeß'nem Herzen Sich selber stellt an ihrer Gegner Spitze. LENNOX. Ο gnäd'ger Gott! RUTHVEN. Und fordern wird von der Gefangenen, zu seinem Königs- T i t e l Die W ü r d e , gnädigst noch hinzuzufügen. LENNOX. Der Titel schon war schnöder Mißbrauch Sir! DOUGLAS. SO lang er nur ein leerer Schall gewesen — Von nun an mag sich Darnley König n e n n e n , Er wird es s e i n . RUTHVEN. Wir machen ihn dazu! Wir tragen selbst die Krone dieses Reichs Auf uns'ren blanken Schwertern ihm entgegen, Der ganze Adel, den sie unterdrückt, Die schott'sche Kirche, welche sie verfolgt Verbünden sich zum Sturz der Königin. Ein gottgefällig Werk ist diese That Und ihre Früchte, hoff ich, wird sie tragen. LENNOX. So hoff auch ich. DOUGLAS. Den Earl von Murray, Der gegen seine königliche Schwester Zum Schwerte griff, als er durch sie gefährdet Die reine Lehre sah, und d'rum verbannt Nach England fliehen mußte, Euer Sohn Ruft ihn zurück. Er wird ihm Rath, er wird Ihm Stütze sein auf seiner neuen Bahn. LENNOX. Kein Feind lebt ihm so giftig wie der Murray! Der Neid auf Darnley, welcher ihm erschien Als Räuber all der Macht die er geübt, Bevor Maria ihren Gatten wählte, Der Neid auf Darnley, trieb ihn zur Empörung Nicht Glaubenseifer, denn er glaubt an nichts. RUTHVEN. Gleichviel! Jetzt sind sie einig worden Sir! Ein Streben leitet sie, die Kirche, uns, Und aus ihm wird ein neues Reich entsteh'n, In dem nicht mehr die schott'sche Jesabel In Unzucht schwelgt, und ißt von Götzenopfern. W A C H E drau]ss\ßen. Der König!
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Maria Stuart in Schottland
18 DOUGLAS.
Und der Earl von Murray!
Dritter Auftritt DIE VORIGEN, DARNLEY, MURRAY.
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DOUGLAS und RUTHVEN ihnen entgegen eilend. Dem König Heil! Und Heil dem edlen Murray! MURRAY. Und Euch Ihr Freunde! Ο habt {glühen} (warmen) Dank Für Eure Liebe, die bei meinem König Mir der Verbannung Ende ausgewirkt, Das meiner Wünsche schmerzenreiche Glut Zur Heimat rastlos immer wiederkehrend Mit jedem Tage brennender ersehnt! DARNLEY Lennox erblickend. Mein Vater - Sir - dies Wiedersehn - so hab' Ich's nicht gehofft... LENNOX. Und ich mein Sohn, hab' SO Es nicht gefürchtet! MURRAY. Ο mein Fürst! Als ich den Fuß Auf diese Schwelle setzte - trunken von Des Wiedersehens Freude Dich umfing, War mir als hielt' die Welt ich in den Armen Und so beseligt fühlte sich mein Herz, Daß ihm der Wunsch, der niemals ruhende, Erstorben schien. Nun ebbnen sich allmälig Die hohen Wogen stürmischen Gefühl's, Und sonnig heiter, breitet sich vor mir Ein ganzes Leben voll Verheijsslßung aus ... Doch mit der Ruhe kehrt die Überlegung Und diese spricht: Frohlocke nicht zu früh! Ward viel errungen, vieles bleibt zu thun; Mein edler König säume nicht - : An's Werk! Indeß das Volk noch athemlos gespannt Unschlüssig was es thun soll oder lassen, Sich bebend fragt, wohin dein Streben geht? Mußt Du am Ziele stehn! Noch heut' vollende Was glorreich Du begonnen ... DARNLEY. Laßt die Rückkehr Der Boten mich erwarten, welche ich
I. Text
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Gesendet gegen Dunbar, auszuforschen Ob Bothwell rüstet, wie mir ward gemeldet. Sie steht bevor - und eine kurze Frist Verlang' ich nur ... RUTHVEN.
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WOZU? W o z u die Frist?
MURRAY. Daß Bothwell gegen uns zu Felde zieht Deß' sei gewiß: die Mähr ist nicht erlogen! Und eben das zwingt Dich zu rascher That. Kommt er, noch ehe du die Krone trägst, Stehst Du vor ihm als Hochverräther da; Doch dem gesalbten König gegenüber Ist e r Rebell, und wird also begrüßt. DOUGLAS. Entscheide Dich! MURRAY. Die Stunde drängt mein König! RUTHVEN. Ist's möglich Herr? So lange zögerst Du Den Willen Gottes der Dich ruft zu thun? ...
Vierter Auftritt DIE VORIGEN. KERR.
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KERR ZU Darnley. Von Dunbar trafen Deine Boten ein. DARNLEY. Was bringen sie? KERR. Was wir erwartet, Herr. Lord Bothwell's Anhang stehet unter Waffen. RUTHVEN. Er steht? Wer spricht vom Stehn? Mich dünkt, er stürmt Heran und fordert sehr, daß man geziemend ihn Auf halbem Weg voll Höflichkeit empfange. KERR. Die Nachricht der Gefangenschaft der Fürstin Hat Sympathien für sie wachgerufen Es strömt das Volk in Massen, Bothwell zu, Selbst hier erheben Stimmen sich für sie —
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RUTHVEN. Die unsere Soldaten niederhalten Vom Geist des Herrn durchdrungen und beseelt! MURRAY. Mein König, längst ist Dein Entschluß gefaßt, Nun gilt's ihn auszuführen. Bring Du selbst Maria Stuart nach der Veste Stirling,
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Der edle Douglas gibt Dir das Geleite Mit seinem Kriegsvolk, wir indessen stellen In Edinburgh} die tiefste Ruhe her.
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Maria Stuart in Schottland Sobald die Königin in sich'rer Haft, Kehrst Du zurück, und wirst vom Parlament Bestätigung in Deinen Rechten fordern. DARNLEY. An Eure Posten denn! DOUGLAS. Vergönn(e), {mein} König, Der Ueberlegung noch ein ernstes Wort! — Bevor zu diesem Äujsslßersten wir schreiten, Den Streit entflammen und den Bürgerkrieg Laß uns verbunden vor die Kön'gin treten, Begehrend daß ihr Wille auch gewähre Was ihre Macht nicht mehr verweigern kann. RUTHVEN. Nicht eines Haares Breite wird sie weichen! DOUGLAS. Sie wird, denn also nur allein, bewahrt Sie sich noch einen Schein von Herrschaft. DARNLEY. Ichstimm' Euch bei Mylord! Man soll nicht sagen, daß Zum ersten Mittel der Gewalt wir griffen, Bevor der Milde letztes war erschöpft. MURRAY. So gehet hin. Stellt Eure Ford'rung an Die Kön'gin! Weigert die Erfüllung sie, Sind wir ihr gegenüber los und ledig Jedweder Pflicht und Rücksicht. DOUGLAS. Eines noch! In Edinburg darf Bothwell nicht erscheinen Bevor des Sieges völlig wir gewiß — Ein Mittel gibt es seinen Schritt zu hemmen ... RUTHVEN an sein Schwert fassend. Wohl gibt es eins! Und ich ergreife es! DOUGLAS. Nicht also Lord! - Ein streng gemessener Befehl Muß - von der Kön'gin selber ausgegangen, Ihm Halt gebieten ohne Zögerung Zu Darnley. Und den Befehl sollst Du erwirken, Herr! Längst ist es Zeit vor Deiner Gattin, Dich Als ihrer Gegner einen, zu erklären. Tritt vor sie als Gebieter — ford're von Der Überwundenen Gehorsam! Dies Begehren wir. RUTHVEN. Ja wohl! KERR. Was wir gethan Es ist für Dich gescheh'n, nun stehe Du In Treuen auch mit uns! Erneure Herr Den Eid den Du geschworen: Eins mit uns
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I. Text In Sieg oder Verderben - unser Führer, Zu leben, und zu sterben! DOUGLAS und RUTHVEN.
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Schwöre! Schwöre!
MURRAY. Ihr Zweifler! Ihr mißtraut dem Fürstenworte? RUTHVEN. Weil wir d'ran glauben, fordern wir's als Pfand. DARNLEY zögernd. Mylords, ich schwöre - jede Sicherheit Die meine Macht im Stande Euch zu leihen Und - jeder Schutz - soll Euch gewähret sein ... DOUGLAS. Du gabst Dein Wort - empfange nun das uns're. ALLE VERSCHWORNEN. D e m König Treue!
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MURRAY ZU Darnley. Und die Deine - ihnen! DOUGLAS. Bereite denn die Kön'gin {uns zu sehen} (auf uns vor)! Vor allem aber denke des Befehl's An Bothwell, Herr. Sobald er ausgefertigt, Entbiete uns zurück. Zu Lennox. Der Einzige Der hier kein Wort gesprochen, Lennox, das Seid Ihr! Raubt Euch der Stunde Ernst die Sprache? Seid Ihr betäubt durch Eures Sohn's Triumph? LENNOX. Ich bin ein Greis, und stumpf für Ehrgeiz worden. KERR. Mein königlicher Herr, bei Rizio Ward dieser Schrank gefunden, Er stellt einen kleinen Schrank, den auf ein von ihm gegebenes Zeichen ein Diener hereingebracht, auf den Tisch. über ihn Gebühret Dir nur das Verfügungsrecht, Er trägt die Aufschrift von des Kanzler's Hand: "Nach meinem Tod, der Kön'gin Eigenthum." DARNLEY. Was sagst Du? - Her! - Hierher! - Laßt mich allein. Ruthven, Douglas, Kerr ab. LENNOX. Ich wünsche Sohn, die Königin zu sehn, Gönnt mir - Ihr Herren nun von Holyrood, Bei Euerer Gefangenen den Eintritt. MURRAY. Mit nichten ... DARNLEY. Doch, mein Bruder Murray! - Geht Mein Vater - und - ich bitte Euch - bereitet Maria auf ihr Schicksal vor - sagt ihr Wie unnütz, jeder Widerstand - mahnt sie Den übermütig stolzen Sinn zu beugen, Und als ein Weib zu dulden, rathet ihr. LENNOX. Ich werd' ihr rathen als ein Weib zu d u l d e n , Für sich. Bis sie als eine Kön'gin h a n d e l n kann. Lennox ab. MURRAY. Was ist Dir Darnley? Hab' ich mich getäuscht?
Maria Stuart in Schottland
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Ich hoffte Dich zu finden, kühn, entschlossen, Von jener stolzen Zuversicht getragen, Die Sieg verleiht, weil an den Sieg sie glaubt, Und finde Dich - entmutigt, - finster - schwankend, Bei meinem Eid! Ein Knabe ganz und gar, Der vom Triumph geträumt auf weichen Kissen, Und da - erwacht, er ihn verfolgen soll Auf rauhem Pfad, mit Eisen, und mit Stahl — Beim ersten Kampf, beim ersten Tropfen Blut Den er vergiejsslßen sah, entsetzt und schaudernd Die Fahne flieht! DARNLEY. Du irrst. Mit kaltem Mute Stand ich vor Rizio's entstellter Leiche, Und blickte fest in sein gebroch'nes Auge. Allein Murray - zwei Augen gibt's, vor die Zu treten, Todesgrau'n mich f a ß t . . . Ich hasse und verabscheu' diese Augen, Sie haben oft so stolz mich angeblickt, So hochmütig und höhnisch, daß in mir Jedwed Gefühl in Wut sich aufgelöst Und all mein Sehnen{,} in den Schrei nach Rache! Und doch - wie heiß ich auch den Tag ersehnt Wo sie im Staub vor mir sich senken müssen Nun er gekommen - nun verwünsch' ich ihn! MURRAY. Das sprichst Du aus? Das wagst Du auszusprechen Nachdem Du mich zu Deinem Sieg geladen Nachdem er halb vollbracht? DARNLEY. Das Letzte fehlt. MURRAY. Das: B e s t e sage - die Entschlossenheit An's Ende ihn zu führen! DARNLEY .
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Nimmermehr!
Ich will im Kampf um Schottlands Königskrone Erniedern mich bis zum gemeinen Streiter, Mit Volkswut kämpfen und Parteienhaß, Und h a b ' ich sie errungen, mit Dir theilen Der Herrschaft Wonnen - : Macht und Ruhm, und Hoheit Nur Eines, Murray, sollst Du für mich thun Den Einen Schritt, der mir unmöglich i s t . . . MURRAY. Was forderst Du? DARNLEY. Sei Du mein Bote bei Der Königin. MURRAY. Ich?! — Sie darf es niemals ahnen
I. Text
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Daß wider sie ich mich mit Euch verband Und ich sollt' selber mein Verräther sein? Eh das geschieht, fließt rückwärts unser Tweed! DARNLEY. Ich dachte doch, Du dientest meinem Vortheil? 5
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MURRAY. Doch will ich nimmer meinem Nachtheil dienen. DARNLEY. Ich fleh Dich an! Gezält sind die Minuten ... MURRAY. Sie geh'n nicht mir - sie gehen Dir verloren ... DARNLEY. Verloren - ja - und ich bin es mit ihnen! MURRAY. Bejammernswerther Held! ... Von einem Weib Besiegt das Dir Gehorsam schwur, und sich Geweigert, Mann! ihn Dir zu leisten - das Die Herrschaft Dir versprach - und vorenthält, Das einen Günstling über Dich erhob ... DARNLEY. Sie leidet ihre Strafe - leidet, leidet, Zu meines Herzens jauchzendem Entzücken - Doch will ich nicht an ihrer Qual mich weiden, Nicht selbst der Henker ihres Glückes sein. MURRAY. Ο Heuchler! Kleide nur die Furcht in das Gewand der Großmut - ihr fahl Gesicht, erkenn' Ich trotz der Larve! — Nein! Du w i l l s t nicht siegen! So geh' denn unter, wie Du es verdienst! So bleibe denn, was Du bisher gewesen: Der Schatten eines Königs - eines Weibes Geschöpf! - So trage denn Dein schmählich Joch, Wenn Dir die Kraft gebricht es abzuschütteln! Du bist geboren und gezeugt zum Knecht, In Deinen Adern rollt kein Königsblut! DARNLEY. D a s lügst D u !
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MURRAY . Durch Thaten straf mich Lügen Die Worte spare - und vernimm mein letztes: Nicht ich, bei Gott! nicht ich, erwarte Heil Von der Comödie, in welcher Douglas, Die Rolle des Vermittler's spielen will! Nur der Gewalt erliegt Maria Stuart, Sie muß nach Stirling, muß noch heut dahin ... DARNLEY. U n m ö g l i c h !
MURRAY . Dem Zagenden! DARNLEY.
Für den Kühnen Nichts! - und Alles Du willst...
MURRAY. Nicht weiter! Nur Dies eine höre: Wenn am nächsten Morgen Die Königin in Edinburg erwacht
Maria Stuart in Schottland
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Zählt sie um einen Diener mehr, und Du Hast ihn verloren - Murray nennt er sich! Murray ab. DARNLEY allein. Hab Dank für dieses Wort, Du schnöder Murray! Es facht den Funken Zorn in meiner Brust Zu ungeheurer Flammenlohe an, Und nicht über Maria's Haupt allein, Auch über Dir soll sie zusammenschlagen! Der Thüre links zueilend begegnet ihm an der Schwelle: LENNOX. Wohin? DARNLEY .
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Zur Königin.
LENNOX. Sie kommt. DARNLEY. Habt Ihr Sie vorbereitet mich zu sehen? LENNOX. Nein! Ich mocht' ihr Deine Schande nicht verkünden. Noch ahn{e}t sie von all dem Frevel nichts, (ist dein Frevel von ihr ungeahnt,) Glaubt Dich gefangen, wie sie selbst es ist, Und wie sie selbst - ein Opfer der Empörung. Tritt ihr entgegen nun, mein wack'rer Sohn, Mit aller Hoheit Deiner neuen Würde, Mit allem Stolze Deines Selbstgefühls, Daß nicht zu tief ihr Anblick Dich beschäme, Du neben ihr, nicht allzu klein erscheinst, Denn ungebrochen ist ihr hoher Mut Und gröjsslßer als das Mißgeschick: sie selbst Was mich betrifft - ich bin ein schwacher Greis, Schwach ist die Hülfe die ich bieten kann, Doch hab' ich ihr auf meines Enkels Haupt Der Treue Eid geleistet, und will ihn Zu Ehren bringen, wär ich auch in Schottland Der einz'ge Mann, der noch die Treue hält. Lennox ab. DARNLEY. My lord - ich ... Will ihm nacheilen.
(ist dein Frevel bis ungeahnt,) iidZ, eingewiesen
über ahn{et} bis nichts; ohne
Tilgung.
I. Text
25 Fünfter Auftritt tritt langsam ein, als sie Darnley erblickt, eilt sie mit einem Schrei der Ueberraschung auf ihn zu:
DER VORIGE. MARIA,
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MARIA. Darnley! Darnley! Ο mein Gatte! Bist Du's? Bist du es wirklich? Kann's denn sein? Ο Segen meinem Aug! - Ein Freundesantlitz, Auf dem es ruhen kann! DARNLEY. Ich bin kein Freund. Gedenk wie wir uns trennten, und Du wirst Von diesem Wiedersehn nicht Segen hoffen. MARIA. Ich hab' Dich schwer beleidigt und verletzt Verzeih! - Das Herz ist stets am strengsten für Die Theuersten und Fehler, kaum gerügt An Fremden, führen uns zum Zwiespalt oft Mit denen die wir lieben. DARNLEY.
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Ja! D a s w a r
Von jeher Deine Liebe! Tadeln, heißt Die Huld die Du gewährst, ein ew'ger Vorwurf Ist Deine Zärtlichkeit. - Nicht also will Geliebt ich werden - eher so gehaßt. MARIA. Ich hör Dich an mit sprachlosem Erstaunen — Laß eine Frage, meine Antwort sein: Mein ganzes Hoffen stand auf Dir allein, Ich glaubt' Dich frei - ich sah Dich - Heere werben Das Volk begeistern - Holyrood erstürmen Und wie ein Engel - wie ein Gott erscheinend, Das Richtschwert in der Hand - die Königin Und Deinen Sohn befrei'n! ... Doch Du bist hier, Wie ich - so scheint's - gefangen und bewacht Und unser Unglück, das die schlimmsten Feinde Zu Freunden machen m ü ß t e , träfe sie's Gemeinsam - läßt in Deinem Herzen Raum Für einen kleinen Groll? DARNLEY. Verblendete! Nenn meinen Groll nicht klein! MARIA. Die Gründe sind's Die ihn erweckt, er ist's im Angesicht Der Leiden, die wir jetzt erdulden. O! Vergiß ihn, für den gröjsslßeren Gedanken: Die Rettung erstens - und die Rache - dann!
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Maria Stuart in DARNLEY. DU t r ä u m s t !
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MARIA. Willst DU Dich kampflos unterwerfen? DARNLEY. Wer war's der mich die Unterwerfung lehrte? Ich übt' sie nicht wär' ich gewöhnt an Herrschaft, Trüg' ich die Krone die Du mir verweigerst ... MARIA. Ich weig're sie, weil mir kein Recht geworden Mit diesem heil'gen, untheilbaren Reif Ein zweites Haupt zu schmücken, nebst dem meinen. DARNLEY. Auch mir den Königstitel zu verleihen Besajsslßest Du kein Recht, und hast es doch Gethan! MARIA. Soll ich in Zukunft karger sein? DARNLEY. In Zukunft Herrin - wirst Du Großmut üben Und alles geben - was man Dir ertrotzt! MARIA. Entsetzlicher! Kannst Du das Unglück höhnen Obwol Du blutest unter seinen Streichen? — Oder - verschmerzest Du Dein Mißgeschick, Weil es zugleich - und schwerer - m i c h getroffen?! Ο Darnley! Darnley! - Ist es möglich denn Daß also sich des Menschen Sinn verkehre? - Du hast mich nie geliebt wie es mein Herz Verlangt - allein - wie D u 's verstehst: geliebt Aus freiem Antrieb hast Du mich gefreit Hast mein begehrt mit jugendlicher Glut ... DARNLEY. Auch dieses ist vorüber, und vernichtet Jedwede Regung die für Dich gesprochen. MARIA. Ο Menschenherz! - Es treibt die todte Erde, Die prangend trug ein gold'nes Aehrenmeer, Auch wenn der Pflug darüber hingezogen Noch über's Jahr so manchen Halm empor Den Segen kündend welcher hier geblüht. Und in der Schöpfung größtem Meisterstück In Dir - Du pochend lebenvolles Herz, Vertilgt ein Jahr so ganz die schönste Saat Die Deines Lenzens Fülle treibt: Die Liebe! Daß keine Regung, nicht das kleinste Zeichen, Des einst'gen Reichthums Herrlichkeit verräth! DARNLEY. S o i s t ' s . D u s p r i c h s t e s a u s . MARIA.
Sieh mir in's Auge!
In's Auge! - Wie? - Du wagst es nicht? DARNLEY.
Nicht wagen?
MARIA. Ο ... Doch?! ... Nun sag' ich Dir: Du lügst! Beim Himmel,
Schottland
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I. Text
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Du fühlest Mitleid und Gewissensangst! ... DARNLEY. Mein Auge täuscht wenn es Dir Mitleid zeigt, Ich habe keines für ein treulos Weib. MARIA. Ein treulos Weib? DARNLEY. Das meine Ehre schändend Sich hingegeben einem nied'ren Günstling Zum Ärgerniß der Welt, zur Schmach des Gatten, Herabgesunken bis zur Buhlerin. MARIA. Mein gnäd'ger Gott, ich hab' mich überhoben Nur allzuoft, in ungerechtem Stolz! Nimm dieser Stunde Schmach als Bujsslße hin, Sie sühnet Alles - Alles überreich! DARNLEY. Verbrecherin! Verstummst Du im Gefühle Begang'ner Schuld und suchst vergeblich nun Nach einem Worte der Vertheidigung? MARIA. Und fand ich tausend - keines spräch' ich aus! Ich bin gefangen, und der Macht beraubt, Entehret durch die niedrigste Verläumdung, Allein so gräßlich tief noch nicht gefallen Daß ich zu ihrer Widerlegung mich Erniedrigte! DARNLEY. SO werden Zeugen reden! Kennst Du den Schrank? MARIA. Des treusten Dieners Händen In einer schweren Stunde übergeben Wo mit dem Tode dieses Leben rang. Ich kenne ihn - gib mir mein Eigenthum. DARNLEY. Gefang'ne haben kein's. Wo blieb der Schlüssel? MARIA. Von mir verwahrt. DARNLEY heftig. Gieb! MARIA. Mein Leben ehr! DARNLEY. DU weigerst Dich! MARIA. So lang ich athme - j a . DARNLEY. Wohlan! Auch Degenklingen öffnen Schlösser! Er sprengt den Schrank, Maria wendet sich verächtlich ab. - Da liegen sie, die Zeugen meiner Schande Verbrecherischer Liebe sünd'ge Boten! Verräther der Verrätherin - klagt sie Mit tausend Stimmen an! Was sie beschuldigt Entsühnet mich und macht gerecht mein Handeln!
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Sechster Auftritt D I E V O R I G E N . L E N N O X rasch
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eintretend.
LENNOX. Nichts ist verloren, und noch Zeit zur Rettung Wenn jeder handelt wie er kann und soll. MARIA. Auf Darnley zälet nicht. LENNOX flir sich. Hat er gesprochen? ... Nein! Nein! Ich kenne meinen kühnen Sohn. DARNLEY der einen Brief nach den andern durchfliegt und wieder in den Schrank zurück wirft. Das ist der Liebe Sprache nicht - Bin ich Betrogen überall? — Verflucht die Schurken, Die mich verleitet haben! Was ist das? Der Kön'gin Testament! ... "So Gott mich ruft — " "Mein - vielgeliebter Gatte - Heinrich Darnley — " "Regent von - Schottland - bis zur Thronbesteigung" "Des Prinzen - meines Sohn's ..." Während dieser halblaut gesprochenen Worte ist Lady Argyll eingetreten. MARIA wirft sich in ihre Arme. Ο komm' Du Treue! Sie bleibt während des folgenden, auf Lady Argyll gelehnt, im Hintergrunde der Bühne. LADY ARGYLL. Was ist geschehen theure Lady? Fassung! DARNLEY, den Blick starr auf das Testament geheftet. Und ich - hab sie entehrt! ... Zu Maria. Ich bin beschämt. LENNOX dicht an Darnley herantretend, leise und rasch. Nach Dunbar fliegt in dieser Stund mein Bote, Und fordert Bothwell auf, mit seinem Heer Herbei zu jagen in beschwingter Eil' ... DARNLEY. Was sagt Ihr? LENNOX. Kommen wird er so gewiß Als der geschojßlss'ne Pfeil vom Bogen schnellt! Doch daß die Thore ihm geöffnet werden Befiel Du selber. DARNLEY finster. Wie vermocht' ich das? LENNOX. Dem Träger dieses fürstlichen Befehl's Wird sich kein Widerstand entgegensetzen. DARNLEY. Ist die Empfindung: Reue - die mich jetzt Durchströmt? ... Ich hab' bisher Dich nicht gekannt Du fremd Gefühl - und will auch fürder Dich Nicht kennen ... LENNOX. Unterschreibe!
/. Text
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29 O d e r Qual! DARNLEY. LENNOX. ES fordern die Verschworenen von Dir Haltbefehl der Königin an Bothwell? Schon wartet voll von Ungeduld ihr Bote Der ihn bestellen soll - Gib diesen ihm Anstatt des Haltbefehls. DARNLEY ergreift das Blatt. Was thun? Was thun? LENNOX. Wenn noch ein Funken Ehre in Dir glüht So mache gut durch einen Federstrich Den {ungeheuren Frevel an der} (gräßlichen Verrat an Deiner) Gattin {Der} (Und) Königin! DARNLEY im heftigsten Kampfe. Ich s o l l t e ! - Ja! - Ich fühl's ... LENNOX. Ich flehe - ich befehle! DARNLEY. N u n - w o h l a n ! Unterschreibt. Es ist geschehn ... LENNOX zur Thüre eilend, die er öffnet. Herein! Herein Ihr Alle! Die Kön'gin will Euch hören meine Freunde! Douglas und Ruthven treten ein.
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Sie selber schickt den Haltbefehl an Bothwell. Zu einer Wache: Dem Boten dieses - der im Hofe wartet! Zum Fenster tretend und es öffnend, ruft hinab: Zu Pferd! Zu Pferd! Und jagt, daß hinter Euch Ermüdet, keuchend, bleibt zurück der Sturm! DOUGLAS ZU Ruthven. Triumph! Der König hat gesiegt! RUTHVEN. Das heißt So viel als: w i r . DOUGLAS ZU Lennox. Reicht mir die Hand Mylord! Verzeihung meinem Zweifel von vorhin. Murray und Kerr treten ein. MARIA bei Murray 's Anblick, sich emporrichtend. Der Earl von Murray?! DOUGLAS. Von uns zurück Gerufen, Majestät! - Sammt seinem Anhang. KERR. Empfang' ihn gnädig. RUTHVEN. Um so gnädiger Als minder Deiner Gnade er bedarf. DOUGLAS. Nicht unser Wille ist es, Königin, Der Freiheit Dich für immer zu berauben. Mit einem Worte kannst du sie erkaufen, Ein Wink von Dir - und Deine Fesseln fallen. Dir dies zu künden, stehen wir vor Dir. RUTHVEN. Stellt unsere Bedingungen Mylord! DOUGLAS. Im Namen meiner Freunde, hier versammelt,
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Im Namen des gesammten Adels Schottlands ... MARIA. Des Adels Schottlands? Wer vertritt ihn hier? Wer führt die Sache der Mac-Dolbain's, Athol's, Der Flemming, Both well's und der vielen Andern? DOUGLAS. Im Namen auch des Volkes ... MARIA. Volkes? Giebt's Ein schottisch Volk? Ich kenne nur die Rotten Die knechtisch ihrem Thane unterworfen, In Krieg und Frieden Euch zu Willen sind; Die Eure Farben tragen auf den Kilts, Die Furcht vor Euch in ihren rohen Herzen! - Nicht Kinder Schottlands: Kinder ihres Clan's. Daß dieser Troß begehrt, was - Ihr - das glaub' Ich Euch! Denn eh' er's that, hat er gefragt Was Ihr {befehlet} (gebietet) daß er wollen soll. DOUGLAS. Du hast der Uebermacht Dich unterworfen MARIA. Niemals - bei Gott! - Erlegen bin ich ihr, Doch unterworfen habe ich mich nicht. DOUGLAS. Die Uebermacht stellt Dir Bedingungen An die allein sich Deine Freiheit knüpft. Sie lauten: Schutz der reformirten Lehre, Aufhebung des kathol'schen Götzendienst's, Die Theilung Deiner Herrschaft mit dem König, Begnadigung des Earl's von Murray, Und aller derer welche Theil genommen Am Morde Rizio's ... MARIA. Nicht weiter! Was Begehret Ihr? - Verrat an meinem Glauben, Verrat am Reiche, dessen Herrschaft ich Mit einem Andern theilen soll - Verrat An dem Gesetz, das Rache fordert, für Empörung und {den} (für) Meuchelmord? ... RUTHVEN.
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D e m Gatten
Verweigerst Du die Macht, doch mit dem Günstling Hast Du sie gern getheilt. MARIA ZU Douglas. Ihr seid ein Douglas! Beschützt mich vor dem Angriff der Gemeinheit! Daß sie allhier die Stimme nicht erhebe, Die Rücksicht Lord, gewähret dem Geschlecht,
Kilts, ] Kills
Wortfehler
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I. Text Und ehrt in der gefang'nen K ö n i g i n - das W e i b . RUTHVEN. Bei meinem Eide! DOUGLAS. Stille! - Forderst Du Bedenkzeit - diese soll Dir werden. MARIA. Ich ford're keine. RUTHVEN. Hört Ihr ihn? Satan 5
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Den Hochmutsteufel, hört Ihr ihn? DOUGLAS. Bedenk... MARIA. Ich denk' der Frevel zahllos - ungesühnt, Die schon durch Euch an mir begangen worden, Doch dieser wahrlich, übersteig{end,} (t sie) alle! Ihr habt das Haus der Könige durch Mord Entheiligt, durch Verrat entweiht - Ihr habt Die Hand an jedes Recht gelegt das mich Beschützt ... RUTHVEN. Geboten hat's der heil'ge Eifer Für uns're Kirche, die Dein Haß verfolgt! MARIA. Wie Euer Haß die meine! Ist mein Recht Für meinen Glauben einzusteh'n, geringer Denn Euerer? KERR. Folg' uns nach Stirling! MARIA.
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Ja!
Doch Eines ford're ich, bevor ich gehe: Den Namen Eures Führer's sagt' mir an! Ich will den schlimmsten meiner Feinde kennen. Nach kurzer Ueberlegung: rasch. - Du bist es Murray! MURRAY. Nein! So wahr ich lebe! Leise zu Darnley. Hast Du geläugnet Mann? MARIA. Ich trag ein Zeichen Das ihn verrathen soll - den Dolch den er Geführt... LENNOX ZU Maria's Füssen. Ο Königin - ich fleh Dich an: Begehr' ihn nie zu kennen! Nie und nimmer! Mit meinem Leben steh' ich dafür ein, Du hast von nun an{,} keinen treuem Diener! RUTHVEN leise zu Douglas. Was ist das? Teufel! Wird der Darnley schwach? MURRAY flir sich. Das ist in Wahrheit seltsam ... MARIA. Vater Lennox! Ihr seid ein warmer Anwalt, in der That, Für einen Hochverräther ... Ο laßt mich Nicht auch an Euch verzweifeln ... Herr im Himmel!
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Sind Alle falsch? Ist unter ihnen Allen Die Treue mir geschworen, Keiner der Sie hält? Von der Stra\ss\ße herauf, der tausendstimm 'ge Ruf: "Hier Bothwell! Hoch die Königin!" MARIA. Und Einer - Einer doch! LENNOX. Triumph! MURRAY mit einem Blick aufDarnley. Verrat! Getümmel und Kampf auf den Treppen, Alle, Lennox und Darnley ausgenommen, ziehen ihre Schwerter. BOTHWELL hereinstürzend. Ergebt Euch Alle! DIE VERSCHWORNEN auf ihn eindringend. Nieder mit ihm! Nieder! BOTHWELL sein Schwert von sich schleudernd. Ein Hochverräther Jeder der das Schwert In Gegenwart der Königin gezogen Und Gnade Gott jetzt allen Hochverräthern! ATHOL, M A R , HUNTLY kommen
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mit dem
Rufe.
Es lebe die Königin! Die Terasse, und alle Eingänge, besetzen Bothwell's Leute. RUTHVEN leise. In der Hölle! KERR ebenso. Verdammt! MARIA. Erretter! Freunde! Sieger! Seid gegrüßt! Wenn ich noch nicht gewußt was d a n k e n heißt, Aus übervoller Seele - lern' ich's jetzt! Ihr gebt mir wieder - königliche Macht Und königlich soll Euch vergolten werden! - Beklaget mich - die strafen muß - bevor Sie lohnen darf! Mitten unter die Verschwornen tretend, den Dolch erhoben: Bei Eurem Leben, das Zur Neige geht, gebiet ich Antwort! Wem Gehört der Dolch? DIE VERSCHWORNEN nach einer Pause. Dem König. MARIA. Lüge!-Nein Das k a n n nicht sein! Nachdem sie Darnley lange und starr angesehen, leise. Es ist! - Allmächtiger! MURRAY ZU Darnley, leise. Nun halte Wort! DOUGLAS ebenso. Bekenne! KERR ebenso. Rette uns! LENNOX. Ο Majestät! Bei diesem weijsslßen Haar Das Sorge bleichte um Dein theures Wohl ... MARIA, mühsam nach Fassung ringend. Seid ruhig Vater! Unterthanen könnt' Ich richten, doch den Fürsten nicht! Zu den Verschwornen, Vernehmt!
I. Text
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Was Ihr gesagt - ich glaube nicht daran Doch w e n n es ist, - doch, wenn es wirklich ist Wenn dieser Mann, wenn dieser Graf von Darnley, Den ich erhob zu meinem Herrn und König, Die That gebot — so habt Ihr recht gethan! RUTHVEN ZU Darnley. Was braucht es mehr? MURRAY leise zu Darnley. Du zögerst noch? KERR ebenso. Ο - Rede! DOUGLAS ebenso. Gesteh! MARIA. Sprich mein Gemal — war'S Dein Befehl Der ihre Hand bewaffnet gegen mich? RUTHVEN fiir sich. Ο mögest Du zehntausend Jahr' im Pfuhl Der Hölle brennen feiger Wicht, für jede Sekunde dieser Zögerung! MARIA. Deine Antwort? Ein Ja, ein Nein nur ford're ich von Dir. DOUGLAS. E l e n d e r ! DARNLEY. MARIA.
Königin... Ein Ja! Ein Nein!
DARNLEY. I c h h a b ' ... MARIA.
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DOUGLAS .
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Ein: Ja - ein: N e i n !
DARNLEY. O! ... Nein - denn! Schrei der Entrüstung unter den Verschwornen. MARIA. Ihr habt's gehört, Verläumder und Rebellen! Dies e i n e Wort ist Euer Todesurtheil. - Führt in's Gefängniß sie! Wachen umringen die Verschwornen. Er hat gelogen!
Ich schwör's bei meiner Ehre! MARIA. Deiner Ehre Verräther? DOUGLAS. Meinem Eide ... MARIA. Deinem Eide Eidbrüchiger? ... Führt in's Gefängniß sie! Die Verschwornen werden abgeführt. Beim Vorübergehen zu Darnley: DOUGLAS. Heut spricht Gewalt, und morgen spricht der Richter. Ab. KERR. DU bindest unsern Arm, nicht uns're Zunge. Ab. RUTHVEN. Des Tages sollst Du denken König Darnley! Ab. MURRAY ZU Maria's Füssen. Hoch lebe meine grojsslße Königin! Laß mich der erste sein, der kniend Dir Zu Füjsslßen leget seine Huldigung! MARIA. Ihr kommt zwar ungerufen, Bruder Murray Doch will ich Euch darum nicht {gehen heijsslßen} (von mir weisen).
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Maria Stuart in Schottland {Die Tugend, die Euch schmückt, ist nur} (Euer Verdienst stammt nur aus dem) Vergleich Mit gröjsslßeren Verbrechen als die Euern Doch will ich Euch nicht richten. Stehet auf! Seit mir von diesem Tag ein treuer Diener, Und zum Beweis daß ehrlich Eure Reue, Verbündet fürder Euch mit meinen F r e u n d e n . Uralter Groll hält Euch entzweit mit Bothwell {Versöhnet Euch mit ihm}(Reicht ihm versöhnt die Hand). Dies ist mein erst Gebot. MURRAY. Ο Königin! Und freudig geb' Ich Dir, dies erste Zeichen, freudigen Gehorsams. - An mein Herz Mylord! Vergessen, Begraben ist die alte Zwistigkeit! BOTHWELL. Nicht m i r , bei Gott! Ich liebe oder hasse Aus meines Herzens selbständiger Wahl. Verzeihung Königin! Du kannst mit Trug Und Lüge Dich versöhnen, doch von mir Die Lüge fordern - kannst Du nicht. Er geht ab. MURRAY. Mylord... MARIA wirft sich in Lady Argyll's Arme. Ο Leonor! Er ist ein M a n n In dieser Schaar von Feiglingen und Schlangen!
Zweiter Aufzug Erster Auftritt Eine Gallerie die in den Audienzsaal mündet, von welchem sie durch herabgelassene Vorhänge getrennt ist. Pagen an der Thüre rechts, durch die Thüre links tritt ein:
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DARNLEY. ES mußte sein! ... Ich hatte keine Wahl; Es mußte sein, und - ward ... und dennoch ... O! Mein eig'nes Werk zerstört mit rohen Händen Um einer Regung willen?! ... Wie hab' ich Daran gebaut - so rastlos unermüdlich Und nun: Umsonst ... {Umsonst? Ο scheußlich Wort! Ο Hohngelächter auf ein jedes Streben! Ο teuflische Verzweiflung göttlich groß Vollbrachter That! ...} Nein, Nein! nicht also darf Sich's enden - hören soll - erhören soll Sie mich. Er geht rasch der Thüre rechts zu, Page vertritt ihm den Weg. Platz da! PAGE. Verzeihung Herr. DARNLEY. Bist Du Verrückt? ... Ich will zur Königin. PAGE. Wir haben Gemessenen Befehl. DARNLEY. Zurück Du Bube! Das ist wohl auch: "gemessener Befehl!" PAGE. Ich kann nicht anders Herr ... DARNLEY. Wer ist bei ihr? PAGE. Mylords von Huntly und von Bothwell, Sire. DARNLEY. Und ich würd' abgewiesen? Tropf! - Zurück! ... PAGE. Ich fleh Dich an! Murray erscheint an der Thüre links. DARNLEY. Geh hin und melde mich! PAGE. DU zwingst mich? - wohl! So stehe dafür ein! Ab. DARNLEY. Bin ich in meinem Haus ein Fremder worden? Gilt mein Befehl nicht mehr in Holyrood? ... Ο Thorheit! Thorheit: Seelenmord! Du bist Die größte Sünde! - Undank, Lüge, Todschlag Verschwinden neben Dir! ... MURRAY tritt lachend vor. Nun König Damley? Wie steht's mit Deiner Majestät? Ha! Ha! DARNLEY. Und wie Mylord, mit Eu{e}rer {Gesinnung} (Ehrlichkeit)?
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Maria Stuart in Schottland MURRAY. Ich hab' in Deiner Schule mich gebildet. DARNLEY. Ο daß ich in der Deinen mehr gelernt! MURRAY lachend. Ha! Ha! Du hast gewürfelt um das Glück Ich hab's erfaßt in eiserner Umarmung! Du hast's verloren - und ich nenn es mein. Wir wollen theilen König Darnley - Nicht? Bis eig'nen Reichthum Dir das Schicksal bringt. DARNLEY. Worauf hoffst Du? MURRAY. Ich hoffe - auf die Hoffnung Was Zufall nahm, kann Zufall wieder geben Nur such hinfort der Zufall selbst zu sein: Ein neuer Einsatz - und ein neues Spiel! DARNLEY. Was hätt' ich einzusetzen? MURRAY. Pah! So viel Wie Nichts. Die Thoren nennen's: das Gewissen. Komm näher. Leise. Die Verschwornen müssen sterben. DARNLEY. Ο Ungeheuer! MURRAY mit veränderter Stimme. Sie m ü ß t e n sterben wenn Sie schwatzen wollten, denn um j e d e n Preis Muß man die losen Mäuler ihnen stopfen ... DARNLEY. Das fühlst auch Du? - Triumph! - Ich stehe nicht Allein! MURRAY. Du irrst. Sie sterben a l l e auf Der Folter, eh mich E i n e r nur, verrät. DARNLEY. Dann will ich reden! will's verkünden ... MURRAY. Was?Hast Du Beweise? Oder gilt Dein Wort? DARNLEY. Versucher: Nein! Ich will nicht tödten mehr. MURRAY höhnisch. Erkauf ihr Schweigen durch ein and'res Mittel! Spreng ihre Fesseln - öffne ihren Kerker Und der Befreiten Dank verdiene Dir Anstatt der Flüche der Betrogenen. DARNLEY. Wir wollen seh'n! Noch hab' ich zu befehlen. PAGE kommt. Die Königin, wird Eure Majestät Erwarten in der Stunde der Audienz. Ab. DARNLEY. Verwünscht! MURRAY. Ha! Ha! Ha! Eine schöne Stunde Zu{m süjsslßen Wiedersehen zweier Gatten} (r {schönen} trauten Feier, süßen Wiedersehn's)! Befiehl doch Deiner Magd - Dich zu empfangen! ... DARNLEY. Ο Qual! Ο Qual! MURRAY. Ha! Ha! So sieht
I. Text
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Ein König aus - der König werden wollte ...
Zweiter Auftritt D I E VORIGEN, M A R
und
HUNTLY MURRAY
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(ohne DARNLEY
ZU
beachten, sich
nähernd.)
MAR. Ihr seid in Gnaden wieder aufgenommen, Von ihrer Majestät, der Königin Ich wünsch Euch Glück Mylord, und wünsch' es uns; Denn uns're Sehnsucht rief Euch längst zurück. HUNTLY. Maria Stuart hat vergeben - Murray Nicht {ihren Dienern ziemt es da zu r i c h t e n ,} (uns geziemt's des Unrechts zu gedenken) {Wo} (Das) sie ν e r {ze i h t } (g a ß ) . Nennt mich den Euern - denn Ich bin es nun! MURRAY. Nicht mehr fürwahr, als ich Der Eure bin, Ihr edlen Lords und Freunde! MAR. Die Königin erwartet die Gesandten Von Frankreich und von England, und befielt Einstweilen uns, willkommen sie zu heijsslßen. Noch gestern Abends traf Brienne hier ein, Und mit dem heut'gen Morgen{,} Graf von Bedfort; Die Nachricht der Gefahr, in der die Fürstin Geschwebt, erreichte sie auf ihrem Weg Nach Edinburg{,} (h,) sie eilten rasch hierher Um mit des Aufstands Führern zu verhandeln ... HUNTLY. Und wie gewöhnlich{,} kam der Kopf zu spät, Und fand das Werk schon durch die Hand vollbracht! MURRAY. S i e k o m m e n !
Dritter Auftritt D I E VORIGEN. BRIENNE. BEDFORT.
BRIENNE. Sire! BEDFORT. DARNLEY.
Mein König! Diesen dort
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Befahl die Königin, Euch zu empfangen. MAR. Maria Stuart heißt Euch hochwillkommen Verehrte Herrn! - Bevor die Königin In feierlicher Audienz empfängt Die Abgesandten Engellands und Frankreichs, Wünscht sie die Grafen Bedfort und Brienne, Im eng'ren Kreis des Hofes zu begrüjsslßen. BRIENNE. Wir {warten} (harren) Ihrer Majestät Befehles. MURRAY mit Bedfort in den Vordergrund tretend. My lord, was bringt Ihr mir? BEDFORT. Die Grüjsslße meiner Königin. MURRAY. Mit Demut und mit Stolz empfang' ich sie. BEDFORT. Auf Eure Hülfe hofft Elisabeth. MURRAY. Sie hat auf Erden keinen treuem Diener. BEDFORT. Ihr habt auf Erden keine mächt'gre (festre) Stütze. MAR. Die Königin!
Vierter Auftritt D I E VORIGEN. MARIA. BOTHWELL, HUNTLY und ATHOL.
Alle entblößen ihr Haupt und weichen ehrfurchtsvoll auf beiden Seiten aus.
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BRIENNE beugt das Knie. Zu Deinen Füjsslßen laß Mich sinken hohe Frau! und so dem Herrn Der über Deine Feinde Dich erhöht In tiefster Inbrunst danken! Eins nur ist Das meines Herzens {lauten} Jubel stört, Nicht werd' ich's Deinem Siege je verzeihn, Daß ohne mich, Du ihn errungen hast. MARIA ihn erhebend. Nicht so! Nicht so! Mein vielerprobter Freund! Mit beiden Händen faß' ich Eure Hand Und danke Euch Brienne! Ich weiß es ja, Was mir mein Frankreich schickt ist wahr und echt. Wär Euch's zu kommen, m ö g l i c h nur gewesen, Ihr w ä r t gekommen - hülfreich wie die Treue! BEDFORT. Dasselbe denkst Du Königin, von mir,
(festre) üdZ, eingewiesen über mächt'gre; ohne Tilgung.
I. Text
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Sonst müßt ich klagen über schweres Unrecht. Mißkenne D u mich nicht. Zu sehr schon fürcht' ich Den Tadel meiner königlichen Herrin, Für eine Schuld, die nicht die meine ist. MARIA. Auf Englands Hülfe hab' ich nicht gerechnet Und wär untröstlich, mein verehrter Lord, Wenn ich dem Schutze fremder Mächte dankte, Was ich, Gottlob, aus eig'ner Kraft vermocht: In meinem Lande, mir mein Recht zu wahren. - Sagt meiner Schwester Lord, wie sehr ich wünsche Der Eifer ihrer Sorge für mein Wohl Sei gröjsslßer nicht, als jener für ihr eig'nes Das dringend {heischet} (fordert), einen Diener, wie Mylord von Bedfort ist, sich zu erhalten Um j e d e n Preis. BEDFORT. Deine Vermittlung, Königin, Wär meine stolzeste Rechtfertigung. MARIA. Wenn mein Vermitteln{,} sich in fremder Sache Nicht kräft'ger bei Elisabeth erweist, Als meine Bitte in der eigenen, So laßt mich zweifeln ... doch will ich's versuchen Nicht j e d e Ford'rung kann zurück sie weisen, Und dieses Mal - begehr' ich ja kein R e c h t . BEDFORT. Ein Recht? Ο Majestät! MARIA. Ich dachte, Lord, An mein Erbfolgerecht in England, dessen Bestätigung mir meine Schwester weigert. BEDFORT. Sie thut es, weil sie stets Dich lieben will, Und Fürsten lieben ihre Erben nicht. Doch nennt sie sich mit Englands Volk vermält, Nicht and're Ehe wird sie jemals schliejsslßen, Und wer stünd' nach der Kinderlosen{,} Tod, Dem Throne England's näher, als die Schwester Und als der Schwester Sohn? - Verlangst Du mehr? MARIA . Ihr fragt in E u r e m Namen - hört die Antwort: Ich kann nicht meinen guten, heil'gen Anspruch Behandeln lassen, wie ein Zugeständniß, Das schweigend mir Elisabeth gewährt. Daß ihre Einsicht mir's nicht weigern kann, Mög ihre Großmut rückhaltlos erklären. Dem T i t e l einer Königin von England, Dürft' ich entsagen - meinem Erbrecht nicht -
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Denn auf mein Kind soll sich's dereinst erstrecken, Es ihm zu wahren fordert meine Pflicht. So { - } antwort' ich dem Freund, der offen mich Gefragt, - auch offen, und in meiner Sprache. Elisabeth 's G e s a n d t e n - seid getrost! Werd' ich dies Alles - w e n n ich's sagen müßte Doch in der Sprache meiner Räthe sagen. Auf Wiedersehn My lord! Bedfort und Brienne verneigen sich. Im Abgehen BEDFORT leise zu Murray. Sie schärft den Pfeil Der sie durchbohren wird. MURRAY. Sie schärfe ihn. Für sich. Den Bogen der ihn sendet, spanne ich! Bedfort und Brienne ab. MARIA. Mein Bruder Murray, Ihr empfingt heut Morgens Die Abgeordneten von Liddesdale, Sie melden Unrahn an den dort'gen Grenzen? MURRAY. So ist es Königin, und rasche Hülfe Erfordert die{,} stets wachsende Gefahr. Seit Jahren sind die Marken ohne Hüter; Der Grenzbewohner zügellose Horden, Gewöhnt an eine, über ihren Häuptern Erhob'ne, kräft'ge Hand, verheeren wild Die (weite) Gegend, rings Verwüstung tragend, {und} {Den} (Und) Mord. DARNLEY. Man muß den Hunden{,} Peitschen senden,
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Und sogleich schreiten zur Ernennung der Markgrafen - allzu lang ward sie versäumt! MARIA. Was nicht geschah, ward darum nicht versäumt. Ich habe die Markgrafen nicht ernannt, Weil aus dem Adel ich sie wählen müßte, {Der noch kein Amt das je ihm ward vertraut Noch keine Macht die ich ihm je verliehen, Als Waffe nicht, hat gegen mich gebraucht.} (Der jede Macht, die ich ihm anvertraue
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Voll Undank, braucht als Waffe gegen mich.) MURRAY. Blick um Dich her! Sind unter diesen Allen Nicht Männer deren Treue Du erprobt? MARIA. Soll ich sie d'rum entfernen, weil sie treu? Wer bleibt bei mir wenn meine Freunde scheiden?
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(weite) üdZ, eingewiesen nach Die.
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Die Treue Lord - will ich in meinem Rath. wag ich's, einen Vorschlag denn zu thun; Der diesen Zwiespalt einzig lösen kann. - Erwäle unter Deinen guten Dienern Den besten, Majestät! Und lege Du Vereint in seine Hände die Gewalt In welcher sonst die Markgrafen sich theilten. Des Einen, bist Du sicher - eng geknüpft An Deine Sache, hält ihn Dankbarkeit, Und seines Amtes einflußreiche Würde, Sie ehret ihn - sie bindet ihn zugleich, Denn nimmer wird sich an Parteien schliejsslßen. Der höher steht als jegliche Partei. HUNTLY. Das heißt das Fieber{,} durch die Schwindsucht heilen! MAR. Glaubt Ihr, Mylord, der Adel würde dulden, Daß man aus seinen Reih{e}n einen Mann, (unter ihm, man einen Mann erwäle), {Also} (Ihn zu) erhebe(n) über alle andern? Wollt Ihr sein bestes, schönstes Recht ihm rauben, Sich Keinem, als dem König nur, zu beugen? ... MARIA. {Ihr seid so eifrig Lords, in Eurer Sorge, Der Antwort Mühe mich zu überheben, Daß meine Meinung Ihr vergaßt zu hören. Mylord von Mar!} Ihr sprecht von Adelsrechten (Lord von Mar)? Wer hat dem Adel Rechte denn ertheilt? Die Kön'ge thaten's! Das Verdienst zu lohnen, Das Eure Ahnen sich um sie erworben. Bemerkt dies wohl! Und nehmt es sehr in Acht: Ihr gründet Euer Recht auf das Verdienst Ist dies erloschen - ist's der Lohn doch auch? Wenn jener wackren Ahnen schlechte Söhne Entsagt der strengen Tugend ihrer Väter, Wenn sie den König, das Gesetz verachten Und zu Verräthern werden an dem Herrn, Soll dieser, i h n e n noch die R e c h t e wahren, Die des Verdienst's schon lange sich entschlugen? DARNLEY. Trotzdem My lady, taugt der Vorschlag nichts. Kein Unterthan soll je so mächtig werden, Als dieser Markgraf würde, wenn ... M U R R A Y . SO
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(unter ihm bis erwäle) üdZ, eingewiesen
von man aus bis M a n n ; ohne
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Maria Stuart in Schottland MARIA. Mich dünkt, Wenn nur die Macht in r e c h t e n Händen liegt, Wird sie zum Unrecht nie gemißbraucht werden. Um Eins vor Allem handelt sich's - den Mann Zu finden, der's verdient also erhöht Zu werden ... Sire! - Ich h a b e ihn gefunden Und zög're nicht sein unerhört Verdienst Mit unerhörtem Lohne auch zu krönen! ... My lord von Both well! ... MURRAY bei Seite. Bothwell? - Ha! Nicht so Nicht so Mylady! ... Laut. Ο welch ein Triumph Für mich, dessen Gedanke, durch ein Wort Von Dir, zur segensreichen That erblüht! Welch ein Triumph für Jenen den Du wäl{e}st Zu Deinem ersten, höchstgestellten Diener Ob diese Wahl, von hier ihn auch verbannt, {Ob sie} ihn treibt aus Deiner {hehren} {(hohen)} (königlichen) Nähe, Von diesem Hof, in Schlacht und in Gefahr, Er wird begeistert zu dem Heere eilen ... MARIA verwirrt, leise. - In Schlacht - und in Gefahr ... Laut. Zum Heer? - Ihr sagt: Zum Heere müßt er eilen? ... DARNLEY. Und sogleich! Noch in der Stunde welche ihn ernannt MARIA. Er i s t es nicht - und kann's so rasch nicht werden ... Wir wollen Uns'ren Staatsrat d'rüber hören, Nicht übereilen die gewicht'ge Frage. MURRAY bei Seite. Ο ich verstehe! MARIA. Haben meine Lords Nichts mehr zu melden, nichts zu fordern mehr? DARNLEY. Willst Du mich hören? MARIA. Was gebietet mein Gemal? DARNLEY. Für Ueberwundene, bitt' ich Um Gnade. MARIA. Eure Freunde? DARNLEY. Nein Mylady! Für die - Rebellen - welche Du besiegt ... MARIA höhnisch. Ο welche schöne Milde Majestät! DARNLEY. Verbann' die Lord's, wenn's Deine Rache fordert, Doch halte sie nicht länger mehr gefangen. MARIA. Ihr Schicksal Sire, wird das Gericht entscheiden -
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Nicht strenger will ich, und nicht milder sein Als das Gesetz. DARNLEY. Stehst Du nicht über ihm? Kannst Du begnad'gen nicht, wo es verurtheilt? MARIA. WO es verurtheilt h a t ; allein nicht vor Darf seinem Spruch ich greifen. DARNLEY. Ich bitte Euch Mylady, wohl zu überlegen, daß Die Schuldigen, die Häupter mächtiger Parteien, hochgeehrt und einflußreich Im ganzen Land. - Ihr könnt sie nicht bestrafen Als wären sie gemeine Missethäter. MARIA. Ein jeder Missethäter ist gemein! Und gleiches Unrecht{,} fordert gleiche Sühne. Noch mehr: Je härter straft' ich - wär' ich das Gesetz; je höher steht, wer Strafe hat Verdient! ... Und so erbarmungslos fürwahr, So unerbittlich und unbeugsam streng Sollt' kein Verbrechen mir geahndet werden, Als das der Könige! DARNLEY sich abwendend. O! ... Mäjsslßigung Bedenk'... MARIA. Ich bitte Sire, nichts mehr, nichts mehr! Erschöpft ist bis zur Neige mein Erbarmen. BOTHWELL rasch vortretend. Ο nein! So wenig stets erneuter Reichthum Je seinen letzten Heller geben kann, Das ew'ge Meer, je seinen letzten Tropfen So wenig kann, Du milde Königin! Dein grenzenlos Erbarmen sich erschöpfen. Ich ruf zu ihm, und weiß, es wird mich hören Ich ruf zu ihm: Gib die Gefang'nen frei! MARIA. Ist's möglich Lord? Ihr fleht für Eure Feinde? Soll ich die Hand entfesseln (befrei'n), die g'en Euch Sich hebt, sobald (ein Schwert) sie fassen kann {ein Schwert}? BOTHWELL. Ich fürcht' auf Erden, nichts als Deinen Nachtheil, Ich wünsche nichts, als Deinen Ruhm. O! strafe Die sich vermajsslßen, ihn zu mindern, durch Ein Beispiel solcher Gröjsslße, wie die Zeiten
(befrei'n) üdZ, eingewiesen Uber entfesseln; ohne Tilgung. (ein Schwert), vom Ende der Zeile vorgezogen und eingewiesen
nach sobald.
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Noch kein's erlebt. Zeig Deinem Volke, daß Dein königliches Herz, nach einem Ma{a}ß Empfindet, das zu messen, ihre Seelen Zu klein! Zeig' ein Erbarmen das sie sonst Gewöhnt zu suchen{,} nur bei Gott allein! Anbetung wirst Du säen in den Herzen Die sich bisher mißtrauisch Dir verschlossen, Stolz wird Dein Volk, die andern Völker fragen: "Wer hat eines Beherrscher's sich zu rühmen, Maria Stuart, uns'rer Kön'gin, gleich?" Das eitle England muß beschämt erwidern: "Nicht wir!" - Nicht solcher Großmut Fülle, hat Elisabeth, die Kalte, je geübt! Ο glaube mir! V e r g l e i c h e n werden sie, Die zittern unter ihrer strengen Herrschaft, Und mit des Wunsches ungestümster Glut, Entgegen sich dem Augenblicke sehnen, Wo Deine weiche, warme Hand, den Scepter Erfaßt, der ihrer starren Hand entfiel ... MARIA. Genug My lord! Ich darf nicht weiter hören, Denn Euer Eifer reißt Euch hin - Für sich. - Und mich. BOTHWELL. Wenn Dir mein treu gemeinter Rath mißfallen ... MARIA. Wir haben oft mehr Ursache, My lord, Ein Wort, das uns z u s e h r gefiel, zu fürchten, Als eines, das zu wenig uns gefallen. Doch muß ich rügen, w i e Ihr spracht My lord, Ich rüge w a s Ihr sprächet nicht, Ο Nein! So lang ich athme, wär's zum ersten Mal Daß ein bewundrungswürdiger, ein grojsslßer Gedanke, vor mir ausgesprochen, nicht In meiner Seele{,} einen Widerhall, Ein edles Beispiel, nicht in meinem Herzen Den heijsslßen Wunsch erweckt ihm nachzuahmen. Könnt Ihr vergeben - wohl - Ich kann es auch! My lord von Athol! - Douglas war Euch einst Ein Freund - erst als er von der Treue ließ, Ließt Ihr von ihm! Ihr habt ihn mir geopfert Ich danke Euch's in dieser Stunde, und Mit diesem Worte: Gehet hin Mylord Und meldet Eurem Douglas und den Seinen Ihre Begnad'gung an. ATHOL. Ο Königin
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Mein Dank ist stumm, wenn's diese Thräne ist! Athol ab. leise zu Maria. Darfst einem Diener Du gewähren, was Du eben trotzig mir verweigert hast? MARIA. Habt Ihr mich denn gerettet, König Darnley? MAR. Laß uns're tiefste Ehrfurcht Dir gefallen, Nur grojsslße Seelen handeln so wie Du. MURRAY. Zu Deinen Sklaven, machte uns Bewunderung, Wenn wir nicht schon durch uns're Pflicht es wären. DARNLEY
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Fünfter Auftritt DIE VORIGEN. ATHOL, DOUGLAS, RUTHVEN, KERR.
und KERR werfen sich Maria zu Füssen. sich abwendend. O ! DOUGLAS. Zweifach Ueberwund'ne, knie'n vor Dir! M A R I A ohne sie anzusehn, auf Bothwell deutend. Dankt Diesem! - Diesem! - Dankt nicht mir. - Weiht Ihm Das Leben, das er Euch gerettet... DOUGLAS, RUTHVEN MARIA
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Schwören,
Dir schwören wollen wir ... MARIA. Ο keine Worte Die Thaten sollen reden! - Geht - geht Alle - Zu Bothwell rauh. Auch Ihr Mylord - Milder. Doch Euch - erwart' ich wieder! Leise zu ihm. Mein Botschafter in London, sendet mir Durch seinen Sekretär{,} Berichte über Die mir zu Gunsten, in dem Parlament Erhob{e}ne Motion. Hört ihn, und kommt Mir melden, was er bringt. Lebt wohl, My lords. Alle ab außer Maria und Darnley. M A R I A nach einer Pause. Ihr habt mit mir zu sprechen, König Darnley? DARNLEY. Ich hab' mit Euch zu rechten, Königin, Die mir ein zweites Unrecht zugefügt Noch eh dem ersten sie genug gethan! Ihr habt mich blosgestellt vor Euren Dienern ... MARIA. Das hast Du selbst gethan, indem du heut Für Jene flehst, die gestern Du verrie{h}thst. DARNLEY. Ich that's für Dich. MARIA. Um Gottes willen - Nein! Nicht alle Kronen dieser Erde{,} dürften
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Durch solche Schandthat mir errungen werden! DARNLEY. SO mußt' ich Deinen Untergang vollenden? MARIA. Wenn Du ihn schon beschlossen: - Ja! denn selbst Am Bösen, männlich fest zu halten - stolz Und kühn, selbst schlechter Sache dienen, ist Ruhmvoller, als unschlüß'ges Schwanken, zwischen Dem Recht und Unrecht. O! nur nicht den schnöden, Feigen Verrath des Mannes an sich selbst, An seinem W o r t , an diesem heil'gen Pfand Und Siegel seiner Ehre! DARNLEY. Hab' ich's doch Verräthern nur gebrochen. MARIA.
W e r h a t sie
Verleitet zum Verrath? DARNLEY. MARIA.
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N i c h t ich! Ο Heuchler!
Ein jedes Wort von Dir zeugt eine Lüge! So schmachvoll ist, und unmännlich Dein Thun, Daß scheuer E{c}kel beim Gedanken d'ran Das Herz mir wendet in verletzter Brust ... DARNLEY. Hochmütig, ungerechtes Weib! - Ist dieß Mein Lohn? Soll ich bereu'n daß ich, der schon Verlor'nen, rettend meine Hand geboten? MARIA. Bereu' es, wenn Du Lohn dafür erwartet! DARNLEY. Wärst Du gerecht, Du müßtest ihn gewähren. MARIA. Der Undankbare{,} ford're keinen Dank! Ich hab' von Dir nie anderen erfahren Für alles was ich gab, als nur den Vorwurf Daß ich zu karg gewesen - dennoch grollt' Ich deßhalb nicht, denn Ehrgeiz trug die Schuld, Und Ehrgeiz lieb' ich, - diesen stolzen Quell Von allen grojsslßen, ruhmwürdigen Thaten! Doch Eines war, das ich Dir g a n z gegeben, M e i n H e r z hast Du besessen ungetheilt! Da herrschtest Du als unumschränkter Herr Da hab ich nicht gewogen und gezält Da fühlt' ich - Alles gebend, nur den Schmerz Daß ich nicht mehr als Alles geben konnte! Und dennoch Mann! Hast du auch hier gelohnt Durch grenzenlosen Undank{,} meine Großmut Die grenzenlose! ... Niemals hat Dein Herz An mich verschenkt ein anderes Gefühl —
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Die Armut hat nicht mehr ... Ο Wahnsinn war's Wenn ich dem - Bettler zürnte, daß er nicht Gleich einem Fürsten{,} fürstlich hat gegeben! DARNLEY. Jedwedes Herz verarmte, gegenüber Der Unersättlichkeit des Deinigen! MARIA. Das ist die Sprache aller kalten Seelen! Die wahre Armut faßt den Reichthum nicht Und schmäht in ihren Lumpen, auf den Purpur, - Ο laß mich! - Laß! - Der ungeheure Schmerz Verkehrt in Gift das Blut in meinen Adern, Wenn ich bedenke, wie Du mich gekränkt! Nicht blos die Königin - das Weib in mir Hast Du beschimpft - hast meine Frauenehre Befleckt mir rohem, schändlichen Verdacht ... DARNLEY. Die den Verdacht erweckte, trägt die Schuld. MARIA. Der Niedrige, der Niedriges geglaubt Der trägt die Schuld! - Noch einmal: Laß mich! Ich kann nicht fürder Deine Stimme hören, Verhaßt ist mir und widerlich Dein Anblick Ich hasse Dich! Ich hasse mich - daß ich Dich je geliebt! - Ein jedes Wort das Dir Von Neigung sprach, und jede Regung Die Dir entgegenflog - und jed Gefühl Das zärtlich an Dir hing - verabscheu' ich Als e{c}klen, dunklen, untilgbaren Flecken An meiner reinen, makellosen Ehre! DARNLEY. Ο Rasende! - Du sollst vor mir noch zittern! MARIA. Ich fürchte nichts von Dir - als Deinen Anblick. DARNLEY. Wohlan! Ich werde Dich davon befrei'n! MARIA. Erbärmlicher! Du hast nicht Mut zu sterben. DARNLEY. Doch kann ich weichen - diesem Land entflieh'Η In dem nicht Raum mehr für uns Beide ist, Ich will hinaus sie tragen in die Welt Die Kunde meines Unglücks - Deiner Schmach Denn Schmach fürwahr, trifft richtend eine Frau Die ihren Gatten zwang in fremder Ferne Zu suchen eine Heimat ... MARIA.
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Nein! Das darf
Nicht sein! DARNLEY. Hat dieser Pfeil getroffen? - Ο Ich will ihn wenden in der blut'gen Wunde! - Doch w i r d es sein! - Sei groß als Königin -
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Als Weib sei Du verachtet! Daß Du mich triebst von meinem Haus und Herd Will ich der Welt, der staunenden, verkünden, Durch meinen Gram soll sie's bestätigt finden In alle Länder will ich aus es streu'n, Hinaus in alle Winde will ich's schrei'n, Auf Deiner Feinde Zungen will ich's legen, In Fluch verwandeln Deines Sohnes Segen Wenn seine Lippen nach dem Vater fragen Und diese Stimmen ihm die Antwort sagen! Er eilt hinaus. MARIA. Was hab' ich Dir gethan? barmherziger Für mich allein: erbarmungsloser Gott!! Sie sinkt weinend auf einen Stuhl.
Sechster Auftritt DIE VORIGE. BOTHWELL.
BOTHWELL. DU hast befohlen meine Königin, Ich komme ... Wie? In Thränen? ... Tod und Hölle! Wer trägt an diesen Thränen Schuld? {Er soll's Bereu'n - Du weinest! — Ο warum?!} MARIA schweigt. {Du Thor, 5
Frägst Du Darnley's Weib! Warum es weine?} BOTHWELL.
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(Ich ahne!)
Fluch ihm{!}(,) dem schlechten, undankbaren Mann! Ο daß nur einmal mich das Schicksal stellte Ihm gegenüber im ersehnten Kampf! ... MARIA. Im ehrlich ritterlichen Kampfe, ficht Ein Darnley nicht! Er tödtet durch den Blick Wie Basilisken - und durch Gift - wie Schlangen Durch seine Nähe - langsam - wie die Krankheit Ο welch ein Schicksal, welch ein Ratschluß Gottes Gab mir zum Gatten{,} Schottlands schlecht'sten Mann?! BOTHWELL. Ich steh vor Dir - in Anbetung versunken Und von des Mitleids Fülle doch durchströmt! Die zwei verschiedensten Empfindungen Der Menschenbrust, sie einen sich für Dich In diesem stürmisch übervollem Herzen. - Ο glühend Mitleid! Demüt'ger als Ehrfurcht, Du Inbegriff von aller Zärtlichkeit -
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Daß doch der Herr als er uns hieß Ihn lieben Nicht Dein Empfinden mit ergiejsslßen konnte, In uns'rer Andacht flammendes Gefühl! Dies Eine fehlt in uns'rer Gottesliebe, Was mich vor Dir jetzt niederwirft Maria! Er kniet. sich langsam erhebend, legt die Hand auf seine Stirne. Ja, Du bist wahr und warm und wirst mich nie Verrathen - hab ich Dir doch nichts gegeben Bin ich für Dich doch nur - : die Königin! Ihn hab' ich überschüttet reich mit Liebe Als wie der Lenz die Erde überschüttet Mit seinem Blütenmeer! ... BOTHWELL. Was gab{e}st Du (Du) {(Dich)} dem Unwürd'gen {Dich} hin! statt Würdigen Zu wälen? - Du! - Ο Du so heiß geliebt! So werth geliebt zu sein ... MARIA
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U n d war es nie!
Beklage mich! - zu sterben ungeliebt Bin ich verdammt - und hab's zu spät erkannt Und suchte irrend was mir Gott versagt In Menschenherzen, die Er selbst verschließt, Ruf ich zu ihnen: Nehmt mich liebend auf! B O T H W E L L . D U bist geliebt! Du bist's so grenzenlos, Daß aller Haß der je auf Erden lebte Sich heben würde wie ein leichter Flaum Würf ich sie in die Wagschal{e}(') {g'en} (gegen) ihn! So namenlos, daß Erd' und Himmel{,} mir Zu eng erscheinen um sie ganz zu fassen Doch sie zu f ü h l e n - groß genug mein Herz! MARIA. My lord von Bothwell, mäjsslßigt dieses Feuer Das mich verletzt. Ich sucht' in Euch den Freund Laßt mich nicht wen'ger finden - und nicht mehr! BOTHWELL. Das war Dein Auge nicht! Nicht Deine Stimme! Ο zwinge nicht den himmlisch klaren Blick, Nicht diese Lippen, deren leises Beben, Entzücken flammend gießt durch meine Adern, Zu einer Strenge die Dein Herz nicht kennt! MARIA. Ihr seid sehr kühn My lord! BOTHWELL.
D e r K ü h n e nur
Ist Deiner werth! So göttlich groß ist der Gedanke Dich, Du Wunderbare! zu Erringen, daß der ihn gedacht - auch groß
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Unnennbares!
Und doch - bei Gott! nicht mehr als diese Hand Gewähren kann das Höchste streb' ich an Und werth des Höchsten ist, der darnach ringt! MARIA. Nicht Höchstes wär'S, könnt Jeder es erreichen ... BOTHWELL. Ich bin nicht: Jeder - meine Königin! Und setze nun mein Dasein auf ein Wort Und Sprech es aus, wär's auch mein Untergang: Zu ihren Fü\ss]ßen. Ich liebe Dich! Dies Wort ist Hochverrat Und Hochverrat verwirkt das Leben - nimm Das meine hin! Ich liebe Dich - nicht wie Ein Unterthan die Fürstin liebt - ο nein! So wie ein Mann, das Weib das er begehrt Kraft dieser Liebe nenn' ich Dich mein eigen Im Angesicht des Himmels ... MARIA. O! DU frevelst! - Nicht so - verlasse mich - ich will's! BOTHWELL.
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Vermessener!
Ich kann
Nicht anders - und - bei meinem Eid! - Ich will Nicht anders können! - Dieser Augenblick Ist Lebensfülle - nach ihm - alles Tod Nicht soll er mir verfliegen ungenützt! ... Ein Blick, ein Hauch, ein Athemzug beseligt Gib etwas mir für mein verscherztes Leben! Ich will es schliejsslßen fest in meine Seele Und mit es nehmen in das ew'ge Licht! MARIA. Ο Gott zu dem mein Herz um Liebe flehte! Was gibst Du sie - da wo sie Sünde ist? ... Darnley erscheint an der Thüre links. DARNLEY leise vor sich hin: Noch einmal sei's versucht... Bothwell'η zu Maria's Fü\ss[ßen erblickend: Was seh ich?! Bothwell! ... Er bleibt regungslos an der Thüre stehen. BOTHWELL. Glückseligkeit, Maria, ist nicht Sünde Ο wag' es ihr in's Angesicht zu schau'n! Sieh - diese Liebe - mutig wie der Löwe Sie schmiegt an Dich{,} sich schüchtern wie die Taube "Nur dulde mich" spricht sie, "anbeten nur -
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Nur knieen will ich ja vor Dir - ο nur In Ehrfurcht drücken auf die weijsslße Hand Der {glühen} (frommen) Lippen demütigen Kuß ... MARIA. Sieh mich nicht an - nicht s Ο - Es thut mir weh {Erzürn{e)t mich - verhaßter} (Beleidigt mich verhaßter) - theurer Both well! ... BOTHWELL. Triumph! Dies letzte Wort - und wenn zurück Von mir Gott selbst es forderte - mit Gott Du Heißgeliebte! würd' ich darum ringen! DARNLEY. Ο Königin, Ihr spielt so gut für mich Als sorgtet Ihr daß ich verlieren könnte! Bothwellpreßt die gefalteten Hände Maria's an seine Lippen. Darnley zieht die Schnure des Vorhangs an, und enthüllt diese Gruppe, vor dem ganzen, eben in den Audienzsaal eintretenden Hofe. Den ganzen Hof erbaue dieser Anblick! MARIA
zusammenschreckend.
Der König! BOTHWELL will
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aufspringen. (Holl' und) Tod {und Hölln}!
MARIA leise. Auf Eure Kniee! ... Laut-nach einer Pause, mit mühsam errungener Fassung. {Bleibet Mylord} (Wir - scheiden nun). - Ihr aber - König Darnley Wollt näher treten - und das Wort bestät'gen, Das ich gegeben diesem edlen Lord — Den ich ernannt zum Markgrafen von Schottland. - Zu Bothwell. Euch ruft die Pflicht zum Heere an den Grenzen — An Eure Pflicht Lord Markgraf - Eure Pflicht!
Dritter Aufzug Erster Auftritt Dekoration des ersten Aufzugs
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MURRAY und KERR treten auf. MURRAY. Gewichtig ist die Nachricht die Ihr bringt! Ich kann Euch viel zu danken haben - und Ihr wißt{'s} - ich danke gern. Noch Eins: Ist Andrews, Der Page, uns gewonnen? KERR. Er steht in meinem In Eurem Solde. MURRAY . Gut! - Was ich auch thue Geschieht für Euch. - Merkt's wohl! - Doch ahne Niemand Daß ich den Baum gepflegt, bevor ich Euch Die Früchte reichen darf. Den eintretenden Darnley erblickend. Der König - geht! Kerr ab. DARNLEY. Ich hab' Euch lang erwartet, Bruder Murray Muß ich Euch suchen? MURRAY. Ο wie gut, mein König, Daß Ihr um m i c h zu suchen, Holyrood Betreten! Ich bin da zu finden. DARNLEY. And're Begehr' ich nicht zu sehn. MURRAY. Seid unbesorgt! Deß hat es nicht Gefahr. DARNLEY. Was willst Du sagen? DieKön'gin ist... MURRAY. Abwesend. DARNLEY. Wie?! MURRAY. Ich sollt' Es nicht verrathen - Klugheit - schwieg vielleicht Doch ist es, traun, so närrische Geschichte Und ich bin ein so dumm geschwätz'ger Thor, Daß ich's erzälen muß, nicht d'ran zu bersten Lachend. Haha! ... Die Königin ist fort! DARNLEY. Wohin? MURRAY. Von ihrer treuen Argyll{,} und Andrews, Dem Pagen, nur begleitet, fort, bei Nacht Und Nebel.
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DARNLEY. Darum also dieses Märchen Von einer plötzlichen Erkrankung? MURRAY. Märchen? Ο nicht so ganz! Erkrankt ist sie bedenklich Und sucht nun Heilung an des Uebels Quelle. DARNLEY. Du sprichst in Räthseln. MURRAY. Soll ich deutlich sein? DARNLEY. Ja wohl! Ja wohl! MURRAY. Weißt Du den Tag, an dem So plötzlich uns ein Markgraf ward ernannt? DARNLEY. Ich weiß. MURRAY. - Both well verließ an ihm den Hof, Und seitdem war Maria nicht sie selbst In finstren Trübsinn sank die holde Frau, Als Nachricht kam auf Nachricht: Bothwell rase Gleich einem Tiger in der Schlacht - voran In jedem Kampf, als suche er den Tod. Einsam verschloß sie sich mit ihrem Gram, Und blickte nach dem Mond, anstatt mit den Ministern zu verhandeln, und im Staatsrath Das grojsslße Wort zu führen. Gestern nun Erschien ein Bote Bothwell's, athemlos Mit einem Briefe für die Königin. - Was er enthielt, das mußt Du selbst sie fragen, Bei ihrer Rückkehr - denn sie hatt' ihn kaum Mit irrem Blick durchflogen, als sie heimlich Schloß Holyrood verließ ... DARNLEY. Das kann nicht sein! MURRAY zuckt die Achseln. Der Markgraf - sagt man - ward im letzten Kampf Verwundet DARNLEY packt ihn beim Arme. Tödtlich?! MURRAY. So'ne kleine Schmarre, Worüber Männer lachen, Weiber weinen, Wenn auch aus Freude nur, daß sie nun pflegen Und warten dürfen ihren trotz'gen Helden. - S' ist ihr Beruf - Maria folgt ihm - haha! Ich seh die holde Samariterin Des kranken Löwen rauhe Tatze fassen: "Mein Bothwell leidest Du, mein süßer Freund?" DARNLEY. Unwürdige! MURRAY. "O leg' auf meinen Arm Dein liebes Haupt - die todten Kissen, sie
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Maria Stuart in Schottland Verdienen's nicht so theure Last zu tragen." Und Er: "O mir ist wohl! ... Jetzt möcht' ich sterben! - " Hahaha! S' ist ein Bild sich todt daran Zu lachen, denkt man, wer der Kranke ist Und wer - die Pflegerin! ... DARNLEY. Leb wohl Murray! MURRAY. DU gehst - Auch Du?! - Und wer soll uns regieren? DARNLEY. Nicht meine ist die Schuld, daß ich so lang Gezögert Schottland zu verlassen! Du Hast mich daran gehindert. - Nun will ich Nichts hören mehr! Gerüstet ist das Schiff Das mich für ewig trägt von diesen Küsten. MURRAY. So willst Du fliehen, eh Du noch gekämpft? DARNLEY. Umringt bin ich von Feinden und Verräthern, Mit tückschem Haß ruht jedes Aug auf mir: (Ich hab) von Neuem, heute (Leise.) {hab' ich} ihn gesehn Den Mann, der mich seit Rizio's Tod, verfolgt Gespensterhaft - umlauernd meine Schritte ... - Als Bothwell schied kann er gesorgt wohl haben Bei seiner Rückkehr mich todt zu finden Um dann die königliche Wittwe! ... Nein!... Ich schwör's! - Das soll er nicht! ... Nicht sterben - ο Nicht sterben laß mich gnäd'ger Gott! ... Sie soll Sich fühlen unlösbar gebunden - soll Nie glücklich sein im ruhigen Besitz Ihres Geliebten, seinen Blick verleide, Und seinen Kuß vergift' ihr der Gedanke Daß Darnley lebt, und jeder Tropfen Freude Den sie genießt, geschöpft muß werden, aus Dem Becher: Sünde! MURRAY. Allzumilde Rache! Wenn Du's begehrst - ich schaffe herbere. DARNLEY. W e n n ich's begehre?! MURRAY. Wohl! So höre mich ... PAGE tritt ein. Mylords von Ruthven und von Douglas{,} bitten Um Einlaß bei der Königin. DARNLEY. Verwünscht! MURRAY. Mir ward befohlen während dieser - Krankheit, An ihrer Statt die Herren zu empfangen. Willst Du sie sehen? DARNLEY zum Gehen gewandt. Nein. MURRAY. Erwarte mich,
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Ich folge Dir. Zum Pagen: Die Lords! Darnley durch einen Seitenausgang ab.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. DOUGLAS, RUTHVEN.
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Die Königin,
Seit gestern nicht ganz wohl, ersucht Euch Lords, Mich zum Vermittler Eures Wunsch{s}(es) {zu machen.} (Zu machen.) DOUGLAS. {Ihr wißt} Murray, was uns {hierher} (her){ge}führt, (wißt ihr,) Noch eh wir's ausgesprochen. - Mag es kühn Erscheinen, daß die kaum Begnadigten Sich zu erheben wagen gegen einen Beschluß der Königin - sie müssen{'s} (es); Der Augenblick gebietet's. RUTHVEN. Und der Herr! - E s sind kathol'sche Bischöfe ernannt Im Parlament, zu Wählern der Artikel Und ihres Glaubens heuchelnde Genossen: Ein Flemming, (Athol,) Balfour, Livingstone Mit einem Wort: Ein Heer von nied'ren Schranzen, Umlagert diese Führer. DOUGLAS. Wenn, wie zu Erwarten ist, das Haus in ihrem Sinn Beschlüsse f a ß t . . . MURRAY. So steht es schlecht My lord Um uns're Kirche, und um uns're Freiheit. DOUGLAS. Das fühlt Murray, und läßt's geschehn? MURRAY. Glaubt Ihr Wie Eures, blute nicht mein Herz? Ich hab Zur Königin gefleht, wie Ihr jetzt kommt Zu ihr zu flehn! - Umsonst. - Beschlossen ist's In neuem Glanz ersteht die alte Kirche. RUTHVEN. Bewahr' uns Gott vor Satan's Synagoge! MURRAY. In wenig Tagen{,} wird, von Rom gesandt, Der Cardinal Laurea hier erscheinen — RUTHVEN. Um Proselyten für den Papst zu machen? DOUGLAS. Beklagenswerther Schritt!
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Maria Stuart in Schottland RUTHVEN. Nicht seines Lebens - Sagt ihr: nicht seines Lebens sicher, ist Der Cardinal, so lang auf schott'scher Erd' Er weilt! ... Ich werde toll - ein päpstlicher Legat! ... Bei'm Schlüssel David's! Lieber säh Ich das apokalypt'sche Thier - als den Legaten! DOUGLAS. Ο beschwört die Königin Uns zu empfangen! MURRAY. Bitten fruchten nicht. RUTHVEN. Doch fruchten wird der Trotz. MURRAY. Was sinnt Ihr Ruthven? RUTHVEN. Der ehrwürdige Knox sprach zur Gemeine: "Es binden Kinder ihren Vater, wenn Er sie im Wahnsinn tödten will. Soll der Gehorsam weiter gehen gegen Fürsten Die ihrer Kinder Seelen morden wollen?" MURRAY. Mit Euch beklag' ich ... RUTHVEN. Ο ich klage nicht Ich handle! MURRAY Douglas' und Ruthven 's Hände fassend. Könnt' ich handeln doch für Euch! {Der} (Ja,) einst war mir vergönnt Euch zu beweisen Durch leben volle That, daß Euer Wohl, Daß Schottland's Gröjsslße{,} meiner Wünsche Ziel. Ο damals, Douglas{;}(,) blühten schöne Tage Dem stolzen Adel - damals, Ruthven, ehrten Des Staates Lenker Eure reine Lehre ... DOUGLAS. Stündest Du noch, ein Markstein unseres Glückes, Am Ruder dieses vielgeprüften Staats! RUTHVEN. Was war da noch die Kön'gin unvermält, Kann wieder werden - wenn sie Wittwe ist. MURRAY. Um Gott Mylord! Welch Wort habt Ihr gesprochen? RUTHVEN. Bald dürft' es mehr wohl sein als nur ein Wort! MURRAY. Kommt Douglas, kommt - laßt uns mit ruh'gem Sinn Berathen, wie die äujsslßerste Gefahr{,} Von uns'rer theuren Heimat abzuwenden. DOUGLAS im Abgehn. Ich hoffe nichts - so lang Ihr machtlos seid. Douglas und Murray ab. RUTHVEN allein. Wer stehet zwischen ihm und der Regentschaft? Ein schlechter Mann und überdies: mein Feind Dem Rache ich gelobte beim Jehovah ...
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I. Text - Jehovah - Mahnst Du nun? Ist es Dein Wink Es i st Dein Wink gewesen, zorn'ger Gott! Ich fühle Deinen Geist - und Deinen Ruf Vernehm' ich dröhnend wie Posaunen Schall 5
Von inner'm Lichte flammet meine Seele! Er wirft sich
nieder.
Ich sing' Dir Jubelhymnen, daß Du mich Erwählt zu Deinem heiligsten Gefäß Zum Sauerteige der Gottseligkeit, Zur Peitsche Babylon's! { - } In Deinem Namen, 10
In Deinem Amt vollbring' ich's - { M a c h } (mach') Dir Ehre!
Aufspringend.
Steh ein für Deine That! Eilt hinaus.
Dritter Auftritt MURRAY. ANDREWS.
Ich bitt' Euch Lord -
ANDREWS. Ein Wort! MURRAY.
DU weckst Verdacht - Laß mich - wie kommst
Du her? ANDREWS.
Ihr fragt? - Ich komm(e) mit {meiner} (der) Herrin.
MURRAY. Die Königin zurück? - So bald?! ... Wir fanden
ANDREWS. Lord Markgraf fast gesund, und im Begriff 5
Nach Edinburg zu eilen. S i e hat ihn
MURRAY.
Gesehen? ANDREWS.
Einen kurzen Augenblick,
In Lady Argyll's Gegenwart. MURRAY.
Wenn Du
Erzälen solltest, Bursch - was Du erlebt, Magst dieses letzten Umstands { - } Du vergessen. 10
ANDREWS. Sie war so eilig - Gott! Nicht Zeit um zu Verschnaufen, gönnt' sie uns - mir und den Rossen. Das war ein Ritt! Von hier nach Hermitage Und wieder heim - in Einem Jagen! Ο Mein Pferd ist hin - und das der Königin -
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Wenn wir's in Wein auch baden, niemals wird Elastisch mehr{,} des edlen Thieres, fein Gebaute Fessel ...
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MURRAY. Bist Du doch ein Schwätzer! ANDREWS. Ich gehe schon - nur Eines noch Mylord Hier ist ein Schlüssel - unter Wegs verloren Von Lady Argyll, und - von mir - gefunden MURRAY. Was sagst Du, Taugenichts? ANDREWS.
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I c h s t e c k t ' i h n ein -
Ich dacht - ich meint' - vielleicht Euch einen Dienst MURRAY. Durch Dieberei, Du Schuft? ANDREWS weinerlich. Ach Herr, seid nur Nicht gleich so hart! ... Erst hier - erst angekommen, Erfuhr ich dieses Schlüssels Wichtigkeit Als ihn vergeblich Lady Argyll suchte Und schier verzweifelt über den Verlust Er brennt in meiner Hand - nehmt ihn - es ist Der Schlüssel des geheimen Eingangs zu Den Zimmern Ihrer Majestät. MURRAY den Schlüssel ergreifend. Sogleich Soll er zurück gegeben werden! - Geh! Aus meinen Augen! ANDREWS. Schonet mein Mylord! MURRAY. Ich sage: fort! Andrews ab. MURRAY allein. Ein Stückchen Eisen nur Und doch mehr Wert{h} als alles Gold der Erde Gekauft um ein'ge Heller - und wird doch Zu theuer nicht mit einem Reich bezalt! ... Ο Felsen Bothwell! - Dieser Mosesstab Entlocket Deinem marmorstarren Herzen Entzückten Dankes lebensvollen Quell Und Schottlands Herr bin ich - bin ich der Deine! Er geht ab.
Vierter Auftritt LADY ARGYLL, gleich LADY ARGYLL vorsichtig
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darauf
MARIA
her eintretend.
Niemand! - Gott sei gelobt! - Kommt theure Lady Ihr seid in Sicherheit - Kein lebend Wesen Hat Euch gesehn. - Ach der unsel'ge Schlüssel! Nicht Ruh noch Rast vergönnt mir der Gedanke, Daß Andrews ihn entwendet.
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I. Text MARIA. Armes Kind! Du thust ihm Unrecht - er ist treu. Sei ruhig Der Schlüssel liegt für ew'ge Zeit verloren Auf Lehad's Haide. LADY ARGYLL.
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LADY ARGYLL.
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G e b ' es Gott!
MARIA. Er wird Es geben! Was versagt er mir - der Gnäd'ge Der Bothwell mir erhielt? Daß Bothwell Euch
So vieles ist - sollt' Euer Stolz, My lady, Euch hindern zu gestehn. MARIA. Geschmolzen ist Die Eisesrinde: Stolz, vom Herzen, das Um Ihn gebebt. - Nichts mehr von Strenge - nichts Von Härte mehr, dem Liebsten gegenüber Hab ich an Ihm nicht Alles gut zu thun, Den ich gejagt in Schlachten und Gefahren? Er kehrt als Sieger, glorreich kehrt er wieder, Und soll als Sieger mir empfangen werden, Von allem Volk - von meinem ganzen Land - Der Stolz auf Ihn, sei fürder all der meine! LADY ARGYLL. Ihr schwärmt Mylady - hingerissen ganz Von Eurer sünd'gen Liebe. MARIA. Sündig? Ο Das ist sie nicht, und soll es niemals sein! Wie ich das Gute liebe, lieb ich Ihn Den besten Mann! - Und geb mich ihm zu Eigen Wie ich der Tugend mich zu eigen gäbe: Mit meiner ganzen ihm geweihten S e e l e ! Nicht uns're Liebe braucht, die gottgeschenkte, Der Äujsslßerungen armer Leidenschaft. - Nicht meine Hand - nicht meines Kleides Saum, Soll er berühren und mein Herr doch sein! — Ist das auch Sünde, liebe Leonor? "Es ist n i c h t Sünde!" juble ich beseligt Nicht Du mein Gott, der in die Herzen sieht, Erfülltest mein's mit solchen Wonneschauern, Wenn Du verdammtest, Herr! Was es bewegt. MURRAY tritt ein. Ich höre freudig daß die Kön'gin sich erholt. MARIA. Habt Dank mein Bruder Murray, mir ist wohl. MURRAY. Gott gibt die Kraft im Augenblick Dir wieder, Wo ihrer Du am dringendsten bedarfst.
Maria Stuart in Schottland
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Ich komm um Deine Strenge anzurufen ... nichts von Strenge! Milde fordert heut Von Eurer Königin - sie fühlt sich stark Um Tausende mit Glück zu überschütten Allein zu schwach - um Einem weh zu thun! - Wir haben gute Nachricht von den Grenzen Der Markgraf hat {als wie ein} (nicht nur als) Held gesiegt, {Und} (Auch) wie ein Staatsmann seinen Sieg benützt. In wenig Stunden trifft er selbst hier ein, Was seine Boten melden, zu bestät'gen. - Der Friede waltet, wo der Krieg gewütet, Und seiner Segnung freuet sich mein Land! Sie werd' ihm unverkürzt, erquickungsvoll Es sollen späte Enkel noch gedenken Des Tags an dem ich siegte - zu beglücken. MURRAY. Das ist ein edler Vorsatz. Doch indeß Du einige Provinzen hochbegnadigst, Gährt Unzufriedenheit in Deiner Hauptstadt. Die Nachricht, daß ein päbstlicher Legat... MARIA. Ja wohl - ich dacht's! - Ist's weiter nichts als dies? - Er soll verzögern seine Ankunft - soll Nicht kommen. MURRAY. Mehr hab' ich zu melden. Dein Gesandter an dem Hof von London, schreibt Daß täglich dort Dein Anhang sich vergröß're. Nicht mehr allein die Katholiken, auch Die Gegner des allmächtigen Cecil Erklären sich für Dich, Elisabeth's Besorgniß steigt - man hört daß sie beschloß Mit Heeresmacht in Schottland einzufallen, Und sagt ... MARIA. Man hört - man sagt - berichtet so Ein Staatsmann?! MURRAY. Hab' ich doch Beweise! MARIA. Ο
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MARIA.
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Laßt.
Ihr sollt nicht ewig diese Feindschaft nähren. Ich will vergessen was Elisabeth Mir angethan, will mich versöhnen, Murray, Mit meiner Schwester. MURRAY.
D u ? U m Gott! W a s ist
Geschehn das Dich so umgewandelt? M A R I A verwirrt.
Geschehn? -
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I. Text
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MURRAY. DU bist so mild gestimmt, daß ich besorge Des Königs Plan, von Schottland zu entfliehn, Erfährst Du nur, ihm Glück dazu zu wünschen. MARIA. Mit meinen Bitten werd' ich ihn bekämpfen, Auf meine Bitten wird mein Gatte hören. Verworrenes Geschrei aus der Entfernung.
Fünfter Auftritt DIE VORIGEN. DARNLEY
Stürzt verstört und athemlos herein, nach ihm
LENNOX, HUNTLY, RUTHVEN.
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DARNLEY. Gerechtigkeit! Beschützt mich Königin! MARIA. Was ist geschehen? - Darnley! - Blutend - bleich - Faßt seine Hände. MURRAY. Erholet, fasset Euch! DARNLEY. Ich kam vom Schlojßlsse Schon nahe meinem Haus da traf er mich MARIA. Um Gotteswillen-Wer? DARNLEY ZU Murray. Derselbe Mann Von welchem ich Dir sprach — LENNOX. Gedungen war Der Schuft. MARIA. Von wem? Von welchem Böse wicht? RUTHVEN. Das sagt er keinem mehr - ich haut' ihn nieder. DARNLEY. Als das Verbrechen schon mißlungen war Und er gestehen wollt' wer ihn verleitet. LENNOX ZU Ruthven. Sehr übereilt habt Ihr gehandelt Lord. HUNTLY. Ich meine eher, sehr wohl überlegt. RUTHVEN. Nicht meiner mächtig - schlug ich nach dem Hund, Wußt ich's, daß die Canaille so gebrechlich? LENNOX. Wer hat zum Richter Euch bestellt? DARNLEY. Ihr seid Verdächtigt selbst, durch Eure freche That Und durch das letzte Wort des Sterbenden Er hauchte noch vergehend einen Namen — HUNTLY. Den Eueren bei meiner Seele! "Ruthven" Hat er im letzten Todeskampf gestöhnt — MURRAY Ruthven fest anblickend. Der Name war kein and'rer doch als Ruthven? - Es gibt so manche die ihm ähnlich klingen;
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Maria Stuart in Schottland Zum Beispiel RUTHVEN.
Bothwell - nicht? -
Allmächtiger! DARNLEY. Noch heute soll sich jeder Zweifel lösen. Zu Maria. Gebt den Befehl, ihn vor Gericht zu stellen. MARIA nach einer Pause. Der Himmel selber hat gerichtet Sire! Des Herren Weisheit führte Ruthven's Hand. Wollt Ihr was Er gethan noch bessern? Wagt Ihr ein Wort, wo der Allew'ge sprach? — - Fürwahr! Wir thäten besser ihm zu danken Der Euer Leben wunderbar erhielt, Als drob zu grollen, daß die Rache an Dem Elenden der es bedroht, nicht uns Alleine, überlassen blieb. DARNLEY. Ist Ruthven Euch der Arm der Vorsehung? MARIA. Verlaßt uns meine Lords. Ich will zum Dome, Will betend vor dem Bilde meines Heilands Des übervollen Herzens, Dank ergiessen. Lennox, Huntly, Ruthven ab. DARNLEY auf letzteren deutend. Wollt Ihr (mit D e m ) im Einverständniß {mit ihm} scheinen? MARIA. Ich dinge keine Mörder König Darnley. Ab mit Lady Argyll. DARNLEY. Ich rufe Euch zum Zeugen Bruder Murray, Daß ich in Schottland rechtlos worden bin, Und ausgesetzt dem Schlage jeder Hand Die frevelhaft sich gegen mich erhebt. MURRAY. Jetzt ist es Zeit! Du sollst dies Land verlassen, Doch nicht allein - und auch zu Schiffe nicht. Rufi hinaus: Lord Kerr! - Ein andres Mittel weiß ich Dir Zur Rache! Zu dem eintretenden Kerr: MARIA.
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Freund! Der König bleibt! DARNLEY will ihm in's Wort fallen. MURRAY leise. Laß mich! Laut. Sein Schiff, das reisefertig liegt im Hafen Es streicht die Segel a{l}lsogleich. - Entlaßt Die Mannschaft in des Königs Namen, gebt Befehl die Waffen und den Pulvervorrath Nach seinem Schloß zu bringen. Geht My lord. Kerr ab. DARNLEY. Was hast Du vor? Als ein Vertrieb'ner nicht, MURRAY. Als Fürst und König sollst Du ziehn, in dessen Verletzter Majestät, die Majestät Von allen Königen verletzt, und der
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I. Text
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Genugthuung begehrt im Namen Aller. - Elisabeth von England wartet Dein Der als Verkläger ihrer schlimmsten Feindin Vor ihr erscheinen soll. DARNLEY. Elisabeth Sagst Du? MURRAY. Schon sind die Pfade Dir bereitet, Im Einverständniß längst Mylord von Bedfort; Doch kommen wirst Du nicht allein - der tief Gekränkte Gatte tritt mit seinem Sohn, Gerechtigkeit und Schutz begehrend, vor Elisabeth. DARNLEY. So sei's! MURRAY. Vor Abend noch Führ' ich das Kind Dir zu. Verlaß mich nun, Und kehre bald - scheinbar versöhnt - zurück. - Aus diesem Fenster siehst Du nach dem Park, Am Ausgange desselben, harrt ein Wagen Sobald die Nacht gekommen. Wenn Du nun Von hier hinüber blickst - in dieser Richtung Wird eine Fackel an des Gartens Saum, Rasch angezündet - rasch wieder verlöscht, Das Zeichen sein daß die Entführung mir Gelang, und Dein im Wagen harrt der Prinz; Dann ist es Zeit. Dann zögre nicht zu folgen. DARNLEY. Von England aus will ich Dir danken Bruder! Er geht ab. MURRAY allein. Mir danken Wurm? So dankt die Kugel, aus Dem Rohr geschossen - wenn sie trifft. Zinken und Hörner. Von der Strasse herauf der vielstimmige, oft wiederholte Ruf: Hoch Bothwell! Da kommt der Mann des Tag's! {Er tritt zum Fenster.) Fürwahr ein schöner, Ein königlicher Zug! Ο schrei Dich heiser Du thöricht blödes, kurzsichtiges Volk! Bald sollst Du keuchen unter seinem Joch Wie unter ihm sein dampfend Roß jetzt keucht. Ha! Wie sich's bäumt und schnaubt - und wie sein Schweiß Zur Erde niederregnet, mit dem Blut Der wundgespornten Flanken! Ruhig Berber! Dies alles nützt Dir nichts - Dein mächt'ger Reiter Bemerkt kaum Deine Wut — er preßt um Dich Die stahlgeschienten Schenkel daß Dir keuchend Der Athem nur entfährt und blickt hinauf
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Zum Fenster seiner Lieben - seligen Verklärten Angesichts ... Ο welch ein Blick! ... Jetzt hat er sie gesehn! ... Entblößt sein Haupt Und beugt es - beugt's bis auf des Rosses Nacken ... Vortrefflich edler Lord! frohlocke kühn Das Herz der Königin hast Du erobert Die Kön'gin selber{,} liefre ich Dir aus!
Sechster Auftritt PAGEN öffnen die Thüre, HOFLEUTE machen Spalier, BOTHWELL kommt mit grojss\ßem GEFOLGE.
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BOTHWELL. Mylady Argyll melde mich, ich will Zur Königin. MURRAY. Willkommen Mylord Markgraf. BOTHWELL. Da Ihr es bietet - ist es kein Willkomm. MURRAY. Entlaßt Euer Gefolg' ich hab mit Euch Zu reden. BOTHWELL. Wirklich? Wirklich? MURRAY. Weigert Ihr's? Auch gut — doch wißt — Ihr weigert's einem Freund. BOTHWELL. Ein Murray und mein Freund? Ο laßt die Possen! Zu den Hofleuten. Habt Ihr gehört? Ich will zur Königin? ... Pagen ab. MURRAY. Mich jammert sehr daß Schottlands erster Mann Verdammt sein kann gleich andern kleinen Leuten, Im Vorgemache demutsvoll zu warten Bis es gefällt dem läß'gen Hofgeschmeiß Ihn anzumelden. - Lord! - das sollt' nicht sein ... - Der Zufall spielte mir - er spielt oft seltsam Hier einen Schlüssel in die Hand - der Euch Das Melden bei der Königin ersparen ... BOTHWELL erfaßt den Schlüssel, zum Gefolge: Geht Alle! Geht! Das Gefolge und die Hofleute ab. Wie kommt Ihr zu dem Schlüssel? MURRAY. SO viel ich seh - seid IHR dazu gekommen. Sich Bothwell nähernd, leise. Vom grojsslßen Gange an der Treppe, führt Ein kleinerer zu Lady Argyll's Zimmern, Ihn abzuschliejsslßen scheint 'ne Bretterwand -
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I. Text
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Von dieser - rechts - vom Boden eine Spanne, Ist unter anderm Schnitzwerk, Schottland' s Distel Sorgfältig ausgeführt; verschiebt Ihr sie So wird ein Schlößchen sichtbar ... BOTHWELL in höchster Spannung. Und wenn ich Nun öffne? MURRAY. Weicht die Wand. Ihr stehet an Der Mündung zweier Gänge - einer - rechts, Führt zu dem Souterain im äußren Hof Das dieser selbe Schlüssel Euch erschließt, Der andre - links - führt zu der Königin ... BOTHWELL. Mein Leben nehmt! Reißt mich in tausend Stücke, Werft meine Habe Euren Hunden vor In Ewigkeit bleib' ich doch Euer Schuldner! MURRAY. Erkennet nur daß ich nicht Euer Feind. Murray ab. BOTHWELL allein. Entzücken! Ο die Macht ist mein - denn mein Ist ihre Trägerin! LADY ARGYLL kommt.
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Die Königin
Ersucht Euch zu verziehn - sie ist nicht wohl. BOTHWELL. Nicht wohl? War sie es doch vor wenig Stunden Sagt Ihr ... LADY ARGYLL. Bringt Eure Botschaft selbst Mylord Bis es gefällt der Fürstin sie zu hören. Sie geht ab. BOTHWELL. Verdammt die Weiberlaunen! - - Oder - Halt! Ist der Gedanke Thorheit? - war es nicht Der Zufall nur der diesen Schlüssel spielt In Murray's Hand? ... S i e h a t es s e l b s t g e t h a n ! ... Ο jetzt mein Ehrgeiz steige kühn empor, Zerreisse flutend alle Dämme: Stolz! Entfalte Deine Schwingen Herrschbegier Und trage mich in einem Adlerflug Zur Sonne: Ruhm - zum Himmel: Allgewalt! Er stürzt hinaus. MURRAY kommt. Schon fort? Hahaha! Eine Schäferstunde Sei ihr vergönnt der guten Königin Indessen wir ihr Kind entführen und In einem einz'gen Mann, der Feindin so Gewalt'ge Hülfestruppen senden, wie Ganz Schottland unter Waffen sie nicht stellte. Ein P f i f f . Was gibt's? - War dies nicht Kerr's Signal? Eilt zum Fenster. Er selbst? Er winkt - winkt m i r - Ich komme - Steht! ... Es kann Mißlungen nicht ... Und w e n n ! ... Ο Pfui! — Bin ich
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Nicht Murray mehr, der aus Mißlingen, nur Ein anderes Gelingen sich erschafft? Murray ab. BOTHWELL erscheint im Hintergrunde mit einigen seiner Leute, die nach erhaltenen Befehlen wieder verschwinden, zu ihnen: Führt Beide vor's Gericht - doch ruhig - hört Ihr? Kein Aufsehn, Euer Leben gilt's! HUNTLY hereintretend. Um Gott! Was ist geschehen? Was habt Ihr entdeckt? Wem droht Gefahr? BOTHWELL. SO lange i c h hier stehe My lord von Huntly - keinem Redlichen. HUNTLY. Die Königin!
Siebenter Auftritt D I E VORIGEN. M A R I A , LADY ARGYLL, GEFOLGE.
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MARIA. Seid mir gegrüßt Lord Markgraf. BOTHWELL. Gott segne meine Königin! Ich bringe Die Huldigung der mir vertrauten Marken. MARIA. Und Trost und Freude an den düstren Hof. Während dieser letzten Worte sind eingetreten: Darnley, Murray, Lennox, Mar. DARNLEY. My lord von Bothwell? - Völlig schon genesen? Ich wünsche {Euch} Glück zu dieser raschen Heilung Gefördert durch die Pflege einer Königin. MURRAY. Was thust Du?
MARIA. LENNOX.
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Was ist das?
BOTHWELL. Ich leiste Gegendienst! ... Mylord von Huntly! Laßt augenblicklich unter Waffen treten, Was Waffen trägt in Edinburg, verdoppeln Die Posten - alle Eingänge besetzen {Des} (Zum) königlichen Schloß - verbreiten in Der ganzen Stadt die Kunde, daß Gefahr Dem Prinzen drohe ... MARIA. Meinem Sohn?! BOTHWELL.
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Herr im Himmel!
ZU S c h u t z
Und Hülfe ruft die Bürger auf! Huntly ab. Verworrenes Geschrei und Waffengetöse in den Vorhallen.
I. Text
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sich. Verrathen! BOTHWELL. Im Werke ist ein schändliches Komplott Entführt - an England ausgeliefert, soll Der Kronprinz werden ... MARIA. Ο mein Gott! BOTHWELL. Verdacht Aus manchem bangen Zeichen schöpfend, das Bei meiner Ankunft schon mich überrascht, Belauschte ich im Souterain des Schlosses, Die Elenden, die ihr Verführer wählte Werkzeug zu werden seiner Frevelthat - Die Beiden freilich sind unschädlich nun. MURRAY. Erschlagen?! BOTHWELL. Nein - gefangen. - Doch sie sind Ja nur der Schlange Schwanz - ihr Haupt vermut Ich hier, und hier will ich's zertreten! ... DARNLEY für
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HUNTLY.
Wen
Verdächtigt Ihr? BOTHWELL.
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E s ist ...
MARIA mit einem Blick auf Darnley. Sprecht's nicht aus! DARNLEY trotzig. Ich war's! Dein schwerbeleidigter Gemal. In jeder Fiber, jedem Nerv verletzt, Erhob ich mich das Äujsslßerste zu thun Nachdem Du mich zum Äujsslßersten getrieben. MARIA nach einer Pause. Mein werther Lord von Mar! - Wogegen sich Mein mütterliches Herz bisher gesträubt Und ich der Sitte dieses Lands zum Trotz Verweigerte: den Prinzen - meinen Sohn Noch einem andern Schutz anzuvertrauen Als jener ist den ich gewähren kann Ich thu' es jetzt - und wähle Euch My lord Bestelle Euch zu meines Sohnes Hüter. Wacht über dieses arme Kind, das nicht Mehr sicher ist in seiner Väter Haus. MAR. AUS Deiner Hand empfang' ich es, und heb' Die meine auf zum Schwur: - So schütze mich Der Ewige, wie ich Dein Kind vertheid'gen Und schützen will in jeglicher Gefahr Mein Leib sein Schild, und dieser Arm sein Schwert. Mar geht ab. MARIA sich zu Darnley wendend, ruhig. Ihr habt verreisen wollen König Darnley Ich halt' Euch nicht zurück. Erfüllt die Sehnsucht
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Die Euch von hinnen treibt, und lasse Euch Ein gnädiges Geschick mehr Segen finden In fremdem Land als diesem Ihr gewährt Lebt wohl! Maria mit Lady Argyll ab. DARNLEY. Lebt wohl! Denkt meines Schwur's, er soll Gehalten werden Königin! Darnley ab. LENNOX, ihm folgend. Warum Gerade mir solch einen Sohn mein Gott? Die Schande bleichte heut mein Haar - wenn es Dies: heut nicht schon gebleicht gefunden! DOUGLAS. Bedauernswerther Greis! - Bedauernswerth Auch wir - die einen König ehren sollen In diesem Darnley! HUNTLY. Ο ich gäb mein Leben Das seine ihm zu nehmen! Schenkt' ihm freudig Die Hälfte meines Mut's - daß er sich mir Nur stellt! RUTHVEN. - Ich lieb' Euch nicht - allein für solch Ein Wort - küßt' ich den Teufel. - Eure Hand! HUNTLY. Wir theilen Euren Haß - doch Meuchelmord Soll ihm genug nicht thun. RUTHVEN. Was David ließ Vollziehn an Urias und Moses that An dem Egypter, nehmt getrost auf Euch! Ihr braucht nicht besser sein als diese waren. DOUGLAS. Geduld! Geduld auch Darnley's Stunde kommt. Douglas, Huntly, Ruthven ab. BOTHWELL. Da geht es hin dies jämmerliche Volk, Das nicht empfinden, das nur schwatzen kann Strohfeuer alles dieses - Funken - Funken Nicht eine Lohe überwält'gend - zündend! MURRAY fur sich. Jetzt letztes Mittel - : Hilf! Wie sich das Glück Von Deiner Sache wandte König Darnley, So wende ich, von ihr mich hiemit ab! Zu Bothwell. - Nur Funken? Wohl! - doch einer schon genügte Für ewig diesen Darnley zu vernichten. BOTHWELL. W a s sagt I h r d a ?
MURRAY . Was aller Welt bekannt. Schläft dieser Mann - noch thörichter als feig Denn nicht in seinem abgelegenen Haus Auf 'nen Vulcan? BOTHWELL. Was wollt Ihr damit sagen?
I. Text
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MURRAY langsam, gleichgültig. Jedweder weiß daß seines Hauses Keller Gefüllt mit Pulver und Munition Die er dahin von seinem Schiff ließ bringen. - Bedenket nun mein theurer Lord, wie leicht, Wie spielend - wie ganz unnachweisbar Ein Nichts - Ein Hauch - ein Funke welcher fällt... BOTHWELL. Genug! Genug! MURRAY . Laßt uns davon nicht reden Gefahren nennen — heisset oft: sie wecken Bothwell beobachtend der auf und nieder geht, in höchster Aufregung, leise, für sich: Der Funke fiel - der Funke h a t gezündet! - Nach einer Pause. - Ich will zu Lennox - dieser Graf ist rasch In seinem Handeln - kommt mir leicht zuvor Ich muß die ganze Sorge meiner Liebe Um meinen guten König - in das Herz Des besten Vaters schütten - muß ihn warnen, Laut: Lebt wohl My lord. Murray ab. BOTHWELL allein. Ich thu's! - Ich will es thun! Wahrhaftig - einen bessern Mann, würd ich Ermorden - gält es einen Thron! Maria tritt ein. Maria! Ο Endlich! Endlich! MARIA. Meinen Sohn hab' ich An meine Brust noch pressen müssen, Bothwell, Bevor ich kam - zu danken seinem Retter. BOTHWELL. Der einz'ge Dank den ich begehre, Fürstin Ist Rache an dem Vater Deines Sohns. MARIA finster. Dann lebt E i n Wunsch in uns'rer Seelen Tiefe Und wenn wir beten, steigt dieselbe Bitte Zum ew'gen Himmel auf. BOTHWELL. Bei dieser Hand, Dem Gottgeschenke das er nie verdient Bei diesem Auge dem er tausend Mal Der Schmerzensthräne herbe Flut erpreßt {Im Angesicht des Himmels: Gelob' ich's hier.} (Gelob' ich's hier im Angesicht des Himmels:) Ich räche Dich! Will fort. MARIA. Nicht Du! BOTHWELL. Kein Anderer! Der Preis ist mein, {doch} (und) mein sei auch die That!
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Maria Stuart in Schottland Ich richte ihn. MARIA. Um aller Heil'gen Willen Beschwör ich Dich ... BOTHWELL. Ei sieh doch - welche Inbrunst! Erwacht die schnöde Leidenschaft von Neu'm Für diesen Jammermann? ... {Du liebst} (Liebst Du) ihn noch?! {MARIA. Entsetzlich! BOTHWELL. Weib! Du liebst ihn noch!} MARIA. Ich lieb' ihn, wie das Aug den Dorn, an dem's Erblindet - wie das Herz die Wunde, an Der es verblutet. BOTHWELL. Fluch ihm! der dies Herz Also zerriß - daß es nur leiden - nicht Mehr lieben kann. MARIA. Ο Irrthum! - Glaube mir Unsäglich lieben, kann nur der allein Der es versteht - unsäglich auch zu leiden, Und wo sich Lieb und Leid zusammenfinden Da wachsen beide, über menschlich Maaß. BOTHWELL. DU hast der Liebe Schmerzen nur gekannt, Ich führe Dich in ihre Wonnen ein! {Mein Eigen bist Du, und ich wahre Dich!} In Trümmer aber, brech' ich jede Schranke Die meine Sehnsucht von Erfüllung trennt Erschüttere des Himmels ew'ge Säulen Drängt er sich zwischen uns und uns'ren Bund! Will fort. MARIA. Wohin?! BOTHWELL. Zu König Darnley. MARIA. Bothwell! Bothwell! Verschone ihn! Ich hab ihm angehört Ich hab' sein Kind in meinem Schooß getragen, Genährt an meiner Brust - verschone ihn! Bothwell wendet sich trotzig ab. An meinem Bund mit diesem schlechten Mann, Zerschellt' mein Glück, als wie am Fels die Woge Es soll durch ihn nicht auch mein Frieden scheitern. Sich Bothwell nähernd, und seine Hand fassend. Bei dem Geständniß das ich Dir gethan, Bei jeder Treu und Ehrlichkeit auf Erden, Beschwör ich Bothwell Dich: gelobe mir Daß Dir sein Leben unantastbar heilig ... BOTHWELL. Nein! Nimmermehr. MARIA. Kannst DU's der Liebenden
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I. Text Verweigern, Deiner Kön'gin kannst Du's nicht Und s i e befielt! ... BOTHWELL.
Maria!
MARIA.
Schwöre! Schwöre! ...
BOTHWELL für sich. Was ich beschloß - ich will und werd's vollenden Wenn m i t Dir nicht - ο Königin - t r o t z Dir. 5
MARIA. Dein Wort begehr' ich - gib Dein Wort. BOTHWELL.
Duhast's.-
MARIA. Gott sei gelobt! und - Du! - Hab' Dank! BOTHWELL. Die Bühne allmählig
Leb wohl! Rasch ab. verfinstert.
MARIA. Ο bleib! geh nicht von mir - nicht jetzt... Umsonst! - Er gab sein Wort - was bebst Du, feiges Herz? Der Schatten von dem Schatten eines Zweifels 10
Ist arger Frevel an dem Treuesten. W e r kommt? - W e r ruft? —
Zusammenfahrend.
kein lebend menschlich Wesen -
- Mein armes Hirn ist fieberkrank, und leiht Gestalt der Leere, und der Stille Stimmen. - Nach einer
Pause.
- Ο gnäd'ger Gott! Den Einz'gen unter Allen 15
Den ich bewährt gefunden - laß nicht sinken! Nimm alles Herr - laß mir an Ihn den Glauben. -
Nicht zu dem frommen, friede(n)vollen Walten
Das and'rer Frauen, still beglückend Loos, Hat mich Dein Wille - Ewiger, bestimmt; 20
{ I n meine Hände legtest} (Der schwachen Hand vertrautest) Du ein Scepter Das wie ein Schwert geformt: als wie ein Schwert Zu schwingen und zu brauchen. Steter Kampf { I s t } (Heißt) meines Lebens ernste Losung - Kampf U m jedes Recht, um jedes Eigenthum,
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Das heil'gste selbst, und unantastbarste! - Ein rauhes Tagwerk ist das meine, Herr, Die Kraft versagt - gönn' Labung mir mein Gott Und laß mich ruhn - erschöpft vom K a m p f g e w ü h l { e } , In einem milden, heilenden G e f ü h l { e } ! Ein dumpfes, rollendes Getöse erschüttert die Luft. Einen Augenblick tiefste Stille, dann lautes Geschrei von vielen Stimmen, das (immer) und näher zu kommen
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scheint.
Allmächt'ger! Was war das? Eilt zum Fenster. Täuscht mich mein Auge?! Was hebt sich dort und {steiget} (fliegt hoch) in die Lüfte Und qualmt empor in schwarzen Rauchessäulen Ein ungeheuer - fürchterlich Gebilde
darauf, wächst
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Durch dessen finst're {Wirbel} {(Ringe)} (Wolken), Flammen schwirren, Wie gold'ne Pfeile durch die tiefe Nacht - Hat sich der Hölle Rachen aufgethan Und speit Verderben über uns're Häupter? LADY ARGYLL stürzt herein. Um Gotteswillen, Königin ... MARIA.
W a s ist
Geschehn? LADY ARGYLL. Ein furchtbar - grauenhaftes Unheil — MARIA. Fassung Eleonor ... LADY ARGYLL.
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Sie sagen, sagen -
Des Königs Schloß sei in die Luft gesprengt ... MARIA. {Gerechter} ( - des - Königs - ) ! Murray, Lennox und Mar rasch auftretend. MURRAY.
W O ist D a r n l e y . W o ?
MARIA. Auf seinem SchloJsslß{e} LENNOX. Dann ist er todt Auf Bothwell zeigend der auf der Schwelle stehen bleibt. und dieser dort - sein Mörder! MARIA. Nein!
Vierter Aufzug Erster Auftritt Zimmer bei der Königin
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LADY ARGYLL allein, den Blick auf das Nebenzimmer gerichtet, dessen Thüre offen steht. Auf ihren Knieen - tief gebeugt das Haupt, Das Crucifix in den gefalt'nen Händen; Im brünstigen Gebet so ganz versunken Daß rings die Welt für sie erstorben - fremd Dem Herzen jede Regung scheint, die sich Nicht Andacht nennet - liegt sie da ... Nein! Nein! So beten kann kein schuldiges Gewissen ... Hinweg mit jedem Zweifel ο mein Herz! Sei treu im Glauben an die Vielgeschmähte Du bist vielleicht bald ihre einz'ge Stütze! ... - Seit Monden nun liegt Heinrich Darnley, in Der Gruft der Könige von Schottland, und Ein jeder Tag der seinem letzten folgte Hat neue Schrecken zahllos uns geboren - Als sende sie der ungerächte Geist Des Hingeschied'nen - Hingemordeten Steigt ihre Schaar allmälig aus dem Dunkel, In's düst're Grau gekleidet, des Verdachts Und wirbt sich Helfer, unsichtbar, gewaltig, In jedem Herzen das da lebt und pocht ... Sie heißen: Haß, Empörung, Rachedurst, Und ihre Pfeile - die nie fehlenden, Sie zielen alle nach der einen Brust!
Zweiter Auftritt DIE VORIGE. MARIA. LADY ARGYLL. S o r u h i g - M a j e s t ä t ? MARIA.
Ich h a b ' gebetet.
LADY ARGYLL. Daß Ihr Euch Kraft für diesen Tag erfleht! MARIA.Für d i e s e n Leonor?
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Bald schlägt die Stunde Die vor Gericht Mylord von Bothwell ruft. MARIA. Diejen'ge auch die ihn rechtfert'gen soll. LADY ARGYLL.
LADY ARGYLL. D a s g e b e G o t t ! MARIA.
Du zweifelst?
Sehnlichst Wünschen Erzeug{e}t (stets) Sorge, vor vergeb'nem Wünschen. MARIA. Kleingläubige! Auch Du verdächtigst ihn! LADY ARGYLL. Traf ihn kein schlimmerer Verdacht als meiner! MARIA. Verdacht von Freunden, ist der schlimmste! Spräch Er sich auch noch so leise aus - ja müßt' Man ihn errathen! Seine schwächste Regung Schneidet in's Leben ein, indeß des Feinds Verdacht, Die Haut kaum ritzt. LADY ARGYLL. Glaubst Du, nur Jener leide Der den Verdacht bei seinem Freund erregt? Fürwahr! Nicht minder leidet der ihn hegt. Ο Königin! - Ich darf nicht länger schweigen Das herbe Wort es m u ß gesprochen sein Wie schwer es auch - wie fast unmöglich mir ... Sie stockt. MARIA. Eleonor! Die treuen Lippen{,} weigern Dir Den Dienst! Die anders nie als lieb voll zu Mir sprachen, öffnen sich zu keinem Vorwurf Für Deine Königin! - Und glaube mir Die Lippen {thuen} (thun viel) besser als das Herz Das sie zu schlimmen Boten machen will Der schlimmen Warnung, die ein Tadel ist. LADY ARGYLL. Mag's stille stehn für immerdar, wenn es Mit aller seiner Macht, dagegen sich Nicht sträubt Dir weh zu thun! Laß es gewähren! MARIA. LADY ARGYLL. Nicht blos das Herz, auch die Vernunft gebietet. MARIA. Das Herz ist oft vernünft'ger als Vernunft Es räth Dir gut in diesem Augenblick. LADY ARGYLL. Wenn Treue jemals einen Lohn verdient, Jemals das Recht zu einer Bitte gab, So ford're ich's als Recht daß Du mich hörst! Maria Stuart! Deines Volkes Stimme Klagt Bothwell'n laut des Königsmordes an. LADY ARGYLL.
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Ein Schrei nach Rache gellt durch's ganze Land Und Du verschliejsslßest sündlich ihm Dein Ohr! Es geht der Mann den J e d e r schuldig nennt
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So hochgestellt wie K e i n e r - frei umher, In sich'rer Ruh geniejsslßend all der Ehren Womit ihn Deine Gnade überhäuft. Selbst jetzt - wo ein Gericht {zusammen tritt} (berufen ward) {Vor} dem er {stehen wird} (sich stellen) (Vor das er treten soll) als Angeklagter, Selbst jetzt, bleibt unbe{nommen ihm die} (schränkt auch seine) Freiheit Und wie benützt er sie! Sein ganzer Anhang Umstellt das Parlament. Mit Sang und Spiel{,} Und flatterndem Panier{,} ziehn seine Schaaren Durch Deiner Hauptstadt todtenstille Gassen. - Der schwer Verklagte tritt vor seine Richter, Und bringt mit sich was ihn entsühnen muß: Nicht seiner Unschuld sprechenden Beweis, Auch nicht das Zeugniß ehrenwerther Stimmen Er bringt G e w a l t , die es gefährlich macht Ihn zu verurtheilen - ihn zu bestrafen Unmöglich! MARIA.
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H a b ' ich nun genug gehört?
Ist Deine Treue müd' sich zu bewähren Indem sie And're grenzenlos verdächtigt? LADY ARGYLL. Verdächtigt hätt' ich Bothwell? Nein! Ich klag' Ihn an! - Nicht des Verbrechens, dessen man Ihn zeiht - da k a η η er schuldlos sein - und geb' Es Gott! Doch eines andern Fehls von dem Kein Richter jemals frei ihn spricht: Er hat Dein Herz bethört und Deinen Sinn verblendet Dein Ohr umstrickt mit seinen Liebesschwüren Bis taub es ward für jeden Warnungsruf, Für Deines Volks zu Dir erhob'ner Stimme, Für Deiner Freunde treues Flehens wort! ... MARIA. Ich hab' auf Erden keine Freunde mehr! Das letzte treue Herz verlier' ich jetzt ... LADY ARGYLL. Ο K ö n i g i n ! MARIA .
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So seid Ihr Alle!
So lang des Lebens Pfade glatt und eben Hinschlängeln sich in stiller Heiterkeit, Da folgt Ihr uns - da wandelt Ihr wohl mit Ihr Freunde! Auf der munt'ren Wanderung,
(sich stellen) iidZ, eingewiesen nach dem er; (Vor das er treten soll) udZ
eingewiesen.
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Maria Stuart in Schottland Längs grünen Ufern durch das blum'ge Thal. Doch Weh! Wenn es sich düster nun verengt Wenn Klippen starren rings umher - Geröll Mit schneid'gen Kanten wund die Sohle r i t z t Die Brandung tosend ihren weijsslßen Schaum In's Angesicht uns spritzt - mit tausend Zungen Die wilden Wogen gierig nach uns lecken — Da heißt's: "Nun ist's genug! kehr um!" Und folgen wir nicht Eurem feigen Ruf Treibt uns der Muth, trotz Klippen, Sturm und Brandung, Voran - voran! {A}(a)uf uns'rem rauhen Pfad{,}(:) Da sprecht Ihr: "Lebe wohl!" - und wendet Euch — LADY ARGYLL. D a s h a b ' ich nicht verdient! MARIA.
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E s ist d a s S c h i c k s a l
Der Könige, und aller königlich Empfindenden Gemüther - in der Welt Allein zu stehen, weil zu hoch sie stehn. So laßt mich denn allein! Weicht der Gefahr Wenn Ihr zu klein Euch fühlt sie zu bestehn Ich trotze ihr - ich weiß mich ihr gewachsen! LADY ARGYLL. Verwirfst Du auch die Warnung Königin, Verwirf den Warner nicht! ... Ich folge Dir Ob aufwärts zu den Höhn, ob nieder zu Der Tiefe führt Dein Weg, denn dir geweiht Hab' ich mein ganzes Leben. MARIA. Worte! Worte! LADY ARGYLL. Erfahre nie wie treu gemeint sie waren, Sonst reute Dich zu bitter diese Härte. Sie geht ab. MARIA allein. Dein Leben weihst Du mir? - E r hätt' für mich Der Seelen Seligkeit dahingegeben, ( I c h könnt ihn wie ein falscher Freund verlassen, Ο falscher Tausch! Unkönigliche Zahlung! Niemals, niemals - Ihr Kalten und ihr Kleinen! Wie lohn ich ihm - und wie vergelt ich das? - ) {Zahl' ich zu theuer den verlornen Himmel Mit einem Königreich? Der Engel Freude Mit eines armen Frauenherzens Liebe? — Ο schlechter Tausch! Unkönigliche Zalung! - Für ew'ge Güter schlechtes Erdengut. Und ihm könnt' ich (Kann ich dafür ihm) zu Vieles je gewähren? Niemals genug - Ihr Kalten, und ihr Kleinen! Genüber Ihm, dem fürstlichen Verschwender,
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Bleib' ich ja doch in Zeit und Ewigkeit, Ein armes, karges, ohnmächtiges Weib! - } HUNTLY tritt ein. Versammelt sind die Richter, Majestät Und warten, wie befohlen, Deiner Ankunft. MARIA. Ihr werdet mich begleiten My lord Huntly. - Was ist's ... Was zögert Ihr? ... HUNTLY. My lady, Lord Von Lennox, eben angekommen, bittet Um Einlaß ... MARIA. Nein! ... Ich kann nicht — sagt ihm — Geht! - Ich werd' ihn sehen - später - gleich - vor dem Gericht... HUNTLY. Doch er besteht darauf MARIA.
Besteht
Darauf? HUNTLY. Dich selber anzuflehen, ihn Zu hören, ehe dies Gericht {-}(,) das er Nicht anerkennt {-}(,) zusammentritt. MARIA.
Das er
Nicht anerkennt? Es habe Bothwell beigewohnt Der Sitzung des Geheimenraths, die es Beschloß und rief in Hast und Überstürzung MARIA. In Hast und Überstürzung?! HUNTLY. Zeit nicht ward Um Zeugen aufzurufen ihm gegönnt Und um Beweise ... MARIA. Wie? War's Lennox nicht, Der, nach des Königs Tod von Edinburg Entflohen, ohne Abschiedswort für mich, In seinen Briefen endlos mich bestürmte, An Bothwell ihm Gerechtigkeit zu schaffen Den er erklärt als seines Sohnes Mörder Und nun wo ich, wie er's so heiß gewünscht Vor das Gericht bestelle - diesen - Mörder Und ihn als Kläger hier erscheinen heiße, Will er nicht anerkennen das Gericht? Beschweret sich daß ihm Beweise fehlen? Er schaffe sie! Soll er in meinen Augen Nicht als Verläumder, statt als Ankläger Erscheinen. - Sagt ihm das. HUNTLY.
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HUNTLY.
Das sagst Du selbst
Maria Stuart in Schottland
78 Ihm nicht - Erlasse mir's. MARIA.
Mylord!
HUNTLY .
Hab Mitleid ...
MARIA. Beide ab, nach verschiedenen
Geht! Seiten.
Dritter Auftritt Der grojsslße Gerichtssaal In der Mitte des Hintergrundes, ein auf Stufen erhöhter Thron, mit einem Himmel bedeckt. Rechts und links neben den Eingängen, Estraden, vor denselben, Tische für die Schreiber, zwischen ihnen, der Platz des OBERRICHTERS, vor ihnen die Bank für die RICHTER, Trompetenstoß. Vier GERICHTSDIENER mit silbernen Stäben, dann vier DOCTOREN, Ein EDELMANN der die Tasche mit dem gro\ss\ßen Siegel trägt, MARSCHALL mit dem Scepter (entblößten Haupts), Zwei EDELLEUTE mit dem Schwerte und dem {Masse} (Scepter), Zwei andere mit silbernen Pfeilern. CAITHNESS und zwölf RICHTER, Dreißig LORDS, unter denen MURRAY, DOUGLAS und RUTHVEN, SCHREIBER, RUFER und HEROLDE. Alle
nehmen ihre Plätze ein.
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CAITHNESS. Ihr seid allhier versammelt, edle Lords, Zu einem ernsten, trauervollen Werke Vier Monde sind's, seitdem wir König Darnley In's Grab gesenkt, und ungesühnt schreit noch Sein frevelhaft vergoß'nes Blut{,} zu Gott Empor, dem Richter und dem Rächer. Vergebens hat die Königin verheissen Mit reichstem Lohn die Treue zu belohnen Die dem Gericht entgegen führt, den ihm Verfall'nen Mörder - unentdeckt lebt er Von keiner andern Strafe noch ereilt Als die er peinvoll trägt im eig'nen Herzen Im quälenden Bewußtsein seiner That. Nun aber scheint der werthe Lord von Lennox In dieser düst'ren Sache, einen Weg Zur Wahrheit endlich, und gerechtem Siege Entdeckt zu haben, und wird vor Euch treten, Von Euch, als des Gesetzes Schutz und Trägern Ausübung zu begehren des Gesetzes. -
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- Bedenkt die Pflichten Eures Amts Ihr Herrn! Und seit gerecht so Klägern wie Verklagtem. MURRAY. Wir wollen Beide hören, ruft sie vor. CAITHNESS zu Murray. Erlaubt! Zu der Versammlung: Vom Wunsch beseelt, der wicht'gen Handlung Die uns hierher berufen, selbst zu folgen, Entschloß sich Ihre Majestät die Königin Durch ihre hohe Gegenwart zu ehren Dies feierlich Gericht. Empfanget sie! EIN HEROLD meldend: Die Königin! Alle erheben sich. Maria kommt mit Gefolge, darunter Mar, Huntly, Athol. Caithneß und Murray gehen ihr entgegen und fiihren sie zum Throne. MARIA. Um Euerer Versammlung beizuwohnen, Nicht sie zu leiten, kam ich, meine Lords. Beginnt! Nach des Gesetzes Lauf und Vorschrift! CAITHNESS. SO sei erklärt denn, als eröffnet, diese Gerichtsversammlung! Zum Schreiber. Thut, was Eures Amtes. SCHREIBER. Ruft: Mylord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht! RUFER. Mylord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht! Lennox gestützt auf Cunningham tritt ein. LENNOX. Hier. MARIA sich rasch, fast unwillkürlich erhebend: O! - mein Vater Lennox! Verbirgt das Gesicht in den Händen. SCHREIBER. Ruft: James Hepburn, Graf von Bothwell, erscheine vor Gericht! RUFER. James Hepburn, Graf von Bothwell, erscheine vor Gericht! Bothwell tritt ein, mit grossem Gefolge, alle bewaffnet. BOTHWELL. Hier.
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CAITHNESS. Lord von Bothwell, Ihr seid herberufen, Doch Euer Anhang nicht! BOTHWELL. Nicht meinen Anhang, Nur meine Zeugen hab' ich mitgenommen. CAITHNESS. Es ladet Zeugen das Gericht, sobald Die Zeit kommt, sie zu hören. Lasset diese Abtreten! MEHRERE LORDS.
Sendet sie hinweg!
BOTHWELL.
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Thut es
Doch selbst! Von mir begehrt es nicht. CAITHNESS.
Mylord!
MURRAY leise zu Caithneß. Seid Ihr mit Blindheit denn geschlagen Sir Der Göttin gleich in deren Dienst Ihr steht? Hilft Alles nichts! Heut muß die Themis blinzeln. CAITHNESS. Zum Scherze Herr, ist hier nicht Zeit und Ort.
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MURRAY. Ich scherze nicht! Im Ernste schwör' ich Euch's: Um feierliche Ehrenrettung - nicht Um eines Schuld'gen Prüfung handelt sich's. CAITHNESS. Bei mir Lord Murray, handelt sich's um Recht. Zu Bothwell's Anhang: Verlaßt den Saal! MURRAY ZU der Versammlung: Ihr werthen Herrn! Ich steh Für diese Männer ein! Verbürge mich Für sie! Sie sollen keinen Einfluß nehmen Auf Gang und Leitung unseres Gerichts. EINIGE LORDS. L a ß t s i e !
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ANDERE. Sie mögen bleiben! MURRAY. Euch vor Allen Lord Oberrichter! leist' ich hiemit Bürgschaft Für diese da! Begehret Rechenschaft Von mir, wenn sie sich übernehmen Sir! - Fahrt fort. Ich bitte. CAITHNESS. Euren Wunsch, wenn ich Auch seinen Grund nicht fasse, will ich ehren. Zum Schreiber. Laßt Stille rings gebieten. SCHREIBER.
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Ruh in Ehrfurcht!
RUFER. Im Namen des Gesetzes: Ruh in Ehrfurcht! CAITHNESS. Herr Graf von Lennox! Eure Klage, hat Geladen vor die Schranken des Gerichts Den Lord von Bothwell, Markgrafen des Reichs, Auf Euren Ruf ist er allhier erschienen, Und fragt Euch Lennox, wessen Ihr ihn zeiht? LENNOX dicht an die Stufen des Thrones tretend: In Demut um Gerechtigkeit zu bitten, Nicht um sie zu ertrotzen, bin ich hier Denn aujsslßer diesem Treuen, der den Schritt Des Greises hergelenkt, folgt Keiner mir Und meine Hand ist wehrlos ... Graf von Lennox LENNOX. O! ... Graf von Lennox? - Nicht: Mein Vater? ... Nicht: Mein Vater Lennox?! ... MARIA. Sir - ich höre - doch Ich richte nicht. An Lord von Caithneß, muß Ich Euch verweisen. LENNOX. D i r ruft meine Bitte Nicht ihm! Laß auseinander treten dies Gericht! In unerlaubter Hast ward es MARIA.
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Berufen ... MEHRERE LORDS.
Wie?
LENNOX. Und: Hohn auf jedes Recht Der Angeklagte wählte seine Richter! VIELE LORDS. W a s sagt er? Hört! D I E RICHTER
sich erhebend.
Wir dulden nimmer ...
CAITHNESS.
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CAITHNESS.
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Antwortet Sir!
sich von dem Throne abwendend. Wohlan Mylord's! So steht denn hier ein tiefgebeugter Greis Der "Graf von Lennox" - Eures Gleichen Sir's, Nicht m e h r , wie er sich sonst vermaß zu sein, Nicht Vater einer grojsslßen Königin, Nicht näher ihrem Herzen, als der letzte Der Unterthanen ihres weiten Reichs, Und klaget an den mächt'gsten Mann in Schottland, Den Führer jener wilden Kriegerschaar Die auf und nieder wogt vor diesem Hause, Bereit zum Sturm, sobald er es befielt, Den Mann der raschen That und der Gewalt, Klagt Bothwell'n an, des Mordes seines Königs! CAITHNESS. Habt Ihr Beweise? Könnt' Ihr Zeugen nennen? LENNOX. Ich hab' Beweise, und kann Zeugen nennen. MARIA. Ο Gott! LENNOX
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Ruhig!
Zu Lennox. An mich Mylord! Seid Ihr gewiesen, und Ich will Euch Antwort geben. Sir, Ihr nennt Unrechtmäjsslßig dieses Gericht? Euer Benehmen ist's! Ihr seid gekommen, die Gesetze anzurufen, nicht, sie zu Verdächtigen. Der Schmerz entschuldigt viel, Ich trag' dem Mitleid mit dem Euren Rechnung Indem ich jetzt, statt Widerruf zu fordern Der unbedachtsam ausgesproch'nen Worte, Euch nur ermahne, wie es Euch geziemt Aufrecht zu halten Eure Klage gegen Den Lord von Both well den Ihr hergeladen. LENNOX. Ich sprach zur Königin - hat sie für mich Kein Wort? - Kein einzig Wort?! CUNNINGHAM. Mein theurer Lord Ermannet Euch! LENNOX. Ich sprach zur Königin! ... MARIA halblaut. Ο Pein!
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Das ist gelogen! Führt sie an!
LENNOX. Sie sind wohl niemals vor Gericht gestanden Die mächtigen Beweise die ich geben, Sie sind vor diese Schranken nie getreten Die argen Zeugen die ich rufen will. Auch weiß ich nicht, ob sie die Geltung finden Vor Eurem Richterstuhl, die sie gewiß Vor jenem Gottes haben! Graf von Bothwell! Des ganzen Volkes laut erhob'ne Stimme Und meine{s} Ueberzeugung, sind die Beweise - Deine eig'nen Thaten, sind Die Zeugen, die ich rufe gegen Dich! ERSTER RICHTER zum zweiten. Zwei fürchterliche Gegner in der That! Der eine blind - und stumm der andere. MURRAY leise zu Caithneß. Der Greis ist kindisch worden, seht es ein. EINER VON BOTHWELL'S LEUTEN ZU ihm.
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Ist's nicht genug? Wie lang{e} wirst Du (noch) dulden? BOTHWELL. So lange mi r ' s - nicht: so lang Euch's gefällt! CAITHNESS ZU Lennox. Ihr selbst bezweifelt Sir, die Rechtskraft Von Eueren Beweisen. LENNOX.
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CAITHNESS.
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Andere
Zu sammeln, gönnt' man mir nicht Zeit. CAITHNESS. So habt Ihr keine für den ird'schen Richter. Doch frag ich Euch: Ihr glaubt an Bothwell's Schuld? LENNOX. Ich glaub' an seine Schuld. CAITHNESS. Ist dieser Glaube Auf einen festbestimmten Grund gestützt? LENNOX den Blick unverwandt auf Maria gerichtet. Auf einen festbestimmten Grund. Nennt ihn.
LENNOX. Mylord, mein Grund, ist mir ein Grund, wie mein Beweis, für mich Beweis gewesen. - Euch Galt dieser nichts, wird jener auch nichts gelten. CAITHNESS. Das zu entscheiden kommt mir zu. Gebt Antwort. LENNOX. Sie ist gegeben Mylord Oberrichter. CAITHNESS. Ich traue nicht dem Zeugniß meiner Augen! Ist dies der weise, mäß'ge Graf von Lennox? Der eine grauenvolle Klage gegen Des Reiches ersten Würdenträger schleudert, Ihn feierlich vor die Gerichte ladet, Und da er kommt, und da er sich ihm stellt,
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Was er geklaget, nicht beweisen kann Und Antwort weigert auf des Richters Fragen, Der seinen schmerzverwirrten Sinn zur Stütze Des eig'nen Geist{e}s Ruhe (Besonnenheit will) leih{e}n {will}? LENNOX. Begehrt Ihr denn ich solle wiederholen Daß illegal mir dies Gericht erscheint? Bestochen alle Richter - eingeschüchtert Durch den Verklagten, - Schuldigen ... BOTHWELL vorstürzend. Genug! - Ich weiß nicht Lord's, bin ich hierher berufen Damit ein greises Kind sein Mütchen an Mir kühle? Tod und Holl Ihr Herrn! Dafür Bin ich zu gut! — Ist dieses ein Verhör, Und stehn wir vor Gerichte? Oder führen Ein elend Possenspiel wir auf, das uns Zu Hohn und Spott, ein Tropf zusamm' gestoppelt? CAITHNESS. Mylord von Bothwell mäßigt Euch! BOTHWELL. Mich mäß'gen? Dies bloße Wort könnt' einen rasend machen! Ein Schurke! Der allhier sich mäß'gen könnt'! - Bei meinem Zorn! - Da kommt ein alter Mann, Und klagt mich an des Todschlags seines Sohns Auf seines Herzens gläub'ger Ueberzeugung - Warum er's glaubt, und was ihn überzeugt, Das sagt er nicht - dafür hat er Beweise Die nicht Beweise sind - und Gründe - die Nicht Gründe sind - und es doch sind - und - Possen! Ich sag' Euch: Endet! Endet! Hin ist meine Geduld! — MURRAY. Lord Oberrichter kommt zum Spruch! CAITHNESS. Noch einmal frag ich Euch Mylord von Lennox! Worauf begründet Ihr den Glauben an Des Angeklagten Schuld? LENNOX. Noch einmal Sir: Auf Gründe die für Euch nicht Gründe sind. CAITHNESS ZU den Richtern. Ihr habt's gehört! - Übt Euer Amt nach Pflicht. Was auch ein Jeder fühlen mag und denken, Nach Glauben nicht, nach Wissen richten wir Und wäre jener gröjsslßer als die Welt
(Besonnenheit will) üdZ, eingewiesen über Ruhe; ohne Tilgung.
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Und dieses kleiner als ein Sandkorn - schwerer In uns'rer Schale, müßt' das Sandkorn wiegen. - Ich geh zum Schlüsse. - Kommt zum Spruch Ihr Herrn! SCHREIBER. Z u m Schluß! RUFER.
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Z u m Schlüsse!
CAITHNESS zum Marschall. Wollt die Stimmen sammeln. Marschall sammelt die Stimmen. CAITHNESS ZU Lennox. Es gibt hier nichts zu richten Graf von Lennox Kein Straferkenntniß haben wir, My lord, Für unbewies'ne Schuld. LENNOX.
Für u n b e w i e s ' n e
Unschuld, auch keine Lossprechung. Ich ford're Vertagung des Gerichts! MEHRERE LORDS.
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Ja! Er hat Recht!
CAITHNESS. Ihr fordert was wir nicht gewähren können. Stimmt ab Ihr Herrn! LENNOX ZU der Versammlung. Ihr edlen Lords und Peers! Ich fleh Euch an: Beschützt in meiner Sache Das hülflos unterdrückte Recht! ... CAITHNESS.
Stimmt ab!
Die zwei ersten Richter haben ihre Stimmen abgegeben, als sich der Marschall zum Dritten wendet, erhebt sich dieser: DRITTER RICHTER. Ich weig're meine Stimme! D E R NÄCHSTFOLGENDE.
S o w i e ich!
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D I E ZWEI LETZTEN. U n d w i r !
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EINIGE LORDS darunter Mar, sich erhebend. Wir Alle! Keine Lossprechung! MURRAY. Ihr Herren dort - was ficht Euch an? Zur Ordnung! CAITHNESS. Ward nicht bisher genug beleidigt schon Die Würde dieses Hof's? ERSTER LORD. Sie ward's durch Euch! ZWEITER LORD. Durch Euch! Die alles hier bereitet haben Zu einer That höchsten Despotenthums! ... Zeichen des Beifalls. CAITHNESS. My lord! Ihr redet zu den Trägern des Gesetzes! Ehrt in ihnen das Gesetz Das ihre Handlungen bestimmt! MAR sich erhebend. Ihr folgt Dem Geiste der Gesetze nicht, Euch lenkt Sein todter Buchstab! -
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EINIGE LORDS.
Wahr!
ANDERE. Hört' ihn! Hört' ihn! MAR zu Caithneß. Für Euch ist selbst das heil'gste Recht, kein Recht, Kann man's nicht schreiben in ein Dokument,
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Und Eures Herzens beste Ueberzeugung Ihr opfert sie dem Wortlaut eines Satzes. VIELE STIMMEN. Ein wahres Wort! Ihr sprecht aus uns'rer Seele! MAR. Wir aber sind des Landes freie Peer's Uns vorzudenken brauchet keine Vorschrift, Wir bilden selber unser Urtheil, und Dies{'s} lautet ... MURRAY. Haltet ein! MAR. Dies lautet Sir: Die innern Zeugen welche Lennox rief S i e h a b e n G e l t u n g - haben sie für uns! Beifall der Lords. Bewegung unter Bothwell's Anhang. CAITHNESS sich erhebend. Sie haben keine Geltung! Und die ihre Verliert die Stimme welche widerspricht! Zu Lennox. Gezwungen nur, schreit' ich zum Äujsslßersten, Allein My lord - ich kann nicht anders handeln ... BOTHWELL. Bei meinem Eid! Dies klingt beinahe wie Entschuldigung!? ... Ihr k ö n n t nicht anders - doch Ihr hättet gern - so Ihr gekonnt - anders Gethan? - War's so?! — Nun hört von mir ein Wort! - Da liegt mein Handschuh - Jedem hingeworfen Der fest nicht glaubt, und nicht aus ganzer Seele An meiner Unschuld Makellosigkeit! — Wer immer auch es sei - und wären's Alle! Derjenige der jetzt noch an mir zweifelt Und {nicht} dies (mein) Pfand (nicht) aufheb{e}t von der Erde, Den nenn' ich solch 'nen schlechten, feigen Schurken, Wie keiner schandvoll noch zur Hölle fuhr. Ich hab's gesagt. Hier steh ich. Kommt heran. LENNOX. Ich nehm' es auf Dein Pfand! CUNNINGHAM ihn zurückhaltend. My lord! BOTHWELL.
So zieh!
LENNOX, der das Schwert Cunningham's ergriffen. Im Namen eines Todten! ... Bothwell will auf Lennox eindringen, Cunningham wirft sich zwischen sie. CUNNINGHAM ZU Bothwell. Krümmt Ein Haar Auf seinem Scheitel und Ihr seid verloren! 30
BOTHWELL. W e r w a g t ' s - ?
LENNOX. Laßt mich! CAITHNESS Bothwell's Arm fassend. Zurück My lord! ALLE. MARIA sich erhebend. Um Gotteswillen haltet Frieden! — Ich
Zurück!
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Verbiete diesen Kampf! - Bei meinem höchsten Und ew'gen Zorn - nehmt Euren Handschuh auf Mylord von Bothwell! — BOTHWELL gehorchend. Du befielst! MARIA mit zitternder Stimme, zu Lennox. Und Ihr Mylord von Lennox - glaubet nicht - daß Euch Von jeder Folge jedes Unrechts schützt Eure Verwandschaft mit dem Königshaus ... Unglück allein kann Ehrfurcht nicht gebieten - Das kann nur Stärke, die es männlich trägt — Ihr habt die Euere verloren Sir Gebeugt durch Leid ist Euer müder Geist, Gönnt' ihm die Sammlung deren er bedarf ... Zu schmerzliche Erinnerungen, hat Der Anblick Edinburg's in Euch erweckt Verlaßt die Stätte von so vielem Weh Verlaßt dies Land ... LENNOX. Verbannt?! MARIA. Die Einsamkeit Ist Balsam für den Schmerz - ich bitte Gott Daß sie Euch heilsam sei. - Gemurmel in der Versammlung. MAR. Ο Königin! LENNOX. Du weißt nicht was Du thust! CAITHNESS.
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Gestatte mir
Für ihn um Gnade ... MAR. Nicht um Gnade Herr! Wir flehen um Gerechtigkeit. MARIA. Sie ward Vollzogen. Graf von Lennox! Euer Schicksal Sind Eure Thaten - Sie klagt an - nicht mich. Zu Caithneß. Und Ihr Mylord - hebt die Versammlung auf Die hier verfuhr mit zügelloser Willkür In der die Zeugen - Richter spielen wollen, Und Jeder spricht und thut nach seinem Wahn! Zeichen des Mißfaliens. CAITHNESS. Nicht also Majestät ... MARIA. Gehorcht! Auf ein Zeichen des Oberrichters verlassen die Richter und Schreiber ihre Plätze, und stellen sich im Hintergrunde des Saales auf. MAR. Und Lennox? — Kannst Du im Aug' des Greises, Thränen sehn? LENNOX. Nicht meinem Schicksal fliejsslßen sie. Maria! Beklagenswerthe Frau - sie fliejsslßen Dir! ...
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MARIA. Graf Lennox - scheidet! LENNOX. O! - für ewig denn! Zu Maria. - Von Dir - mit einem Wunsch: Gott segne Dich Und mach' Dich groß! - Denn - glücklich Tochter, kannst Du nicht mehr sein ... Von Dir ο Heimat! und - Sich zu den Lords wendend: Von Euch - mit einer Bitte: Freunde! Brüder! Wohin mich auch der müde Fuß noch trägt, In fremder Erd' laßt meinen Staub nicht ruhn Den Sohn der Berge, zieht's nach seinen Bergen Gönnt' ihm bei ihnen eine letzte Stätte. {Darf ich in Schottland - ach - auch sterben nicht, In Schottland doch möcht' ich begraben sein!} Zu Bothwell: Von Euch! Mit einem Wort, das sich in's Herz Euch präge, Und darin stehe, wie in Erz gegraben In Eurem Hirne nistend, eine Brut Von Reu und Qual erzeuge! Nie entschwind Es Eurem Ohr! - Es sei der Wurm In Eurer Freude Frucht, in Eurer Brust Der Stachel ... MARIA. Haltet ein! LENNOX.
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Gesang der Lust, so wie der Schlacht Tumult, Der Kriegsdromete lauten Siegesruf Aus Eurem Schlafe schreck' Euchs gräßlich auf Im Arm der Liebe stör' es Eure Lust Und jedes Wort das Freundschaft zu Euch spricht, Versöhn' es wie ein teuflisches Gelächter Daß Ihr es hört, - daß Ihr es ewig hört Will ich's den Lüften lehren, und den Zweigen Es rausche Euch im Wüten des Orkan's Es lisple Euch's der sanftbewegte Hain: Ihr seid ein Mörder! BOTHWELL. Schweige - oder stirb! LENNOX. Stoßt zu! So sterb' ich, dies Wort auf den Lippen, Kann mit ihm treten vor den ew'gen Rächer Und wecken seine schlummernden Gerichte! ... BOTHWELL dringt auf Lennox ein. Beim Ewigen und seinen Engeischaaren! - Ich helfe Dir zum Himmel aufzufahren! ... CAITHNESS fällt ihm in den Arm. Vergreift Euch nicht an diesem Greis My lord! Alles drängt sich herab von den Tribünen in den Saal. BOTHWELL ZU seinem Anhang: Jetzt ist es Zeit! Die Leute Bothwell's dringen vor.
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Maria Stuart in Schottland MARIA zwischen sie und Lennox tretend. Zurück! Zu Cunningham. Führt ihn hinweg. DOUGLAS ZU Lennox, seine Hand fassend. Mein theurer Lord, lebt wohl! LENNOX . Lebt wohl Ihr Alle! Viele Lords umdrängen ihn. MAR und HUNTLY ihm die Hände reichend. Geleit Euch Gott! VIELE STIMMEN. Sein Segen über Euch! LENNOX. Und über Deine Söhne - Heimatland! - So mild're einst den Abschiedsschmerz vom Leben, Die Liebe Euch - wie mir die Eure jetzt Die schwerste Stunde - zu der schönsten macht. Er geht, geführt von Cunningham, Mar. Douglas und Huntly wollen ihm folgen. MARIA ZU den Letztern. Ihr bleibt My lords! Wo ich gerichtet habe, Da ziemt es Euch zur Schau zu tragen, nicht, So offenkundig Eure Sympathie. MAR. Du kannst der That gebieten - nicht der Meinung, Und diese folgt ihm, reich an Mitgefühl. Aus seiner Heimat hast Du ihn verbannt — Aus uns'ren Herzen - nicht - für uns ist Lennox Nicht schuldig - Bothwell - nicht entsühnt ... MARIA. My lord! MAR. Es gibt My lady, einen höhern Richter In jedes Menschen Brust, als der mit Stab Und Wage{,} sitzt auf ird'schem Stuhl. Könnt' dieser Nicht anders handeln als er es gethan, So will denn i c h den andern hier vertreten! MURRAY. Ihr fühlt Euch ja, als Abgesandter Gottes ... MAR. Ich fühle mich als freigeborner Mann Dem selbst noch da ein kühnes Wort geziemt Wo todte Satzung schon ihr letztes sprach. EINIGE LORDS. Ja redet! Redet edler Peer! ANDERE. Wir stehn Mit Euch! - Wir fühlen so wie Ihr! MAR sich der Königin nähernd, ehrfurchtsvoll. Wenn ird'sches Recht{,} den Schein nicht wägen kann, Das Weib, die Königin, sie muß ihn wägen! Nicht darf der Mann, den der Verdacht gezeichnet In Deiner Nähe fürder mehr verweilen ... MURRAY leise zur Königin. Fließt unerschöpflich Deiner Langmut Born?
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ZU Mar. Sagt Alles! Alles! Daß für jedes Wort Ich einzeln könne Rechenschaft begehren ... MAR. Ist schuldlos er - wohlan - es bringt's die Zeit, Der Wahrheit grojsslße Mutter, an das Licht Gerechtfertigt mög' er zurück dann kehren ... MARIA in höchster Erregung. Und bis dahin soll er im Banne schmachten Wenn überhaupt sein Ende er erlebt{' -,}(!) Ο blinde Weisheit, die ihr meint, gerechter Als die Gerechtigkeit zu sein - und s ο Sich irrt - und so sich widerspricht! ... Mylord's Ihr meint über dem Gesetz zu stehn Weil Ihr Euch nennt des Landes freie Peer's, Und Eure Ueberzeugung ist Euch statt Des Richters? Nun Ihr Herrn, das Recht das Ihr Euch selber zugesteht - Ihr werdet's, bei DerKön'gin anerkennen. Graf von Bothwell! MAR. Was willst Du thun? EINIGE L O R D S . Ο Majestät!
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Genügt
Der Glaube an die Schuld — die Schuld zu richten, Genügt der Glaube zur Entsühnung auch. Wenn ich ihn schuldlos n e n n e - i s t er schuldlos. MAR. Erwäge dieses ungeheure Wort! Ihm wi{e}dersprechen hunderttausend Herzen ... MARIA. Ein Mittel gibt's! ... Weh denen, die mich zwingen In d i e s e m Augenblick es zu ergreifen! Auf ihre Häupter wälz' ich feierlich Den Fluch zurück, womit verletzte Sitte, Empört Gefühl, mich richtend treffen wird. - Verantwortet wozu Ihr mich getrieben Und Euer Werk staunt an - in meinem Thun! MAR. Bei allem was Dir theuer Majestät! ... MARIA. Genug! Kein Wort mehr - kein's! - Ihr wagt das Leben! MAR. Ich hab' so oft es in die Schlacht getragen Für Deinen fleckenlosen Ruhm - ich setz' Für ihn, es heute wieder ein! Die sind Verräther, die Dich sehn am Abgrund schweben Und nicht die Stimme heben Dich zu warnen Die Treue höre, hör' ein freies Wort! Du bist umringt von Haß und Rachedurst, Im Volke gährt Erbitterung und Wut Der Adel rüstet, sammelt seinen Anhang,
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Maria Stuart in Schottland Die Königin von England schürt die Glut... MARIA. Der Adel rüstet! Ha! Das Lied ist's wieder Womit Ihr Eurer Fürsten Thatkraft eingewiegt! - Den Adel haß' ich! Dieses Volk von Kön'gen Das sich vermißt der Herren Herr zu sein, Und zu gebieten denen die's regieren ... Ich will den Trotz ihm beugen - will ein Ende. Mit Anstrengung nach ruhigerer Fassung ringend. — Ihr drohet mir mit offener Gewalt? Wohlan! So ruf ich einen Schützer mir, Mich zu beschirmen wider meine Feinde. Ihr sagt: Verdacht hab' diesen Mann gebrandmarkt? Wohlan! So soll mein Zeugniß ihn rechtfert'gen. BOTHWELL auf die Knie stürzend. Ο Königin! Du gibst Beseligung, Gib Worte auch dem Mund des Erdensohns Die solche Wonne nennen - für sie danken! - Er küßt ihre Hand. MARIA. Nicht meine Hand sollt' küssen wie ein Knecht, Den ich zu meinem Herren machen will. BOTHWELL. So küß ich Deine Stirne - ehrfurchtsvoll Und kühn zugleich, Du königliche Frau! Er thut es. Und als mein Eigen - faß' ich diese Hand ... MARIA. Nimm mit ihr Bothwell, auch das Herz des Weibes, Und theil' hinfort die Macht der Königin Ich grüjsslße Dich als Herzog über Orkney Und als mein Herr, Gebieter und Gemal. BOTHWELL. Jetzt Himmel! Wahre Deine gold'nen Sterne! Verlang' ich es Du müßtest sie mir geben, Die Sonnen die in Deinem Aether schweben! MARIA zu den Lords. Ihr wagtet Euch an Bothwell den Vasallen, Der Kön'gin König, wird Euch heilig sein! MURRAY. Hoch Herzog Orkney! Bothwell's Anhänger wiederholen den Ruf, die Uebrigen treten grollend zurück.
Fünfter Aufzug Erster Auftritt Dekoration des ersten Aufzuges MURRAY, DOUGLAS, RUTHVEN, ATHOL und KERR treten
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auf.
KERR. ES ist zu viel! Wir tragen's länger nicht. ATHOL. War uns'rer Fürsten Einer, ob im Purpur Geboren, je des Hochmuts und des Stolzes Wie dieser Bothwell voll? KERR. Sein Stolz dünkt mich, Ist seiner Sünden kleinste. MURRAY. Ο My lords! Er hat auf ihn ein wohlerworben Recht. Schwang er sich nicht empor aus eig'ner Kraft, So hoch wie nie ein König Schottlands stand? Wo ist die Macht, die nicht der seinen wich? Die Schranke wo? Die er nicht niedertrat? Dem Königthume hielten einst die Wage, Des Landes Adel, unser Parlament Was sind nun Adel und das Parlament? Zwei Köpfe ohne Leib, die: "Ja," ihm nicken Wenn er's gebietet und: "Nein," wenn er's befielt. Er hat die Sehnen jeder Kraft durchschnitten, Die nicht in seinem Dienste keuchen will, Bezwungen liegt dies Eiland ihm zu Füjsslßen, Und: Bothwell, heijsslßet das Gesetz in Schottland. DOUGLAS. Schmach über uns, daß wir's nicht läugnen können! ATHOL ZU Murray. Fürwahr, von Euch, hätt' And'res ich erwartet Als des Tyrannen Lob. KERR. Zweideutig schien Es mir! Nicht blind noch feig, kann Murray plötzlich Geworden sein. MURRAY . Habt Dank. - Liegt für die Meisten Auch unter Schloß und Riegel dieses Herz, - Für Freundschaft - ist's: ein aufgerolltes Blatt. - Er geht ab. KERR. Ich glaub' an ihn - wenn ich ihn auch nicht fasse! ATHOL. Ο glaubet - glaubt, bis Euer Haupt vom Rumpf, Bis Euer Leichnam in die Grube fällt! Ich baue nicht auf Wolken und auf Luft,
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Auf ein Vielleicht, auf eine schwanke Ahnung Hilft mir kein And'rer - wohl, ich helfe selbst! DOUGLAS. Was hast Du vor? ATHOL. Nach Stirling aufzubrechen, Wo sich Lord Mar zum Widerstande rüstet. 5
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DOUGLAS. E r w a g t . . .
ATHOL. Er muß, denn mit Gewalt, droht Bothwell, Den Prinzen seinem Schützer zu entreijsslßen, Der edle Peer jedoch{,} steht für den Knaben Bis auf den letzten Tropfen Blut's. Schon ist Ein Bund geschlossen zwischen Mar und Flemming, Der täglich neue Anhänger gewinnt, Und dessen Losung: siegen oder sterben Für dieses Reiches königlichen Erben! Ich selbst gehör' dazu, und fordre Euch Bei Recht und Treue auf: Folgt meinem Beispiel! KERR. Ich folge ihm. Wer könnte da noch zögern? RUTHVEN sinnend. Bei Gottes rechtem Aug'{,} hab' ich geschworen, Und bei dem Schlüssel zu der Himmelspforte, Ich wollte Bothwell's sein, mein Lebe lang ... ATHOL. Ein Treubruch war der Schwur. Ihr seid des Königs. DOUGLAS. Auch m e i n e Hände sind gebunden, Athol. Ich gab mein Wort. KERR. Ich gab es auch, und hielt's Dem Redlichen; Verräthern halt' ich's nicht. ATHOL. Ο Douglas, Ruthven, schließt Euch an den Bund! RUTHVEN. "Bei'm Auge Gottes - und bei'm Himmelsschlüssel! - " Ο hätt' ich Thor, bei Minderem geschworen, Ich bräche meinen Eid - jetzt kann ich's nicht Sonst schliefsslßet sich für mich die Himmelsthür, Das Auge Gottes, schliejsslßet sich mir zu! ATHOL. Es wachet über jeder reinen Sache Ο kommt! DOUGLAS. Ich sag Euch: Gehet! Kämpfet! - Siegt! Ihr jubelt über Eueren Triumph Nicht höher als ich juble über ihn Doch - lebet wohl! ATHOL. - Du kommst - Du kannst nicht anders! ... DOUGLAS ihm die Hand reichend. Zum letzten Mal als Freund! ATHOL. DU fühlst das Recht Du m u ß t ihm folgen - komm!
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I. Text DOUGLAS.
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Leb' wohl!
ATHOL. Nein! Nein! Du bleibst! DOUGLAS. Ich gab m e i n W o r t - und heijsslße: Douglas. - Er geht ab. ATHOL. Zum zweiten Male hab' ich ihn verloren! KERR. Kann e r uns missen - wir entbehren ihn. Zu Ruthven. Und Ihr? RUTHVEN. Ich will für Bothwell kämpfen - für Euch beten. Lebet wohl. Er geht ab. KERR. Der alte Narr! Wir brauchen Schwerter, nicht den Rosenkranz. - Brecht auf! Was steht Ihr sinnend da? Seitdem In diese Luft{,} wir uns'ren Vorsatz hauchten, Geht sie für uns mit gift'gen Dünsten schwanger, Und sie zu athmen, ist gewollter Tod. ATHOL. Nach Stirling denn! Und helf uns Gott zum Siege! Beide ab.
Zweiter Auftritt BOTHWELL mit einem
Briefe.
HUNTLY.
BOTHWELL. Er gibt den Knaben nicht? Die Weigerung Ist o f f n e r Widerstand. Er gibt ihn nicht? So wollen wir ihn holen! HUNTLY. {Wäg' es} Herr, erwäge! Du weckst den Aufruhr durch Gewalt. BOTHWELL.
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Schläft er
So leise? Ο ich will ein Schlummerlied Ihm singen, das für ewig in das Reich Der Träume ihn versetzt! EIN PAGE meldend. Die Königin. MARIA ZU Huntly. Allein? - Nicht ohne meine{m}(n) Sohn{e, hatte} (zu mir) {Ich Euch befohlen - mir zurück zu kehren.} (Zurück zu kehren hatt' ich Euch geboten.) HUNTLY. Ihn schützt ein kampfbereites Heer, Mylady, MARIA. Mar weigert ihn? BOTHWELL. Er will den Krieg, und soll Ihn haben denn! Zu den Pagen. Ruft Athol mir, und Kerr. Page ab. BOTHWELL ZU Huntly. Ihr brecht nach Pinkie auf{,} mit Euren Leuten,
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94 Und nehmet Stellung in der dort'gen Ebne. Ich sende Douglas nach, und folge selbst. Bescheide Murray her. Huntly ab. PAGE zurückkommend. Die beiden Lords,
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Herr Herzog, sind nach Stirling. Geht ab. BOTHWELL. Holl' und Teufel! MARIA. Ο der Verrath! So schleicht sein Gift sich schon Bis in die Herzen meiner nächsten Diener? BOTHWELL. Weg mit den Herzen die vergiftet sind! Die unheilbare Wunde{,} schneid' ich aus. Murray tritt ein. MARIA. Da kommt die beste Stütze uns'rer Macht. Willkommen Murray! Zu den Waffen Freund! Zu Ruthven und Douglas die kommen. Und Ihr! Auch Ihr! - Greift Alle zu den Waffen! Ihr sollt mein Kind in meine Arme führen, Von Euch, Ihr Treuen, fordr' ich meinen Knaben! MURRAY. Bevor Du uns entlassest Königin, Beschwichtige das aufgeregte Volk, Und lenk' die Geister in der Wahrheit Bahn{en}. In ihrer Meinung schwanken sie beirrt, Sich fragend: wo das Unrecht, wo das Recht Ob bei dem Bunde, ob bei Deinem Heer? MARIA. Sie fragen sich? - Sie wagen ... O! Sagt ihnen: Wo ihre Kön'gin steht - da steht das Recht! ... Erlasset einen Aufruf an mein Volk: - Ein Jeder der sich treu und bieder nennt, Auf Bothwell deutend. Folgt Diesem da! Wenn er zum Kampfe ruft, - In Wehr und Rüstung, Jüngling oder Mann, Mit Wunsch und Segnung, was nicht Waffen trägt! BOTHWELL. Den Wunsch entbehr' ich. Gehet Bruder Murray. Murray ab. EIN PAGE meldend. Der Graf Brienne. MARIA. Er ist willkommen. BRIENNE eintretend.
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Gesandter Deines Volkes, steh ich hier, Erwählt vom Adelsbunde zum Vermittler ... MARIA. Vermittler?! BOTHWELL. Herr - seid Ihr ein Advokat? Schont Eure Zunge und die unseren, Es kommen jetzt nicht andere zur Sprache, An sein Schwert schlagend. Als diese spitzen, diese scharfen hier!
Als
I. Text
BRIENNE. Mein Auftrag lautet an die Königin, Will sie ihn hören? MARIA . Redet Graf Brienne. BRIENNE. Die Führer der Verbündeten, sie schwören Gehorsam Dir und Unterwerfung ... MARIA.
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BOTHWELL.
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Was
Sagt Ihr? Gehorsam?!
BRIENNE. Nimmer gegen Dich Ergriffen sie das Schwert, sie thaten's - gegen ... MARIA. Ich bitt' Euch - sprecht nicht aus! - Nicht gegen mich Doch gegen Einen der mir theurer ist Als wie das eig'ne Leben? — BRIENNE. O! gib nach Im Augenblick, um jahrelang zu herrschen Mit einem Wort{,} erkaufest Du den Frieden! ... MARIA. Gehorsam schuldig ist mir, Herr, mein Volk, Nicht kaufen will ich ihn! BRIENNE. Du hörst mich nicht. MARIA. Bis wir die überwundenen Empörer, Bereuend, uns zu Füjsslßen knieen sehn, Dann Graf Brienne, übt Euer Mittleramt. BRIENNE. Nicht allzu sicher baue auf den Sieg; Der Deinen überlegen{,} ist an Zahl Und Mut{,} die Heermacht der Rebellen MARIA.
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Ο
Sie haben keinen Bothwell, der sie führt! BRIENNE. Ich komm' aus ihrem Lager. Wenn ich's auch, Das Herz erfüllt von Bitterkeit, betrat Nicht ohne Achtung schied ich, Königin; Ich habe Männer kennen lernen - Männer Die wackersten die Schottland's Erde trägt. Ob Deine Gegner - ehren mußt' ich sie. - F ü r e i n e g u t e Sache einzustehnOb wahr - ob falsch - ist ihre Ueberzeugung Und aus ihr schöpfen Alle, hochbegeistert, Den Mut, der Heere unbesiegbar macht. MARIA. Fürwahr Brienne, wenn Ihr bei meinen Feinden So warm (für mich) gesprochen, wie für sie
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(für mich) iidZ, eingewiesen nach warm.
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Maria Stuart in Schottland Bei mir Ihr sprecht - verdient Ihr Uns'ren Dank. BOTHWELL. ES seht Euch an, französischer Gesandter, Zur Schau zu tragen solche Sympatie, Für die Empörer eines fremden Reichs. BRIENNE. Mylord! ... MURRAY stürzt herein. Ich bringe schlechte Kunde, Königin Ein Aufruf an das Volk, traf vor dem Deinen, Vom Lager uns'rer Gegner ein. Das Herz Der Menge, ist dem Feind gewonnen - Verwünschungen nur haben w i r geerntet, Und: "Tod dem Bothwell" - rief man uns entgegen. Diese Worte von der Stra\ss]ße herauf, oft, und mit wachsender wiederholt. BOTHWELL. Die Raben kreischen in der Nähe schon! Thut einen Schuß hinein{,} in das Gesindel. Zu Pferde Douglas! Mit ein Hundert Mann. Und säubert mir die Nähe des Palastes. BRIENNE. Ο Königin! gestatte nicht! ... MARIA ZU Douglas. Gehorcht. Douglas ab. BOTHWELL ZU Murray und Ruthven. Ihr Andern folgt, und hört den Schlachtentwurf. Bothwell, Murray und Ruthven ab. BRIENNE. So ist erfüllet meine Sendung denn, Wenn auch zu gutem Ende nicht. MARIA. Bringt den Empörern meine Antwort, da Ihr Euch Zu ihrem Boten willig finden ließt: Brienne! - So Gott in meine Rechte legte Die Königskronen alle, dieser Erde, - In meine Linke, Bothwell's Hand, und spräche: "Wähle!" Ich liejsslße alle Kronen dieser Erde Und ging mit ihm. - Und stünd' die ganze Welt Dawider auf - und fluchte mir mein Kind Ich ging mit ihm. Und so lang{e} eine Scholle Auf schott'scher Erde mein, so lange theilt Er sie mit mir; so lang ein treuer Arm Sich für die Kön'gin hebt, kämpft er für mich, Und Ihn. BRIENNE. Dir gilt das Flehen Deines Volks nichts mehr! MARIA. Warum fleht nicht mein Volk, daß ich mein Herz Aus meinem Busen reijsslße und verbann{'}(e) Nach Frankreich - England - in die weite Welt? ...
Heftigkeit
I. Text
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Warum begehrt's nicht das? Unmöglich scheint Es ihm? Brienne! Mir scheint's unmöglicher Zu Bothwell sagen: Scheide! - als zu meinem Herzen. - Bringt meinem Volk die Botschaft - Lebet wohl! Wir werden uns vielleicht nie wiedersehn Ein ernstes Wort. - Grüßt mir mein schönes Frankreich, - Einst dacht' ich, daß ich's liebte - {ja} - {dam-} (einstens ja,) Als ich noch nicht gewußt was lieben heißt. — BRIENNE. Ο Königin! - Gott segne Eure Hoheit Und Heil und Segen sei auf Deinen Wegen, Doch wenn das Glück sich jemals von Dir wendet Vergiß nicht Deiner zweiten Heimat! - Offen Steht sie Dir immerdar. In Thränen schied MARIA. Ich einst - mein Königserbe anzutreten, Ich will in Thränen nicht zurücke kehren, Nachdem ich es verloren. - Lebet wohl. Reicht Brienne die Hand. Er küßt sie, ein Knie beugend, und geht dann langsam ab. Bothwell, Ruthven, mehrere Offiziere, treten auf, Alle gerüstet. BOTHWELL ZU einem Offizier. Ein Bote Huntly's? Hier empfang' ich ihn. Offizier ab. BOTHWELL ZU Maria. Schon ist Murray nach Dunbar aufgebrochen, Ich bring' Euch seinen Abschiedsgruß. OFFIZIER zurückkommend. Der Bote. Iverneß dessen rechter Arm verwundet ist, tritt auf. RUTHVEN. Ihr Iverneß? BOTHWELL .
Wir hören. - Redet! zögernd. Herr ... BOTHWELL. Beim Donner! Schont uns nicht! ... Auf dem Gesichte Steht schon so jämmerliche Zeitung, daß Nichts Schlimmes mehr{,} die Zunge bringen kann. IVERNESS. Dein Diener Huntly ward auf seinem Zug{,} Vom überleg'nen Feinde überfallen, IVERNESS
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Und trotz des kühnsten Widerstands{,} zurück Geschlagen bis nach Dunbar ... BOTHWELL. Schmach ihm! - Nie Wetzt er den Fleck von seiner blanken Ehr'! — Ihr war't wohl auch dabei? IVERNESS auf seinen Arm zeigend. Ihr seht, Herr Herzog. BOTHWELL. Verwundet? - Nun, mich freut's, daß Euch die Schmarre, Nicht an dem Ritt nach Edinburg gehindert ...
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- Das ist ein Bursch dünkt mich, der seinen Tod Zu melden käm' - dürft' er die Kunde weit Vom Schlachtfeld tragen. IVERNESS auffahrend. Herzog! BOTHWELL. Schweige Knabe! Zu den Uebrigen. Zu Pferd! - Wir brechen auf. MARIA. Ich folge Dir. BOTHWELL. DU bleibst. Der Krieg ist nicht für Weiber. MARIA. Für Königinnen ist auch Krieg und Ruhm! Dies Haupt umwand schon oft der Eichenkranz Ihr alle wißt's - sagt ihm - wer führt' Euch an Als Ihr den Murray schlugt? - Sagt ihm: Wer ritt An Eurer Spitze, als die Fliehenden Ihr vor Euch her gejaget bis nach Dumfries? IVERNESS. DU selbst. MARIA ZU Bothwell. Hörst Du? BOTHWELL bitter. Beim Himmel, willst Du mir Nicht e i n e n Vorzug lassen? Soll ich, selbst Im Felde, Deiner Gröjsslße Schatten sein? MARIA. In Krieg und Frieden bin ich nur der Deine - Ο liebe Sonne - dulde Deinen Schatten! ... BOTHWELL. DU willst's. MARIA. Ich bitte! BOTHWELL. Folge denn. Nach Dunbar! Alle ab. Verwandlung.
Dritter Auftritt Feld bei Dunbar. Im Vordergrunde {Bäume,} eine Rasenbank, im Hintergrunde aufgeschlag'ne Zelte. Murray's Soldaten, kommen in geschloß'nen Rotten, aus denen die Offiziere heraustreten, nachdem sich die Mannschaft aufgestellt. MURRAY kommt und schreitet die Reihen ab.
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MURRAY. Seid mir gegrüßt. {Gegrüjsslßet meine Brüder! Ich rief zum Heerbann wahrlich nie vergebens!} (Ich rief zum Heerbann Euch,) Des Hochlands kriegerische Söhne! — W i e ? Kein Gruß, den meinen zu erwiedern? - Kenn' Ich Euch? Beim Himmel! Sind das m e i n e Schaaren?
I. Text
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- Die: Löwen Murray's, sonst genannt im Land. Fürwahr - Ihr seht gepeitschten Hunden gleicher! Was ficht Euch an? Rief ich denn nicht zum Kampfe, Zum Kampf für Bothwell - Herzog jetzt von Orkney? 5
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- Er hat - Ihr wißt's - erschlagen König Darnley, Und sich mit seiner Witwe dann vermält, Die ihn - so heißt's - zum Morde angetrieben. Nun ist er Herr der Königin{,} und Schottlands, Und braucht, um es in Zukunft auch zu bleiben, Maria's Sohn nur aus dem Weg zu räumen, Der ihm - wohl e i n s t - gefährlich werden könnte. - Lord Mar jedoch, verweigert ihm den Knaben, Und Herzog Orkney - hei/sslßet Euch - : ihn holen. Das Gemurmel der Unzufriedenheit, die sich während Murray's Rede, durch einzelne Ausrufungen, Luft gemacht, wird jetzt allgemein. EIN OFFIZIER. Entlaß' uns, Herr. EIN ZWEITER. Wir taugen nicht dazu. EIN SOLDAT. Schick mich zurück. EIN ZWEITER .
EIN DRITTER. ALLE. MURRAY zum ersten Soldaten. Ο Mail, Du willst nach Haus? Zum zweiten Soldaten. Dein Sohn, der wackre Junge? ZWEITER SOLDAT.
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U n d mich!
Und mich! Uns Alle!
MacLinc, wo ist Herr - er mocht
In diesen Kampf nicht ziehn. MURRAY. Er m o c h t e n i c h t ? Zum dritten Soldaten. Und Du Menteth, wo ist Dein Bruder Edward? DRITTER SOLDAT. Mein Bruder sprach, als ich mein Schwert umgürtet: " - Der ist ein Schurke, und ein Landsverräther, Der wider Mar, für diesen Bothwell, ficht." MURRAY. Habt Ihr's gehört? Hat Menteth's Bruder Recht? ALLE. J a ! J a !
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MURRAY. Wohlan! So denk auch ich, und sag: Verflucht die Hand, die sich für Bothwell hebt, Verflucht der Mund, der ruft sein Heldgeschrei! Jubet unter den Soldaten. Kniet nieder! Die Leute gehorchen. Schwört: - Dem König Jacob Treue! Wir schützen ihn so wahr als Gott uns helfe. Dem Bothwell Tod, und seinem Sieger Heil! ALLE freudig. Dem König Jacob, Treue! - Tod dem Bothwell!
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Maria Stuart in Schottland MURRAY. Bei Stirling steh'n die Brüder. Auf nach Stirling! Alle tumultuarisch ab. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer, dann tritt Huntly auf, mit seinem Stabe. HUNTLY. Das ist der Plan, Ihr Herrn. Ihr haftet mir Daß ausgeführt er werde, Punkt für Punkt. Die Höhen Dunbar's{,} halten wir besetzt, Indessen Murray{,} Dumbarton umgeht, Und von den Brücken die Rebellen trennt, Die an dem Clydefluß, sichern ihren Rückzug. IVERNESS tritt auf. Der Herzog bringt die Königin hierher. HUNTLY. Wir heijsslßen sie willkommen. Folgt. BOTHWELL kommt mit Gefolge. Wohin? HUNTLY. Die Königin begrüjsslßen. BOTHWELL.
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Das habt Ihr
Mit einer Nachricht{,} heute schon gethan{,} Die Eure Grüjsslße{,} ihr verleidet hat. Zu Iverneß. Ruft Murray. EIN OFFIZIER. Herr, er ist nach Dumbarton. BOTHWELL. Er hätte meiner Ankunft warten sollen. Ich hab' ein Wort für Alle auf dem Herzen, Hört es nun Ihr, die es am meisten trifft: - Der einen Fußbreit weicht im heut'gen Kampf Und stünd' er Einer, gegen Drei und Vier - Der bete zu dem allbarmherz'gen Gott, Um Tod aus Feindeshand! - Käm' er mir heim, Ihm würde ein Empfang, von welchem schaudernd, Noch späte Enkel sich erzälen sollten. Zu den Offizieren. Ihr kennt den Plan. An Eure Posten. Fort! Alle ab au \ss\jler Huntly und Iverneß. HUNTLY. Ihr seid verwundet Iverneß, Ihr bleibt. Besteigt den Hügel an des Waldes Saum, Von dort{,} beherrschet Ihr das Schlachtgefild; Bringt treue Kunde an die Königin Vom Schicksal ihres Heers. IVERNESS. Es soll geschehn. Beide ab.
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Vierter Auftritt MARIA
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und
LADY ARGYLL,
kommen.
MARIA. Komm Leonor, hier ist die Luft noch freier, - Dort Oben, Liebe, drückt sie wie ein Alp. LADY ARGYLL. Ihr seid ermüdet, ruht auf dieser Bank. MARIA. Ruhn? - J e t z t , wo tausendfach der Tod{,} sich an Ihn drängt? ... Wenn meine Arme ihn umfangen, Wenn ich ihn weiß von jedem Schutz umgeben, Den Erdenhoheit irgend leihen kann Verzehrt die Qual der Todesangst um ihn Die letzte Spur von Ruh in meiner Seele Wo fand' ich sie{,} in dieser Schreckensstunde? ... - In meinem Herzen ist ein Tropfen Gift, Das sendet Bläschen zum Gehirne auf, Die dort zerplatzen als solch grauenvolle Gedanken, wie der Wahnsinn sie erfindet Wenn er durch Denken tödten will ... Ein Gräu'l! ... Ich hab die Ruh verscherzt. Seit König Darnley's Verhängnißvollem Tod, flieht sie vor mir Ein aufgescheuchtes Reh - und niemals mehr Kehrt sie zurück die Milde! - Niemals mehr! ... - Es ist in dieser ganzen Welt kein Pfühl Auf dem mein armes Haupt sie finden könnte ... Ο daß ich ihm nicht wider seinen Willen Gefolgt! Eleonor! - Nicht Schlachtengraus, Der Anblick nicht, von Blutenden und Leichen, Hätt mich erfüllt mit solcher Riesenqual Als wie sie jetzt in meinem Innern wüthet ... Iverneß kommt, ihm entgegen stürzend. Was bringt Ihr? ... Both well ... Mit einem Schrei. Verrathen, fürcht' Und - Both well? ... IVERNESS. Das feige Heer ... MARIA.
Ich frag' nicht nach dem Heer -
Ich frag nach Bothwell ... Er ist unverletzt. Ach g η ä d ' g e r Himmel! - Unverletzt!! Bothwell's Stimme au\ss]ßerhalb der Scene.
IVERNESS.
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Maria Stuart in Schottland MARIA lauschend. Hört Ihr?! IVERNESS. Des Herzog's Stimme. MARIA. O! - Er ist's - er kommt... BOTHWELL noch auiss]ßerhalb. Dort ist der Feind - zurück Ihr Hunde! - Steht! Tritt auf, mit einigen seiner Leute, die sich im Hintergrunde aufstellen, bald nach ihm Huntly, mit seinem Gefolge. MARIA. Das Auge glühend, fahl das Angesicht Doch lebend, lebend, lebend ο mein Gott! Stürzt an seine Brust. BOTHWELL. Begrüß' mich nicht als kehrt' ein Sieger heim, Ich bin kein Sieger - habe keinen Hieb Gegen den Feind gethan! MARIA schaudernd. Dein Schwert ist roth BOTHWELL. Vom Blut der Meinigen. Der Schnitter: Tod, Hätt' besser nicht gemäht, als ich's gethan Da sich die Schurken wandten. MARIA . Grojsslßer Gott! BOTHWELL ZU Iverneß. Schickt das Gefolg' voraus nach Edinburg Wir gehn dahin zurück. Iverneß ab. BOTHWELL. Ο Schande! Schande! Einst schien ein Tropfe Deines Gift's mir Tod, Jetzt leer' ich athmend{,} Deinen vollen Becher! MARIA. Komm zu Dir selber! Höre mich! BOTHWELL.
Hör Du
Zuerst! - Ich habe grojsslße Kunde{,} für Die grojsslße Königin - Dein Bruder Murray{,} ist Zum Feind hinüber ... MARIA.
BOTHWELL.
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Nein!
Und stürmt
An seiner Spitze gegen Dunbar. MARIA. Auch Mein Bruder? ... Murray? ... O, es fließt e i n Blut In uns'ren Adern! ... B r u d e r - die Natur Knüpft süß're Bande, keine Heiligern Als die den Bruder binden an die Schwester: Desselben Stammes{,} schützend stärk'ren Zweig - Ihr Schirm und Hort, und ihr g e b o r n er Freund! BOTHWELL. Wehklage nur, recht wie ein hülflos Weib Hab' ich mit einer Fürstin mich vermält, Und steh nun da, verlassen wie ein Bettler? Wo ist die Macht die Du gelobt zu legen In meine Hand? - Bringt Deine Majestät Nur Eine dieser Memmen dort zum Stehn? -
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/. Text Schaff Hülfe grojsslße Königin! Schaff Hülfe! - Der Feind rückt an - schon naht er Dunbar's Wällen, Ο heijsslße Helden aus den Steinen wachsen Befiel den Katzen, daß sie Tiger werden Und giejsslße Feuer in ihr wässrig Blut! ... HUNTLY. Herzog! Was ich vermag - geschieht - Zu Huntly. Hierher Mylord, Die Offiziere Uns'res Heers. Huntly ab. BOTH WELL. Willst Du Mit Worten Wunder wirken, oder durch Gebet{,} die Feigen von der Feigheit heilen? MARIA. Jetzt Himmel! Weihe diese schwachen Lippen! Der Du die Sprache gabst, die zündende, Den Märtyrern und Lehrern Deiner Wahrheit, Gib sie der Kön'gin, die ihr Volk beschwört, Gib sie der Frau - die Männer ruft zur That! Huntly und die Offiziere kommen. Ich ließ Euch rufen, werthe Herren ... MARIA.
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BOTHWELL.
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Werth?!
MARIA. Um selbst mit Euch ein dringend Wort zu sprechen, In dieser Stunde äu/sslßerster Gefahr. - Ich bin von Allen, aujsslßer Euch, verlassen, Mein Volk erhebt sich gegen mich, mein Bruder, Verläugnend jede Treue - jedes Recht Ergreift die Waffen wider seine Fürstin, Und selbst ein Hochverräther und Empörer, Sä't er Empörung durch das ganze Land ... - Geblutet hat mein Herz, als sich von mir Gewendet, Schlag auf Schlag - der Eine um Den Andern - doch nicht g a n z verloren hielt Ich mich, und meine Hoffnung baute fest Auf Eins: Auf Eure Treue - Offiziere Vom Heer der Königin! Hab' ich's umsonst Gethan? — Wacht auf! Besinnt, ermannet Euch Wenn noch ein Funken Ehre in Euch glüht, Facht ihn im Herzen Eurer Krieger an! Schaart Euch um Bothwell - geht dem Feind entgegen. EIN OFFIZIER. Nicht unter Bothwell ... BOTHWELL. MEHRERE OFFIZIERE.
Uns führen!
Schurken! Huntly{,} soll
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104 ALLE OFFIZIERE.
MARIA.
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Huntly{,} soll uns führen! Himmel
Und Erde! Immer die Empörung? Kreischt Sie mir aus j e d e m Mund entgegen? Starrt die Meduse{,} mir aus jedem Antlitz?! ... - Ihr kämpft für mich - wer immer auch Euch führe! M e i n Banner ist es, dem Ihr folgen sollt, Nicht fragend nach der Hand, die es entfaltet ... EIN OFFIZIER. Gib Huntly uns zum Führer, Königin. MARIA. Nicht Huntly! ALLE OFFIZIERE . Keinen, oder Ihn. M A R I A heftig. Ihr wagt?! Mit Ueberwindung. Ο Ihr v e r m ö g t es - jetzt, wo die Sekunde Die ungenützt verfließt, ein sich'rer Schritt Mir zum Verderben ist - Bedingungen Zu stellen - einen Preis zu knüpfen an Die Pflichterfüllung? Freunde! fordert nicht Bezahlung unschätzbarer Treu ... Ihr hört Mich nicht! - Ihr wendet stumm Euch ab? ... Ward je Ein König so wie ich erniedrigt?! — Huntly, Sprich Du zu ihnen - Du BOTHWELL. Nicht eine Silbe! Ihr sollt so sehr nicht schänden Eure Bitte Daß Ihr an Jene sie verschwendet - O! Die Bitte - ist die Sprache des Vertrauens, Und sie verstehn nur der Verachtung Sprache ... Wiithend, zu den Offizieren. Ich hab' für Euch ein einzig Wort: Ihr Hunde! Und alle Wut, Verachtung, allen Haß, Uns eingeflößt vom Nied'ren und Gemeinen, Ergieß' ich in das eine Wort: Ihr Hunde! Und werf' Euch's in's Gesicht, und wünsche, daß Darauf es brenne wie ein Feuermaal, Untilgbar bis zum Jüngsten Tag: Ihr Hunde! E I N OFFIZIER den Degen ziehend. Das fordert Blut! BOTHWELL ihn verwundend. Da hast Du Blut! Alle Offiziere dringen auf Bothwell ein, Maria und Huntly, werfen sich dazwischen. HUNTLY ZU Bothwell. Verblendeter! Treibt Dich ein böser Dämon Zu jeder Handlung die Verderben bringt? M A R I A ZU den Offizieren. Zurück! HUNTLY. Gebt Raum - ich folg Euch - geht Ihr Freunde!
I. Text
105 EIN OFFIZIER ZU Maria. Wohlan! Wir gehn - voll Hasses gegen D i e s e n , Doch immer noch{,} bereit für Dich zu sterben, Zwingst Du uns nicht den Mann zum Führer auf, Dem zu gehorchen uns entehrt. Offiziere ab. BOTHWELL.
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Ο Himmel!
Beleidigt mich schon ungestraft dies Volk? Bin ich ein Schimpf der Knechte denn geworden? - Fürwahr! Ich wollt' ich wär' daheim in Bothwell, In meiner Väter, meiner Ahnen Erbe, In meines Hauses festgefugtem Bau Ein kleiner Herr, allein ein wahrer Herr. Mich dünkt, bei Gott! daß ich ein König w a r Da noch mein Aug' nicht andre Kronen kannte, Als meines Hochlands — stolze Föhren tragen! IVERNESS kommt. Herzog von Orkney, rettet Eure Fürstin! Lord Murray's Boten treffen ein in Dunbar, Und fordern auf die Bürger dieser Stadt, Euch auszuliefern, und die Königin. Noch schwanken sie, noch ist es Zeit zu handeln. BOTHWELL. ZU handeln? W i e zu handeln? Thor und Tropf! MARIA. Zurück nach Edinburg! IVERNESS.
Die Hauptstadt{,} ist
In Deiner Feinde Händen. MARIA. Edinburg?! IVERNESS. Schließt seiner Königin die Thore. MARIA.
O!
BOTHWELL. Die Elenden!
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HUNTLY ZU Bothwell. Werft Euch dem Feind entgegen, Herzog, Und hemmt nur eine Stunde seinen Fortschritt Ich bring' indeß die Königin nach Niddie, Sein festes Schloß gewährt ihr sichren Schutz ... BOTHWELL. Und ich soll hier indeß mich schlachten lassen? - "Werft Euch dem Feind entgegen!" Tollheit das! Wirf einen Tropfen in den Strom hinein Du Narr und Träumer! - Vielleicht dämmst Du ihn! HUNTLY. Ο Majestät - hinweg - hinweg von hier! IVERNESS. Wir schützen Dich! MARIA an Bothwell's Seite tretend. Der schützt mich oder Keiner! Verschmähend jede Sicherheit, die er Nicht theilt, erwart' ich hier die nahenden Empörer. HUNTLY ZU Bothwell. So spricht Königin Maria!
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Laßt Ihr durch ihre G r o ß m u t Euch beschämen, So wie durch ihren g r o j s s l ß e n M u t ? BOTHWELL. Beim Satan! - Ich h a b e Mut! Ich hab' ihn gegen Zwei, Und gegen Drei, und gegen Zehn - Hierher Die kühnsten Führer der Rebellen! Einen Besteh ich um den Andern - doch was soll Ich Gift und Pest! mit ihrem Heer? - Ich hab Ja keines - keins! Und kann für e i n e n Mann Allein nur stehn - wenn auch für einen ganzen! ... - Ich hab kein Heer - und lege somit auch Den Feldherrnstab, in meiner Hand ein Hohn, Der Königin von Schottland hier zu Füjsslßen Schleudert den Stab zu Boden. Erhebe ihn wer mag - ich sag' mich los! MARIA. Unmöglichkeit! Ich opfre jeden Anspruch Auf Krone, Reich und Macht, eh nur ein Blatt Am Baume Deiner Ehren welken darf. BOTHWELL. Genug der Großmut! Königin, hör auf Mir eine Gnadenfülle aufzudringen, Die anzunehmen endlich ich ermüde! - Als Bube, hab das Danken ich verschworen, Mich e{c}kelt, daß ich's wieder lernt' als Mann! MARIA. Bin ich von Sinnen? ... BOTHWELL.
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BOTHWELL.
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I c h bin es gewesen!
Ich blinder Thor, der es zu spät begriff, Daß Macht{,} zur Ohnmacht wird in Manneshänden, Dankt er sie Weibergunst, nicht eig'ner Kraft. - Was längst geschehen sollen, thu ich jetzt! In Stücke reiß ich meine Sklavenkette, Und meine Sohle setz' ich auf die Trümmer ... MARIA. Und Deine Schwüre ew'ger Lieb' und Treu? So kannst Du Schwüre brechen? ... Wie überwältigt von einem plötzlichen Gedanken. Himmel! ... Kön'gin! -
MARIA mit schwacher Stimme. Das ist nicht Deine erste Lüge Bothwell An einer größren{,} kranket Dein Gewissen Jetzt glaube ich, und mahne Dich daran: Du h a s t gethan, was (Du) zu thun verschworen - Ich sehe Blut an Deinen Händen - Mörder! BOTHWELL. Ich h a b ' s gethan - durch mich fiel König Darnley
I. Text
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Ich hab's u m D i c h gethan - Unselige! MARIA. Entsetzlich! BOTHWELL. Trag der Unthat größre Hälfte! Ich pflückte ihre gold'nen Früchte nicht. MARIA. Bothwell! BOTHWELL. Hörst Du die Trommeln der Empörer? Sie kommen - o! - das ist ihr Siegsgeschrei! Voran, auf weijsslßem Roß Dein Bruder Murray — - Ich will nicht seiner warten - seinen Hohn Nicht hören - seinen Sieg nicht sehn - sie kommen Mit dem Fu\ss\ße stampfend. Ο treue lose Erde - trägst Du sie?! MARIA. Erbarmen Bothwell! Gib Dein Weib nicht Preis Dem Uebermute siegender Empörer BOTHWELL. Bist Du nicht Königin? Beschütz' Dich selbst. Zu seinen Leuten. Heran! Und folget mir! MARIA. Nicht von der Stelle! Bevor Du mir gegeben, was auf Knien Von Deinem Mitleid ich erfleh: den Tod! BOTHWELL. L a ß m i c h !
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MARIA. Die letzte Gunst gewähre - zieh Dein Schwert - und triff - in's Herz - hierher - Du kennst Die Stelle wohl - hast oft an ihr geruht. BOTHWELL. Ha! Neue Künste nun? - Vergeblich. - Weib! Ich bin gefeit ge'n alle. Ich durchschaue Dich ganz - Syrene mit dem Kinderauge, Und mit der Brust voll Arglist und voll Tücke! - Was Du verheijsslßest, ist Glückseligkeit, Was Du gewährest - Höllenqual und Pein Dein Wort ist Balsam - Gift sind Deine Thaten Deine Geschenke, Goldesechtheit lügend Bei der Berührung, Moder - e{c}kler Staub! HUNTLY vorstürzend. Genug! BOTHWELL ZU den Seinen. Wer folget seinem Herrn? Wer ist Ein Mann, und will nicht fallen wie ein Schelm In schmachvollste Gefangenschaft? Seine Leute umdrängen ihn. Das Schwert Zur Hand! Schließt Euch um mich - und: d u r c h nun, in Die Freiheit! MARIA. Bothwell! HUNTLY auf Bothwell eindringend. Nieder{,} streck ich ihn Daß er wie sich's gebührt, den Boden leckt Den Deine Sohle trat.
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Maria Stuart in Schottland
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Raum da! HUNTLY, um den sich seine Leute schließen. Komm' an! BOTHWELL, und die Seinen, werfen sich auf sie, mit dem Schrei: Durch! MARIA. H u n t l y ! - H e r z u mir! HUNTLY ZU Bothwell, der die Reihen seiner Anhänger durchbricht. So geh! Du bist Nicht werth von eines Braven{,} Hand, zu fallen. BOTHWELL. Triumph! - Nun bin ich Bothwell wieder! - Frei Wie freie Luft, und ganz ich selbst! Zu seinen Leuten. Folgt mir! Zu Huntly. Und wehe dem, der in den Weg mir tritt! Unter Geschrei und Tumult der Seinen ab. MARIA zusammensinkend. Ο leidgewohntes Herz, Du brichst! LADY ARGYLL. Maria! Königin! - Hilf Himmel, sie Vergeht! ... BOTHWELL.
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HUNTLY.
Ο die B e k l a g e n s w e r t e !
Kriegerische Musik, Geschrei und Getiimmel hinter der Scene. MURRAY'S Stimme: Hier Sind sie! Sitzt ab - mir nach!
Fünfter Auftritt Truppen ziehen auf, auf ihren Fahnen ist Darnley's Leiche, und ein vor ihr knieendes
Kind gemalt.
MURRAY, MAR, ATHOL, KERR, OFFIZIERE.
Von der entgegengesetzten Seite{,} kommen DOUGLAS und RUTHVEN. Willkommen Streiter
RUTHVEN.
Des Herrn! MAR kalt abweisend.
Auch Euch?
MURRAY.
Wo ist die Königin?
HUNTLY. In meinem Schutz. MURRAY. HUNTLY.
Und Bothwell? Euerem
Gericht - entflohn. Wohin? Zu seinen Leuten. Zu Pferde - auf! Zerstreut Euch in der Gegend, hetzt ihm nach! Der ihn mir bringt - dem zahle ich mit Gold Ein jedes Haar auf seinem Scheitel. - Fort!
MURRAY.
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I. Text
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Eine Schaar von Murray's Leuten ab. MURRAY ZU Maria tretend: Du aber - Ha! - Zu spät! ... DOUGLAS. Gerechter Gott! MAR. Ohne Leben? LADY ARGYLL. Sie regt sich - Dank dem Himmel! HUNTLY. Wofür? - Daß sie zu solchem Leid erwacht? MARIA schlägt die Augen auf, und erhebt sich mit Hilfe Lady Argyll's. Sie blickt anfangs fremd und betäubt, dann lebhafter, wie suchend um sich, endlich stürzt sie mit einem Schrei an Lady Argyll's Brust. Fort! ERSTER SOLDAT ZU den Uebrigen. Seht die Mörderin! ZWEITER. Ihr Buhle selbst Hat sie verlassen. DRITTER. Auf das Blutgerüst Mit Ihr! VIERTER. Wagt sie die Augen aufzuschlagen? MAR ZU den Soldaten. Still! Wer spricht? MURRAY. Maria Stuart, blick um Dich! Es stehen hier, und fordern Rechenschaft, Für alle Pflichten welche Du verletzt, Für das Gesetz, das Du mit Füjsslßen tratst, Die Grojsslßen Schottlands - Deines Volkes Boten. ΕΓΝ OFFIZIER. Wo ist Dein Gatte, Königin Maria! EIN ZWEITER. Von wessen Hand fiel Heinrich Darnley? Sprich! KERR auf die Fahnen zeigend. Die Fahnen sieh, worunter wir gekämpft: Vor seines Vaters Leiche kniet Dein Sohn, Und schreit zu Gott um Rache wider Dich! MARIA blickt empor und wendet sich schaudernd ab. Du bist erhört mein Kind! MAR. Als Deinen Sohn, Vor jedem F e i n d zu schützen ich geschworen, Besorgt ich nicht - Dein Gegner je zu werden. MURRAY. Dein Volk Maria, spricht durch mich zu Dir, Und kündet Dir Gehorsam auf{,} und Treue, Wie Du sie beide brachst an Deinem Gott. RUTHVEN. So spricht der Herr der Herren: Thue weg Den Hut, und lege ab die Krone! SOLDATEN.
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Leg'
Sie ab! MURRAY. Entsag' ihr, die Du nicht getragen, Zu Schottlands Wohl, zu Deinem eig'nen Ruhm.
Maria Stuart in Schottland
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Vor diesen Zeugen, Königin, entsage! MARIA. - Ihr habt die Krone mir vom Haupt gerissen Braucht es daß ich noch spreche: Nehmt sie hin? MURRAY. Im Angesichte Gottes, frag' ich Dich: Bist Du bereit, jedwedem Recht und Anspruch, (Für jetzt, und alle Zukunft,) auf dies Reich, Zu Gunsten Deines Sohnes zu entsagen? MARIA. Ich bin's. MURRAY. So heb' die Hand, und schwöre! SOLDATEN.
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Schwöre!
MARIA. Ο den befleckten Reif, auf Deine reine, Schuldlose Stirn', mein Kind! MURRAY. Du zögerst? MARIA. Nein. Ich hab' entsagt. SOLDATEN. Hoch lebe König Jacob! HUNTLY. Fürwahr - nicht länger kann ich schweigend hören! Zu den Soldaten. Bei meinem Leben, überfrech Gesindel, Den hau ich nieder, der ein Wort noch wagt! Zu den Lords. Euch aber frag' ich die Ihr Euch verm{i}(e)ßt Zu richten über ein gesalbtes Haupt: Wer gab Euch dieses unerhörte Recht? Ihr Diebe an dem Heiligsten und Höchsten, Ihr greift mit kirchenschänderischen Händen, An G o t t e s vorbehalten Eigenthum ... MARIA. Still Huntly, still! - Beruf Dich nicht auf I h η Bei dessen Namen mein Gebein erbebt ... Er selber trifft - Er selber w i l l die Wunde, Zürnst Du dem Werkzeug womit er sie schlägt? MURRAY. Ihr höret! Die Verbrecherin, erliegt Der Bürde ihrer Sündenlast. Maria, Nicht K ö n ' g i n mehr: G e f a n g ' n e Deines V o l k s ! Folg' Deinen Richtern - komm nach Edinburg. Zu den Uebrigen. Nach Edinburg, zur Krönung König Jacob's! Die ausgeschickten Leute kommen. Allein? - Wo habt Ihr Bothwell? EIN SOLDAT. Schick uns um Den Teufel, und wir bringen ihn - nicht Bothwell. EIN ZWEITER. Kein Fußbreit mehr hielt mich von ihm getrennt, - Den Felsenabhang jagt er hin zum Strom. Der Geier schießt nicht wilder auf die Beute, Als wir auf ihn und seinen kleinen Troß ...
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I. Text Doch er - verwünscht! - er iiberjagt den Pfeil Erreicht Dich nicht der Fuß - die K u g e l thut's, Denk ich - und schick ihm eine nach - er wankt MARIA. Ο Gott!
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SOLDAT. Die Andern legen an - und: Feuer! Da habt Ihr's - Rechts und Links - und da und dort Pfeifen die Kugeln hinter ihnen her Und treffen - treffen nicht - nach Jägerglück. Vor i h m fällt Einer - und zur Linken - ihm Der Nächste - liegt im Blut. - Er aber fort, Ob rothe Spuren seinen Weg bezeichnen, Ein angeschoß'ner Eber, bis zur Bucht. - Zwei Kähne ankern dort - der Troß hinein! Bothwell zuletzt - die Andern greifen nach Den Rudern - "Stoßt ab!" tönt's - u, hole mich Der Teufel! - Es geschieht. — O'Mail, voran Uns Allen, kommt dazu - und sinnt nicht lang, Und Hui! Ein ungeheurer Sprung. - In's Schiff, Dem Bothwell nach, als wie ein Rasender! Sie ringen - O'Mail liegt - der Riese! - Doch Nur einen Augenblick; im nächsten schon Hat Bothwell hoch in Lüften ihn erhoben Und schleudert ihn an's Felsenufer hin, Daß schier zu Brei die Knochen er zermalmt, Und seinen Schädel, der in Trümmer flog, Gehirn und Blut, wie einem Quell enttroff. MURRAY. Ihr aber - wie die Affen - steht am Ufer Und seht ihm zu! SOLDAT. Mit ungelad'nen Büchsen, Vor Wut und Galle schäumend - indeß er Schon auf den Wellen trieb. MARIA an Lady Argyll's Halse weinend. Ein Heimatloser! LADY ARGYLL. Hast Du noch Thränen, Unglückselige, So weine über Dich - nicht über ihn. MURRAY. Bereitet Euch zum Marsch nach Edinburg, Wir brechen auf, noch eh die Sonne sinkt. Alle ab, au\ss\ßer Maria, Murray, Huntly, Lady Argyll und einige Wachen im Hinter gründe. MURRAY ZU Maria. Auch Du, bereite Dich. MARIA. Ο Bruder Murray, Erspare mir den Hohn und Spott des Pöbels Ο Bruder Murray - nicht nach Edinburg! ...
Maria Stuart in Schottland
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MURRAY. Doch muß es sein, ich kann nichts für Dich thun. MARIA. Laß mich entfliehen. MURRAY forschend. Zu - Elisabeth? - MARIA zurückfahrend. Elisabeth?! MURRAY. Der Weg zu ihrem Throne steht Dir offen. HUNTLY . Nicht dahin! MURRAY. Nicht? - So komm nach Edinburg, - Zeig Dich dem Volk, das lechzt nach Deinem Anblick, Gönn' ihm die Lust, die stolze Königin, Einmal erniedrigt, und beschimpft zu sehn ... MARIA. Laß mich nach England fliehn. MURRAY. Du wolltest? HUNTLY.
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O!-
- Zu Deiner schlimmsten Feindin?! MARIA auf Murray zeigend. Sieh - das war Ein Freund! MURRAY. Ist Dein Enschluß gefaßt, will ich Aus Mitleid Deine Flucht begünst'gen. Wähle Ein klein Gefolge unter Deinen Leuten, Und scheide. MARIA. Also thu ich. Eines nur Gewähre gnädig mir - bevor ich gehe: Laß mich mein armes, liebes Kind umarmen! MURRAY. Das kann nicht sein. MARIA. Wer darf's mir weigern? Ist's Ja doch noch m e i n ! MURRAY . Du hast das Recht verscherzt Es Dein zu nennen. MARIA. Einen Kuß nur, auf Die blonden Härchen, - seine Augen, und Den zarten Mund - Nur einen Segen auf Sein kleines Haupt! MURRAY. ES kann nicht sein. Ich sprach'S. MARIA. Ο Murray - wird Dir je ein Sohn geboren, So bete, daß bei seinem Anblick{,} Dir Nicht die Erinnerung an diesen Tag Vor die entsetzte Seele treten möge! ... MURRAY. Die Stunde drängt - benütze ihre Gunst Bis an die Grenze{,} hast Du frei Geleit. Er tritt zurück und spricht mit einer Wache, diese ab. LADY ARGYLL und HUNTLY. W i r f o l g e n D i r .
MARIA.
Ihr bleibt. Allein will ich
I. Text
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Dem Loos entgegen gehn, das ich allein Beschworen auf mein Haupt. LADY ARGYLL.
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W a s h a b ich Dir
Gethan, daß Du mich von Dir stojsslßest? HUNTLY. Kannst Du so hart uns strafen? Hab Erbarmen ... M A R I A . ZU lange büßt, Ihr Lieben, meine Schuld Maria Stuart's Freunde{,} sind Verwaiste, Sie sollen nicht, auch Heimatlose werden ... - Ihr weint? - Ο räthselhaft Geschick! - Als ich Dies Land betreten, unschuldig und rein, Von allem Glänze ird'scher Macht umgeben, Die achtzehnjähr'ge Kön'gin dreier Reiche - Da schlug kein Herz auf diesem ganzen Eiland, Der jungen Fürstin theilnahmsvoll entgegen — Und nun, wo ich's verlasse - arm - gebrochen, Ein schuldbelad'nes, leidzerriß'nes Weib, Begleiten Thränen mich auf meinen Weg? ... Sie faßt Lady Argyll's und Huntly's Hand; zu den Knieenden Ein tief rer Vorwurf ist mir Eure Liebe, Als aller Haß den ich erfahren hab! ... - Ich laß Euch meinem Sohne! - Sagt ihm, daß Als seine Mutter hülflos von hier schied Sie ihm ihr Letztes, Bestes, hinterließ: Zwei warme Herzen die ihr treu geblieben! - Den Kuß für meinen Knaben, Leonor Den Händedruck für ihn, mein wack'rer Huntly! - Ach! Es ist Alles was ich geben kann! — Lebt wohl! - Und wenn er wächst, - gedeiht, - blüht, Lehrt ihn den Namen seiner Mutter nennen, Nicht richtend Freunde - liebend! liebend! MURRAY. Folg Deinen Führern. MARIA. ZU - Elisabeth! ... - So leb denn wohl, du Stätte meiner Schmerzen, Ο schott'sche Erde, einst mir unterthan! - Du trägst kein Weh mit welchem ich nicht tauschte, Und keinen Stein - den ich nicht neidete! Ο Heimaterde, meine Thränen küssen, Und meine Lippen{,} Deinen heil'gen Grund, Und: Segen! Segen! {Ist} (ist) mein letzt Gebet, Und heijsslße Reue{,} jeder Athemzug! Ein weinend Kind liegt hier an Deiner Brust, Und fleht verstojsslßen, eh es von Dir geht:
gebeugt.
Maria Stuart in Schottland
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- Vergib ο Mutter - was ich Dir gethan! (Zu Lady Argyll und Huntly.) Lebt wohl. (Zu Murray) Leb wohl auch D u - Ο Murray! Murray! Sei meinem Knaben mild! MURRAY.
Leb wohl Maria.
Maria auf Lady Argyll gestützt, Huntly und die Wachen ab. MURRAY. I c h b i n R e g e n t v o n S c h o t t l a n d ! BEDFORT tritt auf.
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Nach 1 2
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Ist's gelungen? MURRAY. Maria ist auf ihrem Weg nach England. BEDFORT. Sie sucht (dort) Schutz - und findet einen Richter! Es ist für sie der Weg zum Blutgerüst. -
(Zu Lady Argyll und Huntly.} UdZ, eingewiesen vor Lebt wohl. (Zu Murray.) UdZ, eingewiesen vor Leb wohl, (dort) iidZ, eingewiesen nach sucht.
2.
Maria Stuart in Schottland
Dritter Aufzug (E1)
Dritter Aufzug Erster Auftritt Dekoration des ersten Aufzugs
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M U R R A Y und K E R R treten ein. MURRAY. Gewichtig ist die Nachricht, die Ihr bringt! Ich kann Euch viel zu danken haben - und Ihr wißt - ich danke gern. Noch Eins: Ist Andrews, Der Page, uns gewonnen? KERR. Er steht in meinem In Eurem Solde. MURRAY. Gut! - Was ich auch thue Geschieht für Euch. - Merkt's wohl! - Doch ahne Niemand Daß ich den Baum gepflegt, bevor ich Euch Die Fruchte reichen darf. Den eintretenden Darnley erblickend. Der König - geht! Kerr ab. DARNLEY. Ich hab' Euch lang erwartet, Bruder Murray, Muß ich Euch suchen? M U R R A Y . Ο wie gut, mein König, Daß Ihr um mich zu suchen, Holyrood Betreten! Ich bin da zu finden.
DARNLEY.
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And're
Begehr' ich nicht zu seh'n. MURRAY . Seid unbesorgt Deß hat es nicht Gefahr. DARNLEY. Was willst Du sagen? Die Kön'gin ist... MURRAY. DARNLEY.
Abwesend. Wie?!
MURRAY.
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Ich sollt'
Es nicht verrathen, Klugheit schwieg vielleicht, Doch ist es, traun, so närrische Geschichte Und ich bin ein so dumm geschwätz'ger Thor, Daß ich's erzählen muß, nicht d'ran zu bersten, Lachend. Haha! ... Die Königin ist fort! DARNLEY.
MURRAY. Von ihrer treuen Argyll und Andrews, Dem Pagen, nur begleitet, fort, bei Nacht Und Nebel. DARNLEY. Darum also dieses Märchen
Wohin?
Maria Stuart in Schottland
118 Von einer plötzlichen Erkrankung? MURRAY.
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Märchen?
Ο nicht so ganz! Erkrankt ist sie bedenklich, Und sucht nun Heilung an des Uebels Quelle. DARNLEY. D U sprichst in Räthseln. MURRAY. Soll ich deutlich sein? DARNLEY . Ja wohl! Ja wohl! MURRAY.
W e i ß t Du den T a g , an d e m
So plötzlich uns ein Markgraf ward ernannt? DARNLEY. Ich w e i ß .
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MURRAY. - Bothwell verließ an ihm den Hof, Und seitdem war Maria nicht sie selbst; In finst'ren Trübsinn sank die holde Frau, Als Nachricht kam auf Nachricht: Bothwell rase Gleich einem Tieger in der Schlacht - voran In jedem Kampf, als suche er den Tod. Einsam verschloß sie sich mit ihrem Gram, Und blickte nach dem Mond, anstatt mit den Ministern zu verhandeln, und im Staatsrath Das große Wort zu führen. Gestern nun Erschien ein Bote Bothwells, athemlos Mit einem Briefe für die Königin. Was er enthielt, das mußt Du selbst sie fragen, Bei ihrer Rückkehr - denn sie hatt' ihn kaum Mit irrem Blick durchflogen, als sie heimlich Schloß Holyrood verließ. DARNLEY. Das kann nicht sein! M U R R A Y zuckt die Achseln. Der Markgraf - sagt man - ward im letzten Kampf Verwundet DARNLEY packt ihn beim Arme. Tödtlich?! MURRAY. So'ne kleine Schmarre, Worüber Männer lachen, Weiber weinen, Wenn auch aus Freude nur, daß sie nun pflegen Und warten dürfen ihren trotz'gen Helden, 's ist ihr Beruf, Maria folgt ihm - haha: Ich seh' die holde Samariterin Des kranken Löwen rauhe Tatze fassen: "Mein Bothwell leidest Du, mein süßer Freund?" DARNLEY. U n w ü r d i g e ! MURRAY.
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"O
leg' auf meinen Arm
auf meinen Arm (H1) ] auf meinem Arm Setzfehler
I. Text
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Dein liebes Haupt - die todten Kissen, sie Verdienen's nicht so theure Last zu tragen." Und Er: "O mir ist wohl! ... Jetzt möcht' ich sterben! - " Hahaha! 's ist ein Bild sich todt daran Zu lachen, denkt man, wer der Kranke ist Und wer die Pflegerin! DARNLEY. Leb' wohl Murray. MURRAY. DU gehst - Auch Du?! - Und wer soll uns regieren? DARNLEY. Nicht meine ist die Schuld, daß ich so lang Gezögert Schottland zu verlassen! Du Hast mich daran gehindert. Nun will ich Nichts hören mehr! Gerüstet ist das Schiff Das mich für ewig trägt von diesen Küsten. MURRAY. So willst Du fliehen, eh Du noch gekämpft? DARNLEY. Umringt bin ich von Feinden und Verräthern, Mit tück'schem Haß ruht jedes Aug auf mir: Ich hab' von Neuem, heute Leise, ihn geseh'n Den Mann, der mich seit Rizio's Tod verfolgt Gespensterhaft - umlauernd meine Schritte. Als Bothwell schied, kann er gesorgt wohl haben Bei seiner Rückkehr hier mich todt zu finden Um dann die königliche Witwe! ... Nein! Ich schwör's - Das soll er nicht! ... Nicht sterben - ο Nicht sterben laß' mich gnäd'ger Gott! Sie soll Sich fühlen unlösbar gebunden - soll Nie glücklich sein im ruhigen Besitz Ihres Geliebten, seinen Blick verleide, Und seinen Kuß vergift' ihr der Gedanke, Daß Darnley lebt, und jeder Tropfen Freude, Den sie genießt, geschöpft muß werden, aus Dem Becher: Sünde! MURRAY. Allzumilde Rache! Wenn Du's begehrst - ich schaffe herbere. DARNLEY. W e n n ich's begehre? MURRAY. Wohl! So höre mich ... PAGE tritt ein. My lords v. Ruthven und v. Douglas bitten Um Einlaß bei der Königin. DARNLEY. Verwünscht! MURRAY. Mir ward befohlen während dieser - Krankheit An ihrer Statt die Herren zu empfangen. Willst Du sie sehen? DARNLEY zum Gehen gewandt. Nein.
119
Maria Stuart in Schottland
120 MURRAY. Ich folge Dir. Zum Pagen. Die Lords! Darnley durch einen Seitenausgang ab.
Erwarte mich,
Zweiter Auftritt DER VORIGE. DOUGLAS, RUTHVEN.
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MURRAY. Die Königin, Seit gestern nicht ganz wohl, ersucht Euch Lords, Mich zum Vermittler Eures Wunsches Zu machen. DOUGLAS. Murray, was uns hergeführt, wißt ihr, Noch eh' wir's ausgesprochen. Mag es kühn Erscheinen, daß die kaum Begnadigten Sich zu erheben wagen gegen einen Beschluß der Königin - sie müssen es; Der Augenblick gebietet's. RUTHVEN. Und der Herr! - Es sind kathol'sche Bischöfe ernannt Im Parlament, zu Wählern der Artikel Und ihres Glaubens heuchelnde Genossen: Ein Flemming, Athol, Balfour, Livingstone Mit einem Wort: Ein Heer von nied'ren Schranzen, Umlagert diese Führer. DOUGLAS. Wenn, wie zu Erwarten ist, das Haus in ihrem Sinn Beschlüsse faßt... MURRAY. So steht es schlecht Mylord Um uns're Kirche, und um uns're Freiheit. DOUGLAS. Das fühlt Murray, und läßt's gescheh'n? MURRAY. Glaubt Ihr Wie Eures, blute nicht mein Herz? Ich hab' Zur Königin gefleht, wie Ihr jetzt kommt Zu ihr zu fleh'n! Umsonst. Beschlossen ist's In neuem Glanz ersteht die alte Kirche. RUTHVEN. Bewahr' uns Gott vor Satan's Synagoge! MURRAY. In wenig Tagen wird, von Rom gesandt, Der Cardinal Laurea hier erscheinen RUTHVEN. Um Proselyten für den Papst zu machen?
I. Text DOUGLAS. Beklagenswerther Schritt! Nicht seines Lebens Sagt ihr: nicht seines Lebens sicher ist Der Cardinal, so lang auf schott'scher Erd' Er weilt! ... Ich werde toll, ein päpstlicher Legat! Bei'm Schlüssel David's! Lieber sah' Ich das apokalypt'sche Thier - als den Legaten! DOUGLAS. Ο beschwört die Königin Uns zu empfangen! Bitten fruchten nicht. MURRAY. RUTHVEN. Doch fruchten wird der Trotz. Was sinnt Ihr, Ruthven? MURRAY. RUTHVEN. Der ehrwürdige Knox sprach zur Gemeine: "Es binden Kinder ihren Vater, wenn Er sie im Wahnsinn tödten will. Soll der Gehorsam weiter gehen gegen Fürsten, Die ihrer Kinder Seelen morden wollen?" MURRAY. Mit Euch beklag' ich ... RUTHVEN. Ο ich klage nicht Ich handle! MURRAY Douglas' und Ruthven 's Hände fassend. Könnt' ich handeln doch für Euch! Ja einst war mir vergönnt Euch zu beweisen Durch leben volle That, daß Euer Wohl, Daß Schottlands Größe, meiner Wünsche Ziel. Ο damals, Douglas, blühten schöne Tage Dem stolzen Adel, damals, Ruthven, ehrten Des Staates Lenker Eure reine Lehre ... DOUGLAS. Stündest Du noch, ein Markstein unseres Glückes, Am Ruder dieses vielgeprüften Staats! RUTHVEN. Was war, da noch die Kön'gin unvermält, Kann wieder werden - wenn sie Witwe ist. MURRAY. Um Gott Mylord! Welch Wort habt Ihr gesprochen? RUTHVEN. Bald dürft' es mehr wohl sein als nur ein Wort! MURRAY. Kommt Douglas, kommt - laßt uns mit ruh'gem Sinn Berathen, wie die äußerste Gefahr
RUTHVEN.
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Von uns'rer theuren Heimat abzuwenden. DOUGLAS im Abgehen. Ich hoffe nichts, so lang Ihr machtlos seid. Douglas und Murray ab.
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Douglas' und Ruthven's (H1) ] Douglas und Ruthven's
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Maria Stuart in Schottland RUTHVEN allein. Wer stehet zwischen ihm und der Regentschaft? Ein schlechter Mann und überdies: mein Feind Dem Rache ich gelobte beim Jehovah ... Jehovah! Mahnst Du nun? Ist es Dein Wink? Es ist D e i n W i n k gewesen, zorn'ger Gott! Ich fühle Deinen Geist und Deinen Ruf Vernehm' ich dröhnend wie Posaunen Schall, Von inner'm Lichte flammet meine Seele! Er wirft sich nieder. Ich sing' Dir Jubelhymnen, daß Du mich Erwählt zu Deinem heiligsten Gefäße Zum Sauerteige der Gottseligkeit, Zur Peitsche Babylon's! In Deinem Namen, In Deinem Amt vollbring' ich's - mach Dir Ehre! Aufspringend. Steh' ein für Deine That! Eilt hinaus.
Dritter Auftritt MURRAY, ANDREWS.
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ANDREWS. Ich bitt' Euch Lord Ein Wort: MURRAY. Du weckst Verdacht. Laß mich, wie kommst Du her? ANDREWS. Ihr fragt? - Ich komme mit der Herrin. MURRAY. Die Königin zurück? - So bald?! ... ANDREWS. Wir fanden Lord Markgraf fast gesund, und im Begriff Nach Edinburg zu eilen. MURRAY.
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Sie hat ihn
Gesehen? ANDREWS. Einen kurzen Augenblick, In Lady Argylls Gegenwart. MURRAY. Wenn DU Erzählen solltest, Bursch - was Du erlebt, Magst dieses letzten Umstands Du vergessen. ANDREWS. Sie war so eilig, Gott! Nicht Zeit, um zu Verschnaufen gönnt' sie uns - mir und den Rossen. Das war ein Ritt! Von hier nach Hermitage Und wieder heim - in einem Jagen! Ο Mein Pferd ist hin, und das der Königin,
I. Text
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Wenn wir's in Wein auch baden, niemals wird Elastisch mehr des edlen Thieres fein Gebaute Fessel ... MURRAY. Bist Du doch ein Schwätzer! ANDREWS. Ich gehe schon - nur Eines noch Mylord Hier ist ein Schlüssel - unter Wegs - verloren Von Lady Argyll, und von mir - gefunden MURRAY. Was sagst Du, Taugenichts? ANDREWS.
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MURRAY. Ich sage: fort! Andrews
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I c h s t e c k t ' ihn e i n -
Ich dacht' - ich meint - vielleicht Euch einen Dienst... MURRAY. Durch Dieberei, Du Schuft? ANDREWS weinerlich. Ach Herr, - seid nur Nicht gleich so hart! ... Erst hier - erst angekommen, Erfuhr ich dieses Schlüssels Wichtigkeit, Als ihn vergeblich Lady Argyll suchte Und schier verzweifelt über den Verlust Er brennt in meiner Hand, nehmt ihn, es ist Der Schlüssel des geheimen Eingangs zu Den Zimmern Ihrer Majestät! MURRAY den Schlüssel ergreifend. Sogleich Soll er zurück gegeben werden! - Geh! Aus meinen Augen! ANDREWS. Schonet mein, Mylord! ab.
MURRAY allein. Ein Stückchen Eisen nur Und doch mehr Werth als alles Gold der Erde, Gekauft um ein'ge Heller - und wird doch Zu theuer nicht mit einem Reich gezahlt! ... Ο Felsen Bothwell! - Dieser Mosesstab Entlocket Deinem marmorstarren Herzen Entzückten Dankes lebensvollen Quell Und Schottlands Herr bin ich - bin ich der Deine! Er geht ab.
unter Wegs - verloren (E1K) ] unter Wegs verloren von mir - gefunden - (E1K) ] von mir gefunden -
Maria Stuart in Schottland
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Vierter Auftritt LADY ARGYLL,
gleich darauf
MARIA.
vorsichtig her eintretend. Niemand! - Gott sei gelobt - Kommt theure Lady Ihr seid in Sicherheit - Kein lebend Wesen Hat Euch gesehn. Ach der unsel'ge Schlüssel! Nicht Ruh noch Rast vergönnt mir der Gedanke, Daß Andrews ihn entwendet. MARIA. Armes Kind! Du thust ihm Unrecht, er ist treu. Sei ruhig, Der Schlüssel liegt für ew'ge Zeit verloren Auf Lehad's Haide. LADY ARGYLL. Geb' es Gott! L A D Y ARGYLL
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E r wird
Es geben! Was versagt er mir der Gnäd'ge, Der Bothwell mir erhielt? LADY ARGYLL. Daß Bothwell Euch So vieles ist - sollt' Euer Stolz, Mylady, Euch hindern zu gesteh'n. G e s c h m o l z e n ist
Die Eisesrinde: Stolz, vom Herzen, das Um Ihn gebebt. Nichts mehr von Strenge, - nichts Von Härte mehr, dem Liebsten gegenüber Hab ich an Ihm nicht Alles gut zu thun, Den ich gejagt in Schlachten und Gefahren? Er kehrt als Sieger, glorreich kehrt er wieder, Und soll als Sieger mir empfangen werden, Von allem Volk, von meinem ganzen Land, Der Stolz auf Ihn, sei fürder all der meine! L A D Y ARGYLL. Ihr schwärmt Mylady - hingerissen ganz Von Eurer sünd'gen Liebe. Sündig? Ο MARIA. Das ist sie nicht, und soll es niemals sein! Wie ich das Gute liebe, lieb' ich Ihn Den besten Mann! - Und geb mich ihm zu Eigen Wie ich der Tugend mich zu eigen gäbe: Mit meiner ganzen ihm geweihten S e e l e ! Nicht uns're Liebe braucht, die gottgeschenkte, Der Aeußerungen armer Leidenschaft. Nicht meine Hand, nicht meines Kleides Saum,
I. Text
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Soll er berühren und mein Herr doch sein! Ist das auch Sünde, liebe Leonor? "Es ist nicht Sünde!" juble ich beseligt Nicht Du mein Gott, der in die Herzen sieht, Erfülltest mein's mit solchen Wonneschauem, Wenn Du verdammtest, Herr! was es bewegt. MURRAY tritt ein. Ich höre freudig, daß die Kön'gin sich erholt. MARIA. Habt Dank, mein Bruder Murray, mir ist wohl. MURRAY. Gott gibt die Kraft im Augenblick Dir wieder, Wo ihrer Du am dringendsten bedarfst. Ich komm, um Deine Strenge anzurufen. MARIA. Ο nichts von Strenge! Milde fordert heut Von Eurer Königin - sie fühlt sich stark Um Tausende mit Glück zu überschütten Allein zu schwach, um Einem Weh zu thun! Wir haben gute Nachricht von den Grenzen Der Markgraf hat nicht nur als Held gesiegt, Auch wie ein Staatsmann seinen Sieg benützt. In wenig Stunden trifft er selbst hier ein, Was seine Boten melden zu bestät'gen. Der Friede waltet, wo der Krieg gewüthet, Und seiner Segnung freuet sich mein Land! Sie werd' ihm unverkürzt, erquickungsvoll Es sollen späte Enkel noch gedenken Des Tags, an dem ich siegte, zu beglücken. MURRAY. Das ist ein edler Vorsatz. Doch indeß Du einige Provinzen hochbegnadigst, Gährt Unzufriedenheit in Deiner Hauptstadt. Die Nachricht, daß ein päpstlicher Legat... MARIA. Ja wohl, - ich dacht's! - Ist weiter nichts als dies? - Er soll verzögern seine Ankunft - soll Nicht kommen. MURRAY. Mehr hab' ich zu melden. Dein Gesandter an dem Hof von London schreibt, Daß täglich dort Dein Anhang sich vergröß're. Nicht mehr allein die Katholiken, auch Die Gegner des allmächtigen Cecil Erklären sich für Dich. Elisabeths Besorgniß steigt, man hört, daß sie beschloß Mit Heeresmacht in Schottland einzufallen, Und sagt ... MARIA. Man hört - man sagt - berichtet so
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Maria Stuart in Schottland Ein Staatsmann?! MURRAY. Hab' ich doch Beweise! MARIA. Ihr sollt nicht ewig diese Feindschaft nähren. Ich will vergessen, was Elisabeth Mir angethan, will mich versöhnen, Murray, Mit meiner Schwester. MURRAY.
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Laßt.
D U ? u m G o t t ! W a s ist
Gescheh'n, das Dich so umgewandelt? MARIA verwirrt. Gescheh'n? MURRAY. Du bist so mild gestimmt, daß ich besorge Des Königs Plan, von Schottland zu entflieh'n, Erfährst Du nur, ihm Glück dazu zu wünschen. MARIA. Mit meinen Bitten werd' ich ihn bekämpfen, Auf meine Bitten wird mein Gatte hören. Verworrenes Geschrei aus der Entfernung.
Fünfter Auftritt DIE VORIGEN. DARNLEY Stürzt verstört und athemlos herein, nach ihm LENNOX, HUNTLY, RUTHVEN.
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DARNLEY. Gerechtigkeit! Beschützt mich Königin! MARIA. Was ist geschehen? Darnley! blutend, bleich. Faßt seine Hände. MURRAY. Erholet, fasset Euch! DARNLEY. Ich kam vom Schlosse Schon nahe meinem Haus, da traf er mich MARIA. Um Gottes willen - Wer? DARNLEY ZU Murray. Derselbe Mann Von welchem ich Dir sprach — LENNOX. Gedungen war Der Schuft. MARIA. Von wem? Von welchem Bösewicht? RUTHVEN. Das sagt er keinem mehr - ich hieb ihn nieder. DARNLEY. Als das Verbrechen schon mißlungen war Und er gestehen wollt', wer ihn verleitet. LENNOX ZU Ruthven. Sehr übereilt habt Ihr gehandelt, Lord. HUNTLY. Ich meine eher, sehr wohl überlegt.
Erfährst Du (E1K) ] Erführst Du
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RUTHVEN. Nicht meiner mächtig - schlug ich nach dem Hund, Wußt ich's, daß die Canaille so gebrechlich? LENNOX. Wer hat zum Richter Euch bestellt? DARNLEY. Ihr seid Verdächtigt selbst, durch Eure freche That Und durch das letzte Wort des Sterbenden, Er hauchte noch vergehend einen Namen HUNTLY. Den Eueren bei meiner Seele! "Ruthven" Hat er im letzten Todeskampf gestöhnt MURRAY Ruthven fest anblickend. Der Name war kein and'rer doch als Ruthven? Es gibt so manche, die ihm ähnlich klingen; - Zum Beispiel RUTHVEN. Both well - nicht? MARIA. Allmächtiger! DARNLEY. Noch heute soll sich jeder Zweifel lösen. Zu Maria. Gebt den Befehl, ihn vor Gericht zu stellen. MARIA nach einer Pause. Der Himmel selber hat gerichtet, Sire! Des Herren Weisheit führte Ruthvens Hand. Wollt Ihr, was Er gethan, noch bessern? Wagt Ihr ein Wort, wo der Allew'ge sprach? Fürwahr! Wir thäten besser ihm zu danken Der Euer Leben wunderbar erhielt, Als drob zu grollen, daß die Rache an Dem Elenden, der es bedroht, nicht uns Alleine überlassen blieb. DARNLEY. Ist Ruthven Euch der Arm der Vorsehung? MARIA. Verlaßt uns, meine Lords. Ich will zu Dome, Will betend vor dem Bilde meines Heilands, Des übervollen Herzens Dank ergießen. Lennox, Huntly, Ruthven ab. DARNLEY auf letzteren deutend. Wollt Ihr mit D e m im Einverständniß scheinen? MARIA. Ich dinge keine Mörder, König Darnley. Ab mit Lady Argyll. DARNLEY. Ich rufe Euch zum Zeugen Bruder Murray, Daß ich in Schottland rechtlos worden bin, Und ausgesetzt dem Schlage jeder Hand, Die frevelhaft sich gegen mich erhebt. MURRAY. Jetzt ist es Zeit! Du sollst dies Land verlassen, Doch nicht allein - und auch zu Schiffe nicht. Ruft hinaus: Lord Kerr! - Ein and'res Mittel weiß ich Dir Zur Rache! Zu dem eintretenden Kerr: Freund! Der König bleibt!
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Maria Stuart in Schottland ÜARNLEY will ihm in's Wort fallen. MURRAY leise. Laß mich! Laut. Sein Schiff, das reisefertig liegt im Hafen Es streicht die Segel alsogleich. - Entlaßt Die Mannschaft in des Königs Namen, gebt Befehl die Waffen und den Pulvervorrath Nach seinem Schloß zu bringen. Geht Mylord. Kerr ab. DARNLEY. Was hast Du vor? MURRAY. Als ein Vertrieb'ner nicht, Als Fürst und König sollst Du zieh'n in dessen Verletzter Majestät die Majestät Von allen Königen verletzt, und der Genugthuung begehrt im Namen Aller. - Elisabeth von England wartet Dein Der als Verkläger ihrer schlimmsten Feindin Vor ihr erscheinen soll. DARNLEY. Elisabeth Sagst Du? MURRAY. Schon sind die Pfade Dir bereitet, Im Einverständniß längst Mylord von Bedfort; Doch kommen wirst Du nicht allein, der tief Gekränkte Gatte tritt mit seinem Sohn, Gerechtigkeit und Schutz begehrend, vor Elisabeth. DARNLEY. So sei's! MURRAY. Vor Abend noch Führ' ich das Kind Dir zu. Verlaß mich nun, Und kehre bald, scheinbar versöhnt, zurück. Aus diesem Fenster siehst Du nach dem Park, Am Ausgange desselben harrt ein Wagen Sobald die Nacht gekommen. Wenn Du nun Von hier hinüber blickst, in dieser Richtung, Wird eine Fackel an des Gartens Saum, Rasch angezündet, rasch wieder verlöscht, Das Zeichen sein, daß die Entführung mir Gelang, und Dein im Wagen harrt der Prinz; Dann ist es Zeit - Dann zög're nicht zu folgen. DARNLEY. Von England aus, will ich Dir danken, Bruder! Er geht ab. MURRAY allein. Mir danken, Wurm? So dankt die Kugel aus Dem Rohr geschossen - wenn sie trifft. Zinken und Hörner. Von der Straße herauf der vielstimmige, oft wiederholte Ruf: Hoch Bothwell!
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Da kommt der Mann des Tag's! Er tritt zum Fenster. Fürwahr ein schöner, Ein königlicher Zug! Ο schrei Dich heiser Du thöricht blödes, kurzsichtiges Volk! Bald sollst Du keuchen unter seinem Joch Wie unter ihm sein dampfend Roß jetzt keucht. Ha! Wie sich's bäumt und schnaubt - und wie sein Schweiß Zur Erde niederregnet, mit dem Blut Der wundgespornten Flanken! Ruhig Berber! Dies alles nützt dir nichts - dein mächt'ger Reiter Bemerkt kaum deine Wuth, er preßt um dich Die stahlgeschienten Schenkel, daß dir keuchend Der Athem nur entfährt, und blickt hinauf Zum Fenster seiner Lieben - seligen Verklärten Angesichts ... Ο welch ein Blick! ... Jetzt hat er sie geseh'n ... Entblößt sein Haupt Und beugt es, beugt's bis auf des Rosses Nacken ... Vortrefflich, edler Lord! frohlocke kühn Das Herz der Königin hast Du erobert Die Kön'gin selber - lief're ich Dir aus!
Sechster Auftritt PAGEN öffnen die Thüre, HOFLEUTE machen Spalier, BOTHWELL kommt mit großem GEFOLGE.
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BOTHWELL. Mylady Argyll melde mich, ich will Zur Königin. MURRAY . Willkommen Mylord Markgraf. BOTHWELL. Da Ihr es bietet - ist es kein Willkomm. MURRAY. Entlaßt Euer Gefolg', ich hab' mit Euch Zu reden. BOTHWELL. Wirklich? Wirklich? MURRAY. Weigert Ihr's? Auch gut - doch wißt - Ihr weigert's einem Freund. BOTHWELL. Ein Murray und mein Freund? Ο laßt die Possen! Zu den Hofleuten. Habt Ihr gehört? Ich will zur Königin. Pagen ab. MURRAY. Mich jammert sehr, daß Schottlands erster Mann Erde niederregnet, mit dem Blut (E1K) ] Erde niederregnet mit dem Blut auf des Rosses Nacken ... ] auf des Rosses, Nacken ... Setzjehler Kön'gin selber - lief're ich (E1K) ] Kön'gin selber lief're ich
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Maria Stuart in Schottland Verdammt sein kann gleich andern kleinen Leuten, Im Vorgemache demuthsvoll zu warten Bis es gefällt dem läß'gen Hofgeschmeiß Ihn anzumelden. Lord! das sollt nicht sein ... - Der Zufall spielte mir, er spielt oft seltsam, Hier einen Schlüssel in die Hand, der Euch Das Melden bei der Königin ersparen ... BOTHWELL erfaßt den Schlüssel, zum Gefolge. Geht Alle! Geht! Das Gefolge und die Hofleute ab. Wie kommt Ihr zu dem Schlüssel? MURRAY. So viel ich seh' seid I h r dazu gekommen. Sich Bothwell nähernd, leise. Vom großen Gange an der Treppe, führt Ein kleinerer zu Lady Argyll's Zimmern, Ihn abzuschließen scheint 'ne Bretterwand, Von dieser rechts, vom Boden eine Spanne, Ist unter anderm Schnitzwerk, Schottlands Distel Sorgfältig ausgeführt; verschiebt Ihr sie So wird ein Schlößchen sichtbar ... BOTHWELL in höchster Spannung. Und wenn ich Nun öffne? MURRAY. Weicht die Wand. Ihr stehet an Der Mündung zweier Gänge, einer rechts Führt zu dem Souterain im äuß'ren Hof Das dieser selbe Schlüssel Euch erschließt, Der andre links führt zur Königin ... BOTHWELL. Mein Leben nehmt! Reißt mich in tausend Stücke, Werft meine Habe Euren Hunden vor In Ewigkeit bleib' ich doch Euer Schuldner! MURRAY. Erkennet nur, daß ich nicht Euer Feind. Murray ab. BOTHWELL allein. Entzücken! Ο die Macht ist mein, denn mein Ist ihre Trägerin! LADY ARGYLL kommt. Die Königin Ersucht Euch zu verziehn, sie ist nicht wohl. BOTHWELL. Nicht wohl? War sie es doch vor wenig Stunden - Sagt Ihr ... LADY ARGYLL. Bringt Eure Botschaft selbst, Mylord Bis es gefällt der Fürstin sie zu hören. Sie geht ab. BOTHWELL. Verdammt die Weiberlaunen! Oder - Halt! Ist der Gedanke Thorheit? - war es nicht Der Zufall nur, der diesen Schlüssel spielt In Murray's Hand? ... S i e h a t es s e l b s t g e t h a n ! -
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... Ο jetzt mein Ehrgeiz steige kühn empor, Zerreiße flutend alle Dämme: Stolz! Entfalte Deine Schwingen Herrschbegier Und trage mich in einem Adlerflug Zur Sonne Ruhm, zum Himmel: Allgewalt! Er stürzt hinaus. MURRAY kommt. Schon fort? Hahaha! Eine Schäferstunde Sei ihr vergönnt der guten Königin Indessen wir ihr Kind entführen, und In einem einz'gen Mann, der Feindin so Gewalt'ge Hülfestruppen senden, wie Ganz Schottland unter Waffen sie nicht stellte. Ein P f i f f . Was gibt's? War dies nicht Kerr's Signal? Eilt zum Fenster. Er selbst? - Er winkt - winkt m i r - Ich komme - Steht! ... Es kann Mißlingen nicht... Und w e n n ! Ο pfui — Bin ich Nicht Murray mehr, der aus Mißlingen nur Ein anderes Gelingen sich erschafft? Murray ab. BOTHWELL erscheint im Hintergrunde mit einigen seiner Leute, die nach erhaltenen Befehlen wieder verschwinden, zu ihnen: Führt beide vor's Gericht - doch ruhig - hört Ihr? Kein Aufseh'n, Euer Leben gilt's! HUNTLY hereintretend. Was ist geschehen? Was habt Ihr entdeckt? Wem droht Gefahr? BOTHWELL. So lange i c h hier stehe My lord von Huntly - keinem Redlichen. HUNTLY. D i e K ö n i g i n !
Siebenter Auftritt DIE VORIGEN. M A R I A , LADY ARGYLL, GEFOLGE.
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MARIA. Seid mir gegrüßt, Lord Markgraf. BOTHWELL. Gott segne meine Königin! Ich bringe Die Huldigung der mir vertrauten Marken. MARIA. Und Trost und Freude an den düst'ren Hof. Während dieser letzten Worte sind eingetreten: Darnley, Murray, Mar. DARNLEY. Mylord von Bothwell? - Völlig schon genesen? Ich wünsche Glück zu dieser raschen Heilung, Gefördert durch die Pflege einer Königin. MURRAY. W a s t h u s t D u ?
Lennox,
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Herr im Himmel!
LENNOX.
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W a s ist d a s ?
BOTHWELL. Ich leiste Gegendienst! ... Mylord von Huntly! Laßt augenblicklich unter Waffen treten, Was Waffen trägt in Edinburg, verdoppeln Die Posten - alle Eingänge besetzen Zum königlichen Schloß - verbreiten in Der ganzen Stadt die Kunde, daß Gefahr Dem Prinzen drohe ... MARIA. Meinem Sohn?! BOTHWELL.
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ZU S c h u t z
Und Hülfe ruft die Bürger auf! Huntly ab. Verworrenes Geschrei und Waffengetöse in den Vorhallen. DARNLEY ßr sich. Verrathen! BOTHWELL. Im Werke ist ein schändliches Komplott Entführt - an England ausgeliefert, soll Der Kronprinz werden ... MARIA. Ο mein Gott! BOTHWELL.
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Verdacht
Aus manchen bangen Zeichen schöpfend, das Bei meiner Ankunft schon mich überrascht, Belauschte ich im Souterain des Schlosses, Die Elenden, die ihr Verführer wählte Werkzeug zu werden seiner Frevelthat - Die Beiden freilich sind unschädlich nun. MURRAY. E r s c h l a g e n ? !
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BOTHWELL. Nein - gefangen. Doch sie sind Ja nur der Schlange Schwanz - ihr Haupt vermuth Ich hier, und hier will ich's zertreten! ... HUNTLY.
Wen
Verdächtigt Ihr? BOTHWELL.
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ES ist ...
MARIA mit einem Blick aufDarnley. O! - Sprecht'S nicht aus! DARNLEY trotzig. Ich war'S! Dein schwerbeleidigter Gemahl. In jeder Fiber, jedem Nerv' verletzt, Erhob ich mich das Aeußerste zu thun Nachdem Du mich zum Aeußersten getrieben. MARIA nach einer Pause. Mein werther Lord von Mar! Wogegen sich Mein mütterliches Herz bisher gesträubt Und ich der Sitte dieses Lands zum Trotz Verweigerte: den Prinzen - meinen Sohn Noch einem andern Schutz anzuvertrauen
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Als jener ist, den ich gewähren kann Ich thu' es jetzt - und wähle Euch Mylord, Bestelle Euch zu meines Sohnes Hüter. Wacht über dieses arme Kind, das nicht Mehr sicher ist in seinem Vaterhaus. MAR. AUS Deiner Hand empfang ich es, und heb' Die meine auf zum Schwur: So schütze mich Der Ewige, wie ich Dein Kind vertheid'gen Und schützen will in jeglicher Gefahr Mein Leib sein Schild, und dieser Arm sein Schwert. Mar geht ab. MARIA sich zu Darnley wendend, ruhig. Ihr habt verreisen wollen, König Darnley Ich halt Euch nicht zurück. Erfüllt die Sehnsucht Die Euch von hinnen treibt, und lasse Euch Ein gnädiges Geschick mehr Segen finden In fremden Land als diesem Ihr gewährt Lebt wohl! Maria mit Lady Argyll ab. DARNLEY. Lebt wohl! Denkt meines Schwur's, er soll Gehalten werden, Königin! Darnley ab. LENNOX ihm folgend. Warum Gerade mir solch' einen Sohn, mein Gott? Die Schande bleichte heut' mein Haar - wenn es Dies heut' nicht schon gebleicht gefunden! DOUGLAS. Bedauernswerther Greis! Bedauernswerth Auch wir - die einen König ehren sollen In diesem Darnley. HUNTLY. Ο ich gäb' mein Leben Das seine ihm zu nehmen! Schenkt ihm freudig Die Hälfte meines Muth's - daß er sich mir Nur stellt! RUTHVEN. - Ich lieb' Euch nicht - allein für solch' Ein Wort, küßt' ich den Teufel. Eure Hand! HUNTLY. Wir theilen Euren Haß - doch Meuchelmord Soll ihm genug nicht thun. RUTHVEN. Was David ließ Vollziehen an Urias, und Moses that An dem Egypter, nehmt getrost auf Euch! Ihr braucht nicht besser sein als diese waren. DOUGLAS. Geduld! Geduld! auch Darnley's Stunde kommt. Douglas, Huntly, Ruthven ab.
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BOTHWELL. Da geht es hin dies jämmerliche Volk, Das nicht empfinden, das nur schwatzen kann, Strohfeuer alles dieses - Funken - Funken Nicht eine Lohe überwält'gend - zündend! MURRAY fir sich. Jetzt letztes Mittel: Hilf! Wie sich das Glück Von Deiner Sache wandte, König Darnley, So wende ich von ihr mich hiemit ab! Zu Bothwell. Nur Funken? Wohl! doch einer schon genügte Für ewig diesen Darnley zu vernichten.
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BOTHWELL. W a s sagt Ihr da?
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MURRAY. Was aller Welt bekannt. Schläft dieser Mann noch thörichter als feig Denn nicht in seinem abgelegenen Haus Auf 'nen Vulkan? BOTHWELL. Was wollt Ihr damit sagen? MURRAY langsam, gleichgültig. Jedweder weiß, daß seines Hauses Keller Gefüllt mit Pulver und Munition, Die er dahin von seinem Schiff ließ bringen. Bedenket nun, mein theurer Lord, wie leicht, Wie spielend - wie ganz unnachweisbar Ein Nichts - ein Hauch - ein Funke, welcher fällt... BOTHWELL. Genug! Genug! MURRAY. Laßt uns davon nicht reden Gefahren nennen - heißt zu oft: sie wecken Bothwell beobachtend, der in höchster Aufregung auf und nieder geht, leise für sich. Der Funke fiel - der Funke hat gezündet! Nach einer Pause. Ich will zu Lennox - dieser Graf ist rasch In seinem Handeln, kommt mir leicht zuvor, Ich muß die ganze Sorge meiner Liebe Um meinen guten König - in das Herz Des besten Vaters schütten, muß ihn warnen, Laut. Lebt wohl My lord. Murray ab. BOTHWELL allein. Ich thu's! - Ich will es thun! Wahrhaftig - einen bessern Mann würd' ich Ermorden - gält' es einen Thron! Maria tritt ein. Maria! Ο Endlich! Endlich! MARIA. Meinen Sohn hab' ich An meine Brust noch pressen müssen, Bothwell, Bevor ich kam zu danken seinem Retter. BOTHWELL. Der einz'ge Dank, den ich begehre, Fürstin, Ist Rache an dem Vater Deines Sohn's.
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MARIA finster. Dann lebt E i n Wunsch in uns'rer Seelen Tiefe Und wenn wir beten, steigt dieselbe Bitte Zum ew'gen Himmel auf. BOTHWELL. Bei dieser Hand, Dem Gottgeschenke, das er nie verdient - Bei diesem Auge, dem er tausend Mal Der Schmerzensthräne herbe Flut erpreßt Gelob' ich's hier im Angesicht des Himmels Ich räche Dich! Will fort. MARIA. Nicht Du! BOTHWELL. Kein Anderer! Der Preis ist mein, und mein sei auch die That! Ich richte ihn. MARIA. Um aller Heil'gen Willen Beschwör' ich Dich ... BOTHWELL. Ei sieh' doch - welche Inbrunst! Erwacht die schnöde Leidenschaft von Neu'm Für diesen Jammermann? ... Liebst Du ihn noch?! MARIA. Ich lieb' ihn, wie das Aug' den Dorn, an dem's Erblindet - wie das Herz die Wunde, an Der es verblutet. BOTHWELL. F l u c h ' i h m ! der dies Herz Also zerriß - daß es nur leiden - nicht Mehr lieben kann. MARIA. Ο Irrthum! Glaube mir Unsäglich lieben - kann nur der allein Der es versteht - unsäglich auch zu leiden, Und wo sich Lieb' und Leid' zusammenfinden Da wachsen beide über menschlich Maaß. BOTHWELL. Du hast der Liebe Schmerzen nur gekannt, Ich führe Dich in ihre Wonnen ein! In Trümmer aber brech' ich jede Schranke, Die meine Sehnsucht von Erfüllung trennt, Erschüttere des Himmels ew'ge Säulen Drängt er sich zwischen uns und uns'ren Bund! Will fort. MARIA. Wohin?! BOTHWELL. ZU König Darnley. MARIA. Bothwell! Bothwell! Verschone ihn! Ich hab' ihm angehört Ich hab' sein Kind in meinem Schooß getragen, Genährt an meiner Brust - verschone ihn! Bothwell wendet sich trotzig ab. An meinen Bund mit diesem schlechten Mann,
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Zerschellt' mein Glück als wie am Fels die Woge Es soll durch ihn nicht auch mein Frieden scheitern. Sich Bothwell nähernd und seine Hand fassend. Bei dem Geständniß, das ich Dir gethan, Bei jeder Treu' und Ehrlichkeit auf Erden, Beschwör' ich Bothwell Dich: gelobe mir Daß Dir sein Leben unantastbar heilig ... BOTHWELL. Nein! Nimmermehr. MARIA. Kannst Du's der Liebenden Verweigern, Deiner Kön'gin kannst Du's nicht Und s i e befiehlt! ... BOTHWELL.
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Maria!
MARIA. Schwöre! Schwöre! ... BOTHWELL für sich. Was ich beschloß, ich will und werd's vollenden, Wenn m i t Dir nicht, ο Königin, t r o t z Dir. MARIA. Dein Wort begehr' ich - gib' Dein Wort. BOTHWELL.
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Duhast's.-
MARIA. Gott sei gelobt! und - Du! - Hab' Dank! BOTHWELL. Leb wohl. Rasch ab. Die Bühne allmählig verfinstert. MARIA. Ο bleib'! geh' nicht von mir - nicht jetzt... Umsonst! Er gab sein Wort, was bebst Du feiges Herz? Der Schatten von dem Schatten eines Zweifels Ist arger Frevel an dem Treuesten. Zusammenfahrend. Wer kommt? - Wer ruft? - kein lebend menschlich Wesen Mein armes Hirn ist fieberkrank, und leiht Gestalt der Leere, und der Stille Stimmen. Nach einer Pause. Ο gnäd'ger Gott! Den Einz'gen unter Allen Den ich bewährt gefunden, laß nicht sinken! Nimm alles Herr, laß mir an Ihn den Glauben. Nicht zu dem frommen friedensvollen Walten Das and'rer Frauen stillbeglückend Loos, Hat mich Dein Wille - Ewiger bestimmt. In meine Hände legtest Du ein Scepter Das wie ein Schwert geformt: als wie ein Schwert Zu schwingen und zu brauchen. Steter Kampf Heißt meines Lebens ernste Losung - Kampf Um jedes Recht, um jedes Eigenthum, Das heil'gste selbst, und unantastbarste! -
Wer ruft? (E1K) ] Wer ruf? fieberkrank, und leiht (E1K) ] fieberkrank, und leicht
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Ein rauhes Tagwerk ist das meine, Herr, Die Kraft versagt, gönn' Labung mir, mein Gott Und laß' mich ruh'n, erschöpft vom Kampfgewühle, In einem milden, heilenden Gefühle! Ein dumpfes, rollendes Getöse erschüttert die Luft. Einen Augenblick darauf tiefste Stille, dann lautes Geschrei von vielen Stimmen, das immer wächst und näher zu kommen scheint. Allmächt'ger! Was war das? Eilt zum Fenster. Täuscht mich mein Auge? Was hebt sich dort und steiget in die Lüfte Und qualmt empor in schwarzen Rauchessäulen Ein ungeheuer - fürchterlich Gebilde Durch dessen finst're Wirbel, Flammen schwirren, Wie gold'ne Pfeile durch die tiefe Nacht Hat sich der Hölle Rachen aufgethan Und speit Verderben über uns're Häupter? L A D Y A R G Y L L stürzt herein. Um Gottes willen, Königin ... MARIA.
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Geschehn? 15
Ein furchtbar - grauenhaftes Unheil Fassung Eleonor ... LADY ARGYLL. Sie sagen, - sagen Des Königs Schloß sei in die Luft gesprengt ... M A R I A . Gerechter! Murray, Lennox und Mar rasch auftretend. MURRAY. W O ist Darnley? ... Wo? MARIA. Auf seinem Schlosse L E N N O X . Dann ist er todt Auf Bothwell zeigend, der auf der Schwelle stehen bleibt. und dieser dort - sein Mörder! M A R I A . Nein! LADY ARGYLL. MARIA.
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Wo ist Damley? ... Wo? (EIK) ] Wo ist Damley. Wo?
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Maria Stuart in Schottland
(E 1 mit E 1 K und E 2 )
Maria Stuart in Schottland Schauspiel in fünf Aufzügen von M. v. Eschenbach
Als Manuscript gedruckt.
Wien: Druck von Ludwig Mayer 1860
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Maria Stuart in Schottland
PERSONEN
MARIA STUART, Königin von HEINRICH DARNLEY, ihr
Schottland
Gemal
EARL VON LENNOX, sein Vater CARL VON MURRAY, natürlicher Bruder der Königin GRAF VON BEDFORT, Gesandter England's GRAF VON BRIENNE, Gesandter Frankreich's JAMES HEPBURN, Graf von Bothwell EARL VON CAITHNESS,
Lord-Oberrichter
EARL VON M A R LORD DOUGLAS LORD RUTHVEN LORD KERR LORD ATHOL LORD HUNTLY LADY ELEONOR ARGYLL
CUNNINGHAM (Freund Lennox's) IVERNESS, ein Offizier ANDREWS, ein Page RICHTER, LORDS, WÜRDENTRÄGER DES REICHS, OFFIZIERE, SOLDATEN, GEFOLGE.
Erster Aufzug Erster Auftritt Saal in Holyrood Die im Hintergrunde geöffnete Thür (die jedoch nach dem 2. Auftritte geschlossen wird), gewährt die Aussicht auf eine Terrasse, auf welcher WACHEN auf und nieder gehen. LENNOX, der eintreten will, wird von ihnen angerufen:
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Das Losungswort? LENNOX. Hoch König Darnley! LADY ARGYLL durch die Seitenthür links eintretend, eilt auf ihn zu. Willkommen theurer, ehrwürdiger Lord In diesem Hause, das kein Freund betrat Seit zweien langen, fürchterlichen Tagen! Willkommen Sir! Willkommen um so freud'ger, Als minder wir auf dieses Glück gehofft! LENNOX. Ihr sehet mich so tief bewegt, Mylady, Daß mir das Wort versagt. Hier meine Hand Es reicht sie Euch ein treu Verbündeter. LADY ARGYLL. Ich fasse sie, und mit ihr neue Hoffnung, Nicht Alles hat die Königin verloren, So lange Ihr noch schützend sie umgebt. Ihr kommt vom König! ... Ist's nicht so, Mylord? Ihr bringt von uns'rem Herren Gruß und Kunde Er wird die Schmach, die unerhörte, sühnen, Mit der man ihn in seiner Gattin traf ... Ihr kommt vom König - kommt vom König doch? ... - Was frag' ich nur! ... Ihr kommt, und daß Ihr kommt, Ist Zeichen mir, und ist Beweis zugleich! ... LENNOX . Bei Gott Mylady! Η i e r vermuthet, h i e r , Erwartet hab' ich meinen Sohn; daß ich's Umsonst gethan, das ist ein Räthsel mehr Zu allen, die mir in den letzten Tagen Das Schicksal aufzulösen gibt. Ein bang Gerücht, bis Dumbarton gedrungen, rief mich Nach Edinburg. - Ich komme - frage und Was ich erforscht, ist halbe Wahrheit kaum; Auf jedem Antlitz les' ich bleichen Schrecken, uns'rem (E IK ) ] unserem (E 1 )
Lennox!
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Maria Stuart in
Schottland
Dem Keiner wagt ein deutlich Wort zu leih'n, Nur flüsternd raunen sie's einander zu Das Gräßliche - und das Unmögliche ... 5
LADY ARGYLL. Das Gräßliche fürwahr! Doch leider n i c h t Unmögliche zugleich ... LENNOX. My lady! LADY ARGYLL.
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Ja!
Ihr findet Eure Königin gefangen, Die Schwelle feucht vom Blute Rizio's, Das Haus besetzt, bewacht von seinen Mördern ... LENNOX. Dann trug ein Wunder Gottes mich hierher Denn alle Pforten Schloß mein Name auf Als ein Ersehnter fast ward ich begrüßt LADY ARGYLL. V o n w e m M y l o r d ?
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LENNOX. Von Douglas, Kerr, von Ruthven ... LADY ARGYLL. Die Gräßlichen! Ein neues Opfer grüßten Mit wilder Freude sie, als diese Pforten Sich hinter Euch für immerdar geschlossen. LENNOX. Ich kam zu theilen meiner Fürstin Loos. LADY ARGYLL. Ο könntet Ihr doch mehr als nur es theilen, Vermöchtet Ihr zu wenden es Mylord! So ungeheuer ist, was sie getroffen, Daß mir's erscheint ein böses Bild des Traums Erzeugt von kranken Fantasie'n. Noch starrt Mein Blut, noch sträubet sich mein Haar, r u f ich's Zurück ... Hier ward's erlebt - in dem Gemach - zur selben Unheimlich düst'ren Stunde, wo der Tag Mit Schatten ringend - ihnen unterliegt. Die Fürstin, von der Krankheit kaum genesen, Die an den Rand des Grabes sie geführt, Nach der Geburt des königlichen Prinzen, Empfing, umringt von ihren Frauen Den Kanzler Rizio, eines Befehl's Vollziehung ihm gebietend, dem in stets Gewohnter Art der Staatsrath widerstrebt. Da öffnet plötzlich sich des Zimmers Pforte Und fünf vermummte Männer treten ein. Es klirrt das Eisen unter ihren Mänteln, In ihren Händen glänzen nackte Schwerter Und vier von ihnen dringen mit dem Rufe: "Du bist des Todes!" ein auf Rizio Nachdem der Fünfte - offenbar ihr Führer,
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Durch einen Wink des Angriff's Zeichen gab ... In Rücken, Brust und Kopf zugleich getroffen Stürzt Rizio zusammen - seine Hand Erhebt er flehend zu der Königin Und schleppt sich sterbend noch zu ihren Füßen, Sie breitet schützend über ihn den Arm Beugt nieder sich zu ihm entsetzensbleich Doch kaum hat sie den Sterbenden berührt, So ringet wild ein Schrei der höchsten Wuth Sich aus der Brust des Mannes, der bisher Dem grausen Schauspiel schweigend zugeschaut Er stürzt heran - dicht an die Königin, Und über ihrer Schulter senkt den Dolch Der Gräßliche in seines Opfers Nacken Schon hebt er ihn zu einem zweiten Streich, Schon fährt gezückt an ihr vorbei der Stahl, Da faßt sie ihn mit der Verzweiflung Kraft Und ringt die Waffe aus des Mörders Händen Zu spät - denn röchelnd sinkt der Kanzler nieder Mit seinem Blute netzend ihr Gewand. LENNOX. Unseliger! LADY ARGYLL. Doch nun, wird's laut im Schlosse Ο die Verbrecher kamen nicht allein! Indessen sie den Rizio ermorden Entwaffnen ihre Söldlinge die Wachen Auf allen Treppen, allen Gängen tobt Der Kampf. Vergeblich suchen Athol, Huntly, Vom kühnen Bothwell muthig angeführt, Der Uebermacht mit ihrer kleinen Schaar Voll Todeskühnheit Widerstand zu leihen. Sie weichen endlich - überall verdrängt ... LENNOX. Ihr nennt den König nicht? den König, Lady! Wo blieb mein Sohn an diesem Schreckenstage? LADY ARGYLL. Vergeblich rief die Königin nach ihm Und fordert ihn von den Verschwomen, als Sie unverlarvt nach ihrem Sieg erschienen; Vergeblich auch hat sie bisher gefragt Nach des Complott's geheimnißvollem Führer: - Er werde bald sich zu erkennen geben, Ist der Rebellen immer gleiche Antwort. LENNOX. Es ist der falsche Murray - zweifelt nicht! Seit der Verbannung hat er nicht geruht,
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Maria Stuart in Schottland
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Von England aus erhaltend wach den Haß Des trotz'gen Adels gen das Königshaus. Was e r ersann, das haben hier vollführt Der rauhe Ruthven und der stolze Douglas, Und s e i n e m Ehrgeiz, der nicht Grenzen kennt, Ist Rizio gefallen. LADY ARGYLL.
Ruthven kommt -
Sein finst'res Angesicht will ich vermeiden Und geh'η der Fürstin freudig anzumelden, Den freudig sie willkommen heißen wird. Ab.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. DOUGLAS, RUTHVEN.
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DOUGLAS ZU Lennox. Ihr seid dem Wunsche rasch zuvorgekommen, Den wir gehegt, Euch hier zu seh'n, Mylord! Laßt uns aus dieser Eile Theil am Sieg Zu nehmen, auf den Eifer schließen, den Ihr hegt für unsere Sache, und Euch grüßen Nicht nur als Gast - auch als Verbündeten. LENNOX. Ich bin gewohnt, im Haus, das ich betrete, Als seines Eig'ners Gastfreund mich zu fühlen, Und hier ... DOUGLAS. Seid aufrichtig. Ihr dürft's. Noch heut Entsaget König Darnley dem Geheimniß ... LENNOX. D e r K ö n i g ? !
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DOUGLAS. Wartet nur auf Murray's Ankunft Um abzulegen frei vor aller Welt Die Maske, die ... RUTHVEN. Was Maske! Laßt die Bilder! Beim Namen nennt, was einen Namen hat! - Ist Euer Staunen keine Lüge, Lennox, So höret, daß der König eifersüchtig Mit gutem Recht, auf Rizio, den Kanzler, Durch ihn verdrängt von allen Staatsgeschäften Wie aus der Gattin pflichtvergeß'nem Herzen Sich selber stellt an ihrer Gegner Spitze ... LENNOX. Ο gnäd'ger Gott! RUTHVEN. Und fordern wird von der
I. Text
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Gefangenen, zu seinem Königs- T i t e l Die W ü r d e gnädigst noch hinzuzufügen. LENNOX. Der Titel schon war schnöder Mißbrauch, Sir! DOUGLAS. SO lang er nur ein leerer Schall gewesen Von nun an mag sich Darnley König n e n n e n , Er wird es s e i n . RUTHVEN. Wir machen ihn dazu! Wir tragen selbst die Krone dieses Reichs Auf uns'ren blanken Schwertern ihm entgegen, Der ganze Adel, den sie unterdrückt, Die schott'sche Kirche, welche sie verfolgt, Verbünden sich zum Sturz der Königin. Ein gottgefällig Werk ist diese That, Und ihre Früchte, hoff ich, wird sie tragen. LENNOX ßr sich. So hoff ich auch. DOUGLAS. Den Earl von Murray, Der gegen seine königliche Schwester Zum Schwerte griff, als er durch sie gefährdet Die reine Lehre sah, und d'rum verbannt Nach England fliehen mußte, Euer Sohn Ruft ihn zurück. Er wird ihm Rath, er wird Ihm Stütze sein auf seiner neuen Bahn. LENNOX. Kein Feind lebt ihm so giftig wie der Murray! Der Neid auf Darnley, welcher ihm erschien Als Räuber all der Macht, die er geübt, Bevor Maria ihren Gatten wählte, Der Neid auf Darnley trieb ihn zur Empörung Nicht Glaubenseifer, denn er glaubt an nichts. RUTHVEN. Gleichviel! Jetzt sind sie einig worden, Sir! Ein Streben leitet sie, die Kirche, uns, Und aus ihm wird ein neues Reich entsteh'n, In dem nicht mehr die schott'sche Jesabel In Unzucht schwelgt, und ißt von Götzenopfern. WACHE draußen. Der König! DOUGLAS. Und der Earl von Murray!
die Kirche, uns, - (E IK ) ] die Kirche uns, - (E 1 )
Maria Stuart in Schottland
146 Dritter Auftritt
DIE VORIGEN, DARNLEY, M U R R A Y .
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DOUGLAS und RUTHVEN ihnen entgegen eilend. Dem König Heil! Und Heil dem edlen Murray! MURRAY. Und Euch Ihr Freunde! Ο habt warmen Dank Für Eure Liebe, die bei meinem König Mir der Verbannung Ende ausgewirkt, Das meiner Wünsche schmerzensreiche Glut Zur Heimat rastlos immer wiederkehrend Mit jedem Tage brennender ersehnt! DARNLEY Lennox erblickend. Mein Vater - Sir - dies Wiederseh'n - so hab' Ich's nicht gehofft... LENNOX. Und ich mein Sohn, hab' so Es nicht gefürchtet! MURRAY. Ο mein Fürst! Als ich den Fuß Auf diese Schwelle setzte - trunken von Des Wiedersehens Freude Dich umfing, War mir, als hielt' die Welt ich in den Armen Und so beseligt fühlte sich mein Herz, Daß ihm der Wunsch, der niemals ruhende, Erstorben schien. Nun ebben sich allmälig Die hohen Wogen stürmischen Gefühl's, Und sonnig heiter breitet sich vor mir Ein ganzes Leben voll Verheißung aus ... Doch mit der Ruhe kehrt die Ueberlegung, Und diese spricht: Frohlocke nicht zu früh! Ward viel errungen, Vieles bleibt zu thun; Mein edler König säume nicht - ! An's Werk! Indeß das Volk noch athemlos gespannt Unschlüssig, was es thun soll oder lassen, Sich bebend fragt wohin dein Streben geht? Mußt Du am Ziele steh'n! Noch heut vollende Was glorreich Du begonnen ... DARNLEY. Laßt die Rückkehr Der Boten mich erwarten, welche ich Gesendet gegen Dunbar, auszuforschen Und Euch Ihr Freunde (H1) ] Und euch ihr Freunde (E1) Settfehler Nun ebben (H2) ] Nun ebbnen (Η', E') Gefühl's, (E IK , H 2 ) ] Gefühl's (E1) was es thun soll (E' K , H2) ] was er thun soll (E1)
I.
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Text
Ob Bothwell rüstet, wie mir ward gemeldet. Sie steht bevor - und eine kurze Frist Verlang' ich nur ... RUTHVEN. WOZU? WOZU die Frist? MURRAY . Daß Bothwell gegen uns zu Felde zieht Deß' sei gewiß: die Mähr ist nicht erlogen! Und eben das zwingt Dich zu rascher That. Kommt er, noch ehe du die Krone trägst, Stehst du vor ihm als Hochverräther da; Doch dem gesalbten König gegenüber Ist e r Rebell, und wird also begrüßt. DOUGLAS. Entscheide Dich! MURRAY. Die Stunde drängt mein König! RUTHVEN. Ist's möglich, Herr? So lange zögerst Du Den Willen Gottes, der Dich ruft zu thun? ...
Vierter Auftritt DIE VORIGEN. KERR.
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KERR ZU Darnley. Von Dunbar trafen Deine Boten ein. DARNLEY. Was bringen sie? KERR. Was wir erwartet, Herr. Lord Bothwell's Anhang stehet unter Waffen. RUTHVEN. Er steht? Wer spricht vom Steh'n? Mich dünkt, er stürmt Heran und fordert sehr, daß man geziemend ihn Auf halbem Weg voll Höflichkeit empfange. KERR. Die Nachricht der Gefangenschaft der Fürstin Hat Sympathien für sie wachgerufen, Es strömt das Volk in Massen Bothwell zu, Selbst hier erheben Stimmen sich für sie. RUTHVEN. Die unsere Soldaten niederhalten Vom Geist des Herrn durchdrungen und beseelt! MURRAY. Mein König, längst ist Dein Entschluß gefaßt, Nun gilt's ihn auszuführen. Bring Du selbst Maria Stuart nach der Veste Stirling, Der edle Douglas gibt Dir das Geleite Mit seinem Kriegsvolk, wir indessen stellen
Auf halbem Weg (H 1 , H 2 ) ] Auf halben Weg (E 1 )
Setzfehler
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Maria Stuart in Schottland In Edinburg die tiefste Ruhe her. Sobald die Königin in sich'rer Haft, Kehrst Du zurück, und wirst vom Parlament Bestätigung in Deinen Rechten fordern. DARNLEY. An Eure Posten denn! DOUGLAS. Vergönne, König. Der Ueberlegung noch ein ernstes Wort! Bevor zu diesem Äußersten wir schreiten, Den Streit entflammen und den Bürgerkrieg, Laß uns verbunden vor die Kön'gin treten, Begehrend, daß ihr Wille auch gewähre, Was ihre Macht nicht mehr verweigern kann. RUTHVEN. Nicht eines Haares Breite wird sie weichen! DOUGLAS. Sie wird, denn also nur allein, bewahrt Sie sich noch einen Schein von Herrschaft. DARNLEY. Ich denk' wie Ihr, und stimm' euch bei Mylord. MURRAY. So gehet hin. Stellt Eure Ford'rung an Die Königin! Weigert die Erfüllung sie, Sind wir ihr gegenüber los und ledig Jedweder Pflicht und Rücksicht. DOUGLAS. Eines noch! In Edinburg darf Both well nicht erscheinen Bevor des Sieges völlig wir gewiß Ein Mittel gibt es seinen Schritt zu hemmen ... RUTHVEN an sein Schwert fassend. Wohl gibt es eins! Und ich ergreife es! DOUGLAS. Nicht also Lord! - Ein streng gemessener Befehl Muß von der Kön'gin selber ausgegangen, Ihm Halt gebieten ohne Zögerung Zu Darnley. Und den Befehl sollst Du erwirken, Herr! Längst ist es Zeit vor Deiner Gattin, Dich Als ihrer Gegner einen, zu erklären. Tritt vor sie als Gebieter - ford're von Der Überwundenen Gehorsam! Dies Begehren wir. RUTHVEN. Ja wohl! KERR. Was wir gethan Es ist für Dich gescheh'n, nun stehe Du In Treuen auch mit uns! Erneure Herr Den Eid, den Du geschworen: Eins mit uns In Sieg oder Verderben - unser Führer, Zu leben, und zu sterben! -
/. Text DOUGLAS und RUTHVEN.
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Schwöre! Schwöre!
MURRAY. Ihr Zweifler! Ihr mißtraut dem Fürstenworte? RUTHVEN. Weil wir d'ran glauben, fordern wir's als Pfand. DARNLEY zögernd. Mylords, ich schwöre - jede Sicherheit Die meine Macht im Stande Euch zu leihen Und jeder Schutz soll Euch gewähret sein ... DOUGLAS. Du gabst Dein Wort - empfange nun das uns're. ALLE VERSCHWORNEN. D e m K ö n i g Treue!
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MURRAY ZU Darnley. Und die Deine - ihnen! DOUGLAS. Bereite denn die Kön'gin auf uns vor! Vor allem aber denke des Befehl's An Bothwell, Herr. Sobald er ausgefertigt, Entbiete uns zurück. Zu Lennox. Der Einzige Der hier kein Wort gesprochen, Lennox, das Seid Ihr! Raubt Euch der Stunde Ernst die Sprache? Seid Ihr betäubt durch Eures Sohn's Triumph? LENNOX. Ich bin ein Greis, und stumpf für Ehrgeiz worden. KERR. Mein königlicher Herr, bei Rizio Ward dieser Schrank gefunden, Er stellt einen kleinen Schrank, den auf ein von ihm gegebenes Zeichen Diener hereingebracht, auf den Tisch. über ihn Gebühret Dir nur das Verfügungsrecht, Er trägt die Aufschrift von des Kanzlers Hand: "Nach meinem Tod der Kön'gin Eigenthum." DARNLEY. Was sagst Du? - Her! - Hierher! - Laßt mich allein. Ruthven, Douglas, Kerr ab. LENNOX. Ich wünsche Sohn, die Königin zu seh'n, Gönnt mir - Ihr Herren nun von Holyrood Bei Euerer Gefangenen den Eintritt. MURRAY. Mit nichten ... DARNLEY. Doch mein Bruder Murray! - Geht Mein Vater - und - ich bitte Euch - bereitet Maria auf ihr Schicksal vor - sagt ihr Wie unnütz jeder Widerstand - mahnt sie Den übermüthig stolzen Sinn zu beugen, Und als ein Weib zu dulden, rathet ihr. LENNOX. Ich werd' ihr rathen als ein Weib zu d u l d e n , Für sich. Bis sie als eine Kön'gin h a n d e l n kann. Ab.
13 21 Nach 21
Raubt Euch (H 1 ) ] Raubt euch (E 1 ) Setzfehler Hierher! - (E' K ) ] Hierher. - (E 1 ) Kerr } Keer (E 1 ) Set-Jehler
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Maria Stuart in Schottland MURRAY. Was ist Dir Darnley? Hab' ich mich getäuscht? Ich hoffte Dich zu finden, kühn, entschlossen, Von jener stolzen Zuversicht getragen, Die Sieg verleiht, weil an den Sieg sie glaubt, Und finde Dich - entmuthigt - finster - schwankend, Bei meinem Eid! Ein Knabe ganz und gar, Der vom Triumph geträumt auf weichen Kissen, Und da erwacht, er ihn verfolgen soll Auf rauhem Pfad, mit Eisen und mit Stahl Beim ersten Kampf, beim ersten Tropfen Blut Den er vergießen sah, entsetzt und schaudernd Die Fahne flieht! DARNLEY. DU irrst. Mit kaltem Muthe Stand ich vor Rizio's entstellter Leiche, Und blickte fest in sein gebroch'nes Auge. Allein Murray - zwei Augen gibt's, vor die Zu treten, Todesgrau'η mich faßt... Ich hasse und verabscheu' diese Augen, Sie haben oft so stolz mich angeblickt, So hochmüthig und höhnisch, daß in mir Jedwed Gefühl in Wuth sich aufgelöst Und all mein Sehnen in den Schrei nach Rache! Und doch - wie heiß ich auch den Tag ersehnt, W o sie im Staub vor mir sich senken müssen, Nun er gekommen - nun verwünsch' ich ihn! MURRAY . Das sprichst Du aus? Das wagst Du auszusprechen Nachdem Du mich zu Deinem Sieg geladen, Nachdem er halb vollbracht? DARNLEY. Das Letzte fehlt. MURRAY. Das: B e s t e sage - die Entschlossenheit A n ' s Ende ihn zu führen! DARNLEY. Nimmermehr! Ich will im Kampf um Schottlands Königskrone Erniedern mich bis zum gemeinen Streiter, Mit Volks wuth kämpfen und Parteienhaß, Und h a b ' ich sie errungen, mit Dir theilen Der Herrschaft Wonnen - : Macht und Ruhm, und Hoheit Nur Eines, Murray, sollst Du für mich thun Den Einen Schritt, der mir unmöglich ist... MURRAY. Was forderst Du? DARNLEY. Sei Du mein Bote bei Der Königin.
I. Text
Ich? - Sie darf es niemals ahnen Daß wider sie ich mich mit Euch verband Und ich sollt' selber mein Verräther sein? Eh das geschieht fließt rückwärts unser Tweed! D A R N L E Y . Ich dachte doch, Du dientest meinem Vortheil? M U R R A Y . Doch will ich nimmer meinem Nachtheil dienen. D A R N L E Y . Ich fleh Dich an! Gezählt sind die Minuten. M U R R A Y . Sie geh'n nicht mir - sie gehen Dir verloren ... D A R N L E Y . Verloren - ja - und ich bin es mit ihnen! M U R R A Y . Bejammernswerther Held! ... Von einem Weib Besiegt, das Dir Gehorsam schwur und sich Geweigert, Mann! ihn Dir zu leisten - das Die Herrschaft Dir versprach - und vorenthält, Das einen Günstling über Dich erhob ... D A R N L E Y . Sie leidet ihre Strafe - leidet, leidet, Zu meines Herzens jauchzendem Entzücken - Doch will ich nicht an ihrer Qual mich weiden, Nicht selbst der Henker ihres Glückes sein. M U R R A Y . Ο Heuchler! Kleide nur die Furcht in das Gewand der Großmuth - ihr fahl Gesicht, erkenn' Ich trotz der Larve! - Nein! Du w i 11 s t nicht siegen! — So geh' denn unter, wie Du es verdienst! So bleibe denn, was Du bisher gewesen: Der Schatten eines Königs - eines Weibes Geschöpf! - So trage denn Dein schmählich Joch, Wenn Dir die Kraft gebricht es abzuschütteln! Du bist geboren und gezeugt zum Knecht, In Deinen Adern rollt kein Königsblut! D A R N L E Y . Das lügst Du! MURRAY. Durch Thaten straf mich Lügen Die Worte spare - und vernimm mein letztes: Nicht ich, bei Gott! nicht ich, erwarte Heil Von der Comödie, in welcher Douglas Die Rolle des Vermittlers spielen will! Nur der Gewalt erliegt Maria Stuart, Sie muß nach Stirling, muß noch heut dahin ... D A R N L E Y . Unmöglich! MURRAY. Für den Kühnen Nichts! - und Alles MURRAY.
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Ich? - (EIK) ] Ich. - (E1) Bejammemswerther (H1, H2) ] Bejammerswerther (E1) Setzfehler leidet, leidet, (H', H2) ] leidet leidet, (E1) Setzfehler straf mich (H1, H2) ] straf mich' (E1) Setzfehler
Maria Stuart in Schottland
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Dem Zagenden! DARNLEY.
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DU w i l l s t . . .
MURRAY. Nicht weiter! Nur Dies eine höre: Wenn am nächsten Morgen Die Königin in Edinburg erwacht, Zählt sie um einen Diener mehr, und Du Hast ihn verloren - Murray nennt er sich! Murray ab. DARNLEY allein. Hab Dank für dieses Wort, Du schnöder Murray! Es facht den Funken Zorn in meiner Brust Zu ungeheurer Flammenlohe an, Und nicht über Maria's Haupt allein Auch über Dir soll sie zusammenschlagen! Der Thüre links zueilend begegnet ihm an der Schwelle: LENNOX. Wohin? DARNLEY. Zur Königin. LENNOX. Sie kommt. DARNLEY. Habt Ihr Sie vorbereitet mich zu sehen? LENNOX. Nein! Ich mocht ihr Deine Schande nicht verkünden. Noch ahnet sie von all dem Frevel nichts, Glaubt Dich gefangen, wie sie selbst es ist, Und wie sie selbst - ein Opfer der Empörung. Tritt ihr entgegen nun, mein wack'rer Sohn, Mit aller Hoheit Deiner neuen Würde, Mit allem Stolze Deines Selbstgefühls, Daß nicht zu tief ihr Anblick Dich beschäme; Du neben ihr, nicht allzu klein erscheinst, Denn ungebrochen ist ihr hoher Muth Und größer als das Mißgeschick: sie selbst Was mich betrifft - ich bin ein schwacher Greis, Schwach ist die Hülfe, die ich bieten kann, Doch hab' ich ihr auf meines Enkels Haupt Der Treue Eid geleistet, und will ihn Zu Ehren bringen, war ich auch in Schottland Der einz'ge Mann, der noch die Treue hält. Lennox ab. DARNLEY. Mylord, ich ... Will ihm nacheilen.
Ich mocht ihr (H 1 ) ] Ich mocht Ihr (E 1 ) Setzfehler
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I. Text
Fünfter Auftritt tritt langsam ein, als sie DARNLEY erblickt, eilt sie mit einem Schrei der Ueberraschung auf ihn zu.
D E R VORIGE. M A R I A
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MARIA. Darnley! Darnley! Ο mein Gatte! Bist Du's? Bist du es wirklich? Kann's denn sein? Ο Segen meinem Aug! - Ein Freundesantlitz, Auf dem es ruhen kann! DARNLEY. Ich bin kein Freund. Gedenk, wie wir uns trennten, und Du wirst Von diesem Wiedersehn nicht Segen hoffen. MARIA. Ich hab' Dich schwer beleidigt und verletzt Verzeih! - Das Herz ist stets am strengsten für Die Theuersten, und Fehler, kaum gerügt An Fremden, führen uns zum Zwiespalt oft Mit denen, die wir lieben. DARNLEY.
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Ja! Das war
Von jeher Deine Liebe! Tadeln heißt Die Huld, die Du gewährst, ein ew'ger Vorwurf Ist Deine Zärtlichkeit. - Nicht also will Geliebt ich werden - eher so gehaßt. MARIA. Ich hör Dich an mit sprachlosem Erstaunen Laß eine Frage meine Antwort sein: Mein ganzes Hoffen stand auf Dir allein, Ich glaubt' Dich frei - ich sah Dich - Heere werben Das Volk begeistern - Holyrood erstürmen Und wie ein Engel - wie ein Gott erscheinend, Das Richtschwert in der Hand - die Königin Und Deinen Sohn befrei'n! ... Doch Du bist hier, Wie ich - so scheint's - gefangen und bewacht Und unser Unglück, das die schlimmsten Feinde Zu Freunden machen mü ß t e , träfe sie's Gemeinsam - läßt in Deinem Herzen Raum Für einen kleinen Groll? ... DARNLEY.
Verblendete
Nenn' meinen Groll nicht klein! MARIA. Die Gründe sind'S Die ihn erweckt, er ist's im Angesicht 8 15 27
Die Theuersten, und Fehler (E IK , H 2 ) ] Die Theuersten und Fehler (E 1 ) mit sprachlosem (Η 1 , H 2 ) ] mit sprachlosen (E 1 ) Setijehler einen kleinen Groll? ... (E 1K , H 2 ) ] einen kleinen Groll ... (E 1 )
154
Maria Stuart in Schottland
Der Leiden, die wir jetzt erdulden. O! Vergiß ihn für den größeren Gedanken; Die Rettung erstens - und die Rache - dann! DARNLEY. DU träumst!
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MARIA. Willst Du Dich kampflos unterwerfen? DARNLEY. Wer war's der mich die Unterwerfung lehrte? Ich übt' sie nicht wär' ich gewöhnt an Herrschaft Trüg' ich die Krone die Du mir verweigerst ... MARIA. Ich weig're sie, weil mir kein Recht geworden Mit diesem heil'gen, untheilbaren Reif Ein zweites Haupt zu schmücken, nebst dem meinen. DARNLEY. Auch mir den Königstitel zu verleihen Besaßest Du kein Recht, und hast es doch Gethan! MARIA. Soll ich in Zukunft karger sein? DARNLEY. In Zukunft Herrin - wirst Du Großmuth üben Und alles geben - was man Dir ertrotzt! MARIA. Entsetzlicher! Kannst Du das Unglück höhnen Obwol Du blutest unter seinen Streichen? Oder - verschmerzest Du Dein Mißgeschick, Weil es zugleich - und schwerer - m i c h getroffen?! Ο Darnley! Darnley! - Ist es möglich denn Daß also sich des Menschen Sinn verkehre? - Du hast mich nie geliebt wie es mein Herz Verlangt - allein - wie D u 's verstehst: geliebt Aus freiem Antrieb hast Du mich gefreit Hast mein begehrt mit jugendlicher Glut ... DARNLEY. Auch dieses ist vorüber, - und vernichtet Jedwede Regung, die für dich gesprochen. MARIA. Ο Menschenherz! - Es treibt die todte Erde, Die prangend trug ein gold'nes Aehrenmeer, Auch wenn der Pflug darüber hingezogen Noch über's Jahr so manchen Halm empor Den Segen kündend, welcher hier geblüht. Und in der Schöpfung größtem Meisterstück In Dir - Du pochend lebensvolles Herz, Vertilgt ein Jahr so ganz die schönste Saat Die Deines Lenzes Fülle treibt: Die Liebe! Daß keine Regung, nicht das kleinste Zeichen, Des einst'gen Reichthums Herrlichkeit verräth! DARNLEY. SO ist's. Du sprichst es aus. MARIA. Sieh mir in's Auge!
I. Text l a ' s Auge! - Wie? - Du wagst es nicht? Nicht wagen? Ο ... Doch?! ... Nun sag' ich Dir: Du lügst! Beim Himmel, Du fühlest Mitleid und Gewissensangst! ... D A R N L E Y . Mein Auge täuscht, wenn es Dir Mitleid zeigt Ich habe keines für ein treulos Weib. M A R I A . Ein treulos Weib? DARNLEY. Das meine Ehre schändend Sich hingegeben einem nied'ren Günstling Zum Ärgerniß der Welt, zur Schmach des Gatten, Herabgesunken bis zur Buhlerin. M A R I A . Mein gnäd'ger Gott, ich hab' mich überhoben Nur allzuoft, in ungerechtem Stolz! Nimm dieser Stunde Schmach als Buße hin, Sie sühnet Alles - Alles überreich! D A R N L E Y . Verbrecherin! Verstummst Du im Gefühle Begang'ner Schuld und suchst vergeblich nun Nach einem Worte der Vertheidigung? M A R I A . Und fänd ich tausend - keines spräch ich aus! Ich bin gefangen und der Macht beraubt, Entehret durch die niedrigste Verläumdung, Allein so gräßlich tief noch nicht gefallen, Daß ich zu ihrer Widerlegung mich Erniedrigte! DARNLEY.
MARIA.
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So werden Zeugen reden! Kennst Du den Schrank? MARIA. Des treusten Dieners Händen In einer schweren Stunde übergeben, Wo mit dem Tode dieses Leben rang. Ich kenne ihn - gib mir mein Eigenthum. D A R N L E Y . Gefang'ne haben keins. - Wo blieb der Schlüssel? M A R I A . Von mir verwahrt. D A R N L E Y heftig. Gieb! DARNLEY.
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Mein Leben eher!
MARIA. DARNLEY.
Du weigerst Dich!
SO lang ich athme - ja. Wohlan! Auch Degenklingen öffnen Schlösser. Er sprengt den Schrank, Maria wendet sich verächtlich ab. - Da liegen sie, die Zeugen meiner Schande -
MARIA. 30
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DARNLEY.
treusten Dieners (E 1 K , H 2 ) ] treuesten Dieners (E 1 ) haben keins (H 2 ) ] haben keins' (E 1 ) Settfehler (H 1 : haben k e i n ' s )
Maria Stuart in Schottland
156 Verbrecherischer Liebe sünd'ge Boten! Verräther der Verrätherin - klagt sie Mit tausend Stimmen an! Was sie beschuldigt Entsühnet mich und macht gerecht mein Handeln!
Sechster Auftritt DIE VORIGEN. LENNOX rasch
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eintretend.
LENNOX. Nichts ist verloren und noch Zeit zur Rettung, Wenn jeder handelt, wie er kann und soll. MARIA. Auf Darnley zählet nicht. LENNOX für sich. Hat er gesprochen? ... Nein! Nein! Ich kenne meinen kühnen Sohn. DARNLEY der einen Brief nach dem andern durchfliegt und wieder in den Schrank zurückwirft. Das ist der Liebe Sprache nicht - Bin ich Betrogen überall? Verflucht die Schurken, Die mich verleitet haben! Was ist das? Der Kön'gin Testament! ... "So Gott mich ruft — " "Mein - vielgeliebter Gatte - Heinrich Darnley — " "Regent von - Schottland - bis zur Thronbesteigung" "Des Prinzen - meines Sohn's" ... Während dieser halblaut gesprochenen Worte ist Lady Argyll eingetreten. MARIA wirft sich in ihre Arme. Ο komm' Du Treue! Sie bleibt während des Folgenden auf Lady Argyll gelehnt im Hinter gründe der Bühne. LADY ARGYLL. Was ist geschehen, theure Lady? Fassung! DARNLEY den Blick starr auf das Testament geheftet. Und ich - hab' sie entehrt! ... Ich bin beschämt. LENNOX dicht an Darnley herantretend, leise und rasch. Nach Dunbar fliegt in dieser Stund' mein Bote, Und fordert Both well auf, mit seinem Heer Herbei zu jagen in beschwingter Eil! ... DARNLEY. Was sagt Ihr? LENNOX. Kommen wird er so gewiß Als der geschoss'ne Pfeil vom Bogen schnellt! Doch daß die Thore ihm geöffnet werden meinen kühnen Sohn (E' K , H 2 ) ] meinen kühnsten Sohn (E1)
1. Text
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Befiehl' Du selber. DARNLEY finster. Wie vermocht ich das? LENNOX. Dem Träger dieses fürstlichen Befehl's Wird sich kein Widerstand entgegensetzen. DARNLEY. Ist die Empfindung: Reue - die mich jetzt Durchströmt? ... Ich hab' bisher Dich nicht gekannt Du fremd' Gefühl - und will auch fürder Dich Nicht kennen ... LENNOX. Unterschreibe! DARNLEY .
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Ο der Qual! -
LENNOX. ES fordern die Verschwomen von Dir Den Haltbefehl der Königin an Both well, Schon wartet voll von Ungeduld ihr Bote Der ihn bestellen soll - Gib diesen ihm Anstatt des Haltbefehls. DARNLEY ergreift das Blatt. Was thun? Was thun? LENNOX. Wenn noch ein Funken Ehre in Dir glüht, So mache gut durch einen Federstrich Den ungeheuren Frevel an der Gattin Der Königin! DARNLEY im heftigsten Kampfe. Ich s Ο 111 e ! - Ja! - Ich fühl's ... LENNOX. Ich flehe - ich befehle! DARNLEY. N u n - w o h l a n ! Unterschreibt. Es ist gescheh'n ... LENNOX zur Thüre eilend, die er öffnet. Herein! Herein Ihr Alle! Die Kön'gin will Euch hören, meine Freunde! Douglas und Ruthven treten ein. Sie selber schickt den Haltbefehl an Bothwell - Zu einer Wache: Dem Boten dieses - der im Hofe wartet! Zum Fenster tretend und es öffnend, ruft hinab: Zu Pferd! zu Pferd! Und jagt, daß hinter Euch Ermüdet, keuchend, bleibt zurück der Sturm! DOUGLAS ZU Ruthven. Triumph! Der König hat gesiegt! RUTHVEN. Das heißt So viel als: w i r . DOUGLAS ZU Lennox. Reicht mir die Hand Mylord: Verzeihung meinem Zweifel von vorhin. Murray und Kerr treten ein. MARIA bei Murray 's Anblick sich emporrichtend. ihn bestellen soll - (Η1, H2) ] ihn bestellen - (E1) Setifehler der im Hofe (Η 1 , Η2) 1 der in Hofe (E1) Set:jehler Ermüdet, keuchend, bleibt zurück der Sturm! ] getilgt H2
Maria Stuart in Schottland
158 Der Earl von Murray?! DOUGLAS.
Von uns zurück
Gerufen, Majestät! - Sammt seinem Anhang. KERR. Empfang' ihn gnädig. RUTHVEN.
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U m so gnädiger
Als minder Deiner Gnade er bedarf. DOUGLAS. Nicht unser Wille ist es, Königin, Der Freiheit Dich für immer zu berauben; Mit einem Worte kannst Du sie erkaufen, Ein Wink von Dir - und Deine Fesseln fallen. Dir dies zu künden, stehen wir vor Dir. RUTHVEN. Stellt unsere Bedingungen Mylord! DOUGLAS. Im Namen meiner Freunde, hier versammelt, Im Namen des gesammten Adels Schottlands ... MARIA. Des Adels Schottlands? Wer vertritt ihn hier? Wer führt die Sache der Mac-Dolbain's, Athol's, Der Flemming, Both well's und der vielen Anderen? DOUGLAS. Im Namen auch des Volkes ... MARIA. Volkes? Gibt's Ein schottisch Volk? Ich kenne nur die Rotten Die knechtisch ihrem Thane unterworfen, In Krieg und Frieden Euch zu Willen sind; Die Eure Farben tragen auf den Kilts, Die Furcht vor Euch in ihren rohen Herzen! - Nicht Kinder Schottlands: Kinder ihres Clan's. Daß dieser Troß begehrt, was - Ihr - das glaub' Ich Euch! Denn eh' er's that, hat er gefragt Was Ihr befehlet, daß er wollen soll. DOUGLAS. DU hast der Uebermacht Dich unterworfen MARIA. Niemals - bei Gott! - Erlegen bin ich ihr, Doch unterworfen habe ich mich nicht. DOUGLAS. Die Uebermacht stellt Dir Bedingungen, An die allein sich Deine Freiheit knüpft. Sie lauten: Schutz der reformirten Lehre, Aufhebung des kathol'schen Götzendienst's, Die Theilung Deiner Herrschaft mit dem König, Begnad'gung des Earls von Murray, Und aller derer, welche Theil genommen Am Morde Rizio's ... Dir dies zu künden, stehen wir vor Dir. ] getilgt H 2 Mac-Dolbain's, Athol's (H 1 , H 2 ) ] Mac-Dolbain's Athol's (E 1 ) Setzfehler Kilts ] Kills Wortfehler
I. Text
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MARIA. Nicht weiter! Was Begehret Ihr? - Verrath an meinem Glauben, Verrath am Reiche, dessen Herrschaft ich Mit einem Anderen theilen soll - Verrath An dem Gesetze, das Rache fordert für Empörung und für Meuchelmord ... RUTHVEN. Dem Gatten Verweigerst Du die Macht, doch mit dem Günstling Hast Du sie gern getheilt. MARIA ZU Douglas. Ihr seid ein Douglas: Beschützt mich vor dem Angriff der Gemeinheit, Daß sie allhier die Stimme nicht erhebe, Die Rücksicht, Lord, gewähret dem Geschlecht Und ehrt in der gefang'nen K ö n i g i n - das W e i b . RUTHVEN. Bei meinem Eide! DOUGLAS. Stille! - Forderst Du Bedenkzeit - diese soll Dir werden. MARIA. Ich ford're keine. RUTHVEN. Hört Ihr ihn? Satan, Den Hochmuthsteufel, hört Ihr ihn? DOUGLAS. Bedenk' ... MARIA. Ich denk' der Frevel zahllos, ungesühnt, Die schon durch Euch an mir begangen worden, Doch dieser wahrlich, übersteigt sie alle! Ihr habt das Haus der Könige durch Mord Entheiligt, durch Verrath entweiht - Ihr habt Die Hand an jedes Recht gelegt, das mich Beschützt ... RUTHVEN. Geboten hat's der heil'ge Eifer Für uns're Kirche, die Dein Haß verfolgt! MARIA. Wie Euer Haß die meine! Ist mein Recht Für meinen Glauben einzusteh'n, geringer Denn Eueres? KERR. Folg' uns nach Stirling! MARIA.
Ja!
Doch Eines ford're ich, bevor ich gehe: Den Namen Eures Führers sagt mir an! Ich will den schlimmsten meiner Feinde kennen. 9 10 16 26
nicht erhebe, (E 1K , H 2 ) ] nicht erhebe (E 1 ) dem Geschlecht - (E IK ) ] dem Geschlecht. (Ε 1 ) (H 2 : dem Geschlecht,) Frevel zahllos, ungesühnt (E I K , H 2 ) ] Frevel zahllos ungesühnt (E 1 ) Denn Eueres? (E IK ) ] Denn Euerer? (Η 1 , H 2 )
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Maria Stuart in Schottland Nach kurzer Ueberlegung, rasch: - Du bist es, Murray! MURRAY. Nein! So wahr ich lebe! Leise zu Darnley. Hast Du geläugnet, Mann? MARIA. Ich trag ein Zeichen Das ihn verrathen soll - den Dolch, den er Geführt... LENNOX ZU Maria's Füßen. Ο Königin - ich fleh' Dich an: Begehr' ihn nie zu kennen! Nie und nimmer! Mit meinem Leben steh' ich dafür ein, Du hast von nun an keinen treuem Diener! RUTHVEN leise zu Douglas. Was ist das? Teufel! Wird der Darnley schwach? MURRAY fiir sich. Das ist in Wahrheit seltsam ... MARIA . Vater Lennox! Ihr seid ein warmer Anwalt, in der That, Für einen Hochverräther ... Ο laßt mich Nicht auch an Euch verzweifeln ... Herr im Himmel! Sind Alle falsch? Ist unter ihnen Allen, Die Treue mir geschworen, Keiner, der Sie hält? Von der Straße herauf der tausendstimm'ge Ruf: "Hier Bothwell! Hoch die Königin!" MARIA. Und Einer - Einer doch! LENNOX. Triumph! MURRAY mit einem Blick auf Darnley. Verrath! Getümmel und Kampf auf den Treppen, Alle, Lennox und Darnley ausgenommen, ziehen ihre Schwerter. BOTHWELL hereinstürzend. Ergebt Euch Alle! D I E VERSCHWORNEN auf ihn eindringend. Nieder mit ihm! Nieder! BOTHWELL sein Schwert von sich schleudernd. Ein Hochverräther Jeder, der das Schwert In Gegenwart der Königin gezogen Und Gnade Gott jetzt allen Hochverräthern! ATHOL, M A R , HUNTLY kommen mit dem Rufe: Es lebe die Königin! Die Terasse und alle Eingänge besetzen Bothwell's Leute. RUTHVEN leise. In der Hölle! KERR ebenso. Verdammt! MARIA. Erretter! Freunde! Sieger! Seid gegrüßt! Wenn ich noch nicht gewußt, was d a n k e n heißt, Aus übervoller Seele - lern' ich's jetzt! Ihr gebt mir wieder - königliche Macht -
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Und königlich soll Euch vergolten werden! - Beklaget mich - die strafen muß - bevor Sie lohnen darf! Mitten unter die Verschwornen tretend, den Dolch erhoben. Bei Eurem Leben, das Zur Neige geht, gebiet ich Antwort! Wem Gehört der Dolch? DIE VERSCHWORNEN nach einer Pause. Dem König. MARIA. Lüge! - Nein Das kann nicht sein! Nachdem sie Darnley lange und starr angesehen, leise. Es ist - Allmächtiger! MURRAY ZU Darnley leise. Nun halte Wort! DOUGLAS ebenso. Bekenne! KERR ebenso. Rette uns! LENNOX. Ο Majestät! Bei diesem weißen Haar Das Sorge bleichte um Dein theures Wohl ... MARIA mühsam nach Fassung ringend. Seid ruhig Vater! Unterthanen könnt' Ich richten, doch den Fürsten nicht! Zu den Verschwornen. Vernehmt! Was Ihr gesagt - ich glaube nicht daran Doch w e n n es ist, - doch, wenn es wirklich ist Wenn dieser Mann, wenn dieser Graf von Darnley, Den ich erhob zu meinem Herrn und König Die That gebot — so habt Ihr recht gethan! RUTHVEN ZU Darnley. Was braucht es mehr? MURRAY leise zu Darnley. Du zögerst noch? KERR ebenso. Ο rede! DOUGLAS ebenso. Gesteh'! MARIA. Sprich mein Gemal - war's Dein Befehl, Der ihre Hand bewaffnet gegen mich? RUTHVEN für sich. Ο mögest Du zehntausend Jahr im Pfuhl Der Hölle brennen, feiger Wicht, für jede Sekunde dieser Zögerung! MARIA. Deine Antwort? Ein Ja, ein Nein nur ford're ich von Dir. DOUGLAS. Elender! DARNLEY. Königin... MARIA. Ein Ja! Ein Nein! DARNLEY. I c h h a b ...
MARIA. DARNLEY .
Ein: Ja - ein: Nein! Ο! ... Nein denn!
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Schrei der Entrüstung unter den Verschwornen. MARIA. Ihr habt's gehört, Verläumder und Rebellen! Dies e i n e Wort ist Euer Todesurtheil. - F ü h r t in's Gefängniß sie! Wachen umringen die Verschwornen. DOUGLAS . Er hat gelogen! Ich schwör's bei meiner Ehre! MARIA. Deiner Ehre Verräther? DOUGLAS. Meinem Eide ... MARIA. Deinem Eide Eidbrüchiger? ... Führt in's Gefängniß sie! Die Verschwornen werden abgefiihrt. Beim Vorübergehen zu Darnley: DOUGLAS. Heut' spricht Gewalt, und morgen spricht der Richter. Ab. KERR. DU bindest unsern Arm, nicht uns're Zunge. Ab. RUTHVEN. Des Tages sollst Du denken, König Darnley! Ab. MURRAY ZU Maria's Füßen. Hoch lebe meine große Königin! Laß' mich der erste sein, der kniend Dir Zu Füßen leget seine Huldigung! MARIA. Ihr kommt zwar ungerufen, Bruder Murray Doch will ich Euch darum nicht gehen heißen. Die Tugend, die Euch schmückt, ist nur Vergleich Mit größern Verbrechen als die Euem Doch will ich Euch nicht richten. Stehet auf! Seit mir von diesem Tag ein treuer Diener, Und zum Beweis, daß ehrlich Eure Reue, Verbündet fürder Euch mit meinen F r e u n d e n Uralter Groll hält Euch entzweit mit Bothwell Versöhnet Euch mit ihm. Dies ist mein erst Gebot. MURRAY. Ο Königin! Und freudig geb' Ich Dir dies erste Zeichen freudigen Gehorsams. - An mein Herz, My lord! Vergessen, Begraben ist die alte Zwistigkeit! BOTHWELL. Nicht m i r , bei Gott! Ich liebe oder hasse Aus meines eig'nen Herzens freier Wahl. Verzeihung Königin! Du kannst mit Trug Und Lüge Dich versöhnen, doch von mir Die Lüge fordern - kannst Du nicht. Er geht ab.
König Darnley! (E1K, H2) ] König Darnley. (E1) hält Euch entzweit (EIK, H2) ] hält Euch entzwei (E1)
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MURRAY.
Mylord...
wirft sich in Lady Argyll's Arme. Ο Leonor! Er ist ein M a n n In dieser Schaar von Feiglingen und Schlangen!
MARIA
Zweiter Aufzug Erster Auftritt Eine Gallerie, die in den Audienzsaal mündet, von welchem sie durch herabgelassene Vorhänge getrennt ist. PAGEN an der Thüre rechts, durch die Thüre links tritt ein:
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DARNLEY. ES mußte sein! ... Ich hatte keine Wahl; Es mußte sein und - ward ... und dennoch ... O! Mein eig'nes Werk zerstört mit rohen Händen Um einer Regung willen?! ... Wie hab ich Daran gebaut - so rastlos unermüdlich Und nun: Umsonst ... Nein, Nein! nicht also darf Sich's enden - hören soll - erhören soll Sie mich. Er geht rasch nach der Thüre rechts zu, Page vertritt ihm den Weg. Platz da! PAGE. Verzeihung, Herr. DARNLEY. Bist Du Verrückt? ... Ich will zur Königin. PAGE. Wir haben Gemessenen Befehl. DARNLEY. Zurück, Du Bube! Das ist wohl auch: "gemessener Befehl!" PAGE. Ich kann nicht anders, Herr ... DARNLEY. Wer ist bei ihr? PAGE. Mylords von Huntly und von Bothwell, Sire. DARNLEY. Und ich würd' abgewiesen? Tropf! Zurück! PAGE. Ich fleh' Dich an! Murray erscheint an der Thür links. DARNLEY. Geh' hin und melde mich! PAGE. DU zwingst mich? - wohl! So stehe dafür ein! Ab. DARNLEY. Bin ich in meinem Haus ein Fremder worden? Gilt mein Befehl nicht mehr in Holyrood? ... Ο Thorheit! Thorheit: Seelenmord! Du bist Die größte Sünde! — Undank, Lüge, Todschlag Verschwinden neben Dir! ... MURRAY tritt lachend vor. Nun König Darnley? Wie steht's mit Deiner Majestät? Ha! Ha! DARNLEY. Und wie Mylord, mit Euerer Gesinnung? herabgelassene
Vorhänge (H') ] herablassene
Vorhänge (E 1 ) Setzfehler
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MURRAY. Ich hab' in Deiner Schule mich gebildet. DARNLEY. Ο daß ich in der Deinen mehr gelernt! MURRAY lachend. Ha! Ha! Du hast gewürfelt um das Glück Ich hab's erfaßt in eiserner Umarmung! Du hast's verloren - und ich nenn' es mein. Wir wollen theilen, König Darnley - Nicht? Bis eig'nen Reichthum Dir das Schicksal bringt. DARNLEY. Worauf hoffst Du? MURRAY. Ich hoffe - auf die Hoffnung Was Zufall nahm, kann Zufall wieder geben Nur such' hinfort der Zufall selbst zu sein: Ein neuer Einsatz - und ein neues Spiel! DARNLEY. Was hätt' ich einzusetzen? MURRAY. Pah! So viel Wie nichts. Die Thoren nennen's das Gewissen. Komm' näher. Leise. Die Verschwomen müssen sterben. DARNLEY. Ο Ungeheuer! MURRAY mit veränderter Stimme. Sie m ü ß t e η sterben, wenn Sie schwatzen wollten, denn um j e d e n Preis Muß man die losen Mäuler ihnen stopfen ... DARNLEY. Das fühlst auch Du? - Triumph! - Ich stehe nicht Allein! MURRAY. Du irrst. Sie sterben a l l e auf Der Folter, eh' mich E i n e r nur verräth. DARNLEY. Dann will i c h reden! will's verkünden ... MURRAY. Was? Hast Du Beweise? Oder gilt Dein Wort? DARNLEY. Versucher: Nein! Ich will nicht tödten mehr. MURRAY höhnisch. Erkauf ihr Schweigen durch ein and'res Mittel! Spreng' ihre Fesseln, - öffne ihren Kerker Und der Befreiten Dank verdiene Dir Anstatt der Flüche der Betrogenen. DARNLEY. Wir wollen seh'n! Noch hab' ich zu befehlen. PAGE kommt. Die Königin wird Eure Majestät Erwarten in der Stunde der Audienz. Ab. DARNLEY. Verwünscht! MURRAY. Ha! Ha! Ha! Eine schöne Stunde Zum süßen Wiedersehen zweier Gatten! Befiehl' doch Deiner Magd - Dich zu empfangen! ... DARNLEY. Ο Qual! Ο Qual! MURRAY. Ha! Ha! So sieht Ein König aus - der König werden wollte ...
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Zweiter Auftritt DIE VORIGEN, M A R
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(ohne D A R N L E Y sich nähernd).
HUNTLY
ZU
beachten,
MURRAY
MAR. Ihr seid in Gnaden wieder aufgenommen, Von ihrer Majestät der Königin Ich wünsch Euch Glück, Mylord, und wünsch es uns; Denn uns're Sehnsucht rief Euch längst zurück. HUNTLY. Maria Stuart hat vergeben, Murray Nicht ihren Dienern ziemt es da zu r i c h t e n , Wo sie v e r z e i h t . Nennt mich den Euern - denn Ich bin es nun! MURRAY. Nicht mehr fürwahr, als ich Der Eure bin, Ihr edlen Lords und Freunde! MAR. Die Königin erwartet die Gesandten Von Frankreich und von England, und befiehlt Einstweilen uns, willkommen sie zu heißen. Noch gestern Abends traf Brienne hier ein, Und mit dem heut'gen Morgen Graf von Bedfort: Die Nachricht der Gefahr, in der die Fürstin Geschwebt, erreichte sie auf ihrem Weg Nach Edinburgh, sie eilten rasch hierher, Um mit des Aufstands Führern zu verhandeln. HUNTLY. Und wie gewöhnlich kam der Kopf zu spät, Und fand das Werk schon durch die Hand vollbracht! MURRAY. Sie kommen!
Dritter Auftritt DIE VORIGEN. BRIENNE, BEDFORT.
BRIENNE. Sire! BEDFORT. Mein König! DARNLEY. Befahl die Königin Euch zu empfangen. MAR. Maria Stuart heißt Euch hochwillkommen, Verehrte Herrn! - Bevor die Königin
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erreichte sie (H 1 , H 2 ) ] erreicht sie (E 1 ) Setzfehler
Diesen dort
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In feierlicher Audienz empfängt Die Abgesandten Engellands und Frankreichs, Wünscht sie die Grafen Bedfort und Brienne, Im eng'ren Kreis des Hofes zu begrüßen. BRIENNE. Wir harren Ihrer Majestät Befehle. MURRAY mit Bedfort in den Vordergrund tretend. My lord, was bringt Ihr mir? BEDFORT. Die Grüße meiner Königin. MURRAY. Mit Demuth und mit Stolz empfang' ich sie. BEDFORT. Auf Eure Hülfe hofft Elisabeth. MURRAY. Sie hat auf Erden keinen treuem Diener. BEDFORT. Ihr habt auf Erden keine mächt'gre Stütze. MAR. Die Königin!
Vierter Auftritt DIE VORIGEN. M A R I A , BOTHWELL. HUNTLY u n d ATHOL.
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Alle entblößen ihr Haupt und weichen ehrfurchtsvoll auf beiden Seiten aus. BRIENNE beugt das Knie. Zu Deinen Füßen laß' Mich sinken, hohe Frau! und so dem Herrn, Der über Deine Feinde Dich erhöht, In tiefster Inbrunst danken! Eins nur ist, Das meines Herzens lauten Jubel stört, Nicht werd' ich's Deinem Siege je verzeih'n, Daß ohne mich Du ihn errungen hast. MARIA ihn erhebend. Nicht so! Nicht so! Mein vielerprobter Freund! Mit beiden Händen faß' ich Eure Hand, Und danke Euch, Brienne! Ich weiß es ja, Was mir mein Frankreich schickt, ist wahr und echt! Wär' Euch's zu kommen m ö g l i c h nur gewesen, Ihr w ä r ' t gekommen - hülfreich wie die Treue! BEDFORT. Dasselbe denkst Du, Königin, von mir, Sonst müßt ich klagen über schweres Unrecht. Mißkenne Du mich nicht. Zu sehr schon fürcht' ich Den Tadel meiner königlichen Herrin, Für eine Schuld, die nicht die meine ist. MARIA. Auf Englands Hülfe hab' ich nicht gerechnet, Und wär' untröstlich, mein verehrter Lord,
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Wenn ich dem Schutze fremder Mächte dankte, Was ich, Gottlob, aus eig'ner Kraft vermocht: In meinem Lande mir mein Recht zu wahren. - Sagt meiner Schwester, Lord, wie sehr ich wünsche Der Eifer ihrer Sorge für mein Wohl Sei größer nicht, als jener für ihr eig'nes, Das dringend heischet einen Diener, wie Mylord von Bedfort ist, sich zu erhalten Um j e d e n Preis. BEDFORT. Deine Vermittlung, Königin, Wär' meine stolzeste Rechtfertigung. MARIA. Wenn mein Vermitteln sich in fremder Sache Nicht kräft'ger bei Elisabeth erweist, Als meine Bitte in der eigenen, So laßt mich zweifeln ... doch will ich's versuchen Nicht j e d e Forderung kann zurück sie weisen, Und dieses Mal begehr' ich ja kein R e c h t . BEDFORT. Ein Recht? Ο Majestät! MARIA. Ich dachte, Lord, An mein Erbfolgerecht in England, dessen Bestätigung mir meine Schwester weigert. BEDFORT. Sie thut es, weil sie stets Dich lieben will, Und Fürsten lieben ihre Erben nicht. Doch nennt sie sich mit Englands Volk vermählt, Nicht and're Ehe wird sie jemals schließen, Und wer stünd' nach der Kinderlosen Tod, Dem Throne Englands näher, als die Schwester Und als der Schwester Sohn? - Verlangst Du mehr? MARIA. Ihr fragt in E u r e m N a m e n - hört die Antwort: Ich kann nicht meinen guten, heil'gen Anspruch Behandeln lassen, wie ein Zugeständniß, Das schweigend mir Elisabeth gewährt. Daß ihre Einsicht mir's nicht weigern kann Mög' ihre Großmuth rückhaltlos erklären. Dem T i t e l einer Königin von England Dürft' ich entsagen - meinem Erbrecht nicht Denn auf mein Kind soll sich's dereinst erstrecken, Es ihm zu wahren, fordert meine Pflicht. So - antwort' ich dem Freund, der offen mich
dem Schutze fremder (E 1K , H 2 ) ] dem Schutz fremder (E1) mein Vermitteln (Ε1Κ, H2) ] mein Vermittler (E1)
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Gefragt - auch offen und in meiner Sprache. Elisabeths G e s a n d t e n - seid getrost, Werd' ich dies Alles - wenn ich's sagen müßte Doch in der Sprache meiner Räthe sagen. Auf Wiederseh'η Mylord! Bedfort und Brienne verneigen sich. Im Abgehen: B E D F O R T leise zu Murray. Sie schärft den Pfeil, Der sie durchbohren wird. MURRAY. Sie schärfe ihn. Für sich. Den Bogen, der ihn sendet, spanne ich! Bedfort und Brienne ab. M A R I A . Mein Bruder Murray, Ihr empfingt heut' Morgens Die Abgeordneten von Liddesdale, Sie melden Unruh'n an den dort'gen Grenzen? M U R R A Y . So ist es Königin, und rasche Hülfe Erfordert die stets wachsende Gefahr. Seit Jahren sind die Marken ohne Hüter, Der Grenzbewohner zügellose Horden, Gewöhnt an eine, über ihren Häuptern Erhob'ne, kräftige Hand, verheeren wild Die weite Gegend, rings Verwüstung tragend Und Mord. DARNLEY. Man muß den Hunden Peitschen senden, Und sogleich schreiten zur Ernennung der Markgrafen - allzu lang ward sie versäumt! M A R I A . Was nicht geschah, ward darum nicht versäumt. Ich habe die Markgrafen nicht ernannt, Weil aus dem Adel ich sie wählen müßte, Der jede Macht, die ich ihm anvertraue Voll Undanks braucht als Waffe gegen mich. M U R R A Y . Blick um Dich her! Sind unter diesen Allen Nicht Männer, deren Treue Du erprobt? M A R I A . Soll ich sie d'rum entfernen, weil sie treu? Wer bleibt bei mir, wenn meine Freunde scheiden? M U R R A Y . So wag ich's, einen Vorschlag denn zu thun Der diesen Zwiespalt einzig lösen kann. - Erwähle unter Deinen guten Dienern Den besten, Majestät! Und lege Du Vereint in seine Hände die Gewalt, In welcher sonst die Markgrafen sich theilten.
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Gefahr. (Η1, H2) ] Gefahr (E1) Setzfehler ward sie versäumt! (H1, E1K) ] ward sie versäumt! (E1) Setifehler fehlt ] Die Treue Lord will ich, in meinem Rath. (Η1, H2)
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Maria Stuart in Schottland Des Einen bist Du sicher - eng geknüpft, An Deine Sache, hält ihn Dankbarkeit, Und seines Amtes einflußreiche Würde, Sie ehret ihn - sie bindet ihn zugleich, Denn nimmer wird sich an Parteien schließen, Der höher steht als jegliche Partei. HUNTLY. Das heißt das Fieber durch die Schwindsucht heilen! MAR. Glaubt Ihr, Mylord, der Adel würde dulden, Daß man aus seinen Reihen einen Mann, Also erhebe über alle Andern? Wollt Ihr sein bestes, schönstes Recht ihm rauben, Sich Keinem, als dem König nur, zu beugen? MARIA. Ihr seid so eifrig, Lords in Eurer Sorge, Der Antwort Mühe mich zu überheben, Daß meine Meinung Ihr vergaßt zu hören. Mylord von Mar! Ihr sprecht von Adelsrechten? Wer hat dem Adel Rechte denn ertheilt? Die Kön'ge thaten's! Das Verdienst zu lohnen, Das Eure Ahnen sich um sie erworben. Bemerkt dies wohl! Und nehmt es sehr in Acht: Ihr gründet Euer Recht auf das Verdienst. Ist dies erloschen, ist's der Lohn doch auch? Wenn jener wack'ren Ahnen schlechte Söhne Entsagt der strengen Tugend ihrer Väter, Wenn sie den König, das Gesetz verachten Und zu Verräthern werden an dem Herrn, Soll dieser i h n e n noch die R e c h t e wahren, Die des Verdienst's schon lange sich entschlugen? DARNLEY. Trotz dem, My lady, taugt der Vorschlag nichts. Kein Unterthan soll je so mächtig werden, Als dieser Markgraf würde, wenn ... MARIA. Mich dünkt, Wenn nur die Macht in rechten Händen liegt, Wird sie zum Unrecht nie gemißbraucht werden. - Um Eins vor Allem handelt sich's, den Mann Zu finden, der's verdient also erhöht Zu werden ... Sire! Ich habe ihn gefunden Und zög're nicht sein unerhört Verdienst Mit unerhörtem Lohne auch zu krönen! ... Mylord von Bothwell! ... MURRAY bei Seite. Bothwell! - Ha! Nicht so Nicht so My lady! ... Laut. Ο welch ein Triumph
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Für mich, dessen Gedanke, durch ein Wort Von Dir, zur segensreichen That erblüht! Welch ein Triumph für Jenen, den Du wählest Zu Deinem ersten höchstgestellten Diener Ob diese Wahl, von hier ihn auch verbannt, Ob sie ihn treibt aus Deiner hehren Nähe, Von diesem Hof, in Schlacht und in Gefahr, Er wird begeistert zu dem Heere eilen ... MARIA verwirrt, leise. In Schlacht und in Gefahr ... Laut. Zum Heer? - Ihr sagt: Zum Heere müßt er eilen? ... DARNLEY. Und sogleich! Noch in der Stunde, welche ihn ernannt M A R I A . Er ist es nicht - und kann's so rasch nicht werden ... Wir wollen Uns'ren Staatsrath d'rüber hören, Nicht übereilen die gewicht'ge Frage. M U R R A Y bei Seite. Ο ich verstehe! MARIA. Haben meine Lords Nichts mehr zu melden, nichts zu fordern mehr? DARNLEY. Willst Du mich hören? MARIA. Was gebietet mein Gemal? DARNLEY. Für Ueberwundene, bitt' ich Um Gnade. MARIA. Eure Freunde? DARNLEY. Nein, My lady! Für die Rebellen - welche Du besiegt ... M A R I A höhnisch. Ο welche schöne Milde, Majestät! D A R N L E Y . Verbann' die Lords, wenn's Deine Rache fordert, Doch halte sie nicht länger mehr gefangen. M A R I A . Ihr Schicksal, Sire, wird das Gericht entscheiden Nicht strenger will ich und nicht milder sein Als das Gesetz. DARNLEY. Stehst Du nicht über ihm? Kannst Du begnad'gen nicht, wo es verurtheilt? M A R I A . Wo es verurtheilt h a t ; allein nicht vor Darf seinem Spruch ich greifen. DARNLEY. Ich bitte Euch Mylady, wohl zu überlegen, daß Die Schuldigen, die Häupter mächtiger
Triumph / Für mich, dessen Gedanke, durch ein Wort / Von Dir, ( H \ H 2 ) ] Triumph! / Für mich, dessen Gedanken durch ein Wort / Von Dir (E 1 ) SetTjehler
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Maria Stuart in Schottland Parteien, hochgeehrt und einflußreich Im ganzen Land. Ihr könnt sie nicht bestrafen, Als wären sie gemeine Missethäter. MARIA. Ein jeder Missethäter ist gemein! Und gleiches Unrecht fordert gleiche Sühne. Noch mehr: Je härter straft' ich, wär' ich das Gesetz, je höher steht, wer Strafe hat Verdient! ... Und so erbarmungslos fürwahr, So unerbittlich und unbeugsam streng Sollt' kein Verbrechen mir geahndet werden, Als das der Könige! DARNLEY sich abwendend. O! ... Mäßigung Bedenk' ... MARIA. Ich bitte Sire, nichts mehr, nichts mehr! Erschöpft ist bis zur Neige mein Erbarmen. BOTHWELL rasch vortretend. Ο nein: So wenig stets erneuter Reichthum Je seinen letzten Heller geben kann, Das ew'ge Meer je seinen letzten Tropfen So wenig kann, Du milde Königin! Dein grenzenlos Erbarmen sich erschöpfen. Ich ruf zu ihm, und weiß, es wird mich hören Ich ruf' zu ihm: Gib' die Gefang'nen frei! MARIA. Ist's möglich Lord? Ihr fleht für Eure Feinde? Soll ich die Hand entfesseln, die gen Euch Sich hebt, sobald ein Schwert sie fassen kann? BOTHWELL. Ich fürcht' auf Erden nichts als Deinen Nachtheil, Ich wünsche nichts als Deinen Ruhm. O! strafe, Die sich vermaßen ihn zu mindern, durch Ein Beispiel solcher Größe, wie die Zeiten Noch kein's erlebt. Zeig' Deinem Volke, daß Dein königliches Herz nach einem Maß Empfindet, das zu messen ihre Seelen Zu klein! Zeig' ein Erbarmen, das sie sonst Gewohnt zu suchen nur bei Gott allein! Anbetung wirst Du säen in den Herzen Die sich bisher mißtrauisch Dir verschlossen, Stolz wird Dein Volk die andern Völker fragen: "Wer hat eines Beherrscher's sich zu rühmen, Maria Stuart, uns'rer Kön'gin, gleich?" Das eitle England muß beschämt erwiedern: "Nicht wir!" - Nicht solcher Großmuth Fülle, hat Elisabeth, die Kalte, je geübt!
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Ο glaube mir! v e r g l e i c h e n werden sie, Die zittern unter ihrer strengen Herrschaft, Und mit des Wunsches ungestümster Glut, Entgegen sich dem Augenblicke sehnen, Wo Deine weiche, warme Hand, den Scepter Erfaßt, der ihrer starren Hand entfiel ... MARIA. Genug My lord! Ich darf nicht weiter hören, Denn Euer Eifer reißt Euch hin - Für sich. Und mich. BOTHWELL. Wenn Dir mein treugemeinter Rath mißfallen ... MARIA. Wir haben oft mehr Ursache, Mylord, Ein Wort, das uns zu s e h r gefiel, zu fürchten, Als eines, das zu wenig uns gefallen. Doch muß ich rügen, wie Ihr spracht Mylord, Ich rüge w a s Ihr sprächet nicht, Ο nein! So lang' ich athme, wär's zum ersten Mal Daß ein bewunderungswürdiger, ein großer Gedanke, vor mir ausgesprochen, nicht In meiner Seele einen Widerhall, Ein edles Beispiel, nicht in meinem Herzen Den heißen Wunsch erweckt ihm nachzuahmen. Könnt Ihr vergeben - wohl - Ich kann es auch! Mylord von Athol! Douglas war Euch einst Ein Freund - erst als er von der Treue ließ, Ließt Ihr von ihm! Ihr habt ihn mir geopfert, Ich danke Euch's in dieser Stunde, und Mit diesem Worte: Gehet hin, Mylord Und meldet Eurem Douglas und den Seinen Ihre Begnad'gung an. ATHOL.
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Ο Königin
Mein Dank ist stumm, wenn's diese Thräne ist. Athol ab. DARNLEY leise zu Maria. Darfst einem Diener Du gewähren, was Du eben trotzig mir verweigert hast? MARIA. Habt Ihr mich denn gerettet, König Darnley? MAR. Laß' uns're tiefste Ehrfurcht Dir gefallen, Nur große Seelen handeln so wie Du. M U R R A Y . ZU Deinen Sklaven machte uns Bewunderung. Wenn wir nicht schon durch uns're Pflicht es wären.
Maria Stuart in Schottland
174 Fünfter Auftritt
D I E VORIGEN. A T H O L , DOUGLAS, R U T H V E N , K E R R .
Douglas, Ruthven und Kerr werfen sich Maria zu Füßen. MARIA sich abwendend. Ο! DOUGLAS. Zweifach Ueberwund'ne knie'n vor Dir! MARIA, ohne sie anzusehen, auf Bothwell deutend: Dankt diesem! - diesem dankt, nicht mir. - Weiht Ihm Das Leben, das er Euch gerettet ... DOUGLAS.
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Schwören,
Dir schwören wollen wir ... MARIA. Ο keine Worte Die Thaten sollen reden! - Geht - geht Alle Ζu Bothwell rauh. Auch Ihr My lord Milder. Doch Euch - erwart' ich wieder! Leise zu ihm. Mein Botschafter in London, sendet mir Durch seinen Sekretär Berichte über Die mir zu Gunsten in dem Parlament Erhobene Motion. Hört ihn, und kommt Mir melden, was er bringt. Lebt wohl, Mylords. Alle ab, außer Maria und Darnley. MARIA nach einer Pause. Ihr habt mit mir zu sprechen, König Darnley? DARNLEY. Ich hab' mit Euch zu rechten, Königin, Die mir ein zweites Unrecht zugefügt Noch eh dem ersten sie genug gethan! Ihr habt mich blosgestellt vor Euren Dienern. MARIA. Das hast Du selbst gethan, indem Du heut Für Jene flehst, die gestern Du verriethst. DARNLEY. Ich that's für Dich. MARIA. Um Gottes willen - Nein! Nicht alle Kronen dieser Erde dürften Durch solche Schandthat mir errungen werden! DARNLEY. SO mußt' ich Deinen Untergang vollenden? MARIA. Wenn Du ihn schon beschlossen: Ja! denn selbst Am Bösen, männlich fest zu halten stolz Und kühn, selbst schlechter Sache dienen, ist Ruhmvoller, als unschlüß'ges Schwanken, zwischen Dem Recht und Unrecht. O! nur nicht den schnöden, Feigen Verrath des Mannes an sich selbst Sache dienen, ist (E'K) ] Sache dienen ist (E1)
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I. Text An seinem W o r t , an diesem heil'gen Pfand Und Siegel seiner Ehre! DARNLEY. Hab' ich's doch Verräthern nur gebrochen. MARIA.
W e r hat sie
Verleitet zum Verrath? DARNLEY.
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Nicht ich!
Ο Heuchler! Ein jedes Wort von Dir zeugt eine Lüge! So schmachvoll ist und unmännlich Dein Thun, Daß scheuer Ekel beim Gedanken d'ran Das Herz mir wendet in verletzter Brust ... DARNLEY. Hochmüthig, ungerechtes Weib! - Ist dies Mein Lohn? Soll ich bereu'n, daß ich der schon Verlor'nen, rettend meine Hand geboten? MARIA. Bereu' es, wenn Du Lohn dafür erwartet! DARNLEY. Wärst Du gerecht, Du müßtest ihn gewähren. MARIA. Der Undankbare ford're keinen Dank! Ich hab' von Dir nie anderen erfahren Für alles, was ich gab, als nur den Vorwurf, Daß ich zu karg gewesen - dennoch grollt' Ich deßhalb nicht, denn Ehrgeiz trug die Schuld, Und Ehrgeiz lieb' ich, - diesen stolzen Quell, Von allen großen, ruhmwürdigen Thaten! Doch Eines war, das ich Dir g a n z gegeben, M e i n H e r z hast Du besessen ungetheilt! Da herrschtest Du als unumschränkter Herr, Da hab ich nicht gewogen und gezählt Da fühlt' ich, Alles gebend, nur den Schmerz, Daß ich nicht mehr als alles geben konnte! Und dennoch Mann! Hast Du auch hier gelohnt Durch grenzenlosen Undank meine Großmuth Die grenzenlose! ... Niemals hat Dein Herz An mich verschenkt ein anderes Gefühl Die Armuth hat nicht mehr ... Ο Wahnsinn war's Wenn ich dem - Bettler zürnte, daß er nicht Gleich einem Fürsten fürstlich hat gegeben! DARNLEY. Jedwedes Herz verarmte gegenüber Der Unersättlichkeit des Deinigen! MARIA. Das ist die Sprache aller kalten Seelen! Die wahre Armuth faßt den Reichthum nicht Und schmäht in ihren Lumpen, auf den Purpur. MARIA.
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Maria
- Ο laß mich! - Laß! - der ungeheure Schmerz Verkehrt in Gift das Blut in meinen Adern, Wenn ich bedenke, wie Du mich gekränkt! Nicht blos die Königin - das Weib in mir Hast Du beschimpft - hast meine Frauenehre Befleckt mit rohem, schändlichen Verdacht ... DARNLEY. Die den Verdacht erweckte, trägt die Schuld. MARIA. Der Niedrige, der Niedriges geglaubt Der trägt die Schuld! - Noch einmal: Laß mich! Ich kann nicht fürder Deine Stimme hören, Verhaßt ist mir und widerlich Dein Anblick Ich hasse Dich! Ich hasse mich - daß ich Dich je geliebt! - Ein jedes Wort, das Dir Von Neigung sprach, und jede Regung, Die Dir entgegenflog und jed' Gefühl, Das zärtlich an Dir hing - verabscheu' ich Als eklen, dunklen, untilgbaren Flecken An meiner reinen, makellosen Ehre! DARNLEY. Ο Rasende! Du sollst vor mir noch zittern! MARIA. Ich fürchte nichts von Dir - als Deinen Anblick. DARNLEY. Wohlan! Ich werde Dich davon befrei'n! MARIA. Erbärmlicher! Du hast nicht Muth zu sterben. DARNLEY. Doch kann ich weichen - diesem Land entflieh'η In dem nicht Raum mehr für uns Beide ist, Ich will hinaus sie tragen in die Welt Die Kunde meines Unglücks - Deiner Schmach Denn Schmach fürwahr, trifft richtend eine Frau Die ihren Gatten zwang in fremder Ferne Zu suchen eine Heimat ... MARIA. Nein! das darf Nicht sein! DARNLEY. Hat dieser Pfeil getroffen? Ich will ihn wenden in der blut'gen Wunde! Doch wird es sein! - Sei groß als Königin, Als Weib sei Du verachtet! Daß Du mich triebst von meinem Haus und Herd Will ich der Welt, der staunenden verkünden, Durch meinen Gram soll sie's bestätigt finden, In alle Länder will ich aus es streu'n, Hinaus in alle Winde will ich's schrei'n, Dich davon befrei'n! (Η 1 , H2) ] Dich davon befreu'n! (E1) Setrfehler
Stuart in
Schottland
I. Text
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Auf Deiner Feinde Zungen will ich's legen, In Fluch verwandeln Deines Sohnes Segen, Wenn seine Lippen nach dem Vater fragen Und diese Stimmen ihm die Antwort sagen! Er eilt hinaus. MARIA. Was hab' ich Dir gethan? barmherziger Für mich allein: erbarmungsloser Gott!! Sie sinkt weinend auf einen Stuhl.
Sechster Auftritt DIE VORIGE. BOTHWELL.
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BOTHWELL. Du hast befohlen meine Königin, Ich komme ... Wie? In Thränen? ... Tod und Hölle! Wer trägt an diesen Thränen Schuld? Er soll Bereu'n! Du weinst! Ο sprich: Warum?! MARIA. D U Thor, Warum es weine frägst Du Darnley's Weib? BOTHWELL. Fluch ihm, dem schlechten, undankbaren Mann! Ο daß nur einmal mich das Schicksal stellte Ihm gegenüber im ersehnten Kampf! ... MARIA. Im ehrlich ritterlichen Kampfe ficht Ein Darnley nicht! Er tödtet durch den Blick Wie Basilisken - und durch Gift - wie Schlangen Durch seine Nähe, langsam wie die Krankheit, Ο welch ein Schicksal, welch ein Rathschluß Gottes Gab mir zum Gatten Schottlands schlechtsten Mann?! BOTHWELL. Ich steh' vor Dir - in Anbetung versunken Und von des Mitleids Fülle doch durchströmt! Die zwei verschiedensten Empfindungen Der Menschenbrust, sie einen sich für Dich In diesem stürmisch übervollem Herzen - Ο glühend Mitleid! Demüth'ger als Ehrfurcht, Du Inbegriff von aller Zärtlichkeit Daß doch der Herr als er uns hieß Ihn lieben Nicht Dein Empfinden mit ergießen konnte, In uns'rer Andacht flammendes Gefühl! Dies Eine fehlt in uns'rer Gottesliebe, Was mich vor Dir jetzt niederwirft Maria! Er knieet. sich langsam erhebend, legt die Hand auf seine Stirne. Ja, Du bist wahr und warm und wirst mich nie
MARIA
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Maria Stuart in
Verrathen, hab' ich Dir doch nichts gegeben, Bin ich für Dich - doch nur: die Königin! Ihn hab' ich überschüttet reich mit Liebe Als wie der Lenz die Erde überschüttet Mit seinem Blüthenmeer! ... BOTHWELL.
W a s gäbest Du
Dich dem Unwürd'gen hin! statt Würdigen Zu wählen? Du! Ο Du so heiß geliebt! So werth geliebt zu sein ... MARIA.
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BOTHWELL.
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Der Kühne nur
Ist Deiner werth! So göttlich groß ist der Gedanke, Dich, Du Wunderbare! zu Erringen, daß der ihn gedacht - auch groß Genug ihn auszuführen ist! MARIA. Vermessener! Was wagtest Du zu hoffen? BOTHWELL.
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Und war es nie!
Beklage mich! - zu sterben ungeliebt Bin ich verdammt und hab's zu spät erkannt, Und suchte irrend, was mir Gott versagt In Menschenherzen, die Er selbst verschließt, R u f ich zu ihnen: Nehmt mich liebend auf! BOTHWELL. Du bist geliebt! Du bist's so grenzenlos, Daß aller Haß, der je auf Erden lebte Sich heben würde wie ein leichter Flaum Würf' ich sie in die Wagschal' gegen ihn! So namenlos, daß Erd' und Himmel mir Zu eng erscheinen um sie ganz zu fassen Doch sie zu fühlen groß genug mein Herz! MARIA. Mylord von Bothwell, mäßigt dieses Feuer Das mich verletzt. Ich sucht' in Euch - den Freund Laßt mich nicht wen'ger finden und nicht mehr! BOTHWELL. Das war Dein Auge nicht! Nicht Deine Stimme! Ο zwinge nicht den himmlisch klaren Blick, Nicht diese Lippen, deren leises Beben, Entzücken flammend gießt durch meine Adern, Zu einer Strenge, die Dein Herz nicht kennt. MARIA. Ihr seid sehr kühn Mylord!
Unnennbares!
Und doch bei Gott! nicht mehr als diese Hand Gewähren kann - das Höchste streb' ich an Und werth des Höchsten ist, der darnach ringt!
Schottland
I. Text
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MARIA. Nicht Höchstes wär's, könnt Jeder es erreichen. BOTHWELL. Ich bin nicht: Jeder - meine Königin! Und setze nun mein Dasein auf ein Wort Und sprech' es aus, wär's auch mein Untergang: Zu ihren Füßen. Ich liebe Dich! dies Wort ist Hochverrath Und Hochverrath verwirkt das Leben, nimm Das meine hin! Ich liebe Dich - nicht wie Ein Unterthan die Fürstin liebt - ο nein! So wie ein Mann das Weib, das er begehrt; Kraft dieser Liebe nenn' ich Dich mein eigen Im Angesicht des Himmels. MARIA. O! DU frevelst! Nicht so - verlasse mich - ich will's! BOTHWELL.
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Ich kann
Nicht anders und bei meinem Eid! Ich will Nicht anders können! - Dieser Augenblick Ist Lebensfülle - nach ihm - alles Tod Nicht soll er mir verfliegen, ungenützt! ... Ein Blick, ein Hauch, ein Athemzug beseligt, Gib' etwas mir für mein verscherztes Leben! Ich will es schließen fest in meine Seele Und mit es nehmen in das ew'ge Licht! MARIA. Ο Gott zu dem mein Herz um Liebe flehte! Was gibst Du sie - da wo sie Sünde ist? Darnley erscheint an der Thür links. DARNLEY leise vor sich hin: Noch einmal sei's versucht ... Bothwell zu Maria 's Füßen erblickend:
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Was seh' ich?! Bothwell! ... Er bleibt regungslos an der Thür stehen. BOTHWELL. Glückseligkeit, Maria, ist nicht Sünde Ο wag' es ihr in's Angesicht zu schau'n! Sieh' diese Liebe - muthig wie der Löwe Sie schmiegt an Dich sich schüchtern wie die Taube "Nur dulde mich" spricht sie, anbeten nur, Nur knieen will ich ja vor Dir - ο nur In Ehrfurcht drücken auf die weiße Hand Der glühen Lippen demüthigen Kuß ... MARIA. Sieh mich nicht an, nicht so, es thut mir weh
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nicht wie (E1K, H 2 ) ] nicht wie! (E1) - ο nein! (Ε 1κ , Η 2 ) ] - ο nein; (Ε1) er begehrt; - (E ,K ) ] er begehrt. (Ε1)
Maria Stuart in Schottland
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Erzürnet mich - verhaßter - theurer Both well! BOTHWELL. Triumph! Dies letzte Wort und wenn zurück Von mir Gott selbst es forderte - mit Gott, Du Heißgeliebte! würd' ich darum ringen! DARNLEY. Ο Königin Ihr spielt so gut für mich, Als sorgtet Ihr, daß ich verlieren könnte! Bothwell preßt die gefalteten Hände Maria's an seine Lippen. Darnley zieht die Schnüre des Vorhangs an, und enthüllt diese Gruppe vor dem ganzen, eben in den Audienzsaal eintretenden Hofe. Den ganzen Hof erbaue dieser Anblick! MARIA zusammenschreckend. Der König! BOTHWELL will aufspringen. Tod und Hölle! MARIA leise. Auf Eure Knie! ... Laut - nach einer Pause, mit mühsam errungener Fassung. Bleibet Mylord. Ihr aber König Darnley, Wollt näher treten, und das Wort bestät'gen, Das ich gegeben diesem edlen Lord Den ich ernannt zum Markgrafen von Schottland. Zu Bothwell. Euch ruft die Pflicht zum Heere an den Grenzen An Eure Pflicht Lord Markgraf, Eure Pflicht! -
Ο Königin bis verlieren könnte! ] getilgt H2 näher treten, und (E1K) ] näher treten und (E1)
Dritter Aufzug Erster Auftritt Dekoration des ersten Aufzugs LENNOX, DARNLEY, MURRAY
DARNLEY.
Wer zweifelt noch? Mein Sohn -
LENNOX.
So hört doch! hört!
DARNLEY. MURRAY.
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Wir hören. Sprecht.
Des Tags gedenkt, an dem So plötzlich uns ein Markgraf ward ernannt M U R R A Y . Und - fortgeschickt zum Heere an den Grenzen. D A R N L E Y . Der Tag, Ihr Herren, verwandelte Marien. In Schwermuth fiel sie, und in finst'ren Trübsinn Als sich die Kunden jagten, Bothwell rase Gleich einem Tiger in der Schlacht, voran In jedem Kampf, als suche er den Tod. M U R R A Y . Einsam verschloß sie sich mit ihrem Gram, Und blickte nach dem Mond anstatt mit den Ministern zu verhandeln, und im Staatsrath Das große Wort zu führen. DARNLEY. Gestern nun Erschien ein Bote aus dem Heereslager Mit einem Briefe für die Königin. Den hatt' sie kaum mit irrem Blick durchflogen, Als heimlich sie Schloß Holyrood verließ ... L E N N O X . Allein?! DARNLEY. Von Lady Argyll und Andrews, Dem Pagen, nur begleitet. MURRAY. Darum also Das Märchen einer plötzlichen Erkrankung Der Majestät? LENNOX. Und jener Brief enthielt? D A R N L E Y . Fragt sie, nach ihrer Rückkehr, selbst darum! M U R R A Y . Der Markgraf, sagt man, ward im letzten Kampf Verwundet LENNOX Tödtlich? MURRAY. Also lautet das DARNLEY.
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kommen.
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Maria Stuart in Schottland Gerücht. DARNLEY. SO - lügt's! - Nur eine Schmarre trägt der Held, Und Trostesworte brachte ihr sein Brief. MURRAY. Nur eine Schmarre? Eine Schmarre doch! DARNLEY höhnisch. Die Liebe ist besorgt, der Theuerste Verwundet - Ausbrechend. Pflegen ging sie ihn - Unwürd'ge! LENNOX für sich. Unsel'ger Schritt! DARNLEY ZU Lennox. Was sagt Ihr nun? LENNOX. Mein Sohn! Daß sie so Vieles D i r verzeihen mußte, Macht ihren Fehltritt mir verzeihlicher. DARNLEY. Sie hat mir Nichts verzieh'n. In ihrem Herzen Gährt unvermindert noch der alte Groll. - Daß ich gezögert mich ihm zu entzieh'n, Die neue Schmach geladen auf mein Haupt, Ist Eu're Schuld! Ihr hieltet mich zurück. LENNOX. Und w e r d ' es thun, bei meiner Vatertreue! DARNLEY. Vergeblich nun. Gerüstet ist das Schiff, Das mich für ewig trägt von dieser Küste. Halblaut, wie zu sich selbst. Ich bin umringt von Feinden und Verräthern, Mit tiefem Haß ruht jedes Aug' auf mir. Als Bothwell schied, kann er gesorgt wohl haben, Bei seiner Rückkehr hier mich todt zu finden, Um dann die königliche Witwe ... Nein! Ich schwör's! - das soll er nicht! ... Nicht sterben - ο Nicht sterben laß' mich, gnäd'ger Gott! - Sie soll Unlösbar sich gebunden fühlen - soll Nie glücklich sein im ruhigen Besitz Ihres Geliebten. Sein Blick verleide, Und seinen Kuß vergift' ihr der Gedanke, Daß Darnley lebt, und jeder Freudentropfe Den sie genießt, geschöpft muß werden aus Dem Becher: Sünde! Andrews hat während der letzten Worte, spähend hereingesehen, und will zurücktreten, als er Darnley erblickt. Murray, der ihn beobachtet, eilt auf ihn zu und packt ihn bei'm Arme. MURRAY. Spion! Wer sendet Dich? - Wie kommst Du her? Zieht ihn in den Vordergrund. ANDREWS. Mein Gott, Mylord ... DARNLEY. Das ist der Schuft, der sie Begleitet hat ANDREWS flehend, zu Murray. Laßt mich!
I. Text
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Bis Du geredet.
Wie kommst Du her? ANDREWS. Ich darf's nicht, darf's nicht sagen! DARNLEY einen Dolch ziehend. Du wirst es sagen, Schuft! ANDREWS fällt auf die Kniee. Barmherz'ger Gott! ... Ihr werdet mich nicht tödten?! DARNLEY dem Lennox in den Arm gefallen. Willst Du reden? Wie kommst Du her? ANDREWS stotternd. Ich komm' - mit meiner Herrin. DARNLEY. Von Hermitage? Wild lachend. Haha - von Hermitage! Wie geht's dem theuren Grafen? ANDREWS. Herr, wir fanden Lord Markgraf fast gesund, und im Begriff Nach Edinburg zu eilen. DARNLEY voll Unruhe, auf- und abgehend. O, er ist Willkommen! MURRAY ZU Andrews. Sprich! - Sah ihn die Königin? ANDREWS. Einen Moment, im Beisein Lady Argyll's. Geschwätzig. Sie war so eilig - Gott! - nicht Zeit um zu Verschnaufen gönnt' sie uns - mir und den Rossen. Das war ein Ritt, von hier nach Hermitage Und wieder heim, in einem Jagen. Ο Mein Pferd ist hin - und das der Königin, Wenn wir's in Wein auch baden, niemals wird Geschmeidig mehr des edlen Rappen fein Gebaute Fessel. MURRAY. Seht mir diesen Schwätzer! Erst muß der Dolch an seiner Kehle sitzen, Um einer Silbe Laut ihm zu entlocken, Jetzt stürzt in Bächen seiner Rede Quell'. - Hinweg, Du Müssiggänger! ANDREWS aufspringend. Darf ich? DARNLEY. Und sag' der Königin, die Dich gesandt Zu spähen, ob sie Niemand hier erwarte, Ihr Glück zu wünschen zur ersehnten Rückkehr, Der Weg sei frei. LENNOX ZU Andrews. Halt da! noch Eines merke: Die Königin hast Du an uns verrathen, Verräthst Du sie an einen Vierten noch, Wird nur ein Wort von diesem Ritte laut, So hängst Du! - Geh', mein Sohn.
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ANDREWS im Hinauseilen. Gott, steh' mir bei! Ab. DARNLEY. Lebt wohl! Erwartet sie, wenn Euch's gelüstet Der Ehrvergess'nen Ehrfurcht vorzuheucheln. Ich hasse sie, und wag ihr's zu beweisen. Für sich. Wir schließen uns'ren Bund, Mylord von Bedfort! Rasch ab. LENNOX. Ο Heinrich, bleib'! ... Umsonst - Ich eil' ihm nach ... - Und Ihr, Mylord, wenn dieses Hauses Ehre, Der Name Eurer Königin und Schwester Euch theuer sind: So thut was Eure Pflicht, Und mahnt sie ihrer Würde zu gedenken! MURRAY. Was mir die Pflicht gebietet, soll gescheh'n. Lennox ab. EIN PAGE meldend. Mylords von Ruthven und von Douglas bitten Um Einlaß bei der Königin. MURRAY. Hierher. Page ab.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. RUTHVEN. DOUGLAS.
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MURRAY ihnen entgegen. Die Königin, seit gestern nicht ganz wohl, Ersucht Euch, Lords, durch mich zu ihr zu reden. DOUGLAS. Was uns hierher geführet, wißt Ihr, Murray, Noch eh' wir's ausgesprochen. Mag es kühn Erscheinen, daß die kaum Begnadigten Sich zu erheben wagen gegen einen Beschluß der Königin - sie müssen es, Der Augenblick gebietet's RUTHVEN. Und der Herr! - Es sind kathol'sche Bischöfe ernannt, Im Parlament, zu Wählern der Artikel, Und ihres Glaubens heuchelnde Genossen Umlagern diese Führer. DOUGLAS. Wenn, wie zu Erwarten ist, das Haus in ihrem Sinn Beschlüsse faßt... MURRAY. SO steht es schlecht, Mylord, Mit uns'rer Kirche und mit uns'rer Freiheit. DOUGLAS. Das fühlt Murray, und läßt's geschehen? MURRAY. Glaubt Ihr, Wie Eures blute nicht mein Herz? - Ich hab'
/. Text
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Zur Königin gefleht, wie Ihr jetzt kommt Zu ihr zu fleh'n! Umsonst. Beschlossen ist's: In neuem Glanz ersteht die alte Kirche. RUTHVEN. Bewahr' uns Gott vor Satan's Synagoge! MURRAY. In wenig Tagen, wird von Rom gesandt Der Kardinal Laurea hier erscheinen RUTHVEN. Sagt ihr: Nicht seines Lebens sicher, sei Der Kardinal, so lang ihn Schottlands Erde trägt Ich werde toll! - ein päpstlicher Legat! Bei'm Schlüssel David's! lieber säh' mit Augen Ich das apokalypt'sche Thier, als den Legaten! DOUGLAS. Ο beschwört die Königin Uns zu empfangen! MURRAY. Bitten fruchten nicht. RUTHVEN. Doch fruchten wird der Trotz. MURRAY. Was sinnt Ihr, Ruthven? RUTHVEN. Der gotterfüllte Knox sprach zur Gemeine: "Es binden Kinder ihren Vater, wenn Er sie im Wahnsinn tödten will. Soll der Gehorsam gegen Fürsten weitergeh'n, Die ihrer Kinder Seelen morden wollen?" MURRAY. Mit Euch beklag' ich RUTHVEN. O, ich klage nicht, Ich handle! MURRAY Douglas' und Ruthven 's Hände ergreifend. Könnt' ich handeln doch für Euch! Dereinst war mir's vergönnt Euch zu beweisen Durch lebenvolle That, daß Euer Wohl, Daß Schottlands Größe, meiner Wünsche Ziel. Ο damals, Douglas, blühten schöne Tage Dem stolzen Adel, damals, Ruthven, ehrten Des Staates Lenker Eure reine Lehre ... DOUGLAS. Stündest Du noch, ein Markstein uns'res Glücks, Am Ruder dieses vielgeprüften Staats! RUTHVEN. Was war, als noch die Kön'gin unvermält, Kann wieder werden, wenn sie Witwe ist. MURRAY. Um Gott, Mylord - Was spracht Ihr? Welches Wort? RUTHVEN. Bald dürft' es mehr wohl werden als ein Wort! MURRAY. Kommt, Freunde, kommt, laßt uns mit ruh'gem Sinn Berathen, wie die äußerste Gefahr blühten (H2) ] biUten (E1) Setrfehler
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Von uns'rer theuren Heimat abzuwenden. Sie gehen ab, die Bühne bleibt einen Augenblick leer, dann -
Dritter Auftritt LADY ARGYLL, gleich
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darauf
MARIA .
LADY ARGYLL vorsichtig hereintretend. Hierher, My lady, tretet ein, Ihr seid In Sicherheit. MARIA. Bin ich's in Holyrood? LADY ARGYLL. Dem Himmel Dank, daß wir es unbemerkt Betreten, unbelauscht. Gelobt sei Gott, Der Euch beschützt! MARIA. Gelobt sei Gott, der Ihn Erhielt! LADY ARGYLL. Daß Bothwell Euch so theuer ist, Sollt' Euer Stolz Euch hindern zu gesteh'n. MARIA. Geschmolzen ist die Eisesrinde: Stolz, Vom Herzen, das um Ihn gebebt. Nichts mehr von Stolz dem Liebsten gegenüber! Hab' ich an ihm nicht Alles gut zu thun, Den ich gejagt in Schlachten und Gefahren? Er kehrt als Sieger, glorreich kehrt er wieder, Und soll als Sieger mir empfangen werden Von allem Volk, von meinem ganzen Land! Mein einz'ger Stolz sei künftig Seine Größe! LADY ARGYLL. Ihr schwärmt, Mylady, hingerissen ganz Von Eurer sünd'gen Liebe. MARIA. Sündig? O, Das ist sie nicht, und soll es niemals sein! Wie ich das Gute liebe, lieb' ich ihn, Den besten Mann! Und geb' mich ihm zu eigen Mit meiner ganzen, ihm geweihten S e e l e ! Nicht meine Hand, nicht meines Kleides Saum, Soll er berühren, und mein Herr doch sein! Ist das auch Sünde, liebe Leonor? MURRAY tritt ein. Ich höre freudig, daß die Königin sich erholt. MARIA. Habt Dank, mein Bruder Murray, mir ist wohl. MURRAY. Gott gibt die Kraft im Augenblick Dir wieder, Wo ihrer Du am dringendsten bedarfst.
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/. Text Ich k o m m ' , um Deine Strenge anzurufen. nichts von Strenge! Milde fordert heut Von Eurer Königin. Sie fühlt sich stark, Um Tausende mit Glück zu überschütten, Allein zu schwach, um Einem weh zu thun! - Wir haben gute Nachricht aus dem Lager, Der edle Markgraf hat als Held gesiegt, Als weiser Staatsmann seinen Sieg benützt. In wenig Stunden trifft er selbst hier ein, Was seine Boten melden, zu bestätigen. Nun walte Frieden, wo der Krieg gewüthet, Nun freue seiner Wohlthat sich mein Land! Sie werd' ihm unverkürzt, erquickungsvoll, Es sollen späte Enkel noch gedenken Des Tags, an dem ich siegte, zu beglücken. M U R R A Y . Ein schöner Vorsatz und ein frommer Wunsch! - Allein indeß Du einige Provinzen So hochbegnadigst, droht Empörung in Der Hauptstadt. MARIA. Wie?! MURRAY. Die schlimme Nachricht, daß Ein päpstlicher Legat ... M A R I A . Ich dacht' es wohl. Ganz recht Er soll verzögern seine Ankunft, soll Nicht kommen. MURRAY. Mehr hab' ich zu melden. Dein Gesandter an dem Hof von London schreibt, Daß täglich dort Dein Anhang sich vergrößert. Nicht mehr allein die Katholiken, auch Die Gegner des allmächtigen Cecil Erklären sich für Dich. Elisabeth's Besorgniß steigt, man hört, daß sie beschloß Mit Heeresmacht in Schottland einzufallen, Und sagt MARIA, Ο
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MARIA.
Man hört - man sagt - berichtet so
Ein Staatsmann? MURRAY.
Hab' ich doch Beweise!
MARIA.
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Ihr sollt nicht ewig diese Feindschaft nähren. Ich will vergessen, was Elisabeth Mir angethan; will mich versöhnen, Murray, Mit meiner Schwester.
Laßt.
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Maria Stuart in Schottland MURRAY.
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DU? u m Gott! W a s ist
Gescheh'n, das Dich so umgewandelt? MARIA verwirrt. Murray MURRAY. DU bist so mild gestimmt, daß ich besorge Des Königs Plan, von Schottland zu entflieh'n, Erfährst Du nur, ihn huldvoll gutzuheißen. MARIA. Mit meinen Bitten werd' ich ihn bekämpfen, Auf meine Bitten wird mein Gatte hören. Zu Lennox, der während der letzten Worte eingetreten. Mein Vater! Eure Hilfe ruf' ich an: Euch steht der Weg zu Darnley's Herzen offen, O, führt mir das Verlor'ne wieder zu, Erweckt mir neu sein wankendes Vertrauen! LENNOX. Fürwahr, ich bin erstaunt MARIA . Ich weiß, My lord, Vergeben mußt' ich Vieles - Vieles tilgen Aus dem Gedächtniß unbarmherzig treu, Bevor ich selber, ich zuerst vermocht, Die Hand zu bieten, redlich zur Versöhnung. Es ist geschehen. LENNOX zweifelnd. Aus ganzem Herzen? MARIA.
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Ja!
Ich wünsche meinen Gatten hier zu sprechen; Bestimmt ihn, Vater - freundlich mich zu hören, Daß Frieden werde zwischen ihm und mir. LENNOX. Ich gehe. Ο vermöchtest Du den Geist, Der in Dir waltet, milde und versöhnlich, In seiner kranken Seele auch zu wecken! Geht ab. Zinken und Hörner. Von der Straße herauf der vielstimmige oft wiederholte Ruf: Hoch Bothwell! MARIA aufjubelnd. Er ist's! LADY ARGYLL leise zu ihr. Bezwingt Euch, theure Lady! Fassung. MURRAY der ans Fenster getreten. Da kommt der Mann des Tag's! - Fürwahr, ein schöner, Ein königlicher Zug! - Für sich. O, jauchze nur, Und juble ihm entgegen, blödes Volk! Bald sollst Du keuchen unter seinem Joch, Wie unter ihm sein dampfend Roß jetzt keucht. Zu Maria. Ein edles Thier, das Mylord Markgraf reitet. Ha! Wie sich's bäumt und schnaubt, und wie sein Schweiß Er ist's! (H2) ] Er ist's' (E1) Setzfehler
1. Text
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Zur Erde niederregnet mit dem Blut Der wundgespornten Flanken! - Seht mir doch Den Berber an. Maria nähert sich. Zu spät - er ist herein. MARIA. Er ist herein. MURRAY. Den Berber meinte ich. Sie beobachtend, fiir sich. Sie zittert, bebt, erröthet und erbleicht Die Königin hast Du erobert, Bothwell, Nun fehlt bei Gott, nur mehr das Königreich! HUNTLY eintretend. Mylord von Bothwell, Majestät. MARIA. Er komme.
Vierter Auftritt DIE VORIGEN. M A R , DOUGLAS, RUTHVEN, KERR, OFFIZIERE,
BOTHWELL, vor dem Alle ausweichen, und der rasch auf die Königin
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dann
zugeht.
BOTHWELL. Gott segne meine Königin! Ich bringe Die Huldigung der mir vertrauten Marken. MARIA leise. Und Trost und Freude an den düstern Hof. Laut. Wir heißen Euch willkommen, Mylord Markgraf. Ihr bringt des Friedens goldenes Geschenk, Was unser Herz am innigsten ersehnt, Der Frieden ist's! Der heilige Frieden Aller, Mit Allen. Heute ward ein großer Schritt Zu diesem edlen Ziel gethan, laßt uns Auf halbem Weg nicht stehenbleiben. Wo Noch Zwiespalt herrscht, da wollen wir ihn lösen, Und wo ein Herz noch grollt, es uns versöhnen! Stimme draußen. Der König! RUTHVEN der sich Bothwell genähert, leise zu diesem. Ha! Das ging auf ihn. Habt Ihr Verstanden? BOTHWELL mit dem Fuße stampfend. Träum' ich denn? MARIA. Der König naht, Folgt mir Mylords - Mit einem Blick auf Bothwell. Folgt Alle ihm entgegen. Sie geht dem Ausgange zu, von Allen begleitet, Bothwell und Ruthven ausgenommen. RUTHVEN zu Bothwell. Gehorcht Ihr nicht?
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BOTHWELL. Ich nicht, bei meinem Eid! Darnley und Lennox treten ein. MARIA. Ich ließ Euch bitten, Sire, nehmt warmen Dank, Daß meiner Bitte Ihr Gehör geschenkt. DARNLEY um sich blickend. Bedarf, was Ihr zu sagen habt, der Zeugen? MARIA. Die Lords erwarteten, um sich zurück Zu ziehn, daß Eure Hoheit sie entlasse. DARNLEY. Wahrhaftig? Ο verzeiht! Ich ward so lang Der Höflichkeit durch diese Herren entwöhnt, Daß ich von ihnen sie nicht mehr vermuthet. MARIA. Zurückgekehrt von Liddesdale, begrüßt Mylord von Bothwell Eure Majestät. DARNLEY. Daß er es thut, vernehm' ich, doch Ich seh' es nicht. MARIA. Des Sieges Botschaft ist ... DARNLEY. Erlaubt! Zu g r ü ß e η , hat der Lord im Feld verlernt, Doch hoffen wir, daß er noch r e d e n kann. Gebt uns Bericht und Rechenschaft, Herr Markgraf. MARIA ZU Bothwell. Ich bitt' Euch, sprecht! BOTHWELL. ZU ihm? - Kein Wort. - So wahr Ich lebe: Nein! ALLE. Mylord! MARIA. Das ist zu viel! BOTHWELL. Ich ihm Bericht erstatten? Rechenschaft? Ο Holl' und Teufel! ich - ich klag' ihn an! LENNOX. Genug! MURRAY. Ihr seid von Sinnen! MARIA. Kommt zu Euch. BOTHWELL. Des Hochverrath's verklag' ich ihn vor Dir! DARNLEY. Verwegener! LENNOX. Die schändliche Verläumdung! BOTHWELL ZU Maria. Im Einverständniß durch den Lord von Bedfort Steht er mit Deiner schlimmsten Feindin, mit Elisabeth ... LENNOX. Beweise! RUTH VEN . Hört ihn - Ruhe! BOTHWELL. Sie fordert er zur Rache gegen Dich, Vor ihr will er erscheinen, Dein Verkläger, An seiner Hand den Sohn, den er entführt In dieser Nacht, wenn ich es nicht verhind're. ALLE LORDS . D e n P r i n z e n !
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I. Text MARIA. Meinen Sohn?! RUTHVEN mit zum Himmel erhobenen Händen.
Du richtest ihn!
LENNOX. B e w e i s e , s a g ' ich.
BOTHWELL reicht der Königin einen Brief. Hier. den Brief entfaltend. Die Züge meiner Schwester! B O T H W E L L ZU Darnley. Eure Boten Steh'n vor Gericht - bei Jedburg fielen sie In meiner Leute Hand.
MARIA
DARNLEY.
Verwünscht!
LENNOX. 5
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Entsetzlich!
Bethörte Königin! indessen Du Ihm zur Versöhnung Deine Hand gereicht, Verräth er Dich an England, schürt die Glut Zu neuem Streite mit dem alten Gegner, Entführt Dir Deinen Sohn M A R I A wie aus einer Erstarrung erwachend. Zu ihm! mein Sohn Ist in Gefahr! B O T H W E L L sie zurückhaltend. Er ist gerettet. M A R I A halblaut wie zu sich selbst. Er war gefährdet, und ich ahnte Nichts, Im Taumel meines sündigen Gefühls Die Welt um mich, das Theuerste vergessend. LENNOX. Gerechtigkeit - wenn Darnley schuldig ist! BOTHWELL.
BOTHWELL. Gerechtigkeit! DOUGLAS
und
RUTHVEN
DIE UEBRIGEN.
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.
Wir fordern sie! W i r Alle!
nach einer Pause mit zitternder Stimme. Mein werther Lord von Mar! Wogegen sich Das mütterliche Herz bisher gesträubt, Und ich der Sitte dieses Land's zum Trotz Verweigert hab': Mein einzig' liebes Kind Noch einem andern Schutz anzuvertrau'n, Als jener ist, den ich gewähren kann, Ich thu' es jetzt, bestelle Euch, Mylord, Zu meines Sohnes, Eures Prinzen, Hüter. Wacht über dieses arme Kind, das nicht Mehr sicher ist in seinem Vaterhaus. MAR. AUS Deiner Hand empfang' ich es, und heb' Die meine auf zum Schwur: So schütze mich Der Herr! Wie ich Dein Kind beschützen will, Vertheidigen in jeglicher Gefahr, Mein Leib sein Schild, und dieser Arm sein Schwert! Mar geht ab. MARIA
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Allmächt'ger Gott -
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MARIA sich zu Darnley wendend, ruhig. Ihr habt verreisen wollen, König Darnley, Ich halt' Euch nicht zurück. Erfüllt die Sehnsucht, Die Euch von hinnen treibt, und lasse Euch Ein gnädiges Geschick mehr Segen finden In fremdem Land, als diesem Ihr gewährt. LENNOX. Im Innersten bewegt, stimm' ich Dir bei. Er scheide! heute noch - noch jetzt. Das Schiff, Das er gerüstet, ränkevoll uns täuschend Mit der erlog'nen Absicht, über'm Meer Zu bergen seine Schmach, es trage scheidend Uns einem fremden, fernen Strande zu, - Mich selbst verbannend, folg' ich dem Verbannten. MARIA. Ihr wolltet - Lennox - Vater - Nein! Ihr bleibt. DARNLEY. SO w i e i c h s e l b e r .
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LENNOX. Sohn! DARNLEY. Geändert ist Mein Sinn. Nicht in die Fremde zieht mich's, nicht Nach England mehr. RUTHVEN. Seht doch ... DARNLEY. My lord von Huntly! Das Schiff, das reisefertig liegt im Hafen, Es streicht die Segel alsogleich. BOTHWELL.
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Die Frechheit!
DARNLEY. Gebt Befehl, die Waffen und den Pulvervorrath Nach meinem Schloß zu bringen. MARIA ZU Huntly, welcher zögert. - Geht Mylord. Huntly ab. DARNLEY. Ihr Andern aber - laß't uns jetzt allein. RUTHVEN. Ist es denn glaublich? BOTHWELL. Königin - Ihr duldet, Ihr unterstützt den kecken Widerstand? DARNLEY. Verlaßt uns sag' ich. DOUGLAS. Wie? gebieten hier Die Hochverräther? BOTHWELL. Königin Maria MARIA. Geduld, Mylord. Zu den Uebrigen. Gehorcht dem König. Mit einem unterdrückten Ausruf des Erstaunens gehen Alle dem Ausgange zu, Lennox zögert. DARNLEY ZU ihm. Ich bitt' Euch - geht. MURRAY ZU Lennox. Kommt, theurer Lord. LENNOX. Warum
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I. Text Gerade mir solch' einen Sohn - ο Gott?! Die Schande bleichte heut' mein Haar, Hätt' nicht dies heut' es schon gebleicht gefunden. Alle ab, außer
Fünfter Auftritt MARIA, DARNLEY, BOTHWELL.
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BOTHWELL. Nicht länger diese grenzenlose Milde Für einen überwiesenen Verräther! MARIA. Ich bitt' Euch - haltet Maß. Zu Darnley vorwurfsvoll. Du aber - Darnley Ist's m ö g l i c h , daß du mich zum zweiten Mal verrieth'st? DARNLEY. Ich h a b ' s zum zweiten Mal gethan, Und thät' es wieder - heute - morgen - immer! BOTHWELL Stürzt wie rasend auf ihn zu. Mit meinen Zähnen reiß' ich ihn in Stücke! MARIA. Zurück!
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DARNLEY. Und wag' es nicht mich zu berühren! Mit keiner Silbe, wag' es, mich zu schmäh'n, Du Schlechterer als ich! Die Königin Willst Du beschützen? Du nennst mich Verräther? Was bist Du selbst, Verführer und Verräther, An ihrem guten Namen! BOTHWELL. Ihren Namen Vertrau' getrost nur meiner Sorge an, Du hast das Recht verloren, ihn zu hüten. DARNLEY. Hast Du's gewonnen? BOTHWELL. Ueben will ich es. DARNLEY. Von ihrem Gatten unbestritten? MARIA.
Darnley!
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DARNLEY. Dem man, wie mir, die höchsten Rechte raubte, Der feilscht, bei'm Himmel! um ein - Letztes nicht.
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MARIA. Ruhig, Bothwell, ruhig. Zu Darnley. Ihr selbst verzichtet, Sire, auf Euer Recht! Der es nicht wahren will, dem ist's verloren. BOTHWELL. Er spricht! er spricht! und jedes seiner Worte,
BOTHWELL. D e r Unverschämte!
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Wird widerlegt durch jede seiner Thaten! Zu Darnley. Wenn rechtlos Ihr an diesem Hof Euch fühlt, Was hält Euch ab, für immer ihn zu meiden? DARNLEY. Ich will Euch's sagen, Beiden, was mich abhält. - Um Euch zu schaden ging ich, denn - ich haß' Euch. Ihr hindert mich, Euch durch mein Geh'n zu schaden, So bleib' ich denn. Da Euch's zum Trotz geschieht, So bleib' ich gern - denn wißt - Ich haß' Euch sehr. Auch darum wollt' ich fort, weil ich mich hier Nicht sicher fühlte. Sicher bin ich jetzt. Von diesem Tag müßt Ihr mich ängstlich schützen, Nur unbequem ist der lebend'ge Darnley, Dertodte Darnley könnte furchtbar werden. Sein End', durch Euch verschuldet oder nicht, Macht Euch zu Mördern vor der ganzen Welt MARIA. Was sagt Ihr?! ... Welcher gräßliche Verdacht! DARNLEY. Ihr mußtet klüger handeln, sollt' er Euch Nicht treffen. Allzuklar sieht Jeder ein Wie lästig ich, und überflüssig worden, Wenn er vom Ritte hört - nach Hermitage. MARIA. Gerechter Gott! BOTHWELL zwischen den Zähnen. Verdammt, wer das verrieth! DARNLEY. Wenn ich nicht schweige, und ich schweige nur So lang man mir begegnet, wie ich's ford're, Ist Euer Ruf befleckt - geschändet Euer Name. - Ich bin um Eure Ehre sehr besorgt. Geht ab.
Sechster Auftritt M A R I A . BOTHWELL.
5
MARIA. Er weiß! BOTHWELL. Was er nicht weiter sagen wird. Ein todter Mann verrieth noch kein Geheimniß. MARIA schaudernd. Er darf nicht sterben! - Jetzt nicht. Fühlst Du das? Ich hab' mich schwer an ihm versündigt, Bothwell, Ich stellte seine Ehre an den Pranger. BOTHWELL. Die Deine geht zu Grunde, wenn er lebt. MARIA. Um sie zu retten, darf kein Mord gescheh'n. BOTHWELL. E r m u ß g e s c h e h ' n .
I. Text
5
195
MARIA. Um aller Heil'gen Willen Beschwör' ich Dich ... BOTHWELL. Ei sieh' doch - welche Inbrunst! Erwacht die schnöde Leidenschaft von Neu'm Für diesen Jammermann? Liebst Du ihn noch? MARIA. Das Auge liebt den Dorn, an dem's erblindet, Das Herz, die Wunde, die's verbluten macht, Wie ich den Darnley liebe, meinen Quäler! BOTHWELL. Wohlan denn - so vernichte ihn! ... Sprich nur Ein Wort, gib mir nur einen Wink — MARIA.
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15
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7-8
Ich!-Dir?.. .
Auf Bothwell zugehend, faßt sie seine beiden Hände, und sieht ihm fest in 's Auge. Hast Du es nicht gehört? - Er darf nicht sterben. Nicht um die Seligkeit darf er's durch Dich! BOTHWELL finster in Gedanken. Geschehen m u ß die That - gleichviel durch wen? Die schnellste Hand, die beste - Wendet sich. M A R I A mit einem Schrei. Bothwell! Bothwell! Verschone ihn! - ich hab' ihm angehört, Ich hab' sein Kind in meinem Schooß getragen, Genährt an meiner Brust, verschone ihn! Bothwell wendet sich trotzig ab. An meinem Bund mit diesem schlechten Manne Zerschellt' mein Glück als wie am Fels die Woge, Es soll durch ihn nicht auch mein Friede sterben. Sich Bothwell nähernd. Bei jeder Treu' und Ehrlichkeit auf Erden Beschwör' ich, Bothwell Dich - gelobe mir, Daß Dir sein Leben unantastbar heilig. BOTHWELL. Maria ... Königin! MARIA. Dein Wort begehr' ich! BOTHWELL. SO nimm's - wenn er Dir theurer ist als ich. MARIA. Nicht also, Bothwell. BOTHWELL. Ihm noch zugewandt Mit allen Trieben ist Dein Herz. Behalt' ihn! Ich tödte Deine Feinde nur. MARIA angstvoll. Erbarmen Erbarmen, Freund, mit meiner Todesangst Hab' ich Dein Wort - ο sag' - hast Du's gegeben? BOTHWELL. D U hast's genommen - große Königin. MARIA. Sieh' mich zu Deinen Füßen BOTHWELL mit Erbitterung. Ο fürwahr
Sprich nur / Ein Wort, gib mir (H 2 ) ] Sprich' nur / Ein Wort, gib' mir (E 1 )
Settfehler
Maria Stuart in Schottland
196
5
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25
Das ist zu viel - steh' auf - und sei getrost MARIA. Hab' Dank! BOTHWELL leise, die Faust geballt. Zertreten möcht' ich ihn! MARIA abgebrochen. Ο siehMein Kopf ist wirr, erschöpft ist meine Kraft, Nichts mehr steht fest im zitternden Gewühl Der bangen Zweifel, die mein Herz bedrängen, Als das Bewußtsein: Bothwell gab sein Wort! Mit Erschöpfung. Ich hab' Dein Wort - ein edles Manneswort Ein niegebrochenes - ich gehe ruhig. BOTHWELL. Ich aber bleib' von Eifersucht gequält, Wenn Du mich liebtest, müßtest Du ihn hassen. MARIA. Weil ich Dich liebe, jeder Pflicht zum Trotz, Steh' ich ihm gegenüber waffenlos. Ich darf nicht richten, denn ich fehle selbst. BOTHWELL. DU bist nicht schuldig, was verklagst Du Dich? MARIA. Ich bin's im Geiste, wenn nicht in der That, Ich bin's durch meinen sündigen Gedanken. - Ο Bothwell, sei zufrieden mit der Macht, Die unbeschränkt Du über mich gewannst. Ich fühle, daß es Unrecht ihr zu folgen, Und fühle doch, daß ich ihr folgen muß! BOTHWELL beugt das Knie. Du tödtest und belebst, mit Einem Wort. MARIA. Verzeihung, Freund, dem angstgequälten Weibe! Reicht ihm die Hand, die er knieend küßt. Zu meinem Sohne jetzt, der mir noch theurer, Seitdem ich seine Rettung Dir verdanke. - Leb' wohl. BOTHWELL.
30
Leb' wohl.
MARIA. Gedenke Deines Schwur's. Sie geht ab. BOTHWELL aufspringend. So gut hätt' ich geschworen nicht zu athmen Als eine Luft mit Darnley. - K ö n i g Darnley? ... Nicht lange mehr, d a s schwör' ich und gelob's! Und d i e s e r Schwur soll treu gehalten werden.
197
I. Text
Siebenter Auftritt DER VORIGE. RUTHVEN.
RUTHVEN. Ein Wort, Mylord. BOTHWELL sich rasch umwendend.
Was wollt Ihr?
RUTHVEN.
W a s Ihr - wünscht.
BOTHWELL. Ich - w ü n s c h e ? RUTHVEN.
Damley's Tod.
BOTHWELL.
5
10
15
RUTHVEN.
20
Verwegener -
RUTHVEN. Ο läugnet doch das Unläugbare nicht! Gedanken r e d e η , die ein Angesicht Also verwandeln, wie's das Eure ist. - Ich grüße Euch, Verbündeter! Genösse! Jehova's Ruf erscholl nicht mir allein. BOTHWELL. Nicht Euch allein? Versteh' ich? Wie - Ihr wolltet ... RUTHVEN. Auch Ihr - Ihr wollt! ... Auf Eurer Stirne wie In Feuerzügen steht's geschrieben, daß Euch Gott erkor zum blut'gen Rächeramt, So wie er mich erkoren und erwählt. BOTHWELL. Zum Mörder Darnley's? RUTHVEN. Seinem Richter, sagt! BOTHWELL. Ist Gott mit Euch, was braucht Ihr meine Hülfe? RUTHVEN. Mylord von Bothwell - Ihr mißtraut mir! BOTHWELL. Wer bürgt für Eure Treue? Ich! mit W o r t
Und That, mit Leib und Blut. Ο glaubt an mich! - Wir fallen Beide, oder Darnley stirbt. BOTHWELL nach einer Pause entschlossen. Leiht mir die Hand. Hier ist die meinige. RUTHVEN. Heil meiner Kirche! Segen über Euch! BOTHWELL. F o l g t m i r .
25
RUTHVEN. Zu - Ihm! ... Bereitet sind die Wege. Leise und rasch. In seines Schlosses Kellern aufgespeichert Liegt Pulver, das von seinem Schiff ... BOTHWELL fällt ihm in 's Wort athemlos. Ich weiß. RUTHVEN. Die Lunte liegt - ein Funke braucht zu fallen BOTHWELL. Sie glimmt - sie brennt - sie zündet! ... Damley stirbt. Beide ab.
Maria
198
Stuart in
Achter Auftritt MARIA
5
und
MURRAY
kommen.
MURRAY. Hört meinen Rath, laßt Euch bewegen, Schwester. MARIA. Zum Undank gegen Both well? Niemals! - Nie! MURRAY. Wer spricht von Undank? - Lohnt ihm königlich. MARIA. Und dann entlaßt den reichbezahlten Knecht. MURRAY. Entlassen nicht, entfernen sollt Ihr ihn. MARIA. E r b l e i b t .
10
MURRAY. Er darf nicht bleiben. MARIA. Darf nicht? Ο Wer wagt ein solches Wort? MURRAY. Der Bruder wagt's. Wollt Ihr den Namen kennen? nenn' ich ihn? Mit dem man Bothwell schon am Hofe grüßt: - "Der Kön'gin Günstling" lautet er! MARIA.
15
Murray!
MURRAY. Verhaßt ist König Darnley und verachtet, Ein And'rer muß an Deiner Seite steh'n, Ein Besserer! den Ruhm der Königin, Das Wohl des Reich's, mit sich'rer Hand zu wahren. Doch dieser And're darf nicht Bothwell sein. MARIA. Weil Murray es sein möchte. MURRAY.
Mir vertraut
Das Volk, mich liebt der Adel. Weil er Euch Schon einmal sah bei meinen Feinden steh'n. O, geht! geht! Eure Sorg' um meinen Ruf Entspringt aus einem Quell' mit Eurem Ehrgeiz. MURRAY. Daß er nur Eurem Vortheil dienen will, Sollt' meinen Ehrgeiz Euch verzeihlich machen. MARIA. Genug. Ihr sprecht umsonst. MURRAY. Das thut mir Leid, Für - Euch. Ihr richtet Euch zu Grunde. Sei MARIA. Es denn! MURRAY. Wohlan! Das Unheil, das Ihr selbst Heraufbeschwört, kann ich von Euch nicht wenden. Doch mit dem Euren eng verbunden ist Des Landes Schicksal. Schottland soll nicht leiden Durch Eure Schuld. Geschäh' es jemals, dann MARIA.
20
25
30
Schottland
199
/. Text
5
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- Dann steh'n als Feinde wir uns gegenüber, Im Kriege, wo gemeines Recht nicht gilt, Und jedes Mittel gut - führt es zum Sieg! Er geht ab. M A R I A allein. Die Bühne allmälig verfinstert. Und jedes Mittel gut - wenn es nur taugt Zur Waffe gegen mich. Ich weiß es, Murray. Und ach! so treulos fühlst nicht Du allein, Auf keinen Freund darf ich in Schottland zählen, Als auf den Einen - Bothwell, als auf Dich! O, gnäd'ger Gott, den Einz'gen unter Allen, Den ich bewährt gefunden, Iaß' nicht sinken, Nimm Alles, Herr! - laß' mir an Ihn den Glauben. - Nicht zu dem frommen, frieden vollen Walten, Das and'rer Frauen stillbeglückend' Los, Hat mich Dein Wille, Ewiger, bestimmt. Der schwachen Hand vertrautest Du ein Szepter, Das wie ein Schwert geformt: als wie ein Schwert Zu schwingen und zu brauchen. Steter Kampf Heißt meines Lebens ernste Losung - Kampf Um jedes Recht, um jedes Eigenthum, Das heil'gste selbst, und unantastbarste! - Ein rauhes Tagwerk ist das meine, Herr, Die Kraft versagt, gönn' Labung mir, mein Gott, Und laß' mich ruh'n, erschöpft vom Kampfgewühle In einem milden, labenden Gefühle! Ein dumpfes rollendes Getöse erschüttert die Luft. Einen Augenblick darauf tiefe Stille, dann lautes Geschrei von vielen Stimmen, das immer wächst und näher zu kommen scheint. Allmächt'ger! ... Was war das? Eilt zum Fenster. Täuscht mich mein Auge? Was hebt sich dort und steigt in hohe Lüfte, Und qualmt empor in schwarzen Rauchessäulen, Ein ungeheuer fürchterlich' Gebilde, Durch dessen finst're Wirbel Flammen schwirren Wie gold'ne Pfeile durch die tiefe Nacht? Hat sich der Hölle Rachen aufgethan, Und spei't Verderben über uns're Häupter? L A D Y A R G Y L L stürzt herein. Um Gottes willen - Königin! — MARIA.
Nach 3
Die Bühne allmälig
W a s ist
verfinstert.
] getilgt H 2
200
Maria Stuart in Schottland Gescheh'n?! Ein furchtbar - grauenhaftes Unheil MARIA. Fassung, Eleonor! LADY ARGYLL. Sie - sagen - sagen Des Königs Schloß sei in die Luft gesprengt MARIA. Des - Königs... Murray, Lennox, Mar rasch auftretend. MURRAY. W O ist Darnley? - Wo? MARIA. Auf seinem Schlosse. LENNOX. Dann ist er todt AufBothwell zeigend, der erscheint und auf der Schwelle stehen bleibt. Und dieser dort - sein Mörder! MARIA. Nein! Nein! LADY ARGYLL.
5
Vierter Aufzug Erster Auftritt Zimmer bei der Königin
5
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2 19
LADY ARGYLL allein, den Blick auf das Nebenzimmer dessen Thür offen steht. Auf ihren Knieen - tief gebeugt das Haupt, Das Crucifix in den gefalt'nen Händen; Im brünstigen Gebet so ganz versunken Daß rings die Welt für sie erstorben, fremd Dem Herzen jede Regung scheint, die sich Nicht Andacht nennet, liegt sie da ... Nein! Nein! So beten kann kein schuldiges Gewissen ... Hinweg mit jedem Zweifel ο mein Herz! Sei treu im Glauben an die Vielgeschmähte, Du bist vielleicht bald ihre einz'ge Stütze! ... Seit Monden nun liegt Heinrich Darnley, in Der Gruft der Könige von Schottland, und Ein jeder Tag der seinem letzten folgte Hat neue Schrecken zahllos uns geboren - Als sende sie der ungerächte Geist Des Hingeschied'nen - Hingemordeten Steigt ihre Schaar allmälig aus dem Dunkel, In's düstre Grau gekleidet, des Verdachts, Und wirbt sich Helfer, unsichtbar, gewaltig, In jedem Herzen das da lebt und pocht ... Sie heißen: Haß, Empörung, Rachedurst, Und ihre Pfeile - die nie verfehlenden, Sie zielen alle nach der einen Brust!
Das Crucifix ( E ' \ H 2 ) ] Cruciß (E 1 ) wirbt sich Helfer, (E IK , H 2 ) ] wirbt sich Felsen, (E 1 )
gerichtet,
Maria Stuart in Schottland
202
Zweiter Auftritt DIE VORIGE. MARIA.
LADY ARGYLL. SO ruhig - M a j e s t ä t ?
5
MARIA. Ich hab' gebetet. LADY ARGYLL. Daß Ihr Euch Kraft für diesen Tag erfleht! MARIA. Für d i e s e n Leonor? LADY ARGYLL. Bald schlägt die Stunde Die vor Gericht Mylord von Bothwell ruft. MARIA. Diejen'ge auch, die ihn rechtfert'gen soll.
LADY ARGYLL. D a s gebe Gott! MARIA. DU zweifelst?
Sehnlichst Wünschen Erzeuget Sorge, vor vergeh'nem Wünschen. MARIA. Kleingläubige! Auch Du verdächtigst ihn! LADY ARGYLL. Träf' ihn kein schlimmerer Verdacht als meiner! MARIA. Verdacht von Freunden, ist der schlimmste! Spräch Er sich auch noch so leise aus - ja müßt' Man ihn errathen! Seine schwächste Regung Schneidet in's Leben ein, indeß des Feinds Verdacht, Die Haut kaum ritzt. LADY ARGYLL.
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LADY ARGYLL. Glaubst Du, nur Jener leide Der den Verdacht bei seinem Freund erregt? Fürwahr! Nicht minder leidet der ihn hegt Ο Königin! Ich darf nicht länger schweigen Das herbe Wort es m u ß gesprochen sein Wie schwer es auch - wie fast unmöglich mir ... Sie stockt. MARIA. Eleonor! Die treuen Lippen weigern Dir Den Dienst! Die anders nie als liebvoll zu Mir sprachen, öffnen sich zu keinem Vorwurf Für Deine Königin! - Und glaube mir Die Lippen thun viel besser als das Herz, Das sie zu schlimmen Boten machen will Der schlimmen Warnung, die ein Tadel ist. LADY ARGYLL. Mag's stille stehn für immerdar, wenn es Mit aller seiner Macht dagegen sich Nicht sträubt Dir weh zu thun! MARIA. Laß es gewähren! LADY ARGYLL. Nicht blos das Herz, auch die Vernunft gebietet.
Die Lippen thun ( E ' \ H2) ] Die Lippen thuen (E 1 )
203
I. Text
5
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35
19 32
MARIA. Das Herz ist oft verniinft'ger als Vernunft Es räth Dir gut in diesem Augenblick. LADY ARGYLL. Wenn Treue jemals einen Lohn verdient, Jemals das Recht zu einer Bitte gab, So ford're ich's als Recht daß Du mich hörest. Maria Stuart! Deines Volkes Stimme Klagt Both well laut des Königsmordes an! Ein Schrei nach Rache gellt durch's ganze Land, Und Du verschließest sündlich ihm Dein Ohr! Es geht der Mann, den J e d e r schuldig nennt So hochgestellt wie K e i n e r - frei umher, In sich'rer Ruh genießend all der Ehren Womit ihn Deine Gnade überhäuft. Selbst jetzt - wo ein Gericht zusammentritt Vor dem er stehen wird als Angeklagter, Selbst jetzt, bleibt unbenommen ihm die Freiheit Und wie benützt er sie! Sein ganzer Anhang Umstellt das Parlament. Mit Sang und Spiel Und flatterndem Panier, ziehn seine Schaaren Durch Deiner Hauptstadt todtenstille Gassen. Der schwer Verklagte tritt vor seine Richter, Und bringt mit sich, was ihn entsühnen muß: Nicht seiner Unschuld sprechenden Beweis, Auch nicht das Zeugniß ehrenwerther Stimmen Er bringt G e w a 11, die es gefährlich macht Ihn zu verurtheilen - ihn zu bestrafen Unmöglich! MARIA. Hab' ich nun genug gehört? Ist Deine Treue müd' sich zu bewähren Indem sie And're grenzenlos verdächtigt? LADY ARGYLL. Verdächtigt hätt' ich Bothwell? Nein! Ich klag' Ihn an! Nicht des Verbrechens, dessen man Ihn zeiht, da k a n n er schuldlos sein, und geb' Es Gott! Doch eines andern Fehls von dem Kein Richter jemals frei ihn spricht: Er hat Dein Herz bethört und Deinen Sinn verblendet Dein Ohr umstrickt mit seinen Liebesschwüren, Bis taub es ward für jeden Wamungsruf,
Panier, ziehn seine (E' K , H 2 ) ] Panier ziehn seine (E 1 ) schuldlos sein, und (E' K , H 2 ) ] schuldlos sein und (E 1 )
Maria Stuart in Schottland
204
Für Deines Volks zu Dir erhob'ner Stimme, Für Deiner Freunde treues Flehens wort! MARIA. Ich hab' auf Erden keine Freunde mehr! Das letzte treue Herz verlier' ich jetzt ... 5
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LADY ARGYLL. Ο K ö n i g i n !
MARIA. SO seid Ihr Alle! So lang des Lebens Pfade glatt und eben Hinschlängeln sich in stiller Heiterkeit, Da folgt Ihr uns, da wandelt Ihr wohl mit Ihr Freunde! Auf der munt'ren Wanderung, Längs grünen Ufern durch das blum'ge Thal. Doch Weh! Wenn es sich düster nun verengt, Wenn Klippen starren rings umher, Geröll Mit schneid'gen Kanten wund die Sohle ritzt, Die Brandung tosend ihren weißen Schaum In's Angesicht uns spritzt, mit tausend Zungen Die wilden Wogen grimmig nach uns lecken, Da heißt's: "Nun ist's genug! kehr um!" Und folgen wir nicht Eurem feigen Ruf, Treibt uns der Muth, trotz Klippen, Sturm und Brandung, Voran - voran! auf uns'rem rauhen Pfad: Da sprecht Ihr: "Lebe wohl!" - und wendet Euch — LADY ARGYLL. Das h a b ' ich nicht verdient!
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1 22
MARIA. Es ist das Schicksal Der Könige, und aller königlich Empfindenden Gemüther - in der Welt Allein zu stehen, weil zu hoch sie stehn. So laßt mich denn allein! Weicht der Gefahr Wenn Ihr zu klein Euch fühlt sie zu besiegen, Ich trotze ihr, ich weiß mich ihr gewachsen! LADY ARGYLL. Verwirfst Du auch die Warnung Königin, Verwirf den Warner nicht! ... Ich folge Dir, Ob aufwärts zu den Höhn, ob nieder zu Der Tiefe führt Dein Weg, denn Dir geweiht Hab' ich mein ganzes Leben. MARIA. Worte! Worte! LADY ARGYLL. Erfahre nie wie treu gemeint sie waren, Sonst reute Dich zu bitter diese Härte. Sie geht ab. MARIA allein. Dein Leben weihst Du mir? E r hätt' für mich
zu Dir (H 1 , H 2 ) ] zur Dir (E 1 ) Setzfehler nicht verdient! (E 1K , H 2 ) ] nicht verdient. (E 1 )
205
I. Text
5
10
15
Der Seelen Seligkeit dahingegeben! ... - Und Ihm könnt' ich zu Vieles je gewähren? Niemals genug! Ihr Kalten und Ihr Kleinen! Ge'nüber Ihm, dem fürstlichen Verschwender Bleib' ich ja doch in Zeit und Ewigkeit, Ein armes, karges, ohnmächtiges Weib! HUNTLY tritt ein. Versammelt sind die Richter, Majestät Und warten, wie befohlen, Deiner Ankunft. MARIA. Ihr werdet mich begleiten, Mylord Huntly. - Was ist's - Was zögert Ihr? ... HUNTLY. Mylady, Lord Von Lennox, eben angekommen, bittet Um Einlaß ... MARIA. Nein! Ich kann nicht - sagt ihm - Geht! Ich werd' ihn sehen - später - gleich - vor dem Gericht ... Dahin bescheidet ihn und folgt! Beide ab nach verschiedenen Seiten.
Dritter Auftritt Der große Gerichtssaal In der Mitte des Hintergrundes ein auf Stufen erhöhter Thron, mit einem Himmel bedeckt. Rechts und links neben den Eingängen, Estraden, vor denselben Tische für die Schreiber, zwischen ihnen der Platz des OBERRICHTERS, vor ihnen die Bank für die RICHTER, Trompetenstoß. Vier GERICHTSDIENER mit silbernen Stäben, dann vier DOKTOREN, ein EDELMANN, der die Tasche mit dem großen Siegel trägt. MARSCHALL mit dem Scepter (entblößten Haupts), ein EDELMANN mit dem Schwerte, zwei andere mit silbernen Pfeilern. CAITHNESS und z w o / / R I C H T E R , dreißig
LORDS, unter
denen
MURRAY, DOUGLAS und
RUTHVEN.
SCHREIBER, RUFER und HEROLDE. Alle nehmen ihre Plätze ein.
5
1
CAITHNESS. Ihr seid allhier versammelt, edle Lords, Zu einem ernsten, trauervollem Werke Vier Monde sind's, seitdem wir König Darnley In's Grab gesenkt, und ungesühnt schreit noch Sein Blut, zu Gott dem Richter und dem Rächer. Vergebens hat die Königin verheißen Seligkeit dahingegeben! ... (EIK) ] Seligkeit dahingegeben ... (E1)
Maria Stuart in Schottland
206
5
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Mit reichstem Lohn die Treue zu belohnen, Die dem Gericht entgegen führt den ihm Verfall'nen Mörder - unentdeckt lebt er Von keiner andern Strafe noch ereilt Als die er peinvoll trägt im eig'nen Herzen Im quälenden Bewußtsein seiner That. Nun aber scheint der werthe Lord von Lennox In dieser düst'ren Sache einen Weg Zur Wahrheit endlich, und gerechtem Siege Entdeckt zu haben und wird vor Euch treten, Von Euch, als des Gesetzes Schutz und Trägern Ausübung zu begehren des Gesetzes. Bedenkt die Pflichten Eures Amts Ihr Herrn! Und seid gerecht so Klägern wie Verklagtem. MURRAY. Wir wollen Beide hören, ruft sie vor. CAITHNESS zu Murray. Erlaubt! Zu der Versammlung. Vom Wunsch beseelt, der wicht'gen Handlung Die uns hieher berufen, selbst zu folgen, Entschloß sich Ihre Majestät die Königin Durch ihre hohe Gegenwart zu ehren Dies feierlich Gericht. Empfanget sie! EIN HEROLD meIdend: Die Königin! Alle erheben sich. Maria kommt mit Gefolge, darunter Mar, Kerr, Huntly, Athol. Caithness und Murray gehen ihr entgegen und fiihren sie zum Throne. MARIA. Um Euerer Versammlung beizuwohnen, Nicht sie zu leiten, kam ich, meine Lords. Beginnt! Nach des Gesetzes Lauf und Vorschrift! C A I T H N E S S . So sei erklärt denn - als eröffnet diese Gerichtsversammlung! Zum Schreiber. Thut, was Eures Amtes. SCHREIBER. Ruft: Mylord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht! RUFER. Mylord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht! LENNOX gestützt an Cunningham tritt auf. Hier. MARIA sich rasch, fast unwillkürlich erhebend: O! mein Vater Lennox! Verbirgt das Gesicht in den Händen. SCHREIBER. Ruft: James Hepburn, Graf von Bothwell, erscheine vor Gericht! RUFER. James Hepburn, Graf von Bothwell, erscheine vor Gericht! Bothwell tritt ein, mit großem Gefolge, alle bewaffnet. BOTHWELL. Hier.
6-6 Nach 20 27
Vergebens hat die Königin bis Bewußtsein seiner That. - ] getilgt H 2 Mar, Kerr, Huntly, Athol (E1K) ] Mar, Huntly, Athol (E1) RUFER. Mylord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht! ] getilgt H 2
207
I. Text
5
CAITHNESS. Lord von Both well, Ihr seid herberufen, Doch Euer Anhang nicht! BOTHWELL. Nicht meinen Anhang Nur meine Zeugen hab' ich mitgenommen. CAITHNESS. ES ladet Zeugen das Gericht, sobald Die Zeit kommt, sie zu hören. Lasset diese Abtreten! MEHRERE LORDS.
Sendet sie hinweg!
BOTHWELL.
Thuet es
Doch selbst! Von mir begehrt es nicht. My lord! leise zu Caithneß. Seid Ihr mit Blindheit denn geschlagen Sir, Der Göttin gleich, in deren Dienst Ihr steht? Hilft Alles nichts! Heut muß die Themis blinzeln. CAITHNESS. Zum Scherze Herr, ist hier nicht Zeit und Ort. MURRAY wie oben. Ich scherze nicht! Im Ernste schwör' ich Euch's Um feierliche Ehrenrettung - nicht: Um eines Schuld'gen Prüfung handelt sich's. CAITHNESS. Bei mir Lord Murray, handelt sich's um Recht. Zu Bothwell's Anhang: Verlaßt den Saal! MURRAY ZU der Versammlung. Ihr werthen Herrn! Ich steh CAITHNESS. MURRAY
10
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Für diese Männer ein! Verbürge mich Für sie! Sie sollen keinen Einfluß nehmen Auf Gang und Leitung unseres Gerichts. 20
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30 7-16 13 26
EINIGE LORDS. L a ß t s i e !
ANDERE. Sie mögen bleiben! MURRAY. Euch vor Allen Lord Oberrichter! leist' ich hiemit Bürgschaft Für diese da! Begehret Rechenschaft Von mir, wenn sie sich übernehmen, Sir! - Fahrt fort. Ich bitte. CAITHNESS. Euren Wunsch, wenn ich Auch seinen Grund nicht fasse, will ich ehren, Zum Schreiber. Laßt Stille rings gebieten. SCHREIBER. Ruh in Ehrfurcht! RUFER. Im Namen des Gesetzes: Ruh in Ehrfurcht! CAITHNESS. Herr Graf von Lennox! Eure Klage, hat Geladen vor die Schranken des Gerichts Den Lord von Bothwell, Markgrafen des Reichs, CAITHNESS. Mylord bis Verlaßt den Saal! ] getilgt H 2 Ehrenrettung - nicht: (E' K , H 2 ) ] Ehrenrettung nicht (Ε 1 ) Laßt Stille rings (E 1K , H 2 ) ] Laßt Still rings (E 1 )
Maria Stuart in Schottland
208
5
10
Auf Euren Ruf ist er allhier erschienen, Und fragt Euch Lennox, wessen Ihr ihn zeiht? LENNOX dicht an die Stufen des Thrones tretend. In Demuth um Gerechtigkeit zu bitten, Nicht um sie zu ertrotzen, bin ich hier Denn außer diesem Treuen, der den Schritt Des Greises hergelenkt, folgt Keiner mir Und meine Hand ist wehrlos ... MARIA. Graf von Lennox ... LENNOX. O! ... Graf von Lennox? Nicht: Mein Vater? ... Nicht: Mein Vater Lennox?! ... MARIA. Sir - ich höre - doch Ich richte nicht. An Lord von Caithneß muß Ich Euch verweisen. LENNOX. D i r ruft meine Bitte Nicht ihm! Laß auseinander treten dies Gericht! In unerlaubter Hast ward es Berufen ... MEHRERE LORDS.
15
Wie?
LENNOX. Und: Hohn auf jedes Recht Der Angeklagte wählte seine Richter! VIELE LORDS. W a s sagt er? Hört!
DIE RICHTER sich erhebend.
Wir dulden nimmer ...
CAITHNESS.
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14 15
Zu Lennox. An mich Mylord! Seid Ihr gewiesen, und Ich will Euch Antwort geben. Sir, Ihr nennt Unrechtmäßig dieses Gericht? Euer Benehmen ist's! Ihr seid gekommen, die Gesetze anzurufen, nicht, sie zu Verdächtigen. Der Schmerz entschuldigt viel, Ich trag' dem Mitleid mit dem Euren Rechnung Indem ich jetzt, statt Widerruf zu fordern Der unbedachtsam ausgesproch'nen Worte, Euch nur ermahne, wie es Euch geziemt Aufrecht zu halten Eure Klage gegen Den Lord von Bothwell, den Ihr hergeladen. LENNOX. Ich sprach zur Königin - hat sie für mich Kein W o r t ? - K e i n einzig Wort?! CUNNINGHAM. Mein theurer Lord
Hohn auf jedes Recht (E IK , H 2 ) ] Hohn ruft jedes Recht (E 1 ) Der Angeklagte wählte (H', H 2 ) ] Der Angeklage wählte (E 1 ) Setzfehler
Ruhig!
I. Text Ermannet Euch! LENNOX. Ich sprach zur Königin! MARIA halblaut. Ο Pein! CAITHNESS. Antwortet Sir!
LENNOX sich von dem Throne
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15
abwendend. Wohlan Mylord's! So steht denn hier ein tiefgebeugter Greis, Der "Graf von Lennox" Eures Gleichen Sirs, Nicht mehr, wie er sich sonst vermaß zu sein, Nicht Vater einer großen Königin, Nicht näher ihrem Herzen, als der letzte Der Unterthanen ihres weiten Reichs, Und klaget an den höchsten Mann in Schottland, Den Führer jener wilden Kriegerschaar Die auf und nieder wogt vor diesem Hause, Bereit zum Sturm, sobald er es befiehlt, Den Mann der raschen That und der Gewalt, Klagt Both well'η an, des Mordes seines Königs! CAITHNESS. Habt Ihr Beweise? Könnt' Ihr Zeugen nennen? LENNOX. Ich hab' Beweise, und kann Zeugen nennen. MARIA. Ο Gott! BOTHWELL. CAITHNESS.
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14 15 19-2
Das ist gelogen! Führt sie an!
LENNOX. Sie sind wohl niemals vor Gericht gestanden Die mächtigen Beweise, die ich geben, Sie sind vor diese Schranken nie getreten Die argen Zeugen, die ich rufen will. Auch weiß ich nicht, ob sie die Geltung finden Vor Eurem Richterstuhl, die sie gewiß Vor jenem Gottes haben. Graf von Bothwell! Des ganzen Volkes laut erhobne Stimmen, Und meines Herzens Ueberzeugung, sind die Beweise - Deine eig'nen Thaten sind Die Zeugen, die ich rufe gegen Dich! Den Mann der raschen That (Η 1 , Η 2 ) ] Dem Mann der raschen That (Ε 1 ) Klagt Bothwell'n an (H 1 ) ] Klagt Bothwell's an (E 1 ) Setzfehler LENNOX. Sie sind wohl bis ERSTER RICHTER, stumm der andere. ] LENNOX. Zwar weiß ich nicht, ob sie die Geltung finden Vor Eurem Richterstuhl, die sie gewiß Vor jenem Gottes haben. - Graf von Bothwell! Und meines Herzens Ueberzeugung, sind die Beweise - Deine eig'nen Thaten sind Die Zeugen, die ich rufe gegen Dich! (Η 2 )
Settfehler
Maria Stuart in
210
ERSTER RICHTER zum zweiten. Zwei fürchterliche Gegner in der That! Der eine blind, und stumm der andere. MURRAY leise zu Caithneß. Der Greis ist kindisch worden, seht es ein. EINER VON BOTHWELL'S LEUTEN ZU ihm.
5
10
Ist's nicht genug? Wie lange wirst Du dulden? BOTHWELL. SO lange m i R' s - nicht: so lang Euch's gefällt! CAITHNESS ZU Lennox. Ihr selbst bezweifelt Sir, die Rechteskraft Von Eueren Beweisen. LENNOX. Andere Zu sammeln, gönnt man mir nicht Zeit. CAITHNESS. So habt Ihr keine für den ird'schen Richter. Doch frag ich Euch: Ihr glaubt an Bothwell's Schuld? LENNOX. Ich glaub' an seine Schuld. CAITHNESS. Ist dieser Glaube Auf einen festbestimmten Grund gestützt? LENNOX den Blick unverwandt auf Maria gerichtet. Auf einen festbestimmten Grund. CAITHNESS.
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2 10-18 26-28
Nennt ihn.
LENNOX. My lord, mein Grund ist mir ein Grund, wie mein Beweis für mich - Beweis gewesen. Euch Galt dieser nichts, wird jener auch nichts gelten. CAITHNESS. Das zu entscheiden kommt mir zu. Geb't Antwort. LENNOX. Sie ist gegeben Mylord Oberrichter. CAITHNESS. Ich traue nicht dem Zeugniß meiner Augen! Ist dies der weise, mäß'ge Graf von Lennox? Der eine grauenvolle Klage gegen Des Reiches ersten Würdenträger schleudert, Ihn feierlich vor die Gerichte ladet, Und da er kommt, und da er sich ihm stellt, Was er geklaget, nicht beweisen kann Und Antwort weigert auf des Richters Fragen, Der seinen schmerzverwirrten Sinn zur Stütze Des eig'nen Geistes Ruhe leihen will? LENNOX. Begehrt Ihr denn, ich solle wiederholen, Daß illegal mir dies Gericht erscheint? Bestochen alle Richter - eingeschüchtert Durch den Verklagten, - Schuldigen ... BOTHWELL vorstürzend. Genug! Der eine blind, und stumm (E' K ) ] Der eine blind und stumm (E1) CAITHNESS. Doch frag bis LENNOX. Mylord Oberlichter. ] getilgt H2 CAITHNESS. Und Antwort weigert bis leihen will? ] getilgt H2
I. Text
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Ich weiß nicht Lords, bin ich hieher berufen, Damit ein greises Kind sein Müthchen an Mir kühle? Tod und Holl' Ihr Herrn! dafür Bin ich zu gut! - Ist dieses ein Verhör, Und steh'η wir vor Gerichte? Oder führen Ein elend Possenspiel wir auf, das uns Zu Hohn und Spott, ein Tropf zusamm' gestoppelt? CAITHNESS. Mylord von Both well mäßigt Euch! BOTHWELL. Mich mäß'gen? Dies bloße Wort könnt' einen rasend machen! Ein Schurke, der allhier sich mäß'gen könnte! Bei meinem Zorn! Da kommt ein alter Mann, Und klagt mich an des Todschlags seines Sohn's Auf seines Herzens gläub'ger Ueberzeugung, Warum er's glaubt, und was ihn überzeugt, Das sagt er nicht - dafür hat er Beweise Die nicht Beweise sind und Gründe, die Nicht Gründe sind, und es doch sind - und Possen! Ich sag' Euch: Endet! Endet! Hin ist meine Geduld! — MURRAY. Lord Oberrichter kommt zum Spruch! CAITHNESS. Noch einmal frag' ich Euch Mylord von Lennox! Worauf begründet Ihr den Glauben an Des Angeklagten Schuld? LENNOX. Noch einmal Sir: Auf Gründe, die für Euch nicht Gründe sind. CAITHNESS ZU den Richtern. Ihr habt's gehört! - Uebt Euer Amt nach Pflicht. Was auch ein Jeder fühlen mag und denken, Nach Glauben nicht, nach Wissen richten wir, Und wäre jener größer als die Welt Und dieses kleiner als ein Sandkorn, schwerer In uns'rer Schale, müßt' das Sandkorn wiegen. - Ich geh' zum Schlüsse. - Kommt zum Spruch Ihr Herrn! SCHREIBER. Z u m S c h l u ß ! RUFER.
Z u m Schlüsse!
CAITHNESS zum Marschall. Wollt' die Stimmen sammeln. Marschall sammelt die Stimmen. CAITHNESS ZU Lennox. Es gibt hier nichts zu richten, Graf von Lennox 13 17 20-23 27-29
Ueberzeugung, - (E IK ) ] Ueberzeugung, (E1) es doch sind - und Possen! - (E1K) ] es doch sind und Possen! - (E1) CAITHNESS. Noch einmal bis LENNOX, nicht Gründe sind. ] getilgt H 2 CAITHNESS. Und wäre jener bis Sandkorn wiegen. ] getilgt H2
Maria Stuart in Schottland
212 Kein Straferkenntniß haben wir, M y l o r d , Für unbewies'ne Schuld. Für unbe wies' ne
LENNOX .
Unschuld, auch keine Lossprechung. Ich ford're Vertagung des Gerichts! Ja! Er hat Recht!
MEHRERE LORDS . 5
CAITHNESS. Ihr fordert, w a s wir nicht gewähren können. Stimmt ab Ihr Herrn! LENNOX ZU der Versammlung.
Ihr edlen Lords und Peers!
Ich fleh' Euch an: Beschützt in meiner Sache Das hülflos unterdrückte Recht! ... Stimmt ab!
CAITHNESS.
Die zwei ersten Richter haben ihre Stimmen abgegeben, Marschall
zum dritten wendet, erhebt sich
als sich der
dieser:
DRITTER RICHTER. Ich w e i g ' r e meine Stimme! So w i e ich!
DER NÄCHSTFOLGENDE. 10
DIE ZWEI LETZTEN. Und wir! EINIGE LORDS, darunter Mar, sich
erhebend.
Wir A l l e ! Keine Lossprechung! MURRAY. Ihr Herren dort - w a s ficht Euch an? Zur Ordnung! CAITHNESS. Ward nicht bisher genug beleidigt schon Die Würde dieses H o f ' s ? Sie ward's durch Euch!
ERSTER LORD.
ZWEITER LORD. Durch Euch! die alles hier bereitet haben 15
Z u einer That höchsten Despotenthums! Zeichen
des
Beifalls.
CAITHNESS. Mylord! Ihr redet zu den Trägern des Gesetzes! Ehrt in ihnen das Gesetz, Das ihre Handlungen bestimmt! MAR sich erhebend.
Ihr folgt
D e m Geiste der Gesetze nicht. Euch lenkt 20
Sein todter Buchstab! EINIGE LORDS.
Wahr! Hört' ihn! Hört ihn!
ANDERE. MAR ZU Caithneß.
Für Euch ist selbst das heil'gste Recht kein Recht,
Kann man's nicht schreiben in ein Dokument, Und Eures Herzens beste Ueberzeugung, Ihr opfert sie dem Wortlaut eines Satzes. 25
VIELE STIMMEN. Ein wahres Wort! Ihr sprecht aus uns'rer Seele. MAR. W i r aber sind des Landes freie Peers Uns vorzudenken brauchet keine Vorschrift, Wir bilden selber unser Urtheil, und Dies lautet...
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I. Text Haltet ein!
MURRAY.
Dies lautet Sir: Die innern Zeugen, welche Lennox rief, S i e h a b e n G e l t u n g - h a b e n sie füruns! Beifall der Lords, Bewegung unter Bothwells Anhang. CAITHNESS sich erhebend. Sie haben keine Geltung! Und die ihre Verliert die Stimme, welche widerspricht! Zu Lennox. Gezwungen nur, schreit ich zum Aeußersten, Allein My lord, ich kann nicht anders handeln. BOTHWELL. Bei meinem Eid! Dies klingt beinahe wie Entschuldigung! ...Ihr k ö n n t nicht anders - doch Ihr hättet gern, so Ihr gekonnt, anders Gethan? - War's so?! - Nun hört von mir ein Wort! Da liegt mein Handschuh, Jedem hingeworfen Der fest nicht glaubt, und nicht aus ganzer Seele An meiner Unschuld Makellosigkeit! — Wer immer auch es sei, und wären's Alle! Derjenige, der jetzt noch an mir zweifelt Und nicht dies Pfand aufhebet von der Erde, Den nenn' ich solch 'nen schlechten, feigen Schurken, Wie keiner schandvoll noch zur Hölle fuhr. Ich hab's gesagt. Hier steh' ich. Kommt heran. LENNOX. Ich nehm' es auf Dein Pfand. CUNNINGHAM ihn zurückhaltend. Mylord! MAR.
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BOTHWELL.
So zieh!
das Schwert Cunninghams ergriffen. Im Namen eines Todten! ... Bothwell will auf Lennox eindringen, Cunningham wirft sich zwischen sie. CUNNINGHAM ZM Bothwell. Krümmt Ein Haar Auf seinem Scheitel und Ihr seid verloren! LENNOX, DER
BOTHWELL. W e r w a g t ' s ? -
LENNOX. CAITHNESS
Laßtmich! Bothwell' s Arm fassend.
Zurück Mylord!
ALLE. sich erhebend. Um Gottes willen haltet Frieden! - Ich Verbiete diesen Kampf! Bei meinem höchsten Und ew'gen Zorn nehmt Euren Handschuh auf Mylord von Bothwell! — Bothwell gehorcht. LENNOX zu Maria. Zitterst Du für ihn, Unselige! Vor Gottes Strafgericht? MARIA
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Zurück!
Maria Stuart in Schottland
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- Der Herr der Herrn wird meine Klinge führen Und Dich - Dich selbst - treff' ich in Deinem Buhlen! ... MARIA mit einem Schrei. Ο Lennox! BOTHWELL. Wahnbethörter Greis! Ich hab' Geschont, ich hab' Geduld geübt bis an Die Grenze menschlichen Vermögens. S'ist Genug! Der Zornesglut entlade sich Mein Herz, die's zu zersprengen droht... Nenn ich Ihn Mörder - Mörd'rin nenn' ich Dich! MARIA. Allmächtiger!! Aufschrei in der Versammlung. LENNOX. Auf Dein Geheiß vollzog er das Verbrechen, War sein die That, Dein war der Rath dazu! BOTHWELL. Ein Hochverrath ist jedes seiner Worte, Verwirkt sein Leben - seine Stunde nah'! Er dringt auf Lennox ein; Mar, Caithneß und ein Theil der Lords schließen sich an Lennox und Cunningham, die sich zur Wehre setzen. CAITHNESS ZU Bothwell. Vergreift Euch nicht an ihm! CUNNINGHAM. Hier Lennox! Hier! BOTHWELL ZU seinem Anhang. Jetzt Bursche ist es Zeit! Seine Anhänger drängen Lennox's Vertheidiger zurück, Bothwell fuhrt einen Streich gegen Lennox und schlägt ihm das Schwert aus der Hand, das seine über ihn schwingend. BOTHWELL ZU Cunningham und Mar. Ein Schritt! Ein Wort! Und Lennox h a t gelebt! Lennox vor die Königin niederzwingend. Nun richte ihn! Er hat den Tod verdient! MURRAY. Ja! Richte ihn. HUNTLY. Du kannst - Du darfst. ATHOL. Sein Leben ist verwirkt. MARIA nach einer Pause, während welcher Lennox's Partei in athemloser Spannung auf sie blickt. Ich will nicht Euer Leben, Graf von Lennox! - Mir lähmet Mitleid die erhob'ne Hand. Geht hin in Frieden! Geht für immer, Sir, Zu schmerzliche Erinnerungen hat Der Anblick Edinburgs in Euch erweckt, LENNOX.
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1 Nach 13
Der Herr der Herrn (E , K , H 2 ) Der Herr der Herren (EL) fehlt ] Alle Beisitzer und Richter springen auf, und dringen hinzu. (Η 2 )
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I. Text Verlaßt die Stätte von so vielem Weh Verlaßt dies Land ... Verbannt?! LENNOX. Die Einsamkeit Ist Balsam für das Leid - ich bitte Gott Daß sie Euch heilsam sei. - Gemurmel unter Lennox's Partei. MAR. Ο Königin! M A R I A ZU Caithneß. Ihr aber, Lord, hebt die Versammlung auf, Die hier verfuhr mit zügelloser Willkür, In der die Zeugen Richter spielen wollen, Und Jeder spricht und thut nach seinem Wahn. Zeichen des Mißfaliens. CAITHNESS. Nicht also Majestät ... MARIA.
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MARIA.
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Gehorcht!
Auf ein Zeichen des Oberrichters verlassen die Richter, Schreiber etc. ihre Plätze und stellen sich im Hintergrunde des Saales auf. MARIA. Graf Lennox - scheidet! LENNOX. Ο für ewig denn! Zu Maria. Von Dir mit einem Wunsch: Gott mach Dich groß, Denn glücklich, Tochter, kannst Du nicht mehr sein. Sich zu den Lords wendend: Von Euch mit einer Bitte: Freunde! Brüder! Wohin mich auch der müde Fuß noch trägt, In fremder Erd' laßt meinen Staub nicht ruhn, Den Sohn der Berge zieht's nach seinen Bergen Gönnt ihm bei ihnen eine letzte Stätte. Zu Bothwell. Von Euch! Mit einem Wort, das sich in's Herz Euch präge, Und darin stehe, wie in Erz gegraben In Eurem Hirne nistend, eine Brut Von Reu und Qual erzeug'! Nie entschwind Es Eurem Ohr! - Es sei der Wurm In Eurer Freude Frucht, in Eurer Brust Der Stachel ... MARIA. Haltet ein! Es übertäube den LENNOX. Gesang der Lust, so wie der Schlacht Tumult, Der Kriegsdromete lauten Siegesruf Daß Ihr es hört, - daß Ihr es ewig hört Will ich's den Lüften lehren, und den Zweigen Es rausche Euch im Wüthen des Orkan's
Nach 12-17 LENNOX. Sich zu den Lords wendend:
V o n Euch bis letzte Stätte. ] getilgt H 2
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Es lisple Euch's der sanftbewegte Hain: Ihr seid ein M ö r d e r ! BOTHWELL. Schweige - oder stirb! MARIA ZU Cunningham. Führt ihn hinweg. DOUGLAS ZU Lennox, seine Hände fassend. Lebt wohl! LENNOX. LENNOX. Lebt wohl Ihr Alle! Viele Lords umdrängen ihn. MAR und CAITHNESS ihm die Hand reichend. Geleit Euch Gott! VIELE STIMMEN. Sein Segen über Euch! LENNOX. Und über Deine Söhne - Heimatland! - So mild're einst den Abschiedsschmerz vom Leben, Die Liebe Euch - wie mir die Eure jetzt Die schwerste Stunde zu der schönsten macht. Er geht, geführt von Cunningham, Mar, Caithness und einige Lords wollen ihm folgen. MARIA zu den Letztern. Ihr bleibt Mylords! Wo ich gerichtet habe, Da ziemt es Euch zur Schau zu tragen nicht, So offenkundig Eure Sympathie. MAR. Du kannst der That gebieten - nicht der Meinung, Und diese folgt ihm, reich an Mitgefühl. Aus seiner Heimat hast Du ihn verbannt, Aus uns'ren Herzen nicht, für uns ist Lennox Nicht schuldig - Bothwell - nicht entsühnt. MARIA. My lord! MAR. ES gibt My lady, einen höhern Richter In jedes Menschen Brust, als der mit Stab Und Wage sitzt auf ird'schem Stuhl. Könnt' dieser Nicht anders handeln als er es gethan, So will denn ich den andern hier vertreten! MURRAY. Ihr fühlt Euch ja als Abgesandter Gottes. MAR. Ich fühle mich als freigeborner Mann Dem selbst noch da ein kühnes Wort geziemt Wo todte Satzung schon ihr letztes sprach. EINIGE LORDS. Ja redet! Redet edler Peer! ANDERE.
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W i r steh'Η
Mit Euch! - Wir fühlen so wie Ihr! MAR sich der Königin nähernd, ehrfurchtsvoll. Wenn ird'sches Recht den Schein nicht wägen kann, Das Weib, die Königin, sie muß ihn wägen! Nicht darf der Mann, den der Verdacht gezeichnet In Deiner Nähe fürder mehr verweilen. EINIGE LORDS. V e r b a n n e B o t h w e l l ! ...
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I. Text
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ANDERE. Ja! Verbanne ihn! MAR. Ihn, den der Haß, den der Verdacht gezeichnet ... MARIA. Bedenkt dies Wort - Und hört! hört das meine! - Verklagt Ihr Bothwell - Ihr verklaget mich Er ist nicht mehr, und ist nicht minder schuldig An Darnley's Tod - als ich es selber bin! MAR. Und dennoch BOTHWELL.
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Dennoch?!
MARIA. Ο Ihr wagt zu viel! Für sich. - Er gab sein Wort - sein edles Manneswort! KERR. Nicht weiter, Königin, nicht einen Schritt Du bist betrogen, Bothwell spielt mit Dir! MAR. Ich sage hier von jeder Treu mich los Willst Du die Deine trotzend ihm bewahren. CAITHNESS. Gestatt' auch mir, das Amt, das ich verwaltet Durch langer Jahre wechselvolle Flucht, In Deine Hände jetzt zurück zu legen Ich tauge fürder nicht für Deinen Dienst. BOTHWELL. Das ist Revolte! Das ist Felonie! Athol und Caithneß treten von der Seite der Königin an jene Mar's. MARIA in höchster Erregung. Auch Ihr? - Ihr Alle?! - Einer um den Andern? O! Freundestreue - sinnlos Wort! - Ein Narr Der Dich ersann - ein Thor, der an Dich glaubt! ... - Ihr Alle denn - Empörer überall Und unter ihnen nur Ein treues Herz Wer richtet mich, wenn ich dahin mich flüchte? - Ein Act der Nothwehr ist mein jetzig Handeln Verantwortet, wozu Ihr mich getrieben, Und Euer Werk staunt an in meinem Thun! MAR. Bei allem, was Dir theuer, Majestät! ... MARIA. Genug! Kein Wort mehr - kein's - Ihr wagt das Leben! MAR. Ich hab' so oft es in die Schlacht getragen Für Deinen fleckenlosen Ruhm - ich setz' Für ihn es heute wieder ein! Die sind Verräther, die Dich sehn am Abgrund schweben Und nicht die Stimme heben Dich zu warnen, Die Treue höre, hör' ein freies Wort! Du bist umringt von Haß und Rachedurst, - Er gab bis edles Manneswort! - (E IK , H2) ] Er gab bis edles Manneswort. (E 1 ) KERR. Nicht weiter, (E IK , H 2 ) ] ATHOL. Nicht weiter, (E1) auch mir, das Amt, (E IK , H2) ] auch mir. Das Amt, (E1) Act der Nothwehr ist ( E ' \ H2) ] Act der Nothrache ist (E1)
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Maria Stuart in Schottland Im Volke gährt Erbitterung und Wuth Der Adel rüstet, sammelt seinen Anhang, Die Königin von England schürt die Glut. MARIA. Der Adel rüstet! Ha! das Lied ist's wieder, Womit Ihr Eurer Fürsten Thatkraft eingewiegt! Den Adel haß ich! Dieses Volk von Kön'gen Das sich vermisst der Herren Herr zu sein, Und zu gebieten denen die's regieren ... Ich will den Trotz ihm beugen, will ein Ende. Ein Mittel gibt's! Weh' denen, die mich zwingen In diesem Augenblick es zu ergreifen! Auf ihre Häupter wälz' ich feierlich Den Fluch zurück, womit verletzte Sitte, Empört Gefühl mich richtend treffen wird ... - E i n Mittel gibt's! Ihr selber zeigt es an durch Euren Haß, Gerichtet gegen Ihn, vor dem Ihr bebet... - Das schwache Weib kann Euch nicht unterjochen Doch - wählen kann es Einen, der's vermag! Mit Anstrengung nach ruhiger Fassung ringend. - Ihr drohet mir mit offener Gewalt? Wohlan! So ruf' ich einen Schützer mir, Mich zu beschirmen wider meine Feinde. Ihr sagt: Verdacht hab' diesen Mann gebrandmarkt? Wohlan! So soll mein Zeugniß ihn rechtfert'gen. BOTHWELL auf die Knie stürzend. Ο Königin! Du gibst Beseligung, Gib Worte auch dem Mund des Erdensohns Die solche Wonne nennen - für sie danken! Er küßt ihre Hand. MARIA. Nicht meine Hand soll küssen wie ein Knecht, Den ich zu meinem Herren machen will. BOTHWELL. SO küß ich Deine Stirne - ehrfurchtsvoll Und kühn zugleich, Du königliche Frau! Er thut es. Und als mein Eigen - faß' ich diese Hand. MARIA. Nimm mit ihr Bothwell, auch das Herz des Weibes, Und theil' hinfort die Macht der Königin Ich grüße Dich als Herzog über Orkney Als meinen Herrn, Gebieter und Gemal. BOTHWELL. Jetzt Himmel! Wahre Deine gold'nen Sterne! Verlang' ich es, Du müßtest sie mir geben, Die Sonnen, die in Deinem Aether schweben! MARIA ZU den Lords. Ihr wagtet Euch an Bothwell, den Vasallen, Der Kön'gin König wird Euch heilig sein!
I. Text
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MURRAY. Hoch Herzog Orkney! Bothwells Anhänger wiederholen den Ruf, die Uebrigen treten grollend zurück.
Fünfter Aufzug Erster Auftritt Dekoration des ersten Aufzuges M U R R A Y , DOUGLAS, RUTHVEN, ATHOL und. KERR treten
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auf.
KERR. ES ist zu viel! Wir tragen's länger nicht! ATHOL. War uns'rer Fürsten Einer, ob im Purpur Geboren, je des Hochmuths und des Stolzes Wie dieser Bothwell voll? KERR. Sein Stolz dünkt mich, Ist seiner Sünden kleinste. MURRAY. OMylords! Er hat auf ihn ein wohlerworben Recht. Schwang er sich nicht empor aus eig'ner Kraft, So hoch wie nie ein König Schottlands stand? Wo ist die Macht, die nicht der seinen wich? Die Schranke wo? die er nicht niedertrat? Dem Königthume hielten einst die Wage Des Landes Adel, unser Parlament Was sind nun Adel und das Parlament? Zwei Köpfe ohne Leib, die: "Ja," ihm nicken Wenn er's gebietet, und: "Nein," wenn er's befiehlt. Er hat die Sehnen jeder Kraft durchschnitten, Die nicht in seinem Dienste keuchen will, Bezwungen liegt dies Eiland ihm zu Füßen, Und: Bothwell, heißet das Gesetz in Schottland. DOUGLAS. Schmach über uns, daß wir's nicht läugnen können! ATHOL ZU Murray. Fürwahr, von Euch, hätt' And'res ich erwartet Als des Tyrannen Lob. KERR. Zweideutig schien Es mir! Nicht blind noch feig, kann Murray plötzlich Geworden sein. MURRAY . Habt Dank. - Liegt für die Meisten Auch unter Schloß und Riegel dieses Herz, Für Freundschaft ist's: ein aufgerolltes Blatt. Er geht ab. KERR. Ich glaub' an ihn wenn ich ihn auch nicht fasse! ATHOL. Ο glaubet - glaubt, bis Euer Haupt vom Rumpf, Bis Euer Leichnam in die Grube fällt! Ich baue nicht auf Wolken und auf Luft,
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Auf ein Vielleicht, auf eine schwanke Ahnung, Hilft mir kein And'rer - wohl, ich helfe selbst! DOUGLAS. Was hast Du vor? ATHOL. Nach Stirling aufzubrechen, Wo sich Lord Mar zum Widerstande rüstet. DOUGLAS. Er wagt... ATHOL. Er muß, denn mit Gewalt, droht Bothwell, Den Prinzen seinem Schützer zu entreißen, Der edle Peer jedoch steht für den Knaben Bis auf den letzten Tropfen Blut's. Schon ist Ein Bund geschlossen zwischen Mar und Flemming, Der täglich neue Anhänger gewinnt, Und dessen Losung: siegen oder sterben Für dieses Reiches königlichen Erben! Ich selbst gehör' dazu, und ford're Euch Bei Recht und Treue auf: Folgt meinem Beispiel! KERR. Ich folge ihm. Wer könnte da noch zögern? RUTHVEN sinnend. Bei Gottes rechtem Aug' hab' ich geschworen Und bei dem Schlüssel zu der Himmelspforte, Ich wollte Bothwell's sein, mein Lebelang. ATHOL. Ein Treubruch war der Schwur. Ihr seid des Königs. DOUGLAS. Auch m e i n e Hände sind gebunden, Athol. Ich gab mein Wort. KERR. Ich gab es auch, und hielt's Dem Redlichen; Verräthern halt' ich's nicht. ATHOL. Ο Douglas, Ruthven, schließt Euch an dem Bund! RUTHVEN. "Bei'm Auge Gottes und bei'm Himmelsschlüssel! - " Ο hätt' ich Thor, bei Minderem geschworen, Ich bräche meinen Eid, jetzt kann ich's nicht, Sonst schließet sich für mich die Himmelsthür, Das Auge Gottes, schließet sich mir zu! ATHOL. ES wachet über jeder reinen Sache Ο kommt! DOUGLAS. Ich sag Euch: Gehet! Kämpfet! - Sieget! Ihr jubelt über Eueren Triumph Nicht höher als ich juble über ihn D o c h - l e b e t wohl! ATHOL. Du kommst - Du kannst nicht anders! ... DOUGLAS ihm die Hand reichend. Zum letzten Mal als Freund! ATHOL. Du fühlst das Recht Und m u ß t ihm folgen - komm!
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Leb' wohl!
ATHOL. Nein! Nein! Ο bleib! DOUGLAS. Ich gab mein Wort - und heiße: Douglas. Er geht ab. ATHOL. Zum zweiten Male hab' ich ihn verloren! KERR. Kann er uns missen - wir entbehren ihn. Zu Ruthven. Und Ihr? RUTHVEN. Ich will für Bothwell kämpfen - für Euch beten. Lebet wohl. Er geht ab. KERR. Der alte Narr! Wir brauchen Krieger, keine Psalmenbeter. - Brecht auf! Was steht Ihr sinnend da? Seitdem In diese Luft wir uns'ren Vorsatz hauchten, Geht sie für uns mit gift'gen Dünsten schwanger, Und sie zu athmen, ist gewollter Tod. ATHOL. Nach Stirling denn! Und helf uns Gott zum Siege! Beide ab.
Zweiter Auftritt BOTHWELL mit einem
Briefe.
HUNTLY.
BOTHWELL. Er gibt den Knaben nicht? die Weigerung Ist o f f n e r Widerstand. Er gibt ihn nicht? So wollen wir ihn holen! HUNTLY. Herr, erwäge! Du weckst den Aufruhr durch Gewalt. BOTHWELL.
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Schläft er
So leise? Ο ich will ein Schlummerlied Ihm singen, das für ewig in das Reich Der Träume ihn versetzt! EIN PAGE meldend. Die Königin. MARIA ZU Huntly. Allein? Nicht ohne meinen Sohn zu mir Zurück zu kehren hatt' ich Euch geboten. HUNTLY. Ihn schützt ein kampfbereites Heer, Mylady. MARIA. Mar weigert ihn? BOTHWELL. Er will den Krieg, und soll Ihn haben denn! Zu dem Pagen. Ruft Athol mir und Kerr. Page ab.
Geht sie für uns (Η1) ] Geht' sie für uns (Ε1) Setzfehler
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/. Text
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BOTHWELL ZU Huntly. Ihr brecht nach Pinkie auf mit Euren Leuten, Und nehmet Stellung in der dort'gen Ebne Ich sende Douglas nach, und folge selbst. Bescheidet Murray her. Huntly ab. PAGE zurückkommend. Die beiden Lords, Herr Herzog, sind nach Stirling. Geht ab. BOTHWELL. Holl' und Teufel! MARIA. Ο der Verrath! So schleicht sein Gift sich schon Bis in die Herzen meiner nächsten Diener? BOTHWELL. Weg mit den Herzen, die vergiftet sind! Die unheilbare Wunde schneid' ich aus. Murray tritt ein. MARIA. Da kommt die beste Stütze uns'rer Macht. Willkommen Murray! Zu den Waffen, Freund! Zu Ruthven und Douglas, die kommen. Und Ihr! Auch Ihr! - Greift Alle zu den Waffen! Ihr sollt mein Kind in meine Arme führen, Von Euch, Ihr Treuen, fordr' ich meinen Knaben! MURRAY. Bevor Du uns entlassest Königin, Beschwichtige das aufgeregte Volk, Und lenk' die Geister in der Wahrheit Bahn. In ihrer Meinung schwanken sie beirrt, Sich fragend: wo das Unrecht, wo das Recht Ob bei dem Bunde, ob bei Deinem Heer? MARIA. Sie fragen sich? Sie wagen? ... O! Sagt ihnen: Wo ihre Kön'gin steht, da steht das Recht! Erlasset einen Aufruf an mein Volk: - Ein Jeder, der sich treu und bieder nennt, Auf Bothwell deutend: Folgt Diesem da! Wenn er zum Kampfe ruft, In Wehr und Rüstung, Jüngling oder Mann; Mit Wunsch und Segnung, was nicht Waffen trägt! BOTHWELL. Den Wunsch entbehr' ich. Gehet Bruder Murray. Murray ab. EIN PAGE meldend. Der Graf Brienne. MARIA. Er ist willkommen. BRIENNE eintretend.
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Gesandter Deines Volkes steh ich hier Erwählt vom Adelsbunde zum Vermittler. MARIA. Vermittler?! BOTHWELL. Herr - seid Ihr ein Advokat? Schont Eure Zunge und die unseren,
Sie wagen? ... O! (E IK ) ] Sie wagen. Ο! (E 1 )
Als
Maria Stuart in Schottland
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Es kommen jetzt nicht andere zur Sprache, An sein Schwert schlagend. Als diese spitzen, diese scharfen hier! BRIENNE. Mein Auftrag lautet an die Königin, Will sie ihn hören? MARIA . Redet Graf Brienne. BRIENNE. Die Führer der Verbündeten, sie schwören Gehorsam Dir und Unterwerfung. MARIA.
Was
Sagt Ihr? Gehorsam?! BRIENNE. Nimmer gegen Dich Ergriffen sie das Schwert, sie thaten's gegen ... MARIA. Ich bitt' Euch - sprecht nicht aus! - Nicht gegen mich Doch gegen Einen, der mir theuerer Ist als das eig'ne Leben? — BOTHWELL.
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MARIA.
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O ! gib nach
Im Augenblick, um jahrelang zu herrschen, Mit einem Wort erkaufest Du den Frieden! MARIA. Gehorsam schuldig ist mir, Herr, mein Volk, Nicht kaufen will ich ihn! BRIENNE. Du hörst mich nicht. MARIA. Bis wir die überwundenen Empörer, Bereuend, uns zu Füßen knieen seh'n, Dann, Graf Brienne, übt Euer Mittleramt. BRIENNE. Nicht allzu sicher baue auf den Sieg; Der Deinen überlegen ist an Zahl Und Muth die Heermacht der Rebellen Ο
Sie haben keinen Bothwell, der sie führt! BRIENNE. Ich komm' aus ihrem Lager. Wenn ich's auch, Das Herz erfüllt von Bitterkeit, betrat Nicht ohne Achtung schied ich, Königin; Ich habe Männer kennen lernen - Männer Die wackersten, die Schottland's Erde trägt. Ob Deine Gegner - ehren mußt' ich sie. - Für eine g u t e Sache einzusteh'n Ob wahr, ob falsch, ist ihre Ueberzeugung Und aus ihr schöpfen Alle, hochbegeistert, Den Muth, der Heere unbesiegbar macht. MARIA. Fürwahr Brienne, wenn Ihr bei meinen Feinden So warm für mich gesprochen, wie für sie
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Bei mir Ihr sprecht, verdient Ihr meinen Dank. BOTHWELL. ES steht Euch an, französischer Gesandter, Zur Schau zu tragen solche Sympathie, Für die Empörer eines fremden Reichs. BRIENNE. Mylord! ... MURRAY stürzt herein. Ich bringe schlechte Kunde Königin Ein Aufruf an das Volk traf vor dem Deinen Vom Lager uns'rer Gegner ein. Das Herz Der Menge ist dem Feind gewonnen Verwünschungen nur haben wir geerntet, Und: "Tod dem Bothwell" - rief man uns entgegen. Diese Worte von der Straße herauf, oft und mit wachsender Heftigkeit wiederholt. BOTHWELL. Die Raben kreischen in der Nähe schon! Thut einen Schuß hinein in das Gesindel. Zu Pferde Douglas! Mit ein hundert Mann Und säubert mir die Nähe des Palastes. BRIENNE. Ο Königin! gestatte nicht! ... MARIA ZU Douglas. Gehorcht. Douglas ab. BOTHWELL ZU Murray und Ruthven. Ihr Andern folgt, und hört den Schlachtenplan. Bothwell, Murray und Ruthven ab. BRIENNE. So ist erfüllet meine Sendung denn, Wenn auch zu gutem Ende nicht. MARIA. Bringt den Empörern meine Antwort, da Ihr Euch Zu ihrem Boten willig finden ließt: Brienne! - So Gott in meine Rechte legte Die Königskronen alle dieser Erde, - In meine Linke, Bothwell's Hand, und spräche: "Wähle!" Ich ließe alle Kronen dieser Erde Und ging' mit ihm. Und stünd' die ganze Welt Dawider auf, und fluchte mir mein Kind Ich ging' mit ihm. Und so lang eine Scholle Auf schott'scher Erde mein, so lange theilt Er sie mit mir; so lang ein treuer Arm Sich für die Kön'gin hebt, kämpft er für mich, Und Ihn. Verwünschungen nur haben (Η 1 , H2) ] Verwünschungen nun haben (E1) Settfehler den Schlachtenplan (E ,K ) ] den Schlachtenruf (E 1 ), den Schlachtentwurf (H 1 ), den Plan zur Schlacht (H 2 ) Dawider auf, und (E IK ) ] Dawider auf und (E1)
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BRIENNE. Dir gilt das Flehen Deines Volks nichts mehr! MARIA. Warum fleht nicht mein Volk, daß ich mein Herz Aus meinem Busen reiße und verbanne Nach Frankreich, England, in die weite Welt? Warum begehrt's nicht das? Unmöglich scheint Es ihm? Brienne! Mir scheint's unmöglicher Zu Bothwell sagen: Scheide! - als zu meinem Herzen. - Bringt meinem Volk die Botschaft - Lebet wohl! Wir werden uns vielleicht nie wiedersehn Ein ernstes Wort. - Grüßt mir mein schönes Frankreich, Einst dacht' ich, daß ich's liebte, einstens ja, Als ich noch nicht gewußt, was lieben heißt. BRIENNE. Ο Königin! - Gott schütze Eure Hoheit Und Heil und Segen sei auf Deinen Wegen, Doch wenn das Glück sich jemals von Dir wendet Vergiß nicht Deiner zweiten Heimat! Offen Steht sie Dir immerdar. MARIA. In Thränen schied Ich einst - mein Königserbe anzutreten, Ich will in Thränen nicht zurücke kehren, Nachdem ich es verloren. - Lebet wohl. Reicht Brienne die Hand. Er küßt sie, ein Knie beugend, und geht dann langsam ab. Bothwell, Ruthven, mehrere Offiziere treten auf, Alle gerüstet. BOTHWELL ZU einem Offizier. Ein Bote Huntly's? Hier empfang' ich ihn. Offizier ab. BOTHWELL ZU Maria. Schon ist Murray nach Dunbar aufgebrochen, Ich bring' Euch seinen Abschiedsgruß. OFFIZIER zurückkommend. Der Bote. Iverneß, dessen rechter Arm verwundet ist, tritt auf. RUTHVEN. I h r I v e r n e ß ?
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BOTHWELL. Wir hören. - Redet! IVERNESS zögernd. Herr... BOTHWELL. Beim Donner! Schont uns nicht! ... Auf dem Gesichte Steht schon so jämmerliche Zeitung, daß Nichts Schlimmes mehr die Zunge bringen kann. IVERNESS. Dein Diener Huntly ward auf seinem Zug Vom überleg'nen Feinde überfallen, Und trotz des kühnsten Widerstands zurück Geschlagen bis nach Dunbar ...
Mir scheint's (H 1 , H2) ] Mir schein's (E1) Settfehler Gott schütze Eure Hoheit (E' K ,H 2 ) ] Gott segne Eure Hoheit (E 1 )
in
I. Text BOTHWELL.
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Schmach ihm! - Nie
Wetzt er den Fleck von seiner blanken Ehr'! Ihr war't wohl auch dabei? IVERNESS auf seinen Arm zeigend. Ihr seht, Herr Herzog. BOTHWELL. Verwundet? - Nun, mich freut's, daß Euch die Schmarre Nicht an dem Ritt nach Edinburg gehindert. - Das ist ein Bursch dünkt mich, der seinen Tod Zu melden kam' - dürft' er die Kunde weit Vom Schlachtfeld tragen. IVERNESS auffahrend. Herzog! BOTHWELL. Schweige Knabe! Zu den Uebrigen. Zu Pferd! Wir brechen auf. MARIA. Ich folge Dir. BOTHWELL. Du bleibst. Der Krieg ist nicht für Weiber. MARIA. Für Königinnen ist auch Krieg und Ruhm: Dies Haupt umwand schon oft der Eichenkranz Ihr alle wißt's, sagt ihm, wer führt Euch an, Als Ihr den Murray schlugt? Sagt ihm: Wer ritt An Eurer Spitze, als die Fliehenden Ihr vor Euch her gejaget bis nach Dumfries? IVERNESS. D u s e l b s t .
Bothwell. Hörst Du? bitter. Beim Himmel, willst Du mir Nicht e i n e n Vorzug lassen? Soll ich, selbst Im Felde Deiner Größe Schatten sein? MARIA. Im Krieg und Frieden bin ich nur der Deine, Ο liebe Sonne dulde Deinen Schatten! ... MARIA ZU
BOTHWELL
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BOTHWELL. DU w i l l s t ' s .
MARIA. BOTHWELL. Alle ab. Verwandlung.
Ich bitte! Folge denn. Nach Dunbar!
Dritter Auftritt Feld bei Dunbar. Im Vordergrunde eine Rasenbank, im aufgeschlag'ne Zelte. HUNTLY tritt auf mit seinem Stabe. Das ist der Plan, Ihr Herrn. Ihr haftet mir Daß ausgeführt er werde, Punkt für Punkt.
Hintergrunde
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Die Höhen Dunbars halten wir besetzt, Indessen Murray Dumbarton umgeht, Und von den Brücken die Rebellen trennt, Die an dem Clydefluß sichern ihren Rückzug. IVERNESS tritt auf. Der Herzog bringt die Königin hierher. HUNTLY. Wir heißen sie willkommen. Folgt. BOTHWELL kommt mit Gefolge. Wohin? HUNTLY. Die Königin begrüßen. BOTHWELL.
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D a s h a b t Ihr
Mit einer Nachricht heute schon gethan, Die Eure Grüße ihr verleidet hat. Zu Iverneß. Ruft Murray. EIN OFFIZIER. Herr, er ist nach Dumbarton. BOTHWELL. Er hätte meiner Ankunft warten sollen. Ich hab' ein Wort für Alle auf dem Herzen, Hört es nun Ihr, die es am meisten trifft: Der einen Fußbreit weicht im heut'gen Kampf Und stünd' er Einer gegen Drei und Vier Der bete zu dem allbarmherzigen Gott, Um Tod aus Feindeshand! K ä m ' er mir heim, Ihm würde ein Empfang, von welchem schaudernd, Noch späte Enkel sich erzählen sollten. Zu den Offizieren. Ihr kennt den Plan. An Eure Posten. Fort! Alle ab außer Huntly und Iverneß. HUNTLY. Ihr seid verwundet, Iverneß, Ihr bleibt. Besteigt den Hügel an des Waldes Saum; Von dort beherrschet Ihr das Schlachtgefild; Bringt treue Kunde an die Königin Vom Schicksal ihres Heers. IVERNESS.
Es soll gescheh'n. Beide ab.
Vierter Auftritt MARIA und LADY ARGYLL
kommen.
MARIA. Komm Leonor, hier ist die Luft noch freier, Dort Oben, Liebe, drückt sie wie ein Alp. LADY ARGYLL. Ihr seid ermüdet, ruht auf dieser Bank.
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Dumbarton ] Dombarton (E1) Setz,fehler
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I. Text
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MARIA. Ruh'n? J e t z t , wo tausendfach der Tod sich an Ihn drängt? ... Wenn meine Arme ihn umfangen, Wenn ich ihn weiß von jedem Schutz umgeben, Den Erdenhoheit irgend leihen kann Verzehrt die Qual der Todesangst um ihn Die letzte Spur von Ruh' in meiner Seele Wo fänd ich sie in dieser Schreckensstunde? In meinem Herzen ist ein Tropfen Gift, Das sendet Bläschen zum Gehirne auf, Die dort zerplatzen als solch' grauenvolle Gedanken, wie der Wahnsinn sie erfindet Wenn er durch Denken tödten will ... Ein Gräu'l! ... Ich hab' die Ruh' verscherzt. Seit König Darnley's Verhängnißvollem Tod flieht sie vor mir Ein aufgescheuchtes Reh - und niemals mehr Kehrt sie zurück die Milde! Niemals mehr! Es ist in dieser ganzen Welt kein Pfühl, Auf dem mein armes Haupt sie finden könnte. Ο daß ich ihm nicht wider seinen Willen Gefolgt Eleonor! - Nicht Schlachtengraus, Der Anblick nicht von Blutenden und Leichen, Hätt' mich erfüllt mit solcher Riesenqual Als wie sie jetzt in meinem Innern wüthet. Iverneß kommt, ihm entgegen stürzend. Was bringt Ihr? ... Both well ... Mit einem Schrei. Todt?! IVERNESS. Verrathen, fürcht' Ich Königin - Dein Kriegsvolk flieht ... MARIA. Und Bothwell? IVERNESS. Das feige Heer ... MARIA. Ich frag' nicht nach dem Heer Ich frag' nach Bothwell ... IVERNESS.
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E r ist u n v e r l e t z t .
Ach g n ä d ' g e r Himmel! - Unverletzt!! Bothwell's Stimme außerhalb der Scene. MARIA lauschend. Hört Ihr?! IVERNESS. Des Herzog's Stimme. MARIA. O! - Er ist's - er kommt ... BOTHWELL noch außerhalb. Dort ist der Feind, zurück Ihr Hunde! Steht! Tritt auf mit einigen seiner Leute, die sich im Hintergrunde aufstellen, bald nach ihm Huntly mit seinem Gefolge. MARIA. Das Auge glühend, fahl das Angesicht -
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Doch lebend, lebend, lebend, ο mein Gott! Stürzt an seine Brust. BOTHWELL. Begrüß' mich nicht, als kehrt' ein Sieger heim, Ich bin kein Sieger - habe keinen Hieb Gegen den Feind gethan! MARIA schaudernd. Dein Schwert ist roth BOTHWELL. Vom Blut der Meinigen. Der Schnitter: Tod Hätt' besser nicht gemäht, als ich's gethan, Da sich die Schurken wandten. MARIA. Großer Gott! BOTHWELL ZU Iverneß. Schickt das Gefolg' voraus nach Edinburg, Wir geh'η dahin zurück. Iverneß ab. BOTHWELL. Ο Schande! Schande! Einst schien ein Tropfe Deines Gift's mir Tod, Jetzt leer' ich athmend Deinen vollen Becher! MARIA. Komm' zu Dir selber! Höre mich! BOTHWELL.
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BOTHWELL.
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17-24
Hör' Du
Zuerst! - Ich habe große Kunde für Die große Königin. Dein Bruder Murray ist Zum Feind hinüber ... MARIA. Nein! Und stürmt
An seiner Spitze gegen Dunbar ... O! Im Augenblick, wo Deine Söldner wanken Beim ersten Anprall der Rebellen, und Auf ihm allein mein ganzes Hoffen steht, Wirft Dein Panier er in den Koth und sprengt Gefolgt von seinen jubelnden Vasallen "Hoch König Jakob!" rufend - Mar entgegen Und preßt im Angesicht des Heers den Gegner In seine ungetreuen Arme! MARIA. Auch Mein Bruder? ... Murray ... O, es fließt ei η Blut In uns'ren Adern! ... B r u d e r , d i e Natur BOTHWELL. Im Augenblick bis ungetreuen Arme! - " ] Auf ihn hab' ich gehofft, auf ihn allein, Auf ihn geschaut als Deine eigen Söldner, Beim ersten Anprall der Rebellen wankten, Mein Ohr verflucht, da Murray's Schrei: "Hoch Jacob!" Von tausend Stimmen nachgeheult, ertönte, Nicht meinem Aug' getraut, als ich ihn sah Den Gegner Mar in seine Arme pressen Und hin zur Erde, schleudern Dein Panier! (H2)
/. Text
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Knüpft süß're Bande, keine heiligern Als die den Bruder binden an die Schwester: Desselben Stammes schützend stärk'rer Zweig, Ihr Schirm und Hort, und ihr g e b o r n e r Freund! BOTHWELL. Wehklage nur, recht wie ein hülflos Weib, Hab' ich mit einer Fürstin mich vermählt, Und steh' nun da, verlassen wie ein Bettler? Wo ist die Macht, die Du gelobt zu legen In meine Hand? Bringt Deine Majestät Nur Eine dieser Memmen dort zum Steh'n? Schaff' Hülfe, große Königin! Schaff Hülfe! Der Feind rückt an, schon naht er Dunbar's Wällen, Ο heiße Helden aus den Steinen wachsen, Befiehl' den Katzen, daß sie Tiger werden Und gieße Feuer in ihr wäss'rig Blut! ... HUNTLY. Herzog! MARIA. Was ich vermag - geschieht - Zu Huntly. Hierher, Mylord, Die Offiziere Uns'res Heers. Huntly ab. BOTHWELL. Willst Du Mit Worten Wunder wirken, oder durch Gebet die Feigen von der Feigheit heilen? M A R I A . Jetzt Himmel! Weihe diese schwachen Lippen! Der Du die Sprache gabst, die zündende, Den Märtyrern und Lehrern Deiner Wahrheit, Gib sie der Kön'gin, die ihr Volk beschwört, Gib sie der Frau, die Männer ruft zur That! Huntly und die Offiziere kommen. Ich ließ Euch rufen, werthe Herren ... BOTHWELL. Werth? M A R I A . Um selbst mit Euch ein dringend Wort zu sprechen, In dieser Stunde äußerster Gefahr. Ich bin von Allen außer Euch verlassen, Mein Volk erhebt sich gegen mich, mein Bruder, Verläugnend jede Treue - jedes Recht Ergreift die Waffen wider seine Fürstin, Und selbst ein Hochverräther und Empörer, Sä't er Empörung durch das ganze Land ... Geblutet hat mein Herz, als sich von mir Gewendet, Schlag auf Schlag, der Eine um Den Andern, doch nicht g a n z verloren hielt Ich mich, und meine Hoffnung baute fest
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Auf Eins: Auf Eure Treue - Offiziere Vom Heer der Königin! Hab' ich's umsonst Gethan? Wacht auf! Besinnt, ermannet Euch Wenn noch ein Funken Ehre in Euch glüht, Facht ihn im Herzen Eurer Krieger an! Schaart Euch um Bothwell, geht dem Feind entgegen. EIN OFFIZIER. Nicht unter Bothwell ... BOTHWELL.
Schurken!
MEHRERE OFFIZIERE.
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ALLE OFFIZIERE.
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H u n t l y soll
Uns führen! ALLE OFFIZIERE. Huntly soll uns führen! MARIA. Himmel Und Erde! Immer die Empörung? Kreischt Sie mir aus j e d e m Mund entgegen? Starrt die Meduse mir aus jedem Antlitz?! ... Ihr kämpft für mich, wer immer auch Euch führe! M e i n Banner ist es, dem Ihr folgen sollt, Nicht fragend nach der Hand, die es entfaltet. EIN OFFIZIER. Gib Huntly uns zum Führer, Königin. MARIA. Nicht Huntly! Keinen oder Ihn.
MARIA heftig. Ihr wagt?! Mit Ueberwindung. Ο Ihr v e r m ö g t es jetzt, wo die Sekunde, Die ungenützt verfließt, ein sich'rer Schritt Mir zum Verderben ist - Bedingungen Zu stellen - einen Preis zu knüpfen an Die Pflichterfüllung? Freunde, fordert nicht Bezahlung unschätzbarer Treu ... Ihr hört Mich nicht! Ihr wendet stumm Euch ab? ... Ward je Ein König so wie ich erniedert?! Huntly, Sprich Du zu ihnen - Du BOTHWELL. Nicht eine Silbe! Ihr sollt so sehr nicht schänden Eure Bitte Daß Ihr an Jene sie verschwendet - O! Die Bitte ist die Sprache des Vertrauens, Und sie versteh'η nur der Verachtung Sprache. Wüthend zu den Offizieren. Ich hab' für Euch ein einzig Wort: Ihr Hunde! Und alle Wuth, Verachtung, allen Haß, Uns eingeflößt vom Nied'ren und Gemeinen, Ergieß' ich in das eine Wort: Ihr Hunde! Und werf' Euch's in's Gesicht, und wünsche, daß Darauf es brenne wie ein Feuermaal,
I. Text
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Untilgbar bis zum jüngsten Tag: Ihr Hunde! EIN OFFIZIER den Degen ziehend. Das fordert Blut! BOTHWELL ihn verwundend. Da hast Du Blut! Alle Offiziere dringen auf Bothwell ein, Maria und Huntly werfen sich dazwischen. HUNTLY zu Bothwell. Verblendeter! Treibt Dich ein böser Dämon Zu jeder Handlung, die Verderben bringt? MARIA ZU den Offizieren. Zurück! HUNTLY. Gebt Raum, ich folg Euch, geht Ihr Freunde! EIN OFFIZIER ZU Maria. Wohlan! Wir geh'Η - voll Hasses gegen D i e s e n , Doch immer noch bereit für Dich zu sterben, Zwingst Du uns nicht den Mann zum Führer auf, Dem zu gehorchen uns entehrt. Offiziere ab. BOTHWELL.
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Ο Himmel! -
Beleidigt mich schon ungestraft dies Volk? Bin ich ein Schimpf der Knechte denn geworden? — Fürwahr! Ich wollt' ich wär' daheim in Bothwell, In meiner Väter, meiner Ahnen Erbe, In meines Hauses festgefugtem Bau Ein kleiner Herr, allein ein wahrer Herr. Mich dünkt, bei Gott, daß ich ein König w a r , Da noch mein Aug' nicht and're Kronen kannte, Als meines Hochlands stolze Föhren tragen! IVERNESS kommt. Herzog von Orkney, rettet Eure Fürstin! Lord Murray's Boten treffen ein in Dunbar, Und fordern auf die Bürger dieser Stadt, Euch auszuliefern und die Königin. Noch schwanken sie, noch ist es Zeit zu handeln. BOTHWELL. ZU handeln? W i e zu handeln? Thor und Tropf! MARIA. Zurück nach Edinburg! IVERNESS.
D i e Hauptstadt ist
In Deiner Feinde Händen. MARIA.
Edinburg?!
IVERNESS. Schließt seiner Königin die Thore. MARIA.
O!
BOTHWELL. D i e E l e n d e n !
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HUNTLY ZU Bothwell. Werft Euch dem Feind entgegen, Herzog. Und hemmt nur eine Stunde seinen Fortschritt, Ich bring' indeß die Königin nach Niddie, Sein festes Schloß gewährt ihr sich'ren Schutz.
und die Königin. - (E' K , H2) ] und die Königin. (Ε 1 )
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BOTHWELL. Und ich soll hier indeß mich schlachten lassen? "Werft Euch dem Feind entgegen!" Tollheit das! Wirf einen Tropfen in den Strom hinein Du Narr und Träumer! Vielleicht dämmst Du ihn! HUNTLY. Ο Majestät, hinweg, hinweg von hier! IVERNESS. Wir schützen Dich! MARIA an Bothwell's Seite tretend. Der schützt mich oder Keiner! Verschmähend jede Sicherheit, die er Nicht theilt, erwart' ich hier die nahenden Empörer. HUNTLY ZU Bothwell. So spricht Königin Maria! Laßt Ihr durch ihre G r o ß m u t h Euch beschämen, So wie durch ihren g r o ß e n M u t h ? BOTHWELL. Beim Satan! Ich h a b e Muth! Ich hab' ihn gegen Zwei, Und gegen Drei, und gegen Zehn. Hierher Die kühnsten Führer der Rebellen! Einen Besteh' ich um den Andern, doch was soll Ich, Gift und Pest! mit ihrem Heer? - Ich hab' Ja keines, kein's! Und kann für e i n e n Mann Allein nur steh'n, wenn auch für einen ganzen. - Ich hab' kein Heer und lege somit auch Den Feldherrnstab, in meiner Hand ein Hohn, Der Königin von Schottland hier zu Füßen, Schleudert den Stab zu Boden. Erhebe ihn wer mag - ich sag' mich los! MARIA. Unmöglichkeit! Ich opf're jeden Anspruch Auf Krone, Reich und Macht, eh' nur ein Blatt Am Baume Deiner Ehren welken darf. BOTHWELL. Genug der Großmuth, Königin, hör' auf Mir eine Gnadenfülle aufzudringen, Die anzunehmen endlich ich ermüde! Als Bube hab' das Danken ich verschworen, Mich ekelt, daß ich's wieder lernt' als Mann! MARIA. Bin ich von Sinnen? ... BOTHWELL.
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Ich bin es gewesen!
Ich blinder Thor, der es zu spät begriff, Daß Macht zur Ohnmacht wird in Manneshänden Dankt er sie Weibergunst, nicht eig'ner Kraft. Was längst geschehen sollen, thu' ich jetzt! In Stücke reiß ich meine Sklavenkette, Und meine Sohle setz' ich auf die Trümmer.
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I. Text
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Kön'gin! MARIA mit schwacher Stimme. Das ist nicht Deine erste Lüge, Bothwell An einer größeren kranket Dein Gewissen Jetzt glaube ich, und mahne Dich daran: Du h a s t gethan, was Du zu thun verschworen Ich sehe Blut an Deinen Händen, Mörder! BOTHWELL. Ich h a b ' s gethan, durch mich fiel König Darnley, Ich hab's um D i c h gethan - Unselige! MARIA. Entsetzlich! BOTHWELL. Trag' der Unthat größ're Hälfte! Ich pflückte ihre gold'nen Früchte nicht. MARIA. Bothwell! BOTHWELL. Hörst Du die Trommeln der Empörer? Sie kommen, o! das ist ihr Sieg'sgeschrei! Voran, auf weißem Roß Dein Bruder Murray — Ich will nicht seiner warten, seinen Hohn Nicht hören, seinen Sieg nicht seh'n, sie kommen, Mit dem Fuße stampfend. Ο treuelose Erde - trägst Du sie?! MARIA. Erbarmen, Bothwell! Gib Dein Weib nicht Preis Dem Uebermuthe siegender Empörer BOTHWELL. Bist Du nicht Königin? Beschütz' Dich selbst. Zu seinen Heran! Und folget mir! MARIA. Nicht von der Stelle! Bevor Du mir gegeben, was auf Knien Von Deinem Mitleid ich erfleh: den Tod!
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BOTHWELL. L a ß m i c h !
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MARIA. Die letzte Gunst gewähre - zieh' Dein Schwert - und triff - in's Herz - hierher, - Du kennst Die Stelle wohl - hast oft an ihr geruht. BOTHWELL. Ha! Neue Künste nun? Vergeblich. Weib! Ich bin gefeit gen alle. Ich durchschaue Dich ganz, Syrene mit dem Kinderauge, Und mit der Brust voll Arglist und voll Tücke! - Was Du verheißest, ist Glückseligkeit, Was Du gewährest, Höllenqual und Pein, Dein Wort ist Balsam - Gift sind Deine Thaten Deine Geschenke, Goldesechtheit lügend -
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Leuten.
Maria Stuart in Schottland
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Bei der Berührung Moder - ekler Staub! HUNTLY vorstürzend. Genug! BOTHWELL ZU den Seinen. Wer folget seinem Herrn? Wer ist Ein Mann und will nicht fallen, wie ein Schelm In schmachvollste Gefangenschaft? Seine Leute umdrängen ihn. Das Schwert Zur Hand! Schließt Euch um mich, und d u r c h nun in Die Freiheit! MARIA. Both well! HUNTLY auf Bothwell eindringend. Nieder streck' ich ihn Daß er, wie sich's gebührt, den Boden leckt, Den Deine Sohle trat. BOTHWELL.
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R a u m da!
HUNTLY, um den sich seine Leute schließen. Komm' an! BOTHWELL und die Seinen werfen sich auf sie mit dem Schrei. Durch! MARIA. Huntly! - Her zu mir! HUNTLY ZU Bothwell, der die Reihen seiner Anhänger durchbricht. So geh! Du bist Nicht werth von eines Braven Hand zu fallen. BOTHWELL. Triumph! Nun bin ich Bothwell wieder! - Frei Wie freie Luft, und ganz ich selbst! Zu seinen Leuten. Folgt mir! Zu Huntly. Und wehe dem, der in den Weg mir tritt! Unter Geschrei und Tumult der Seinen ab. MARIA zusammensinkend. Ο leidgewohntes Herz, Du brichst! LADY ARGYLL. Maria! Königin! - Hilf Himmel, sie Vergeht! ... HUNTLY.
Ο die B e k l a g e n s w e r t h e !
Kriegerische Musik, Geschrei und Getümmel hinter der Scene. Stimme: Hier Sind sie! Sitzt ab - mir nach!
Murray's
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Text Fünfter Auftritt
Truppen ziehen auf, auf ihren Fahnen ist Darnley's Leiche und ein vor ihr kniendes Kind gemalt. MURRAY, MAR, ATHOL, KERR, OFFIZIERE. Von der entgegengesetzten Seite kommen DOUGLAS und RUTHVEN. RUTHVEN. Willkommen Streiter Des Herrn! MAR kalt abweisend. Auch Euch? MURRAY. Wo ist die Königin? HUNTLY. In meinem Schutz. MURRAY. UndBothwell? HUNTLY. Euerem Gericht - entfloh'n. MURRAY. Wohin?! Zu seinen Leuten. Zu Pferde - auf! Zerstreu't Euch in der Gegend, hetzt ihm nach! Der ihn mir bringt, dem zahle ich mit Gold Ein jedes Haar auf seinem Scheitel. Fort! Eine Schaar von Murray's Leuten ab. MURRAY zu Maria tretend. Du aber - Ha! - Zu spät! DOUGLAS. Gerechter Gott! MAR. Ohne Leben? LADY ARGYLL. Sie regt sich - Dank dem Himmel! HUNTLY. Wofür? - Daß sie zu solchem Leid erwacht? MARIA schlägt die Augen auf, und erhebt sich mit Hilfe Lady Argyll's. Sie blickt anfangs fremd und betäubt, dann lebhafter, wie suchend um sich, endlich stürzt sie mit einem Schrei an Lady Argyll's Brust. Fort! ERSTER SOLDAT ZU den Übrigen. Seht die Mörderin! ZWEITER. Ihr Buhle selbst Hat sie verlassen. DRITTER. Auf das Blutgerüst Mit Ihr! VIERTER. Wagt sie die Augen aufzuschlagen? MAR ZU den Soldaten. Still! Wer spricht? MURRAY . Maria Stuart, blick um Dich! Es stehen hier, und fordern Rechenschaft, Für alle Pflichten, welche Du verletzt, Für das Gesetz, das Du mit Füßen tratst, Die Großen Schottlands - Deines Volkes Boten.
Maria Stuart in Schottland
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EIN OFFIZIER. WO ist Dein Gatte, Königin Maria! EIN ZWEITER. Von wessen Hand fiel Heinrich Damley? Sprich! KERR auf die Fahnen zeigend. Die Fahnen sieh, worunter wir gekämpft! Vor seines Vaters Leiche kniet Dein Sohn, Und schreit zu Gott um Rache wider Dich! MARIA blickt empor und wendet sich schaudernd ab. Du bist erhört mein Kind! MAR. Als Deinen Sohn, Vor jedem Feind zu schützen ich geschworen, Besorgt ich nicht, Dein Gegner je zu werden. MURRAY. Dein Volk Maria, spricht durch mich zu Dir, Und kündet Dir Gehorsam auf und Treue, Wie Du sie beide brachst an Deinem Gott. RUTHVEN. SO spricht der Herr der Herren: Thue weg Den Hut, und lege ab die Krone! SOLDATEN.
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Leg'
Sie ab! MURRAY. Entsag' ihr, die Du nicht getragen Zu Schottlands Wohl, zu Deinem eig'nen Ruhm. Vor diesen Zeugen, Königin, entsage! MARIA. Ihr habt die Krone mir vom Haupt gerissen, Braucht es daß ich noch spreche: Nehmt sie hin? MURRAY. Im Angesichte Gottes, frag' ich Dich: Bist Du bereit, jedwedem Recht und Anspruch, (Für jetzt, und alle Zukunft,) auf dies Reich, Zu Gunsten Deines Sohnes zu entsagen? MARIA. Ich bin's. MURRAY. SO heb' die Hand, und schwöre! SOLDATEN.
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MURRAY.
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Schwöre!
MARIA. Ο den befleckten Reif, auf Deine reine Schuldlose Stirn', mein Kind! DU z ö g e r s t ?
MARIA. Nein... Ich hab' entsagt. SOLDATEN. Hoch lebe König Jakob! HUNTLY. Fürwahr - nicht länger kann ich schweigend hören! Zu den Soldaten. Bei meinem Leben, überfrech Gesindel, Den hau ich nieder, der ein Wort noch wagt! Zu den Lords. Euch aber frag' ich, die Ihr Euch vermeßt Zu richten über ein gesalbtes Haupt: Wer gab Euch dieses unerhörte Recht? Ihr Diebe an dem Heiligsten und Höchsten,
I. Text
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Ihr greift mit kirchenschänderischen Händen, An G o t t e s vorbehalten Eigenthum ... MARIA. Still Huntly, still! Beruf Dich nicht auf Ihn Bei dessen Namen mein Gebein erbebt ... Er selber trifft - Er selber will die Wunde, Zürnst Du dem Werkzeug womit er sie schlägt? MURRAY. Ihr höret! Die Verbrecherin erliegt Der Bürde ihrer Sündenlast. Maria, Nicht K ö n ' g i n mehr: G e f a n g ' n e Deines V o l k s ! Folg' Deinen Richtern, komm nach Edinburg. Zu den Übrigen. Nach Edinburg, zur Krönung König Jakob's! Die ausgeschickten Leute kommen. Allein? - Wo habt Ihr Bothwell? EIN SOLDAT. Schick uns um Den Teufel, und wir bringen ihn - nicht Bothwell. EIN ZWEITER. Kein Fußbreit mehr hielt mich von ihm getrennt, Den Felsenabhang jagt er hin zum Strom. Der Geier schießt nicht wilder auf die Beute Als wir auf ihn und seinen kleinen Troß ... Doch er, verwünscht! er überjagt den Pfeil, "Erreicht Dich nicht der Fuß, die Kugel thut's," Denk ich, und schick' ihm eine nach, er wankt. MARIA. Ο Gott! SOLDAT. Die Andern legen an - und: Feuer! Da habt Ihr's - Rechts und Links - und - da und dort Pfeifen die Kugeln hinter ihnen her Und treffen - treffen nicht, nach Jägerglück. Vor i h m fällt Einer, und zur Linken, ihm Der Nächste, liegt im Blut. Er aber fort, Ob rothe Spuren seinen Weg bezeichnen, Ein angeschoß'ner Eber, bis zur Bucht. Zwei Kähne ankern dort - der Troß hinein! Bothwell zuletzt - die Andern greifen nach Den Rudern - "Stoßt ab!" tönt's - und hole mich Der Teufel! Es geschieht. O'Mail, voran Uns Allen, kommt dazu und sinnt nicht lang, Und Hui! Ein ungeheurer Sprung. - In's Schiff, Dem Bothwell nach, als wie ein Rasender! Sie ringen - O'Mail liegt - der Riese! - Doch Nur einen Augenblick; im nächsten schon Hat Bothwell hoch in Lüften ihn erhoben Und schleudert ihn an's Felsenufer hin,
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Maria Stuart in Schottland
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Daß schier zu Brei die Knochen er zermalmt, Und seinen Schädel, der in Trümmer flog, Gehim und Blut, wie einem Quell enttroff. MURRAY. Ihr aber - wie die Affen - steht am Ufer Und seht ihm zu! SOLDAT. Mit ungelad'nen Büchsen Vor Wuth und Galle schäumend - indeß er Schon auf den Wellen trieb. MARIA an Lady Argyll's Halse weinend. Ein Heimatloser! LADY ARGYLL. Hast Du noch Thränen, Unglückselige, So weine über Dich - nicht über ihn. MURRAY. Bereitet Euch zum Marsch nach Edinburg, Wir brechen auf, noch eh die Sonne sinkt. Alle ab, außer Maria, Murray, Huntly, Lady Argyll und einige Wachen im Hinter gründe. MURRAY zu Maria. Auch Du, bereite Dich. MARIA . Ο Bruder Murray, Erspare mir den Hohn und Spott des Pöbels. Ο Bruder Murray - nicht nach Edinburg! MURRAY. Doch muß es sein, ich kann nichts für Dich thun. MARIA. Laß mich entfliehen. MURRAY forschend. Zu - Elisabeth? — MARIA zurückfahrend. Elisabeth?! MURRAY. Der Weg zu ihrem Throne steht Dir offen. HUNTLY. Nicht dahin! MURRAY. Nicht? - So komm nach Edinburg, - Zeig Dich dem Volk, das lechzt nach Deinem Anblick, Gönn' ihm die Lust, die stolze Königin, Einmal erniedrigt - und beschimpft zu seh'n. MARIA. Laß mich nach England flieh'n. MURRAY.
D u wolltest?
HUNTLY.
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- Zu Deiner schlimmsten Feindin?! Sieh - das war MARIA auf Murray zeigend. Ein Freund! Ist Dein Entschluß gefaßt, will ich MURRAY. Aus Mitleid Deine Flucht begünst'gen. Wähle Ein klein Gefolge unter Deinen Leuten, Und scheide. Knochen er zermalmt (H 1 ) ] Knochen er zermalt (E 1 ) Setzfehler an Lady Argyll's Halse (Η1, Η2) 1 an Lady Argyll Halse (E1) Setzfehler die Sonne sinkt (E 1K , H 2 ) ] die Sonne senkt (E 1 )
O!-
I. Text
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MARIA. Also thu ich. Eines nur Gewähre gnädig mir - bevor ich gehe: Laß mich mein armes, liebes Kind umarmen! MURRAY. Das kann nicht sein. MARIA. Wer darf's mir weigern? Ist's Ja doch noch m e i n ! MURRAY. DU hast das Recht verscherzt Es Dein zu nennen. MARIA.
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LADY ARGYLL.
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Einen K u ß nur auf
Die blonden Härchen, - seine Augen, und Den zarten Mund - Nur einen Segen auf Sein kleines Haupt! MURRAY. ES kann nicht sein. Ich sprach's. M A R I A , Ο Murray, wird Dir je ein Sohn geboren, So bete, daß bei seinem Anblick Dir Nicht die Erinnerung an diesen Tag Vor die entsetzte Seele treten möge! ... MURRAY. Die Stunde drängt - benütze ihre Gunst, Bis an die Grenze hast Du frei Geleit. Er tritt zurück und spricht mit einer Wache, diese ab. LADY ARGYLL und HUNTLY. Wir folgen Dir. MARIA. Ihr bleibt. Allein will ich Dem Loos entgegen geh'n, das ich allein Beschworen auf mein Haupt. W a s h a b ich Dir
Gethan, daß Du mich von Dir stoßest? HUNTLY. Kannst Du so hart uns strafen? Hab Erbarmen ... M A R I A . ZU lange büßt, Ihr Lieben, meine Schuld, Maria Stuart's Freunde sind Verwaiste, Sie sollen nicht auch Heimatlose werden ... Ihr weint? ... Ο räthselhaft Geschick! Als ich Dies Land betreten, unschuldig und rein, Von allem Glanz der ird'schen Macht umgeben, Die achtzehnjährige Kön'gin dreier Reiche Da schlug kein Herz auf diesem ganzen Eiland, Der jungen Fürstin theilnahmsvoll entgegen, Und nun, wo ich's verlasse, arm, gebrochen, Ein schuldbelad'nes, leidzerriß'nes Weib, Begleiten Thränen mich auf meinen Weg?
Gethan, daß Du (H 1 ) ] Gethan. das Du (E 1 ) Settfehler Ihr weint? ... Ο räthselhaft (E 1K ) ] Ihr weint? Ο räthselhaft (E 1 )
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Maria Stuart in Schottland Sie faßt Lady Argyll's und Huntly's Hand und zu den Knieenden Ein tief rer Vorwurf ist mir Eure Liebe, Als aller Haß, den ich erfahren hab! ... Ich laß Euch meinem Sohne! Sagt ihm, daß Als seine Mutter hilflos von hier schied Sie ihm ihr Letztes, Bestes, hinterließ: Zwei warme Herzen, die ihr treu geblieben! - Den Kuß für meinen Knaben! Leonor Den Händedruck für ihn, mein wack'rer Huntly Ach! Es ist Alles was ich geben kann! Lebt wohl! Und wenn er wächst, gedeihet, blüht, Lehrt ihn den Namen seiner Mutter nennen, Nicht richtend Freunde - liebend! Liebend! MURRAY. Folg Deinen Führern. MARIA. Z U - Elisabeth! ... - So leb denn wohl, du Stätte meiner Schmerzen, Ο schott'sche Erde, einst mir unterthan! - Du trägst kein Weh, mit welchem ich nicht tauschte, Und keinen Stein - den ich nicht neidete! Ο Heimaterde, meine Thränen küssen, Und meine Lippen Deinen heil'gen Grund, Und: Segen! Segen! ist mein letzt Gebet, Und heiße Reue jeder Athemzug! Ein weinend Kind liegt hier an Deiner Brust, Und fleht verstoßen, eh es von Dir geht: Vergib ο Mutter - was ich Dir gethan! Zu Lady Argyll und Huntly. Lebt wohl. Zu Murray. Leb wohl auch Du - Ο Murray! Murray! Sei meinem Knaben mild! MURRAY. Leb wohl Maria. Maria auf Lady Argyll gestützt, Huntly und die Wachen ab. MURRAY. Ich bin Regent von Schottland! B E D F O R T tritt auf. Ist's gelungen? MURRAY. Maria ist auf ihrem Weg nach England. BEDFORT. Sie sucht dort Schutz und findet einen Richter! Es ist für sie der Weg zum Blutgerüst. -
Ende.
gebeugt:
4.
Maria Stuart in Schottland
(H 2 )
Maria Stuart in Schottland Trauerspiel in fünf Aufzügen von M. v. Eschenbach
246
Maria Stuart in Schottland
PERSONEN
MARIA STUART, Königin von HEINRICH DARNLEY, ihr
Schottland
Gemal
EARL VON LENNOX, sein Vater EARL VON MURRAY, natürlicher Bruder der Königin GRAF VON BEDFORT, Gesandter England's GRAF VON BRIENNE, Gesandter Frankreich's JAMES HEPBURN, GRAF VON BOTHWELL EARL VON CAITHNESS,
Lord-Oberrichter
EARL VON M A R LORD DOUGLAS LORD RUTHVEN LORD KERR LORD ATHOL LORD HUNTLY LADY ELEONOR ARGYLL
CUNNINGHAM (Freund Lennox's) IVERNESS, ein Offizier ANDREWS, ein Page RICHTER, LORDS, WÜRDENTRÄGER DES REICHS, OFFIZIERE, SOLDATEN, GEFOLGE.
Erster Aufzug Erster Auftritt Saal in Holyrood Die im Hintergrunde geöffnete Thüre (die jedoch nach dem 2. Auftritte geschlossen wird), gewährt die Aussicht auf eine Terasse, auf welcher WACHEN auf und nieder gehen. LENNOX, der eintreten will, wird von ihnen angerufen:
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Das Losungswort? LENNOX. Hoch König Darnley! LADY ARGYLL durch die Seitenthüre links, eintretend, eilt auf ihn zu. Lennox! Willkommen theurer, hochverehrter Lord In diesem Hause, das kein Freund betrat Seit zweien langen, fürchterlichen Tagen! Willkommen Sir! Willkommen um so freud'ger, Als minder wir auf dieses Glück gehofft! LENNOX. Ihr seht My lady, mich so tief bewegt, Daß mir das Wort versagt. Hier meine Hand Es reicht sie Euch ein treu Verbündeter. LADY ARGYLL. Ich fasse sie, und mit ihr neue Hoffnung, Nicht Alles hat die Königin verloren So lang noch schützend Lennox bei ihr steht. Ihr kommt vom König! ... Ist's nicht so Mylord? Ihr bringt von uns'rem Herren Gruß und Kunde Er wird die Schmach, die unerhörte, sühnen, Mit der man ihn in seiner Gattin traf ... Ihr kommt vom König - kommt vom König doch? ... - Was frag' ich nur! ... Ihr kommt, und daß Ihr kommt, Ist Zeichen mir, und ist Beweis zugleich! ... LENNOX. Bei Gott My lady! H i e r vermuthet, h i e r , Erwartet, hab' ich meinen Sohn, daß ich's Umsonst gethan, das ist ein Räthsel mehr Zu allen, die mir in den letzten Tagen Das Schicksal aufzulösen gibt. Ein bang Gerücht, bis Dumbarton gedrungen, rief mich
gethan, das ist ein Räthsel (E 1 ) ] gethan, daß ist ein Räthsel (H 2 )
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Maria Stuart in Schottland Nach Edinburg. - Ich komme - frage, und Was ich erforscht, ist halbe Wahrheit kaum; Auf jedem Antlitz les' ich bleichen Schrecken, Dem Keiner wagt ein deutlich Wort zu leih'η Nur flüsternd raunen sie's einander zu Das Gräßliche - und das Unmögliche ... LADY ARGYLL. Das Gräßliche fürwahr! Doch leider - n i c h t Unmögliche zugleich ... LENNOX. Mylady! LADY ARGYLL.
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Ja!
Ihr findet Eure Königin gefangen, Die Schwelle feucht vom Blute Rizio's, Das Haus besetzt, bewacht von seinen Mördern. ... LENNOX. Dann trug ein Wunder Gottes mich hierher, Denn alle Pforten Schloß mein Name auf Als ein Ersehnter fast ward ich begrüßt LADY ARGYLL. V o n w e m M y l o r d ?
LENNOX. Von Douglas, Kerr, von Ruthven. ... LADY ARGYLL. Die Gräßlichen! Ein neues Opfer grüßten Mit wilder Freude sie, als diese Pforten Sich hinter Euch für immerdar geschlossen. LENNOX. Ich kam zu theilen meiner Fürstin Loos. LADY ARGYLL. Ο könntet Ihr doch mehr als nur es theilen, Vermöchtet Ihr's zu wenden theurer Lord! So ungeheuer ist, was sie getroffen, Daß mir's erscheint ein böses Bild des Traums Erzeugt von kranken Fantasie'n. Noch starrt Mein Blut, noch sträubt empor mein Haar, ruf' ich's Zurück ... Hier ward's erlebt - in dem Gemach - zur selben Unheimlich düst'ren Stunde, wo der Tag Mit Schatten ringend - ihnen unterliegt. Die Fürstin, von der Krankheit kaum genesen, Die an den Rand des Grabes sie geführt, Nach der Geburt des königlichen Prinzen, Empfing, umringt von ihren Frauen Den Kanzler Rizio, eines Befehl's Vollziehung ihm gebietend, dem in stets Gewohnter Art der Staatsrath widerstrebt. Da öffnet plötzlich sich des Zimmers Pforte Und fünf vermummte Männer treten ein. Es klirrt das Eisen unter ihren Mänteln, In ihren Händen glänzen nackte Schwerter —
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Und vier von ihnen, dringen mit dem Rufe: "Du bist des Todes!" ein auf Rizio Nachdem der Fünfte - offenbar ihr Führer, Durch einen Wink des Angriff's Zeichen gab ... In Rücken, Brust und Kopf zugleich getroffen Stürzt Rizio zusammen - seine Hand Erhebt er flehend zu der Königin, Und schleppt sich sterbend noch zu ihren Füßen, Sie breitet schützend über ihn den Arm Beugt nieder sich zu ihm entsetzensbleich Doch kaum hat sie den Sterbenden berührt, So ringet wild ein Schrei der höchsten Wuth Sich aus der Brust des Mannes, der bisher Dem grausen Schauspiel schweigend zugeschaut — Er stürzt heran - dicht an die Königin, Und über ihre Schulter senkt den Dolch Der Gräßliche in seines Opfers Nacken Schon hebt er ihn zu einem zweiten Streich, Schon fährt gezückt an ihr vorbei der Stahl, Da faßt sie ihn mit der Verzweiflung Kraft Und ringt die Waffe aus des Mörders Händen Zu spät - denn röchelnd sinkt der Kanzler nieder, Mit seinem Blut benetzend ihr Gewand. LENNOX. Unseliger! LADY ARGYLL. Doch nun, wird's laut im Schlosse, Ο die Verbrecher kamen nicht allein! Indessen sie den Rizio ermorden Entwaffnen ihre Söldlinge die Wachen Auf allen Treppen, allen Gängen, tobt Der Kampf. Vergeblich suchen Athol, Huntly, Vom edlen Bothwell muthig angeführt, Der Uebermacht mit ihrer kleinen Schaar Voll Todeskühnheit Widerstand zu leihen, Sie weichen endlich - überall verdrängt ... LENNOX. Ihr nennt den König nicht! den König, Lady! Wo blieb mein Sohn an diesem Schreckenstag? LADY ARGYLL. Vergeblich rief die Königin nach ihm, Und fordert ihn von den Verschwornen, als Sie unverlarvt nach ihrem Sieg erschienen; Vergeblich auch hat sie bisher gefragt Nach des Complott's geheimnißvollem Führer: - Er werde bald sich zu erkennen geben,
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Ist der Rebellen immer gleiche Antwort. LENNOX. ES ist der falsche Murray - zweifelt nicht! Seit der Verbannung hat er nicht geruht, Von England aus erhaltend wach den Haß Des trotz'gen Adels gen das Königshaus. Was e r ersann, das haben hier vollführt Der rauhe Ruthven und der stolze Douglas, Und s e i n e m Ehrgeiz, der nicht Grenzen kennt, Ist Rizio gefallen. LADY ARGYLL.
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Ruthven kommt. -
Sein finst'res Angesicht will ich vermeiden Und geh'n der Fürstin freudig anzumelden, Den freudig sie, willkommen heißen wird. Ab.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. DOUGLAS, RUTHVEN.
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DOUGLAS ZU Lennox. Ihr seid dem Wunsche rasch zuvorgekommen, Den wir gehegt, Euch hier zu seh'n Mylord! Laßt uns aus dieser Eile, Theil am Sieg Zu nehmen, auf den Eifer schließen, den Ihr hegt für unsre Sache, und Euch grüßen
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Nicht nur als Gast - auch als Verbündeten. LENNOX. Ich bin gewohnt, im Haus, das ich betrete, Als seines Eig'ners Gastfreund mich zu fühlen, Und hier ... DOUGLAS. Seid aufrichtig. Ihr dürft's. Noch heut Entsaget König Darnley dem Geheimniß ... LENNOX. D e r K ö n i g ? !
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DOUGLAS. Wartet nur auf Murray's Ankunft Um abzulegen frei vor aller Welt Die Maske, die ... RUTHVEN. Was Maske! Laßt die Bilder! Beim Namen nennt, was einen Namen hat! - Ist Euer Staunen keine Lüge, Lennox, So höret daß der König eifersüchtig Mit gutem Recht, auf Rizio, den Kanzler, Durch ihn verdrängt von allen Staatsgeschäften, Wie aus der Gattin pflichtvergeß'nem Herzen,
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Sich selber stellt an ihrer Gegner Spitze ... LENNOX. Ο gnäd'ger Gott! RUTHVEN. Und fordern wird von der Gefangenen, zu seinem Königs- T i t e l , Die W ü r d e gnädigst noch hinzuzufügen. LENNOX. Der Titel schon war schnöder Mißbrauch, Sir! DOUGLAS. So lang er nur ein leerer Schall gewesen Von nun an mag sich Darnley König n e n n e n , Er wird es s e i n . RUTHVEN. Wir machen ihn dazu! Wir tragen selbst die Krone dieses Reichs Auf uns'ren blanken Schwertern ihm entgegen, Der ganze Adel, den sie unterdrückt, Die schott'sche Kirche, welche sie verfolgt, Verbünden sich zum Sturz der Königin. Ein gottgefällig Werk ist diese That, Und ihre Früchte, hoff ich, wird sie tragen. LENNOXßr sich. So hoff auch ich. DOUGLAS. Den Earl von Murray Der gegen seine königliche Schwester Zum Schwerte griff, als er durch sie gefährdet Die reine Lehre sah, und d'rum verbannt Nach England fliehen mußte, Euer Sohn Ruft ihn zurück. Er wird ihm Rath, er wird Ihm Stütze sein auf seiner neuen Bahn. LENNOX. Kein Feind lebt ihm so giftig wie der Murray! Der Neid auf Darnley, welcher ihm erschien Als Räuber all der Macht, die er geübt, Bevor Maria ihren Gatten wählte, Der Neid auf Darnley trieb ihn zur Empörung Nicht Glaubenseifer, denn er glaubt an nichts. RUTHVEN. Gleichviel! Jetzt sind sie einig worden, Sir! Ein Streben leitet sie, die Kirche, uns. Und aus ihr wird ein neues Reich entsteh'n, In dem nicht mehr die schott'sche Jesabel In Unzucht schwelgt, und ißt von Götzenopfern. WACHE draußen. Der König! DOUGLAS. Und der Earl von Murray!
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252 Dritter Auftritt
DIE VORIGEN, DARNLEY, M U R R A Y .
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DOUGLAS und RUTHVEN ihnen entgegen eilend. Dem König Heil! Und Heil dem edlen Murray! MURRAY. Und euch ihr Freunde! Ο habt warmen Dank Für Eure Liebe, die bei meinem König Mir der Verbannung Ende ausgewirkt, Das meiner Wünsche schmerzensreiche Glut Zur Heimat rastlos immer widerkehrend Mit jedem Tage brennender ersehnt! DARNLEY Lennox erblickend. Mein Vater - Sir - dies Wiederseh'n - so hab' Ich's nicht gehofft... LENNOX. Und ich mein Sohn, hab' so Es nicht gefürchtet! MURRAY. Ο mein Fürst! Als ich den Fuß Auf diese Schwelle setzte — trunken von Des Wiedersehens Freude Dich umfing, War mir, als hielt' die Welt ich in den Armen Und so beseligt fühlte sich mein Herz, Daß ihm der Wunsch, der niemals ruhende, Erstorben schien. Nun ebben sich allmälig Die hohen Wogen stürmischen Gefühl's, Und sonnig heiter, breitet sich vor mir Ein ganzes Leben voll Verheißung aus ... Doch mit der Ruhe kehrt die Überlegung, Und diese spricht: Frohlocke nicht zu früh! Ward viel errungen, vieles bleibt zu thun; Mein edler König säume nicht - : An's Werk! Indeß das Volk noch athemlos gespannt Unschlüssig, was es thun soll oder lassen, Sich bebend fragt wohin dein Streben geht? Mußt Du am Ziele steh'η! Noch heut vollende Was glorreich Du begonnen ... DARNLEY. Laßt die Rückkehr Der Boten mich erwarten, welche ich Gesendet gegen Dunbar, auszuforschen Ob Bothwell rüstet, wie mir ward gemeldet. Sie steht bevor - und eine kurze Frist Verlang' ich nur ...
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I. Text WOZU? WOZU die Frist? MURRAY. Daß Bothwell gegen uns zu Felde zieht Deß' sei gewiß: die Mähr ist nicht erlogen! Und eben das zwingt Dich zu rascher That. Kommt er, noch ehe du die Krone trägst, Stehst Du vor ihm als Hochverräther da; — Doch dem gesalbten König gegenüber Ist e r Rebell, und wird also begrüßt. DOUGLAS. Entscheide Dich! MURRAY. Die Stunde drängt mein König! RUTHVEN. Ist's möglich, Herr? So lange zögerst Du Den Willen Gottes, der Dich ruft zu thun? ... RUTHVEN.
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Vierter Auftritt DIE VORIGEN. KERR.
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KERR ZU Darnley. Von Dunbar trafen Deine Boten ein. DARNLEY. Was bringen sie? KERR. Was wir erwartet, Herr. Lord Bothwell's Anhang stehet unter Waffen. RUTHVEN. Er steht? Wer spricht vom Steh'n? Mich dünkt, er stürmt Heran, und fordert sehr, daß man geziemend ihn Auf halbem Weg voll Höflichkeit empfange. KERR. Die Nachricht der Gefangenschaft der Fürstin Hat allenthalben das Mitgefühl entflammt, Es strömt das Volk in Massen, Bothwell zu, Selbst hier erheben Stimmen sich für sie. RUTHVEN. Die unsere Soldaten niederhalten Vom Geist des Herrn durchdrungen und beseelt! MURRAY. Mein König, längst ist Dein Entschluß gefaßt, Nun gilt's ihn auszuführen. Bring' Du selbst Maria Stuart nach der Veste Stirling, Der edle Douglas gibt Dir das Geleite Mit seinem Kriegsvolk, wir indessen stellen In Edinburg die tiefste Ruhe her. Sobald die Königin in sich'rer Haft, Kehrst Du zurück, und wirst vom Parlament Bestätigung in Deinen Rechten fordern. DARNLEY. An Eure Posten denn!
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Vergönn, mein König, Der Ueberlegung noch ein ernstes Wort! Bevor zu diesem Äußersten wir schreiten, Den Streit entflammen und den Bürgerkrieg, Laß uns verbunden vor die Kön'gin treten, Begehrend, daß ihr Wille auch gewähre, Was ihre Macht nicht mehr verweigern kann. RUTHVEN. Nicht eines Haares Breite wird sie weichen! DOUGLAS. Sie wird, denn also nur allein, bewahrt Sie sich noch einen Schein von Herrschaft. DARNLEY. Ich denk' wie Ihr, und stimm' euch bei Mylord. MURRAY. SO geht denn hin. Stellt Eure Ford'rung an Die Königin! Weigert die Erfüllung sie, Sind wir ihr gegenüber los und ledig Jedweder Pflicht und Rücksicht. DOUGLAS. Eines noch! In Edinburg darf Both well nicht erscheinen Bevor des Sieges völlig wir gewiß Ein Mittel gibt es seinen Schritt zu hemmen ... RUTHVEN an sein Schwert fassend. Wohl gibt es eins! Und ich ergreife es! DOUGLAS. Nicht also Lord! - Ein streng gemessener Befehl Muß von der Kön'gin selber ausgegangen, Ihm Halt gebieten ohne Zögerung Zu Darnley. Und den Befehl sollst Du erwirken, Herr! Längst ist es Zeit vor deiner Gattin, Dich Als ihrer Gegner einen, zu erklären. Tritt vor sie als Gebieter - ford're von Der Überwundenen Gehorsam! Dies Begehren wir. RUTHVEN. Jawohl! KERR. Was wir gethan Es ist für Dich gescheh'n. Nun steh getreu Auch bei den deinen Herr, erneuere hier Den Eid, den Du geschworen: Eins mit uns In Sieg oder Verderben - unser Führer, Zu leben, und zu sterben! DOUGLAS.
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DOUGLAS und RUTHVEN.
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Schwöre! Schwöre!
MURRAY. Ihr Zweifler! Ihr mißtraut dem Fürstenworte? RUTHVEN. Weil wir d'ran glauben, fordern wir's als Pfand. DARNLEY zögernd. My lords, ich schwöre - jede Sicherheit Die meine Macht im Stande Euch zu leihn Und jeder Schutz soll Euch gewähret sein ...
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I. Text DOUGLAS. DU gabst Dein Wort - empfang das unsere: ALLE VERSCHWORNEN. D e m König Treue!
ZU Darnley. Und die Deine - ihnen! DOUGLAS. Bestimme nun die Fürstin uns zu hören. Vor allem aber denke des Befehl's An Bothwell, Herr. Sobald er ausgefertigt, Entbiete uns zurück. Zu Lennox. Der Einzige Der hier kein Wort gesprochen, Lennox, das Seid Ihr! Raubt euch der Stunde Ernst die Sprache? Seid Ihr betäubt durch Eures Sohn's Triumph? LENNOX. Ich bin ein Greis, und stumpf für Ehrgeiz worden. KERR. Mein königlicher Herr, bei Rizio Ward dieser Schrank gefunden, Er stellt einen kleinen Schrank, den auf ein von ihm gegebenes Zeichen ein Diener hereingebracht, auf den Tisch. über ihn Gebühret Dir nur das Verfügungsrecht, Er trägt die Aufschrift von des Kanzlers Hand: "Nach meinem Tod der Kön'gin Eigenthum." DARNLEY. Was sagst Du? - Her! - Hierher - Laßt mich allein. Ruthven, Douglas, Kerr ab. LENNOX. Ich wünsche Sohn, die Königin zu seh'n, Gönnt mir - Ihr Herren nun von Holyrood, Bei Euerer Gefangenen den Eintritt. MURRAY. Mit nichten ... DARNLEY. Doch, mein Bruder Murray! - Geht Mein Vater - und - ich bitte Euch - bereitet Maria auf ihr Schicksal vor - sagt ihr Wie unnütz jeder Widerstand - mahnt sie Den übermüthig stolzen Sinn zu beugen, Und als ein Weib zu dulden, rathet ihr. LENNOX. Ich werd' ihr rathen als ein Weib zu d u l d e n , Für sich. Bis sie als eine Kön'gin h a n d e l n kann. Ab. MURRAY. Was ist Dir Darnley? Hab' ich mich getäuscht? Ich hoffte Dich zu finden, kühn, entschlossen, Von jeder stolzen Zuversicht getragen, Die Sieg verleiht, weil an den Sieg sie glaubt, Und finde Dich - entmutigt - finster - schwankend, Bei meinem Eid! Ein Knabe ganz und gar, Der vom Triumph geträumt auf weichen Kissen, Und da erwacht, er ihn verfolgen soll
MURRAY
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Auf rauhem Pfad, mit Eisen, und mit Stahl Beim ersten Kampf, beim ersten Tropfen Blut Den er vergießen sah, entsetzt und schaudernd Die Fahne flieht! DARNLEY. Du irrst. Mit kaltem Muth Stand ich vor Rizio's entstellter Leiche, Und blickte fest in sein gebroch'nes Auge. Allein Murray - zwei Augen gibt's, vor die Zu treten, Todesgrau'η mich faßt ... Ich hasse und verabscheu' diese Augen, Sie haben oft so stolz mich angeblickt, So hochmütig und höhnisch, daß in mir Jedwed Gefühl in Wuth sich aufgelöst Und all mein Sehnen in den Schrei nach Rache! Und doch - wie heiß ich auch den Tag ersehnt, Wo sie im Staub vor mir sich senken müssen, Nun er gekommen - nun verwünsch' ich ihn! MURRAY. Das sprichst Du aus? Das wagst Du auszusprechen Nachdem Du mich zu Deinem Sieg geladen, Nachdem er halb vollbracht? DARNLEY. Das Letzte fehlt. MURRAY. Das: B e s t e sage - die Entschlossenheit An's Ende ihn zu führen! DARNLEY.
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Nimmermehr!
Ich will im Kampf um Schottlands Königskrone Erniedern mich bis zum gemeinen Streiter, Mit Volkswut kämpfen und Parteienhaß, Und h a b ' ich sie errungen, mit Dir theilen Der Herrschaft Wonnen - : Macht und Ruhm, und Hoheit Nur Eines, Murray, sollst Du für mich thun Den Einen Schritt, der mir unmöglich ist... MURRAY. W a s f o r d e r s t D u ?
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DARNLEY. Sei Du mein Bote bei Der Königin. MURRAY. Ich!? - Sie darf es niemals ahnen Daß wider sie ich mich mit Euch verband Und ich sollt' selber mein Verräther sein? Eh das geschieht fließt rückwärts unser Tweed! DARNLEY. Ich dachte doch, Du dientest meinem Vortheil? MURRAY. Doch will ich nimmer meinem Nachtheil dienen. DARNLEY. Ich fleh Dich an! Gezählt sind die Minuten ... MURRAY. Sie geh'n nicht mir - nur Dir geh'n sie verloren ...
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DARNLEY. Verloren - ja - und ich bin es mit ihnen! MURRAY. Bejammernswerther Held! ... Von einem Weib Besiegt, das Dir Gehorsam schwur, und sich Geweigert, Mann! ihn Dir zu leisten - das Die Herrschaft Dir versprach - und vorenthält, Das einen Günstling über Dich erhob ... DARNLEY. Sie leidet ihre Strafe - leidet, leidet, Zu meines Herzens jauchzendem Entzücken - Doch will ich nicht an ihrer Qual mich weiden, Nicht selbst der Henker ihres Glückes sein. MURRAY. Ο Heuchler! Kleide nur die Furcht in das Gewand der Großmuth - ihr fahl Gesicht, erkenn' Ich trotz der Larve! - Nein! Du w i l l s t nicht siegen! — So geh' denn unter, wie Du es verdienst! So bleibe denn, was Du bisher gewesen: Der Schatten eines Königs - eines Weibes Geschöpf! - So trage denn Dein schmählich Joch, Wenn Dir die Kraft gebricht es abzuschütteln! Du bist geboren und gezeugt zum Knecht, In Deinen Adern rollt kein Königsblut! DARNLEY. Das lügst Du! MURRAY . Durch Thaten straf mich Lügen Die Worte spare - und vernimm mein letztes: Nicht ich, bei Gott! nicht ich, erwarte Heil Von der Comödie, in welcher Douglas Die Rolle des Vermittlers spielen will! Nur der Gewalt erliegt Maria Stuart, Sie muß nach Stirling, muß noch heut dahin ... DARNLEY. Unmöglich! MURRAY. Nichts dem Kühnen! - aber Alles Dem Zagenden! DARNLEY.
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DU w i l l s t . . .
MURRAY. Nicht weiter! Nur Dies eine höre: Wenn am nächsten Morgen Die Königin in Edinburg erwacht, Zählt sie um einen Diener mehr, und Du Hast ihn verloren - Murray nennt er sich! Murray ab. DARNLEY allein. Hab Dank für dieses Wort, Du schnöder Murray! Es facht den Funken Zorn in meiner Brust
Von einem Weib (Η 1 , E ' ) ] Vor einem Weib (H 2 )
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Maria Stuart in Schottland
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Zu ungeheurer Flammenlohe an, Und nicht über Maria's Haupt allein Auch über Dir soll sie zusammenschlagen! Der Thüre links zueilend begegnet ihm an der Schwelle: LENNOX. W o h i n ? DARNLEY.
Zur Königin.
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Sie k o m m t .
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Sie vorbereitet mich zu sehen? LENNOX.
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Nein!
Ich mocht Ihr Deine Schande nicht verkünden. Noch ahnet sie von all dem Frevel nichts, Glaubt Dich gefangen, wie sie selbst es ist, Und wie sie selbst - ein Opfer der Empörung. Tritt ihr entgegen nun, mein wack'rer Sohn, Mit aller Hoheit Deiner neuen Würde, Mit allem Stolze Deines Selbstgefühls, Daß nicht zu tief ihr Anblick Dich beschäme, Du neben ihr, nicht allzu klein erscheinst, Denn ungebrochen ist ihr hoher Muth, Und größer als das Mißgeschick: sie selbst. Was mich betrifft - ich bin ein schwacher Greis, Schwach ist die Hülfe, die ich bieten kann, Doch hab' ich ihr auf meines Enkels Haupt Der Treue Eid geleistet, und will ihn Zu Ehren bringen, wär ich auch in Schottland Der einz'ge Mann, der noch die Treue hält. Lennox ab. DARNLEY. Mylord, ich ... Will ihm nacheilen.
Fünfter Auftritt DER VORIGE. MARIA tritt langsam
ein, als sie DARNLEY erblickt,
einem Schrei der Ueberraschung auf ihn zu. MARIA. Darnley! Darnley! Ο mein Gatte! Bist Du's? Bist du es wirklich? Kann's denn sein? Ο Segen meinem Aug! - Ein Freundesantlitz, Auf dem es ruhen kann! DARNLEY. Ich bin kein Freund. Gedenk, wie wir uns trennten, und Du wirst
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Von diesem Wiedersehen nicht Segen hoffen. MARIA. Ich hab' Dich schwer beleidigt und verletzt Verzeih! - Das Herz ist stets am strengsten für Die Theuersten, und Fehler, kaum gerügt An Fremden, führen uns zum Zwiespalt oft Mit denen, die wir lieben. DARNLEY.
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Von jeher Deine Liebe! Tadeln heißt Die Huld, die Du gewährst, ein ew'ger Vorwurf Ist Deine Zärtlichkeit. - Nicht also will Geliebt ich werden - eher so gehaßt. MARIA. Ich hör Dich an mit sprachlosem Erstaunen Laß eine Frage meine Antwort sein: Mein ganzes Hoffen stand auf Dir allein, Ich glaubt' Dich frei - ich sah Dich - Heere werben Das Volk begeistern - Holyrood erstürmen Und wie ein Engel - wie ein Gott erscheinend, Das Richtschwert in der Hand - die Königin Und Deinen Sohn befrei'n! ... Doch Du bist hier, Wie ich - so scheint's - gefangen und bewacht Und unser Unglück, das die schlimmsten Feinde Zu Freunden machen m ü ß t e - träfe sie' s Gemeinsam - läßt in Deinem Herzen Raum Für einen kleinen Groll? ... Verblendete!
Nenn' meinen Groll nicht klein! MARIA. Die Gründe sind's Die ihn erweckt, er ist's im Angesicht Der Leiden, die wir jetzt erdulden. O! Vergiß ihn für den größeren Gedanken: Die Rettung erstens - und die Rache - dann! D A R N L E Y . D U träumst! MARIA. Willst Du Dich kampflos unterwerfen? DARNLEY. Wer war's der mich die Unterwerfung lehrte? Ich übt' sie nicht wär' ich gewöhnt an Herrschaft, Trüg' ich die Krone die Du mir verweigerst ... MARIA. Ich weig're sie, weil mir kein Recht geworden Mit diesem heil'gen, untheilbaren Reif Ein zweites Haupt zu schmücken, nebst dem meinen. DARNLEY. Auch mir den Königstitel zu verleihn Besaßest Du kein Recht, und hast es doch
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Gethan! MARIA. Soll ich in Zukunft karger sein? DARNLEY. In Zukunft Herrin - wirst Du Großmuth üben Und alles geben - was man Dir ertrotzt! MARIA. Entsetzlicher! Kannst Du das Unglück höhnen Obwol Du blutest unter seinen Streichen? Oder - verschmerzest Du Dein Mißgeschick, Weil es zugleich - und schwerer - mich getroffen?! Ο Darnley! Darnley! - Ist es möglich denn Daß also sich des Menschen Sinn verkehre? - Du hast mich nie geliebt wie es mein Herz Verlangt - allein - wie Du's verstehst: geliebt Aus freiem Antrieb hast Du mich gefreit Hast mein begehrt mit jugendlicher Glut ... DARNLEY. Auch dieses ist vorüber, - und vernichtet Jedwede Regung, die für dich gesprochen. MARIA. Ο Menschenherz! - Es treibt die todte Erde, Die prangend trug ein gold'nes Aehrenmeer, Auch wenn der Pflug darüber hingezogen Noch über's Jahr so manchen Halm empor Den Segen kündend, welcher hier geblüht. Und in der Schöpfung größtem Meisterstück In Dir - Du pochend lebenvolles Herz, Vertilgt ein Jahr so ganz die schönste Saat Die Deines Lenzes Fülle treibt: Die Liebe! Daß keine Regung, nicht das kleinste Zeichen, Des einst'gen Reichthums Herrlichkeit verräth! DARNLEY. SO ist's. Du sprichst es aus. MARIA. Sieh mir in's Auge! In's Auge! - Wie? - Du w a g s t es nicht? DARNLEY. Nicht wagen? MARIA. Ο ... Doch?! ... Nun sag' ich Dir: Du lügst! Beim Himmel, Du fühlest Mitleid und Gewissensangst! ... DARNLEY. Mein Auge täuscht, wenn es Dir Mitleid zeigt. Ich habe keines für ein treulos Weib. MARIA. Ein treulos Weib? DARNLEY. Das meine Ehre schändend Sich hingegeben einem nied'ren Günstling Zum Aergerniß der Welt, zur Schmach des Gatten, Herabgesunken bis zur Buhlerin. MARIA. Mein gnäd'ger Gott, ich hab' mich überhoben Nur allzuoft, in ungerechtem Stolz! -
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Nimm dieser Stunde Schmach als Buße hin, Sie sühnet Alles - Alles überreich! DARNLEY. Verbrecherin! Verstummst Du im Gefühle Begang'ner Schuld und suchst vergeblich nun, Nach einem Worte der Vertheidigung? MARIA. Und fand ich tausend - keines spräch ich aus! Ich bin gefangen und der Macht beraubt, Entehret durch die niedrigste Verläumdung, Allein so gräßlich tief noch nicht gefallen, Daß ich zu ihrer Widerlegung mich Erniedrigte! DARNLEY. So werden Zeugen reden! Kennst Du den Schrank? MARIA. Des treusten Dieners Händen In einer schweren Stunde übergeben, Wo mit dem Tode dieses Leben rang. Ich kenne ihn - gib mir mein Eigenthum. DARNLEY. Gefang'ne haben keins! - Wo blieb der Schlüssel? MARIA. Von mir verwahrt. DARNLEY heftig. Gieb! MARIA. Mein Leben eher! DARNLEY. DU weigerst Dich! MARIA. So lang ich athme - j a . DARNLEY. Wohlan! Auch Degenklingen öffnen Schlösser! Er sprengt den Schrank, Maria wendet sich verächtlich ab. - Da liegen sie die Zeugen meiner Schande Verbrecherischer Liebe sünd'ge Boten! Verräther der Verrätherin - klagt sie Mit tausend Stimmen an! Was sie beschuldigt Entsühnet mich - und macht gerecht mein Handeln!
Sechster Auftritt D I E V O R I G E N . L E N N O X rasch
eintretend.
LENNOX. Nichts ist verloren, und noch Zeit zur Rettung, Wenn jeder handelt, wie er kann und soll. MARIA. Auf Darnley rechnet nicht. LENNOX fiir sich. Hat er gesprochen? ... Nein! Nein! Ich kenne meinen kühnen Sohn.
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der einen Brief nach dem andern durchfliegt, und wieder in den Schrank zurückwirft. Das ist der Liebe Sprache nicht - Bin ich Betrogen überall? Verflucht die Schurken, Die mich verleitet haben! Was ist das? Der Kön'gin Testament! ... "So Gott mich ruft — " "Mein - vielgeliebter Gatte - Heinrich Darnley — " "Regent von - Schottland - bis zur Thronbesteigung" "Des Prinzen - meines Sohn's" ... Während dieser halblaut gesprochenen Worte ist Lady Argyll eingetreten. MARIA wirft sich in ihre Arme. Ο komm' du Treue! Sie bleibt während des Folgenden auf Lady Argyll gelehnt im Hinter gründe der Bühne. LADY ARGYLL. Was ist geschehen, theure Lady? Fassung! DARNLEY den Blick starr auf das Testament geheftet. Und ich — hab' sie entehrt! ... Zu Maria. Ich bin beschämt. LENNOX dicht an Darnley herantretend, leise und rasch. Nach Dunbar fliegt in dieser Stund' mein Bote, Und fordert Both well auf, mit seinem Heer Herbei zu jagen in beschwingter Eil! ... DARNLEY. Was sagt Ihr? DARNLEY
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LENNOX. Kommen wird er so gewiß Als der geschoss'ne Pfeil vom Bogen schnellt! Doch daß die Thore ihm geöffnet werden Befiel Du selber. DARNLEY finster. Wie vermocht ich das? LENNOX. Dem Träger dieses fürstlichen Befehl's Wird sich kein Widerstand entgegensetzen. DARNLEY. Ist die Empfindung: Reue - die mich jetzt Durchströmt? ... Ich hab bisher Dich nicht gekannt Du fremd' Gefühl - und will auch fürder Dich Nicht kennen ... LENNOX. DARNLEY .
Ο der Qual! fordern die Verschworenen von Dir Den Haltbefehl der Königin an Bothwell, Schon wartet voll von Ungeduld ihr Bote Der ihn bestellen soll - Gib diesen ihm Anstatt des Haltbefehls. DARNLEY ergreift das Blatt. Was thun? Was thun? LENNOX. Wenn noch ein Funken Ehre in Dir glüht, So mache gut durch einen Federstrich LENNOX. ES
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Unterschreibe!
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I. Text Den ungeheuren Frevel an der Gattin Der Königin! DARNLEY im heftigsten Kampfe. Ich s o l l t e ! - Ja! - Ich fühl's ... LENNOX. Ich flehe - ich befehle! DARNLEY.
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N u n - wohlan! -
RUTHVEN.
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Unterschreibt.
Es ist gescheh'n ... LENNOX zur Thüre eilend, die er öffnet. Herein! Herein Ihr Alle! Die Kön'gin will Euch hören, meine Freunde! Douglas und Ruthven treten ein. Sie selber schickt den Haltbefehl an Bothwell - Zu einer Wache: Dem Boten dieses - der im Hofe wartet! Zum Fenster tretend und es öffnend, ruft hinab: Zu Pferd! zu Pferd! Und jagt mit Sturmeseile! DOUGLAS ZU Ruthven. Triumph! Der König hat gesiegt! D a s heißt
So viel als: w i r . DOUGLAS ZU Lennox. Reicht mir die Hand Mylord: Verzeihung meinem Zweifel von vorhin. Murray und Kerr treten ein. MARIA bei Murray's Anblick, sich emporrichtend. Der Earl von Murray?! DOUGLAS.
Von uns zurück
Gerufen, Majestät! - Sammt seinem Anhang. KERR. Empfang' ihn gnädig. RUTHVEN.
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U m so g n ä d i g e r
Als minder Deiner Gnade er bedarf. DOUGLAS. Nicht unser Wille ist es, Königin, Der Freiheit Dich für immer zu berauben; Mit einem Worte kannst Du sie erkaufen, Ein Wink von Dir - und Deine Fesseln fallen. RUTHVEN. Stellt unsere Bedingungen Mylord! DOUGLAS. Im Namen meiner Freunde, hier versammelt, Im Namen des gesammten Adels Schottlands ... MARIA. Des Adels Schottlands? Wer vertritt ihn hier? Wer führt die Sache der Mac-Dolbain's, Athol's, Der Flemming, Bothwell's und der vielen Andern? DOUGLAS. Im Namen auch des Volkes ... MARIA. Volkes? Gibt's Ein schottisch Volk? Ich kenne nur die Rotten, Die knechtisch ihrem Thane unterworfen, In Krieg und Frieden Euch zu Willen sind;
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Maria Stuart in Schottland Die Eure Farben tragen auf den Kilts, Die Furcht vor Euch in ihren rohen Herzen! - Nicht Kinder Schottlands: Kinder ihres Clan's. Daß dieser Troß begehrt, was - Ihr - das glaub' Ich Euch! Ist er zu fragen doch gewöhnt Was Ihr gebietet, daß er wollen soll. DOUGLAS. Du hast der Uebermacht Dich unterworfen MARIA. Niemals - bei Gott! - Erlegen bin ich ihr, Doch unterworfen habe ich mich nicht. DOUGLAS. Die Uebermacht stellt Dir Bedingungen, An die allein sich Deine Freiheit knüpft. Sie lauten: Schutz der reformirten Lehre, Aufhebung des kathol'schen Götzendienst's, Die Theilung Deiner Herrschaft mit dem König, Begnad'gung des Earls von Murray, Und aller derer, welche Theil genommen Am Morde Rizio's ... MARIA. Nicht weiter! Was Begehret Ihr? - Verrath an meinem Glauben, Verrath am Reiche, dessen Herrschaft ich Mit einem Andern theilen soll - Verrath An dem Gesetze, das Rache fordert für Empörung und für Meuchelmord ... RUTHVEN. Dem Gatten Verweigerst Du die Macht, doch mit dem Günstling Hast Du sie gern getheilt. MARIA ZU Douglas. Ihr seid ein Douglas: Beschützt mich vor dem Angriff der Gemeinheit, Daß sie allhier die Stimme nicht erhebe, Die Rücksicht, Lord, gewähret dem Geschlecht, Und ehrt in der gefang'nen K ö n i g i n - d a s W e i b . RUTHVEN. Bei meinem Eide! DOUGLAS. Stille! - Forderst Du Bedenkzeit - diese soll Dir werden. MARIA. Ich ford're keine. RUTHVEN. Hört Ihr ihn? Satan, Den Hochmuthsteufel, hört Ihr ihn? DOUGLAS. Bedenk! ... MARIA. Ich denk' der Frevel zahllos, ungesühnt, Kilts ] Kills Wortfehler Verrath an meinem Glauben ( Η ' , E 1 ) ] Verrath an meinen Glauben (H 2 )
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Die schon durch Euch an mir begangen worden, Doch dieser wahrlich, übersteigt sie alle! Ihr habt das Haus der Könige durch Mord Entheiligt, durch Verrath entweiht - Ihr habt Die Hand an jedes Recht gelegt, das mich Beschützt... RUTHVEN. Geboten hat's der heil'ge Eifer Für uns're Kirche, die Dein Haß verfolgt! MARIA. Wie Euer Haß die meine! Ist mein Recht Für meinen Glauben einzusteh'n, geringer Denn Euerer? KERR. Folg uns nach Stirling! MARIA.
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Ja!
Doch Eines ford're ich, bevor ich gehe: Den Namen Eures Führers sagt mir an! Ich will den schlimmsten meiner Feinde kennen. Nach kurzer Ueberlegung rasch: - Du bist es Murray! MURRAY. Nein! So wahr ich lebe! Leise zu Darnley. Hast Du geläugnet Mann? MARIA. Ich trag ein Zeichen Das ihn verrathen soll - den Dolch, den er Geführt... LENNOX ZU Maria's Füßen. Ο Königin - ich fleh' Dich an: Begehr' ihn nie zu kennen! Nie und nimmer! Mit meinem Leben steh' ich dafür ein, Du hast von nun an keinen treuem Diener! RUTHVEN leise zu Douglas. Was ist das? Teufel! Wird der Darnley schwach? MURRAY für sich. Das ist in Wahrheit seltsam ... MARIA. Vater Lennox! Ihr seid ein warmer Anwalt, in der That, Für einen Hochverräther ... Ο laßt mich Nicht auch an Euch verzweifeln ... Herr im Himmel! Sind Alle falsch? Ist unter ihnen Allen, Die Treue mir geschworen, Keiner, der Sie hält? Von der Straße herauf der tausendstimm' ge Ruf: "Hier Bothwell! Hoch die Königin!" MARIA. Und Einer - Einer doch! LENNOX.
Triumph!
MURRAY mit einem Blick auf Darnley. Verrath! Getümmel und Kampf auf den Treppen, Alle, Lennox und Darnley ausgenommen, ziehen ihre Schwerter.
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266 BOTHWELL hereinstürzend. Ergebt Euch Alle! DIE VERSCHWORNEN auf ihn eindringend. BOTHWELL sein Schwert von sich schleudernd. Ein Hochverräther Jeder, der das Schwert In Gegenwart der Königin gezogen Und Gnade Gott jetzt allen Hochverräthern!
Nieder mit ihm! Nieder!
ATHOL, MAR, HUNTLY kommen mit dem Rufe·.
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Es lebe die Königin! Die Terasse und alle Eingänge besetzen Bothwells Leute. RUTHVEN leise. In der Hölle! KERR ebenso. Verdammt! MARIA. Erretter! Freunde! Sieger! Seid gegrüßt! Wenn ich noch nicht gewußt was d a n k e n heißt, Aus übervoller Seele - lern' ich's jetzt! Ihr gebt mir wieder - königliche Macht — Und königlich soll Euch vergolten werden! - Beklaget mich - die strafen muß - bevor Sie lohnen darf! Mitten unter die Verschwornen tretend, den Dolch erhoben: Bei Eurem Leben, das Zur Neige geht, gebiet ich Antwort! Wem Gehört der Dolch? DIE VERSCHWORNEN nach einer Pause. Dem König. MARIA. Lüge!-Nein Das kann nicht sein! Nachdem sie Darnley lange und starr angesehen, leise\ Es ist - Allmächtiger! MURRAY ZU Darnley leise. Nun halte Wort! DOUGLAS ebenso. Bekenne! KERR ebenso. Rette uns! LENNOX. Ο Majestät! Bei diesem weißen Haar Das Sorge bleichte um Dein theures Wohl ... MARIA mühsam nach Fassung ringend. Seid ruhig Vater! Unterthanen könnt' Ich richten, doch den Fürsten nicht! Zu den Verschwornen. Vernehmt! Was Ihr gesagt - ich glaube nicht daran Doch w e n n es ist, - doch, wenn es wirklich ist Wenn dieser Mann, wenn dieser Graf von Darnley, Den ich erhob zu meinem Herrn und König, Die That gebot — so habt Ihr recht gethan! RUTHVEN zu Darnley. Was braucht es mehr? MURRAY leise zu Darnley. Du zögerst noch? KERR ebenso. Ο rede! DOUGLAS ebenso. Gesteh'! MARIA. Sprich mein Gemal - war's Dein Befehl,
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Der ihre Hand bewaffnet gegen mich? RUTHVEN fiir sich. Ο mögest Du zehntausend Jahr im Pfuhl Der Hölle brennen, feiger Wicht, für jede Sekunde dieser Zögerung! MARIA. Deine Antwort? Nicht mehr begehr ich als ein "Ja, ein Nein!" DOUGLAS. Elender! DARNLEY. Königin ... MARIA. Ein Ja! Ein Nein! DARNLEY. I c h h a b ...
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MARIA. Ein: J A - e i n : Nein! DARNLEY . Ο! ... Nein denn! Schrei der Entrüstung unter den Verschwornen. MARIA. Ihr habt's gehört, Verläumder und Rebellen! Dies e i n e Wort ist Euer Todesurtheil. - Führt in's Gefängniß sie! Wachen umringen die Verschwornen. DOUGLAS. Er hat gelogen! Ich schwör's bei meiner Ehre! MARIA. Deiner Ehre Verräther? DOUGLAS. Meinem Eide ... MARIA. Deinem Eide Eidbrüchiger? ... Führt in's Gefängniß sie! Die Verschwornen werden abgeführt. Beim Vorübergehen an Darnley: DOUGLAS. Heut' spricht Gewalt, und morgen spricht der Richter. Ab. KERR. DU bindest unsern Arm, nicht uns're Zunge. Ab. RUTHVEN. Des Tages sollst Du denken, König Darnley! Ab. MURRAY ZU Maria's Füßen. Hoch lebe meine große Königin! Laß' mich der erste sein, der kniend Dir Zu Füßen leget seine Huldigung! MARIA. Ihr kommt zwar ungerufen, Bruder Murray Doch will ich Euch darum nicht von mir weisen. Euer Verdienst entstammt nur dem Vergleich Mit größeren Verbrechen als die Euren Doch will ich Euch nicht richten. Stehet auf! Seid mir von diesem Tag ein treuer Diener, Und zum Beweis, daß ehrlich Eure Reue, Verbündet fürder Euch mit meinen Freunden. Uralter Groll hält Euch entzweit mit Bothwell Reicht ihm versöhnt die Hand. Dies ist mein erst Gebot. MURRAY. Ο Königin! Und freudig geb'
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Ich Dir, dies erste Zeichen freudigen Gehorsams. - An mein Herz, Mylord! Vergessen, Begraben ist die alte Zwistigkeit! BOTHWELL. Nicht m i r , bei Gott! Ich liebe oder hasse Aus meines eig'nen Herzens freier Wahl. Verzeihung Königin! Du kannst mit Trug Und Lüge Dich versöhnen, doch von mir Die Lüge fordern - kannst Du nicht. Er geht ab. MURRAY.
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Mylord...
wirft sich in Lady Argyll's Arme. Ο Leonor! Er ist ein M a n n In dieser Schaar von Feiglingen und Schlangen!
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Zweiter Aufzug Erster Auftritt Eine Gallerie, die in den Audienzsaal mündet, von welchem sie durch herabgelassene Vorhänge getrennt ist. Pagen an der Thüre rechts, durch die Thüre links tritt ein: DARNLEY. ES mußte sein! ... Ich hatte keine Wahl; Es mußte sein und - ward ... und dennoch ... O! Mein eig'nes Werk zerstört mit rohen Händen Um einer Regung willen?! ... Wie hab ich Daran gebaut - so rastlos unermüdlich Und nun: Umsonst? ... Nein, Nein! nicht also darf Sich's enden - hören soll - erhören soll Sie mich. Er geht rasch nach der Thüre rechts, Page vertritt ihm den Weg. Platz da! PAGE. Verzeihung, Herr. DARNLEY. Bist Du Verrückt? ... Ich will zur Königin. PAGE. Wir haben Gemessenen Befehl. DARNLEY. Zurück, Du Bube! Das ist wohl auch: "gemessener Befehl!" PAGE. Ich kann nicht anders, Herr ... DARNLEY. Wer ist bei ihr? PAGE. Mylords von Huntly und von Bothwell, Sire. DARNLEY. Und ich würd' abgewiesen? Tropf! Zurück! PAGE. Ich fleh' Dich an! Murray erscheint an der Thür links. DARNLEY. Geh' hin und melde mich! PAGE. DU zwingst mich? - wohl! So stehe dafür ein! Ab. DARNLEY. Bin ich in meinem Haus ein Fremder worden? Gilt mein Befehl nicht mehr in Holyrood? ... OThorheit! Thorheit: Seelenmord! Du bist Die größte Sünde! - Undank, Lüge, Todschlag, Verschwinden neben Dir! ... MURRAY tritt lachend vor. Nun König Darnley? Wie steht's mit Deiner Majestät? Ha! Ha! DARNLEY. Und wie Mylord, mit Euerer Gesinnung? MURRAY. Ich hab' in Deiner Schule mich gebildet. DARNLEY. Ο daß ich in der Deinen mehr gelernt! MURRAY lachend. Ha! Ha! Du hast gewürfelt um das Glück -
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Ich hab's erfaßt in eiserner Umarmung! Du hast's verloren - und ich nenn es mein. Wir wollen theilen, König Darnley - Nicht? Bis eig'nen Reichthum Dir das Schicksal bringt. DARNLEY . Worauf hoffst Du? MURRAY.
Ich hoffe - auf die Hoffnung -
Was Zufall nahm, kann Zufall wieder geben Nur such' hinfort der Zufall selbst zu sein: Ein neuer Einsatz - und ein neues Spiel. DARNLEY. Was hätt' ich einzusetzen? MURRAY.
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Pah! So viel
Wie nichts. Die Thoren nennen's das Gewissen. Komm' näher. Leise. Die Verschwornen müssen sterben. DARNLEY. Ο Ungeheuer!
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MURRAY mit veränderter Stimme. Sie m ü ß t e η sterben, wenn Sie schwatzen wollten, denn um j e d e n Preis Muß man die losen Mäuler ihnen stopfen ... DARNLEY. Das fühlst auch Du? Triumph! - Ich stehe nicht Allein! MURRAY. DU irrst. Sie sterben alle auf Der Folter, eh' mich Einer nur verräth. DARNLEY. Dann will ich reden! will'S verkünden ... MURRAY.
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Was?
Hast Du Beweise? Oder gilt Dein Wort? DARNLEY. Versucher: Nein! Ich will nicht tödten mehr. MURRAY höhnisch. Erkauf ihr Schweigen durch ein and'res Mittel! Spreng ihre Fesseln, - öffne ihren Kerker, Und der Befreiten Dank, verdiene Dir Anstatt der Flüche der Betrogenen. DARNLEY. Wir wollen seh'n! Noch hab' ich zu befehlen. PAGE kommt. Die Königin wird Eure Majestät Erwarten in der Stunde der Audienz. Ab. DARNLEY. V e r w ü n s c h t !
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MURRAY. Ha! Ha! Ha! Eine schöne Stunde Zur trauten Feier, süßen Wiedersehn's! Befiehl' doch Deiner Magd - Dich zu empfangen! ... DARNLEY. Ο Qual! Ο Qual! MURRAY.
H a ! H a ! So sieht
Ein König aus - der König werden wollte ...
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Zweiter Auftritt D I E VORIGEN, M A R
und
HUNTLY MURRAY
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ohne DARNLEY nähernd.
ZU
beachten, sich
MAR. Ihr seid in Gnaden wieder aufgenommen, Von ihrer Majestät, der Königin Ich wünsch Euch Glück, Mylord, und wünsch es uns; Denn uns're Sehnsucht rief Euch längst zurück. HUNTLY. Maria Stuart hat vergeben, Murray Nicht uns geziemt's des Unrechts zu gedenken Das sie vergaß. Nennt mich den Euern - denn Ich bin es nun! MURRAY. Nicht mehr fürwahr, als ich Der Eure bin, Ihr edlen Lords und Freunde! MAR. Die Königin erwartet die Gesandten Von Frankreich und von England, und befiehlt Einstweilen uns, willkommen sie zu heißen. Noch gestern Abends traf Brienne hier ein, Und mit dem heut'gen Morgen Graf von Bedfort: Die Nachricht der Gefahr, in der die Fürstin Geschwebt, erreichte sie auf ihrem Weg Nach Edinburgh, sie eilten rasch hierher, Um mit des Aufstands Führern zu verhandeln. HUNTLY. Und wie gewöhnlich kam der Kopf zu spät, Und fand das Werk schon durch die Hand vollbracht! MURRAY. Sie k o m m e n !
Dritter Auftritt DIE VORIGEN. BRIENNE, BEDFORT.
BRIENNE.
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Sire!
BEDFORT. Mein König! DARNLEY. Befahl die Königin Euch zu empfangen. MAR. Maria Stuart heißt Euch hochwillkommen Verehrte Herrn! - Bevor die Königin, In feierlicher Audienz empfängt, Die Abgesandten Engellands und Frankreichs,
Diesen dort
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Wünscht sie die Grafen Bedfort und Brienne, Im eng'ren Kreis des Hofes zu begrüßen. BRIENNE. Wir harren Ihrer Majestät Befehl. MURRAY mit Bedfort in den Vordergrund tretend. Mylord, was bringt Ihr mir? BEDFORT. Die Grüße meiner Königin. MURRAY. Mit Demuth und mit Stolz empfang' ich sie. BEDFORT. Auf Eure Hülfe hofft Elisabeth. MURRAY. Sie hat auf Erden keinen treuem Diener. BEDFORT. Ihr habt auf Erden keine bess're Stütze. MAR. Die Königin!
Vierter Auftritt D I E VORIGEN, M A R I A , BOTHWELL, H U N T L Y und
ATHOL.
Alle entblößen ihr Haupt, und weichen ehrfiirchtsvoll auf beiden Seiten aus.
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BRIENNE beugt das Knie. Zu Deinen Füßen laß' Mich sinken, hohe Frau! und so dem Herrn, Der über Deine Feinde Dich erhöht, In tiefster Inbrunst danken! Eins nur ist, Das meines Herzens lauten Jubel stört, Nicht werd' ich's Deinem Siege je verzeih'n, Daß ohne mich Du ihn errungen hast. MARIA ihn erhebend. Nicht so! Nicht so! Mein vielerprobter Freund! Mit beiden Händen faß' ich Eure Hand, Und danke Euch, Brienne! Ich weiß es ja, Was mir mein Frankreich schickt, ist wahr und echt! W ä r ' E u c h ' s zu kommen m ö g l i c h nur gewesen, Ihr w ä r ' t gekommen - hülfreich wie die Treue! BEDFORT. Dasselbe denkst Du, Königin, von mir, Sonst müßt ich klagen über schweres Unrecht. Mißkenne D u mich nicht. Zu sehr schon fürcht'ich Den Tadel meiner königlichen Herrin, Für eine Schuld, die nicht die meine ist. MARIA. Auf England's Hülfe hab' ich nicht gerechnet, Und wär' untröstlich, mein verehrter Lord, Wenn ich dem Schutze fremder Mächte dankte, Was ich, Gottlob, aus eig'ner Kraft vermocht:
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In meinem Lande mir mein Recht zu wahren. - Sagt meiner Schwester, Lord, wie sehr ich wünsche Der Eifer ihrer Sorge für mein Wohl Sei größer nicht, als jener für ihr eig'nes, Das dringend fordert einen Diener, wie Mylord von Bedfort ist, sich zu erhalten Um jeden Preis. BEDFORT. Deine Vermittlung, Königin, Wär' meine stolzeste Rechtfertigung. MARIA. Wenn mein Vermitteln sich in fremder Sache Nicht kräft'ger bei Elisabeth erweist, Als meine Bitte in der eigenen, So laßt mich zweifeln ... doch will ich's versuchen Nicht jede Forderung kann zurück sie weisen, Und dieses Mal begehr' ich ja kein Recht. BEDFORT. Ein Recht? Ο Majestät! MARIA. Ich dachte, Lord, An mein Erbfolgerecht in England, dessen Bestätigung mir meine Schwester weigert. BEDFORT. Sie thut es, weil sie stets Dich lieben will, Und Fürsten lieben ihre Erben nicht. Doch nennt sie sich mit Englands Volk vermält, Nicht and're Ehe wird sie jemals schließen, Und wer stünd' nach der Kinderlosen Tod, Dem Throne Englands näher, als die Schwester Und als der Schwester Sohn? - Verlangst Du mehr? MARIA . Ihr fragt in E u r e m N a m e n - hört die Antwort: Ich kann nicht meinen guten, heil'gen Anspruch Behandeln lassen, wie ein Zugeständniß, Das schweigend mir Elisabeth gewährt. Daß ihre Einsicht mir's nicht weigern kann Mög' ihre Großmuth rückhaltlos erklären. Dem T i t e l einer Königin von England Dürft' ich entsagen - meinem Erbrecht nicht Denn auf mein Kind soll sich's dereinst erstrecken, Es ihm zu wahren fordert meine Pflicht. So - antwort' ich dem Freund, der offen mich Gefragt - auch offen und in meiner Sprache. Elisabeths G e s a n d t e n - s e i d getrost, Werd' ich dies Alles - wenn ich's sagen müßte Doch in der Sprache meiner Räthe sagen. Auf Wiederseh' η Mylord!
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Maria Stuart in Schottland Bedfort und Brienne verneigen sich. Im Abgehen: BEDFORT leise zu Murray. Sie schärft den Pfeil Der sie durchbohren wird. MURRAY. Sie schärfe ihn. Für sich. Den Bogen, der ihn sendet, spanne i c h ! - Bedfort und Brienne MARIA. Mein Bruder Murray, Ihr empfingt heut' Morgens Die Abgeordneten von Liddesdale, Sie melden Unruh'n an den dort'gen Grenzen? MURRAY. SO ist es Königin, und rasche Hülfe Erfordert die stets wachsende Gefahr. Seit Jahren sind die Marken ohne Hüter; Der Grenzbewohner zügellose Horden, Gewöhnt an eine, über ihren Häuptern Erhob'ne, kräftige Hand, verheeren wild Die weite Gegend, rings Verwüstung tragend Und Mord. DARNLEY. Man muß den Hunden Peitschen senden, Und sogleich schreiten zur Ernennung der Markgrafen - allzu lang ward sie versäumt! MARIA. Was nicht geschah, ward darum nicht versäumt. Ich habe die Markgrafen nicht ernannt, Weil aus dem Adel ich sie wählen müßte, Der jede Macht, die ich ihm anvertraue Voll Undanks braucht als Waffe gegen mich. MURRAY. Blick um Dich her! Sind unter diesen Allen Nicht Männer, deren Treue Du erprobt? MARIA. Soll ich sie d'rum entfernen, weil sie treu? Wer bleibt bei mir, wenn meine Freunde scheiden? Die Treue Lord will ich, in meinem Rath. MURRAY. SO wag ich's einen Vorschlag denn zu thun Der diesen Zwiespalt einzig lösen kann. - Erwähle unter Deinen guten Dienern Den besten, Majestät! Und lege Du Vereint in seine Hände die Gewalt, In welcher sonst die Markgrafen sich theilten. Des Einen bist Du sicher - eng geknüpft, An Deine Sache, hält ihn Dankbarkeit, Und seines Amtes einflußreiche Würde, Sie ehret ihn - sie bindet ihn zugleich, Denn nimmer wird sich an Parteien schließen Der höher steht als jegliche Partei. HUNTLY. Das heißt das Fieber durch die Schwindsucht heilen!
ab.
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MAR. Glaubt Ihr, Mylord, der Adel würde dulden, Daß man aus seinen Reihen einen Mann, Also erhebe über alle Andern? Wollt Ihr sein bestes, schönstes Recht ihm rauben, Sich keinem, als dem König nur, zu beugen?
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MARIA. Ihr seid so eifrig, Lords in Eurer Sorge, Der Antwort Mühe mich zu überheben, Daß meine Meinung Ihr vergaßt zu hören. Mylord von Mar! Ihr sprecht von Adelsrechten? Wer hat dem Adel Rechte denn ertheilt? -
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Die Kön'ge thaten's! Das Verdienst zu lohnen, Das Eure Ahnen sich um sie erworben. Bemerkt dies wohl! Und nehmt es sehr in Acht: Ihr gründet Euer Recht auf das Verdienst. Ist dies erloschen, ist's der Lohn doch auch?
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Wenn jener wack'ren Ahnen schlechte Söhne Entsagt der strengen Tugend ihrer Väter, Wenn sie den König, das Gesetz verachten Und zu Verräthern werden an dem Herrn, Soll dieser Ih η e η noch die R e c h t e wahren, Die des Verdienst's schon lange sich entschlugen? DARNLEY. Trotz dem, Mylady, taugt der Vorschlag nichts. Kein Unterthan soll je so mächtig werden, Als dieser Markgraf würde, wenn ... MARIA. Mich dünkt, Wenn nur die Macht in rechten Händen liegt, Wird sie zum Unrecht nie gemißbraucht werden. - Um Eins vor Allem handelt sich's, den Mann Zu finden, der's verdient also erhöht Zu werden ... Sire! Ich habe ihn gefunden Und zög're nicht sein unerhört Verdienst Mit unerhörtem Lohne auch zu krönen! ... Mylord von Bothwell! ... MURRAY bei Seite. Bothwell! - Ha! Nicht so -
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Nicht so Mylady! ... Laut. O! welch ein Triumph Für mich, dessen Gedanke durch ein Wort Von Dir, zur segensreichen That erblüht! Welch ein Triumph für Jenen, den Du wählst Zu Deinem ersten, höchstgestellten Diener -
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Das Eure Ahnen (Η1, E') ] Daß Eure Ahnen (H2) Schreibfehler
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Ob diese Wahl, von hier ihn auch verbannt, Ihn treibt aus Deiner königlichen Nähe, Von diesem Hof, in Schlacht und in Gefahr, Er wird begeistert zu dem Heere eilen ... MARIA verwirrt, leise. In Schlacht und in Gefahr ... Laut. Zum Heer? - Ihr sagt: Zum Heere müßt er eilen? ... DARNLEY. Und sogleich! Noch in der Stunde, welche ihn ernannt MARIA. Er ist es nicht - und kann's so rasch nicht werden ... Wir wollen Uns'ren Staatsrath d'rüber hören, Nicht übereilen die gewicht'ge Frage. MURRAY bei Seite. Ο ich verstehe! MARIA. Haben meine Lords Nichts mehr zu melden, nichts zu fordern mehr? DARNLEY. Willst Du mich hören? MARIA. Was gebietet mein Gemal? DARNLEY. Für Ueberwundene, bitt' ich Um Gnade. MARIA. Eure Freunde? DARNLEY. Nein, Mylady! Für die Rebellen - welche Du besiegt ... MARIA höhnisch. Ο welche schöne Milde, Majestät! DARNLEY. Verbann' die Lords, wenn's Deine Rache fordert, Doch halte sie nicht länger mehr gefangen. MARIA. Ihr Schicksal, Sire, wird das Gericht entscheiden Nicht strenger will ich und nicht milder sein Als das Gesetz. DARNLEY. Stehst Du nicht über ihm? Kannst Du begnad'gen nicht, wo es verurtheilt? MARIA. Wo es verurtheilt hat, allein nicht vor, Darf seinem Spruch ich greifen. DARNLEY. Ich bitte Euch Mylady, wohl zu überlegen, daß Die Schuldigen, die Häupter mächtiger Parteien, hochgeehrt und einflußreich Im ganzen Land. Ihr könnt sie nicht bestrafen, Als wären sie gemeine Missethäter. MARIA. Ein jeder Missethäter ist gemein! Und gleiches Unrecht fordert gleiche Sühne. Noch mehr: Je härter straft' ich, wär' ich das Gesetz, je höher steht, wer Strafe hat
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Verdient! ... Und so erbarmungslos fürwahr, So unerbittlich und unbeugsam streng, Sollt' kein Verbrechen mir geahndet werden, Als das der Könige! D A R N L E Y sich abwendend. O ! ... Mäßigung Bedenk'... MARIA. Ich bitte Sire, nichts mehr, nichts mehr! Erschöpft ist bis zur Neige mein Erbarmen. BOTHWELL rasch vortretend. Ο nein: So wenig stets erneuter Reichthum Je seinen letzten Heller geben kann, Das ew'ge Meer je seinen letzten Tropfen So wenig kann, Du milde Königin! Dein grenzenlos Erbarmen sich erschöpfen. Ich ruf zu ihm, und weiß, es wird mich hören Ich ruf zu ihm: Gib' die Gefang'nen frei! MARIA. Ist's möglich Lord? Ihr fleht für Eure Feinde? Soll ich die Hand entfesseln, die gen Euch Sich hebt, sobald ein Schwert sie fassen kann? BOTHWELL. Ich fürcht' auf Erden nichts als Deinen Nachtheil, Ich wünsche nichts als Deinen Ruhm. O! strafe, Die sich vermaßen ihn zu mindern, durch Ein Beispiel solcher Größe, wie die Zeiten Noch kein's erlebt. Zeig' Deinem Volke, daß Dein königliches Herz nach einem Maß Empfindet, das zu messen ihre Seelen Zu klein! Zeig' ein Erbarmen, das sie sonst Gewohnt zu suchen nur bei Gott allein! Anbetung wirst Du säen in den Herzen Die sich bisher mißtrauisch Dir verschlossen, Stolz wird Dein Volk die andern Völker fragen: "Wer hat eines Beherrscher's sich zu rühmen, Maria Stuart, uns'rer Kön'gin, gleich?" Das eitle England muß beschämt erwiedern: "Nicht wir!" - Nicht solcher Großmuth Fülle, hat Elisabeth, die Kalte, je geübt! Ο glaube mir! v e r g l e i c h e n werden sie, Die zittern unter ihrer strengen Herrschaft, Und mit des Wunsches ungestümster Glut, Entgegen sich dem Augenblicke sehnen, Empfindet, das (E1) ] Empfindet, daß (H2) Schreibfehler Erbarmen, das (E1) ] Erbarmen, daß (H2) Schreibfehler
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Maria Stuart in Schottland Wo Deine weiche, warme Hand, den Scepter Erfaßt, der ihrer starren Hand entfiel ... MARIA. Genug Mylord! Ich darf nicht weiter hören, Denn Euer Eifer reißt Euch hin - Für sich. Und mich. BOTHWELL. Wenn Dir mein treugemeinter Rath mißfallen ... MARIA. Wir haben oft mehr Ursache, Mylord, Ein Wort, das uns z u s e h r gefiel, zu fürchten, Als eines, das zu wenig uns gefallen. Doch muß ich rügen, w i e Ihr spracht Mylord, Ich rüge was Ihr sprächet nicht, Ο nein! So lang' ich athme, wär's zum ersten Mal Daß ein bewunderungswürdiger, ein großer Gedanke, vor mir ausgesprochen, nicht In meiner Seele einen Widerhall, Ein edles Beispiel, nicht in meinem Herzen Den heißen Wunsch erweckt ihm nachzuahmen. Könnt I h r vergeben - wohl. - Ich kann es auch! Mylord von Athol! Douglas war Euch einst Ein Freund - erst als er von der Treue ließ, Ließt Ihr von ihm! Ihr habt ihn mir geopfert, Ich danke Euch's in dieser Stunde, und Mit diesem Worte: Gehet hin, Mylord Und meldet Eurem Douglas und den Seinen, Ihre Begnad'gung an. ATHOL. Ο Königin! Mein Dank ist stumm, wenn's diese Thräne ist. Athol ab. D A R N L E Y leise zu Maria. Darfst einem Diener Du gewähren, was Du eben trotzig mir verweigert hast? MARIA. Habt Ihr mich denn gerettet, König Darnley? MAR. Laß uns're tiefste Ehrfurcht Dir gefallen, Nur große Seelen handeln so wie Du. M U R R A Y . Z U Deinen Sklaven machte uns Bewundrung Wenn wir nicht schon durch uns're Pflicht es wären.
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Douglas, Ruthven und Kerr werfen sich Maria zu Füßen. MARIA sich abwendend. O ! DOUGLAS. Zweifach Ueberwund'ne knie'n vor Dir! MARIA ohne sie anzusehen, auf Bothwell deutend: Dankt diesem! - diesem dankt, nicht mir. - Weiht Ihm Das Leben, daß er Euch gerettet ... DOUGLAS. Schwören Dir schwören wollen wir ... MARIA. Ο keine Worte Die Thaten sollen reden! - Geht - geht Alle Zu Bothwell rauh. Auch Ihr My lord Milder. Doch Euch - erwart' ich wieder! Leise zu ihm. Mein Botschafter in London, sendet mir Durch seinen Sekretär Berichte, über Die mir zu Gunsten in dem Parlament Erhob'ne Motion. Hört ihn, und kommt Mir melden, was er bringt. Lebt wohl, Mylords. Alle ab außer Maria und Darnley. MARIA nach einer Pause. Ihr habt mit mir zu sprechen, König Darnley? DARNLEY. Ich hab' mit Euch zu rechten, Königin, Die mir ein zweites Unrecht zugefügt Noch eh dem ersten sie genug gethan! Ihr habt mich biosgestellt vor Euren Dienern. MARIA. Das hast Du selbst gethan, indem Du heut Für Jene flehst, die gestern Du verriethst. DARNLEY. Ich that'S für Dich. MARIA. Um Gotteswillen - Nein Nicht alle Kronen dieser Erde, dürften Durch solche Schandthat mir errungen werden! DARNLEY. So mußt' ich Deinen Untergang vollenden? MARIA. Wenn Du ihn schon beschlossen: Ja! denn selbst Am Bösen, männlich fest zu halten, stolz Und kühn, selbst schlechter Sache dienen, ist Ruhmvoller, als unschlüß'ges Schwanken, zwischen Dem Recht und Unrecht. O! nur nicht den schnöden, Feigen Verrath des Mannes an sich selbst An seinem W o r t , an diesem heil'gen Pfand Und Siegel seiner Ehre!
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W e r hat sie
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Verleitet zum Venrath? DARNLEY. Nicht ich! MARIA. Ο Heuchler! Ein jedes Wort von Dir zeugt eine Lüge! So schmachvoll ist und unmännlich Dein Thun, Daß scheuer Ekel beim Gedanken d'ran Das Herz mir wendet in verletzter Brust... DARNLEY. Hochmüthig, ungerechtes Weib! - Ist dies Mein Lohn? Soll ich bereu'n, daß ich der schon Verlor'nen, rettend meine Hand geboten? MARIA. Bereu' es, wenn Du Lohn dafür erwartet! DARNLEY. Wärst Du gerecht, Du müßtest ihn gewähren. MARIA. Der Undankbare ford're keinen Dank! Ich hab' von Dir nie anderen erfahren Für alles, was ich gab, als nur den Vorwurf, Daß ich zu karg gewesen - dennoch grollt' Ich deßhalb nicht, denn Ehrgeiz trug die Schuld, Und Ehrgeiz lieb' ich, - diesen stolzen Quell, Von allen großen, ruhmwürdigen Thaten! Doch Eines war, das ich Dir g a n z gegeben, M e i n H e r z hast Du besessen ungetheilt! Da herrschtest Du als unumschränkter Herr, Da hab ich nicht gewogen und gezählt Da fühlt' ich, Alles gebend, nur den Schmerz, Daß ich nicht mehr als alles geben konnte! Und dennoch Mann! Hast Du auch hier gelohnt Durch grenzenlosen Undank, meine Großmuth, Die grenzenlose! ... Niemals hat Dein Herz An mich verschenkt ein anderes Gefühl Die Armuth hat nicht mehr ... Ο Wahnsinn war's Wenn ich dem - Bettler zürnte, daß er nicht Gleich einem Fürsten, fürstlich hat gegeben! DARNLEY. Jedwedes Herz verarmte, gegenüber Der Unersättlichkeit des Deinigen! MARIA. Das ist die Sprache aller kalten Seelen! Die wahre Armuth faßt den Reichthum nicht,
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Thun, / Daß scheuer Ekel (Η1, E') ] Thun, / Das scheuer Eckel (H 2 )
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Und schmäht in ihren Lumpen, auf den Purpur. - Ο laß mich! - Laß! - der ungeheure Schmerz Verkehrt in Gift das Blut in meinen Adern, Wenn ich bedenke, wie Du mich gekränkt! Nicht bloß die Königin - das Weib in mir Hast Du beschimpft - hast meine Frauenehre Befleckt mit rohem, schändlichen Verdacht ... DARNLEY. Die den Verdacht erweckte, trägt die Schuld. MARIA. Der Niedrige, der Niedriges geglaubt Der trägt die Schuld! - Noch einmal: Laß mich! Ich kann nicht fürder Deine Stimme hören, Verhaßt ist mir und widerlich Dein Anblick, Ich hasse Dich! Ich hasse mich - daß ich Dich je geliebt! - Ein jedes Wort, das Dir Von Neigung sprach, und jede Regung, Die Dir entgegenflog, und jed Gefühl, Das zärtlich an Dir hing - verabscheu' ich Als eklen, dunklen, untilgbaren Flecken An meiner reinen, makellosen Ehre! DARNLEY. Ο Rasende! Du sollst vor mir noch zittern! MARIA. Ich fürchte nichts von Dir - als Deinen Anblick. DARNLEY. Wohlan! Ich werde Dich davon befrei'n! MARIA. Erbärmlicher! Du hast nicht Muth zu sterben. DARNLEY. Doch kann ich weichen - diesem Land entflieh'n, In dem nicht Raum mehr für uns Beide ist, Ich will hinaus sie tragen in die Welt Die Kunde meines Unglücks - Deiner Schmach Denn Schmach fürwahr, trifft richtend eine Frau Die ihren Gatten zwang, in fremder Feme Zu suchen eine Heimat... MARIA. Nein! das darf Nicht sein! DARNLEY. Hat dieser Pfeil getroffen? Ich will ihn wenden in der blut'gen Wunde! Doch w i r d es sein! - Sei groß als Königin, Als Weib sei Du verachtet! Daß Du mich triebst von meinem Haus und Herd, Will ich der Welt, der staunenden verkünden, Durch meinen Gram soll sie's bestätigt finden, In alle Länder will ich aus es streu'n, Hinaus in alle Winde will ich's schrei'n, Auf Deiner Feinde Zungen will ich's legen,
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In Fluch verwandeln Deines Sohnes Segen, Wenn seine Lippen nach dem Vater fragen Und diese Stimmen ihm die Antwort sagen! Er eilt hinaus. MARIA. Was hab ich Dir gethan? barmherziger, Für mich allein: erbarmungsloser Gott!! Sie sinkt weinend auf einen Stuhl.
Sechster Auftritt D I E VORIGE. BOTHWELL.
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BOTHWELL. DU hast befohlen meine Königin Ich komme ... Wie? In Thränen? ... Tod und Hölle! Wer trägt an diesen Thränen Schuld? Er soll's Bereu'n! Du weinst! Ο sprich: Warum?! MARIA. Du Thor Warum es weine frägst Du Darnley's Weib? BOTHWELL. Fluch ihm, dem schlechten, undankbaren Mann! Ο daß nur einmal mich das Schicksal stellte Ihm gegenüber im ersehnten Kampf! ... MARIA. Im ehrlich ritterlichen Kampfe, ficht Ein Darnley nicht! Er tödtet durch den Blick Wie Basilisken - und durch Gift - wie Schlangen Durch seine Nähe, langsam wie die Krankheit, Ο welch ein Schicksal, welch ein Rathschluß Gottes Gab mir zum Gatten Schottlands schlecht'sten Mann?! BOTHWELL. Ich steh' vor Dir - in Anbetung versunken Und von des Mitleids Fülle doch durchströmt! Die zwei verschiedensten Empfindungen Der Menschenbrust, sie einen sich für Dich In diesem stürmisch übervollem Herzen - Ο glühend Mitleid! Demüth'ger als Ehrfurcht, Du Inbegriff von aller Zärtlichkeit. Daß doch der Herr als er uns hieß Ihn lieben Nicht Dein Empfinden mit ergießen konnte, In uns'rer Andacht flammendes Gefühl! Dies eine fehlt in uns'rer Gottesliebe, Was mich vor Dir jetzt niederwirft Maria! Er kniet. MARIA sich langsam erhebend, legt die Hand auf seine Stirne. Ja, Du bist wahr und warm, und wirst mich nie Verrathen, hab' ich Dir doch nichts gegeben,
7. Text
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Bin ich für Dich - doch nur: die Königin! Ihn hab' ich überschüttet reich mit Liebe Als wie der Lenz die Erde überschüttet Mit seinem Blüthenmeer! ... BOTHWELL. Was gab'st Du Dich Dem Unwürd'gen dahin! statt Würdigen Zu wählen? Du! Ο Du so heiß geliebt! So werth geliebt zu sein ... MARIA.
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BOTHWELL.
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U n d w a r es nie!
Beklage mich! - zu sterben ungeliebt Bin ich verdammt, und hab's zu spät erkannt, Und suchte irrend, was mir Gott versagt, In Menschenherzen, die er selbst verschließt, Ruf ich zu ihnen: Nehmt mich liebend auf! BOTHWELL. DU bist geliebt! Du bist's mit solcher Inbrunst, Daß aller Haß, der je die Welt durchglühte Sich heben müßt wie ein leichter Flaum Würf ich sie in die Wagschal' gegen ihn! So gränzenlos, daß Erd' und Himmel mir Zu eng erscheinen so viel Lieb' zu fassen Doch sie zu fühlen groß genug mein Herz! MARIA. My lord von Bothwell, mäßigt dieses Feuer Das mich verletzt. Ich sucht' in Euch - den Freund Laßt mich nicht wen'ger finden und nicht mehr! BOTHWELL. Das war Dein Auge nicht! Nicht Deine Stimme! Ο zwinge nicht den himmlisch klaren Blick, Nicht diese Lippen, deren leises Beben, Entzücken flammend gießt durch meine Adern, Zu einer Strenge, die Dein Herz nicht kennt. MARIA. Ihr seid sehr kühn My lord! Der K ü h n e nur
Ist Deiner werth! So göttlich groß ist der Gedanke, Dich, Du Wunderbare! zu Erringen, daß der ihn gedacht - auch groß Genug ihn auszuführen ist! MARIA.
Vermessener!
Was wagtest Du zu hoffen? BOTHWELL.
Unnennbares!
Und doch bei Gott! nicht mehr als diese Hand
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Das mich verletzt. ( H \ E 1 ) ] Daß mich verletzt. (H 2 )
Schreibfehler
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Gewähren kann - das Höchste streb' ich an, Und werth des Höchsten ist, der darnach ringt! MARIA. Nicht Höchstes wär's, könnt Jeder es erreichen. BOTHWELL. Ich bin nicht: Jeder - meine Königin! Und setze nun mein Dasein auf ein Wort Und Sprech' es aus, wär's auch mein Untergang: Zu ihren Füßen. Ich liebe Dich! dies Wort ist Hochverrath Und Hochverrath verwirkt das Leben, nimm Das meine hin! Ich liebe Dich - nicht wie Ein Unterthan die Fürstin liebt - ο nein! So wie ein Mann das Weib, das er begehrt; Kraft dieser Liebe, nenn' ich Dich mein eigen Im Angesicht des Himmels. MARIA.
O ! DU f r e v e l s t ! —
Nicht so - verlasse mich - ich will's! BOTHWELL.
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Ich kann
Nicht anders und bei meinem Eid! Ich will Nicht anders können! - Dieser Augenblick Ist Lebensfülle - nach ihm - alles Tod Nicht soll er mir verfliegen, ungenützt! ... Ein Blick, ein Hauch, ein Athemzug beseligt, Gib' etwas mir für mein verscherztes Leben! Ich will es schließen fest in meine Seele Und mit es nehmen in das ew'ge Licht! MARIA. Ο Gott, zu dem mein Herz um Liebe flehte! Was gibst Du sie - da wo sie Sünde ist? Darnley erscheint an der Thür links. DARNLEY leise vor sich hin: Noch einmal sei's versucht ... Bothwell zu Maria's Füßen erblickend: Was seh' ich?! Bothwell! ... Er bleibt regungslos an der Thüre stehen. BOTHWELL. Glückseligkeit, Maria, ist nicht Sünde Ο wag' es ihr in's Angesicht zu schau'n! Sieh' diese Liebe - muthig wie der Löwe Sie schmiegt an Dich sich schüchtern wie die Taube "Nur dulde mich" spricht sie, anbeten nur In Ehrfurcht drücken auf die weiße Hand Der frommen Lippen demüthigen Kuß ... MARIA. Sieh mich nicht an, nicht so, es thut mir weh Beleidigt mich verhaßter - theurer Bothwell! BOTHWELL. Triumph! Dies letzte Wort, und wenn zurück Von mir, Gott selbst es forderte - mit Gott Du Heißgeliebte! würd' ich darum ringen!
I. Text
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Bothwell preßt die gefalteten Hände Maria's an seine Lippen. Darnley zieht die Schnüre des Vorhangs an, und enthüllt diese Gruppe vor dem ganzen, eben in den Audienzsaal eintretenden Hofe. DARNLEY. Den ganzen Hof erbaue dieser Anblick! MARIA
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zusammenschreckend.
Der König! BOTHWELL will aufspringen. Holl und Tod! MARIA leise. Auf Eure Knie! ... Laut - nach einer Pause, mit mühsam errungener Fassung. Wir - scheiden nun ... Ihr aber König Darnley Wollt näher treten - und das Wort bestätigen, Das ich gegeben diesem edlen Lord Den ich ernannt zum Markgrafen von Schottland. Zu Bothwell. Euch ruft die Pflicht zum Heere an den Grenzen An Eure Pflicht Lord Markgraf, Eure Pflicht! -
Dritter Aufzug Dekoration des ersten Aufzugs Erster Auftritt LENNOX, DARNLEY, MURRAY,
DARNLEY. Wer zweifelt noch? LENNOX.
kommen.
Mein Sohn -
SO hört doch! hört! MURRAY. Wir hören. Sprecht. DARNLEY. Des Tags gedenkt, an dem So plötzlich uns ein Markgraf ward ernannt MURRAY. Und - fortgeschickt zum Heere an den Grenzen. DARNLEY. Der Tag Ihr Herrn, verwandelte Marieen. In Schwermut fiel sie, und in finstren Trübsinn Als sich die Kunden jagten, Bothwell rase Gleich einem Tiger in der Schlacht, voran In jedem Kampf, als suche er den Tod. MURRAY. Einsam verschloß sie sich mit ihrem Gram, Und blickte nach dem Mond anstatt mit den Ministern zu verhandeln, und im Staatsrath Das große Wort zu führen. DARNLEY.
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DARNLEY.
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Gestern nun,
Erschien ein Bote aus dem Heereslager Mit einem Briefe für die Königin. Den hatt' sie kaum mit irrem Blick durchflogen, Als heimlich sie Schloß Holyrood verließ ... LENNOX. Allein?!
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DARNLEY. Von Lady Argyll und Andrews Dem Pagen, nur begleitet. MURRAY. Darum also Das Märchen, einer plötzlichen Erkrankung Der Majestät? LENNOX. Und jener Brief enthielt? DARNLEY. Fragt sie, nach ihrer Rückkehr, selbst darum! MURRAY. Der Markgraf, sagt man, ward im letzten Kampf Verwundet LENNOX.
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MURRAY. Gerücht.
Tödtlich?!
Also lautet das
I. Text
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DARNLEY. SO - lügt's! - Nur eine Schmarre trägt der Held, Und Trostesworte brachte ihr sein Brief. MURRAY. Nur eine Schmarre? Eine Schmarre doch! DARNLEY höhnisch. Die Liebe ist besorgt, der Theuerste Verwundet - Ausbrechend. Pflegen ging sie ihn - Unwürd'ge! LENNOX für sich. Unsel'ger Schritt! DARNLEY ZU Lennox. Was sagt Ihr nun? LENNOX. Mein Sohn! Daß sie so Vieles D i r verzeihen mußte, Macht ihren Fehltritt, mir verzeihlicher. DARNLEY. Sie hat mir nichts verziehn. In ihrem Herzen Gährt unvermindert noch der alte Groll. - Daß ich gezögert mich ihm zu entziehn, Die neue Schmach geladen auf mein Haupt, Ist Eure Schuld! Ihr hieltet mich zurück. LENNOX. Und w e r d ' es thun, bei meiner Vatertreue! DARNLEY. Vergeblich nun. Gerüstet ist das Schiff Das mich für ewig trägt von dieser Küste. Halblaut, wie zu sich selbst. Ich bin umringt von Feinden und Verräthern, Mit tiefem Haß, ruht jedes Aug auf mir. Als Bothwell schied, kann er gesorgt wohl haben, Bei seiner Rückkehr hier, mich todt zu finden, Um dann die königliche Witwe ... Nein! Ich schwör's! - Das soll er nicht! ... Nicht sterben - ο Nicht sterben laß mich gnäd'ger Gott! - Sie soll Sich fühlen unlösbar gebunden - soll Nie glücklich sein im ruhigen Besitz Ihres Geliebten. Seinen Blick verleide, Und seinen Kuß vergift' ihr der Gedanke Daß Darnley lebt, und jeder Freudentropfe Den sie genießt, geschöpft muß werden aus Dem Becher: Sünde! Andrews hat während der letzten Worte, spähend hereingesehn, und will zurücktreten, als er Darnley erblickt. Murray, der ihn beobachtet, eilt auf ihn zu, und packt ihn bei'm Arme. MURRAY. Spion! Wer sendet Dich? - Wie kommst Du her? Zieht ihn in den Vordergrund. ANDREWS. Mein Gott My lord ... DARNLEY. Das ist der Schuft der sie Begleitet hat ANDREWS flehend, zu Murray. Laßt mich! MURRAY. Bis Du geredet.
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Maria Stuart in Schottland Wie kommst Du her? ANDREWS. Ich darf's nicht, darf's nicht sagen! ÜARNLEY einen Dolch ziehend. Du wirst es sagen Schuft! ANDREWS fällt auf die Kniee. Β armherz'ger Gott! ... Ihr werdet mich nicht tödten?! ... DARNLEY, dem Lennox in den Arm gefallen. Willst Du reden? Wie kommst Du her? ANDREWS stotternd. Ich komm mit meiner Herrin. DARNLEY. Von Hermitage? Wild lachend. Haha - von Hermitage! Wie geht's dem theuren Grafen? ANDREWS. Herr, wir fanden Lord Markgraf fast gesund, und im Begriff Nach Edinburg zu eilen. DARNLEY voll Unruhe, auf und ab gehend. O, er ist Willkommen! MURRAY ZU Andrews. Sprich! - Sah ihn die Königin? ANDREWS. Einen Moment, im Beisein Lady Argyll's. Geschwätzig. Sie war so eilig - Gott! nicht Zeit um zu Verschnaufen gönnt' sie uns, mir und den Rossen. Das war ein Ritt, von hier nach Hermitage Und wieder heim, in einem Jagen. Ο Mein Pferd ist hin - und das der Königin, Wenn wir's in Wein auch b a d e n , niemals wird Geschmeidig mehr, des edlen Rappen, fein Gebaute Fessel. MURRAY. Seht mir diesen Schwätzer! Erst muß der Dolch an seiner Kehle sitzen Um einer Silbe Laut ihm zu entlocken, Jetzt stürzt in Bächen, seiner Rede Quell. - Hinweg Du Müssiggänger! ANDREWS aufspringend. Darf ich?! DARNLEY. Und sag der Königin die Dich gesandt Zu spähen ob sie Niemand hier erwarte, Ihr Glück zu wünschen zur ersehnten Rückkehr, Der Weg sei frei. LENNOX ZU Andrews. Halt da! noch Eines merke: Die Königin hast Du an uns verrathen, Verräthst Du sie an einen Vierten noch, Wird nur ein Wort von diesem Ritte laut, So hängst Du! - Geh mein Sohn. ANDREWS im Hinauseilen. Gott steh mir bei! Ab.
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DARNLEY. Lebt wohl! Erwartet sie wenn Euch's gelüstet Der Ehrvergeßnen, Ehrfurcht vorzuheucheln. Ich hasse sie, und wag' ihr's zu beweisen. Für sich. Wir schliessen uns'ren Bund Mylord von Bedfort! Rasch ab. LENNOX. Ο Heinrich bleib! ... Umsonst. - Ich eil' ihm nach - Und Ihr Mylord, wenn dieses Hauses Ehre, Der Name Eurer Königin und Schwester Euch theuer sind: So thut was Eure Pflicht, Und mahnt sie ihrer Würde zu gedenken! MURRAY. Was mir die Pflicht gebietet, soll geschehn. Lennox ab. EIN PAGE meldend. Mylords von Ruthven und von Douglas bitten Um Einlaß bei der Königin. MURRAY. Hierher. Page ab.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. RUTHVEN, DOUGLAS.
ihnen entgegen. Die Königin, seit gestern nicht ganz wohl, Ersucht Euch Lords, durch mich zu ihr zu reden. DOUGLAS. Was uns hierher geführt, wißt Ihr Murray, Noch eh wir's ausgesprochen. Mag es kühn Erscheinen, daß die kaum Begnadigten, Sich zu erheben wagen gegen einen Beschluß der Königin - sie müssen es, Der Augenblick gebietet's RUTHVEN. Und der Herr! ... - Es sind kathol'sche Bischöfe ernannt, Im Parlament, zu Wählern der Artikel, Und ihres Glaubens heuchelnde Genossen, Umlagern diese Führer. DOUGLAS. Wenn, wie zu Erwarten ist, das Haus in ihrem Sinn Beschlüsse faßt... MURRAY. So steht es schlecht Mylord, Mit uns'rer Kirche, und mit uns'rer Freiheit. DOUGLAS. Das fühlt Murray, und läßt's geschehn? MURRAY. Glaubt Ihr, Wie Eures, blute nicht mein Herz? - Ich hab' Zur Königin gefleht, wie Ihr jetzt kommt MURRAY
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Zu ihr zu fleh'n! Umsonst. Beschlossen ist's: In neuem Glanz ersteht die alte Kirche. RUTHVEN. Bewahr' uns Gott vor Satan'S Synagoge! MURRAY. In wenig Tagen, wird von Rom gesandt, Der Kardinal Laurea hier erscheinen RUTHVEN. Sagt ihr: Nicht seines Lebens sicher, sei Der Cardinal, so lang ihn Schottland's Erde trägt Ich werde toll! Ein päpstlicher Legat! Bei'm Schlüssel David's! Lieber säh mit Augen Ich das apokalypt'sche Thier, als den Legaten! DOUGLAS. Ο beschwört die Königin Uns zu empfangen! MURRAY. Bitten fruchten nicht. RUTHVEN. Doch fruchten wird der Trotz. MURRAY. Was sinnt Ihr, Ruthven? RUTHVEN. Der gotterfüllte Knox, sprach zur Gemeine: "Es binden Kinder ihren Vater, wenn Er sie im Wahnsinn tödten will. Soll der Gehorsam gegen Fürsten, weiter gehn, Die ihrer Kinder Seelen morden wollen?" MURRAY. Mit Euch beklag' ich RUTHVEN. Ο ich beklage nicht Ich handle! MURRAY, Douglas' und Ruthven's Hände fassend. Könnt' ich handeln doch für Euch! Dereinst war mir's vergönnt Euch zu beweisen Durch lebenvolle That, daß Euer Wohl, Daß Schottlands Grösse, meiner Wünsche Ziel. Ο damals Douglas, blühten schöne Tage Dem stolzen Adel, damals Ruthven, ehrten, Des Staates Lenker, Eure reine Lehre ... DOUGLAS. Stündest Du noch, ein Markstein uns'res Glücks, A m Ruder dieses vielgeprüften Staats! RUTHVEN. Was war, da noch die Kön'gin unvermält, Kann wieder werden, wenn sie Witwe ist. MURRAY. Um Gott Mylord - Was spracht Ihr? Welches Wort? RUTHVEN. Bald dürft' es mehr wohl werden als ein Wort! MURRAY. Kommt Freunde, kommt, laßt uns mit ruh'gem Sinn Beraten, wie die äußerste Gefahr Von uns'rer theuren Heimat abzuwenden. Sie gehen ab, die Bühne bleibt einen Augenblick leer, dann:
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I. Text Dritter Auftritt LADY ARGYLL, gleich
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darauf
MARIA.
LADY ARGYLL, vorsichtig hereintretend. Hieher Mylady, tretet ein, Ihr seid In Sicherheit. MARIA. Bin ich's in Holyrood? LADY ARGYLL. Dem Himmel Dank, daß wir es unbemerkt Betreten, unbelauscht. Gelobt sei Gott Der Euch beschützt! MARIA. Gelobt sei Gott, der Ihn Erhielt! LADY ARGYLL. Daß Bothwell Euch so theuer ist, Sollt' Euer Stolz, Euch hindern zu gestehn. MARIA. Geschmolzen ist die Eisesrinde: Stolz, Vom Herzen das um Ihn gebebt. Nichts mehr von Stolz dem Liebsten gegenüber! Hab ich an ihm nicht alles gut zu thun, Den ich gejagt in Schlachten und Gefahren? Er kehrt als Sieger, glorreich kehrt er wieder, Und soll als Sieger mir empfangen werden, Von allem Volk, von meinem ganzen Land! Mein einz'ger Stolz, sei künftig, Seine Grösse! LADY ARGYLL. Ihr schwärmt Mylady, hingerissen ganz Von Eurer sünd'gen Liebe. MARIA. Sündig? Ο Das ist sie nicht, und soll es niemals sein! Wie ich das Gute liebe, lieb' ich ihn Den besten Mann! Und geb mich ihm zu eigen, Mit meiner ganzen, ihm geweihten S e e l e ! - Nicht meine Hand, nicht meines Kleides Saum Soll er berühren, und mein Herr doch sein! Ist das auch Sünde liebe Leonor? MURRAY tritt ein. Ich höre freudig daß die Königin sich erholt. MARIA. Habt Dank mein Bruder Murray, mir ist wohl. MURRAY. Gott gibt die Kraft im Augenblick Dir wieder Wo ihrer Du am dringendsten bedarfst. Ich komm' um Deine Strenge anzurufen MARIA. Ο nichts von Strenge! Milde fordert heut Von Eurer Königin. Sie fühlt sich stark Um Tausende mit Glück zu überschütten, Allein zu schwach um Einem weh zu thun!
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- Wir haben gute Nachricht aus dem Lager Der edle Markgraf hat als Held gesiegt, Als weiser Staatsmann, seinen Sieg benützt. In wenig Stunden trifft er selbst hier ein, Was seine Boten melden, zu bestätigen. Nun walte Frieden, wo der Krieg gewüthet, Nun freue seiner Wohltat sich mein Land! Sie werd' ihm unverkürzt, erquickungsvoll, Es sollen späte Enkel noch gedenken Des Tags an dem ich siegte, zu beglücken. MURRAY. Ein schöner Vorsatz, und ein frommer Wunsch! - Allein indeß Du einige Provinzen So hochbegnadigst, droht Empörung in Der Hauptstadt. MARIA.
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Wie?!
MURRAY. Die schlimme Nachricht, daß Ein päbstlicher Legat... MARIA. Ich dacht es wohl. Ganz recht Er soll verzögern seine Ankunft, soll Nicht kommen. MURRAY. Mehr hab ich zu melden. Dein Gesandter an dem Hof von London, schreibt Daß täglich dort, Dein Anhang sich vergrößert. Nicht mehr allein die Katholiken, auch Die Gegner des allmächtigen Cecil Erklären sich für Dich. Elisabeth's Besorgniß steigt, man hört daß sie beschloß Mit Heeresmacht in Schottland einzufallen, Und sagt MARIA. Man hört - man sagt - berichtet so Ein Staatsmann?! MURRAY. Hab ich doch Beweise! Laßt.
Ihr sollt nicht ewig diese Feindschaft nähren. Ich will vergessen, was Elisabeth Mir angethan, will mich versöhnen Murray, Mit meiner Schwester. MURRAY. D U ? um Gott! Was ist Geschehn, das Dich so umgewandelt? M A R I A verwirrt. - Murray M U R R A Y . D U bist so mild gestimmt, daß ich besorge, Des Königs Plan, von Schottland zu entfliehn,
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Erfährst Du nur, ihn huldvoll gut zu heißen. MARIA. Mit meinen Bitten werd' ich ihn bekämpfen, Auf meine Bitten wird mein Gatte hören. Zu Lennox, der während der letzten Worte eingetreten. Mein Vater! Eure Hülfe ruf ich an: Euch steht der Weg zu Darnley's Herzen offen Ο führt mir das verlorne, wieder zu, Erweckt mir neu, sein wankendes Vertrauen! LENNOX. Fürwahr ich bin erstaunt MARIA. Ich weiß Mylord, Vergeben mußt' ich Vieles - Vieles tilgen Aus dem Gedächtniß unbarmherzig treu, Bevor ich selber, ich zuerst vermocht Die Hand zu bieten, redlich zur Versöhnung. Es ist geschehen. L E N N O X zweifelnd. Aus ganzem Herzen? MARIA.
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Ja!
Ich wünsche meinen Gatten hier zu sprechen; Bestimmt ihn Vater - freundlich mich zu hören, Daß Frieden werde, zwischen ihm und mir. LENNOX. Ich gehe. Ο vermöchtest Du den Geist Der in Dir waltet, milde und versöhnlich, In seiner kranken Seele, auch zu wecken! - Geht ab. Zinken und Hörner. Von der Straße herauf, der vielstimmige oft wiederholte Ruf: Hoch Bothwell! M A R I A aufjubelnd. Er ist'S! L A D Y A R G Y L L leise zu ihr. Bezwingt Euch theure Lady! Fassung. M U R R A Y der ans Fenster getreten. Da kommt der Mann des Tag's! - Fürwahr, ein schöner, Ein königlicher Zug! - Für sich. Ο jauchze nur Und juble ihm entgegen, blödes Volk! Bald sollst Du keuchen unter seinem Joch Wie unter ihm sein dampfend Roß jetzt keucht. Zu Maria. Ein edles Thier das Mylord Markgraf reitet. Ha! wie sich's bäumt und schnaubt, und wie sein Schweiß Zur Erde niederregnet, mit dem Blut Der wundgespornten Flanken! - Seht mir doch Den Berber an! Maria nähert sich. Zu spät - er ist herein. MARIA. Er ist herein ...
MURRAY. Den - Berber meinte ich. Sie beobachtend, für sich. Sie zittert, bebt, erröthet und erbleicht -
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294 Die Königin hast Du erobert Bothwell. Nun fehlt bei Gott, nur mehr - das Königreich! HUNTLY eintretend. Mylord von Bothwell, Majestät. MARIA.
Er komme.
Vierter Auftritt DIE VORIGEN, M A R , DOUGLAS, RUTHVEN, K E R R , OFFIZIERE,
dann
BOTHWELL, vor dem Alle ausweichen, und der rasch auf die Königin zugeht.
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BOTHWELL. Gott segne meine Königin! Ich bringe Die Huldigung der mir vertrauten Marken. MARIA leise. Und Trost und Freude an den düstern Hof. Laut. Wir heissen Euch willkommen, Mylord Markgraf. Ihr bringt des Friedens goldenes Geschenk. Was unser Herz am innigsten ersehnt Der Frieden ist's! Der heil'ge Frieden Aller Mit Allen. Heute ward ein großer Schritt Zu diesem edlen Ziel gethan, laßt uns Auf halbem Weg nicht stehen bleiben. Wo Noch Zwiespalt herrscht, da wollen wir ihn lösen, Und wo ein Herz noch grollt, es uns versöhnen! STIMME draußen. Der König! RUTHVEN der sich Bothwell genähert, leise zu diesem. Ha! Das ging auf ihn. Habt Ihr Verstanden? BOTHWELL mit dem Fusse stampfend. Träum' ich denn? MARIA. Der König naht Folgt mir My lords - Mit einem Blick auf Bothwell. Folgt Alle, ihm entgegen. Sie geht dem Ausgange zu, von Allen begleitet, Bothwell und Ruthven ausgenommen. RUTHVEN ZU Bothwell. Gehorcht Ihr nicht? BOTHWELL. Ich nicht, bei meinem Eid! Darnley und Lennox treten ein. MARIA. Ich ließ Euch bitten Sire, nehmt warmen Dank, Daß meiner Bitte Ihr Gehör geschenkt. DARNLEY um sich blickend. Bedarf was Ihr zu sagen habt, der Zeugen? MARIA. Die Lords erwarteten um sich zurück Zu ziehn, daß Eure Hoheit sie entlasse.
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I. Text
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DARNLEY. Wahrhaftig? Ο verzeiht! Ich ward so lang Der Höflichkeit, durch diese Herrn entwöhnt, Daß ich von ihnen, sie nicht mehr vermuthet. MARIA. Zurückgekehrt von Liddesdale, begrüßt Mylord von Bothwell, Eure Majestät.
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DARNLEY. Daß er es thut, vernehm' ich, doch Ich seh es nicht. MARIA. Des Sieges Botschaft ist... DARNLEY. Erlaubt! Zu grüssen, hat der Lord im Feld verlernt, Doch hoffen wir, daß er noch reden kann. Gebt uns Bericht und Rechenschaft, Herr Markgraf. MARIA ZU
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Bothwell.
Ich bitt' Euch - sprecht! BOTHWELL. Zu ihm? - Kein Wort. - So wahr Ich lebe: Nein! ALLE. Mylord! MARIA. Das ist zu viel! BOTHWELL. Ich - Ihm Bericht erstatten? Rechenschaft? Ο Holl und Teufel! ich - ich klag' ihn an! LENNOX. Genug! MURRAY. Ihr seid von Sinnen! MARIA. Kommt zu Euch. BOTHWELL. Des Hochverrath's verklag' ich ihn vor Dir! DARNLEY. Verwegener! LENNOX. Die schändliche Verläumdung! BOTHWELL ZU Maria. Im Einverständniß durch den Lord von Bedfort Steht er mit Deiner schlimmsten Feindin, mit Elisabeth ... LENNOX. Beweise! RUTHVEN. Hört ihn ... Ruhe! BOTHWELL. Sie fordert er zur Rache gegen Dich, Vor ihr will er erscheinen, Dein Verkläger, An seiner Hand, den Sohn den er entführt In dieser Nacht, wenn ich es nicht verhind're. ALLE LORDS. D e n P r i n z e n !
MARIA. Meinen Sohn?! RUTHVEN mit zum Himmel erhob'nen Händen. LENNOX. Beweise, sag' ich -
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Liddesdale (Η1, E1) ] Liddesdall (H2) Schreibfehler
Du richtest ihn!
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BOTHWELL reicht der Königin einen Brief. Hier. MARIA den Brief entfaltend. Allmächtiger Gott Die Züge meiner Schwester! BOTHWELL ZU Darnley. Eure Boten Stehn vor Gericht - bei Jedburg fielen sie In meiner Leute Hand. DARNLEY. Verwünscht! LENNOX. - Entsetzlich! BOTHWELL. Bethörte Königin! indessen Du Ihm zur Versöhnung Deine Hand gereicht, Verräth er Dich an England, schürt die Glut, Zu neuem Streite, mit dem alten Gegner, Entführt Dir Deinen Sohn MARIA wie aus einer Erstarrung erwachend. Zu ihm! mein Sohn Ist in Gefahr! BOTHWELL sie zurückhaltend. Er ist gerettet. MARIA halblaut, wie zu sich selbst. Er war gefährdet und ich ahnte nichts Im Taumel meines sündigen Gefühl's Die Welt um mich - das Theuerste vergessend. LENNOX. Gerechtigkeit - wenn Darnley schuldig ist! BOTHWELL. G e r e c h t i g k e i t ! DOUGLAS und RUTHVEN. DIE UEBRIGEN.
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W i r f o r d e r n sie! Wir Alle!
MARIA nach einer Pause, mit zitternder Stimme. Mein werther Lord von Mar! Wogegen sich Das mütterliche Herz bisher gesträubt, Und ich der Sitte dieses Land's zum Trotz Verweigert hab': Mein einzig liebes Kind Noch einem andern Schutz anzuvertrau'n Als jener ist den ich gewähren kann, Ich thu es jetzt, bestelle Euch Mylord Zu meines Sohnes, Eures Prinzen, Hüter. Wacht über dieses arme Kind, das nicht Mehr sicher ist in seinem Vaterhaus. MAR. AUS Deiner Hand empfang' ich es, und heb' Die meine auf zum Schwur: So schütze mich Der Herr! wie ich Dein Kind beschützen will, Vertheidigen, in jeglicher Gefahr, Mein Leib sein Schild, und dieser Arm sein Schwert! Mar geht ab. MARIA sich zu Darnley wendend, ruhig. Ihr habt verreisen wollen, König Darnley, Ich halt Euch nicht zurück. Erfüllt die Sehnsucht,
I. Text
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Die Euch von hinnen treibt, und lasse Euch Ein gnädiges Geschick, mehr Segen finden In fremdem Land, als - diesem Ihr gewährt. LENNOX. Im Innersten bewegt, stimm' ich Dir bei. Er scheide! heute noch - noch jetzt - das Schiff Das er gerüstet, ränkevoll uns täuschend Mit der erlog'nen Absicht, über'm Meer Zu bergen seine Schmach, es trage scheidend Uns einem fremden, fernen Strande zu, - Mich selbst verbannend, folg ich dem Verbannten. MARIA. Ihr wolltet - Lennox - Vater - Nein! Ihr bleibt. DARNLEY. SO wie ich selber. LENNOX. DARNLEY.
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Geändert ist
Mein Sinn. Nicht in die Fremde zieht mich's nicht Nach England mehr. RUTHVEN. Seht doch... DARNLEY. My lord von Huntly! Das Schiff, das reisefertig liegt im Hafen. Es streicht die Segel allsogleich BOTHWELL. DARNLEY.
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Sohn!
Die Frechheit! Gebt
Befehl die Waffen und den Pulvervorrath, Nach meinem Schloß zu bringen. MARIA ZU Huntly welcher zögert. - Geht Mylord. Huntly ab. DARNLEY. Ihr Andern aber lasst uns jetzt allein. RUTHVEN. Ist es denn glaublich? BOTHWELL. Königin - Ihr duldet, Ihr unterstützt den kecken Widerstand? DARNLEY. Verlaßt uns s a g ' ich.
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DOUGLAS. Wie? gebieten hier Die Hochverräther? BOTHWELL. Königin Maria. MARIA. Geduld Mylord. Zu den Uebrigen. Gehorcht dem König. Mit einem unterdrückten Ausruf des Erstaunens, gehn Alle dem Ausgange zu, Lennox zögert. DARNLEY ZU ihm. Ich bitt' Euch - geht. MURRAY ZU Lennox. Kommt theurer Lord. LENNOX.
Warum
Gerade mir solch einen Sohn ο Gott?! Die Schande bleichte heut mein Haar, Wenn es dies heut, nicht schon gebleicht gefunden. Alle ab, ausser:
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Fünfter Auftritt MARIA, DARNLEY, BOTHWELL.
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BOTHWELL. Nicht länger diese grenzenlose Milde, Für einen überwiesenen Verräther! MARIA. Ich bitt' Euch - haltet Maaß. Zu Darnley vorwurfsvoll. Du aber - Darnley Ist's möglich daß du mich zum zweiten Mal Verrietst? DARNLEY. Ich hab's zum zweiten Mal gethan, Und thät' es wieder - heute - morgen - immer! BOTHWELL Stürzt wie rasend auf ihn zu. Mit meinen Zähnen reiß' ich ihn in Stücke! MARIA. Zurück! DARNLEY. Und wag' es nicht mich zu berühren! Mit keiner Silbe, wag' es, mich zu schmähn, Du Schlechterer als ich! Die Königin Willst Du beschützen? D u nennst mich Verräther? - Was bist Du selbst, Verführer und Verräther An ihrem guten Namen! BOTHWELL. Ihren Namen Vertrau getrost nur, meiner Sorge an, Du hast das Recht verloren, ihn zu hüten. DARNLEY. Hast Du's gewonnen? BOTHWELL. Ueben will ich es. DARNLEY. Von ihrem Gatten unbestritten. MARIA. Darnley! DARNLEY. Dem man, wie mir die höchsten Rechte raubte, Der feilscht, bei'm Himmel! um ein Letztes nicht. BOTHWELL. Der Unverschämte!
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MARIA. Ruhig Bothwell, ruhig. Zu Darnley. Ihr selbst verzichtet, Sire, auf Euer Recht! Der es nicht wahren will dem ist's verloren. BOTHWELL. Er spricht! er spricht! und jedes seiner Worte Wird widerlegt durch jede seiner Thaten. Zu Darnley. Wenn rechtlos Ihr an diesem Hof Euch fühlt? Was hält Euch ab, für immer ihn zu meiden? DARNLEY. Ich will Euch's sagen, Beiden, was mich abhält. - Um Euch zu schaden ging ich, denn ich haß Euch. Ihr hindert mich, Euch durch mein Gehn zu schaden, So bleib ich denn. Da Euch's zum Trotz geschieht,
I. Text
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So bleib ich gern - denn wißt. - Ich haß Euch sehr. Auch darum wollt' ich fort, weil ich mich hier Nicht sicher fühlte. Sicher bin ich jetzt. Von diesem Tag, müßt Ihr mich ängstlich schützen, Nur unbequem ist der lebend'ge Damley, Der todte Darnley, könnte furchtbar werden. Sein End' durch Euch verschuldet oder nicht, Macht Euch zu Mördern vor der ganzen Welt MARIA. Was sagt Ihr?! ... Welcher gräßliche Verdacht! DARNLEY. Ihr mußtet klüger handeln, sollt er Euch Nicht treffen. Allzu klar sieht Jeder ein Wie lästig ich, und überflüssig worden, Wenn er vom Ritte hört - nach Hermitage. MARIA. Gerechter Gott! BOTHWELL zwischen den Zähnen. Verdammt, wer das verrieth! DARNLEY. Wenn ich nicht schweige, und ich schweige nur So lang man mir begegnet wie ich's ford're, Ist Euer Ruf befleckt - geschändet Euer Name - Ich bin um Eure Ehre, sehr besorgt. Geht ab.
Sechster Auftritt MARIA, BOTHWELL.
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MARIA. Er weiß! BOTHWELL. Was er nicht weiter sagen wird. Ein todter Mann verrieth noch kein Geheimniß. MARIA schaudernd. Er darf nicht sterben! - Jetzt nicht. Fühlst Du das? Ich hab' mich schwer an ihm versündigt, Bothwell, Ich stellte seine Ehre an den Pranger. BOTHWELL. Die Deine geht zu Grunde wenn er lebt. MARIA. Um sie zu retten, darf kein Mord geschehn. BOTHWELL. E r m u ß g e s c h e h n .
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MARIA . Um aller Heil' gen Willen Beschwör ich Dich ... BOTHWELL. Ei sieh doch - welche Inbrunst! Erwacht die schnöde Leidenschaft von Neu'm, Für diesen Jammermann? Liebst Du ihn noch? MARIA. Das Auge liebt den Dorn an dem's erblindet, Das Herz, die Wunde, die's verbluten macht,
Maria Stuart in Schottland
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Wie ich den Darnley liebe, meinen Quäler! BOTHWELL. Wohlan denn - so vernichte ihn! ... Sprich nur Ein Wort, gib mir nur einen Wink — MARIA.
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Ich-Dir?...
Auf Bothwell zugehend, faßt sie seine beiden Hände, und sieht ihm fest in's Auge. Hast Du es nicht gehört? Er darf nicht sterben. Nicht um die Seligkeit darf er's durch Dich! BOTHWELL finster, in Gedanken. Geschehen m u ß die That - gleichviel durch wen? Die schnellste Hand, die Beste - Wendet sich. MARIA mit einem Schrei. Bothwell! Bothwell! Verschone ihn! - ich hab' ihm angehört, Ich hab sein Kind in meinem Schooß getragen, Genährt an meiner Brust - verschone ihn! Bothwell wendet sich trotzig ab. An meinem Bund mit diesem schlechten Mann Zerschellt' mein Glück als wie am Fels die Woge, Es soll durch ihn nicht auch mein Friede sterben. Sich Bothwell nähernd. Bei jeder Treu und Ehrlichkeit auf Erden Beschwör ich Bothwell Dich gelobe mir Daß Dir sein Leben unantastbar heilig. BOTHWELL.Maria ...Königin! MARIA. Dein Wort begehr' ich! BOTHWELL. SO nimm's - wenn er Dir theurer ist als ich. MARIA. Nicht also Bothwell. BOTHWELL. Ihm noch zugewandt Mit allen Trieben ist Dein Herz. Behalt ihn! Ich tödte Deine Feinde nur. MARIA angstvoll. Erbarmen Erbarmen Freund mit meiner Todesangst Hab' ich Dein Wort - ο sag! - hast Du's gegeben? BOTHWELL. DU hast's genommen - grosse Königin. MARIA. Sieh mich zu Deinen Füssen BOTHWELL mit Erbitterung. Ο fürwahr Das ist zu viel - steh auf und sei getrost MARIA. H a b D a n k !
BOTHWELL leise, die Faust geballt. Zertreten möcht' ich ihn! MARIA abgebrochen. Mein Kopf ist wirr - erschöpft ist meine Kraft Nichts mehr steht fest im zitternden Gewühl
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Das ist zu viel (E1) ] Daß ist zu viel (H2) Schreibfehler
Ο sieh -
I. Text
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Der bangen Zweifel die mein Herz bedrängen, Als das Bewußtsein: Bothwell gab sein Wort! Mit Erschöpfung. Ich hab' Dein Wort ein edles Manneswort. Ein nie gebrochenes - ich gehe ruhig. BOTHWELL. Ich aber bleib' von Eifersucht gequält, Wenn Du mich liebtest, müßtest Du ihn hassen. MARIA. Weil ich Dich liebe, jeder Pflicht zum Trotz, Steh ich ihm gegenüber waffenlos. Ich darf nicht richten, denn ich fehle selbst. BOTHWELL. DU bist nicht schuldig, was verklagst Du Dich? MARIA. Ich bin's im Geiste, wenn nicht in der That Ich bin's durch meinen sündigen Gedanken. - Ο Bothwell sei zufrieden mit der Macht Die unbeschränkt Du über mich gewannst. Ich fühle, daß es Unrecht ihr zu folgen, Ich fühle doch, daß ich ihr folgen muß! BOTHWELL beugt das Knie. Du tödtest und belebst, mit Einem Wort. MARIA. Verzeihung Freund, dem angstgequälten Weibe! Reicht ihm die Hand, die er knieend küßt. Zu meinem Sohne jetzt, der mir noch theurer Seitdem ich seine Rettung Dir verdanke. - Leb wohl. BOTHWELL.
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Leb wohl.
MARIA. Gedenke Deines Schwur's. Sie geht ab. BOTHWELL aufspringend. So gut hätt ich geschworen nicht zu athmen, Als eine Luft mit Darnley. - K ö n i g Darnley? ... Nicht lange mehr, d a s schwör ich und gelob's! Und d i e s e r Schwur soll treu gehalten werden.
Siebenter Auftritt DER VORIGE. RUTHVEN.
RUTHVEN. Ein Wort My lord. BOTHWELL sich rasch umwendend. RUTHVEN.
Was wollt Ihr? Was Ihr wünscht.
BOTHWELL. Ich w ü n s c h e ? RUTHVEN.
Darnley'S T o d .
BOTHWELL.
RUTHVEN. Ο läugnet doch das Unläugbare nicht!
Verwegener -
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Gedanken r e d e n , die ein Angesicht Also verwandeln, wie's das Eure ist. - Ich grüsse Euch, Verbündeter! Genösse! Jehovah's Ruf, erscholl nicht mir allein. BOTHWELL. Nicht Euch allein? versteh ich? Wie - Ihr wolltet ... RUTHVEN. Auch Ihr - Ihr wollt! ... Auf Eurer Stirne, wie In Feuerzügen steht's geschrieben, daß Euch Gott erkor zum blut'gen Rächeramt, So wie er mich erkoren und erwählt. BOTHWELL. Zum Mörder Darnley's? RUTHVEN. Seinem Richter, sagt! BOTHWELL. Ist Gott mit Euch, was braucht Ihr meiner Hülfe? RUTHVEN. Mylord von Bothwell - Ihr mißtraut mir! BOTHWELL. Wer bürgt für Eure Treue? RUTHVEN. Ich! mit Wort Und That, mit Leib und Blut. Ο glaubt an mich! - Wir fallen Beide, oder Darnley stirbt. BOTHWELL nach einer Pause, entschlossen. Leiht mir die Hand. Hier ist die meinige. RUTHVEN. Heil meiner Kirche! Segen über Euch! BOTHWELL. Folgt mir
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RUTHVEN. Zu - Ihm! ... Bereitet sind die Wege. Leise und rasch. In seines Schlosses Kellern aufgespeichert Liegt Pulver das von seinem Schiff ... BOTHWELL fällt ihm in's Wort athemlos. Ich weiß ... RUTHVEN. Die Lunte liegt - ein Funke braucht zu fallen BOTHWELL. Sie glimmt - sie brennt - sie zündet! ... Darnley stirbt. Beide ab.
Achter Auftritt M A R I A und M U R R A Y
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kommen.
MURRAY. Hört meinen Rath, laßt Euch bewegen Schwester. MARIA. Zum Undank gegen Bothwell? Niemals! Nie! MURRAY. Wer spricht von Undank? - Lohnt ihm königlich MARIA. Und dann entlaßt, den reichbezahlten Knecht. MURRAY. Entlassen nicht, entfernen sollt Ihr ihn. MARIA. Er bleibt. MURRAY. Er darf nicht bleiben. MARIA. Darf nicht? Ο
I. Text Wer wagt ein solches Wort? . Der Bruder wagt' S. Wollt Ihr den Namen kennen - nenn' ich ihn? Mit dem man Bothwell schon am Hofe grüßt: - "Der Kön'gin Günstling" lautet er.
MURRAY
MARIA.
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MURRAY.
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Mir vertraut
Das Volk, mich liebt der Adel. MARIA. Weil er Euch Schon einmal sah, bei meinen Feinden stehn. Ο Geht! geht! Eure Sorg' um meinen Ruf, Entspringt aus einem Quell' mit Eurem Ehrgeiz. MURRAY. Daß er nur Eurem Vortheil dienen will, Sollt' meinen Ehrgeiz Euch verzeihlich machen. MARIA. Genug. Ihr sprecht umsonst. MURRAY. Das thut mir Leid, Für - Euch. Ihr richtet Euch zu Grunde. MARIA.
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Murray!
MURRAY. Verhaßt ist König Darnley, und verachtet, Ein And'rer muß an Deiner Seite stehn, Ein Besserer! den Ruhm der Königin, Das Wohl des Reich's mit sich'rer Hand zu wahren. Doch dieser And're, darf nicht Bothwell sein. MARIA. Weil Murray es sein möchte.
Sei
Es denn! MURRAY. Wohlan. Das Unheil das Ihr selbst Herauf beschwört, kann ich von Euch nicht wenden. Doch mit dem Euren eng verbunden, ist Des Landes Schicksal. Schottland soll nicht leiden Durch Eure Schuld. Geschäh es jemals, dann - Dann stehn als Feinde wir uns gegenüber, Im Kriege, wo gemeines Recht nicht gilt, Und jedes Mittel gut - führt es zum Sieg! Er geht ab. MARIA allein. Und jedes Mittel gut - wenn es nur taugt Zur Waffe gegen mich. Ich weiß es, Murray. Und ach! so treulos fühlst nicht Du allein, Auf keinen Freund darf ich in Schottland zählen, Als auf den Einen - Bothwell als auf Dich! Ο gnäd'ger Gott den Einz'gen unter Allen
Das Unheil das Ihr selbst (Η 1 , E 1 ) ] Das Unheil daß Ihr selbst (H 2 )
Schreibfehler
Maria Stuart in Schottland
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Den ich bewährt gefunden, laß nicht sinken! Nimm alles Herr, laß mir an ihn den Glauben. Nicht zu dem frommen friedensvollen Walten Das and'rer Frauen stillbeglückend Loos, Hat mich Dein Wille - Ewiger bestimmt. In meine Hände legtest Du ein Scepter Das wie ein Schwert geformt: als wie ein Schwert Zu schwingen und zu brauchen. Steter Kampf Heißt meines Lebens ernste Losung - Kampf Um jedes Recht, um jedes Eigenthum, Das heil'gste selbst, und unantastbare! Ein rauhes Tagwerk ist das meine, Herr, Die Kraft versagt, gönn' Labung mir mein Gott Und laß' mich ruh'η erschöpft vom Kampfgewühle, In einem milden, labenden Gefühle! Ein dumpfes, rollendes Getöse erschüttert die Luft. Einen Augenblick darauf, tiefste Stille, dann lautes Geschrei von vielen Stimmen, das immer wächst und näher zu kommen scheint. Allmächt'ger! Was war das? Eilt zum Fenster. Täuscht mich meine Auge? Was hebt sich dort und steiget in die Lüfte Und qualmt empor in schwarzen Rauchessäulen Ein ungeheuer - fürchterlich Gebilde, Durch dessen finst're Wirbel, Flammen schwirren, Wie gold'ne Pfeile durch die tiefe Nacht. Hat sich der Hölle Rachen aufgethan Und speit Verderben über uns're Häupter? LADY ARGYLL stürzt herein. Um Gottes willen, Königin ... MARIA.
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W a s ist
Geschehn? LADY ARGYLL. E i n f u r c h t b a r - g r a u e n h a f t e s U n h e i l -
MARIA. Fassung Eleonor ... LADY ARGYLL.
Sie sagen, - sagen -
Des Königs Schloß sei in die Luft gesprengt ... MARIA. Ο H i m m e l !
Murray, Lennox und Mar rasch MURRAY .
MARIA.
Nach 15
auftretend.
W o ist D a r n l e y ? - W o ? -
Auf seinem Schlosse -
Stimmen, das immer wächst ( H \ E') ] Stimmen, daß immer wächst (H2) Schreibfehler
I. Text LENNOX. Dann ist er todt - Auf Bothwell zeigend der erscheint und auf der Schwelle stehen bleibt. und dieser dort - sein Mörder! MARIA. Nein! - Nein!
Vierter Aufzug Erster Auftritt Zimmer bei der Königin. LADY ARGYLL allein, den Blick auf das Nebenzimmer offen
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gerichtet,
steht.
Auf ihren Knieen - tief gebeugt das Haupt, Das Crucifix in den gefalt'nen Händen; Im brünstigen Gebet so ganz versunken Daß rings die Welt für sie erstorben, fremd Dem Herzen jede Regung scheint, die sich Nicht Andacht nennet, liegt sie da ... Nein! Nein! So beten kann kein schuldiges Gewissen ... Hinweg mit jedem Zweifel ο mein Herz! Sei treu im Glauben an die Vielgeschmähte, Du bist vielleicht bald ihre einz'ge Stütze! ... Seit Monden nun liegt Heinrich Darnley, in Der Gruft der Könige von Schottland, und Ein jeder Tag der seinem letzten folgte Hat neue Schrecken zahllos uns geboren. - Als sende sie der ungerächte Geist Des Hingeschied'nen - Hingemordeten Steigt ihre Schaar allmälig aus dem Dunkel, In's düst're Grau gekleidet, des Verdachts, Und wirbt sich Helfer, unsichtbar, gewaltig, In jedem Herzen das da lebt und pocht... Sie heißen Haß, Empörung, Rachedurst, Und ihre Pfeile - ach die unfehlbaren, Sie zielen alle nach der einen Brust!
Zweiter Auftritt DIE VORIGE. MARIA. LADY ARGYLL. So ruhig - Majestät? MARIA.
Ich h a b ' gebetet.
LADY ARGYLL. D a ß Ihr E u c h K r a f t f ü r diesen T a g erfleht!
MARIA. Für d i e s e n Leonor?
dessen
Thür
I. Text
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LADY ARGYLL. Bald schlägt die Stunde Die vor Gericht Mylord von Bothwell ruft. MARIA. Diejen'ge auch, die ihn rechtfert'gen soil. LADY ARGYLL. D a s g e b e G o t t ! MARIA. DU z w e i f e l s t ? LADY ARGYLL.
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Sehnlichst Wünschen
Erzeugt stets Sorge, vor vergeb'nem Wünschen. MARIA. Kleingläubige! Auch Du verdächtigst ihn! LADY ARGYLL. Traf ihn kein schlimmerer Verdacht als meiner! MARIA. Verdacht von Freunden, ist der schlimmste! Spräch Er sich auch noch so leise aus - ja müßt' Man ihn errathen! Seine schwächste Regung Schneidet in's Leben ein, indeß des Feinds Verdacht, Die Haut kaum ritzt. LADY ARGYLL. Glaubst Du, nur Jener leide Der den Verdacht bei seinem Freund erregt? Fürwahr! Nicht minder leidet der ihn hegt. Ο Königin! Ich darf nicht länger schweigen, Das herbe Wort es m u ß gesprochen sein, Wie schwer es auch - wie fast unmöglich mir ... Sie stockt. MARIA. Eleonor! Die treuen Lippen weigern Dir Den Dienst! Die anders nie als lieb voll zu Mir sprachen, öffnen sich zu keinem Vorwurf Für Deine Königin! - Und glaube mir Die Lippen thun viel besser als das Herz, Das sie zu schlimmen Boten machen will Der schlimmen Warnung, die ein Tadel ist. LADY ARGYLL. Mag's stille stehn für immerdar, wenn es Mit aller seiner Macht dagegen sich Nicht sträubt, Dir weh zu thun! MARIA. Laß es gewähren! LADY ARGYLL. Nicht blos das Herz, auch die Vernunft gebietet. MARIA. Das Herz ist oft vernünft'ger als Vernunft Es räth Dir gut in diesem Augenblick. LADY ARGYLL. Wenn Treue jemals einen Lohn verdient, Jemals das Recht zu einer Bitte gab, So ford're ich's als Recht daß Du mich hörst. Maria Stuart! Deines Volkes Stimme Klagt Bothwell laut des Königsmordes an! Ein Schrei nach Rache gellt durch's ganze Land, Und Du verschließest sündlich ihm Dein Ohr! Es geht der Mann, den J e d e r schuldig nennt
Maria Stuart in
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So hochgestellt wie K e i n e r - frei umher, In sich'rer Ruh genießend all der Ehren Womit ihn Deine Gnade überhäuft. Selbst jetzt - wo ein Gericht berufen ist Dem er sich stellen soll als Angeklagter, Selbst jetzt, bleibt unbeschränkt seine Freiheit Und wie benützt er sie! Sein ganzer Anhang Umringt das Parlament. Mit Sang und Spiel, Und flatterndem Panier, ziehn seine Schaaren Durch Deiner Hauptstadt todtenstille Gassen. Der schwer Verklagte tritt vor seine Richter, Und bringt mit sich, was ihn entsühnen muß: Nicht seiner Unschuld sprechenden Beweis, Auch nicht das Zeugniß ehrenwerther Stimmen. Er bringt G e w a 11, die es gefährlich macht Ihn zu verurtheilen, ihn zu bestrafen Unmöglich! MARIA. Hab' ich nun genug gehört? Ist Deine Treue müd' sich zu bewähren Indem sie And're grenzenlos verdächtigt. LADY ARGYLL. Verdächtigt hätt' ich Bothwell? Nein! Ich klag' Ihn an! Nicht des Verbrechens, dessen man Ihn zeiht, da k a n n er schuldlos sein, und geb' Es Gott! Doch eines andern Fehls von dem Kein Richter jemals frei ihn spricht: Er hat Dein Herz bethört und Deinen Sinn verblendet Dein Ohr umstrickt mit seinen Liebesschwüren, Bis taub es ward für jeden Warnungsruf, Für Deines Volks zu Dir erhob'ner Stimme, Für Deiner Freunde treues Flehenswort! MARIA. Ich hab' auf Erden keine Freunde mehr! Das letzte treue Herz verlier' ich jetzt ... LADY ARGYLL. Ο K ö n i g i n ! MARIA.
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SO s e i d I h r A l l e ! -
So lang des Lebens Pfade glatt und eben Sich breiten, still in sonniger Heiterkeit Da folgt Ihr uns, da wandelt Ihr wohl mit Ihr Freunde! Auf der munt'ren Wanderung, Längs grünen Ufern durch das blum'ge Thal. Doch Weh! Wenn es sich düster und verengt, Wenn Klippen starren rings umher, Geröll Mit schneid'gen Kanten wund die Sohle ritzt,
Schottland
I. Text
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Die Brandung tosend ihren weißen Schaum In's Angesicht uns spritzt, mit tausend Zungen Die wilden Wogen grimmig nach uns lecken, Da heißt's: "Nun ist's genug! kehr um!" Und folgen wir nicht Eurem feigen Ruf, Treibt uns der Muth, trotz Klippen, Sturm und Brandung, Voran - voran! auf uns'rem rauhen Pfad, Da sprecht Ihr: "Lebe wohl!" - und wendet Euch LADY ARGYLL. Das h a b ' ich nicht verdient! MARIA.
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ES ist d a s S c h i c k s a l
Der Könige, und aller königlich Empfindenden Gemüther - in der Welt Allein zu stehen, weil zu hoch sie stehn. So laßt mich denn allein! Weicht der Gefahr Wenn Ihr zu klein Euch fühlt sie zu besiegen, Ich trotze ihr, ich weiß mich ihr gewachsen! LADY ARGYLL. Verwirfst Du auch die Warnung Königin, Verwirf den Warner nicht! ... Ich folge Dir, Ob aufwärts zu den Höhn, ob nieder zu Der Tiefe führt Dein Weg, denn dir geweiht Hab' ich mein ganzes Leben. MARIA. Worte! Worte! LADY ARGYLL. Erfahre nie wie treu gemeint sie waren, Sonst reute Dich zu bitter diese Härte. Sie geht ab. MARIA allein. Dein Leben weihst Du mir? Er hätt' für mich Der Seelen Seligkeit dahingegeben, - Und ihm könnt' ich zu Vieles je gewähren? Niemals genug! Ihr Kalten und Ihr Kleinen! Ge'nüber Ihm, dem fürstlichen Verschwender Bleib' ich ja doch in Zeit und Ewigkeit, Ein armes, karges, ohnmächtiges Weib. HUNTLY tritt ein. Versammelt sind die Richter, Majestät Und warten, wie befohlen, Deiner Ankunft. MARIA. Ihr werdet mich begleiten Mylord Huntly. - Was ist's - Was zögert ihr? ... HUNTLY. My lady, Lord Von Lennox, eben angekommen, bittet Um Einlaß ... MARIA. Nein! Ich kann nicht - sagt ihm - Geht! Ich werd' ihn sehen - später - gleich - vor dem Gericht ... Dahin bescheidet ihn und folgt! Beide ab, nach verschiedenen Seiten.
Maria Stuart in Schottland
310 Dritter Auftritt Der grosse Gerichtssaal.
In der Mitte des Hintergrundes ein auf Stufen erhöhter Thron, mit einem Himmel bedeckt. Rechts und links neben den Eingängen, Estraden, vor denselben Tische für die Schreiber, zwischen ihnen, der Platz des OBERRICHTERS, vor ihnen die Bank für die RICHTER, Trompetenstoß. Vier GERICHTSDIENER mit silbernen Stäben, dann vier DOCKTOREN, ein EDELMANN, der die Tasche mit dem grossen Siegel trägt. MARSCHALL mit dem Scepter (entblößten Haupts), ein EDELMANN mit dem Schwerte, zwei andere mit silbernen Pfeilern. CAITHNESS und zwölf RICHTER, dreißig LORDS, unter denen MURRAY, DOUGLAS und RUTHVEN. SCHREIBER, RUFER und HEROLDE. Alle nehmen ihre Plätze ein.
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CAITHNESS. Ihr seid allhier versammelt, edle Lords, Zu einem ernsten, trauervollem Werke. Vier Monde sind's seitdem wir König Darnley In's Grab gesenkt, und ungesühnt schreit noch Sein Blut, zu Gott und dem Richter und dem Rächer. Nun aber scheint der werthe Lord von Lennox In dieser düst'ren Sache, einen Weg Zur Wahrheit endlich, und gerechtem Siege Entdeckt zu haben, und wird vor Euch treten, Von Euch, als des Gesetzes Schutz und Trägern Ausübung zu begehren des Gesetzes. Bedenkt die Pflichten Eures Amts Ihr Herrn! Und seid gerecht so Klägern wie Verklagtem. MURRAY. Wir wollen Beide hören, ruft sie vor. CAITHNESS ZU Murray.
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Erlaubt! Zu der Versammlung: Vom Wunsch beseelt, der wicht'gen Handlung Die uns hieher berufen, selbst zu folgen, Entschloß sich Ihre Majestät die Königin Durch ihre hohe Gegenwart zu ehren Dies feierlich Gericht. Empfanget sie! EIN HEROLD meldend: Die Königin! Alle erheben sich. Maria kommt mit Gefolge, darunter Mar, Huntly, Athol und Kerr. Caithneß und Murray gehen ihr entgegen, und führen sie zum Throne. MARIA. Um Euerer Versammlung beizuwohnen, Nicht sie zu leiten, kam ich, meine Lords. Beginnt! Nach des Gesetzes Lauf und Vorschrift!
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I. Text
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CAITHNESS. SO sei erklärt denn - als eröffnet diese Gerichts Versammlung! Zum Schreiber. Thut, was Eures Amtes. SCHREIBER. Ruft: My lord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht! LENNOX gestützt an Cunningham tritt auf. Hier. MARIA sich rasch, fast unwillkürlich erhebend: O! mein Vater Lennox! Verbirgt das Gesicht in den Händen. SCHREIBER. Ruft: James Hepburn, Graf von Bothwell, erscheine vor Gericht! RUFER. James Hepburn, Graf von Bothwell, erscheine vor Gericht! Bothwell tritt ein, mit großem Gefolge, alle bewaffnet. BOTHWELL. Hier.
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CAITHNESS. Lord von Bothwell, Ihr seid herberufen, Doch Euer Anhang nicht! BOTHWELL. Nicht meinen Anhang, Nur meine Zeugen hab' ich mitgenommen. CAITHNESS. Es ladet Zeugen das Gericht, sobald Die Zeit kommt, sie zu hören. Lasset diese Abtreten! MEHRERE LORDS.
Sendet sie hinweg!
BOTHWELL.
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Thut es
Doch selbst! Von mir begehrt es nicht. MURRAY ZU der Versammlung: Ihr werthen Herrn! Ich steh Für diese Männer ein! Verbürge mich Für sie! Sie sollen keinen Einfluß nehmen Auf Gang und Leitung unseres Gerichts. EINIGE LORDS. L a ß t s i e !
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ANDERE. Sie mögen bleiben! MURRAY. Euch vor Allen Lord Oberrichter! leist' ich hiemit Bürgschaft Für diese da! Begehret Rechenschaft Von mir, wenn sie sich übernehmen, Sir! - Fahrt fort. Ich bitte. CAITHNESS. Euren Wunsch, wenn ich Auch seinen Grund nicht fasse, will ich ehren, Zum Schreiber. Laßt Stille rings gebieten. SCHREIBER. Ruh in Ehrfurcht! RUFER. Im Namen des Gesetzes: Ruh in Ehrfurcht. CAITHNESS. Herr Graf von Lennox! Eure Klage, hat Geladen vor die Schranken des Gerichts Den Lord von Bothwell, Markgrafen des Reichs, Auf Euren Ruf ist er allhier erschienen, Und fragt Euch Lennox, wessen Ihr ihn zeiht? LENNOX dicht an die Stufen des Thrones tretend:
Maria Stuart in Schottland
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In Demuth um Gerechtigkeit zu bitten, Nicht um sie zu ertrotzen, bin ich hier Denn außer diesem Treuen, der den Schritt Des Greises hergelenkt, folgt Keiner mir Und meine Hand ist wehrlos ... MARIA. Graf von Lennox ... LENNOX. O! ... Graf von Lennox? Nicht: Mein Vater? ... Nicht: Mein Vater Lennox?! ... MARIA. Sir, ich höre - doch Ich richte nicht. An Lord von Caithneß, muß Ich Euch verweisen. LENNOX. Dir ruft meine Bitte Nicht ihm! Laß auseinander treten dies Gericht! In unerlaubter Hast ward es Berufen ... MEHRERE LORDS.
Wie?
LENNOX. Und: Hohn auf jedes Recht Der Angeklagte wählte seine Richter! VIELE LORDS. W a s sagt er? Hört!
DIE RICHTER sich erhebend.
Wir dulden nimmer ...
CAITHNESS.
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Zu Lennox. An mich Mylord! Seid Ihr gewiesen, und Ich will Euch Antwort geben. Sir, Ihr nennt Unrechtmäßig dieses Gericht? Euer Benehmen ist's! Ihr seid gekommen, die Gesetze anzurufen, nicht, sie zu Verdächtigen. Der Schmerz entschuldigt viel, Ich trag' dem Mitleid mit dem Euren Rechnung Indem ich jetzt, statt Widerruf zu fordern Der unbedachtsam ausgesproch'nen Worte, Euch nur ermahne, wie es Euch geziemt Aufrecht zu halten Eure Klage gegen Den Lord von Both well, den Ihr hergeladen. LENNOX. Ich sprach zur Königin - hat sie für mich Kein Wort? - Kein einzig Wort?! CUNNINGHAM. Mein theurer Lord Ermannet Euch! LENNOX. Ich sprach zur Königin! MARIA halblaut. Ο Pein! CAITHNESS. Antwortet Sir!
LENNOX sich von dem Throne abwendend. Wohlan Mylord's! So steht denn hier ein tiefgebeugter Greis,
Ruhig!
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Der "Graf von Lennox" Eures Gleichen Sirs, Nicht mehr, wie er sich sonst vermaß zu sein, Nicht Vater einer großen Königin, Nicht näher ihrem Herzen, als der letzte Der Unterthanen ihres weiten Reichs, Und klaget an den höchsten Mann in Schottland, Den Führer jener wilden Kriegerschaar Die auf und nieder wogt vor diesem Hause, Bereit zum Sturm, sobald er es befiehlt, Den Mann der raschen That und der Gewalt, Klagt Both well's an, des Mordes seines Königs! CAITHNESS. Habt Ihr Beweise? Könnt' Ihr Zeugen nennen? LENNOX. Ich hab' Beweise, und kann Zeugen nennen. MARIA. Ο Gott! BOTHWELL.
Das ist gelogen!
Führt sie an! LENNOX. Zwar weiß ich nicht, ob sie die Geltung finden Vor Eurem Richterstuhl, die sie gewiß Vor jenem Gottes haben. - Graf von Bothwell! Und meines Herzens Ueberzeugung, sind die Beweise - Deine eig'nen Thaten sind Die Zeugen, die ich rufe gegen Dich!
CAITHNESS.
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MURRAY
leise zu Caithneß. Der Greis ist kindisch worden, seht es ein.
EINER VON BOTHWELL'S LEUTEN ZU
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LENNOX.
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ihm.
Ist's nicht genug? Wie lange wirst Du dulden? BOTHWELL. SO lange mir's - nicht: so lang Euch's gefällt! CAITHNESS ZU Lennox. Ihr selbst bezweifelt Sir, die Rechteskraft Von Eueren Beweisen. Andere
Zu sammeln, gönnt' man mir nicht Zeit. CAITHNESS. So habt Ihr keine für den ird'schen Richter. Ich traue nicht dem Zeugniß meiner Augen! Ist dies der weise, mäß'ge Graf von Lennox? Der eine grauenvolle Klage gegen Des Reiches ersten Würdenträger schleudert, Ihn feierlich vor die Gerichte ladet, Und da er kommt, und da er sich ihm stellt, Was er geklaget, nicht beweisen kann. LENNOX. Begehrt Ihr denn, ich solle wiederholen, Daß illegal mir dies Gericht erscheint? Bestochen alle Richter - eingeschüchtert Durch den Verklagten, - Schuldigen ...
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BOTHWELL vorstürzend. Genug! Ich weiß nicht Lords, bin ich hieher berufen, Damit ein greises Kind sein Müthchen an Mir kühle? Tod und Holl' Ihr Herrn! Dafür Bin ich zu gut! - Ist dieses ein Verhör, Und steh'n wir vor Gerichte? Oder führen Ein elend Possenspiel wir auf, das uns Zu Hohn und Spott, ein Tropf zusamm' gestoppelt? CAITHNESS. My lord von Bothwell mäßigt Euch! BOTHWELL. Mich mäß'gen? Dies bloße Wort könnt' einen rasend machen! Ein Schurke, der allhier sich mäß'gen könnte! Bei meinem Zorn! Da kommt ein alter Mann, Und klagt mich an des Todschlags seines Sohn's Auf seines Herzens gläub'ger Ueberzeugung, Warum er's glaubt, und was ihn überzeugt, Das sagt er nicht - dafür hat er Beweise, Die nicht Beweise sind, und Gründe, die Nicht Gründe sind, und es doch sind, und Possen! Ich sag' Euch: Endet! Endet! Hin ist meine Geduld! — MURRAY. Lord Oberrichter kommt zum Spruch! CAITHNESS ZU den Richtern. Ihr habt' gehört! Uebt Euer Amt nach Pflicht. Was auch ein Jeder fühlen mag und denken, Nach Glauben nicht, nach Wissen richten wir, - Ich geh' zum Schluße. - Kommt zum Spruch Ihr Herrn! SCHREIBER. Z u m Schluß!
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RUFER. Zum Schlüsse! CAITHNESS zum Marschall. Wollt' die Stimmen sammeln. Marschall sammelt die Stimmen. CAITHNESS ZU Lennox. Es gibt hier nichts zu richten, Graf von Lennox Kein Straferkenntniß haben wir, Mylord, Für unbewies'ne Schuld. LENNOX .
Für unbewies' ne
Unschuld, auch keine Lossprechung. Ich ford're Vertagung des Gerichts! MEHRERE LORDS .
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Ja! Er hat Recht!
CAITHNESS. Ihr fordert, was wir nicht gewähren können. Stimmt ab Ihr Herrn! LENNOX ZU der Versammlung. Ihr edlen Lords und Peers! Ich fleh' Euch an: Beschützt in meiner Sache Das hülflos unterdrückte Recht! ...
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I. Text CAITHNESS.
Stimmt ab!
Die zwei ersten Richter haben ihre Stimmen abgegeben, als sich der Marschall zum dritten wendet, erhebt sich dieser: DRITTER RICHTER. Ich weig're meine Stimme! D E R NÄCHSTFOLGENDE.
SO w i e i c h !
D I E Z W E I LETZTEN. U n d w i r !
darunter Mar, sich erhebend. Wir Alle! Keine Lossprechung! MURRAY. Ihr Herren dort - was ficht Euch an? Zur Ordnung! CAITHNESS. Ward nicht bisher genug beleidigt schon Die Würde dieses H o f s ? ERSTER LORD. Sie ward's durch Euch! ZWEITER LORD. Durch Euch! Die alles hier bereitet haben Zu einer That höchsten Despotenthums! Zeichen des Beifalls. CAITHNESS. My lord! Ihr redet zu den Trägern des Gesetzes! Ehrt in ihnen das Gesetz, Das ihre Handlungen bestimmt! MAR sich erhebend. Ihr folgt Dem Geiste der Gesetze nicht. Euch lenkt Sein todter Buchstab! EINIGE L O R D S ,
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EINIGE LORDS .
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Wahr!
ANDERE. Hört' ihn! Hört ihn! MAR ZU Caithneß. Für Euch ist selbst das heil'gste Recht kein Recht, Kann man's nicht schreiben in ein Dokument, Und Eures Herzens beste Ueberzeugung, Ihr opfert sie dem Wortlaut eines Satzes. VIELE STIMMEN. Ein wahres Wort! Ihr sprecht aus uns'rer Seele. MAR. Wir aber sind des Landes freie Peers Uns vorzudenken brauchet keine Vorschrift, Wir bilden selber unser Urtheil, und Dies lautet ... MURRAY. Haltet ein! MAR. Dies lautet Sir: Die innern Zeugen, welche Lennox rief, S i e h a b e n G e l t u n g - haben sie für uns! Beifall der Lords. Bewegung unter Bothwells Anhang. CAITHNESS sich erhebend. Sie haben keine Geltung! Und die ihre Verliert die Stimme, welche widerspricht! Zu Lennox. Gezwungen nur, schreit ich zum Aeußersten, Das ihre Handlungen (Η 1 , E 1 ) ] Daß ihre Handlungen (H 2 )
Schreibfehler
Maria Stuart in Schottland
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Allein My lord, ich kann nicht anders handeln. BOTHWELL. Bei meinem Eid! Dies klingt beinahe wie Entschuldigung! ...Ihr k ö n n t nicht anders - doch Ihr hättet gern, so Ihr gekonnt, anders Gethan? - War's so?! - Nun hört von mir ein Wort! Da liegt mein Handschuh, Jedem hingeworfen Der fest nicht glaubt, und nicht aus ganzer Seele An meiner Unschuld Makellosigkeit! — Wer immer auch es sei, und wären's Alle! Derjenige, der jetzt noch an mir zweifelt Und nicht dies Pfand aufhebet von der Erde, Den nenn' ich einen Schurken feig und schlecht, Wie keiner schandvoll noch zur Hölle fuhr. Ich hab's gesagt. Hier steh' ich. Kommt heran. LENNOX. Ich nehm' es auf Dein Pfand. CUNNINGHAM ihn zurückhaltend. My lord! BOTHWELL.
So zieh!
LENNOX, der das Schwert Cunninghams ergriffen. Im Namen eines Todten! ... Bothwell will auf Lennox eindringen, Cunningham wirft sich zwischen sie. CUNNINGHAM ZU Bothwell. Krümmt ein Haar Auf seinem Scheitel und Ihr seid verloren! BOTHWELL. W e r w a g t ' s -
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LENNOX. Laßtmich! CAITHNESS Bothwell' s Arm fassend. Zurück Mylord! ALLE. MARIA sich erhebend. Um Gottes willen haltet Frieden! - Ich Verbiete diesen Kampf! Bei meinem höchsten Und ew'gen Zorn nehmt Euren Handschuh auf Mylord von Bothwell! Bothwell gehorcht. LENNOX ZU Maria. Zitterst Du für ihn, Unselige! Vor Gottes Strafgericht? - Der Herr der Herrn wird meine Klinge führen Und Dich - Dich selbst - treff ich in Deinem Buhlen! ... MARIA mit einem Schrei. Ο Lennox! BOTHWELL. Wahnbethörter Greis! LENNOX.
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Geschont, ich hab' Geduld geübt, bis an Die Grenze menschlichen Vermögens. S'ist Genug! Der Zornesglut entlade sich Mein Herz, die's zu zersprengen droht ... Nenn ich Ihn Mörder - Mörd'rin nenn' ich Dich!
Zurück!
Ich hab'
I. Text
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Allmächtiger!! Aufschrei in der Versammlung. LENNOX. Auf Dein Geheiß vollzog er das Verbrechen, War sein die That, Dein war der Rath dazu! BOTHWELL. Ein Hochverrath ist jedes seiner Worte, Verwirkt sein Leben - seine Stunde nah'! Er dringt auf Lennox ein; Mar, Caithneß und ein Theil der Lords schließen sich an Lennox und Cunningham, die sich zur Wehre setzen. MARIA.
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CAITHNESS zu Bothwell.
V e r g r e i f t E u c h nicht an i h m !
CUNNINGHAM. Hier Lennox! Hier! Alle Beisitzer und Richter springen auf, und dringen hinzu. BOTHWELL ZU seinem
Anhang.
Jetzt Bursche ist es Zeit! Seine Anhänger drängen Lennox's Vertheidiger zurück, Bothwell fuhrt einen Streich gegen Lennox und schlägt ihm das Schwert aus der Hand, das seine über ihn schwingend. BOTHWELL ZU Cunningham und Mar. Ein Schritt! Ein Wort! Und Lennox hat gelebt! Lennox vor die Königin niederzwingend. Nun richte ihn! Er hat den Tod verdient! MURRAY. Ja! Richte ihn. HUNTLY. DU k a n n s t - D u d a r f s t . -
Sein Leben ist verwirkt. MARIA nach einer Pause, während welcher Lennox' Partei in athemloser Spannung auf sie blickt. Ich will nicht Euer Leben, Graf von Lennox! - Mir lahmet Mitleid die erhob'ne Hand. Geht hin in Frieden! Geht für immer, Sir; Zu schmerzliche Erinnerungen, hat Der Anblick Edinburgs in Euch erweckt, Verlaßt die Stätte von so vielem Weh Verlaßt dies Land ... Verbannt?! LENNOX. MARIA. Die Einsamkeit Ist Balsam für das Leid - ich bitte Gott Daß sie Euch heilsam sei. - Gemurmel unter Lennox' Partei. MAR. Ο Königin! MARIA ZU Caithneß. Ihr aber, Lord, hebt die Versammlung auf, Die hier verfuhr mit zügelloser Willkür, In der die Zeugen, Richter spielen wollen, Und Jeder spricht und thut nach seinem Wahn! Zeichen des Mißfallens. CAITHNESS. Rieht also Majestät... ATHOL.
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Maria Stuart in Schottland MARIA. Gehorcht! Auf ein Zeichen des Oberrichters verlassen die Richter, Schreiber etc. ihre Plätze und stellen sich im Hintergrunde des Saales auf. MARIA. Graf Lennox - scheidet! LENNOX. Ο für ewig denn! Zu Maria. Von Dir mit einem Wunsch: Gott mach Dich groß, Denn glücklich, Tochter, kannst Du nicht mehr sein. Zu Bothwell. Von Euch! Mit einem Wort, das sich in's Herz Euch präge, Und darin stehe, wie in Erz gegraben In Eurem Hirne nistend, eine Brut Von Reu und Qual erzeug'! Nie entschwind Es Eurem Ohr! - Es sei der Wurm In Eurer Freude Frucht, in Eurer Brust Der Stachel ... MARIA. Haltet ein! LENNOX. ES übertäube den Gesang der Lust, so wie der Schlacht Tumult, Der Kriegsdromete lauten Siegesruf Daß Ihr es hört, - daß Ihr es ewig hört Will ich's den Lüften lehren, und den Zweigen Es rausche Euch im Wüthen des Orkan's Es lisple Euch's der sanftbewegte Hain: Ihr seid ein M ö r d e r ! BOTHWELL. Schweige - oder stirb! MARIA ZU Cunningham. Führt ihn hinweg. DOUGLAS ZU Lennox, seine Hand fassend. Lebt wohl! LENNOX. Lebt wohl Ihr Alle! Viele Lords umdrängen ihn. M A R und HUNTLY ihm die Hände reichend. Geleit Euch Gott! VIELE STIMMEN. Sein Segen über Euch! LENNOX. Und über Deine Söhne - Heimatland! - So mild're einst den Abschiedsschmerz vom Leben, Die Liebe Euch - wie mir die Eure jetzt Die schwerste Stunde zu der schönsten macht. Er geht, geführt von Cunningham. Mar, Caithneß und einige Lords wollen ihm folgen. MARIA ZU den Letztern. Ihr bleibt Mylords! Wo ich gerichtet habe, Da ziemt es Euch zur Schau zu tragen nicht, So offenkundig Euer Mitgefühl.
I. Text
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MAR. DU kannst der That gebieten - nicht der Meinung, Und diese spricht den Unglücksei'gen frei. Aus seiner Heimat hast Du ihn verbannt, Aus uns'ren Herzen nicht, für uns ist Lennox Nicht schuldig - Bothwell - nicht entsühnt.
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MARIA. Mylord! MAR. ES gibt My lady, einen höhern Richter In jedes Menschen Brust, als der mit Stab Und Wage sitzt auf ird'schem Stuhl. Könnt' dieser Nicht anders handeln als er es gethan, So will denn ich den andern hier vertreten!
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MURRAY. Ihr fühlt Euch ja als Abgesandter Gottes. MAR. Ich fühle mich als freigebomer Mann Dem selbst noch da ein kühnes Wort geziemt Wo todte Satzung schon ihr letztes sprach. EINIGE LORDS. Ja redet! Redet edler Peer! ANDERE.
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Wir steh'η
Mit Euch! - Wir fühlen so wie Ihr! MAR sich der Königin nähernd, ehrfurchtsvoll. Wenn i r d ' s c h e s Recht den Schein nicht wägen kann, Das Weib, die Königin, sie muß ihn wägen! Nicht darf der Mann dem Alle wir mißtrauen In Deiner Nähe fürder mehr verweilen. EINIGE LORDS. V e r b a n n e B o t h w e l l ! ...
ANDERE.
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BOTHWELL.
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Ja! Verbanne ihn!
MAR. Ihn, hat der Haß, Verdacht hat ihn gezeichnet ... MARIA. Bedenkt dies Wort - Und höret! hört das meine! - Verklagt Ihr Bothwell - Ihr verklagt mich mit Er ist nicht mehr, und ist nicht minder schuldig An Darnley's Tod - als ich es selber bin! MAR. Und dennoch Dennoch?!
MARIA. Ο Ihr wagt zu viel! Für sich. - Er gab sein Wort - sein edles Manneswort! KERR. Nicht weiter, Königin, nicht einen Schritt Du bist betrogen, Bothwell spielt mit Dir! MAR. Ich sage hier von jeder Treu mich los Willst Du die Deine trotzend ihm bewahren. CAITHNESS. Gestatt' auch mir, das Amt, das ich verwaltet Durch langer Jahre wechselvolle Flucht, In Deine Hände jetzt zurück zu legen Ich tauge fürder nicht für Deinen Dienst.
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Maria Stuart in Schottland BOTHWELL. Das ist Revolte! Das ist Felonie! Athol und Caithneß treten von der Seite der Königin an jene Mar's. MARIA in höchster Erregung. Auch Ihr? - Ihr Alle?! - Einer um den Andern? O! Freundestreue! - sinnlos Wort! - Ein Narr Der Dich ersann - ein Thor, der an Dich glaubt! ... - Ihr Alle denn? - Empörer überall Und unter ihnen nur Ein treues Herz Wer richtet mich, wenn ich dahin mich flüchte? - Ein Act der Nothwehr ist mein jetzig Handeln Verantwortet, wozu Ihr mich getrieben, Und Euer Werk staunt an in meinem Thun! MAR. Bei allem, was Dir theuer, Majestät! ... MARIA. Genug! Kein Wort mehr - kein's - Ihr wagt das Leben! MAR. Ich hab' so oft es in die Schlacht getragen Für Deinen fleckenlosen Ruhm - ich setz' Für ihn, es heute wieder ein! Die sind Verräther, die Dich sehn am Abgrund schweben Und nicht die Stimme heben Dich zu warnen, Die Treue höre, hör' ein freies Wort! Du bist umringt von Haß und Rachedurst, Im Volke gährt Erbitterung und Wuth Der Adel rüstet, sammelt seinen Anhang, Die Königin von England schürt die Glut... MARIA. Der Adel rüstet! Das Lied ist's wieder, Womit Ihr Eurer Fürstin Thatkraft eingewiegt! Den Adel haß ich! Dieses Volk von Kön'gen Das sich vermisst der Herren Herr zu sein, Und zu gebieten denen, die's regieren ... Ich will den Trotz ihm beugen, will ein Ende. Ein Mittel gibt's! Weh' denen, die mich zwingen In diesem Augenblick es zu ergreifen! Auf ihre Häupter wälz' ich feierlich Den Fluch zurück, womit verletzte Sitte, Empört Gefühl mich richtend treffen wird ... - Ein Mittel gibt's! Ihr selber zeigt es an durch Euren Haß, Gerichtet gegen Ihn, vor dem Ihr bebet... - Das schwache Weib kann Euch nicht unterjochen Doch - wählen kann es Einen, der's vermag!
Das sich vermißt (H\ E1) ] Daß sich vermißt (H2) Schreibfehler
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Mit Anstrengung nach ruhiger Fassung ringend. - Ihr drohet mir mit offener Gewalt? Wohlan! So ruf ich einen Schützer mir, Mich zu beschirmen wider meine Feinde. Ihr sagt: Verdacht hab' diesen Mann gebrandmarkt? Wohlan! So soll mein Zeugniß ihn rechtfert'gen. BOTHWELL auf die Knie stürzend. Ο Königin! Du gibst Beseligung, Gib Worte auch dem Mund des Erdensohns Die solche Wonne nennen - für sie danken! Er küßt ihre Hand. MARIA. Nicht meine Hand soll küssen wie ein Knecht, Den ich zu meinem Herren machen will. BOTHWELL. SO küß ich Deine Stirne - ehrfurchtsvoll Und kühn zugleich, Du königliche Frau! Er thut es. Und als mein Eigen - faß' ich diese Hand. MARIA. Nimm mit ihr Bothwell, auch das Herz des Weibes, Und theil' hinfort die Macht der Königin Ich grüsse Dich als Herzog über Orkney Als meinen Herrn, Gebieter und Gemal. BOTHWELL. Jetzt Himmel! Wahre Deine gold'nen Sterne! Verlang' ich es, Du müßtest sie mir geben, Die Sonnen, die in Deinem Aether schweben! MARIA ZU den Lords. Ihr wagtet Euch an Bothwell, den Vasallen, Der Kön'gin König wird Euch heilig sein! MURRAY. Hoch Herzog Orkney! Bothwells Anhänger wiederholen den Ruf, die Uebrigen treten grollend zurück.
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Fünfter Aufzug Erster Auftritt Dekoration des ersten Aufzuges M U R R A Y , DOUGLAS, RUTHVEN, ATHOL und KERR treten
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auf.
KERR. ES ist zu viel! Wir tragen's länger nicht! ATHOL. War uns'rer Fürsten Einer, ob im Purpur Geboren, je des Hochmuths und des Stolzes Wie dieser Bothwell voll? KERR. Sein Stolz dünkt mich, Ist seiner Sünden kleinste. MURRAY. Ο My lords! Er hat auf ihn ein wohlerworben Recht. Schwang er sich nicht empor aus eig'ner Kraft, So hoch wie nie ein König Schottlands stand? Wo ist die Macht, die nicht der seinen wich? Die Schranke wo? die er nicht niedertrat? Dem Königthume hielten einst die Wage, Des Landes Adel, unser Parlament Was sind nun Adel und das Parlament? Zwei Köpfe ohne Leib, die: "Ja," ihm nicken Wenn er's gebietet, und: "Nein," wenn er's befiehlt. Er hat die Sehnen jeder Kraft durchschnitten, Die nicht in seinem Dienste keuchen will, Bezwungen liegt dies Eiland ihm zu Füßen Und: Bothwell, heißet das Gesetz in Schottland. DOUGLAS. Schmach über uns, daß wir's nicht läugnen können! ATHOL ZU Murray. Fürwahr, von Euch, hätt And'res ich erwartet Als des Tyrannen Lob. KERR. Zweideutig schien Es mir! Nicht blind noch feig, kann Murray plötzlich Geworden sein. MURRAY. Habt Dank. — Liegt für die Meisten Auch unter Schloß und Riegel dieses Herz, Für Freundschaft ist's: ein aufgerolltes Blatt. Er geht ab. KERR. Ich glaub' an ihn wenn ich ihn auch nicht fasse! Ist seiner Sünden kleinste. ( Η ' , E ' ) ] In seiner Sünden kleinste. (H 2 )
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ATHOL. Ο glaubt nur - glaubt, bis Euer Haupt vom Rumpf, Bis Euer Leichnam in die Grube fällt! Ich baue nicht auf Wolken und auf Luft, Auf ein Vielleicht, auf eine schwanke Ahnung, Hilft mir kein And'rer - wohl, ich helfe selbst! DOUGLAS. Was hast Du vor? ATHOL. Nach Stirling aufzubrechen, Wo sich Lord Mar zum Widerstande rüstet. DOUGLAS. E r w a g t . . .
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ATHOL. Er muß, denn mit Gewalt, droht Bothwell, Den Prinzen seinem Schützer zu entreißen, Der edle Peer jedoch steht für den Knaben Bis auf den letzten Tropfen Blut's. Schon ist Ein Bund geschlossen zwischen Mar und Flemming, Der täglich neue Anhänger gewinnt, Und dessen Losung: siegen oder sterben Für dieses Reiches königlichen Erben! Ich selbst gehör' dazu, und ford're Euch Bei Recht und Treue auf: Folgt meinem Beispiel! KERR. Ich folge ihm. Wer könnte da noch zögern? RUTHVEN sinnend. Bei Gottes rechtem Aug' hab' ich geschworen Und bei dem Schlüssel zu der Himmelspforte, Ich wollte Bothwell's sein, mein Lebelang. ATHOL. Ein Treubruch war der Schwur. Ihr seid des Königs. DOUGLAS. Auch m e i n e Hände sind gebunden, Athol. Ich gab mein Wort. KERR. Ich gab es auch, und hielt's Dem Redlichen; Verräthern halt' ich's nicht. ATHOL. Ο Douglas, Ruthven, schließt Euch an dem Bund! RUTHVEN. "Bei'm Auge Gottes und bei'm Himmelsschlüssel! - " Ο hätt ich Thor, bei Minderem geschworen, Ich bräche meinen Eid, jetzt kann ich's nicht, Sonst schließt sich zu für mich die Himmelsthür, Und Gottes Auge wendet sich von mir. ATHOL. Es wachet über jeder reinen Sache Ο kommt! DOUGLAS. Ich sag Euch: Geht und kämpft und siegt! Ihr jubelt über Eueren Triumph Nicht höher als ich juble über ihn Doch - lebet wohl! ATHOL. Du kommst - Du kannst nicht anders! ... DOUGLAS ihm die Hand reichend.
Maria Stuart in Schottland
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Zum letzten Mal als Freund! Du fühlst das Recht -
ATHOL.
Und m u ß t ihm folgen - komm! Leb' wohl!
DOUGLAS.
Nein! Nein! Ο bleib! DOUGLAS. Ich gab mein Wort - und heiße: Douglas. Er geht ab. ATHOL. Zum zweiten Male hab' ich ihn verloren! KERR. Kann er uns missen - wir entbehren ihn. Zu Ruthven. Und Ihr? RUTHVEN. Ich will für Bothwell kämpfen - für Euch beten. Lebet wohl. Er geht ab. KERR. Der alte Narr! Wir brauchen Krieger, keine Psalmenbeter. - Brecht auf! Was steht Ihr sinnend da? Seitdem In diese Luft wir uns'ren Vorsatz hauchten, Geht sie für uns mit gift'gen Dünsten schwanger, Und sie zu athmen, ist gewollter Tod. ATHOL. Nach Stirling denn! Und helf uns Gott zum Siege. Beide ab. ATHOL.
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Zweiter Auftritt B O T H W E L L mit einem
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Briefe.
HUNTLY.
BOTHWELL. Er gibt den Knaben nicht? Die Weigerung Ist o f f n e r Widerstand. Er gibt ihn nicht? So wollen wir ihn holen! Herr, erwäge HUNTLY. Du weckst den Aufruhr durch Gewalt. BOTHWELL. Schläft er So leise? Ο ich will ein Schlummerlied Ihm singen, das für ewig in das Reich Der Träume ihn versetzt! Die Königin. EIN PAGE meldend. MARIA ZU Huntly. Allein? Nicht ohne meinen Sohn zu mir Zurück zu kehren hatt' ich Euch geboten. HUNTLY. Ihn schützt ein kampfbereites Heer, Mylady.
Geht sie für uns (E1) ] Geht' sie für uns (H2) Schreibfehler
I. Text
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MARIA. Mar weigert ihn? BOTHWELL. Er will den Krieg, und soll Ihn haben denn! Zu dem Pagen. Ruft Athol mir und Kerr. Page ab. BOTHWELL ZU Huntly. Ihr brecht nach Pinkie auf mit Euren Leuten, Und nehmet Stellung in der dort'gen Ebne. Ich sende Douglas nach, und folge selbst. Bescheidet Murray her. Huntly ab. PAGE zurückkommend. Die beiden Lords, Herr Herzog, sind nach Stirling. Geht ab. BOTHWELL. Holl und Teufel! MARIA. Ο der Verrath! So schleicht sein Gift sich schon Bis in die Herzen meiner nächsten Diener? BOTHWELL. Weg mit den Herzen, die vergiftet sind! Die unheilbare Wunde schneid' ich aus. Murray tritt ein. MARIA. Da kommt die beste Stütze uns'rer Macht. Willkommen Murray! Zu den Waffen, Freund! Zu Ruthven und Douglas, die kommen. Und Ihr! Auch Ihr! - Greift Alle zu den Waffen! Ihr sollt mein Kind in meine Arme führen, Von Euch, Ihr Treuen, fordr' ich meinen Knaben! MURRAY. Bevor Du uns entlässest Königin, Beschwichtige das aufgeregte Volk, Und lenk' die Geister in der Wahrheit Bahn. In ihrer Meinung schwanken sie beirrt, Sich fragend: wo das Unrecht, wo das Recht Ob bei dem Bunde, ob bei Deinem Heer? MARIA. Sie fragen sich? Sie wagen ... O! Sagt ihnen: Wo ihre Kön'gin steht, da steht das Recht! Geht hin Murray und sprecht also zum Volk: - Ein Jeder, der sich treu und bieder nennt, Auf Bothwell deutend. Folgt Diesem da! Wenn er zum Kampfe ruft, In Wehr und Rüstung, Jüngling oder Mann; Mit Wunsch und Segnung, was nicht Waffen trägt! BOTHWELL. Den Wunsch erlaß' ich. Murray ab. EIN PAGE meldend. Der Graf Brienne. MARIA. Er ist willkommen. BRIENNE eintretend.
Gesandter Deines Volkes steh ich hier, Erwählt vom Adelsbunde zum Vermittler. MARIA. Vermittler?! BOTHWELL. Herr - seid Ihr ein Advokat? -
Als
Maria Stuart in Schottland
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Schont Eure Zunge und die unseren, Es kommen jetzt nicht andere zur Sprache, An sein Schwert schlagend. Als diese spitzen, diese scharfen hier! BRIENNE. Mein Auftrag lautet an die Königin, Will sie ihn hören? MARIA. Redet Graf Brienne. BRIENNE. Die Führer der Verbündeten, sie schwören Gehorsam Dir und Unterwerfung. MARIA.
Was
Sagt Ihr? Gehorsam?! BRIENNE. Nimmer gegen Dich Ergriffen sie das Schwert, sie thaten's gegen ... MARIA. Ich bitt Euch - sprecht nicht aus! - Nicht gegen mich Doch gegen Einen, der mir theurer ist Als all mein Glück und Leben. BRIENNE. O ! gib nach Im Augenblick, um jahrelang zu herrschen, Mit einem Wort erkaufst Du dir den Frieden! MARIA. Gehorsam schuldig ist mir, Herr, mein Volk, Nicht kaufen will ich ihn! BRIENNE. D U hörst mich nicht. MARIA. Bis wir die überwundenen Empörer, Bereuend, uns zu Füßen knieen seh'n, Dann, Graf Brienne, übt Euer Mittleramt. BRIENNE. Nicht allzu sicher baue auf den Sieg Der Deinen, überlegen, ist an Zahl Und Muth die Heermacht der Rebellen BOTHWELL.
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Sie haben keinen Bothwell, der sie führt! BRIENNE. Ich komm' aus ihrem Lager. Wenn ich's auch, Das Herz erfüllt von Bitterkeit, betrat Nicht ohne Achtung schied ich, Königin; Ich habe Männer kennen lernen - Männer Die wackersten, die Schottland's Erde trägt. Ob Deine Gegner - ehren mußt' ich sie. - Für eine gute Sache einzusteh'n Ob wahr, ob falsch, ist ihre Ueberzeugung Und aus ihr schöpfen Alle, hochbegeistert, Den Muth, der Heere unbesiegbar macht. M A R I A . Fürwahr Brienne, wenn Ihr bei meinen Feinden So warm für mich gesprochen, wie für sie
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Bei mir Ihr sprecht, verdient Ihr meinen Dank. BOTHWELL. ES steht Euch an, französischer Gesandter, Zur Schau zu tragen solche Sympathie, Für die Empörer eines fremden Reichs. BRIENNE. Mylord! ... MURRAY Stürzt herein. Ich bringe schlechte Kunde. Königin Ein Aufruf an das Volk traf vor dem Deinen Vom Lager uns'rer Gegner ein. Das Herz Der Menge ist dem Feind gewonnen Verwünschungen nur haben wir geerntet, Und: "Tod dem Bothwell" - rief man uns entgegen. Diese Worte von der Straße herauf, oft und mit wachsender Heftigkeit wiederholt. BOTHWELL. Die Raben kreischen in der Nähe schon! Thut einen Schuß hinein in das Gesindel. Zu Pferde Douglas! Mit ein hundert Mann Und säubert mir die Nähe des Palastes. BRIENNE. Ο Königin! gestatte nicht... MARIA ZU Douglas. Gehorcht. Douglas ab. BOTHWELL ZU Murray und Ruthven. Ihr Andern folgt, und hört den Plan zur Schlacht. Bothwell, Murray und Ruthven ab. BRIENNE. SO hab ich meine Sendung denn, erfüllt Wenn auch zu gutem Ende nicht. MARIA. Bringt den Empörern meine Antwort, da Ihr Euch Zu ihrem Boten willig finden ließt: Brienne! - So Gott in meine Rechte legte Die Königskronen alle dieser Erde, - In meine Linke, Bothwell's Hand, und spräche: "Wähle!" Ich ließe alle Kronen dieser Erde Und ging' mit ihm. Und stünd' die ganze Welt Dawider auf und fluchte mir mein Kind Ich ging' mit ihm. Und so lang eine Scholle Auf schott'scher Erde mein, so lange theilt Er sie mit mir; so lang ein treuer Arm Sich für die Kön'gin hebt, kämpft er für mich, Und Ihn. BRIENNE. Dir gilt das Flehen Deines Volks nichts mehr! MARIA. Warum fleht nicht mein Volk, daß ich mein Herz Aus meinem Busen reiße, und verbann Nach Frankreich, England, in die weite Welt?
Maria Stuart in Schottland
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Warum begehrt's nicht das? Unmöglich scheint Es ihm? Brienne! Mir scheint's unmöglicher Zu Bothwell sagen: Scheide! - als zu meinem Herzen. - Bringt meinem Volk die Botschaft - Lebet wohl! Wir werden uns vielleicht nie wiedersehn Ein ernstes Wort. - Grüßt mir mein schönes Frankreich, Einst dacht' ich, daß ich's liebte, einstens ja, Als ich was lieben heißt, noch nicht gewußt. BRIENNE. Ο Königin! - Gott schütze Eure Hoheit Und Heil und Segen sei auf Deinen Wegen, Doch wenn das Glück sich jemals von Dir wendet Vergiß nicht Deiner zweiten Heimat! Offen Steht sie Dir immerdar. In Thränen schied MARIA. Ich einst - mein Königserbe anzutreten, Ich will in Thränen nicht zurücke kehren, Nachdem ich es verloren. - Lebet wohl. Reicht Brienne die Hand. Er küßt sie, ein Knie beugend, und geht dann langsam ab. Bothwell, Ruthven, mehrere Offiziere treten auf, Alle gerüstet. BOTHWELL ZU einem Offizier. Ein Bote Huntly's? Hier empfang' ich ihn. Offizier ab. BOTHWELL ZU Maria. Schon ist Murray nach Dunbar aufgebrochen, Ich bring' Euch seinen Abschiedsgruß. OFFIZIER zurückkommend. Der Bote. Iverneß, dessen rechter Arm verwundet ist, tritt auf.
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RUTHVEN. I h r I v e r n e ß ?
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BOTHWELL. Wir hören. - Redet! IVERNESS zögernd. Herr ... BOTHWELL. Beim Donner! Schont uns nicht! ... Auf dem Gesichte Steht schon so jämmerliche Zeitung, daß Nichts Schlimmes mehr die Zunge bringen kann. IVERNESS. Dein Diener Huntly ward auf seinem Zug Vom überleg'nen Feinde überfallen, Und trotz des kühnsten Widerstand's zurück Geschlagen bis nach Dunbar ... Schmach ihm! - Nie BOTHWELL. Wetzt er den Fleck von seiner blanken Ehr'! Ihr war't wohl auch dabei? IVERNESS auf seinen Arm zeigend. Ihr seht, Herr Herzog.
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Bringt meinem Volk (Η', E1) ] Bringt mein Volk (H2) Schreibfehler
/. Text
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329 BOTHWELL. Verwundet? - Nun, mich freut's daß Euch die Schmarre Nicht an dem Ritt nach Edinburg gehindert. - Das ist ein Bursch dünkt mich, der seinen Tod Zu melden kam' - dürft' er die Kunde weit Vom Schlachtfeld tragen. IVERNESS auffahrend. Herzog! BOTHWELL. Schweige Knabe! Zu den Uebrigen. Zu Pferd! Wir brechen auf. MARIA. Ich folge Dir. BOTHWELL. DU bleibst. Der Krieg ist nicht für Weiber. MARIA. Für Königinnen ist auch Krieg und Ruhm: Dies Haupt umwand schon oft der Eichenkranz Ihr alle wißt's, - sagt ihm, - wer führt Euch an, Als Ihr den Murray schlugt? Sagt ihm: Wer ritt An Eurer Spitze, als die Fliehenden Ihr vor Euch her, getrieben bis nach Dumfries? IVERNESS. D u s e l b s t .
Bothwell. Hörst Du? bitter. Beim Himmel, willst Du mir Nicht e i n e n Vorzug lassen? Soll ich, selbst Im Felde Deiner Größe Schatten sein? MARIA. Im Krieg und Frieden bin ich nur der Deine, Ο liebe Sonne dulde Deinen Schatten! ... MARIA ZU
BOTHWELL
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BOTHWELL. DU w i l l s t ' s .
MARIA. BOTHWELL. Alle ab. Verwandlung.
Ich bitte! Folge denn. Nach Dunbar!
Dritter Auftritt Feld bei Dunbar. Im Vordergrunde eine Rasenbank, im aufgeschlag'ne Zelte.
tritt auf, mit seinem Stabe. Das ist der Plan, Ihr Herrn. Ihr haftet mir Daß ausgeführt er werde, Punkt für Punkt. Die Höhen Dunbars halten wir besetzt, Indessen Murray Dumbarton umgeht, Und von den Brücken die Rebellen trennt, Die an dem Clydefluß sichern ihren Rückzug.
HUNTLY
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Hintergrunde
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IVERNESS tritt auf. Der Herzog bringt die Königin hierher. HUNTLY. Wir heißen sie willkommen. Folgt. BOTHWELL kommt mit Gefolge. Wohin? HUNTLY. Die Königin begrüßen. BOTHWELL.
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Das habt Ihr
Mit einer Nachricht heute schon gethan, Die Eure Grüße ihr verleidet hat. Zu Iverneß. Ruft Murray. EIN OFFIZIER. Herr, er ist nach Dumbarton. BOTHWELL. Er hätte meiner Ankunft warten sollen. Ich hab' ein Wort für Alle auf dem Herzen, Hört es nun Ihr, die es am meisten trifft: Wer einen Fußbreit weicht im heut'gen Kampf Und stünd' er Einer gegen Drei und Vier Der bete zu dem allbarmherzigen Gott, Um Tod aus Feindeshand! Käm er mir heim, Ihm würde ein Empfang, von welchem schaudernd, Noch späte Enkel sich erzählen sollten. Zu den Offizieren. Ihr kennt den Plan. An Eure Posten. Fort! Alle ab außer Huntly und Iverneß. HUNTLY Ihr seid verwundet, Iverneß, Ihr bleibt. Besteigt den Hügel an des Waldes Saum; Von dort beherrschet Ihr das Schlachtgefild; Bringt treue Kunde an die Königin Vom Schicksal ihres Heers. IVERNESS. Es soll gescheh'n. Beide ab.
Vierter Auftritt MARIA und LADY ARGYLL
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kommen.
MARIA. Komm Leonor, hier ist die Luft noch freier, Dort Oben, Liebe, drückt sie wie ein Alp. LADY ARGYLL. Ihr seid ermüdet, ruht auf dieser Bank. MARIA. Ruh'n? J e t z t , wo tausendfach der Tod sich an Ihn drängt? ... Wenn meine Arme ihn umfangen, Wenn ich ihn weiß von jedem Schutz umgeben, Den Erdenhoheit irgend leihen kann Verzehrt die Qual der Todesangst um ihn Die letzte Spur von Ruh' in meiner Seele Wo fänd ich sie in dieser Schreckensstunde?
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I. Text
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In meinem Herzen ist ein Tropfen Gift, Das sendet Bläschen zum Gehirne auf, Die dort zerplatzen als solch' grauenvolle Gedanken, wie der Wahnsinn sie erfindet Wenn er durch Denken tödten will... Ein Gräu'l! ... Ich hab die Ruh' verscherzt. Seit König Darnley's Verhängnißvollem Tod flieht sie vor mir Ein aufgescheuchtes Reh - und niemals mehr Kehrt sie zurück die Milde! Niemals mehr! Es ist in dieser ganzen Welt kein Pfühl, Auf dem mein armes Haupt sie finden könnte. Ο daß ich ihm nicht wider seinen Willen Gefolgt Eleonor! Nicht Schlachtengraus, Der Anblick nicht von Blutenden und Leichen, Hätt' mich erfüllt mit solcher Riesenqual Als wie sie jetzt in meinem Innern wüthet. Iverneß kommt, ihm entgegen stürzend. Was bringt Ihr? ... Bothwell ... Mit einem Schrei. Todt?! IVERNESS. Verrathen, fürcht' Ich Königin - Dein Kriegsvolk flieht ... MARIA. Und Bothwell? IVERNESS. Das feige Heer ... MARIA. Ich frag' nicht nach dem Heer Ich frag' nach Bothwell ... IVERNESS.
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E r ist u n v e r l e t z t .
MARIA. Ach g n ä d ' g e r Himmel! - Unverletzt!! Bothwell's Stimme außerhalb der Scene. MARIA lauschend. Hört Ihr?! IVERNESS. Des Herzog's Stimme. MARIA. O! - Er ist's - er kommt ... BOTHWELL noch außerhalb. Dort ist der Feind, zurück Ihr Hunde! Steht! Tritt auf mit einigen seiner Leute, die sich im Hintergrunde aufstellen, bald nach ihm Huntly mit seinem Gefolge. MARIA. Das Auge glühend, fahl das Angesicht Doch lebend, lebend, lebend, ο mein Gott! Stürzt an seine Brust. BOTHWELL. Begrüß' mich nicht als kehrt' ein Sieger heim, Ich bin kein Sieger - habe keinen Hieb Gegen den Feind gethan! MARIA schaudernd. Dein Schwert ist roth BOTHWELL. Vom Blut der Meinigen. Der Schnitter: Tod, Hätt' besser nicht gemäht, als ich's gethan,
Maria Stuart in Schottland
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Da sich die Schurken wandten. MARIA. Großer Gott! BOTHWELL ZU Iverneß. Schickt das Gefolg' voraus nach Edinburg, Wir geh'n dahin zurück. Iverneß ab. BOTHWELL. Ο Schande! Schande! Einst schien ein Tropfe Deines Gift's mir Tod, Jetzt leer' ich athmend Deinen vollen Becher! MARIA. Komm' zu Dir selber! Höre mich! BOTHWELL.
Hör' Du
Zuerst! - Ich habe große Kunde für Die große Königin. Dein Bruder Murray ist Zum Feind hinüber ... MARIA. BOTHWELL.
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U n d stürmt
An seiner Spitze gegen Dunbar ... O! Auf ihn hab' ich gehofft, auf ihn allein, Auf ihn geschaut als Deine eigen Söldner, Beim ersten Anprall der Rebellen wankten. Mein Ohr verflucht, da Murray's Schrei: "Hoch Jacob!" Von tausend Stimmen nachgeheult, ertönte, Nicht meinem Aug' getraut, als ich ihn sah Den Gegner Mar in seine Arme pressen Und hin zur Erde, schleudern Dein Panier! MARIA.
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Nein!
Auch
Mein Bruder? ... Murray ... Ο es fließt e i n Blut In uns' ren Adern! ... B r u d e r , die Natur Knüpft süß're Bande, keine heiligern Als die den Bruder binden an die Schwester: Desselben Stammes schützend stärk'rer Zweig, Ihr Schirm und Hort, und ihr g e b o r n e r Freund! BOTHWELL. Wehklage nur, recht wie ein hülflos Weib, Hab' ich mit einer Fürstin mich vermählt, Und steh' nun da, verlassen wie ein Bettler? Wo ist die Macht, die Du gelobt zu legen In meine Hand? Bringt Deine Majestät Nur Eine dieser Memmen dort zum Steh'n? Schaff Hülfe große Königin! Schaff Hülfe! Der Feind rückt an, schon naht er Dunbar's Wällen, Ο heiße Helden aus den Steinen wachsen, Befiehl' den Katzen, daß sie Tiger werden Und gieße Feuer in ihr wäss'rig Blut! ... HUNTLY. H e r z o g !
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I. Text MARIA.
Was ich vermag - geschieht - Zu Huntly. Hierher, Mylord, Die Offiziere Uns'res Heers. Huntly ab.
BOTHWELL.
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BOTHWELL.
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Willst Du
Mit Worten Wunder wirken, oder durch Gebet die Feigen von der Feigheit heilen? MARIA. Jetzt Himmel! Weihe diese schwachen Lippen! Der Du die Sprache gabst, die zündende, Den Märtyrern und Lehrern Deiner Wahrheit, Gib sie der Kön'gin, die ihr Volk beschwört Gib sie der Frau, die Männer ruft zur That! Huntly und die Offiziere kommen. Ich ließ Euch rufen, werthe Herren ... Werth?!
MARIA. Um selbst mit Euch ein dringend Wort zu sprechen, In dieser Stunde äußerster Gefahr. Ich bin von Allen außer Euch verlassen, Mein Volk erhebt sich gegen mich, mein Bruder Verläugnend jede Treue - jedes Recht Ergreift die Waffen wider seine Fürstin, Und selbst ein Hochverräther und Empörer, Sä't er Empörung durch das ganze Land ... Geblutet hat mein Herz, als sich von mir Gewendet, Schlag auf Schlag, der Eine um Den Andern, doch nicht g a n z verloren hielt Ich mich, und meine Hoffnung baute fest Auf Eins: Auf Eure Treue - Offiziere Vom Heer der Königin! Hab' ich's umsonst Gethan? Wacht auf! Besinnt, ermannet Euch Wenn noch ein Funken Ehre in Euch glüht, Facht ihn im Herzen Eurer Krieger an! Schaart Euch um Bothwell, geht dem Feind entgegen ... EIN OFFIZIER. Nicht unter Bothwell ... BOTHWELL.
Schurken!
MEHRERE OFFIZIERE.
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Uns führen! ALLE OFFIZIERE. Huntly soll uns führen! MARIA. Himmel Und Erde! Immer die Empörung? Kreischt Sie mir aus j e d e m Mund entgegen? Starrt die Meduse mir aus jedem Antlitz?! ... Ihr kämpft für mich, wer immer auch Euch führe!
H u n t l y soll
Maria Stuart in Schottland
334 M e i n Banner ist es, dem Ihr folgen sollt, Nicht fragend nach der Hand, die es entfaltet. EIN OFFIZIER. Gib Huntly uns zum Führer, Königin. MARIA. Nicht Huntly! ALLE OFFIZIERE.
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BOTHWELL.
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Keinen oder Ihn.
MARIA heftig. Ihr wagt?! - Mit Ueberwindung. Ο Ihr ν e r m ö g t es jetzt, wo die Sekunde, Die ungenützt verfließt, ein sich'rer Schritt Mir zum Verderben ist - Bedingungen Zu stellen - einen Preis zu knüpfen, an Die Pflichterfüllung? Freunde, fordert nicht Bezahlung unschätzbarer Treu ... Ihr hört Mich nicht! Ihr wendet stumm Euch ab? ... Ward je Ein König so wie ich erniedert?! Huntly, Sprich Du zu ihnen - Du BOTHWELL. Nichteine Sylbe! Ihr sollt so sehr nicht schänden Eure Bitte Daß Ihr an Jene sie verschwendet - O! Die Bitte ist die Sprache des Vertrauens, Und sie versteh'n nur der Verachtung Sprache. Wüthend zu den Offizieren. Ich hab' für Euch ein einzig Wort: Ihr Hunde! Und alle Wuth, Verachtung, allen Haß, Uns eingeflößt vom Nied'ren und Gemeinen, Ergieß' ich in das eine Wort: Ihr Hunde! Und werf' Euch's in's Gesicht, und wünsche, daß Darauf es brenne wie ein Feuermaal, Untilgbar bis zum jüngsten Tag: Ihre Hunde! EIN OFFIZIER den Degen ziehend. Das fordert Blut! BOTHWELL ihn verwundend. Da hast Du Blut! Alle Offiziere dringen auf Bothwell ein, Maria und Huntly werfen sich dazwischen. HUNTLY ZU Bothwell. Verblendeter! Treibt Dich ein böser Dämon Zu jeder Handlung, die Verderben bringt? MARIA ZU den Offizieren. Zurück! HUNTLY. Gebt Raum, ich folg Euch, geht Ihr Freunde! EIN OFFIZIER ZU Maria. Wohlan! Wir geh'Η - voll Hasses gegen Diesen, Doch immer noch bereit für Dich zu sterben, Zwingst Du uns nicht den Mann zum Führer auf, Dem zu gehorchen uns entehrt. Offiziere ab. Ο Himmel! -
Beleidigt mich schon ungestraft dies Volk? Bin ich ein Schimpf der Knechte denn geworden? -
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I. Text
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Fürwahr! Ich wollt' ich wär' daheim in Bothwell, In meiner Väter, meiner Ahnen Erbe, In meines Hauses festgefugtem Bau Ein kleiner Herr, allein ein wahrer Herr. Mich dünkt, bei Gott, daß ich ein König war, Da noch mein Aug' nicht and're Kronen kannte, Als meines Hochlands stolze Föhren tragen! IVERNESS kommt. Herzog von Orkney, rettet Eure Fürstin! Lord Murray's Boten treffen ein in Dunbar, Und fordern auf die Bürger dieser Stadt, Euch auszuliefern und die Königin. Noch schwanken sie, noch ist es Zeit zu handeln. BOTHWELL. Zu handeln? Wie zu handeln? Thor und Tropf! MARIA. Zurück nach Edinburg! IVERNESS.
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Die Hauptstadt ist
In Deiner Feinde Händen. MARIA. Edinburg?! IVERNESS. Schließt seiner Königin die Thore. MARIA.
O!
BOTHWELL. Die Elenden!
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HUNTLY ZU Bothwell. Werft Euch dem Feind entgegen, Herzog Und hemmt nur eine Stunde seinen Fortschritt, Ich bring' indeß die Königin nach Niddie, Sein festes Schloß gewährt ihr sich'ren Schutz. BOTHWELL. Und ich soll hier indeß mich schlachten lassen? "Werft Euch dem Feind entgegen!" Tollheit das! Wirf einen Tropfen in den Strom hinein Du Narr und Träumer! Vielleicht dämmst Du ihn! HUNTLY. Ο Majestät, hinweg, hinweg von hier! IVERNESS. Wir schützen Dich! MARIA an Bothwell's Seite tretend. Der schützt mich oder Keiner! Verschmähend jede Sicherheit, die er Nicht theilt, erwart' ich hier die nahenden Empörer. HUNTLY ZU Bothwell. So spricht Königin Maria! Laßt Ihr durch ihre G r o ß m u t h Euch beschämen, So wie durch ihren g r o ß e n M u t h ? BOTHWELL. Beim Satan! Ich h a b e Mut! Ich hab' ihn gegen Zwei, Und gegen Drei, und gegen Zehn. Hierher Die kühnsten Führer der Rebellen! Einen Besteh' ich um den Andern, doch was soll
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Ich, Gift und Pest! mit ihrem Heer? - Ich hab' Ja keines, kein's! Und kann für einen Mann Allein nur steh'n, wenn auch für e i n e n ganzen. - Ich hab' kein Heer und lege somit auch Den Feldherrnstab, in meiner Hand ein Hohn Der Königin von Schottland hier zu Füßen, Schleudert den Stab zu Boden. Erhebe ihn wer mag - ich sag' mich los! MARIA. Unmöglichkeit! Ich opf re jeden Anspruch Auf Krone, Reich und Macht, eh' nur ein Blatt Am Baume Deiner Ehre welken darf. BOTHWELL. Genug der Großmuth, Königin, hör' auf Mir eine Gnadenfülle aufzudringen, Die anzunehmen endlich ich ermüde! Als Bube hab' das Danken ich verschworen, Mich eckelt, daß ich's wieder lernt' als Mann! MARIA. Bin ich von Sinnen? ... BOTHWELL.
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BOTHWELL. 25
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Ich bin es g e w e s e n !
Ich blinder Thor, der es zu spät begriff, Daß Macht zur Ohnmacht wird in Manneshänden Dankt er sie Weibergunst, nicht eig'ner Kraft. Was längst geschehen sollen, thu' ich jetzt! In Stücke reiß ich meine Sklavenkette, Und meine Sohle setz' ich auf die Trümmer. MARIA. Und Deine Schwüre ew'ger Lieb' und Treu? So kannst Du Schwüre brechen? ... Wie überwältigt von einem plötzlichen Gedanken. Himmel! ... Kön'gin!
-
mit schwacher Stimme. Das ist nicht Deine erste Lüge, Bothwell An einer größern krankt Dein scheu Gewissen Jetzt glaube ich, und mahne Dich daran: Du h a s t gethan, was Du zu thun verschworen Ich sehe Blut an Deinen Händen, Mörder! BOTHWELL. Ich h a b ' s gethan, durch mich fiel König Darnley Ich hab's u m D i c h gethan - Unselige! MARIA. Entsetzlich! BOTHWELL. Trag der Unthat größ're Hälfte! Ich pflückte ihre gold'nen Früchte nicht. MARIA. Bothwell! BOTHWELL. Hörst Du die Trommeln der Empörer? Sie kommen, o! das ist ihr Sieg'sgeschrei! MARIA
I. Text
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Voran, auf weißem Roß Dein Bruder Murray — Ich will nicht seiner warten, seinen Hohn Nicht hören, seinen Sieg nicht seh'n - sie kommen, Mit dem Fuße stampfend. Ο treuelose Erde - trägst Du sie?! MARIA. Erbarmen, Bothwell! Gib Dein Weib nicht Preis Dem Uebermuthe siegender Empörer BOTHWELL. Bist Du nicht Königin? Beschütz' Dich selbst. Zu seinen Leuten. Heran! Und folget mir. MARIA. Nicht von der Stelle! Bevor Du mir gegeben, was auf Knien Von Deinem Mitleid ich erfleh: den Tod! BOTHWELL. L a ß m i c h !
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MARIA. Die letzte Gunst gewähre - zieh' Dein Schwert - und triff' - in's Herz - hierher, - Du kennst Die Stelle wohl - hast oft an ihr geruht. BOTHWELL. Ha! Neue Künste nun? Vergeblich - Weib! Ich bin gefeit gen alle. Ich durchschaue Dich ganz, Syrene mit dem Kinderauge, Und mit der Brust voll Arglist und voll Tücke! - Was Du verheißest, ist Glückseligkeit, Was Du gewährst, Höllenqual und Pein, Dein Wort ist Balsam - Gift sind Deine Thaten Deine Geschenke, Goldesechtheit lügend Bei der Berührung Moder - ekler Staub! HUNTLY vorstürzend. Genug! ZU den Seinen. Wer folget seinem Herrn? Wer ist Ein Mann und will nicht fallen, wie ein Schelm In schmachvollste Gefangenschaft? Seine Leute umdrängen ihn. Das Schwert Zur Hand! Schließt Euch um mich, und d u r c h nun in Die Freiheit!
BOTHWELL
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MARIA.
Bothwell!
auf Bothwell eindringend. Nieder streck' ich ihn Daß er, wie sich's gebührt, den Boden leckt, Den Deine Sohle trat.
HUNTLY
BOTHWELL.
R a u m da!
um den sich seine Leute schließen. Komm' an! BOTHWELL und die Seinen werfen sich auf sie mit dem Schrei: Durch! HUNTLY,
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MARIA. HUNTLY
Huntly! - H e r zu mir! ZU
Bothwell, der die Reihen seiner Anhänger
durchbricht.
Maria Stuart in Schottland
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5
So geh! Du bist Nicht werth von eines Braven Hand zu fallen. BOTHWELL. Triumph! Nun bin ich Bothwell wieder! - Frei Wie freie Luft, und ganz ich selbst! Ζu seinen Leuten. Folgt mir! Zu Huntly. Und wehe dem, der in den Weg mir tritt! Unter Geschrei und Tumult der Seinen ab. MARIA zusammensinkend. Ο leidgewohntes Herz, Du brichst! LADY ARGYLL. Maria! Königin! - Hilf Himmel, sie Vergeht! ... HUNTLY.
Ο die B e k l a g e n s w e r t e !
Kriegerische Musik, Geschrei und Getümmel hinter der Scene. Murray's Stimme. MURRAY.
Hier
Sind sie! Sitzt ab - mir nach!
Fünfter Auftritt Truppen ziehen auf, auf ihren Fahnen ist Darnley's Leiche, und ein vor ihr kniendes
Kind
gemalt.
Von der entgegengesetzten RUTHVEN. Des Herrn! MAR kalt abweisend.
MURRAY, M A R , ATHOL, KERR, OFFIZIERE.
Seite kommen DOUGLAS und RUTHVEN. Willkommen Streiter
Auch Euch?
MURRAY .
W o ist d i e K ö n i g i n ?
HUNTLY. In meinem Schutz. MURRAY.
Und Bothwell?
HUNTLY.
Gericht - entfloh'η. MURRAY.
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Euerem
Wohin? Zu seinen Leuten. Zu Pferde - auf! Zerstreu't Euch in der Gegend, hetzt ihm nach! Der ihn mir bringt, dem zahle ich mit Gold Ein jedes Haar auf seinem Scheitel. Fort! Eine Schaar von Murray's Leuten ab. MURRAY zu Maria tretend. Du aber - Ha! - Zu spät!
Sind sie! (H1, E1) ] Sind Sie! (H2) Schreibfehler
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I. Text
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DOUGLAS. Gerechter Gott! MAR. Ohne Leben? LADY ARGYLL. Sie regt sich - Dank dem Himmel! HUNTLY. Wofür? - Daß sie zu solchem Leid erwacht? MARIA schlägt die Augen auf, und erhebt sich mit Hilfe Lady Argyll's. Sie blickt anfangs fremd und betäubt, dann lebhafter, wie suchend um sich, endlich stürzt sie mit einem Schrei an Lady Argyll's Brust. Fort! ERSTER SOLDAT ZU den Uebrigen. Seht die Mörderin! ZWEITER. Ihr Buhle selbst Hat sie verlassen. DRITTER. Auf das Blutgerüst Mit Ihr! VIERTER. Wagt sie die Augen aufzuschlagen? MAR ZU den Soldaten. Still! Wer spricht? MURRAY. Maria Stuart, blick um Dich! Es stehen hier, und fordern Rechenschaft, Für alle Pflichten, welche Du verletzt, Für das Gesetz, das Du mit Füßen tratst, Die Großen Schottlands - Deines Volkes Boten. EIN OFFIZIER. Wo ist Dein Gatte, Königin Maria? EIN ZWEITER. Von wessen Hand fiel Heinrich Darnley? Sprich! KERR auf die Fahnen zeigend. Die Fahnen sieh, worunter wir gekämpft! Vor seines Vaters Leiche kniet Dein Sohn, Und schreit zu Gott um Rache wider Dich! MARIA blickt empor und wendet sich schaudernd ab. Du bist erhört mein Kind! MAR. Als Deinen Sohn, Vor jedem Feind zu schützen ich geschworen, Besorgt ich nicht, Dein Gegner je zu werden. MURRAY. Dein Volk Maria, spricht durch mich zu Dir, Und kündet Dir Gehorsam auf und Treue, Wie Du sie beide brachst an Deinem Gott. RUTHVEN. So spricht der Herr der Herren: Thue weg Den Hut, und lege ab die Krone! SOLDATEN.
Sie ab! MURRAY.
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Leg'
Entsag' ihr, die Du nicht getragen
Für das Gesetz, das Du (Η 1 , E 1 ) ] Für das Gesetz, daß Du (H2) Schreibfehler
Maria Stuart in Schottland
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Zu Schottlands Wohl, zu Deinem eig'nen Ruhm. Vor diesen Zeugen, Königin, entsage! MARIA. Ihr habt die Krone mir vom Haupt gerissen, Braucht es daß ich noch spreche: Nehmt sie hin? MURRAY. Im Angesichte Gottes, frag' ich Dich: Bist Du bereit, jedwedem Recht und Anspruch, (Für jetzt, und alle Zukunft,) auf dies Reich, Zu Gunsten Deines Sohnes zu entsagen? MARIA. I c h b i n ' s .
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M U R R A Y . SO SOLDATEN.
heb' die Hand, und schwöre! Schwöre!
den befleckten Reif, auf Deine reine Schuldlose Stirn', mein Kind! MURRAY. D U zögerst? MARIA. Ο
MARIA.
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Nein...
Ich hab' entsagt. SOLDATEN. Hoch lebe König Jakob! HUNTLY. Fürwahr - nicht länger kann ich schweigend hören! Zu den Soldaten. Bei meinem Leben, überfrech Gesindel, Den hau ich nieder, der ein Wort noch wagt! Zu den Lords. Euch aber frag' ich, die Ihr Euch vermeßt Zu richten über ein gesalbtes Haupt: Wer gab Euch dieses unerhörte Recht? Ihr Diebe an dem Heiligsten und Höchsten, Ihr greift mit kirchenschänderischen Händen, An G o t t e s vorbehalten Eigenthum ... MARIA. Still Huntly, still! Beruf Dich nicht auf Ihn Bei dessen Namen mein Gebein erbebt... Er selber trifft - Er selber will die Wunde, Zürnst Du dem Werkzeug womit er sie schlägt? MURRAY. Ihr höret! Die Verbrecherin erliegt Der Bürde ihrer Sündenlast. Maria, Nicht K ö n ' g i n mehr: G e f a n g ' n e Deines V o l k s ! Folg' Deinen Richtern, komm nach Edinburg. Zu den Uebrigen. Nach Edinburg, zur Krönung König Jakob's! Die ausgeschickten Leute kommen. Allein? - Wo habt Ihr Bothwell? E I N SOLDAT.
Schick uns u m
Den Teufel, und wir bringen ihn - nicht Bothwell.
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Ihr Euch vermeßt (Η1, E1) ] Ihr Euch vermißt (H2) Schreibfehler
I. Text
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EIN ZWEITER. Kein Fußbreit mehr hielt mich von ihm getrennt, Den Felsenabhang jagt er hin zum Strom. Der Geier schießt nicht wilder auf die Beute Als wir auf ihn und seinen kleinen Troß ... Doch er, verwünscht! er überjagt den Pfeil, "Erreicht Dich nicht der Fuß, die Kugel thut's," Denk ich, und schick' ihm eine nach, er wankt. MARIA. Ο Gott! SOLDAT. Die Andern legen an - und: Feuer! Da habt Ihr's - Rechts und Links - und da und dort Pfeifen die Kugeln hinter ihnen her Und treffen - treffen nicht, nach Jägerglück. Vor ihm fällt Einer, und zur Linken, ihm Der Nächste, liegt im Blut. Er aber fort, Ob rothe Spuren seinen Weg bezeichnen, Ein angeschoß'ner Eber, bis zur Bucht. Zwei Kähne ankern dort - der Troß hinein! Bothwell zuletzt - die Andern greifen nach Den Rudern - "Stoßt ab!" tönt's - und hole mich Der Teufel! Es geschieht. O'Mail, voran Uns Allen, kommt dazu und sinnt nicht lang, Und Hui! Ein ungeheurer Sprung. - In's Schiff, Dem Bothwell nach, als wie ein Rasender! Sie ringen - O'Mail Hegt - der Riese! - Doch Nur einen Augenblick; im nächsten schon Hat Bothwell hoch in Lüften ihn erhoben Und schleudert ihn an's Felsenufer hin, Daß schier zu Brei die Knochen er zermalt, Und seinem Schädel, der in Trümmer flog, Gehirn und Blut, wie einem Quell enttroff. MURRAY. Ihr aber - wie die Affen - steht am Ufer Und seht ihm zu! SOLDAT. Mit ungelad'nen Büchsen Vor Wut und Galle schäumend - indeß er Schon auf den Wellen trieb. MARIA an Lady Argyll's Halse weinend. Ein Heimatloser! ... LADY ARGYLL. Hast Du noch Thränen, Unglückselige, So weine über Dich - nicht über ihn. MURRAY. Bereitet Euch zum Marsch nach Edinburg, die Knochen er zermalt (H2) ] die Knochen er zermalmt (Η 1 , E') wie einem Quell enttroff. (Η', E 1 ) ] wie einem Quell entroff. (H2) Schreibfehler
Maria Stuart in Schottland
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Wir brechen auf, noch eh die Sonne sinkt. Alle ab, außer Maria, Murray, Huntly, Lady Argyll und einige Wachen im Hintergrunde. MURRAY ZU Maria. Auch Du, bereite Dich. MARIA. Ο Bruder Murray, Erspare mir den Hohn und Spott des Pöbels Ο Bruder Murray - nicht nach Edinburg! MURRAY. Doch muß es sein, ich kann nichts für Dich thun. MARIA. L a ß m i c h entfliehn.
forschend. Zu - Elisabeth? - zurückfahrend. Elisabeth?! MURRAY. Der Weg zu ihrem Throne steht Dir offen. MURRAY MARIA
HUNTLY. N i c h t d a h i n !
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MURRAY. Nicht? - So komm nach Edinburg, - Zeig Dich dem Volk, das lechzt nach Deinem Anblick, Gönn' ihm die Lust, die stolze Königin, Einmal erniedrigt - und beschimpft zu seh'n. MARIA. Laß mich nach England flieh'n. MURRAY.
Du wolltest?
HUNTLY.
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MARIA.
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Also thu ich. Eines nur
Gewähre gnädig mir - bevor ich gehe: Laß mich mein armes, liebes Kind umarmen! MURRAY. Das kann nicht sein. MARIA. Wer darf's mir weigern? Ist's Ja doch noch mein! MURRAY. Du hast das Recht verscherzt Es Dein zu nennen. MARIA.
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O! -
- Zu Deiner schlimmsten Feindin?! MARIA auf Murray zeigend. Sieh - das war Ein Freund! MURRAY. Ist Dein Entschluß gefaßt, will ich Aus Mitleid Deine Flucht begünst'gen. Wähle Ein klein Gefolge unter Deinen Leuten, Und scheide.
Einen K u ß nur, auf
Die blonden Härchen, - seine Augen, und Den zarten Mund - Nur einen Segen auf Sein kleines Haupt! MURRAY. E S kann nicht sein. Ich sprach's. M A R I A . Ο Murray, wird Dir je ein Sohn geboren, So bete, daß bei seinem Anblick Dir
I. Text
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Nicht die Erinnerung an diesen Tag Vor die entsetzte Seele treten möge! ... MURRAY. Die Stunde drängt - benütze ihre Gunst, Bis an die Grenze hast Du frei Geleit. Er tritt zurück und spricht mit einer Wache, diese ab. L A D Y ARGYLL und HUNTLY . Wir folgen Dir. MARIA. Ihr bleibt. Allein will ich Dem Loos entgegen geh'n, das ich allein Beschworen auf mein Haupt. L A D Y ARGYLL.
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MARIA.
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W a s h a b ich Dir
Gethan, daß Du mich von Dir stoßest? HUNTLY. Kannst Du so hart uns strafen? Hab Erbarmen ... MARIA. ZU lang schon büßt, Ihr Lieben, meine Schuld, Maria Stuart's Freunde sind Verwaiste, Sie sollen nicht auch Heimatlose werden ... Ihr weint? Ο räthselhaft Geschick! Als ich Dies Land betreten, unschuldig und rein, Von allem Glanz der ird'schen Macht umgeben, Die achtzehnjährige Kön'gin dreier Reiche Da schlug kein Herz auf diesem ganzen Eiland, Der jungen Fürstin theilnahmsvoll entgegen, Und nun, wo ich's verlasse, arm, gebrochen, Ein schuldbelad'nes, leidzerriß'nes Weib, Begleiten Thränen mich auf meinem Weg? Siefaßt Lady Argyll's und Huntly's Hand, und zu den Knieenden Ein tief'rer Vorwurf ist mir Eure Liebe, Als aller Haß, den ich erfahren hab! ... Ich laß Euch meinem Sohne! Sagt ihm, daß Als seine Mutter hilflos von hier schied Sie ihm ihr Letztes, Bestes, hinterließ: Zwei warme Herzen, die ihr treu geblieben! - Den Kuß für meinen Knaben! Leonor Den Händedruck für ihn, mein wack'rer Huntly! Ach! Es ist Alles was ich geben kann! Lebt wohl! Und wenn er wächst, gedeiht und blüht, Lehrt ihn den Namen seiner Mutter nennen, Nicht richtend Freunde - liebend! liebend! MURRAY. Folg Deinen Führern. Zu-Elisabeth!...
Gethan, daß Du mich (Η 1 , E 1 ) ] Gethan, das Du mich (H 2 )
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gebeugt:
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Maria Stuart in Schottland - So leb denn wohl, du Stätte meiner Schmerzen, Ο schott'sche Erde, einst mir unterthan! - Du trägst kein Weh, mit welchem ich nicht tauschte, Und keinen Stein - den ich nicht neidete! Ο Heimaterde, meine Thränen küssen, Und meine Lippen Deinen heil'gen Grund, Und: Segen! Segen! ist mein letzt Gebet, Und heiße Reue jeder Athemzug! Ein weinend Kind liegt hier an Deiner Brust, Und fleht verstoßen, eh es von Dir geht: Vergib ο Mutter - was ich Dir gethan! Zu Lady Argyll und Huntly. Lebt wohl. Zu Murray. Leb wohl auch Du - Ο Murray! Murray! Sei meinem Knaben mild! MURRAY. Leb wohl Maria. Maria auf Lady Argyll gestützt, Huntly und die Wachen ab. MURRAY. Ich bin Regent von Schottland! BEDFORT tritt auf. Ist's gelungen? MURRAY. Maria ist auf ihrem Weg nach England. BEDFORT. Sie sucht dort Schutz und findet einen Richter! Es ist für sie der Weg zum Blutgerüst. -
II. Kritischer Apparat
Maria Stuart in Schottland
1. Editorische Hinweise Zeichen und Abkürzungen: {} Tilgung {{ {} }} () ( (()) ) {()} !1 [] χ x-x x-x-x aR ndZ üdZ udZ
sekundäre Tilgung, eine primäre umschließend (so daß also eine Tilgung innerhalb der Tilgung vorhanden ist) Hinzufügung sekundäre Hinzufügung, innerhalb einer primären enthalten getilgte Hinzufügung Tilgung durch Daraufschreiben Ergänzung der Herausgeberin unleserlicher Buchstabe unleserliches Wort unleserliche Wortgruppe am Rande neben der Zeile über der Zeile unter der Zeile
Η Ε WSLB IN / ZPH
Handschrift Einzeldruck Wiener Stadt- und Landesbibliothek Inventarisierungsnummern
Wiedergabe der Texte: Die Kurrentschrift in H' und H 2 ist in Antiqua wiedergegeben. Der unterstrichene Antiqua-Text in den beiden Handschriften für Akte, Szenen und Personen wird ohne Unterstreichung wiedergegeben, wobei Personen zusätzlich als Kapitälchen erscheinen. Die unterstrichenen Bühnenbeschreibungen der Handschriften sind kursiv gesetzt wie auch die Szenenanweisungen, die in H' in runden Klammern stehen und in H2 in Schrägstrichen erscheinen und unterstrichen sind. Der Versverlauf wurde aus den Originaltexten (Handschriften und Einzeldrucken) übernommen. Die in den Handschriften verwendeten Unterstreichungen im Text werden als Sperrung wiedergegeben. Abbreviaturen, zur Beschleunigung des Schreibens verwendet ("u." für 'und', "L." für 'Lady'), werden ausgeschrieben. Zitate und Verweise: Zitatnachweise erfolgen unmittelbar nach den Zitaten in runden Klammern oder in Fußnoten mit Namen und Seitenangabe. Für ungedruckte Quellen und für Sammelausgaben werden Siglen verwendet, die im Quellenverzeichnis aufgeführt und mit bibliographischen Angaben versehen sind.
Maria Stuart in Schottland
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2. Zur Gestaltung von Text und Apparat Der kritische Apparat berücksichtigt die beiden Handschriften (H1 und H 2 ), den Einzeldruck (E1) mit den später hinzugefügten handschriftlichen Korrekturen (E IK ) und dem vollkommen überarbeiteten und neu gedruckten dritten Aufzug (E2) sowie als separaten Text den im Einzeldruck ursprünglich enthaltenen alten dritten Aufzug (E1, Dritter Aufzug). Die in H1 vorgenommenen Tilgungen und Hinzufügungen sind in dem laufenden Text verzeichnet. Nicht alle wurden in den Einzeldruck E' übernommen, aber die meisten erscheinen in H 2 . Nach dem Einzeldruck kam es zu einer vollkommenen Überarbeitung des Textes, wobei die erheblichsten Änderungen im dritten und vierten Aufzug vorgenommen wurden. Der dritte Aufzug wurde dann separat gedruckt (E2) und gegen den alten dritten Aufzug in den meisten (aber nicht allen) Exemplaren von E1 ausgetauscht. Der vierte Aufzug von E1 weist gegenüber H1 Änderungen und Kürzungen auf. Weitere Kürzungen im vierten Aufzug weist H 2 auf. Im Variantenverzeichnis werden H 1 und E 1 (mit E!1C) sowie E' (mit E 2 und E' K ) und H 2 in chronologischer Abfolge einander gegenübergestellt. Orthographie, Interpunktion und Vers verlauf werden beibehalten. Eingegriffen wurde nur bei offensichtlichen Wortfehlern und sinnentstellenden Schreib- oder Setzfehlern, die in einer Fußnote erläutert werden. Fehlende Umlautpunkte wurden ergänzt. Die häufig auftretenden Veränderungen in der Orthographie, in der Laut- und Wortgestalt sowie der Interpunktion werden unter den Sammelvarianten beschrieben und mit Beispielen belegt.
3. Sammelvarianten Viele orthographische Varianten basieren auf der Uneinheitlichkeit der damaligen Rechtschreibung. Auch die Interpunktion weist von Text zu Text erhebliche Variationen auf. Im Folgenden werden anhand von Beispielen die Varianten erläutert. Dabei handelt es sich bei den Beispielen nicht um eine vollständige Liste. In den Erläuterungen steht für E 1 mit E 2 und E1K verkürzt E 1 .
a. Vokalismus und Konsonantismus α . Im Anlaut wird in allen Fassungen eher Ae und Ue verwendet als Ä und Ü: Aeußersten (213,5; 315,26), Aehrenmeer (154,30; 260,17), Aergerniß (260,35), Aether (218, 39; 321,20), Uebermacht (143,28; 158,26,29; 249,32; 264,7,10), Ueberlegung (146, 20; 148,6; 254,1), Ueberraschung (153,1), Ueberwundene (171,18;
II. Kritischer Apparat
349
276,14), Uebrigen (191,15; 192,26; 296,13), ueben (193,17; 298,18), Ueberzeugung (209,37; 211,13; 212,23; 224,30; 313,18; 314,13), aber in H1 und E' auch Ärgerniß (27,6; 155,8). ß. In allen drei Fassungen wird äu statt eu verwendet: Verläumdung (155,19; ] 90,22; 261,8; 295,17), läugnen (220,20; 322,20), Verläumder (162,1; 267,9). γ. In allen drei Fassungen wird flir das Substantiv Hilfe und seine Adjektive die Schreibweise mit ü verwendet: Hülfe (152,25; 167,8,18; 169,11; 197,14; 231,11; 258, 18; 272,6,18; 274,6; 293,4), hülfreich (167,12; 272,12). Allerdings kommt vereinzelt auch Hilfe (188,7) vor. δ. ie und i: In allen drei Fassungen wird überwiegend i statt ie in gib und gibt verwendet, obwohl vereinzelt auch ie vorkommt: gibt (141,24; 147,16; 211,32, 253,16), gib (195,8), aber auch gieb (15,28). ε. Vereinzelt taucht in den Fassungen noch oo und überwiegend aa statt des einfachen Vokals auf, obwohl einige von H' auf E' und H2 getilgt wurden. Außerdem steht umgekehrt a, wo nach der Rechtschreibreform von 1901 aa vorzufinden ist: Loos (142,16; 241,16; 248,20; 304,4), Schaar (143,28; 163,2; 203,19; 209,11; 249,32; 268,10; 306,17; 308,9; 313,7), schaart (232,6; 333,27) Feuermaal (232,35; 334,23), aber Wagschal (178,17; 283,16), Wage (216,20; 220,11; 319,8; 322,11). ζ. Bereits in H' wurde ss zu ß durch Darüberschreiben korrigiert, aber ss taucht noch in einigen Wörtern auf. In allen Fassungen steht meistens noch blos (174,4; 202,31; 307,28), blosgestellt (174,17; 279,18), aber auch schon vereinzelt in H2 bloß (281,5; 314.9). η . Substantive mit der Endung -nis haben noch in allen Fassungen das damals gebräuchliche -niß: geheimnißvollem (143,37; 249,41), Gefängniß (162,3,6; 267,11,14), Zugeständniß (168,29; 273,27), Einverständniß (190,23; 295,18), verhängnißvollem (229,14; 331,7), Ärgerniß (155,8), Besorgniß (187,29; 292,23), Gedächtniß (188,13; 293.10). Θ. Von H' auf E' und H2 wird grundsätzlich t verstärkt durch th ersetzt, wenn auch nicht vollkommen konsequent: Muthe (152,12; 281,23), Wuth (143,9; 150,20; 320,20; 334,19), Verrath (159,1,2,20; 165,20; 264,18,19,20; 265,5), verräth (154,39), Demuth (167,7; 272,5), Großmuth (151,19; 154,15; 257,12; 260,2), Armuth (175,31,37; 280,29,35), Rathschluß (177,13; 282,13), muthig (143,27; 179,26; 249,31; 284,28), demüthigen (179,31; 284,32), Thier (185,11; 188,31). In H2 steht aber auch hochmütig (256,11), Schwermut (286,6). In H' tritt -th auch gelegentlich auf: Vortheil (23,4), gethan (26,10), theilen (30,28), Unterthanen (32,23), theure (54,1), Theil (16,3), Thorheit (35,22). i. Dehnungs-h wird grundsätzlich von H' auf E' und H2 gesteigert eingesetzt: gezählt (151,6; 175,24; 280,22; 256,36), Befehl (142,30; 148,24; 161,19; 262,17; 267,1), vermählt (168,22; 231,6; 332,26), wählest (171,3), wählen (178,7; 218,19; 274,18; 283,6), erwähle (169,32; 274,18), erzählen (228,19; 330,15), befiehlt (166,11; 209,13; 271,11; 313,9), reichbezahlten (198,4; 302,4). Aber es steht auch noch Gemal (161,
Maria Stuart in Schottland
350
19; 218,36; 267,1; 321,17), obwol (154,18; 260,5), allmälig (146,16; 201,17; 252,16; 306,17) oder in H2: befiel (262,16) neben befiehlt (271,11) und vermält (273,20). κ . t, d, dt werden meistens noch inkonsequent verwendet. In allen Fassungen steht: Todschlag (164,20; 211,12; 269,20; 314,12), todte (194,13; 216,26; 319,14; 260,16), tödten (165,23; 229,12; 270,20; 288,3), tödtlich (181,24; 286,24), todt (182,22; 207,7; 287,19; 305,1). todtenstille (203,20; 308,10).
b. Groß- und Kleinschreibung α. Bei Anredepronomina ist die Großschreibung nicht immer konsequent in den Fassungen: wie Ihr, und stimm' euch (148,15; 254,10), Seid Ihr! Raubt Euch (21,15; 149,13), aber in H2·. Seid Ihr! Raubt euch (255,8). ß. Indefinitpronomina und Zahlwörter werden in allen Fassungen überwiegend groß geschrieben: Alles (141,11; 151,36; 247,11; 257,28), Alle (157,18; 160,13; 263,4; 265,27), Allen (169,26; 189,8; 274,21; 294,8), Anderen (158,15; 159,3), Keiner (160,14; 203,11; 308,1; 312,4), Jeder (160,18; 179,1; 314,21; 317,22), Nichts (182,11; 191,11). Aber auch gelegentlich steht in H2: keinem (275,5) und in E': alles (212,14), keiner (213,18), nichts (145,26).
c. Fremdwörter ct. Bei folgendem Verb romanischen Ursprungs steht in allen Fassungen -iren: reformirten (30,20; 158,31; 264,12). ß. Es kommt zu einer Angleichung in H' und E' an die romanische Schreibweise: Terrasse (13 vor 1; 141 vor 1), in E' wie in H2 steht aber auch Terasse (160 nach 21; 247 vor 1; 266 nach 5). γ. Es kommt zu einer Angleichung an die englische Schreibweise in allen Fassungen: Gallerie (35 vor 1; 164 vor 1; 269 vor 1). δ. c wird bei folgenden Wörtern romanischen Ursprungs in allen Fassungen statt k oder ζ verwendet: Complott's (16,4; 143,37; 249,41), Comödie (23,21; 151,31; 257,24), Cardinal (55,26; 56,2; 290,7), Crucifix (73,2; 201,2; 306,2), Act (217,23; 320,3), Scene (101 nach 31; 229 nach 28; 331 nach 21), Scepter (44,18; 173,5; 278,1; 304,6); aber in E': Kardinal (185,6,8; 290,5) und Doktoren (205 vor 1).
d. Der Apostroph Grundsätzlich wird von H' auf E' und H2 der Apostroph mehr eingesetzt. Allerdings tritt der Apostroph im neu bearbeiteten dritten Aufzug weitaus mehr in E' als in H2 auf.
351
IL Kritischer Apparat
α. Apokopierung und Synkopierung bei Verben: Grundsätzlich wird von H' auf E' und H2 der Apostroph öfter eingesetzt, obwohl nicht so häufig in H2: geh'n (230,9; 233,3; 334,30), steh'η (146,27; 234,23; 252,27; 314,5), nenn' (153,28; 165,5; 259,24; 284,12), gesteh' (161,18; 266,27), fleh' (164,15; 212,7; 265,18; 269,15), geh' (151,21; 164,15; 257,14; 269,16), such' (165,10; 270,7), mög' (168,32; 273,30), ruf (188,7; 218,21; 248,26; 321,2), laß' (162,11; 167,11; 267,19; 272,9), einzusteh'n (224,29; 326,30), hätt' (229,22; 230,6; 270,9; 331,15). Aber der Apostroph steht auch in H': befrei'η (25,22; 47,29), denk' (31,6), seh'n (36,28; 16,2). ß. Apokopierung und Synkopierung bei Substantiven: Grundsätzlich tritt von H' aufE' und H2 der Apostroph öfter auf: Wiederseh'n (146,8; 169,5; 252,8; 275,40), Unruh'n (169,10; 274,5), Ruh' (229,6; 330,9), Stund' (156,14; 262,10). γ. Beim Genitiv wird von H1 auf E' und H2 der Apostroph getilgt: Vermittlers (151,32; 257,25), Führers (159,28; 265,13), Opfers (143,14; 249,17), Kanzlers (149,19; 255, 14), aber er tritt noch auf in Sohn's (156,11; 211,12), Befehl's (142,30; 149,9), Angriff's (143,1), Clan's (158,22). δ. Beim Genitiv von Namen wird von H' aufE' und Η2 der Apostroph getilgt: Earls (158,34; 264,15), Elisabeths (169,2; 273,37), Bothwells (213 vor 3; 315 vor 26), aber er tritt auch noch auf: Rizio's (142,7; 248,10), Maria's (152,9; 258,2), Jehova's (197,7; 302,4), Schottland's (224,27; 326,28). ε. Beim Plural wird von H1 aufE' und H2 der Apostroph getilgt: Lords (166,9; 170,13; 271,9; 275,6), Peers (212,6; 212,26; 314,31; 315,18), Sirs (209,5; 313,1), Mylords (149,3; 216,10; 254,35; 269,14). ζ. Bei Synkopierung der Indefinitpronomina und Zahlwörter wird von H' auf E' und H2 der Apostroph getilgt: keins (155,27; 261,16).
e. Interpunktion Die Interpunktion in den drei Fassungen ist in der Setzung von Kommas, Gedankenstrichen, Ausrufe- und Fragezeichen, Punkten sowie dem Einsatz von drei Punkten sehr unterschiedlich. In Η' ζ• Β. wird der Gedankenstrich am meisten eingesetzt, in E' weitaus weniger und am wenigsten in H2. Grundsätzlich stimmt die Interpunktion in E' eher mit H2 überein als Η', aber im neu bearbeiteten dritten Aufzug sind weitaus weniger Kommas in H2 gesetzt als in E2; sie fehlen ζ. B. vor Konjunktionen. Anreden werden nicht immer durch Kommas abgesetzt oder in Kommas eingeschlossen. Auch weist H2 weniger Gedankenstriche und andere Satzzeichen auf als E'. Die Kommasetzung, die in H' noch recht inkonsequent und oft unrichtig ist, wird in E1 und H2 verbessert. Trotzdem gibt es mitunter noch Inkonsequenzen. a. Das Komma (Η1, H2) wird zur Trennung von Satzeinheiten in E' in ein Semikolon verwandelt: Erwartet hab' ich meinen Sohn; daß ich's / Umsonst gethan (141,21).
Maria Stuart in Schottland
352
β. Das fehlende Komma vor Relativpronomen wird von H' auf E1 und H2 eingesetzt: Und seinem Ehrgeiz, der nicht Grenzen kennt (144,5; 250,8); im Haus, das ich betrete (144,7; 250,7); Macht, die er geübt (145,23; 251,25); Unschlüssig, was es thun (146, 24; 252,25); Willen Gottes, der Dich (147,13; 253,70); die Huld, die Du (153,12; 259, 8); Segen kündend, welcher (154,33; 260,20); Keiner, der (116,14; 265,28); Für alles, was (175,16; 280,14). γ. Das fehlende Komma vor Infinitivkonstruktionen wird von H' auf E' und H2 eingesetzt: wir gehegt, Euch hier zu seh'n (144,2; 250,2); wag ich's, einen Vorschlag denn zu tun (169,30). Aber es herrscht keine vollkommene Konsequenz, wie ζ. B. bei: gewußt was (266,7). δ. Kommas vor Konjunktionen wie daß, weil und wenn werden von H' auf E' und H2 eingesetzt: Begehrend, daß ihr Wille (148,10; 254,5); Auge täuscht, wenn es (155,4; 260,31); Sie thut es, weil sie (168,20; 273,18). ε. Von H' aufE' und H2 werden Kommas vor und gesetzt, wenn ein vollständiger Satz folgt: einen Diener mehr, und Du / Hast ihn verloren (152,4-5). ζ. Appositionen werden von H' auf E1 und H2 in Kommas eingeschlossen: Rizio, den Kanzler, (144,17; 250,18). η. Die Anrede wird von H' auf E' und H2 durch Komma abgetrennt oder in Kommas eingeschlossen: keine Lüge, Lennox (144,15; 250,16); geschehen, theure Lady? (156,12; 262,8); hören, meine Freunde (157,19; 263,5); Rücksicht, Lord, (159,10; 264,27); Verzeihung, Herr (269,8; 164,8); Glück, Mylord, (166,3; 271,3); Nein, Mylady (276,15; 171,19). Im überarbeiteten dritten Aufzug aber fehlt diese Abtrennung oder Einschließung der Anrede durch Kommas des öfteren in H2. Θ. Gedankenstriche im Satzgefüge werden grundsätzlich von H' auf E' und H2 durch Kommas ersetzt", straft' ich,wär' (172,6; 276,33).
4. Variantenverzeichnis Bereits die Handschrift H' weist Tilgungen und Hinzufügungen auf, die zum größten Teil in den Einzeldruck E' übernommen wurden. Manche Änderungen, die nicht in den Erstdruck eingehen, erscheinen aber in der Handschrift H2. Der dritte Aufzug in H' stimmt, von kleinen Änderungen abgesehen, mit dem Text in E' überein. Die größten Unterschiede zwischen H' und E1 treten im zweiten und dritten Auftritt des vierten Aufzugs und im dritten Auftritt des fünften Aufzugs auf. Das folgende Variantenverzeichnis geht bei H' von dem korrigierten Text aus und legt dem Vergleich des dritten Aufzugs die Fassung E' zu Grunde. Die unterschiedliche Orthographie und Interpunktion wird in diesem Verzeichnis nicht berücksichtigt.
II. Kritischer
Apparat
353 H1
E' m i t E' K
I, i 13 ,2
hochverehrter Lord
13.7
Ihr seht Mylady mich so tief bewegt
14.27
noch sträubt sich auf mein Haar,
15.28
Mit seinem Blut benetzend
15,35
Vom edlen Bothwell
ehrwürdiger Lord Ihr sehet mich so tief bewegt, Mylady, noch sträubet sich mein Haar, Mit seinem Blute netzend Vom kühnen Bothwell
I.ii 17,2
daß König Darnley eifersüchtig
daß der König eifersüchtig
17,21
So h o f f auch ich.
So h o f f ich auch.
I, i v 20.13
D a r n l e y . Ich stimm'
DARNLEY. Ich denk' wie Ihr, und stimm'
20.14
Euch bei My lord! Man soll nicht sagen, daß
euch bei Mylord.
20.15
Zum ersten Mittel der Gewalt wir griffen,
[fehlt]
20.16
Bevor der Milde letztes war erschöpft.
[fehlt]
I, v i 28.13
Zu Maria. Ich bin beschämt.
Ich bin beschämt.
29.8
Den gräßlichen Verrat an Deiner Gattin -
Den ungeheuren Frevel an der Gattin -
29.9
Und Königin!
Der Königin!
30.14
Was Ihr gebietet daß er wollen soll.
Was Ihr befehlet, daß er wollen soll,
333
nicht von mir weisen.
nicht gehen heißen.
34,1
Euer Verdienst stammt nur aus
Die Tugend, die Euch schmückt, ist nur
Reicht ihm versöhnt die Hand.
Versöhnet Euch mit ihm.
34,8
II, i 35,26
mit Eurer Ehrlichkeit?
mit Euerer Gesinnung?
36,32
Zur trauten Feier, süßen Wiedersehn's! -
Zum süßen Wiedersehen zweier Gatten! -
II, ii 37.6
Nicht uns geziemt's des Unrechts zu gedenken
Nicht ihren Dienern ziemt es da zu richten
37.7
Das sie vergaß.
W o sie verzeiht.
38,4
Das meines Herzens Jubel stört,
Das meines Herzens lauten Jubel stört,
39,13
Das dringend fordert
Das dringend heischet
41,1
Die Treue Lord - will ich in meinem Rath.
[fehlt]
41,18
Ihn zu erheben über alle andern?
Also erhebe über alle Andern?
II, i v
170.13
[getilgt]
Ihr seid so eifrig Lords, in Eurer Sorge,
170.14
[getilgt]
Der Antwort Mühe mich zu überheben,
170.15
[getilgt]
Daß meine Meinung Ihr vergaßt zu hören.
4124
Ihr sprecht von Adelsrechten Lord von Mar?
Mylord von Mar! Ihr sprecht von Adelsrechten?
42.10
dessen Gedanke, durch ein Wort
dessen Gedanken durch ein Wort
42.15
aus Deiner königlichen Nähe
aus Deiner hehren Nähe
Maria Stuart in
354
Schottland
II, vi 177.3
[getilgt]
Er soll
177.4
[getilgt]
Bereu'n! Du weinst! Ο sprich: Warum?!
177.4
[getilgt]
Du Thor,
177.5
[getilgt]
Warum es weine fragst Du Damley's
48,5
BOTHWELL. Ich ahne!
[fehlt]
51.3
Der frommen Lippen
Der glühen Lippen
51,5
Beleidigt mich verhaßter
Erzürnet mich - verhaßter
51.12
Holl'und Tod!
Tod und Hölle!
51.13
Wir - scheiden nun.
Bleibet Mylord.
Weib?
III, ν 61,8
ich haut' ihn nieder.
ich hieb ihn nieder.
III, vi 66.4
HUNTLY hereintretend. Um Gott!
HUNTLY
hereintretend.
III,vii O! -
MARIA mit einem Blick
67,27
Mehr sicher ist in seiner Väter Haus.
Mehr sicher ist in seinem Vaterhaus.
Der schwachen Hand vertrautest Du ein
In meine Hände legtest Du ein Scepter
71,20
au/Darnley.
MARIA mit einem Blick aufDarnley.
67,13
Scepter 71,31
fliegt hoch in die Lüfte
steiget in die Lüfte
72,1
Durch dessen finst're Wolken
Durch dessen finst're Wirbel
72,10
MARIA. - des - K ö n i g s - !
MARIA. Gerechter!
IV, i 73,22
die nie fehlenden
die nie verfehlenden
I V , ii 74,4
Erzeugt stets Sorge
Erzeuget Sorge
75.4
wo ein Gericht berufen ward
wo ein Gericht zusammen tritt
75.5
Dem er sich stellen soll als
Vor dem er stehen wird als
76,7
Wogen gierig nach uns lecken
Wogen grimmig nach uns lecken
76,18
zu klein Euch fühlt sie zu bestehn -
zu klein Euch fühlt sie zu besiegen,
76.29
Ich könnt ihn wie ein falscher Freund verlas-
[fehlt]
sen, 76.30
Ο falscher Tausch! Unkönigliche Zahlung!
[fehlt]
76.31
Niemals, niemals - Ihr Kalten und ihr
[fehlt]
Kleinen! 76.32
Wie lohn ich ihm - und wie vergelt ich das? -
[fehlt]
205.2
[getilgt]
Und Ihm könnt' ich zu Vieles je gewähren?
205.3
[getilgt]
Niemals genug! Ihr Kalten und Ihr Kleinen!
205.4
[getilgt]
Ge'nüber Ihm, dem fürstlichen
205.5
[getilgt]
Verschwender Bleib' ich ja doch in Zeit und Ewigkeit
II. Kritischer
Apparat
205,6
[getilgt]
Ein armes, karges, ohnmächtiges Weib! -
77.10
Gericht...
Gericht... Dahin bescheidet ihn und folgt
77.11
HUNTLY. Doch er besteht darauf -
Beide ab nach verschiedenen
bis
MARIA. Besteht
[fehlt]
Darauf?
[fehlt]
78,1
HUNTLY. Dich selber anzuflehen, ihn
[fehlt]
Zu hören, ehe dies Gericht, das er
[fehlt]
Nicht anerkennt, zusammentritt.
[fehlt]
MARIA. D a s er
[fehlt]
Nicht anerkennt?
[fehlt]
HUNTLY. ES habe Bothwell beigewohnt
[fehlt]
Der Sitzung des Geheimenraths, die es
[fehlt]
Beschloß und rief in Hast und Überstürzung
[fehlt]
MARIA. In Hast und Überstürzung?!
[fehlt]
HUNTLY. Zeit nicht ward
[fehlt]
U m Zeugen aufzurufen ihm gegönnt
[fehlt]
Und um Beweise ...
[fehlt]
MARIA. Wie? W a r ' s Lennox nicht,
[fehlt]
Der, nach des Königs Tod von Edinburg
[fehlt]
Entflohen, ohne Abschiedswort für mich,
[fehlt]
In seinen Briefen endlos mich bestürmte,
[fehlt]
An Bothwell ihm Gerechtigkeit zu schaffen
[fehlt]
Den er erklärt als seines Sohnes Mörder -
[fehlt]
Und nun w o ich, wie er's so heiß gewünscht
[fehlt]
Vor das Gericht bestelle — diesen — Mörder
[fehlt]
Und ihn als Kläger hier erscheinen heiße,
[fehlt]
Will er nicht anerkennen das Gericht? -
[fehlt]
Beschweret sich daß ihm Beweise fehlen? -
[fehlt]
Er schaffe sie! Soll er in meinen Augen
[fehlt]
Nicht als Verläumder, statt als Ankläger
[fehlt]
Erscheinen. - Sagt ihm das.
[fehlt]
HUNTLY. Das sagst Du selbst
[fehlt]
Ihm nicht - Erlasse mir's.
[fehlt]
MARIA. Mylord!
[fehlt]
HUNTLY. Hab Mitleid ...
[fehlt]
MARIA. Geht!
Seiten.
[fehlt]
Beide ab, nach verschiedenen
Seiten.
[fehlt]
I V , iii 78.5
Sein frevelhaft vergoß'nes Blut zu Gott
Sein Blut, zu Gott dem Richter und dem
78.6
Empor, dem Richter und dem Rächer.
Rächer.
79,8
Mar, Huntly,
Mar, Kerr, Huntly,
79,15
Lennox gestützt auf Cunningham
Athol. tritt ein.
Athol.
LENNOX gestützt auf Cunningham
tritt
Maria Stuart in
356
Schottland
79,16
LENNOX. H i e r .
82,9
Und meine Ueberzeugung,
Und meines Herzens Ueberzeugung,
82,15
Wie lang wirst Du noch dulden?
Wie lange wirst Du dulden?
85,23
Und dies mein Pfand nicht aufhebt
Und nicht dies Pfand aufhebet
86,3
BOTH WELL gehorchend.
Bothwell
86.3
MARIA mit zitternder Stimme, zu Lennox.
86.4
ein. Hier.
Du befielst!
gehorcht.
LENNOX ZU Maria. Zitterst Du für ihn,
Und Ihr -
Unselige! Vor Gottes Strafgericht?
Mylord von Lennox - glaubet nicht - daß
- Der Herr der Herrn wird meine Klinge
Euch
führen
86.5
Von jeder Folge jedes Unrechts schützt
Und Dich - Dich selbst - treff' ich in
86.6
Eure Verwandschaft mit dem Königshaus ...
MARIA mit einem Schrei. Ο Lennox!
86.7
Unglück allein kann Ehrfurcht nicht gebieten -
BOTHWELL. Wahnbethörter Greis!
86.8
- Das kann nur Stärke, die es männlich trägt — LENNOX. Ich hab'
Deinem Buhlen! ...
86.9
Ihr habt die Euere verloren Sir -
Geschont, ich hab' Geduld geübt bis an
86.10
Gebeugt durch Leid ist Euer müder Geist,
Die Grenze menschlichen Vermögens. S'ist
86,11
Gönnt' ihm die Sammlung deren er bedarf ...
Genug! Der Zornesglut entlade sich
214,7
fehlt]
Mein Herz, die's zu zersprengen droht... Nenn ich
bis
fehlt]
Ihn Mörder - Mörd'rin nenn' ich Dich!
fehlt]
MARIA. A l l m ä c h t i g e r ! !
fehlt]
Aufschrei in der
fehlt]
LENNOX. Auf Dein Geheiß vollzog er das Verbrechen,
fehlt]
War sein die That, Dein war der Rath dazu!
fehlt]
BOTHWELL. Ein Hochverrath ist jedes seiner Worte,
fehlt]
Verwirkt sein Leben - seine Stunde nah'!
Versammlung.
fehlt]
Er dringt auf Lennox ein; Mar, Caithneß und ein Theil der Lords
fehlt]
schließen sich an Lennox und Cunningham, die sich zur Wehre
fehlt]
setzen.
fehlt]
CAITHNESS ZU Bothwell. Vergreift Euch nicht an ihm!
fehlt]
CUNNINGHAM. Hier Lennox! Hier!
fehlt]
BOTHWELL zu seinem
fehlt]
Seine Anhänger drängen Lennox's Vertheidiger zurück, Bothwell
fehlt]
führt einen Streich gegen Lennox und schlägt ihm das Schwert aus
fehlt]
der Hand, das seine über ihn
fehlt]
BOTHWELL ZU Cunningham und Mar. Ein Schritt! Ein Wort!
fehlt] fehlt] fehlt] fehlt] fehlt] fehlt] fehlt]
Anhang.
Jetzt B u r s c h e ist e s Zeit!
schwingend.
Und Lennox hat gelebt! Lennox vor die Königin
niederzwingend.
Nun richte ihn! Er hat den Tod verdient! MURRAY. J a ! R i c h t e ihn. HUNTLY. DU
kannst - Du darfst. -
ATHOL. Sein Leben ist verwirkt. MARIA nach einer Pause, während welcher Lennox's Partei in
II. Kritischer
Apparat
[fehlt]
athemloser
[fehlt]
Ich will nicht Euer Leben, Graf von Lennox!
[fehlt]
- Mir lahmet Mitleid die erhob'ne Hand.
214,20 [fehlt]
Spannung
auf sie
blickt.
Geht hin in Frieden! Geht für immer, Sir,
86.17
Gemurmel
in der Versammlung.
86.18
LENNOX. Du weißt nicht was Du thust!
Gemurmel
bis
CAITHNESS. Gestatte mir
[fehlt]
Für ihn um Gnade ...
[fehlt]
MAR. Nicht um Gnade Herr!
[fehlt]
unter Lennox's
Wir flehen u m Gerechtigkeit.
[fehlt]
MARIA. Sie ward
[fehlt]
Vollzogen. Graf von Lennox! Euer Schicksal -
[fehlt]
Sind Eure Thaten - Sie klagt an - nicht mich.
[fehlt]
86.23
Und ihr Mylord - hebt
Ihr aber, Lord, hebt
86.27
MAR. Und Lennox? - -
[fehlt]
86.28
Kannst Du im A u g ' des Greises, Thränen
[fehlt]
86.22
Partei.
[fehlt]
sehn? 86.29
LENNOX. Nicht meinem Schicksal fließen sie.
[fehlt]
Maria! 8630
Beklagenswerthe Frau - sie fließen Dir! ...
[fehlt]
87.2
Gott segne Dich -
Gott mach Dich groß,
87.3
Und mach' Dich groß!
87.4
Von Dir ο Heimat! und -
87,21
Aus Eurem Schlafe s c h r e c k ' E u c h s gräßlich auf -
[fehlt]
bis
Im A r m der Liebe stör' es Eure Lust
[fehlt]
Und jedes Wort das Freundschaft zu Euch spricht,
[fehlt]
87.24
V e r s ö h n ' e s wie ein teufliches Gelächter
[fehlt]
87.30
LENNOX. Stoßt zu! So sterb' ich, dies Wort auf den Lippen,
bis
Kann mit ihm treten vor den e w ' g e n Rächer
[fehlt]
Und wecken seine schlummernden Gerichte! ...
[fehlt]
BOTHWELL dringt auf Lennox ein. Beim Ewigen und seinen Engeischaaren!
[fehlt]
87,36
[fehlt]
[fehlt]
- Ich helfe Dir zum Himmel aufzufahren! ...
[fehlt]
CAITHNESS fällt ihm in den Arm. Vergreift Euch nicht an diesem Greis Mylord!
[fehlt]
Alles drängt sich herab von den Tribünen in den Saal.
[fehlt]
BOTHWELL ZU seinem Anhang: Jetzt ist es Zeit!
[fehlt]
Die Leute Bothwell's
[fehlt]
dringen vor.
87,36
MARIA zwischen sie und Lennox tretend. Zurück!
88.1
Mein theurer Lord,
88.2
MAR und HUNTLY ihm die Hände reichend.
[fehlt] [fehlt] MAR und CAITHNESS ihm die Hand reichend.
88,6
Douglas und Huntly
Caithness
und einige
Lords
Maria Stuart in Schottland
358
88,30
MURRAY leise zur
88,30
Fließt unerschöpflich Deiner Langmut B o m ?
Königin.
EINIGE LORDS. Verbanne Bothwell! ...
89.1
BOTHWELL ZU Mar. Sagt Alles! Alles! Daß für MAR. Ihn, den der Haß, den der Verdacht
ANDERE. Ja! Verbanne ihn!
jedes Wort
gezeichnet...
89.2
Ich einzeln könne Rechenschaft begehren ...
MARIA. Bedenkt dies Wort - Und hört!
89.3
MAR. Ist schuldlos er - wohlan - es bringt's
hört das meine! -
die Zeit,
- Verklagt Ihr Bothwell - Ihr verklaget
89.4
Der Wahrheit große Mutter, an das Licht -
mich -
89.5
Gerechtfertigt m ö g ' er zurück dann kehren ...
Er ist nicht mehr, und ist nicht minder
89.6
MARIA in höchster Erregung.
schuldig
89.7
Und bis dahin
soll er im Banne schmachten -
An D a m l e y ' s Tod - als ich es selber bin!
Wenn überhaupt sein Ende er erlebt!
MAR. Und dennoch -
89.8
Ο blinde Weisheit, die ihr meint, gerechter
BOTHWELL. Dennoch?!
89.9
Als die Gerechtigkeit zu sein - und so
MARIA. Ο Ihr wagt zu viel! Für sich.
Sich irrt - und so sich widerspricht! ...
- Er gab sein Wort - sein edles
Mylord's
Manneswort! -
89.11
Ihr meint über d e m Gesetz zu stehn
KERR. Nicht weiter, Königin, nicht einen
89.12
Weil Ihr Euch nennt des Landes freie Peer's,
Schritt -
89.13
Und Eure Ueberzeugung ist Euch statt
Du bist betrogen, Bothwell spielt mit Dir!
Des Richters?
MAR. Ich sage hier von jeder Treu mich los
89.10
89.14
Nun Ihr Herrn, das Recht
das Ihr
Willst Du die Deine trotzend ihm
89.15
Euch selber zugesteht - Ihr werdet's, bei
bewahren.
89.16
Der Kön'gin anerkennen. Graf von Bothwell!
CAITHNESS. Gestatt' auch mir, das A m t ,
89.17
MAR. Was willst Du thun?
das ich verwaltet
89,17
EINIGE LORDS. Ο Majestät!
Durch langer Jahre wechselvolle Flucht,
89.17
MARIA. Genügt
In Deine Hände jetzt zurück zu legen -
89.18
Der Glaube an die Schuld - die Schuld zu
Ich tauge fürder nicht für Deinen Dienst.
richten,
BOTHWELL. Das ist Revolte! Das ist
89.19
Genügt der Glaube zur Entsühnung auch.
Felonie!
89.20
Wenn ich ihn schuldlos nenne - ist er
Athol and Caithneß treten von der Seite
schuldlos.
der Königin an jene
89.21
MAR. Erwäge dieses ungeheure Wort!
MARIA in höchster Erregung.
89.22
Ihm widersprechen hunderttausend Herzen ...
Ihr Alle?! - Einer u m den Andern? -
217,18
[fehlt]
O! Freundestreue - sinnlos Wort! - Ein
bis
[fehlt]
Der Dich ersann - ein Thor, der an Dich
[fehlt]
- Ihr Alle denn - Empörer überall
[fehlt]
Und unter ihnen nur Ein treues Herz -
[fehlt]
Wer richtet mich, wenn ich dahin mich
[fehlt]
- Ein Act der Nothwehr ist mein jetzig
Mar's. Auch Ihr? -
Narr-
glaubt! ...
flüchte? 217,23
II. Kritischer
Apparat
359 Handeln -
218,15 bis
MARIA. - Ein Mittel gibt's!
[fehlt] [fehlt]
Ihr selber zeigt es an durch Euren Haß,
[fehlt]
Gerichtet gegen Ihn, vor dem Ihr bebet...
[fehlt]
- Das schwache Weib kann Euch nicht unterjochen -
218,19
Doch - wählen kann es Einen, der's ver-
[fehlt]
mag! V,i 93,6
Schwerter, nicht den Rosenkranz.
Krieger, keine Psalmenbeter.
V,ü als das eig'ne Leben?
95,9
Als wie das eig'ne Leben? —
96.17
hört den Schlachtentwurf.
hört den Schlachtenplan.
97,9
Gott segne Eure Hoheit
Gott schütze Eure Hoheit
98,1
MURRAY. Seid mir gegrüßt.
fehlt
bis
Ich rief zum Heerbann Euch,
fehlt
Des Hochlands kriegerische Söhne! — Wie?
fehlt
Kein Gruß, den meinen zu erwiedem? - Kenn'
fehlt
Ich Euch? Beim Himmel! Sind das meine Schaaren?
fehlt
- Die: Löwen Murray's, sonst genannt im Land.
fehlt
Fürwahr - Ihr seht gepeitschten Hunden gleicher! -
fehlt
Was ficht Euch an? Rief ich denn nicht zum Kampfe,
fehlt
Zum Kampf für Bothwell - Herzog jetzt von Orkney?
fehlt
- Er hat - Ihr wißt's - erschlagen König Damley,
fehlt
Und sich mit seiner Witwe dann vermalt,
fehlt
Die ihn - so heißt's - zum Morde angetrieben.
fehlt
Nun ist er Herr der Königin und Schottlands,
fehlt
Und braucht, um es in Zukunft auch zu bleiben,
fehlt
Maria's Sohn nur aus dem Weg zu räumen,
fehlt
Der ihm - wohl einst - gefährlich werden könnte.
fehlt
- Lord Mar jedoch, verweigert ihm den Knaben,
fehlt
Und Herzog Orkney - heißet Euch - : ihn holen. -
fehlt
Das Gemurmel der Unzufriedenheit,
fehlt
V.iii
Rede, durch einzelne Ausrufungen,
die sich während Murray 's Luft gemacht, wird jetzt
allgemein
EIN OFFIZIER. Entlaß' uns, Herr.
[fehlt] fehlt
EIN ZWEITER. Wir taugen nicht dazu.
fehlt
EIN SOLDAT. Schick mich zurück.
fehlt
EIN ZWEITER. U n d m i c h !
fehlt
EIN DRITTER. U n d m i c h !
fehlt
ALLE. Uns Alle!
fehlt
MURRAY zum ersten Soldaten. Ο Mail, Du willst nach Haus?
fehlt
Maria Stuart in Schottland
360 Zum zweiten Soldaten. MacLinc, wo ist
[fehlt]
Dein Sohn, der wackre Junge?
[fehlt]
ZWEITER SOLDAT. Herr - er mocht / In diesen Kampf nicht ziehn.
[fehlt]
MURRAY. Er mochte nicht? -
[fehlt]
Zum dritten Soldaten.
[fehlt]
Und Du Menteth, wo ist Dein Bruder Edward?
[fehlt]
DRITTER SOLDAT. Mein Bruder sprach, als ich mein Schwert umgürtet: " - Der ist ein Schurke, und ein Landsverräther, Der wider Mar, für diesen Bothwell,
ficht."
[fehlt]
MURRAY. Habt Ihr's gehört? Hat Menteth's Bruder Recht?
100,1
[fehlt]
[fehlt] [fehlt]
ALLE. J a ! J a !
[fehlt]
MURRAY. Wohlan! So denk auch ich, und sag:
[fehlt]
Verflucht die Hand, die sich für Bothwell hebt,
[fehlt]
Verflucht der Mund, der ruft sein Heldgeschrei! Jubel unter den Soldaten.
[fehlt]
Kniet nieder! Die Leute gehorchen. Schwört: - Dem König Jacob Treue!
[fehlt]
Wir schützen ihn so wahr als Gott uns helfe.
[fehlt]
Dem Bothwell Tod, und seinem Sieger Heil!
[fehlt]
ALLE freudig. Dem König Jacob, Treue! - Tod dem Bothwell!
[fehlt]
MURRAY. Bei Stirling steh'n die Brüder. Auf nach Stirling!
[fehlt]
Alle tumultuarisch ab. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer, dann
[fehlt]
V, iv 230,17 [fehlt] bis
Im Augenblick, wo Deine Söldner wanken
[fehlt]
Beim ersten Anprall der Rebellen, und
[fehlt]
Auf ihm allein mein ganzes Hoffen steht,
[fehlt]
Wirft Dein Panier er in den Koth und
[fehlt]
Gefolgt von seinen jubelnden Vasallen
sprengt [fehlt]
"Hoch König Jakob!" rufend - Mar entgegen
[fehlt]
Und preßt im Angesicht des Heers den Gegner
230,24 [fehlt]
Wie ein Vermerk zeldruck
In seine ungetreuen Arme!-
auf H' andeutet,
diente diese Handschrift
(E1). Nach diesem Einzeldruck
zen Textes; die erheblichsten genommen.
kam es zu erneuten
Änderungen
wurden
im dritten
Der dritte Aufzug wurde dann neu gedruckt
ren von E' gegen den alten dritten Aufzug ausgetauscht. Ebner-Eschenbach Setzfehler
auch handschriftliche
zurückgingen,
Text aufgenommen
und diese
und in Fußnoten
Korrekturen
Korrekturen erläutert.
als Vorlage ftir den EinÜberarbeitungen
(E,K) Weitere
und vierten
des ganAufzug
(E2) und in einigen In einem Exemplar durchgeführt, wurden
von E' hat
die teilweise
auch in den
Kürzungen
vor-
Exempla-
wurden
im
auf
edierten vierten
II. Kritischer Apparat
361
Aufzug vorgenommen, wie H2 aufzeigt, was darauf verweist, daß es sich bei H2 um eine Fassung nach E' (mit E1K und E2) handelt. Das folgende Verzeichnis zeigt die Unterschiede zwischen E' (mit EIK und E2) und H2: E 1 mit E 1K und Ε 2
H2
I, i 141,2
ehrwürdiger
hochverehrter
141.7
Ihr sehet mich so tief bewegt, Mylady,
Ihr seht Mylady, mich so tief bewegt,
141.12 So lange Ihr noch schützend sie umgebt. -
So lang noch schützend Lennox bei ihr steht.
141,18 Vermöchtet Ihr zu wenden es My lord!
Vermöchtet Ihr's zu wenden theurer Lord!
142,22 noch sträubet sich mein Haar,
noch sträubt empor mein Haar,
143,20 Blute netzend
Blut benetzend
143,27 kühnen Bothwell
edlen Bothwell
I,ü 145.14 So h o f f ich auch.
So h o f f auch ich.
I,iv 147.8
Hat Sympathien für sie wachgerufen,
Hat allenthalben das Mitgefühl entflammt,
148.5
Vergönne, König.
Vergönn, mein König,
148.33 nun stehe Du / In Treuen auch mit uns!
Nun steh getreu / Auch bei den deinen Herr,
148.34 Emeure Herr
erneuere hier
149.8
Bereite denn die Kön'gin auf uns vor!
Bestimme nun die Fürstin uns zu hören,
151,7
sie gehen Dir verloren ...
151.35 Für den Kühnen Nichts! - und Alles
nur Dir geh'η sie verloren ... Nichts dem Kühnen! - aber Alles
I, vi 156.13 sie entehrt! ... Ich bin
sie entehrt! ... Zu Maria. Ich bin
157.22 Und jagt, daß hinter Euch / Ermüdet,
Und jagt mit Sturmeseile!
157.23 keuchend, bleibt zurück der Sturm! 158.9
Dir dies zu künden, stehen wir vor Dir.
[getilgt]
158.24 Denn eh' er's that, hat er gefragt / Was Ihr
Ist er zu fragen doch gewöhnt / Was Ihr
158.25 befehlet,
gebietet,
161,24 Ein Ja, ein Nein nur ford're ich von Dir.
Nicht mehr begehr ich als ein "Ja, ein Nein!"
162.15 Die Tugend, die Euch schmückt, ist nur
Euer Verdienst entstammt nur dem
162,22 Versöhnet Euch mit ihm.
Reicht ihm versöhnt die Hand.
II, i 165,32 Zum süßen Wiedersehen zweier Gatten! -
Zur trauten Feier, süßen Wiedersehn's!
II, ii 166.6
Nicht ihren Dienern ziemt es da zu richten,
Nicht uns geziemt's des Unrechts zu
166.7
Wo sie verzeiht.
gedenken, / Das sie vergaß.
II, iii 167.10 keine mächt'gre Stütze
keine bess're Stütze
Maria Stuart in
362
Schottland
II, iv 168.7
heischet einen Diener
fordert einen Diener
274.25
[getilgt]
Die Treue Lord will ich, in meinem Rath.
171,6
Ob sie ihn treibt aus Deiner hehren Nähe,
Ihn treibt aus Deiner königlichen Nähe,
II, vi 178,5
Was gäbest Du / Dich dem Unwürd'gen hin!
Was gab'st Du Dich / Dem Unwürd'gen dahin!
178.14 Du bist's so grenzenlos,
Du bist's mit solcher Inbrunst,
178.15 Daß aller Haß, der je auf Erden lebte
Daß aller Haß, der je die Welt durchglühte
178.16 Sich heben würde
Sich heben müßt
178.18 So namenlos, daß Erd' und Himmel mir
So gränzenlos, daß Erd' und Himmel mir
178.19 Zu eng erscheinen um sie ganz zu fassen -
Zu eng erscheinen so viel Lieb' zu fassen -
179,31 Der glühen Lippen demüthigen Kuß ...
Der frommen Lippen demüthigen Kuß ...
180,1
Erzürnet mich - verhaßter
Beleidigt mich verhaßter
180.5
Ο Königin Ihr spielt so gut für mich,
[getilgt]
180.6
Als sorgtet Ihr, daß ich verlieren könnte!
[getilgt]
180.8
Tod und Hölle!
Holl und Tod!
180.9
Bleibet Mylord. Ihr aber König Damley, Wir - scheiden nun ... Ihr aber König Darnley
III, i 182.26 Unlösbar sich gebunden fühlen - soll
Sich fühlen unlösbar gebunden - soll
III, ii 185.20 O, ich klage nicht,
Ο ich beklage nicht
III,iv 193,3
Hätt' nicht dies heut' es schon gebleicht
199,3
Die Bühne allmälig
Wenn es dies heut, nicht schon gebleicht
III, viii verfinstert.
199,15 Der schwachen Hand vertrautest Du ein
[getilgt] In meine Hände legtest Du ein Scepter
Szepter, 199,20
unantastbarste!
unantastbare!
199,26
steigtinhoheLüfte,
steiget in die Lüfte
200.5
Des - Königs ...
Ο Himmel!
IV, i 201,22 die nie verfehlenden,
ach die unfehlbaren,
I V , ii 202,8
Erzeuget Sorge,
Erzeugt stets Sorge,
203.14
zusammentritt
berufen ist
203.15 Vor dem er stehen wird
Dem er sich stellen soll
203.16 unbenommen ihm die Freiheit -
unbeschränkt seine Freiheit -
203,18
Umstellt
Umringt
204.7
Hinschlängeln sich in stiller I V , iii
205.6
Sich breiten, still in sonniger
Vergebens hat die Königin verheißen [fehlt]
II. Kritischer bis
206.6
Apparat
363
Mit reichstem Lohn die Treue zu belohnen,
[fehlt]
Die dem Gericht entgegen führt den ihm
[fehlt]
Verfall'nen Mörder - unentdeckt lebt er
[fehlt]
Von keiner andern Strafe noch ereilt
[fehlt]
Als die er peinvoll trägt im eig'nen Herzen
[fehlt]
Im quälenden Bewußtsein seiner That. -
206,20 Mar, Kerr, Huntly,
Athol.
[fehlt] Mar, Huntly, Athol und Kerr.
206,27 RUFER. Mylord und Earl von Lennox, erscheine vor Gericht!
[getilgt]
207.7
CAITHNESS . M y l o r d !
[getilgt]
bis
MURRAY leise zu Caithneß. Seid Ihr mit Blindheit denn geschlagen Sir,
[getilgt]
Der Göttin gleich, in deren Dienst Ihr steht?
[getilgt]
Hilft Alles nichts! Heut muß die Themis blinzeln.
[getilgt]
CAITHNESS. Zum Scherze Herr, ist hier nicht Zeit und Ort.
[getilgt]
MURRAY wie oben. Ich scherze nicht! Im Ernste schwör' ich Euch's
[getilgt]
Um feierliche Ehrenrettung - nicht:
[getilgt]
Um eines Schuld'gen Prüfung handelt sich's.
[getilgt]
CAITHNESS. Bei mir Lord Murray, handelt sich's um Recht. 207,15
Zu Bothwell's Anhang: Verlaßt den Saal!
209.19 LENNOX. Sie sind wohl niemals vor Gericht
[getilgt]
[getilgt] LENNOX. Zwar weiß ich nicht, ob sie die
gestanden
Geltung finden
209.20
Die mächtigen Beweise, die ich geben,
Vor Eurem Richterstuhl, die sie gewiß
209.21
Sie sind vor diese Schranken nie getreten
Vor jenem Gottes haben. - Graf von Bothwell!
209.22 Die argen Zeugen, die ich rufen will. bis
Und meines Herzens Ueberzeugung, sind die
Auch weiß ich nicht, ob sie die Geltung finden Beweise - Deine eig'nen Thaten sind Vor Eurem Richterstuhl, die sie gewiß
Die Zeugen, die ich rufe gegen Dich!
Vor jenem Gottes haben. Graf von Bothwell! Des ganzen Volkes laut erhobne Stimmen, Und meines Herzens Ueberzeugung, sind die Beweise - Deine eig'nen Thaten sind Die Zeugen, die ich rufe gegen Dich! ERSTER RICHTER zum zweiten. Zwei fürchterliche Gegner in der That! 210,2
Der eine blind, und stumm der andere
210,10 CAITHNESS. Doch frag ich Euch: Ihr glaubt an Bothwell's Schuld?
[getilgt]
bis
[getilgt]
LENNOX. Ich glaub' an seine Schuld. CAITHNESS. Ist dieser Glaube
[getilgt]
Auf einen festbestimmten Grund gestützt?
[getilgt]
LENNOX den Blick unverwandt auf Maria gerichtet.
[getilgt]
Auf einen festbestimmten Grund.
[getilgt]
CAITHNESS. Nennt ihn.
[getilgt]
LENNOX. Mylord, mein Grund ist mir ein Grund, wie mein
[getilgt]
Beweis für mich - Beweis gewesen. Euch
[getilgt]
Maria Stuart in Schottland
364 Galt dieser nichts, wird jener auch nichts gelten.
210,18
[getilgt]
CAITHNESS. Das zu entscheiden kommt mir zu. Geb't Antwort.
[getilgt]
LENNOX. Sie ist gegeben Mylord Oberlichter
[getilgt]
210,26 CAITHNESS. Und Antwort weigert auf des Richters Fragen,
[getilgt]
210.27 Der seinen schmerzverwirrten Sinn zur Stütze
[getilgt]
210.28 Des eig'nen Geistes Ruhe leihen will?
[getilgt]
211,20 CAITHNESS. Noch einmal frag' ich Euch Mylord von Lennox!
[getilgt]
211,21 Worauf begründet Ihr den Glauben an
[getilgt]
2 1 1 2 2 Des Angeklagten Schuld?
[getilgt]
2 1 1 2 2 LENNOX. Noch einmal Sir:
[getilgt]
2 1 1 2 3 Auf Gründe, die für Euch nicht Gründe sind.
[getilgt]
211.27 CAITHNESS. Und wäre jener größer als die Welt
[getilgt]
211.28 Und dieser kleiner als ein Sandkorn, schwerer
[getilgt]
211,29 In uns'rer Schale, müßt' das Sandkorn wiegen. 213,17 solch 'nen schlechten, feigen Schurken, 317,5
[getilgt]
215,9
CAITHNESS. Nicht also Majestät...
[getilgt] einen Schurken feig und schlecht, Alle Beisitzer und Richter springen auf, und dringen hinzu.
215.12 LENNOX sich zu den Lords
wendend.
Rieht also Majestät... [getilgt]
215.13 Von Euch mit einer Bitte: Freunde! Brüder!
[getilgt]
215.14 Wohin mich auch der müde Fuß noch trägt,
[getilgt]
215.15 In fremder Erd' laßt meinen Staub nicht
[getilgt]
ruhn, 215.16 Den Sohn der Berge zieht's nach seinen
[getilgt]
Bergen 215.17 Gönnt ihm bei ihnen eine letzte Stätte.
[getilgt]
216,4
MAR und HUNTLY ihm die Hände
MAR und CAITHNESS ihm die Hand reichend.
216,12 Eure Sympathie.
reichend. Euer Mitgefühl.
216,14 folgt ihm, reich an Mitgefühl.
spricht den Unglücksei'gen frei.
216.31 Mann, den der Verdacht gezeichnet
Mann dem Alle wir mißtrauen
217,1
den der Haß, den der Verdacht gezeichnet...
hat der Haß, Verdacht hat ihn gezeichnet.
217,3
Ihr verklaget mich -
Ihr verklaget mich mit -
V, i 22028 Ο glaubet -
Ο glaubt nur -
221,28 Sonst schließet sich für mich
Sonst schließt sich zu für mich
221,29 Das Auge Gottes, schließet sich mir zu!
Und Gottes Auge wendet sich von mir.
221.32 Gehet! Kämpfet! - Sieget!
Geht und kämpft und siegt!
V, ii 223,23 Erlasset einen Aufruf an mein Volk:
Geht hin Murray und sprecht also zum
22328 Wunsch entbehr' ich. Gehet Bruder Murray.
Wunsch erlaß' ich.
Volk:
II. Kritischer
365
Apparat
224.10 der mir theuerer
der mir theurer ist
224.11 Ist als das eig'ne Leben? —
Als all mein Glück und Leben.
224.13 erkaufest Du den Frieden!
erkaufst Du dir den Frieden!
225,18
So hab ich meine Sendung denn, erfüllt
So ist erfüllet raeine Sendung denn,
226.12 Als ich noch nicht gewußt, was lieben heißt.
Als ich was lieben heißt, noch nicht gewußt.
V, iii 228.14 Der einen Fußbreit
Wer einen Fußbreit
V, iv 230,17 Im Augenblick, wo Deine Söldner wanken
Auf ihn hab' ich gehofft, auf ihn allein,
bis
Beim ersten Anprall der Rebellen, und
Auf ihn geschaut als Deine eigen Söldner,
Auf ihm allein mein ganzes Hoffen steht,
Beim Anprall der Rebellen wankten.
Wirft Dein Panier er in den Koth und
Mein Ohr verflucht, da Murray's Schrei:
sprengt
"Hoch Jacob!"
Gefolgt von seinen jubelnden Vasallen
Von tausend Stimmen nachgeheult, ertönte,
"Hoch König Jakob!" rufend - Mar ent-
Nicht meinem Aug' getraut, als ich ihn sah
gegen Und preßt im Angesicht des Heers den
Den Gegner Mar in seine Arme pressen
Gegner 230.24 In seine ungetreuen Arme! -
Und hin zur Erde, schleudern Dein Panier!
234.25 Am Baume Deiner Ehren
Am Baume Deiner Ehre
235,4
krankt Dein scheu Gewissen -
kranket Dein Gewissen -
III. Text- und Wirkungsgeschichte
Maria Stuart in Schottland
1. Die Texte und ihre Entstehungsgeschichte a. Die Handschrift Η1 (I.N. 54469) Die Arbeiten an Maria Stuart in Schottland beginnen im November 1857 mit eingehenden Geschichtsstudien zur schottischen Königin und ihrer Zeit, die sich in einem in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek archivierten Studien- und Skizzenheft (I.N. 59299) niederschlagen. Als Stoff für ihr erstes historisches Drama wählt Marie von Ebner-Eschenbach eine Gestalt, die vor allem auch Dramatiker seit Maria Stuarts Hinrichtung immer wieder fasziniert hat. Ebner-Eschenbach ist mit der bekanntesten deutschsprachigen Dramatisierung des Stoffes, Friedrich Schillers Trauerspiel Maria Stuart (1800), seit ihrer Kindheit vertraut und würdigt ihren Vorgänger, indem sie auf der Titelseite der ersten handschriftlichen Fassung ihrer Maria Stuart in Schottland (H1) als Motto ein Zitat aus der siebten Szene des fünften Aktes aus Schillers Maria Stuart anbringt. Als Hauptquelle für ihre Studien diente ihr William Robertsons Geschichte Schottlands (1759), die auch Schiller benutzte. Allerdings wählt sie als Stoff für ihr Drama einen anderen Zeitabschnitt als Schiller; ihr Stück behandelt in gewisser Weise die Vorgeschichte zu dem Schillers. Die Handlung umfaßt das Geschehen der Jahre 1566 bis 1568 und beginnt nach der Ermordung von Maria Stuarts Privatsekretär David Rizzio und endet mit ihrer Flucht nach England. Auch in der Gestaltung der Protagonistin weicht Ebner-Eschenbach dramaturgisch und ideologisch von der Schillers ab. Über die Entstehung der ersten Handschrift sind keine Einzelheiten bekannt. EbnerEschenbachs Tagebuchaufzeichnungen, die eine Fundgrube für solche Hinweise sind, beginnen erst mit dem Jahr 1862. Die Handschrift trägt das Motto aus Schillers Maria Stuart sowie den Vermerk "Als Manuscript gedruckt" und wird in diesem Band als H' gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um eine überarbeitete Fassung, denn sie weist eine Reihe von Tilgungen und Hinzufügungen auf, die in den laufenden Text mit aufgenommen wurden. Außerdem schließt der integrale Apparat Hinzufügungen und Varianten ein, die zu keinen Tilgungen führten und die in den Fußnoten entsprechend gekennzeichnet sind. Verbessert wurde in der Handschrift auch die Schreibung von ss für ß durch Daraufschreiben, was im laufenden Text von H1 ebenfalls angezeigt ist. Mit Ausnahme des zweiten und dritten Auftritts des vierten Aufzugs und des dritten Auftritts des fünften Aufzugs stimmen H' und der Einzeldruck (E') einschließlich E1K (Korrekturen) im wesentlichen überein. Besonders auch der dritte Aufzug ist von H1 in den Erstdruck (E1) übernommen worden; es handelt sich dabei um die erste Fassung des dritten Aufzugs. Nicht alle der in H1 vorgenommenen Tilgungen und Hinzufügungen sind in den Erstdruck eingegangen, aber manche dagegen in die Handschrift H2. Das gilt auch für Hinzufügungen, denen keine Tilgung gegenübersteht. Das Motto
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Maria Stuart in Schottland
wurde in den Einzeldruck (E1) nicht übernommen. Bei eindeutigen Schreib- und Setzfehlern wurden Korrekturen vorgenommen und in einer Fußnote kommentiert. Es kommt in E 1 im Vergleich zu H 1 auch zu Setzfehlern, die in einem Exemplar von E1 von Ebner-Eschenbach handschriftlich korrigiert wurden. Diese Korrekturen werden jeweils in Fußnoten erläutert. Im zweiten Auftritt des vierten Aufzugs kommt es zu einer wesentlichen Überarbeitung, so daß am Ende dieser Szene das ganze Gespräch zwischen Maria und Huntly über die Anhörung Lennox' und seiner Argumente hinsichtlich des bevorstehenden Gerichtsprozesses getilgt wurde. Im dritten Auftritt des vierten Aufzugs betreffen diese Überarbeitungen die Auseinandersetzungen zwischen Maria, Lennox und Bothwell sowie Marias Entscheidung, Lennox zu verbannen. Der Text wurde teilweise umgeschrieben, getilgt oder durch einen anderen ersetzt, und viele dieser Änderungen, wie sie in E1 erscheinen, gehen in den Text von H2 ein. Allerdings kommt es dort zu weiteren Änderungen. Der fünfte Aufzug von E1 stimmt mit Ausnahme des dritten Auftritts größtenteils mit H1 überein. Die Auseinandersetzung zwischen Murray und den Soldaten zu Beginn dieses Auftritts, in dem er sie davon überzeugt, gegen Maria und Bothwell zu kämpfen, wurde in E 1 getilgt. Diese Tilgung bleibt auch in H2 erhalten. Im vierten Auftritt des fünften Aufzugs wurden in E' Bothwells Beschreibung von Murrays Abtrünnigkeit und sein Übergang zur gegnerischen Seite um Mar hinzugefügt. Diese Änderungen sind in dem Variantenverzeichnis (II. 4.) aufgeführt, in dem H1 mit E 1 verglichen wird. Die für Marie von Ebner-Eschenbach wohl ergiebigste Arbeitsphase am historischen Trauerspiel war die Zeit der schriftlichen Auseinandersetzung mit dem Direktor des Karlsruher Hoftheaters Eduard Devrient (1801-1877), die zwischen 1860 und 1867 am intensivsten war und schließlich auch persönliche Begegnungen einschloß. Am 28. Juli 1860 übersandte Ebner-Eschenbach an Devrient ein Exemplar (H1) ihres Dramas Maria Stuart in Schottland unter dem männlichen Pseudonym "M. v. Eschenbach" und bat um seine "Prüfung" und Beurteilung, die "zur Lebensfrage für den jungen Dramatiker" (Br 1) werden könnte. Für Ebner-Eschenbach war der bekannte Schauspieler, Dramaturg, Shakespeare-Übersetzer und Verfasser der fünfbändigen Geschichte der deutschen Schauspielkunst (1848-74) eine unanfechtbare Autorität auf dem Gebiet der dramatischen Kunst. Devrients sachkundige Reaktion rief bei EbnerEschenbach eine Mischung aus "Freude", "Stolz", "Ermunterung", "Bewunderung" und Dankbarkeit für das "Vertrauen", das "Lob", aber auch den "Tadel" (Br 2) hervor. Wie aus ihrem Antwortbrief hervorgeht, bezog sich Devrients Kritik hauptsächlich auf die Charakterisierung von Murray und Maria sowie Marias tragische Schuld, deren Konzeption Ebner-Eschenbach zu erklären und zu verteidigen sucht. Ihre Reaktion zeigt ihr psychologisierendes GeschichtsVerständnis, das sich in ihrem Interesse an weiblichen Akteuren der Geschichte und deren Handlungsmotivationen niederschlägt. Die gerügte Satzkonstruktion des in Blankversen verfaßten Stückes verbesserte Ebner-
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Eschenbach umgehend. Wie üblich, übergab sie fertiggestellte Exemplare an engste Vertraute zur kritischen Lektüre, was sie auch mit der überarbeiteten Fassung von Maria Stuart in Schottland tat. Daß Devrient sich bereit erklärte, ihr Stück am Karlsruher Hoftheater einzustudieren und aufzuführen, war für Ebner-Eschenbach Bestätigung ihrer dramatischen Fähigkeit und Genugtuung zugleich.
b. Der Einzeldruck (E1) mit Korrekturen (E1K) und der Neudruck des dritten Aufzugs (E2) Aufgrund der korrigierten und überarbeiteten Handschrift (H1) kommt es im Jahre 1860 zum Erstdruck (E1) von Maria Stuart in Schottland. Es ist anzunehmen, daß es Exemplare dieses Erstdrucks waren, die Ebner-Eschenbach am 19. September 1860 an Devrient (Br 3) und Johanna Lange, die Darstellerin der Maria, schickte. In einem Exemplar von E1 hat Ebner-Eschenbach handschriftliche Korrekturen vorgenommen, die teilweise auf Setzfehler zurückzuführen sind (E1K). Die letzteren sind im edierten Text in Fußnoten als solche identifiziert. Zwischen H1 und der Drucklegung wurden vor allem der vierte und fünfte Aufzug überarbeitet und geändert (s. S. 369). Diese Änderungen sind in den Erstdruck eingegangen. Die von Ebner-Eschenbach mit Spannung erwartete Aufführung ihrer Maria Stuart in Schottland in Karlsruhe, die noch vor der Sommerpause 1861 stattfinden sollte, mußte wegen einer Krankheit der Hauptdarstellerin auf den Herbst 1861 verschoben werden. Das Einstudieren und die Proben zu Maria Stuart in Schottland beschreibt Devrient mit Begeisterung: "solche Arbeit ist eine Lust" (Devrient, S. 388). Die von Devrient inszenierte erfolgreiche Uraufführung fand am 4. Oktober 1861 am Großherzoglichen Hoftheater zu Karlsruhe mit Johanna Lange in der Hauptrolle statt. Nach dieser erfolgreichen Aufführung, deren weitere folgten, kam es zu einer nochmaligen Überarbeitung des Stückes. Es waren vor allem die Aufführungslänge, die viereinhalb Stunden betrug, und der dritte Aufzug, die Ebner-Eschenbach Sorge bereiteten und mit denen sie unzufrieden war (Br 7). Ebner-Eschenbach arbeitete den dritten Aufzug vollkommen um, wobei es teilweise zu einer Umverteilung der Handlung auf einzelne Auftritte sowie zu Kürzungen von Auftritten kommt und vor allem die ganze Schlüsselepisode gestrichen wird, in der Murray durch den Pagen Andrews in den Besitz eines Schlüssels zu den Gemächern der Königin gelangt und ihn an Bothwell weitergibt. Außerdem wird der Mordanschlag auf Darnley getilgt, einige der intriganten Züge sowie der Hohn über den Ritt der Königin nach Hermitage werden von Murray auf Darnley übertragen und der Wunsch Marias nach einer Versöhnung mit Darnley hinzugefügt. Mit der Umarbeitung des dritten Aufzugs ist Ebner-Eschenbach im November 1861 fertig (Br 10). Sie läßt den umgeschriebenen dritten Aufzug neu drucken (E2) und
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gegen den alten dritten Aufzug austauschen, allerdings nicht in allen Exemplaren. Die neu gedruckten Seiten sind von 1 bis 12 numeriert. Ebner-Eschenbach schickt auch ein Exemplar des neuen dritten Aktes an Devrient, der ihn in weiteren Aufführungen des Stückes einsetzt, wo er sich bewährt (Br 15, Br 19). Die Änderungen führten zu einer klareren und gleichwertigeren Charakterisierung der drei männlichen Widersacher um Maria: Damley, Murray und Both well. In Devrient hatte Ebner-Eschenbach zum ersten Mal nicht nur einen Kenner der Bühne gefunden, der ihr Talent anerkannte, sondern auch einen Berater, zu dem sie Vertrauen hatte.
c. Die Handschrift Η 2 (I.N. 54470) Noch bevor es zum Neudruck des umgearbeiteten dritten Aufzugs kam, ließ EbnerEschenbach das ganze Stück abschreiben und schickte das Manuskript als vollständiges Exemplar am 2. März 1863 (Br 17) an Devrient. Es ist anzunehmen, daß es sich dabei um die Handschrift H2 handelt, die alle bisherigen Änderungen einschließlich der noch zusätzlich vorgenommenen Tilgungen und Hinzufügungen im vierten und fünften Aufzug enthält. Sie wollte, daß der Theaterdirektor ein vollständiges und nicht aus Teilen bestehendes Exemplar besaß. Außerdem sollte H 2 als Manuskript dienen, wenn es Ebner-Eschenbach gelänge, einen Verleger für ihre dramatischen Werke zu finden (Br 17). In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Maria Stuart in Schottland sowohl in H1 als auch E 1 als "Schauspiel" bezeichnet wird, die Handschrift H 2 aber den gattungsspezifischeren Untertitel "Trauerspiel" trägt. Damit ordnet EbnerEschenbach ihr Stück im Hinblick auf eine mögliche Veröffentlichung genauer in die Gattungshierarchie ein. Besonders der Handlungsverlauf der Gerichtsszene im dritten Auftritt des vierten Aufzugs wird wesentlich gestrafft, und ganze Gesprächspassagen werden getilgt. Im fünften Aufzug kommt es nur zu geringeren Umarbeitungen. Die in H 2 vorkommenden eindeutigen Schreibfehler wurden korrigiert und in Fußnoten erläutert. Im Variantenverzeichnis (II. 4.) werden die Änderungen der Druckfassung E1 mit E' K und E 2 der Handschrift H 2 gegenübergestellt.
2. Aufführungen von Maria Stuart in Schottland und erste Reaktionen Für die Karlsruher Presse war die Uraufführung des Erstlingswerkes des unter dem Pseudonym "M. v. Eschenbach" verfaßten Schauspiels Maria Stuart von Schottland, die am 4. Oktober 1861 im Großherzoglichen Hoftheater in Karlsruhe stattfand, ein durchschlagender Erfolg. Es kam bis Mai 1862 zu vier Aufführungen, und das Stück hielt sich darüber hinaus noch einige Jahre im Repertoire. Die Uraufführung wurde in
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der Badischen Landeszeitung vom 6. und 8./9. Oktober 1861 ausführlich von zwei Rezensenten besprochen. Die Aufführung fand mit einer vortrefflichen Besetzung und vor einem vollbesetzten Haus statt; der erste Rezensent glaubt eine Orientierung an Schiller zu erkennen und räumt dem Stück in diesem Vergleich "einen höchst ehrenvollen Erfolg" ein: Das Wagniß, an einen durch Schiller's Namen gefeiten Stoff heranzutreten, hat den jugendlichen Dichter nicht entmuthigt; er ist mit der Größe seines Zieles gewachsen. Großartige Anlage, wahre dichterische, oft von Schiller'schem Geist durchdrungene Kraft, eine wohlthuende Scheu vor den Trivialitäten beifallhaschender Bühneneffekte stellen das neue Werk in die erste Reihe unter den dichterischen Ereignissen des letzten Jahrzehnts. 1
Der Rezensent findet zwar die Briefkästchen- und Schlüsselepisoden sowie den Gang der Gerichtsverhandlung etwas unwahrscheinlich, betont aber, daß selbst während der viereinhalbstündigen Aufführung die Spannung nicht nachließ. Die Zuschauer schenkten den Darstellern, unter denen der Rezensent besonders Johanna Lange hervorhebt, nach dem zweiten, dritten und fünften Akt Ovationen. Der Rezensent lobt die Charakterführung der Titelheldin und faßt sie wie folgt zusammen: "Die Königin fällt mit dem Weibe". 2 Das Erstlingswerk dieses Verfassers, so resümiert der Rezensent, zeuge von dichterischer Kraft und verdiene höchste Anerkennung. Auch der zweite Rezensent sah das hervorstechende Merkmal dieses Erstlingswerkes in der Art, wie der Verfasser "mit wahrhaft dichterischer Kraft" die "Entwicklung des Hauptcharakters" und die "Steigerung der Situationen" 3 gestaltete, wobei allerdings die ersten vier Akte eher eine Intrigen- statt Charaktertragödie seien. Außerdem rügte er die Länge des Stückes und schrieb sie wie andere Mängel der Unerfahrenheit des Autors des Erstlingsstückes zu. Wichtig in der Gestaltung des dramatischen Konflikts sei dem Dichter die Erhaltung der geschichtlichen Wahrheit gewesen: Er hielt sich dabei an jene Darstellung dieses königlichen Geschickes, welche Maria von jeder Blutschuld freispricht und doch das leidenschaftliche Weib, die stolze Königin in ihr anerkennt. Die Szenen, in welchen der Karakter der Königin sich entwickelt, von der Gleichgiltigkeit zur Verachtung, zur Liebe für Bothwell, zum Hasse, zur schwer gezügelten Rachbegier sind die schönsten des Stückes und es ist wahrhaft tragisch, wie diese Königin, in deren Seele jeder bewundernswerthe, große Gedanke seinen Wiederhall findet, dem Rufe des Weibes zum Opfer fällt. Es ist ein schöner dichterischer Gedanke auch, hervorgesproßt aus dem Boden unserer Zeit, daß die Verachtung der öffentlichen Meinung selbst die Könige stürzt. 4
Auch ein Vergleich mit Schiller blieb nicht aus, und so war nach dem Rezensenten ein besonderer Vorzug dieses Werkes "die gedrängte Schiller'sche Kraft der Gedanken 1
Badische Landeszeitung
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Ebd.
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Badische Landeszeitung
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Ebd.
Nr. 235 vom 6. Oktober 1861, o. S. Nr. 237 vom 9. Oktober 1861, o. S.
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und die knappe, oft geradezu schlagende Gewalt des Ausdrucks". 5 Obwohl EbnerEschenbach im Jahre 1863 Devrient und die Hauptdarstellerin Lange traf, ist es ihr zu ihrem großen Leidwesen nie gelungen, einer Aufführung ihres Trauerspiels beizuwohnen. 6 Die wohl größte Bestätigung ihres dramatischen Talents wurde Ebner-Eschenbach 1863 zuteil, als Devrient ihre umgearbeitete Maria Stuart in Schottland bei der Preußischen Schillerstiftung für den Schillerpreis mit der Begründung einreichte, "weil ich Ihre dramatische Befähigung für die Ihrer Zeitgenossen überragende halte" und das Drama den ersten Platz verdiene, da "es an dramatischer Kraft und Lebendigkeit, Charakteristik und Bühnenfähigkeit alle anderen in den Jahren 60, 61 und 62 hervorgetretenen Stücke überragt". 7 Obwohl der Preis an Friedrich Hebbels Nibelungen (1861) ging, war es für Ebner-Eschenbach Anerkennung genug, daß ihre Maria Stuart in Schottland "als Mitkonkurentin [sie] um den Schillerpreis nur genannt werden könnte" (Br 16). Ebner-Eschenbach erlebte auch Enttäuschungen. Außer an Devrient schickte sie im Jahre 1860 Exemplare ihrer Maria Stuart in Schottland auch an eine Reihe anderer Theaterdirektoren. Sie erhielt Absagen aus München und Berlin, während Dresden, Hamburg und Frankfurt gleich gar nicht reagierten. Aus Hannover schrieb man ihr, das Stück sei angenommen, aber es wurde nie aufgeführt (Br 9). Allerdings erhielt sie von Lasker in Breslau und Dingelstedt in Weimar anerkennende Briefe (Br 6). Franz von Dingelstedt (1814-1881), der Generalintendant der Weimarer Hofbühne, sah in ihm ein Drama "von hohem poetischen Werth wie auch von großer theatralischer Wirkung", und auch "die Karakteristik und Szenenführung" seien vortrefflich gelungen, nur wünschte er eine Kürzung und "letzte Ueberarbeitung" (Br 27). Er bedauerte es außerordentlich, daß die sächsische Bühne nicht über ein Ensemble verfüge, um das Stück sachgerecht aufzuführen. H. Kleinert, ein früheres Mitglied des Karlsruher Hoftheaters, versuchte Maria Stuart in Schottland im Jahre 1863 in Hamburg auf die Bühne zu bringen, aber es gelang ihm
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Ebd.
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Anton Bettelheim führt an, daß Ebner-Eschenbach das Drama im Jahre 1863 auf einer Heimreise aus der Schweiz gesehen habe (Biographische Blätter, S. 61), und Edith Toegel (Leben und Werk, S. 26) sowie Karl Gladt (S. 18) übernehmen diese Auffassung. Das trifft nach den Tagebucheintragungen Ebner-Eschenbachs nicht zu. Sie war zwar im Juli 1863 in Karlsruhe, aber es war gerade die spielfreie Zeit: "Frau Lange besucht, die meine Maria Stuart wundervoll spielen soll; sie leider nicht angetroffen. Ins Theater mit Devrient, der uns das Haus, in dem im Sommer nicht gespielt wird, bis ins kleinste Detail sehen ließ" (Tagebuch I, 20.7.1863). Und: "Dann zu meiner Maria Stuart die ich diesesmal antraf. Sie macht mehr den Eindruck einer klugen, ernsten, bewussten, als einer genialen Künstlerin" (Tagebuch 1,21.7.1863). 7
Devrient an Marie von Ebner-Eschenbach, 4.2.1863. In: Bettelheim, Wirken und Vermächtnis, S. 316.
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aus schauspieltechnischen Gründen (Br 16, Br 36, Br 37) nicht, was auch in Weimar der Fall war, obwohl sogar der Großherzog eine Aufführung des Trauerspiels wünschte (Br 42). Allerdings führten die Bemühungen Kleinerts (jetzt Oberregisseur in Danzig), das Stück auf die Bühne zu bringen, vier Jahre später zum Erfolg, als es am 16. Februar 1867 in Danzig zu einer Benefizaufführung kam. Das Stück wurde sehr gut aufgenommen, aber zu einer Wiederholung der Aufführung kam es aus Krankheitsgründen nicht (Br 38). Obwohl Ebner-Eschenbachs Maria Stuart in Schottland in Wien nicht aufgeführt wurde, war der spätere Generalintendant der Wiener Hoftheater, Eligius Freiherr von Münch-Bellinghausen (Pseudonym: Friedrich Halm, 1806-1871), von dem Stück sehr beeindruckt. Er beglückwünscht die Autorin zur Vollendung des Dramas und lobt "Anlage und Durchführung" des Stückes, in dem sich ihr "dramatisches Talent so entschieden bewährt" habe und "in Einheit, Schärfe und Configurierung der Charakterzeichnung wirklich Ungewöhnliches und Hervorragendes" liefere. Aber er bemängelt "die Überfülle des Stoffes, die zu einer Trilogie" geeigneter wäre, und empfiehlt ihr, zukünftig "einen kleineren, weniger vielgestaltigen S t o f f ' (Br 29) zu wählen. Auch ihr Schriftstellerkollege Ferdinand von Saar (1833-1906) äußert sich lobend zu dem Drama, in dessen Gestaltung sich ein geschicktes dramatisches Talent offenbare und das es verdient habe, im Wiener Hofburgtheater aufgeführt zu werden (Saar 164). Zur ersten ausführlichen Auseinandersetzung mit Maria Stuart in Schottland kommt es durch den Schriftsteller Otto Ludwig (1813-1865), der selbst ein Drama über Darnleys Tod schreiben wollte (Ludwig IV, 27-32). Ebner-Eschenbach nennt Ludwigs Kritik, die sie 1867 teilweise abschrieb (I.N. 54470), noch 1891 "das Schlimmste", was man "einem Dramatiker vorwerfen kann". 8 Ludwig geht zunächst davon aus, daß das Drama "eine Synthesis von Scribe und Schiller" darstelle, da die "Hofintrigue" überwiege und der Dramatiker "der Geschichte den ähnlichen Zwang angethan [habe] wie Schiller". Außerdem sei die Titelheldin "keine tragische", da sie "nicht die Schöpferin ihres Leidens" sei (Ludwig V, 374-376). Dann kommt Ludwig zu der Auffassung: Eschenbach ist weder den Schillerschen Weg gegangen, noch den der episch-psychologischen Tragik, den Shakespeare eingeschlagen haben würde; er hat den Weg Laubes gewählt, der von der Scribeschen comedie historique ausgeht. Bei ihm sind weder die historischen Mächte noch Leidenschaft und Gewissen die Faktoren, sondern die Intrigue ist es, nicht die Notwendigkeit des Verhältnisses, sondern die Willkür des Dichters ist dem dargestellten Vorgange zu Grunde gelegt. (Ludwig V, 380)
8 Tagebücher I, 6.12.1867; IV, 4.11.1891. Toegel (Leben und Werk, S. 27) geht irrtümlicherweise davon aus, daß Ebner-Eschenbach die Kritik von Otto Ludwig erst 1891 liest.
Maria Stuart in
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Nachdem Ludwig dann Ebner-Eschenbachs ganzes Drama gelesen hat, muß er gestehen, daß das Stück "Stellen von großer poetischer Schönheit" aufweise und "doch einen tragischen S t o f f ' (Ludwig V, 383) enthalte. Dem Verfasser des Dramas spricht Ludwig sein Lob aus: An Geschicklichkeit, an dem was den technischen Kopf ausmacht, übertrifft er ohne Frage jedes andre deutsche Glied seiner Schule bei weitem; das Vermögen der Poesie scheint ihm ebenfalls in nicht gewöhnlichem Grad zu eigen, besonders fehlt es ihm nicht an rhetorischer Kraft, während das Stück noch zweifelhaft läßt, ob die Empfindung damit Schritt hält. (Ludwig V, 385)
Ludwigs Sicht, daß es sich bei dem Drama, zumindest in den anfänglichen Akten, eher um eine Intrigen- als eine Charaktertragödie handle, wurde in der Folge in der Kritik wieder aufgenommen und wiederholt. Auch stellt Ebner-Eschenbach ihre Maria nicht als völlig unschuldig dar, aber die Autorin erklärt sie entgegen der Schillerschen Darstellung sowie den historisch erwiesenen Fakten am Tode Darnleys für vollkommen unschuldig. In diesem Punkt hat sich die Dramatikerin auch gegen Devrient durchgesetzt, der sich für eine Vermehrung von Marias Schuld aussprach, aber EbnerEschenbach besteht auf ihrer Deutung: Dürft' ich sie eines Verbrechens zeihen an welches ich nicht glaube? Könnt' ich's denn? Maria's tragische Schuld schien mir in der krassen Vernachlässigung ihrer Herrscherpflichten zu liegen, in der strafbaren Gleichgültigkeit gegen ihr Volk, in der wahnsinnigen LiebesLeidenschaft, die zuerst alles Gute in ihr, und dann: sie selbst, zu Grunde richtet. (Br 2)9
Für Ebner-Eschenbach ist die Schuld Marias mit einer genderspezifischen Rollenzuweisung verbunden, die das gegenseitige Ausschließen einer Herrscher- und Frauenrolle bedeutet. Marias tragischer Charakterkonflikt liegt darin begründet, daß sie ihre Herrscherpflichten für eine Leidenschaft vernachlässigt und sich geschlechterideologisch von einer fähigen Herrscherin zu einer aus Liebe sich dem Mann unterwerfenden Frau entwickelt. Leopold von Ranke, der sich in seinem Geschichtswerk eingehend mit der schottischen Königin auseinandergesetzt hat, verweist auf die größere Freiheit des Dichters im Umgang mit der Geschichte: Denn darin liegt ein Vorteil der poetischen Darstellung, daß sie auch eine minder begründete Überlieferung annehmen und derselben folgend die Tiefen des Gemüts erschließen kann, jene Abgründe, in denen die Stürme der Leidenschaften toben und die Handlungen geboren werden, welche den Gesetzen und der Sittlichkeit hohnsprechen und doch in der Menschenseele tiefe Wurzeln haben.10
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Devrient kommt in einem Brief vom 4.5.1861 noch einmal darauf zu sprechen: "Zur Aenderung in dem von mir früher angedeuteten Sinn, haben Sie, hochgeehrter Herr, sich also nicht entschließen können? Eine Vermehrung der Schuld der Maria und eine Verminderung der des Murray würden dem Stücke gewiß von Nutzen sein." (Br 25) 10 Ranke, S. 205.
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Ob Ebner-Eschenbach Rankes Werk kannte, als sie sich mit dem Maria-Stuart-Stoff befaßte, konnte nicht festgestellt werden, allerdings zitiert sie den Historiker in den 1890er Jahren in ihrem Tagebuch.
3. Maria Stuart in Schottland in der wissenschaftlichen Literatur In der Literaturkritik galt Ebner-Eschenbach um 1900 zusammen mit Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) und Ricarda Huch (1864-1947) als führende deutschsprachige Dichterin, aber diese Einschätzung bezieht sich lediglich auf die Prosaschriftstellerin. Als Dramatikerin und besonders als Verfasserin historischer Trauerspiele fand Ebner-Eschenbach seit dem Erstdruck ihrer Dramen und deren Aufführung kaum Beachtung. In seiner ersten Biographie zu Ebner-Eschenbach aus dem Jahre 1900 sieht Anton Bettelheim Maria Stuart in Schottland weder als "Epigonenarbeit" noch als "Meisterleistung" (Bettelheim 1900, S. 53), sondern als ein Werk, das sich in der Motivierung und Charakterisierung von dem Schillers unterscheide. In seiner im gleichen Jahr erscheinenden Monographie konstatiert Moritz Necker, daß sich EbnerEschenbach mit ihrem Trauerspiel deutlich an Schiller orientiere, und übernimmt Ludwigs These, das Stück stelle sowohl ein Intrigen- als auch ein Charakterdrama dar (Necker, S. 11), eine Auffassung, die noch 1947 von Elisabeth Felbinger übernommen wird (Felbinger, S. 43). Daraus wird ersichtlich, daß in der Literaturkritik noch lange und eigentlich bis in die jüngste Zeit Ebner-Eschenbachs Überarbeitungen des Erstdrucks ihres Trauerspiels, die auch zu einer Eliminierung von Intrigenelementen und einer verstärkten Motivierung führten, nicht beachtet werden. Ein weiteres Thema, das schon früh in der Auseinandersetzung über Maria Stuart in Schottland aufgenommen wurde, war die Schuldfrage, auf die bereits Devrient wiederholt zurückkam, wenn er für eine Vermehrung der Schuld Marias plädierte. Indem Ebner-Eschenbach, wie Gabriele Reuter noch vierzig Jahre später argumentiert, "eine völlig unschuldige Märtyrerin und Dulderin" darstelle, verhindere sie den tragisch notwendigen Verlauf, "jene Leidenschaft, aus der die Schuld, jene Schuld, aus der das tragische Schicksal sich in dramatischer Steigerung entwickeln" (Reuter, S. 29) müsse. Diese Sicht ignoriert Ebner-Eschenbachs Konzeption der Titelgestalt, deren Konflikt darin begründet liegt, daß sie ihre Herrscherpflichten für eine Leidenschaft vernachlässigt. Sieht man von Felbingers Arbeit ab, kommt es erst in den siebziger Jahren zu einer erneuten Beschäftigung mit Ebner-Eschenbach, in deren Verlauf ihr Bild in der Forschung korrigiert wurde und Ideologie- sowie sozialkritische Aspekte in ihrem Erzähl-
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werk aufgezeigt und auch feministische Analysen vorgenommen wurden. Was das Drama betrifft, so geht Karl Gladt davon aus, daß Ebner-Eschenbachs Unsicherheit über die Handlungsträger des Trauerspiels zu einer Verlagerung des Schwerpunkts auf Murray führe, "der als deus ex machina und überlegener Sieger unnatürlich und konstruiert" wirke (Gladt. S. 18). Roman Rocek, in seiner Edition von Ebner-Eschenbachs Das Waldfräulein aus dem Jahre 1988, gibt auch einen Überblick über die historischen Trauerspiele und erkennt in Maria Stuart von Schottland die Vorwegnahme von emanzipatorischen Gedanken, indem die Dramatikerin auf das soziale Ungleichgewicht von Mann und Frau eingehe. Gerade weil Maria Stuart "lediglich das Naturrecht der Begabung" anerkenne und "nicht das Vorrecht der Geburt", werde sie um so leichter zum "Spielball der ehrgeizigen und gewissenlosen Männer ihrer Umgebung" (Rocek. S. 586). Zu einer dezidierteren Auseinandersetzung mit Ebner-Eschenbachs historischen Dramen kommt es in den neunziger Jahren. In ihrem Artikel aus dem Jahre 1993 und dann erneut in ihrer Monographie von 1997 nimmt Edith Toegel den Standpunkt ein, daß die Dramatikerin in ihrem Erstlingswerk noch zu sehr von Vorbildern abhänge, es nicht zu "einer klaren Charakterisierung der sich in ständigen Gegensätzen entwickelnden Hauptfigur" komme und somit die Intrige als treibende Kraft in der Entwicklung des Geschehens überhand nehme (Toegel 1997, S, 27). Nach Carl Steiner war die Wahl des historischen Stoffes für Ebner-Eschenbach darin begründet, "to link the emblematic quality of her heroine's fate with the contemporary treatment of women as well as the inequality in the relations between males and females" (Steiner, S. 76). Marias "trusting disposition" und "inherent kindness and even goodness" führen dazu, daß sie, "betrayed and victimized by men of ambition and violence" (Steiner, S. 75-76), ihrem tragischen Untergang entgegengehe. Ferrel Rose geht in einem Beitrag aus dem Jahre 1996 davon aus, daß es sich bei EbnerEschenbach, wie auch anderen Dramatikerinnen, um ein psychologisierendes Geschichtsverständnis handelt. Sie sieht daher den Charakterkonflikt als moralischen Kampf der Protagonistin: "Maria's ethical failing consists not only of being blinded by her female dependency on Both well but also of being seduced by an immoral 'male' political ethos into irresponsible leadership" (Rose, S. 154). Die Aktionsweisen der Charaktere in dem Stück sind genderspezifisch markiert. Susanne Kord dagegen verweist in ihrem Artikel von 1994 auf den von EbnerEschenbach in dem Trauerspiel entwickelten tragischen Charakterkonflikt der Protagonistin, indem sie "Maria's political and moral descent from a capable queen to a loving woman" (Kord 1994, S. 100) aufzeigt. Im Gegensatz zu Schillers Drama werde Maria von Ebner-Eschenbach als fähige und respektierte Königin dargestellt, die erst dann die Achtung des Volkes und letztendlich ihr Königtum verliere, als sie sich aus Leidenschaft Bothwell unterwerfe. Dabei wird, wie Kord argumentiert, Marias Weiblichkeit auch in ihrer Funktion als Herrscherin nie in Frage gestellt, aber "in a
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direct reversal of Schiller's moral, Maria's obedience, her observance of her 'feminine duty,' becomes the cause of her undoing" (Kord 1994, S. 103). Die Tatsache, daß Ebner-Eschenbach aus der Entwicklung der historischen Tragödie ausgeschlossen bleibt, führt nach Kord dazu, daß die von der männlichen Gestaltung historischer Ereignisse abweichende weibliche, die sich in einem grundsätzlichen Mißtrauen gegenüber historischen Berichten und einem verstärkten Interesse gegenüber weiblichen Akteuren der Geschichte und ihrer Handlungsmotivation ausdrückt (Kord 1994, S. 104-105), unbeachtet bleibt. In ihrer Studie aus dem Jahre 2003 faßt Sarah Colvin den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Gestaltung Schillers und der EbnerEschenbachs zusammen und betont damit deren eigenständige Konzeption. In Schillers Drama sei es Marias "sexuality that provoked men to action", und in EbnerEschenbachs sei es "her royal status: Ebner's Maria is defined, paradoxically, not only as a woman - and therefore subordinate - but as a ruler, and therefore dominant" (Colvin 2003, S. 23). Da Maria nicht in der Lage ist, ihrer dominierenden Herrscherrolle treu zu bleiben, kommt es mit ihrer Unterwerfung unter Bothwell am Ende des Trauerspiels zum Triumph ihrer männlichen Gegner.
I. Text
Marie Roland
1.
Marie Roland
(Η)
Marie Roland Trauerspiel in fünf Aufzügen
Marie Roland
384
PERSONEN Deputirte
der Departements
der Gironde:
ROLAND VERGNIAUD BUZOT BARBAROUX LOUVET GENSONNE
Jacobiner:
ROBESPIERRE MARAT DANTON LACROIX LEGENDRE
MARIE ROLAND EUDORA, ihre
Tochter
LODOISKA GRAF BEUGNOT NICAUD MAILLARD DER SCHLIESSER DER FRIEDENSRICHTER SOFIE FLEURY, Dienerin LECOQ, Diener
bei
bei
Roland
Roland
ERSTER UND ZWEITER COMMISSAIR ERSTER UND ZWEITER HUISSIER ERSTE UND ZWEITE WACHE MUNICIPALGARDISTEN. VOLK
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und
BARBAROUX
treten ein.
BARBAROUX
pocht an die
Thüre links. BARBAROUX. Wir sind's, Roland! wir bringen Neuigkeiten Hörst Du? BUZOT tritt aus der Thüre. Geduld, und stört ihn nicht. BARBAROUX.
5
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Geduld?
Aus Eurer Sprache tilgt mir dieses Wort! Geduld! Geduld! - Ich komm' aus dem Convent. Wir alle sterben noch an der Geduld! Wo ist Marie Roland? BUZOT. Bei ihrem Manne Und schreibt mit ihm GENSONNE. Das heißt: sie schreibt f ü r ihn, Und spricht für ihn, und - handelt wohl für ihn! BARBAROUX. Sie schreibt? - Roland's Rechtfertigung? - Ο - glänzend! - Betheuert, daß der ehrliche Gelehrte Ein ehrlicher Minister auch gewesen, Und man recht übel that, ihn abzusetzen; Daß er kein Räuber war - kein Royalist Im Solde nicht der Feinde Frankreichs stand Daß er nicht schwelgte mit dem Gut des Volk's, Auch schamlose Orgien nicht gefeiert Sie schwört - beweist - berechnet - Dies und das! Er schreibt - sie schreibt - was Keiner lesen wird, Und liest es Einer, sicherlich - nicht glauben. BUZOT. Nicht glauben, Freund? Daß vier gleich zwei und zwei? Ich dächte doch, daß Wahrheit ist in Zahlen. BARBAROUX. Ο Vorurtheil! die Zahlen, die behaupten, Der ärgste Schuft von einem Publicisten, Der darum nur in Gunst bei'm Pöbel steht, Weil er ihn an Gemeinheit übertrifft, Der niedrigste Verläumder sei Hebert -
Die dummen Zalen, welche das behaupten, Die lügen und gehören auf den Kehricht, Und der sie schrieb, gehört auf das Schaffot! BUZOT. Ging's heute im Convent aus diesem Ton? BARBAROUX. AUS diesem und aus - doch, da ist Roland. GENSONNE für sich. Sein böser Geist und unserer, mit ihm.
Zweiter Auftritt VORIGE. ROLAND mit Schriften.
MARIE.
Begrüßung. ROLAND. Seid mir willkommen, und verzeiht mein Säumen, Die Arbeit mußte erst vollendet werden. Zu Vergniaud, ihm die Schriften überreichend. So antwort' ich der Lästerung Hebert's. Ein unbefangen Auge, dies zu prüfen, Wird im Convente doch noch offen sein. VERGNIAUD. I c h w ü n s c h e e s .
BARBAROUX. Ich glaub' es nicht. - Roland Daß Du der Redliche der Redlichen, Meinst Du, sie zweifeln d'ran, die Triumviren? Was sie in Dir bekämpfen, ist der Gegner, Und jede Waffe gut, die ihn verwundet. Trifft eine Tugend sie statt einer Sünde, Je nun - gleichviel, wenn sie nur tödtlich traf! Der Leu Danton, Marat und Robespierre Verachten tief Hebert den Journalisten, Doch sie b e achten klüglich - Deinen Feind. ROLAND. Mit welcher Stirne klagt der Mann mich an? Veruntreut hätt' ich öffentliche Gelder? Kein halber Heller ging durch meine Hand, Der nicht verzeichnet steht in jenen Blättern. Verderbt hätt' ich den Geist der Republik? Man frage nach in den Departements, Durchforsche meine Briefe all' und Schriften, Und antworte sich selbst. Ich sag' es Euch: Stünd' ich ein Einzelner, wär' unauflöslich Mein Name nicht geknüpft an Eure Namen, Statt Prüfung zu begehren dieser Schrift,
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Die zeigen wird, wie ich mein Amt verwaltet, Hätt' ich in der Versammlung sie verbrannt, Wie Scipio gethan an (vor) seinen Klägern. BARBAROUX. Den Römer spielen taugt nicht in Paris. Dein Unglück ist, daß Du zu groß empfindest, Zu tugendhaft, zu stolz, zu edel bist. Ein rein Gewissen, - pfui! das ist gefährlich, Gefährlich fast wie reine Wäsch' und Hände. Die Republik ist gründlich schmutzig worden, Und alle Sauberkeit erregt Verdacht. Ich wollt', Du wärst gesessen im Convent, An meiner Seit' statt dieses stummen Redners, Er zeigt auf Vergrtiaud. Der sich fürwahr! um seinen Ruhm noch - schweigt, Und hättest ihrem Wutgeschrei gelauscht. An allem Elend, aller Not des Volk's, Am Aufruhr der Vendee, am Bürgerkrieg, An jeglicher Gefahr, die wild und drohend Von innen und von außen sich erhebt, Sind ganz allein die Girondisten Schuld! Dies Liedchen pfeift Marat auf der Tribüne, Und läßt es drucken auf viel tausend Blätter, Und streut den gift'gen Schnee in alle Luft! Den Chor dazu brüllt Cyniker Hebert, Weiht uns dem Tod zehnmal in einem Athem, Und fügt zu jedem Fluche einen Schimpf. ROLAND. Der Zwölferausschuß aber wankt und zögert? BARBAROUX. Wie sollt' er nicht? Ist er doch unser Schatten. Wir warfen eines Tag's ihn an die Wand, Daß er vollende, was uns nicht gelang: Die Ruhe herzustellen, das Gesetz. Er soll in der Comune Ordnung halten, In ihren Schranken jegliche Partei. ... Der Zwölferausschuß wär' ein nützlich' Amt, Wenn er nur Eins, wenn er kein - Schatten wäre. GENSONN6. Er ging hervor aus uns'rer Wahl und Mitte, Er ist verhaßt wie wir. ROLAND.
Gleichviel - er i s t ,
Steht im Besitz ausübender Gewalt Und sollte sie gebrauchen.
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( v or) iidZ, eingewiesen
Uber an; ohne
Tilgung.
Marie Roland
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Sollte-ja!
Ja,ganzgewiß ... ach, wenn er doch nur k ö n n t e ! Der Zwölferausschuß nennt sich treffend selbst: Ein Brett, geworfen in das wilde Meer Zur Rettung in dem allgemeinen Schiffbruch. Vertrau' Dich ihm, ertrinkende Gironde!
Dritter Auftritt VORIGE. LOUVET.
LOUVET. Gegrüßt Marie Roland! Zu den Übrigen. Und Ihr. ROLAND.
DU k o m m s t ?
LOUVET. AUS d e m C o n v e n t .
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ROLAND. Und bringst nichts Gutes. LOUVET. Nein. BARBAROUX. Louvet, mein Schatz! Du bist ja ganz verstört. Saß Gott Marat vielleicht in Deiner Nähe, In seines Schmutzes königlichem Glanz? Und hat Dich Ärmsten Ekel krank gemacht? Mißlang Dir eine Ode, lieber Freund? Ist Lodo'iska ungetreu geworden? Heraus damit! was fehlt uns'rem Poeten? LOUVET. Ich bin besorgt - besorgt um die Geliebte, Die, als die Nacht schon angebrochen war, Ihr Haus verließ - wie eben ich erfuhr Und bis zur Stunde noch nicht heimgekehrt. BARBAROUX. Nicht heimgekehrt? Ei! ei! LOUVET. Ihr alle kennt Des kühnen Weibes beispiellosen Mut. Sie wagte in des Löwen Höhle sich, Gält's abzuwenden, ach, von diesem Haupt Ein drohend Übel, nahende Gefahr. Sie ruht und rastet nicht, und stets besorgt Späht sie und lauscht und wandert durch die Straßen, Bewacht das Thun und Lassen meiner Feinde, Und warnte schon wie oft! zur rechten Zeit. ... Doch m e i n e Warnung findet kein Gehör, An sich zu denken, sie verschmäht's, und doch, Bei allen Göttern! ist in dieser Stadt
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Louvet's Geliebte sich'rer nicht als er. ROLAND. Ο, nähm' ein End' dies Zagen und dies Bangen Um uns und Alles was uns theuer ist! Ich bin der Müh' zu ringen um mein Leben So herzlich satt! LOUVET. Sei ruhig! bald bist Du Von ihr erlöst. Die Würger des Septembers Erbarmen sich und schenken uns den Tod. ROLAND. Und nehmt Ihr ihn aus ihren schnöden Händen? Ich wahrlich nicht - ich gebe mir ihn selbst. Wie Cato und wie Brutus will ich sterben Am Tag, der mir den letzten Glauben raubt An deine Zukunft, freie Republik! MARIE die bisher schweigend, mit allen Zeichen heftiger Ungeduld unfähig, sich länger zu bezwingen. Wer spricht von Sterben, eh' sein Werk vollbracht? Galt's nur allein das Unrecht zu vernichten, Als Ihr den Bau der Monarchie gestürzt? Es galt wohl mehr! es galt das Recht zu gründen, Ein neu Gesetz im neu erstand'nen Reich. Die große Arbeit ist noch ungethan. Sie fordert Euch - wolan, hier stehet Ihr: Der Göttin Freiheit kampfbereite Söhne, Nicht wild berauschte Priester des Idols, Die sich im Wahnsinnstaumel der Verzückung Auf dem Altar des Götzen selber schlachten. VERGNIAUD. Auf seiner Bahn begrüßt Dich mein Gedanke. Du sprichst es aus: - noch wurde nichts gethan. Zu handeln gilt's! und was beginnen wir? Wir geh'n in den Convent und halten Reden, Und wenn die Wellen uns'res Zorns zerstäuben Am Felsen des Triumvirats, zerstäubt Auch unser Mut; - dann wandern wir nach Haus Und sinnen still auf einen schönen Tod. BARBAROUX. Gib bessern Rat, wenn besseren Du weißt. VERGNIAUD. Man wirft mir vor, daß ich seit langer Zeit Die Macht des Worts, die ich besitzen soll, Nicht übe. Nun - ich bin des Redens müd, Und mich verdrießt es, stets zu wiederholen: "Vertrau' auf uns, du irrgeleitet Volk! Wir sind's, die deines Königs Haupt gefällt, Und D i c h zur Herrschaft riefen über Dich!
zugehört,
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Vertrau auf u n s , nicht auf die Jakobiner Nicht auf die Henkersknechte blutberauscht; Leih' nicht ein willig Ohr dem Unsinn; Vervehme nicht die Tugend ..." und so weiter! So weiter! - O, bei der Vernichtung, nein! Ich will den Blinden nicht mehr sagen: "Seht!" Den Tauben nicht mehr pred'gen: "Hört doch! hört!" Euch aber, Euch, die Ihr nicht blind noch taub, Zu Euch erheb' ich heute meine Stimme, Und fleh' Euch an: Ihr Männer, rettet E u c h , Und Eurem Vaterland die Republik! ROLAND. Ist's uns're Schuld, daß es noch nicht gescheh'n? BARBAROUX. ES fehlt dazu uns eben nur das Mittel. LOUVET. Und dieses fehlt uns, weil es keines giebt. VERGN1AUD. ES giebt ein Mittel! und ich will Euch's nennen. Hält plötzlich inne und wendet sich an Marie: Entscheide Du, ob wir's ergreifen dürfen. Du bist die Seele der Gironde, und stets Erschien Dein Wunsch ihr ein Gesetz. MARIE. Mein Wunsch? - Wohl darum nur allein, weil er noch nie Nach anderem begehrt als dem was Recht. VERGNIAUD. Daß wir zu schwach, der Anarchie zu steuern, Ihr alle fühlt's - Ihr alle mögt's gesteh'n. Was Not uns thut, ist eine starke Hand, Die sich zum Bund in uns're Hände legte. Die Hand wird uns gereicht. ROLAND. Wer bietet sie? BARBAROUX. W e r ist's?
VERGNIAUD. Ein Größerer als wir, wenn auch - Kein Besserer. Der Triumviren einer ... ROLAND. Vollende nicht! VERGNIAUD. ALLE ÜBRIGEN.
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Der mächtigste ... Danton?!
MARIE nach kurzer Pause. Er will sich Euch versöhnen? ... Er vergißt, Daß zwischen Euch und ihm, für ewig trennend, Das Blut der Opfer des Septembers qualmt. - Wer gab es zu, daß eine Hand voll Teufel, Des Pöbels Abschaum - Auswurf noch des Auswurfs Aus ihren Kerkern die Gefang'nen riß Und ungerichtet würgte - würgte - würgte?! Wer gab es zu? ... Gerechtigkeit! und wer
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Beschwichtigte, bog scherzend aus und lachte, Kaut' an den Nägeln, zuckte mit den Achseln, Wenn hier - Roland, Minister Frankreichs, kam, Von dem Convent der Mörder Strafe fordern? Wer war der Mann? Derselbe doch wohl nicht, Mit dem er jetzt ein Bündniß schließen soll? Die Niedrigkeit wird ihm nicht zugetraut, Daß er, gestürzt, die Freundschaft dessen suche, Dem er Verachtung schwor viel tausend Mal, So lang noch sein ein Schatten war von Macht! VERGNIAUD. Nein, nein, Marie! Ihr sucht nicht Danton's Freundschaft, {Noch} (Er) bietet {er sie} (sie nicht) an. Nicht Eure Herzen, Doch Eure Köpfe sollen sich versteh'n. Nehmt Ihr ihn auf - {bedenkt es - so zerfällt} (er kommt kein Einzelner,) {Mit einem Schlage das Triumvirat. Ihr isolirt Marat und Robespierre Und} (Er) führt das Volk ins Lager der Gironde. Noch ist Danton kein ganz Verlorener: Noch ringt ein Gott in seiner wilden Seele Mit allen Höllengeistern, und noch schlägt In s e i n e r Brust d a s H e r z d e r R e p u b l i k . Er ist zur Umkehr fähig! - macht sie möglich. Je tiefer seine Schuld ihn niederwarf, Je höher wird ihn seine Reue heben. BUZOT. Ihn heben? - bis zur Dictatur! BARBAROUX.
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Halt da!
MARIE. Kein Bündniß mit Danton! - Ο Freunde! Freunde! Habt Ihr das Land der Tyrannei entrissen, Es dem Verbrechen in den Arm zu schleudern? - Ihr wißt, mit welchem Aug' ich s i e betrachte, Die alle Schuld an Frankreich's Unglück trägt Des schwachen Ludwig's ränkevolles Weib: Ich hasse sie, ich habe sie gefürchtet, Und laut aufjauchzend grüßt' ich ihren Fall: Doch schwör' ich's Euch: Mit dieser meiner Hand Erschlöß' ich lieber ihres Kerkers Pforten Und böte i h r der Herrschaft Scepter an, Als daß ich Euch - war's eine Stunde nur Ihn führen säh' im Bunde mit Danton! GENSONNE. Er hat Dich oft verspottet im Convent; Wir kennen Deinen Abscheu gegen ihn. Doch gilt es jetzt, den eig'nen Groll vergessen -
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Es gilt... MARIE. ES gilt? - ich will Dir sagen, WAS ! - Es gilt für Euch, auf eig'nen Füßen steh'n. Braucht Ihr der Hülfe, sucht sie bei Euch selbst! Β υ ζ ο τ . Das wollen wir! - sie spricht aus meiner Seele. BARBAROUX. Kein Bündniß mit Danton! ROLAND . Nein, Vergniaud! Kein Bündniß mit der Schwelgerei, dem Treubruch! VERGNIAUD. Bedenkt noch einmal, Gensonne! - Louvet! LOUVET. Erwägt - beschließt - thut was Ihr wollt! - Ich sage: Er ist ein großer Mensch, allein - ich haß' ihn. Thut was Ihr wollt. Wozu Ihr Euch entschließt, Dazu bin ich entschlossen. - Lebet wohl! ROLAND. Wohin, Louvet? LOUVET. ZU Lodoi'ska. Ich Will fragen, ob sie noch nicht heimgekehrt. ROLAND. Ist sie's, so sucht sie hier Dich auf. LOUVET. Nicht hier. Sie meidet dieses Haus. ROLAND. AUS welchem Grunde? LOUVET. Sie weiß von Deiner Gattin sich verachtet. MARIE. Verachtet? - nein, mein Freund! nur nicht gesucht. Wir gehen and're Wege, sie und ich. Stimmen und Lärm von aussen. Doch - was ist das? LOUVET. Die Stimme Lodoi'ska's?! Eilt zur Thilre; Lodoi'ska stürzt ihm entgegen. MARIE ZU Roland. Bestellt Louvet hierher seine Geliebte?
Vierter Auftritt VORIGE. LODOISKA.
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LODOISKA in Louvet's Armen. Heil mir! Heil mir! Ich habe - halte Dich. ... LOUVET. Geliebteste! LODOISKA. DU bist bei mir - und nun Bist Du gerettet, ο mein süßer Freund! Ihr alle seid's mit ihm. - Hört mich! entflieht! Verbergt Euch! fort! hinweg aus diesem Hause! ROLAND. W a s ist g e s c h e h n ?
LODOISKA.
Ich fleh' Euch an: entflieht!
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BARBAROUX. Warum entflieh'N? LODOISKA. Warum? warum? - Ach ja, Ihr wißt noch nicht... LOUVET. Erhole - fasse Dich! ROLAND. Was ist geschehen? BARBAROUX. Rede! - sprich! LODOISKA.
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So hört. -
Ich wohne nah dem Jacobiner Club, Und heute - als die Nacht schon angebrochen Vernahm ich einen gräßlichen Tumult Auf jener Höhle gottverlass'ner Schwelle. Ich eilt hinab - ich schlich mich in den Saal In einer Ecke Dunkel barg ich mich. Da sah ich sie, beim matten Fackelschein, Die Schrecklichen, auf ihren Bänken sitzen Die einen rot wie Blut, die andern wie Die Leiche weiß - und alle Gräuel sinnend, Entsetzen redend! ... Auf der Tribüne stand ein Mann, und sprach, Und jedes seiner Worte rief zum Mord Der Zweiundzwanzig! ... Ο Louvet! Louvet! Er nannt' Euch alle, einen nach dem andern Roland - Buzot MARIE mit einem unterdrückten Schrei. Buzot! Zu Lodoiska. Fahrt fort! - fahrt fort! LODOISKA. Und es erscholl, so oft ein Name klang, Ein dumpf Geheul durch die gedrückte L u f t , Und Fäuste ballten sich, und Augen blitzten Und Dolche blank ... Was sagt' ich? Ja, als er Geendet, kam Marat, bestieg die Bühne, Und seine Stimme kreischt' in die Versammlung: "Bluttrinker nennt man uns? - Verdienen wir Den Namen! - Im Senat ward Cäsar hinGemordet: - morden wir die Volksverräther, Die Girondisten, morgen im Convent! ..." BARBAROUX. Schon morgen? Hei! ihr morgen das ist heut. Einen Dolch hervorziehend. Komm' du hervor! denn Arbeit giebt's für dich. MARIE. Nur weiter! weiter! LOUVET. Was beschlossen sie? LODOISKA. Die meisten jauchzten auf bei diesem Vorschlag; Hebert jedoch verwarf ihn und er rieth Zum Meuchelmorde. Dieser tödtet auch
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Und zeigt die Hand des Volk's zu jeder Zeit Erhoben über seiner Feinde Haupt! ... BUZOT. Das sagte er?! - Das hörtest Du? - Ο herrlich! Ο göttlicher Hebert! ο Mann des Heils! All unser Blut zahlt diese Worte nicht! BARBAROUX. Und dabei blieb's? LODOISKA. Sie kommen - bald - gewiß! Sie suchen Euch in Euren Wohnungen. ... Ich hörte sie das Losungswort vertheilen Ich sah die Klingen zieh'n, die Fackeln löschen Die Flut der Menge trug mich aus dem Saal. ... Zu Louvet. Dann rannte ich zu Dir und fand Dich nicht, Und suchte Dich vergeblich bei den Freunden Sieyes und Gensonne, und endlich hier, Geliebter! - endlich hier! LOUVET. Nun komm! - hinweg! Wir geh'n von Thür zu Thür und warnen die Genossen. MARIE. Halt! es giebt noch mehr zu thun. Zu den übrigen Girondisten. Was unternehmet Ihr? BARBAROUX.
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Da mir Besuch
Gemeldet ward, so geh' ich ihn erwarten. ROLAND. Ich bin bereit, den meinen zu empfangen. MARIE. Nicht so! - Verbergt Euch jetzt. Ihr findet bei Du Bosc ein sicheres Versteck, und morgen, Sobald der Tag beginnt zu grauen, zum Convent! Zu Louvet. Dorthin entbiet' die Unsern alle. Sag' ihnen: d i e s e kämen zum Gericht Der Jacobiner und der Triumviren. LOUVET. Das könnte sein? - wir hätten noch die Macht? MARIE. Der Zwölferausschuß möge sich versammeln, Die Bürgergarde zu den Waffen rufen. ... Βυζοτ. Geh' hin, Louvet! Zu den Übrigen. Ihr seid doch einverstanden? BARBAROUX ZU Louvet. Mach' fort! mach' fort! - ruf halb Paris zusammen; Doch still! damit nicht ganz Paris es hört. VERGNIAUD ZU Louvet. Vor allem geh' und rette uns're Freunde. Louvet und Lodoiska wenden sich zu gehen. Βυζοτ leise zu Marie. Für Lodoiska nicht ein Wort des Dank's? MARIE ZU ihr. Habt Dank. LODOISKA. Madame, verzeiht mir daß ich kam.
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Louvet und Lodoiska ab. ROLAND. Dem Tod, Marie, den heut' wir fliehen sollen, Führst Du auf einem Umweg uns entgegen. GENSONNE. Das ist auch meine Meinung. BARBAROUX ernst. Gensonne! Ein Sieg ist möglich. Andere als wir Errängen ihn. Wie schade, daß wir nur - W i r selber sind! MARIE. Seid einmal mehr. Versucht's! Erhebt Euch über Euer eig'nes Selbst. Das kann der Mensch in großen Augenblicken. Ο traut Euch's zu! ... Ihr Männer des Gedankens, Wagt Euch beherzt an eine kühne That! Viel tausend Freunde zählt Ihr in Paris Und fest zu Euch steh'n die Departements; Ihr habt die Stimmenmehrheit im Convent: Ertrotzt Euch die vollziehende Gewalt, Und statt zu f o r d e r n - ü b t Gerechtigkeit! -
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Du, Vergniaud! mit Deinem Feuerwort Klag' an die Mörder, Ihr laßt sie verhaften Auf ihren Bänken, in demselben Saal, Der rauchen sollte heut' von Eurem Blut. GENSONNE. Das alles kann nicht ohne Kampf geschehn.
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MARIE. SO n e h m t i h n a u f !
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BARBAROUX. Ich thu's, bei meinem Eid! MARIE. Die Bürgergarde hat Geschütz und Waffen, Zu ihrem Führer wählet Lanthenas. VERGNIAUD. Bau'st Du auf seine Treue? MARIE. Unbedingt. Er soll die Thore des Convents besetzen. ... BARBAROUX. Und dringe ein auf uns'ren Wink und Ruf. MARIE. Habt Ihr Marat, Hebert in Eurer Hand, Dann nützt den ersten Eindruck Eures Sieg's, Und nehmt Danton, nehmt Robespierre gefangen, Die Häupter all des Aufstandscomite's! BARBAROUX. Deß sei gewiß! wenn wir den Fuß nur einmal Auf festen Grund gestellt, ist mir nicht bang Um uns'ren nächsten Schritt. MARIE. Geht hin! erkämpft dem Volk, Wonach es fiebernd und vergeblich ringt: Den Frieden in der Freiheit! ALLE. Frieden in
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Marie Roland Der Freiheit! MARIE.
Ο gelobet mir -
VERGNIAUD.
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Ich schwöre,
Zu thun nach Deinem Wort, das warm und klar, Und mit der Kraft der Wahrheit mich berührt. BARBAROUX. DU Herrliche! vor deren Geist auf Knien Der meine liegt, nimm ihn in Dienst und Pflicht! ROLAND. Wir folgen Deinem Rat GENSONNE. Und sei's zum Heile! MARIE. Es w i r d zum Heile sein. - Doch fort nun, fort! Βυζοτ. Auch Du bist hier nicht sicher. Folge uns. MARIE. Ich fürchte nichts, und habe nichts zu fürchten. Sie fortdrängend. Lebt wohl! ROLAND. Auf morgen denn! Er will sie umarmen; sie macht unwillkürlich eine abwehrende Bewegung. Marie? MARIE schliesst ihn sanft in die Arme. Leb' wohl! Zu Barbaroux. Du gehst mit ihm. Bewache mir dies Haupt. BARBAROUX. Sei ruhig. Komm, Roland! Βυζοτ zu Marie. Wir Männer fliehen Und Du? MARIE. Ich bleibe. Βυζοτ. Schicksal! Schicksal! VERGNIAUD .
Vorwärts!
Roland, Barbaroux, Buzot, Vergniaud und Gensonne ab.
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allein.
O, einen Tropfen nur in ihre Adern Vom flüß'gen Feuer, das durch diese wallt, Und ein erlöstes Frankreich grüßt den Morgen! ... Sie schwören und geloben? ... Worte! Worte! Ich aber zähl' auf ihn allein, der schwieg. Ich zähl' auf ihn, den Kühnsten, Besten, Liebsten ... Den Liebsten? ... Ja, mir selbst darf ich's gesteh'n. Nach einer Pause. Die erste Regung dieser Brust war Dein, Mein Vaterland! des Mädchens erste Liebe - Dein. Um Dir zu dienen, trat als Gattin ich In eines Greises freudenleeres Haus
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Und weihte meine Jugend strenger Pflicht. Dein Tag erschien, ο Freiheit, die ich träumte, Und alle meine Pulse jauchzten Sieg! Doch bald - wie bald! - betrat die Schuld den Weg Der mir gebahnt nur für die Tugend schien. Der Undank kam, noch eh' der Ruhm gekommen Und Alles log, worauf ich fest gehofft. Da trat er mir entgegen - Er - Buzot Da liebt' ich ihn. Roland's vermähltes Weib Den fremden Mann? ... Was wallst Du auf und steigst Mir in die Wangen, thöricht Blut? ... Erbärmlich! Du kannst ja nur mich zwingen zu erröten, Doch Grund mir schaffen zu erröten - : nie! Was regte sich? Sie öffnet die Thüre rechts. Riefst Du, geliebtes Kind? Nein, nein, sie schläft. - Nun, ich will bei ihr wachen. Die Liebeswache, Kind! an Deinem Lager Soll heute mir anstatt des Schlafes sein. Zu Dir! Sie hat das Licht vom Tische genommen. - Im Augenblicke, wo sie in das Nebenzimmer treten will, wird die Thüre im Hintergrunde rasch geöffnet. Buzot tritt ein.
Sechster Auftritt VORIGE. BUZOT.
Buzot und Marie
zugleich.
BUZOT. Marie! MARIE. BUZOT.
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Buzot! Ich b i n ' s .
MARIE. Was willst Du hier? BUZOT. Dich schützen. Eine Bande Hebertisten Umschleicht das Haus. Sie suchen Deinen Gatten, Und Deinen Namen auch hört' ich sie nennen. M A R I E . D U irrtest wohl. Gewiß, mich sucht man nicht; Dich dürfen sie nicht finden. Geh! BUZOT.
Die Pforte ist umstellt. M A R I E auf die offene Thüre deutend.
Z u spät.
So tritt hier ein.
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Das letzte Fenster öffnet auf den Hof. Ein Sprung bringt Dich hinab, Du kannst ihn wagen. Der schmale Gang am längern Ende rechts Er führt hinaus in's Freie. Geh', ich will's. BUZOT. Ich gehe nicht, verlasse Dich nicht hülflos. MARIE. Ich fleh' Dich an! - ich bin nicht in Gefahr; Du aber bist verloren, wenn Du zögerst. ... Ο ich beschwöre Dich! - Deine Gegenwart Beschützt nicht - sie bedroht. ... Hinweg, Buzot! BUZOT. Um keinen Preis! - Ich kam - weil ich Dich liebe! Versuch' es nun, und sag' noch einmal: "geh'!" "Verlaß mich in der Stunde höchster Not!" Marie! es spricht's kein Jüngling in des Lebens Verheißungsreicher Zeit; es spricht's ein Mann Im Angesicht des Tod's: Ich liebe Dich! Dein Beifall war das Ziel all' meines Strebens, Und Dein Gedanke war's, dem ich gedient! Er wirft sich vor ihr nieder. MARIE. Das sage nicht. - Du dientest nur Dir selbst, Dem tiefsten Drang der hochgemuten Seele, Denn Du bist groß und edel und gerecht, Und weil Du's bist - darum lieb' ich Dich wieder! BUZOT. Ihr Himmlischen! Er springt auf und fasst sie stürmisch in die Arme. Marie!! ... MARIE entzieht sich ihm. Was jubelst Du? Erwache! uns're Liebe heißt Entsagung, Und ihre schönste Stunde ist gelebt. BUZOT. Entsagung? - nimmermehr! ich werb' um Dich Im Angesicht der Welt: Der freie Mann Um das befreite Weib! - Die Ehe ist Das Sklavenjoch nicht mehr, das ewig zwingend Auf seiner Opfer müdem Nacken ruhte; Das Herz darf sprechen und die Neigung wählen, Die Schranke fiel, die ihr geheiligt Recht In enge Gränzen frevelnd eingedämmt; Die Schranke fiel - und Du hast sie zertrümmert! MARIE. Ich hab's gethan - und weil ich's that, mein Freund, Darf ich sie nie und nimmer überschreiten. Pochen an der Hausthüre. BUZOT. Warum? Warum? MARIE. Fühlst Du es nicht? Weil s i e die leben und die leben werden Nicht sagen dürfen: "Seht, sie that's für sich!" BUZOT. Und deshalb wolltest? - Nein, das ist unmöglich -
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Das war, Geliebte, nicht Dein letztes Wort. MARIE. Mein erstes Wort ist stets mein letztes Wort. Lärm und Schritte auf der Treppe. Sie kommen. Geh'! - hörst Du? - gieb nicht die Ehre Des Weibes, das Du liebst, dem Hohne preis. Roland ist ferne, und Du bist bei mir! ... Ihn fortdrängend. Weil Du mich liebst - weil ich Dich liebe: - fort! BUZOT. In einem Athem Gift und Himmelslabe? Du treibst zum Wahnsinn, Weib! MARIE leidenschaftlich flehend. Hinweg! hinweg! BUZOT. So höre denn, Du Unerbittliche: Um ihn zu leiten, den Verzweiflungskampf, Zu dem Du heute uns begeistert, braucht Es eines Mann's, der mit der Hoffnung brach. ... Er ist gefunden! Lebe wohl, Marie. Er geht. Stimmen und Rufe dicht vor der Eingangsthüre. MARIE. Beschütz' ihn Du, den ich nicht nennen kann Den anzurufen ich beinah' verlernt! MAILLARD'S STIMME. WO ist Roland? - Nicht da? - Man wird ihn finden! ...
Siebenter Auftritt VORIGE. MAILLARD.
Eine Schaar bewaffneter
SANSCULOTTES.
MAILLARD. W O i s t R o l a n d ?
MARIE.
In Sicherheit. zu seinen Leuten. Durchsucht Das Haus. Einige der Männer treten durch die Thüre rechts, andere durch die Thüre links ab. Du bist's, die ihn verbarg! - gesteh'! MARIE. Zwing mich dazu - versuch's! MAILLARD. Dich zwingen, Weib? MARIE. Du kannst es nicht, - Du kannst mich tödten nur MAILLARD. Beim Blut Capet's! Den Tod verdientest Du, Du Buhlerin und Freundin der Verräter! Du leitest sie mit Deinem Rate, Du Rufst zur Empörung die Provinzen auf Du willst durch Elend uns zur Knechtschaft zwingen. ... Es schreit nach Brot das Volk - ihm hungert; Ihr Laßt das Getreide in die Seine schütten! MAILLARD
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Marie Roland
400 MARIE. Ο Wahnsinn! - Und das glaubt das Volk? MAILLARD.
Das w e i ß
Das Volk! - Die Sansculottes kommen EINER DER MÄNNER.
zurück.
Er ist nicht hier.
MAILLARD ZU Marie. Noch einmal: Wo Ist er? MARIE. Noch einmal: - tödte mich! Einige von Maillard's Leuten nähern sich Marie mit drohender MAILLARD.
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Laßt sie!
EINIGE. Nehmt sie als Geißel mit! MAILLARD. Zurück! Wir haben Mit Weiber nichts zu schaffen. Kommt, Ihr Leute! Maillard ab mit seiner Bande. MARIE sieht ihnen mit ruhiger Fassung nach. Noch schlug sie nicht, die Stunde die mich beugt: Der Stolz, der aufrecht hielt in der G e f a h r , Er läßt mich auch in S c h m a c h nicht untergeh'n!
Geberde.
Zweiter Aufzug Decoration des ersten Aufzugs Erster Auftritt MARIE und SOFIE kommen
von
rechts.
MARIE. Führ' sie herein. Gebieterin, - Du wolltest ...
SOFIE.
MARIE. Führ' sie herein. Ich gehe. - Zurückkommend. Du empfingst Doch sonst sie nicht; warum gerade jetzt, Wo die Verläumdung Deinen Namen schmäht? MARIE lebhaft. Weißt Du davon? SOFIE. Warum gerade jetzt Dein ehrbar Haus dem schlechten Weibe öffnen? Sieh hier - und hier - Sie zieht Zeitungen aus der Tasche und wirft sie unmutig auf den Kamin. Das dringen Deinen Dienern, Das Deinem Kind sie auf, so oft den Fuß Wir setzen vor das Thor. MARIE. Laß doch - gehorche! SOFIE.
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SOFIE
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zögert.
MARIE. So muß ich selbst - ? Geht zur Thüre. SOFIE. In Gottes Namen denn! Sofie öffnet die MitteIthüre. Lodoi'ska tritt ein. Sofie ab.
Zweiter Auftritt M A R I E . LODOISKA
LODOI'SKA. M a d a m e MARIE.
Was bringt Ihr mir?
Dies von Roland. Übergiebt ihr einen Brief. MARIE ihn entfaltend. Hebert ist arretirt - wir siegen! - o, Ich hab's gewußt! ... Allein Marat - Danton Sie sind noch frei? LODOISKA. Sie theilten Hebert's Schicksal, Wenn Lanthenas zu rechter Zeit erschien. LODOI'SKA.
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Doch zögert er Er zögert? - Lanthenas? Den ich entschlossen kenne, tollkühn, rasch?! LODOISKA. Er läßt dem Berge Zeit, zur Gegenwehr Gewaltig sich zu rüsten MARIE. Thorheit! LODOISKA. Sagt: Verrath. MARIE. Unmöglich! nein! - Nach einer Pause. Ich will zu ihm - ich will Ihn sprechen, ihn bestimmen LODOISKA. Bleibt: - es wäre Es ist zu spät, sein Treubruch liegt am Tag. MARIE. Von wem habt Ihr die Kunde? LODOISKA. Von Roland. MARIE flir sich. Und ich - ich hieß sie bauen auf den Mann! Er war die Stütze, die ich ihnen bot, Als in den Kampf die Zögernden ich trieb! Ο daß ich's that! - daß ich ihr Leben wagte War das auch gut gethan, und durfte ich's? ... Mit welchem Recht gebrauch' ich so die Macht, Die mir ein Gott verliehen über sie? ... Sich stolz emporrichtend. Mit welchem Recht? ... Mit dem der guten Sache, Im unbefang'nen Geiste klar erkannt. Zu Lodoiska. Verdoppeln nur wird Lanthenas' Verrath Den Mut der Meinen, ihren heil'gen Zorn: Um einen Gegner mehr gilt's zu vernichten! LODOISKA. Noch tobt der Kampf im Saale des Convents, Und kann vielleicht ein kostbar Opfer kosten. Buzot beschwört die Wut der Jakobiner Mit Todeskühnheit auf sein einzig Haupt. So oft er spricht, erheben hundert Hände MARIE.
Sich gegen ihn, und hundert Dolche blitzen. Marie zuckt zusammen. Er will auf der Tribüne sterben, scheint Es fast. MARIE. Er wird nicht sterben! - er wird siegen Wird leben, glorreich, ruhmgekrönt, ein Held! LODOISKA. Mein Auftrag ist erfüllt. MARIE in Gedanken verloren. Behüt' Euch Gott! LODOISKA die sich zum Gehen gewandt, bleibt plötzlich stehen. Madame! - Ihr glaubt an Ihn? MARIE verwirrt. Ich - Lodoiska? —
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LODO'I'SKA. Sie sagten doch: - Ihr glaubtet nicht an Gott: Auf Eurer stolzen Höhe stündet Ihr Durch eig'ne Kraft allein. - Da schaudert' ich. Mich hat der Glaube nicht vor Schuld bewahrt, Und Ihr bleibt heilig ohne seine Stütze. Was ist er denn? so frug ich in Verzweiflung, Wenn er nicht hilft in der Versuchung Stunde? Und der Gedanke wurde meine Folter. Nun aber, ach! nun seh' ich's klar: Ihr glaubt Lebend'ger, frömmer, stärker nur als ich. Zu Einem Gott, ο Reine, beten wir; Erhob'nen Haupt's rufst Du ihn an: "Gerechter!" Ich lieg' im Staub und stammle: "Allerbarmer!" MARIE. Du fehltest durch die Liebe, armes Weib! Der Kampf ist furchtbar mit der Leidenschaft: Verzeih', daß ich hochmütig Dich verdammt. LODOISKA wirft sich ihr zu Füssen und küsst ihre Hände. Ο Gütige! Du giebst des Trostes Balsam. MARIE. Bedarfst Du sein? LODOISKA. Wie sehr! - wie unaussprechlich! Denn elend macht die unerlaubte Liebe; In der Entzückung macht sie elend noch! Marie Roland! auch ich war einst geehrt Und eines edlen Mannes stolzes Weib, Bis er erschien, der vielgeliebte Feind, Und sagte: "Komm", und ich mein Haus verließ, Mein armes Kind, den Gatten - und ihm folgte. Jetzt bin ich wie der Vogel auf dem Zweig Wie das gehetzte Wild, den Speer im Herzen Bin heimatlos, verworfen und vervehmt. MARIE. Viel wird vergeben dem, der viel geliebt. LODOISKA. Vielleicht dort oben; - doch auf Erden nicht. Die Welt kennt kein Erbarmen, und in ihr Sind glücklich nur, die edel sind wie Du! Sie geht.
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Dritter Auftritt MARIE allein. Ο herber Hohn! - ich wäre - ich - beglückt! Und gläubig ich - in Deinem Sinn! - Betrog'ne! Den Gott, zu dem D u betest, kenn' ich nicht; Zertrümmern half ich selbst seine Altäre, Und sah in lichten Zukunftsträumen schon Die frei geword'nen Geister rein und stolz, Auf eig'nen Schwingen herrlich aufwärtsschweben. - Was sprach sie noch, das mich so schmerzlich traf? Ja! - "Elend macht die unerlaubte Liebe. ..." Wie wahr, wie fürchterlich! ... Pocht' ich auf meine Stärke? Die erste, heiße Sorge um sein Leben Erschüttert sie, die felsenfest mir schien! ... Bin ich's - bin ich's denn noch? ... Ich hasse Dich, Verbotenes Gefühl! - Du gift'ge Schlange, Die mir am Herzen frißt - ich hasse dich!
Vierter Auftritt VORIGE. BEUGNOT, EUDORA.
EUDORA eilt herein und wirft sich in die Arme ihrer Mutter. Da bin ich wieder, Mutter! - liebe Mutter! MARIE. Du bliebst sehr lange, Kind! - Wo seid ... Erblickt Beugnot. Mein Herr!? EUDORA. Ο wenn Du wüßtest ... MARIE. Was ist...? wie siehst Du aus? EUDORA. Ich war verloren; ... der Zeigt auf Beugnot. hat mich gefunden. MARIE. Gefunden? - Wie ... BEUGNOT. Ihr Töchterchen, Madame, Ward auf dem Weg zum Tuileriengarten Durch einen wüsten Trupp von Maratisten, Die ihrem Gönner folgten zum Convent, Von ihrer Führerin getrennt... Ach denke! EUDORA. Es kamen tausend Menschen - Männer - Weiber Sie schrien, rannten, und sie stießen mich; Ich hielt mich fest am Arme meiner Bonne,
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Da war auf einmal sie weit weg von mir Und all die fremden Leute um mich her So bös - so wild! - sie traten mich ... ich fiel ... MARIE die ihr mit Entsetzen zugehört, kniet bei ihr nieder und drückt sie in die Arme. Mein Kind! - mein armes Mädchen! EUDORA.
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Da - da kam
Der gute Herr, und warf zurück die andern, Und hob mich auf, frug mich um meinen Namen. ... MARIE angstvoll. Du bist doch unverletzt? - der Kopf - die Hand Hier ist ein rother Fleck auf Deiner Stirne. ... Sie drückt leise mit der Hand darauf. Eudora, thut das weh? EUDORA schluchzend. Ο ja! ...ein wenig. MARIE. Ein wenig nur? Mit zum Himmel erhobenem Blicke. Ihr guten, gnäd'gen Mächte! Wieder zu dem Kinde gebeugt. Ein w e n i g nur? - Das ist so viel wie n i c h t Für meine wack're Tochter. Sag' - nicht wahr? Sich plötzlich aufrichtend, zu Beugnot. Verzeihung, Herr! - ich scheine undankbar; Die Wohlthat macht des Wohlthäters vergessen, Wenn sie so groß ist wie die eurige. Geht auf ihn zu, warm. Gebt mir die Hand und nennt mir Euren Namen. Wer ist der fremde Mann, dem mehr ich danke Als wie dem nächsten Freund? BEUGNOT. Ich heiße: Graf Beugnot. MARIE zurücktretend. Ein - Royalist? BEUGNOT. Ihr sagt es, ja. MARIE. Das thut mir leid, und ich bedau're Euch. BEUGNOT. Weil über mir das Beil des Henkers schwebt? MARIE. Viel mehr noch, weil Ihr einem Irrthum dient. BEUGNOT. Ich diente ihm von Kindheit an, Madame; Bin jetzt ein Greis. Die lange Übung macht, Daß mir mein Irrthum eine Wahrheit scheint. Im Alter bleibt man seinem Glauben treu. MARIE. Auch seinem Vorurtheil? BEUGNOT. - Nicht jedem - nein! Und eins der meinen wurde jetzt besiegt: Nicht so, wie ich sie finde, dacht' ich mir Die Kön'gin der Gironde. MARIE. Mein Name ist:
Marie Roland
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Marie Roland. BEUGNOT. Nun, s i e , Madame - die Frau, Bei der ihr Anhang sich die Losung holt Die immerdar: "Zum Kampfe!" heißt - die Frau, Die Gott verläugnet und den Glauben höhnt Die Frau, die einen Königsmord gebilligt Ich glaubte herzlos sie, gemüthlos, fühllos, Und sehe nun, das alles ist sie nicht. Sie kann ja zittern, weinen, sie kann beten, Und sie kann lieben; denn sie liebt ihr Kind. MARIE. Ihr schließet seltsam. Weil ich Euren König Gehaßt, kann ich darum mein Kind nicht lieben? Weil ich kein Herz für Unterdrücker habe, Hab' ich darum auch keins für Unterdrückte? BEUGNOT. Ein Herz für Unterdrückte? ... Seid gesegnet! Gesegnet sei dies Wort! ... Ich danke Euch Im Namen der Gefangenen im Tempel. MARIE. Mein Herr?! ... BEUGNOT. Ο wenn Euch fremdes Unglück rührt, Wenn Eure Liebe ist bei den Verfolgten, Dann wahrlich steht auf dieser weiten Welt Kein menschlich Wesen Euch so nah, Madame, Als jene arme Frau ... M A R I E fällt ihm ins Wort. Ersparet mir ... BEUGNOT. Als jene Fürstin, deren heilig Haupt Einst eine Krone trug, und jetzt sich beugt Der Last des nackten Elends. Jene Witwe, Die ihren Gatten, meinen - Euren König Verloren auf dem Blutgerüst. ... MARIE.
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Ich kann ...
BEUGNOT. Als jene Mutter, welcher man den Sohn, Ihr liebstes Kind erbarmungslos entriß, Ihn preiszugeben niedriger Mißhandlung, Und der man selbst den herben Trost versagt, Den Jammerschrei aus seiner Brust zu hören. MARIE. Ich kann für sie nichts thun. BEUGNOT. Ο doch, Madame! Ihr feiert heute einen großen Sieg; Ein Schritt nur noch, und an des Reiches Spitze Steht die Gironde, - steh'n s i e , die Ihr regiert. Dann könnt' Ihr helfen, dann habt Ihr die Macht. MARIE. Und hätt' ich sie, ich wollt' sie nicht gebrauchen
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Zum Nachtheil meines Volk's, das Sühnung fordert Für hundertmal an ihm gebroch'ne Treu, Für Hoffart, Haß, Bedrückung und Verachtung! ... Der Büßerin im Tempel war dies Volk Nicht werther als der Staub zu ihren Füßen, Und seine Klagen, seine Thränen gingen Nicht näher an ihr übermüthig Herz Als Windesweh'n und als des Regens Fall Sie hat - genug! - sie frevelte: sie leide! Es giebt nur Eins, das wir empfinden sollen Beim ernsten Anblick selbstverdienter Qual: Bewunderung der ewig waltenden Und ewig siegenden Gerechtigkeit. BEUGNOT. Es giebt ein Zweites; doch Ihr - kennt es nicht. Es giebt - das Mitleid. ... MARIE. Herr! - in dieser Stunde Durchzuckt es alle Tiefen meines Wesens! Allein es ist das feige Mitleid nicht Mit Schuldigen, die ihre Strafe trifft; Es ist der Schmerz um Edle ... um die Meinen, Die jetzt vielleicht für uns're große Sache Verbluten im Convent. - Wenn diese sterben, So sterben sie für ihre Tugend. - Ihnen Gehört jedwedes liebende Gefühl, Das meine vielbestürmte Seele sich Im harten Kampfe dieser Zeit bewahrt. Ich habe keines für die Andern mehr. EUDORA die an einem Tische, Bilder ansehend, gestanden, nähert sich bei den letzten Worten, ein Bild in der Hand. Zu Marie: Bist Du ihm böse? - und er ist so gut! Zu Beugnot. Ich hab' Dich lieb, und sieh, zum Angedenken Schenk' ich Dir dieses schöne Bild. Das ist Capet: - weißt Du? man macht ihn eben todt, Weil er das Blut der kleinen Kinder trank. BEUGNOT ZU Marie. Die Republik, Madame, das Reich der Wahrheit, Zieht ihre Kinder auch bei Märchen auf? MARIE ZU Eudora. Wer hat Dich das gelehrt? - Gieb weg! gieb weg! Sie ergreift das Bild und wirft es in den Camin. Die Zeitungen fallen herab. Beugnot hebt sie auf. MARIE. Umarme diesen Herren, Kind, und geh. EUDORA. Mein Bild! ... MARIE. Gehorche!
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EUDORA zu Beugnot. Lebewohl! BEUGNOT sie umarmend. Leb wohl! Eudora ab. BEUGNOT Marien die Zeitungen überreichend, in welche er einen Blick gethan. Es sorgt - seh' ich - nicht blos für Κ i η d e r märchen Die Republik. MARIE nimmt die Blätter. Was soll - was wollt Ihr sagen? BEUGNOT. Nicht nur g e k r ö n t e Königinnen sind Dem Angriff der Gemeinheit ausgesetzt. Mög' diese in den aufgeklärten Bürgern So tiefen Abscheu wecken wie in mir, Dem alten Finsterling und Roy allsten. Er verbeugt sich und geht ab. MARIE sieht ihm befremdet nach, dann in die Zeitungen blickend. Hebert's Journal? Sie liest: "Boudoir der Königin Roland" - "Dies Weib mit seinem — " "diese feile - " Ο pfui! ... Entsetzlich! ... Scheußlichkeiten, die Ein redlich Weib dem Namen nach kaum kennt, Und deren sie mich zeih'n vor aller Welt! ... Nach einer Pause. Buzot! - mein Freund! - ich habe Dich betrogen. ... Dein Glück und mein's geopfert einem Wahn: Der mackellosen Reinheit meines Namens! Ach, dieser Name ist so schmachbedeckt, Daß er die Lippe, die ihn nennt, beschmutzt! ... Gab ich mein Alles für ein einzig Gut Und finde es geraubt im Augenblick, Wo ich daran in Angst und Todesnot Mich klammern will?! - Ο nein! - nein, nein! - Buzot! Du sollst nicht sterben um ein Hirngespinst. ... Wir wollen glücklich sein! ... 's ist unser Recht. ... Der Preis ist hier bezalt! ... Horch! - Schritte! ... Er? Sie eilt dem Aus gange zu.
Fünfter Auftritt M A R I E . BUZOT. ROLAND.
MARIE ZU Buzot, der zuerst eintritt. Du bist es! ... Roland erblickend, mit mühsamer Fassung. Ihr? ... Ihr kommt - seid mir gegrüßt! Und tausendmal: Glück auf! - Ihr triumphirt. ...
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ROLAND. Frohlocke nicht. Hebert's Gefangennahme Empört das Volk. In wilden Schaaren stürmt Es gegen den Convent. Die Sektionen Umlagern den Palast der Tuilerien. Dein Freund, Marie, der falsche Lanthenas, Der Renegat, thront auf des Berges Spitze. MARIE. Ο Fluch und ew'ge Schande über ihn! ROLAND. Danton, Marat, gereizt durch die Gefahr, Entfesseln jede wilde Leidenschaft Der heißen Blutgier und der blinden Wut. In Waffen steht der Pöbel von Paris, Und führt Geschütze gegen den Convent, Der unter diesem Druck - beraten soll. MARIE. Was thun die Zwölfe? BUZOT. Sie verzagen nicht. Sie bauen auf die treue Bürgergarde; Kein Wankelmut kam noch in die Gemüter. Entbrennt nur heute - heute nur der Kampf, So siegen wir. Doch gilt's die Glut zu schüren. Innehaltend, mit verändertem Tone. Ich wollte Dich noch einmal seh'n, bevor Der letzte Sturm beginnt. Ich wollt' Roland Zu seinem Haus geleiten und allhier Ein feierlich Versprechen von ihm fordern. Gieb mir Dein Wort, Roland! - gieb mir Dein Wort, Daß Du nicht wieder den Convent betrittst MARIE. Ist er nicht Deputirter so wie Du? Βυζοτ. Er ist's nicht mehr. ROLAND. Von neuem angeklagt Gemeiner Feilheit, niedrigen Betrugs, Begehre ich ein öffentlich Gericht, Und damit frei das freie Recht entscheide, Durch keine Rücksicht, keine Scheu gehemmt, Damit es sei ein unbeschütztes Haupt, Das hier sich beugt dem Spruche des Gesetzes Entkleid ich mich des Amt's, das mich beschirmte. MARIE. Verkehrtheit! - Ein unseliger Entschluß! So konntest Du in stillen Tagen handeln, Wo die Vernunft, Gerechtigkeit und Güte Im Rat der Völker eine Stimme hat, Nicht jetzt, da hochgeschwellt der Zeitenstrom In wilden Güssen durch das Weltall rast,
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Marie Roland Die Kräfte von Jahrhunderten austobend! Das Ungeheure, Unerhörte, wiegt In diesem Gischt nicht schwerer als ein Tropfen. Und Du trittst hin, und wirfst in das Getose Die Blume einer That, so zart, so edel, Daß ihren Werth ein feiner Sinn nur faßt. Was kann sie anders bringen als Verderben? Du bist geopfert - und die Deinen sind's! Β υ ζ ο τ . Noch nicht! noch steh'n wir aufrecht - noch umrauscht Mit weicher Schwinge Siegesahnung uns Die heiße Stirn ... MARIE. Nun dann! - dann ist... Doch nein Du täuschest mich; - sei wahr mit mir, Buzot! Du glaubst nicht an den Sieg. BUZOT. Ich ring' um ihn. MARIE. Ο Himmel! mit Verzweiflung in der Brust! Ihr alle kämpft wie Männer nicht, die siegen, Ihr kämpft wie Märtyrer, die sterben wollen. Plötzlich vor ihn hintretend. Ich weiß, du suchst den Tod! BUZOT. Er sucht wohl mich. MARIE. Buzot! BUZOT. Leb' wohl, Marie! MARIE. Verweile! - höre! Nicht freventlich vermessen stürze Dich In die Gefahr. Besteh' sie, wenn sie naht, Doch ruf sie nicht herbei! ... ROLAND Mariens Hand erfassend. Du glühst - erbleichst Du bist bewegt, wie ich Dich nie geseh'n ... MARIE. Ich leide! - leide! BUZOT. Gnäd'ger Gott! - um mich? Hat sich Dein Sinn geändert? - Sprich es aus In dieser Stunde und vor diesem Mann! MARIE. Mein Sinn geändert? ... Für sich dumpf. Ach, zu sehr! - zu sehr! Laut. Mein Sinn geändert? ... Nein! - Verlaß mich! geh! - Flehend. Doch nicht zum Tode - hörst Du? - nicht zum Tod! BUZOT. Dies ist ein Weg wie ins Gewühl der Schlacht, Und nicht bei mir - bei'm Höchsten steht das Ende. - W e n n ich vor Nacht nicht wiederkehre, flieht! Lenkt Euren Schritt nach Caen. Dies Blatt, Roland, Führt ein Dich bei den Meinen. Nimm Dein Kind Mit einem schmerzlichen Blick auf Marie.
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Dein Weib - und flieh'. ROLAND. Ich fliehe nicht. Ich habe Rechtfertigung begehrt, und ich muß bleiben, Bis sie mir ward, die volle, glänzende. Die Republik ist mir d i e E h r e schuldig; Ich weiche nicht, bis diese Schuld bezalt. BUZOT. Heil Dir und uns, treibst Du die Ford'rung ein; Ich will die Schuldner mahnen. Lebe wohl. Rasch ab.
Sechster Auftritt ROLAND. MARIE.
MARIE die eine Bewegung gemacht, als wollte sie Buzot folgen, bleibt stehen, regungslos, in stummen Schmerz versunken. Nach einer Pause, mit mächtigem Entschluß. Roland - wir müssen fort. ROLAND. Wir müssen bleiben!
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Zur Flucht treibt Schuldbewußtsein oder Furcht. Ich hab' ein rein Gewissen und kann sterben. MARIE. Auch ich kann sterben! Was hinweg mich treibt, Ist schlimmere Gefahr als die des Todes. ... Ich bin verloren, wenn ich bleibe - D i r Verloren! ROLAND. Weib! ... Versteh' ich Dich? ... Tritt einige Schritte zurück; die Knie versagen ihm, er setzt sich auf den Stuhl am Schreibtische, sein Auge fällt auf das Zeitungsblatt, welches Marie dahin gelegt; er schiebt es verächtlich von sich. Hier steht, Ich sei ein arg und schnöd betrog'ner Gatte. ... MARIE. Ich schwöre Dir ... ROLAND. Halt ein! was willst Du thun? Mir schwören - m i r , daß Du nicht schuldig bist? Geh' hin und schwör's Hebert! - dem ersten besten Auf o f f n e r Straße schwör's - nicht mir! MARIE. Roland! ROLAND. Blieb Tugend je von Lästerung verschont? Ward Tugend je durch Lästerung erniedrigt?
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Sechster Auftritt ] Achter Auftritt
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Marie
Macht die Verläumdung Edles minder edel? MARIE. Die stark sich fühlen, mögen ihrer spotten. Ich bin ein schwaches Weib wie alle andern, Vom großen Troß durch Eins nur unterschieden, Durch Ekel vor der heuchlerischen Lüge! Und so mit o f f n e m Freimut denn gesteh' ich: Verbrecherische Neigung hegt dies Herz; Ein Anderer gewann's. - An Dich knüpft mich Die Pflicht; zu ihm treibt allgewalt'ge Liebe. ROLAND. Du sagst das Herbe in der herbsten Art. MARIE. Wenn es Dir herbe ist, so mach' ein Ende; Sieh' nicht mit ruh'gem Auge meine Qual! Reich' mir die Hände - nimm mich an Dein Herz Verbirg mich vor der Nähe, die ich fürchte. ... Laß uns entflieh'n, Roland - weit weg von hier! Die stündliche Gefahr, die ihn umdroht, Macht mir ihn allzu theuer. - Ο mein Gatte! Ich fühle, daß ich schuldig werden könnte. ... Fällt ihm zu Füssen. Erbarme Dich! - führ' mich hinweg - hinweg! ... ROLAND. Hier auszuharren, Kind, verlangt die Ehre. Kämpf Deinen Kampf! - ich kann Dir's nicht ersparen. Ich kann nur Eins: - ich kann Dir sagen, Tochter: Wenn allzuschwer der Pflichten Last Dich drückt, Die Deine Jugend an mein Alter binden, Das Leben Dir an andern Mannes Seite Verheißungsvoller, würd'ger, schöner winkt, So mach' Dich los von mir - ich geb' Dich frei. MARIE. Mein Freund!? - Mein Herr!? ROLAND. Dein Freund? Ja wohl! Dein Herr? - Ο nein! - Hab' ich als Dien'rin Dich gehalten? Warst Du mir nicht durch zehn beglückte Jahre Noch mehr als Gattin - warst mir Freundin nicht? Und Tochter, Schwester, Rat und Trost und Freude? Du warst mir Alles - und was war ich Dir? — Der Dürftige, den Du beschenken konntest Der Greis, um dessen Stirne Deine Jugend Den Abglanz ihres eig'nen Glanzes wob Der oft Verdrossene, an dem Geduld Du übtest. ... MARIE. Lieber! - Ο nicht so - nicht so! ROLAND. Der kalte Mann, den Deine Glut erwärmte Der Finst're, dessen Ernst Du oft zerstreutest -
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Das war ich Dir! - Dein Leben mit Roland Gebrachter Opfer eine Kette nur ... MARIE. Mir bricht das Herz - Ο schweige! schweig, Roland! ROLAND. SO lange Dich's beglückte, sie zu bringen, Nahm ich sie an, - und durfte es wohl thun. Jetzt aber, wo zur Qual das Opfer wird Jetzt aber, wo zum ersten Mal die Liebe Mit ihrem Zauber Deinen Sinn umstrickt, Wo Deine Jugend ihre Rechte fordert, Wo müde Du, den Müden zu geleiten Den Pfad entlang, der schon sich abwärts neigt, Und Dich's verlangt, dem Hochanstrebenden Voran zu schreiten auf dem Weg zum Ruhm, Jetzt ziemt mir's nicht, an Pflichten Dich zu mahnen, An ein Versprechen - an ein trocknes Wort - ; Jetzt ziemt es mir, die Hände Dir zu reichen Und dankend noch ... Hält inne, von Rührung übermannt. Genug, wir wollen scheiden! MARIE. Nein - niemals! - nie! ROLAND. Für Dich spricht das Gesetz; Nicht mehr untrennlich sind der Ehe Bande, Du selber wünschtest ihre Lösbarkeit. Was Andern Du erringen halfst, Du hast Es miterrungen MARIE. Das - das wollt' ich nicht! ROLAND. Von mir besorge keinen Laut des Vorwurfs. Ich werde in der Abschiedsstunde noch Dich segnen - segnen aus des Herzens Fülle! Und kommt von Dir mir frohe Kunde zu, Mich freuend Deines neugewonn'nen Glücks Des Glück's gedenken, das Du einst mir gabst. Will sich erheben. MARIE. Ο bleibe! - bleib, Roland! - es ist vorbei. Die bösen Geister alle sind gebannt; Ich bin Dein treues Weib - ich bin es wieder: Die Deine ganz und gar, so lang ich athme! ROLAND. Bedenke, was Du thust! MARIE. Ich denke, Freund, Ich denke recht zu thun! - Kennst Du mich nicht? Ich kann nur leben, wenn ich redlich lebe Im Frieden nur mit dem Gewissen leben. Wir bleiben: - gut! - und was in mir auch kämpfe, Ich bin gefeit, - ich trotze der Gefahr! ...
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Dritter Aufzug Im Convent. Saal der Petitionnaire. Wachen an den Thüren. Erster Auftritt L A C R O I X und L E G E N D R E aus dem
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Saale
kommend.
LEGENDRE. Die Gironde wehrt sich gut. Ich hätte nicht geglaubt, daß die Staatsmänner noch so viel Athem in den Lungen hätten. LACROIX. Laß sie schwatzen; sie haben von jeher nichts anderes gethan. Wütendes Geschrei und Lärm auf der Gasse. Mit den Rednern, die ihnen Danton entgegenstellt - hörst Du sie? - werden ihre Buzot's und Vergniaud's doch nicht fertig. DANTON aus dem Saale. Zu einem Huissier, der durch die Mitte athemlos hereinstürzt. Huissier! Was bedeutet dieser Lärm? HUISSIER. Sechshundert Petitionnaire stürmen heran - sie verlangen Eintritt in den Convent - sie verlangen die Freilassung Hebert's - sie verlangen ... DANTON. Verlangen, verlangen, verlangen! HUISSIER. Sie brechen ein, wenn man die Pforten länger verschlossen hält. Man kann ihnen den Einlaß nicht verweigern. DANTON. Man kann nicht? - gut! - dann bitte man sie herein. Huissier ab. LEGENDRE. Was soll daraus werden? DANTON. Ein Platzregen über die Gironde. Die Petitionnaire werden sie überschrei'n, Hebert wird freigelassen werden, der Zwölferausschuß abgesetzt. LACROIX. Ja! auf die Stufen der Guillotine! Mit Legendre nach dem Saal zurück. Schrecklicher Tumult, der, bald steigend, bald abnehmend, bis zu Lacroix' Wiederauftreten fortdauert. ROBESPIERRE kommt. Sechshundert Petitionnaire haben auf den Bänken der Deputirten Platz genommen und stimmen mit. DANTON. Entsetzlich! Welcher Unfug! ROBESPIERRE. Weh' über Diejenigen, die das tugendhafte Volk zu solchen Ausschreitungen verführen! DANTON. Was willst Du, Robespierre? Ihn parodirend. Die Tugend muß durch den Schrecken herrschen. ROBESPIERRE. Aber der Schrecken darf nicht planlos walten. DANTON. Ein System! Ein System für den Schrecken! ROBESPIERRE. Die Revolution muß aufhören, und die Republik muß anfangen. Das Volk ... DANTON verbessernd. Das t u g e n d h a f t e Volk. ROBESPIERRE. Das Volk darf sich nicht selber aufreiben, und das zerrissene
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Reich nicht wieder die Beute seiner Tyrannen werden. Oder ist das die Absicht derjenigen, welche die Insurrektion begünstigen? Wollen sie das Vaterland geschwächt seh'n, wie sie selbst durch ihre Ausschweifungen geschwächt sind? Danton lacht laut auf. ROBESPIERRE. Ihre Ausschweifungen und Laster! Diejenigen, die ich meine, haben in diesen Punkten die Erbschaft der Aristokraten angetreten. Aber das Laster muß bestraft werden, wo immer es sich finde. DANTON. Es findet sich aber Η i Ch t . Es wird bald kein Laster mehr geben. Das Laster kommt nicht vor in Robespierre's großer Rechnung: "Die philosophische Republik". LACROIX kommt zurück. Die Petitionnaire haben gesiegt. DANTON. Ist d a s m ö g l i c h ?
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LACROIX. Sie verlassen den Saal, um ihren Hebert aus dem Gefängnisse zu holen. Marat kommt aus dem Saale, gegen denselben sprechend. Tobt! - rast! - Brüllend zerreißt der Löwe seine Beute. - Tobt! - rast! - und: tödtet! tödtet! tödtet! Zu den Anwesenden: Hebert's Triumph muß zur Niederlage der Girondisten werden. Sie müssen DANTON. Abdiciren. MARAT. Das Leben! - Es ist Zeit, daß die Sense der Gleichheit alle Häupter niedermähe, die sich über die andern erheben gewollt. DANTON. In diesem Falle: Weh' jedem zweiten Mann! - Wir sind eine ehrgeizige Nation. MARAT. Es ist Zeit, nicht mehr jeden Kopf, der fällt, zu zählen. Vorwärts! die Guillotine feiert - Frankreich dürstet nach Blut. DANTON sich abwendend, flir sich. Das Scheusal! Mir graut vor diesem Menschen. ROBESPIERRE. Frankreich dürstet nicht nach Blut, es dürstet nach Gerechtigkeit. Zwischen den Zähnen. Gemeiner Schurke! MARAT ebenso. Elender Heuchler!
Zweiter Auftritt VORIGE. VERGNIAUD und Β Υ Ζ Ο Τ aus dem
Saale.
BUZOT die Anwesenden erblickend, zu Vergniaud. Ich wollte ein wenig freie Luft schöpfen, aber die Atmosphäre ist auch hier verpestet. DANTON geht auf die Eingetretenen zu; Robespierre und Marat wenden sich ab, aber jeder nach einer andern Seite. DANTON ZU Vergniaud und Buzot.
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Marie Roland Ihr müßt Euch dem Frieden der Republik opfern. Legt Eure Mandate nieder, wie schon Roland gethan. VERGNIAUD. Sprichst Du im Namen unserer Wähler? Ich zweifle. - Wir behalten unsere Mandate. Stark. Was unsere Köpfe betrifft, Danton, diese legen wir der Republik zu Füßen, wenn sie ihrer bedarf. - Unsern Mördern bieten wir sie nicht. DANTON. Immer dieselben! - Immer heißblütig und enthusiastisch, wie die Frau, die Euch inspirirt. Warum wählt Ihr keinen Mann zu Eurem Führer? Diese Frau richtet Euch zu Grunde - sie ist die Circe der Revolution. Β υ ζ ο τ . Einen Mann zu unserm Führer? Das heißt - Danton? DANTON. Heut' noch wird der Ausschuß der Zwölf abdanken; er kann nichts anderes thun. Der Augenblick, der Hebert befreite, hat den Abgrund unter seinen Füßen aufgerissen. Hütet Euch, daß Ihr darin nicht mit begraben werdet! Β υ ζ ο τ . Vergießt unser Blut! - Das meine wallt vor Entzücken auf, bedenk' ich, daß es kommen wird über Eure Häupter! - Zurück zum Kampfplatz, Vergniaud! Buzot und Vergniaud zurück in den Saal. MARAT ZU Danton. Was sagten sie? DANTON. Ich weiß nicht mehr; - doch ja! jetzt besinn' ich mich. Sie sagten, Marat sei ein großer Mann - die Hoffnung der Republik - der Todten ... ein Philantrop, der die hungernde Nation mit Leichen füttert. - Sie sagten, Robespierre sei die Tugend im blauen Frack mit immer blanken Knöpfen, das Dogma der Revolution, ihr Blutmessias. ROBESPIERRE. Sagten sie? - Ich wollte, ich wäre der Mann, der Frankreich erlöst. - Aber die Ideen tödten ihre Apostel. Ich werde von dem Feuer der meinen verzehrt - von dem Fieber des Patriotismus. MARAT sieht ihn verächtlich an. Dich tödtet dieses Fieber? - Beim Gekreuzigten, vor dem ich mich im Staube niederwerfe: mich erhält's lebendig. - Die Maschine dieses Leibes ist zerrüttet in jedem Nerv und Glied, aber sie darf nicht stocken, bevor mein Werk gethan. DANTON. Wir kennen es, Dein Werk; 's ist groß wie Du. Es wird beendet sein, wenn das Haupt des letzten Glücklichen von der Guillotine rollt. Nicht wahr, Marat? - Vernichtung Allen, die das Elend nie gekannt, die nicht geweint, nicht gehungert, nicht geblutet unter der Geißel der Not... MARAT. Vernichtung! nieder mit ihnen! DANTON. Empor die Bettelhaftigkeit! der Jammer besteigt den Thron der Erde! - Empor, empor zur Herrschaft, was sich jetzt in der Gosse wälzt, in Lumpen hüllt, und - mit den Fingern schmutzt! MARAT. Gerechtigkeit, barmherziger Robespierre? - Zu wenig! die Mißhandelten wollen Rache. Rache ist Gerechtigkeit! - Ich ford're zweihundert Köpfe heut' und vierhundert morgen. ... Auf die Tribüne,
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Danton! - Ich kann nicht mehr auf der Tribüne sprechen; meine Stimme ist gebrochen. DANTON. Was liegt daran? Deine Feder hat tausend Stimmen. MARAT. Auf die Tribüne, Danton! ... Danton - einmal schon begehrte ich die Dictatur für Dich ... willst Du sie, Danton? DANTON. Die Dictatur? ... ganz recht! Du trugst sie ja in der Tasche. Wie schade, daß Deine Tasche Löcher hat! MARAT. Willst Du die Dictatur, Danton? Willst Du den Armen und Unterdrückten zum Führer dienen? ROBESPIERRE. Der Gebieter der Welt ist die Menschheit, ihr einziger Gesetzgeber die Natur. Frankreich will keinen andern Herrn. MARAT. Von einem Führer sprach ich, nicht von einem Herrn. Herr wird Keiner mehr über uns. Der Narr, der meint den Cromwell spielen zu können - er hüte sich! Das Volk und ich, wir wachen! Marat zurück in den Saal, wo er mit lautem Jubel empfangen wird. ROBESPIERRE nach kurzer Pause. Sein Eifer reißt ihn hin. DANTON. Sehr weit, und doch - nicht weit genug. ROBESPIERRE. Vielleicht.
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DANTON. Wir geh'n weiter, Robespierre und ich. - Er führt nur Krieg mit seinen Feinden; wir führen ihn sogar mit uns'ren Freunden. Die Girondisten waren uns're Freunde. ROBESPIERRE. Und wären sie meine Kinder! ich werfe sie zu den Todten. Sie wollen ein Maß für die Freiheit: die Freiheit hat keines. Unendlich muß sie sein, oder sie ist nicht. Keine Schonung für die Widersacher der Freiheit! Erfolgt Marat. DANTON. So spricht ihr Apostel! - der sich, aus Tugend, zum niedrigsten Amte in ihrem Reiche bequemte, zum - Henkersamte! - Wen ziehst Du vor, Robespierre oder Marat? - das Gespenst oder den Tiger? — Der eine streicht seine Gegner so gleichgültig aus dem Buche des Lebens, wie Worte, die ihm nicht passen, aus einem geschriebenen Satze. Der andere zerfleischte, die er haßt, am liebsten mit seinen Zähnen. Wen ziehst Du v o r das leidenschaftslose Gespenst, oder die leidenschaftliche Bestie? LACROIX. Deine Abneigung giebt sich zu deutlich kund. Hab Acht, Danton! auch Du bist nicht unverwundbar. Man hat ungeheure Popularitäten wie die Deine - sinken gesehen. DANTON. Wer besaß jemals eine Popularität, der meinen vergleichbar? - Was beginnt Ihr ohne mich? Ich bin Euch Sporn und Zügel. Hier sind zwei Köpfe; der eine, um die Revolution zu machen, der and're, um sie zu regieren! — Geht nur voran, Ihr alle. Man muß die Factionen sich aufreiben lassen. Die Revolutionen haben ihre Erschöpfungen; auch die unsere wird bei diesem Punkt ankommen. Dort erwarte ich Euch! Ab in den Saal, wo er mit lang andauerndem Applaus empfangen wird.
Marie Roland
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Dritter Auftritt LACROIX. WACHEN. MARIE ROLAND.
MARIE ausserhalb der Scene. Laßt mich! - weist mich nicht ab. ERSTE W A C H E .
M a n tritt n i c h t e i n .
MARIE. Ich bringe Botschaft für den Präsidenten. Weist mich nicht ab. Ihr würdet es bereu'n. ERSTE W A C H E zur
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zweiten.
Was soll ich thun? ZWEITE WACHE. Nun, wenn sie Botschaft bringt So laß sie ein. ERSTE WACHE. Kommt denn und wartet hier. Marie tritt ein, in einen schwarzen Shawl gehüllt, verschleiert. LACROIX. Wer ist das? - Ei! - wär's möglich - schöne Frau? MARIE. Der Freund Danton's, der erste, den ich treffe? Ein böses Omen. LACROIX. Eine Römerin, Vermut' ich, kehrte um. MARIE. Verzweiflung sucht In jedem Feind den Retter - wählt nicht lang Sie spricht zum Wettersturm: Erbarme Dich! Und zu Lacroix: "Thu' eine gute That!" LACROIX. Womit kann ich Euch dienen? MARIE. Diesen Brief Legt in die Hände Eures Präsidenten. Ich ford're dringend und sogleich: Gehör! LACROIX. Gehör? - und hier? und im Convent? - Ihr wollt ... MARIE. Im o f f n e n Saal, vor allem Volke, k l a g e n Den neuen Frevel, welchen Ihr vollbracht! LACROIX. Den neuen Frevel? Ich versteh' Euch nicht. MARIE mit verändertem Tone, kurz und scharf. Bedroht im eig'nen Hause wird Roland Der Wohlfahrtsausschuß sandte seine Knechte Sie kamen, um gefangen ihn zu nehmen. Roland erklärt, nur der Gewalt zu weichen, Und noch besinnen sich die Schergen. - Noch? ... O, weiß ich denn, ob's nicht bereits geschah, Dieweil ich hergeeilt - die weil ich rede! LACROIX. Beruhigt Euch. MARIE. Ihr spottet! Gebieterisch.
1. Text
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S c h a f f t m i r Einlaß! Indessen hier ich s t e h ' , verfliegt die Zeit, Schwerwiegende Minuten - Ewigkeiten! LACROIX. Ihr wollt im Ernste im C o n v e n t e s p r e c h e n ? MARIE. I m E r n s t e ? - H i m m e l , g i e b t ' s noch einen Scherz?! 5
LACROIX. Ihr f ü r c h t e t nicht - MARIE.
Ich f ü r c h t e nichts auf E r d e n !
LACROIX
in ihrem Anblick
versunken.
W o h l a n , es sei d e n n ! - s c h ö n e - s c h ö n e F r a u ! MARIE. H a b t D a n k , und geht. LACROIX.
H a b t D a n k u n d bleibt, k l ä n g besser.
MARIE. Ich bitt' E u c h , geht! und k a n n es sein, so schickt D e r F r e u n d e einen mir. ... LACROIX . MARIE
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Haha - Buzot?
mit mühsam unterdrücktem
Zorn.
Schickt V e r g n i a u d . LACROIX.
Ich k ä m e lieber selbst,
E u c h d e r E r w a r t u n g S t u n d e zu vertreiben. MARIE. T h u t ' s nicht! - E u c h w ä r ' s nicht F r e u d e , mir w ä r ' s Q u a l . LACROIX. Ihr sprecht sehr klar. ... D o c h will ich nicht v e r z w e i f e l n .
Ich geh' - Marie macht ein freudig fortdrängendes
Zeichen.
G e m a c h ! - ich g e h ' und f r a g ' B u z o t 15
U n d B a r b a r o u x , L o u v e t , und E i n ' g e andere: W i e lang Ihr pflegt g e w ö h n l i c h stolz zu sein, B e v o r Ihr gütig w e r d e t . MARIE
halblaut.
Elender!
LACROIX. Ihr A u s s p r u c h w i r d m i c h w o h l nicht g a n z e n t m u t ' g e n , W i e dieser Blick es soll? MARIE. 20
G e b t m e i n e n Brief! -
LACROIX. Ο nein! ich will Dir dienen - treu - vortrefflich Ich r i n g ' u m D e i n e F r e u n d s c h a f t - wie s i e ' s nennen Soll sie mir u n e r r e i c h b a r sein? - Nicht d o c h ! Ein g r o ß e s , freies H e r z wie D e i n ' s gönnt R a u m D e n Girondisten und d e m J a c o b i n e r ! Er geht in den
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Saal.
MARIE. D a s ist Dein W e r k , H e b e r t ! das d a n k ' ich Dir! So sieht m i c h , der d u r c h D e i n e A u g e n sieht! U n d ich w o l l t ' m i c h d e m Blick d e r M e n g e zeigen B e s c h i m p f t , v e r h ö h n t , w i e ich es bin, m i c h zeigen?! ... Ist d e n n die S c h a m erstorben g a n z in m i r ?
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- H i n w e g ! - das Licht thut w e h - ο w a r ' es N a c h t ! U n d m e n s c h e n l e e r die W e l t !
Will fort, an der Thüre angelangt, bleibt sie stehen.
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Marie Roland Was will ich thun?! Beim ersten Schritt mich feige rückwärts wenden, Weil ich ausschreitend eine Schlange trat? Hinab, empörter Stolz - gekränkte Würde! Ausharren gilt's in ungebeugter Kraft. Und wenn ich auch Roland nicht retten kann, So werd ich jene Lügner dort entlarven! In diesem Haus des Trug's, der Heuchelei Soll einmal laut der Wahrheit Schrei ertönen! Ein Huissier, der sie die Zeit über mit Theilnahme betrachtet hat, setzt ihr einen Stuhl. HUISSIER. Ihr werdet wohl noch lange warten müssen. Setzt Euch. MARIE. Ich danke Dir. ZWEITER HUISSIER leise zum ersten. Was fällt Dir ein? Sprich nicht mit ihr; es ist das Weib Roland. ERSTER erschrocken. Das Weib Roland? ZWEITER. Willst Du für einen Freund Der Girondisten gelten? ERSTER. Da sei Gott... Sich verbessernd. Will sagen: sei der Teufel vor! Ungeheurer Tumult erhebt sich im Saale; die Thüre wird aufgerissen. Marat, Legendre, eine grosse Anzahl Deputirter treten herein, unter wildem Geschrei: Die Zwölfe auf's Schaffot! - Hoch - hoch Marat! MARAT. Verbrüderung! - Verbriid'rung mit dem Volke! Der Sieg ist sein: - verkündet ihm den Sieg! LEGENDRE. Folgt mir! Ihr alle kommt, und theilt das Glück, Die ersten Boten des Triumph's zu sein! EIN DEPUTIRTER. Die Boten des Triumph's und der Verheißung Der Sturz der Zwölfe ist ein Anfang nur MARAT. Die Zwölfe heut', und morgen die Gironde! ALLE. Und morgen die Gironde! Alle Deputirten ab, durcheinander rufend. Es lebe das Volk! Tod jeder Tyrannei! Hoch Marat! Hoch die Republik! MARIE die sich während des Vorhergehenden in den Hintergrund gedrängt, vortretend. "Und morgen die Gironde?" - und morgen I h r ! Wenn noch zum Hohn nicht ward das Recht auf Erden! Danton und Lacroix erscheinen an der Thüre des Saales. LACROIX ZU Danton, auf Marie zeigend. Sie wartet noch. DANTON. Laß mich mit ihr allein. Lacroix giebt den Huissiers ein Zeichen; sie treten mit ihm in den Saal.
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I. Text Vierter Auftritt DANTON. MARIE
DANTON. Gegrüßt Marie Roland! sich umsehend, mit einem halb unterdrückten Schrei. Er selbst - Danton! DANTON. Ihr flieht vor ihm? Ihr fürchtet ihn wohl gar? M A R I E sieht ihm ins Gesicht. Du irrst, Danton ... ich furcht' Dich nicht.
MARIE
DANTON.
Ihr haßt
Mich nur. MARIE.
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SO i s t e s .
DANTON. Meine Häßlichkeit Macht diesen Haß begreiflich - doch läßt er Sich überwinden - mancher Frau gelang's. Wir sollten Frieden schließen. MARIE. Frieden wir? DANTON. Ich biet' ein Unterpfand. Roland ist frei. M A R I E aufathmend. Ist frei! - und ist's - durch wen? DANTON. Soll ich mich loben? MARIE. Ich dank' Euch ungern - dennoch dank' ich Euch. DANTON. Nun seht! es gilt ja nur sich überwinden. Ihr habt's gethan aus Liebe zu dem Gatten: Wie wär's, wenn Ihr's noch einmal unternähmt Aus Liebe zu dem allgemeinen Besten? MARIE. D a s D u vertrittst?
DANTON.
Das gerne ich verträte. frevler Hohn! ... Das allgemeine Beste Vertreten durch Danton! DANTON. Durch einen Mann Zum mindesten! - Kein Weib und keinen Träumer Durch keinen Wollenden und Hoffenden Nein, endlich einmal einen K ö n n e n d e n ! Den stärksten Sohn der unerhörten Zeit, Der mündig worden - seine Mutter bändigt. MARIE. Sie bändigt, sagst Du? - sag': entwürdigt - schändet! Auf ihre Stirn das Siegel drückt der Schmach Dem Fluche preisgiebt, die gesegnet war -
MARIE. Ο
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Blutrünstig durch den Kot der Erde schleift, Die hoch und hehr vor allen andern prangte! Ο welch' ein Sieg! Ein Ungeheuer - nein!
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Marie Roland Ein Mann - ein Held errang ihn - im September! DANTON. September! - gesprochen ist das Wort: Es drückte schwer; fühlt sich Dein Herz entlastet? September und Danton, die zwei Begriffe Sind e i n e r für das Hirn der Girondisten. Was wälzt Ihr alle Schuld auf mich allein? Rief i c h zum Morden? Hab ich's hindern können? MARIE. Verläugnest Du Dein Werk, und Dich in ihm? DANTON. Verläugnen? - Du hast Recht: - nun, sei's darum! Es war mein Werk. - Ich dachte das Verbrechen, Erwog's in meinem Sinne und - beging's! Wollt Ihr allewig nun darüber rechten? Kennt Ihr von mir nur diese eine That? Die dunkle hat so manche lichte Brüder; Seh'n d i e s e Eure scharfen Augen nicht? - Gerechtigkeit! Ihr Richter stets bereit. MARIE. Erzittere vor ihr! - begehr' sie nicht! DANTON. Sie nennen Dich die Königin Roland: Du bist's führwahr - Dir unterthänig sind Die Herzen Vieler; - übe Deine Macht Zum Heil und Siege jener, die Dir dienen. Du siehst, wohin der Kampf mit mir sie führt, Und wohin mich Eure Verachtung treibt: Ihr steht am Abgrund; ich im Bündniß mit Marat und Robespierre. MARIE. Durch Deine Wahl! DANTON ohne ihren Einwurf zu beachten. Ihr habt geträumt. Erwacht! - schließt Euch an mich! Ich bringe was Euch fehlt: die Kraft! - Ein Volk Läßt von der Rednerbühne aus sich nicht, Wie Ihr geglaubt, regieren. Geister, Denker, Sie üben nicht, sie leiten die Gewalt. B e r a t e n mögen tausend Köpfe, h a n d e l n Kann doch nur eine Hand. Ihr braucht die Hand, Die einen Zaum anlegt dem rohen Pöbel, Die dem Convente eine Richtung giebt, Der Nation den siegenden Impuls. Ergreift sie denn! MARIE mit Abscheu. Die Deine? Mörder! DANTON. Thut's! Ich steh' Euch näher als den Jacobinern. Marat entwürdigt meine Politik,
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423 Und Robespierre raubt mir des Volkes Liebe. ... Noch bin ich stärker, ich allein, als sie Doch kommt der Tag, wo sie mich überflügeln; Ich kenne Schranken, und sie kennen keine. - Ihr näher Schließt Euch an mich, und Frankreich ist gerettet: -
tretend.
Die Redlichkeit bringt Ihr, und ich die Stärke; Ein kräftig Kind wird diesem Bund entspringen: Das Gesetz! - und unter seiner festen Herrschaft Ein neuer Staat auf stolzen Säulen steh'n. MARIE sieht ihn mit einem langen Blicke zweifelnd an. Vermöchte ich in Deiner Brust zu lesen! DANTON. Du bist ein Weib - und liebst. - Willst Du ihn sehen, Der Deinen Untergang? - Roland - Buzot Die Freunde all, geschleppt vor feile Richter, Verhöhnt, beleidigt, schonungslos verlästert, In jeglichem Gefühl verletzt, - gepeinigt In jedem Sinne! bis endlich stumpf gemartert Die Schatten derer, die sie einst gewesen, Den Henkerskarren schwanken Tritts besteigen Und durch die Reih'n, die jubelnden, des Volks. ... MARIE. Das schwör' ich Dir: - so werden sie nicht sterben! DANTON. Nie lauter jauchzt der Troß, als wenn die stürzen, Mit denen er Abgötterei getrieben, Und Keinem speit er lieber ins Gesicht Als dem Idol, vor dem er Weihrauch brannte. Ο warne, die Du liebst! ... Dein Mut ist groß; Du selbst, ich weiß, Du stürbest ungebeugt, Doch sterben seh'n ist gräßlicher als sterben, Wenn unser Glück erlischt mit jenem Leben, Das scheidend, nur mehr ein kleiner Funke, Auf der Getreuen bleichem Antlitz irrt. Noch athmen sie, noch winken sie Dir zu, Und jetzt - ο einen Blick nur! - einen noch! Das Heil der Erde gäbst Du hin für ihn: Vorbei! - ein Schritt - es beugt sich Knie und Nacken Aufgällt ein Schrei, es sinkt das blanke Beil, Und der Geliebten Auge bricht im Korb — MARIE. Komm mit, Danton! - kommt mit mir zu Roland, Sprich zu den Meinen, wie zu mir Du sprichst, Vielleicht vermag - und füge es ein Gott! Dein Wort die Redlichen Dir zu versöhnen. DANTON. Wenn Du es willst, so sind sie mir versöhnt,
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Marie Roland Und leichter, wahrlich! ist's, an mich zu glauben Und meine Kraft, als an die wilde Posse Der Revolution, die, wie Saturn, Die eig'nen Kinder ihre Narren - frißt. Ihr nahmt sie ernst, und das war Euer Irrthum. Der sie beherrschen will, muß sie verachten. Ihr saht in ihr den heiligen Altar, Auf dem der Mensch zum Gotte sich verwandelt, Und sie ist nur die Stufe, die man - tritt: Sie hebt empor, allein sie steigt nicht mit. MARIE. Danton!? ... DANTON. Die Freiheit - freien Geistern! - Knechtschaft, Allewig Knechtschaft - dem gemeinen Troß, Der auch allewig bleiben wird - gemein. Wir aber - wir ... MARIE. Genug! ... Die Maske fiel — Du stehst vor mir, wie ich Dich immer sah, Und meine Seele schaudert vor dem Anblick! ... ... Du glaubst an eine schön're Zukunft nicht? Du glaubst es nicht, daß dieses arme Volk, Das jetzt so gräßlich irrt, Besinnung finden, Erwachen wird aus seinem Wahnsinnstaumel, Und besser, stärker sich erheben wird Aus diesem Kampf, in dem trotz aller Gräuel, Vor denen wir das Angesicht verhüllen, Trotz allem Unrecht, aller Schuld, dies Volk Doch um der Menschheit höchste Güter ringt? DANTON. OThörin! Schwärmerin! MARIE. Das glaubst Du nicht? Du glaubst nicht an das Volk, und kniest vor ihm? Du glaubst nicht an das Volk, und siegst durch's Volk? Nun sieh! wir unterliegen ihm und lieben's! Wir fallen - unser Glaube steht! DANTON. Noch heut! Er wird erst wanken auf der Guillotine; Dahin führt Euer Weg. MARIE. Wir geh'η ihn freudiger, Was Du auch sagst, und wie Du Dich betrügst, Als Du den Deinen gehst - zur Dictatur! ... Sie will gehen. DANTON ergreift ihre Hand und zwingt sie, stehen zu bleiben. Halt da! wir sind zu Ende nicht, wir beide! Du wirst von mir nicht scheiden, wie Du kamst:
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425 Im siegenden Bewußtsein Deines Rechts, Mit dieser Stirne und mit diesem Blick! ... Es giebt ein Wort, das sie zerfließen macht, All Deine Herrlichkeit. Vernimm's! ... Ich sag' Dir - ich! - der gräßliche Danton: Er hält um nichts Dich besser als Du ihn, Und hat dazu ein unbestritten Recht! Marie bleibt sprachlos und starrt ihm ins Gesicht. DANTON. Wir sind von e i n e m Standpunct ausgeschritten, Wir wandern einen und denselben Pfad, Und Deine Spur, wie meine, raucht von Blut! Die Opfer des Septembers fielen mir, Der Mord des Königs, der vollzogen w a r d , Der Mord der Kön'gin, der vollzogen w i r d , Nimm sie auf Deine Seele! MARIE.
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Oh! -
DANTON. Den Fall Der Girondisten, wer rief ihn herbei? Diejenige, die in den Kampf sie trieb, Und doch gewußt - und doch es wissen mußte: Das sind nicht die gewaltigen Titanen Mit Marmorherzen in der Brust von Erz, Gemacht zu schreiten durch die blut'ge Zeit, Noch furchtbarer, noch blutiger als sie, Vor keiner Unthat schaudernd, doch den Sieg Gefesselt schleppend an der Ferse Tritt! Das sind nur Träumer, tugendhafte Schläfer, Die um die Freiheit buhlen mit - Gedichten. Das kräft'ge Weib braucht kräftige Umarmung Und spottet der platonischen Verehrer. Du schicktest wehrlos sie zur Werbung aus, Sie boten ihre nackte Brust dem Sturm, Und liegen nun zerschmettert auf dem Grund. Zerschmettert - athmend noch - : die Rettung naht, Und Du - Du stoßest sie zurück, weil Dir Verhaßt der Retter, der sie bringt. MARIE. Entsetzen! DANTON. Das thut ein Weib an denen, die sie liebt: Und dieses Weib erkühnt sich mich zu schmäh 'n? Mich zu verachten? ... Holl' und Tod! dies Weib Ist meine ebenbürtige Genossin! MARIE wendet sich ab. Hinweg! - hinweg! -
Marie Roland
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DANTON. Hierher, Marie Roland! Hier steht der Mann, zu welchem Du gehörst. Mit dreistem Hohne. Der Haß ist oft nur mißverstand'ne Liebe, Ich bin vielleicht Dir theurer als Du glaubst, Wie Du mir ähnlicher als Du's gewußt. Zu mir! zu mir! Wir beide fest verbunden Wir unterwerfen spielend uns die Erde! Er geht auf sie zu. MARIE. Z u r ü c k !
DANTON.
Flöß' ich Dir Abscheu ein?
MARIE.
DU
mir?
Den größten - ja! - Tonlos. Und ich mir selber! ... DANTON.
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ROBESPIERRE.
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Abscheu?!
So schwer gebeugt und trotzdem ungebrochen! So tief gesunken MARIE. Noch nicht bis zu Dir! Dumpf vor sich hin. Wenn auch entsetzlich ... von so stolzer Höhe ... Ο welch' ein Fall! ... Weh' über mich! ... Mir schwindelt Was wollt' ich hier? ... Verwirrt mein Sinn - umdüstert die Gedanken. ... Das ist der Wahnsinn! Aufschreiend. Retten wollt' ich - retten! Es giebt noch Rettung, muß sie geben! - Fort! Sie stürzt hinaus. D A N T O N nach einer Pause. Verlorene, fahr' hin! - stürz' ins Verderben Die Deinen und Dich selbst. - Ich geb' Euch auf. Ihr wollt den Tod. Ihr konntet meine Flügel, Jetzt aber müßt Ihr meine Brücke sein! Lacroix erscheint an der Thüre des Sitzungssaales. Von der Strasse herauf ertönt tausendstimmiger Ruf: Danton! Danton! L A C R O I X . Kommst Du, Danton? Die Deputirten alle Verbrüdern mit dem Volke sich; es ruft Nach Dir. DANTON. Ich komme! Ab mit Lacroix. Robespierre kommt durch die Mitte. Huissiers folgen. ROBESPIERRE. Nicht mehr hier Danton? HUISSIER. Nun eben fort; er weilte lang. Mit wem?
HUISSIER. Mit wem? Ich glaube, mit dem Weib Roland. ROBESPIERRE. Mein guter Freund, Danton verräth das Volk. HUISSIER. Ich sag' es ja, er hält's mit der Gironde.
I. Text
427 ROBESPIERRE. Gebt Acht, gebt Acht auf seine nächste Rede! Er tritt an das Fenster und blickt hinab, während das Geschrei auf der Strasse fortdauert. Für sich. Sie lieben ihn zu sehr; er wird zu mächtig. Die Republik braucht weder Herrn noch Götzen.
Vierter Aufzug Decoration des ersten Aufzugs. Im Hintergrund ein einfach gedeckter Tisch. Lichter auf demselben und auf dem Camin.
Erster Auftritt ROLAND tritt durch die Thüre links auf mit SOFIE. ROLAND. Nach dem Convente, sagst Du, eilte sie? SOFIE. Und ihr gewiß verdankt Ihr Eure Freiheit. ROLAND. Mein armes Weib! SOFIE. War' sie nur schon daheim! Mir bangt um sie, die schutzlos und allein. ... Pochen an der 5
Hausthüre.
ROLAND. S i e i s t ' s !
SOFIE. Ο Gott sei Dank! Sie eilt ab. ROLAND geht nach bis zur Thüre. Ist sie's? ... Marie? Entsetzliche Erwartung! ... Laß sie mir,... Erbarme Dich, erbarmungsloses Schicksal! Entmutigt. Das ist nicht ihre Stimme, nicht ihr Schritt.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. BUZOT.
BUZOT. Roland allein? ROLAND.
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DU siehst.
Aus weiter Ferne dumpfer Lärm, wie von wogenden Menschenmassen. BUZOT. Hörst Du? hörst Du? Bis hierher dringt, in Deine stille Wohnung, Das wogende Gebraus des Menschenmeers, Das sturmbewegt, im Taumel wilder Lust Durch alle Straßen flutet, gräßlicher In seiner Freude als in seinem Zorn. ROLAND. Und was erweckte diesen Siegesrausch? BUZOT. Die Zwölf sind angeklagt und abgesetzt. ROLAND. Ein schwerer Schlag. Er finde uns gefaßt. BUZOT. Gefaßt nur? - Ο Du spottest! - nur gefaßt? ... Erschöpft und mutlos liefert der Convent
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I. Text
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Dem Volk die Opfer seines Wahnsinn's aus, Und wir, Roland! die Sieger von heut' morgens, Vernichtet jetzt und feig und jämmerlich, Wir beugen uns dem neueren Erfolg Wir beugen uns der Tyrannei des Schreckens Wir werben um des Volkes Huld und Gunst Und preisen mit ihm freier Freunde Fall! ROLAND. Das kann nicht sein! Βυζοτ. Wir mischen uns're Stimmen In das Geschrei der Hunderttausende, Die jauchzend stürzen das Gesetz und Recht!
Dritter Auftritt DIE VORIGEN. VERGNIAUD, BARBAROUX, LOUVET.
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BARBAROUX. Ο Schmach und Schande! ROLAND. Ist es wahr? - ist's wahr? BARBAROUX. Ich sah, mit diesen Augen sah ich sie Dem Leichenzuge ihrer Ehren folgen! Βυζοτ. Heut' wird ein Fest gefeiert sonder gleichen, Es triumphirt ein Volk über sich selbst In seinen Besten, seinen Edelsten! In Lichterglanz gebadet ist die Stadt, Die sich dem Reich der Finsterniß verschrieb; Die Lüfte beben von dem Jubelschall Der Freiheitshymne aus der Brust von Knechten; Umringt von Fackelträgern feierlich Wallt der Convent dahin im Siegerschritt Und preist den Tag, der seinen Ruhm begräbt; Die Opfer selbst, die man zur Schlachtbank schleppt, Sind von der Tollheitsseuche angesteckt Und jauchzen mit! ROLAND. Ach dieser Todesgang! Ihm vorzuziehen wäre das Schaffot. VERGNIAUD. Ihm vorzuzieh'n? - Wir hatten keine Wahl, Und zwischen ihm und dem Schaffot giebt's keine; Er führt dahin. BARBAROUX. Ο Freund! Ο Vergniaud! VERGNIAUD. Der zagende Convent,
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Marie Roland Er giebt noch heut' die zagende Gironde Dem Heldenvolke preis. Was soll er thun? Hat nicht Danton, der Triumvir, gegrollt? Hat nicht Danton gesprochen: "Nehmt sie hin!" Schlug jemals noch sein Donnerwort umsonst Dem großen Troß ans aufgeregte Herz? Schon ist die Stadt zum Feldlager verwandelt, Schon zieht ein lustig Heer von Sansculottes Bewaffnet, mit Geschütz und Dolch und Flinte, An allen Thoren, allen Brücken auf. Wenn man bedenkt, daß alles dies geschieht, Um zweiundzwanzig Männer zu bekriegen, So harmlos daß sie nie ein Schwert umgürtet, Von so versöhnlicher Natur daß sie Dem Falle ihrer Brüder zugejauchzt, Um sich die Gunst der Sieger zu erringen, Dann kann man keck behaupten, diese Männer Sie sind so gut wie todt und hingerichtet. BARBAROUX. Sie sind nicht harmlos mehr, nicht mehr versöhnlich; Getilgt aus ihrer Brust, wie Sünd' und Schmach, Ist jedes milde, friedliche Gefühl. ...Ausbrechend Wir wollen mindestens als Löwen sterben, Wenn wir - Gott sei's geklagt! - auch leider - leider Als Löwen nicht gelebt! - Zum Kampf! zum Kampfe! Hinweg, Ihr Freunde! - fort - in die Provinzen! VERGNIAUD. Nach der Gironde, nach dem Calvados geht, Ruft zu den Waffen Euren Anhang auf. BUZOT. Was noch die Freiheit liebt, steht auf für sie! LOUVET. Zum Kampfe denn! ich bin kein Mann des Schwerts, Doch, zwingt man mir das Eisen in die Hand, So will ich's führen wie ein Mann des Schwerts! VERGNIAUD. In Caen errichtet Ihr den Herd, das Centrum Des Aufstands gegen die Tyrannen von Paris. BARBAROUX. Zehntausend Mann stellt mein Marseille. LOUVET. Nicht weniger Toulouse, Lyon und Nimes. BUZOT. Brissot {geht} (soll) nach Moulins, das ihn erwartet. VERGNIAUD. Und Grangeneuve entsend' ich nach Bordeaux. Der Tarn, der Lot, Cantal und Puy-de-Döme Erklären sich im Zwist mit dem Convent. Gewinnt sie uns. Zu Roland, der die Zeit über düster vor sich hinstarrend am Fenster gelehnt.
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I. Text
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Roland, wo ist Dein Weib? Βυζοτ. Entbiete sie, wir müssen Abschied nehmen. Roland macht eine abwehrende Bewegung. BARBAROUX. Vor Kriegslust brennt ein jedes Herz im Lande. In uns'rer Zeit ist bald ein Heer geworben; An seiner Spitze, nicht mehr flehend, mahnend In Wehr und Waffen, Streiter für die Freiheit, Und ihre Rächer kehren wir zurück!
Vierter Auftritt DIE VORIGEN. MARIE.
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MARIE bleibt erschöpft am Eingang stehn, von den Übrigen unbemerkt. Βυζοτ. Marie Roland soll uns're Losung sein. Ο bei dem Geist der Frau MARIE rasch vortretend. Ruf ihn nicht an! ALLE. Marie! ROLAND. Sie ist es! ... Ο mein Kind! MARIE sinkt in seine Arme. Roland! ROLAND. Hab' ich noch eine Regung für die Freude! Buzot, Barbaroux und Vergniaud fast zugleich. Β υ ζ ο τ ZU Marie. So bleich und erschöpft? BARBAROUX. DU kommst - woher? VERGNIAUD. DU wagtest Dich hinaus an diesem Tag? MARIE. Entflieht! entflieht! Eh' noch der Morgen graut, Wird durch die Straßen die Empörung rasen Und gegen Euch Paris in Waffen stehn. ... BARBAROUX. Bald stehen wir in Waffen gen Paris. MARIE. Was sagst Du da? BARBAROUX. Wir gehen hin, wir tragen Der Frevel Kunde, die man hier verübt, In die Provinzen MARIE. Nein! Ο nein! BARBAROUX.
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D u r c h f l i e g e n , sie
Entflammend zur Erhebung, d'Orne, des-Eure ... MARIE. Entflammend zur Erhebung? - Barbaroux! Ο haltet Eure Hände rein von Blut! Ihr s o l l t hinweg, doch Freunde, nicht zum Kampf; Ihr sollt durch den Calvados an das Meer -
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Ihr sollt zu Schiff ... ROLAND. Das Vaterland verlassen? MARIE. Das Euch verläßt, verstößt! - Der Ocean, Er breitet Euch den starken Arm entgegen Und trägt Euch hin nach jener neuen Welt, Die seinem Schooß entstieg - der neidenswerten, Auf der die Freiheit eine Stätte fand. Dorthin ... VERGNIAUD. Auswandern? - wie? Βυζοτ. Was forderst Du? MARIE. Aus jeder Scholle Eurer Heimaterde Wächst Euch ein Feind BARBAROUX. Heran! - wir stehen ihm. MARIE. Bethörte! - Ο laßt ab BUZOT.
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B i n ich verrückt?
Klingt mir wie nein das ja - wie recht das falsche? MARIE. Gebt auf den Kampf, in dem Ihr untergeht Und mit Euch alles was ich je geliebt Und was der Liebe wert auf dieser Erde ... Ο wendet Euch nicht ab! ... Ist's möglich denn? Mein Schrei trifft Euer Ohr, mein Seelenschrei, Und nicht mehr Euer Herz? BUZOT. Wir hören D i c h Aus Deinen Worten nicht. Ein fremder Geist Weht uns befremdend kalt aus ihnen an. Das bist nicht D u , das ist die Mahnung nicht, Die sonst zu uns aus Deinem Munde sprach MARIE. Verflucht der Mund, der zum Verderben riet, Verflucht die Hand, die in den Tod Euch trieb. ... ROLAND. Besinnung! - Mäßigung! MARIE. Roland, mein Freund! - Ο Jüngling Barbaroux! ... nicht tritt zurück! ... Buzot! ... doch Du - Du rufst ihn ja, den Tod! ... Zu Louvet. Ich fleh' zu Dir - Louvet, der liebt - Louvet, Der leben will ... Da Louvet gleich allen andern, die sie angerufen, schweigend Barmherzigkeit! - auch Du? ... Ο Vergniaud! so höre denn ... VERGNIAUD. Nicht weiter! Ganz unwert Dein und unser ist dies Fleh'n. MARIE. Ganz unwert? - o! - Was will denn ich und was Wollt Ihr? ... Viel Elend traf dies arme Reich,
zurücktritt.
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I. Text
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Allein vom schlimmsten blieb es noch verschont, Vom Bürgerkrieg! - Lockt Euch's, ihn zu entzünden? BARBAROUX. Wir thun es nicht mit frevelhaftem Leichtsinn; Dies ist kein Kampf, in dem der Ehrgeiz siegen, In dem ein Einzelner gewinnen will. Dies ist ein Kampf Gerechter für das Recht; Vom Joch Danton's soll er das Volk erretten ... {MARIE. Vom Joch Danton's?!} LOUVET. Vor der Partei'n, vor seiner eig'nen Wut. VERGNIAUD. Vor Anarchie und Zügellosigkeit. Β υ ζ ο τ . Er soll den Boden ebnen, den zerriss'nen, Auf welchem wir den Bau der Republik Errichten wollen für die Ewigkeit. Er soll als Racheengel sich erheben, Auf Flammenflügeln durch das Chaos wettern, Vertilgend treffen jeden g i f t ' g e η Keim, Den h e i l s a m e n mit Götterkraft befruchten; In seinem Flug der Furien Fackeln löschen, Anfachen aber jeden reinen Funken, Der schüchtern jetzt noch unter Trümmern glimmt, Daß er, ein Strahl der Himmelssonne: Wahrheit, Die Finsterniß mit seinem Licht durchflute, Gedeih'n und Leben hauche durch die Welt! M A R I E abgewendet, vor sich hin. Ο Geister - Geister die ich selbst beschwor! ROLAND. Ihr unternehmt das Ungeheuere ... Mögt Ihr's vollführen. BARBAROUX. DU bleibst nicht zurück! LOUVET. D U darfst Dich nicht von Deinen Treuen scheiden. ROLAND. Ich bin ein A n g e k l a g t e r .
Ich bin's auch! Auf die Übrigen zeigend. Und der - und der - und welcher ist's denn nicht? Und welcher fordert jetzt Rechtfertigung In diesen Tagen, und von diesen Richtern? VERGNIAUD. Gieb nach, Roland! LOUVET. Gieb nach! BARBAROUX. Entschließe Dich! VERGNIAUD. Kein unnütz Zaudern und Bedenken mehr! Dein Platz ist bei den Deinen; - meiner ist Noch in Paris. Ich gehe mit dem Sturm; Gelingt mir's hie und da, in sein Gewirbel Ein sprühend Wort des Lichts hineinzuwerfen, So hat der Redner wohl genug gethan. BUZOT.
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Marie Roland Β υ ζ ο τ zu Marie. Und Du - Du schweigst? - Hast Du für uns Marie Nicht einen Laut, nicht einen frommen Wunsch? MARIE. Gebet für Euch ist jeder Athemzug! Β υ ζ ο τ . So sprich es aus! - gieb Hoffnung, gieb Verheissung ... MARIE. Ο Himmel! Hoffnung - ich? ... Ich habe keine Und jene Frankreichs sinkt mit Euch in's Grab. LOUVET. Versagst den Segen Du zu uns'rem Werk? MARIE. Zu Eurem Werk? - Es schreitet über Leichen Es trieft von Blut! ... Den roten Quell ich seh Ihn strömen endlos, ohne Maß! ... Die Erde Hat keine Lippen mehr ihn aufzutrinken, Die Luft nicht Athem mehr ihn einzuhauchen! Sie sinkt an einem Stuhle im Vordergrunde der Bühne nieder. BARBAROUX. Der grosse Zweck verlangt das grosse Mittel. Erwogen ist's, es sei gewagt. Hinweg! Zum letzten Opfer oder letztem Sieg! A L L E außer Marie. Zum letzten Opfer oder letztem Sieg! L O U V E T nimmt ein Glas vom Tische. Der erste Tropfen dieser edlen Labe, Der meine heißen Lippen heut' erquickt: Der Republik, für die zum Kampf wir geh'n! R O L A N D ebenso. Der Reinen, Hohen, die wir uns gedacht, Der Mutter aller Tugend, aller Größe Auf ihren Sieg! ... Auf meinen Untergang, Wenn er des Sieges Preis! B A R B A R O U X ebenso. Was liegt an uns? Für mich begehr' ich von der Zukunft nichts Als einen Tod, vom Strahl des Ruhms umglänzt. Ob auf dem Schlachtfeld oder der Tribüne Er mich ereilt, er nahe schön und stolz Im Flammenkusse der Begeisterung Entringe meine Seele sich dem Dasein. V E R G N I A U D ebenso. Wir trinken auf das Leben und den Tod. Von beiden eins birgt diese Nacht für uns In ihren Schatten. Komme, welches mag! Es schwinde jeder selbstische Gedanke, In unsern Herzen habe keiner Raum, Der: Frankreich nicht, der nicht: die Freiheit heißt. Wär' dieses Glas mit meinem Blut gefüllt, Ich leerte es auf's Wohl der Republik! A L L E erheben ihre Gläser. A u f s Wohl der Republik! Sie lebe! lebe! Man hört die Sturmglocke läuten, die Trommel schlagen; die Allarmkanone giebt Schuss auf Schuss.
I. Text
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Der Feind erwacht und seine Mahnung tönt. bald? - Wohlan - wir folgen ihm, und ich zuerst. R O L A N D . Und wohin soll ich meine Schritte lenken? VERGNIAUD. Geh' nach Rouen und harre dort der Freunde. M A R I E sich erhebend. Ich folge Dir, Roland. ROLAND. Das sollst Du nicht; Ein unstät Wanderleben werd' ich führen. MARIE. Laß mich trotzdem ROLAND. D U bleibst, und kann es sein, Hab' ich ein sich'res Obdach Dir zu bieten, Dann ruf' ich Euch zu mir, Dich und mein Kind. VERGNIAUD. Ihr sollt die Stadt verlassen ungesäumt, Doch ziehe Jeder seines Wegs allein. Trefft Euch im Walde von Montmorency. LOUVET ZU Marie. Grüß' Lodoi'ska; bringe sie mit Dir, Wenn Dich des Gatten Ruf zu sich beschied. Willst Du es thun? MARIE. Ich will. LOUVET reicht Marie die Hand. Leb' wohl. BARBAROUX ebenso. Leb' wohl! Ich gehe froh - mein ganzes Inn're jauchzt. Der kämpfen darf für eine gute Sache, Der siegt im Tode noch. Kommst Du Buzot? Barbaroux und Louvet ab. BUZOT zu Roland. Auf morgen. Zu Marie, ihr die Hand reichend. Auf - die Ewigkeit! MARIE. Buzot! Buzot kniet nieder. Marie tritt zu ihm. Ich segne Dich. Ich habe Dich geliebt Ich r u f Dir's zu wie in die and're Welt. Als wir gewandelt auf der armen Erde, Da kannten uns're Seelen sich - Gedenkst Du's noch? Ich segne Dich. Küßt ihn auf die Stirne. Nimm diesen Schwesterkuß Der erst' und letzte. Abschied und Willkommen. BUZOT. Marie! Marie! R O L A N D leise zu Vergniaud. F ü h r ' i h n hinweg! ... Vergniaud nimmt Buzot's Arm und führt ihn dem Ausgange zu. Marie bleibt in der Mitte der Bühne stehen, das Gesicht mit den Händen bedeckend. ROLAND öffnet ihr die Arme. Hierher Hierher, Marie! Nach einer Pause. Komm mit, zu uns'rem Kinde! Beide ab, nach rechts. BUZOT der an der Thüre wie angewurzelt stehen blieb. ROLAND.
LOUVET. SO
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Ich sehe sie nicht wieder - niemals - nie! VERGNIAUD. DU träumst! - Wo blieb Dein Mut? Bist Du ein Mann? BUZOT. Laß mich! - Zurück! - Ich will ja nur noch einmal Die Schwelle küssen, die ihr Fuß betrat. Gönn' meiner Brust noch einen Zug, noch einen, Von dieser Luft, die ihren Athem trank Dem Aug' noch einen Blick in diesen Raum, Den ihre süße Gegenwart verklärte. Du bist mir heilig - Raum, der s i e umfing! Mein erst Gebet in reifen Mannesjahren, Ich sprach es hier; an Gottes Güte glauben, Sie lehrte mich's, die still allhier gewaltet Durch ihre Worte nicht - ο nein! sie lehrte Mich's dadurch, daß sie lebte, daß sie war! Roland und Marie erscheinen an der Thüre rechts. Buzot, ohne zu ihnen hinzublicken: Dich ruf ich an, Barmherzigkeit des Himmels, An der ich zweifelte, an die ich glaube! So fester als Du ärger wirst gelästert, Barmherzigkeit des Himmels, schütze sie! VERGNIAUD. Und uns're Heimat - Dich - uns Alle! ROLAND und MARIE.
Alle!
Buzot und Roland fortdrängend. Folgt mir! Zu Marie. Leb' wohl! Vergniaud, Buzot, Roland ab. MARIE allein. {Wirft sich weinend auf einen Stuhl} Nach langer Pause {sich aufrichtend}. Barmherzigkeit des Himmels? Das ist ein Wort nur - nur ein leeres Wort! - Wär' ich ein Gott und wäre ich barmherzig, Es lebte kein Geschöpf in meiner Welt, Dem so das Herz zerrissen wär', wie's h i e r Ach! - dieses ist! ... VERGNIAUD
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MARIE allein. ] Vierter Auftritt. MARIE allein.
Schreibfehler
All
I. Text
Fünfter Auftritt VORIGE. SOFIE
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SOFIE athemlos. Gebieterin ... MARIE. Was willst Du mir? SOFIE. Ein Commissair des Comite's Wie sagt er nur? - und ein'ge Herrn von der - Sie stockt. LECOQ kommt. Vom Insurrections-Comite Sind Leute da, die Dich zu sprechen wünschen. MARIE. Ich spreche Niemand. LECOQ. Herrin - ich befürchte, Du wirst - sie sprechen m ü s s e n ... SOFIE. Ο mein Gott! Da sind sie schon ...
Sechster Auftritt VORIGE. NICAUD. DREI COMMISSAIRE des Insurrections-Comite's.
DER
FRIEDENSRICHTER. MUNICIPALGARDISTEN. Sie lassen die Thüre offen stehen, die Vorhalle und das Zimmer flillen sich nach und nach dicht mit Menschen.
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NICAUD. Verzeihung, Bürgerin; man läßt uns warten, So treten wir unaufgefordert ein. Nach einer kurzen Pause. Roland ist ausgegangen, wie ich höre; Das thut mir leid; denn wir - mit einem Wort Wir kommen, ihn und Euch zu arretiren, Und hier die Siegel anzulegen. MARIE verloren. Wohl. LECOQ für sich. Was sagt sie? - Wohl? - ο Donnerwetter! - wohl?! Zu Marie. Frag' doch nach ihrer Vollmacht. MARIE ZU Nicaud. Eure Vollmacht? NICAUD. In bester Regel - bitte! Hält ihr die Vollmacht vor. MARIE.
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ES ist g u t .
LECOQ. Was wäre gut? - Hier ist nichts gut - besinn' Dich! Ergreift und schüttelt ihre Hand. Besinn' Dich! ... Träumst Du? Bist Du krank? Zu Nicaud. Mein Herr! ...
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Marie Roland giebt in Frankreich keine Herren mehr. Mein - Bürger also! Für sich. Hol' der Teufel alle! Laut. Ich bin zur Stund' der einz'ge Mann im Hause, Und bin zum Schutze dieser Frauen hier. Nun hört: Ihr dürft die Frau nicht arretiren ... Die nächtlichen Arrestationen, Herr, - W i l l sagen, Bürger, Herr! - sind Euch verboten! E R S T E R C O M M I S S A I R halblaut zum zweiten. Ein starker Bursch, gesund und jung, und dennoch Der wird nicht alt, glaubt mir. Z W E I T E R C O M M I S S A I R lächelnd. Ihr seid Profet. NlCAUD zum zweiten Commissair, auf Lecoq deutend. Setzt den auf Eure Liste. E R S T E R C O M M I S S A I R zum zweiten leise. Hatt' ich recht? NlCAUD zu Lecoq. Die nächtlichen Arrestationen, Freund? Er löscht die Lichter; die matte Helle des grauenden Morgens bricht herein. Jetzt ist es Tag! - Auf Marie zugehend, sehr höflich. Wenn's Euch gefällig wäre M A R I E . Ich folge Euch. SOFIE. Nein! nein! L E C O Q knirschend. Gebieterin! M A R I E ZU ihnen. Geduld und Mut! Zu den Commissairen. Nur meiner Tochter noch Ein Lebewohl. Sie geht der Thüre rechts zu. NlCAUD vertritt ihr den Weg. In uns'rer Gegenwart Wir müssen bitten. M A R I E ZU Sofie. Bringe mir das Kind. Sofie rechts ab. M A R I E . Gestattet mir zu schreiben, ein'ge Worte An eine Freundin, der ich sie empfehle. E R S T E R C O M M I S S A I R . Wen: - Sie? MARIE. Eudora, meine Tochter. NlCAUD. Schreibt; Schreibt was Ihr wollt, doch das Gericht wird lesen. Marie setzt sich an den Schreibtisch und wirft rasch einige Worte auf ein Papier. Nicaud liest über ihre Schulter. Während dem öffnen und durchwühlen die Commissaire und ihre Leute die Schränke. Lecoq rennt händeringend auf und ab. Sofie kommt mit Eudora. M A R I E erhebt sich. Zu Nicaud, auf den Brief deutend, den sie offen auf dem Schreibtische liegen lässt. Die Bitte einer Mutter, Herr. NICAUD. An wen? M A R I E . An eine Mutter. Zu Eudora, die in ihre Arme fliegt. Armes, liebes Kind! NLCAUD. E S LECOQ.
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EUDORA. Was wollen die? warum weckt man mich auf? MARIE. DU sollst zu Deiner kleinen Spielgefährtin. EUDORA. Ach, zu Adele La Touche? MARIE ZU Sofie. Führ' sie dahin. Den Brief vom Tische nehmend und in Eudora 's Hände legend. Den Brief gib ihrer Mutter; sage ihr ... Nein! sage nichts - als nur - daß ich Dich schicke. Was ich ihr sagen wollte, und nicht konnte, Das wird sie fühlen, wenn sie Dich umarmt. EUDORA. Kommst Du nicht mit? MARIE. Ich komme später nach ... Umarmt sie wiederholt. Leb' wohl! leb' wohl! EUDORA. Ich will nicht von Dir fort, Ich bleib bei Dir! Sie umklammert Mariens Knie; Lecoq und Sofie umdrängen ihre Herrin. SOFIE. Ο meine güt'ge Herrin! LECOQ mit geballten Fäusten gegen die Commissaire. Bevor ich's zugeb', daß ... NICAUD. Laß gut sein, Bester! Er giebt den Municipalgardisten einen Wink. Diese treten zwischen die Commissaire und Lecoq, und drängen ihn mit Gewalt zurück. LECOQ. Verwünschte Memmen! - zwanzig gegen einen NICAUD ZU den
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Municipalgardisten.
So recht! - Nur ruhig - sanft! MARIE ZU Lecoq. Ich bitte Dich! FRIEDENSRICHTER ZU Marie. Ihr werdet sehr geliebt. MARIE. Ich werd' geliebt, Ja - weil ich liebe. Reisst sich von Eudora los; zu Sofie. Sorge für das Kind. NICAUD. Darf ich den Arm Euch bieten? MARIE ablehnend. Dank. Sie geht voran. Nicaud und die Municipalgardisten folgen mit Lecoq. NICAUD zu den Garden, auf Lecoq deutend. Laßt mir den Burschen los! Leise. Ihr holt ihn morgen, Ganz stille, ohne Aufsehn. Gegen die Vorhalle, die mit Menschen überfüllt ist. Ihr! macht Platz! EINIGE WEIBER. Macht Platz der Königin Roland! Gelächter und Geschrei. EUDORA. Ο Mutter! Wo führen sie Dich hin? EINZELNE STIMMEN, den Lärm übertönend. Zur Guillotine!
Fünfter Aufzug In der Conciergerie Kleines Zimmer mit vergittertem Fenster, auf dem Blumen stehn. Neben dem Fenster ein Tisch aus weichem Holze, bedeckt mit Büchern, Schreib- und Zeichnengeräth. Zwei Strohstühle. Im Hintergrunde ein Ruhebett. Erster Auftritt
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SOFIE, vom Schliesser eingelassen. Sie trägt Blumen, die sie später in Gläser und auf das Fenster setzt. SCHLIESSER. Ihr könnt hier warten, bis sie wiederkehrt Nach dem Verhör. SOFIE. SO hat es denn begonnen ... SCHLIESSER. Sie steht vor ihren Richtern. SOFIE. Schütz' sie Gott! Mir ist die Brust von Qual und Angst zerspalten. ... SCHLIESSER. Stellt Eure Blumen her, daher ... Schon recht ... Den Rosenstock ein wenig weiter links, Damit er so das Gitterwerk verstecke. Noch weiter ... Halt! - 's ist g u t - j e t z t sieht man's nicht. SOFIE. Glaubst Du, weil man's nicht sieht, es sei verschwunden? Die Eisenstäbe Eurer Kerker fallen Nicht nur ins Aug', sie fallen auf das Herz. SCHLIESSER. Hab' ich sie eingefügt? Kann ich dafür? Stellt Euer Unkraut hin, wie's Euch beliebt 'S ist ohnehin das letzte, das Ihr bringt. SOFIE. Was sagst Du da? SCHLIESSER. Nur was Ihr selber wißt. Sie wird verhört. Spricht das Gericht sie frei, Dann zieht sie fort und braucht des Krams nicht mehr. Wird sie verurtheilt, zieht sie wieder fort, Und wieder braucht ... SOFIE bricht in Thränen aus. Ο meine arme Herrin! SCHLIESSER. Ich bitt' Euch, winselt nicht - mir wird's zu viel. Ich war ihr gut, der Bürgerin Roland, So lang sie sich vernünftig hier benahm, Die Mitgefang'nen freundlich tröstete, Selbst heiter blieb und and're heiter machte. Doch jetzt - seitdem sie still und traurig ist,
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Und stundenlang an diesem Fenster lehnt, Und sich die Stirne wund am Gitter drückt, Kein Wort mehr spricht und weint oft wie ein Kind, Jetzt ging er flöten, mein Respect für sie. Ich denk: Aha! die gute Laun' ist fort, Seitdem man nichts mehr von den Freunden hofft; Seitdem der Aufruhr glücklich unterdrückt, Den Barbaroux, Buzot, Roland, Louvet Erregt und angeführt in den Provinzen; Seit die Verräter vogelfrei erklärt Und wie gehetztes Wild das Land durchirren; Seit Vergniaud und seine Spießgesellen, Geendet haben auf dem Blutgerüst. ... Man sieht es klar - an ihnen hing ihr Heil SOFIE. An ihnen hing ihr Herz, ihr starben Freunde, Sie trauert um die Menschen, die sie liebte. SCHLIESSER. Sie soll nicht lieben die dem Volk verhaßt, Soll nicht betrauern die das Volk gerichtet! Das macht verdächtig, das führt auf's Schaffot ... Und 's ist doch Schad'! ... und ist der größte Unsinn ... Und ist - allein, was Teufel kümmert's mich? EIN HUISSIER ruft durch die halbgeöffnete Thiire dem Schliesser im Vorübergehen zu. Paßt auf, Gevatter! die Gefang'ne kommt. Schliesser öffnet. SOFIE. Sie kommt! - sie ist -
Zweiter Auftritt MARIE, von vier MUNICIPALGARDISTEN gefolgt, denen sie raschen voraneilt, erscheint im Gange.
Schrittes
SOFIE ihr entgegen. Ach, freigesprochen - frei! Schliesser sieht die Municipalgardisten fragend an. Einer von ihnen zuckt die Achseln. Sie bleiben an der Thiire zurück. Marie tritt ein. Ich lese es auf Deinem Angesicht: Entlarvt hast Du die Lügner und Verläumder; Du hast gesiegt, hast überwunden — MARIE. Bald, 5
Getreues Herz, bald hab' ich überwunden. SOFIE. Dein Auge leuchtet, Deine Wange glüht. ...
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Marie Roland Wie lange sah ich also Dich nicht mehr Geliebte Herrin! - Beste! - Gütigste! MARIE. Nun sieh, - da ich ergeben bin, und - froh, Mußt Du es sein - darfst mir nicht klagen - nicht! Wenn Du vernimmst, daß meiner Leiden Ende Herangenaht - daß ich SOFIE. Daß Du - sprich weiter MARIE. Getrost! was blickst Du mich so angstvoll an? Ich geh' zur Ruhe, geh' zum Frieden ein, Und - gehe gern ... SOFIE .
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Zur R u h ' ? - zur ewigen! -
Sie haben - Himmel! - haben Dich verurtheilt! MARIE. So nennen s i e ' s - wir wollen's anders nennen, Wir wollen sagen, Du und ich: sie haben Mich gleich gestellt den Edelsten und Besten, Mich wert gehalten Eines Schicksals mit Den Märtyrern der Freiheit und der Pflicht. Dies Lob, dies schöne, sollst Du mir vergönnen, Und weinen nicht - nicht jetzt - dazu ist Zeit Auch später - dann - bis ich es nicht mehr sehe, Bis es mir nicht mehr weh thut - bis ich - schlafe Sie hat sich auf den Stuhl am Tische gesetzt; Sofie kniet bei ihr. SOFIE. Willst Du mich trösten? Jedes Deiner Worte Zerfleischt mein Herz ... SCHLIESSER. Und mich - verdrießt ein jedes! Ihr habt was Ihr verdient - die Republik Thut Keinem Unrecht. MARIE leise vor sich hin. Außer ihren Gründern. SCHLIESSER ohne sich unterbrechen zu lassen. Und wenn ich auch die Elenden verachte, Die winselnd auf den Henkerskarren kriechen, So achte ich deshalb die Hoffart nicht, Die ihn besteigt wie einen Siegeswagen, Und bis zum Block die Überzeugung trägt Von ihrem Wert und aller andern - Unwert. Die Hoffart mahnt zu sehr mich an die Frau, Die hier die Zelle nebenan bewohnte Ein Kämmerchen, so dumpfig feucht wie dieses. Vier Wochen sind's, seit man sie weggeführt Sie hieß bei uns: die Wittwe Louis Capet's Und war dereinst - die Königin von Frankreich. Schliesser ab. MARIE. Die Königin?! - mit ihr vergleicht man mich? ...
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I. Text
Mit dieser Frevlerin ... ihr ins Wort, sanft verweisend. Sie hat gesühnt. MARIE nach einer Pause. Als man den Sohn ihr nahm, sprach sie ein Wort, Das mich ergreift, so oft ich daran denke; Sie sprach: "Jetzt kann mir nichts mehr wehe thun!" Ο Leid, das aller Leiden spottet - Leid Der Mutter um ihr vielgeliebtes Kind! ... Nach einer Pause mit zitternder Stimme. Sofie, mein Töchterchen, wie geht es ihr? SOFIE. Ach, sie ist wohl, die Kleine, und vergnügt ... Mein Gott - die Kinder! MARIE. Fragt sie wohl nach mir? SOFIE. Gewiß - wie oft! - sie ruft Dich, weint ein Stückchen, Läßt sich vertrösten, singt und lacht und spielt, Schläft Abends mit der festen Hoffnung ein, Du würdest sie am nächsten Morgen wecken, Und kommt der Morgen, denkt sie nicht mehr d'ran. MARIE. Ja - s i e wird mich vergessen, mich entbehren. Doch Einer ist der dies nie lernen wird: Mein Gatte, weiß ich, überlebt mich nicht. Wenn Du ihm Kunde gibst von meinem Tod, Fleh' ihn nicht an, dem Kind sich zu erhalten; Es wäre grausam, und es wär' vergebens. Ein Maaß besitzt die Kraft der Menschenseele, Und das der seinen, morgen wird's erreicht. ... - Ein And'rer lebt, von welchem mehr ich ford're, Von dem ich ford're, daß er weiter diene Dem großen Zwecke, dem er sich geweiht: Er darf nicht sterben, weil ein Weib gestorben, Und war es auch das Weib, das er geliebt. ... SOFIE. Du sprichst von ... Sie stockt. MARIE. Von Buzot - was zögerst Du? Ich darf den Namen nennen ohne Scheu. Sie nimmt Papiere vom Tische. Ihm bringe diese Blätter, die Vertrauten Der Qual und Sehnsucht, die um ihn ich litt. - Und hier - sein Bild - mein Trost in allem Weh ... Darf mich's begleiten auf dem letzten Gang? Wie gerne nähm' ich's mit - wie gerne küßten Es meine Lippen, wenn schon auf dem Block ... Sie hält inne. Mit Entschluss. Doch soll's nicht sein. — Das Bild küssend. Leb' wohl - und zürne nicht, Daß ich Dich von mir weise - wie im Leben, SOFIE fällt
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Im Sterben noch! — Mein bestes Gut, in die Getreu'sten Hände: Nimm es hin, Sofie ... Wenn Du ihn wiedersiehst, dann sage ihm, Wie schwer ich mich ... SOFIE. W e r d ' ich ihn wiedersehn? Er irrt umher, geächtet und verfolgt, Er ist vielleicht Dir schon vorangegangen. MARIE. Nein, nein, er lebt! - ich fühl' es - sein Gedanke Umschwebt mich - ist mir nah! Rütteln an der Thüre, Stimmen ausserhalb derselben. SOFIE. Wer kommt? - hörst Du? STIMME DES SCHLIESSERS. W o h a b t I h r d i e E r l a u b n i ß ? STIMME LODOISKA'S.
H i e r ist s i e ,
Gezeichnet von Garat. MARIE. Ο welche Stimme! Schliesser öffnet die Thüre.
Dritter Auftritt V O R I G E . L O D O I S K A tritt
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ein.
MARIE in ihren Armen. Das ist Lodoiska! LODOISKA. Gekommen, Dich zu retten, zu befrei'n! SOFIE. Ο Herr im Himmel! MARIE. Mich befreien? - mich? Durch wessen Hilfe? - sag' - wer sandte Dich? Woher kommst Du? was weißt Du von Roland? LODOISKA ausweichend. Ich komme von Quimper - ich eilt' dahin, Als mich die Nachricht wie ein Dolchstich traf Vom Siege uns'rer Gegner bei Vernon. ... Die e i n e Schlacht brach alle Hoffnungen, Zerstörte alle Pläne der Gironde MARIE. Roland focht sie nicht mit - war in Rouen ... LODOISKA wie oben. Er war in Sicherheit, indeß Buzot, Louvet Und Barbaroux, und Ein'ge ihres Anhangs, Getrennt vom armen Rest der Bataillone, Getrieben von den Häschern des Convents, Dem Elend preisgegeben, obdachlos, Die müden Schritte lenkten gen Bordeaux ... MARIE. Und - es - erreichten? ... Ja? ...
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/. Text LODOISKA.
S o - h o f f e ich.
MARIE. DU weißt es nicht? LODOISK A. Sie kamen bis Quimper Louvet, erkrankt, mußt' sich von ihnen trennen Sie schieden MARIE. Mutvoll? - Auf die Zukunft bauend? LODOISKA. An ihr noch nicht verzweifelnd, denn - Du lebst! 5
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MARIE. O h ! - -
LODOISKA. Lebst - und wirst sie wiedersehn! MARIE. Wenn's - drüben Ein Wiedersehen giebt. LODOISKA. Nein, nein! Du sollst... MARIE sie unterbrechend. Und Ihr? - Louvet und Du - wo wandtet Ihr Euch hin, als sie geschieden? LODOISKA. M ü d ' d e r Flucht, Erschöpft an Leib und Seele, kehrten wir Zurück, und in Rouen ... MARIE. Nun dort - dort saht Ihr ihn - Roland? Lodoiska macht ein verneinendes Zeichen. Ihr saht ihn nicht? - warum? Sag alles. - Doch, Du hast es schon gesagt: Dein Schweigen spricht; mein Gatte ist nicht mehr. LODOISKA. Vor wenig Tagen bracht' man ihm die Kunde, Die falsche, Deines Tod's. Er hörte sie Mit ruhiger Fassung an, nahm Abschied von Dem Gastfreunde, verließ sein sicheres Asyl, und zog allein des Weges fort, Die Richtung nehmend gegen Baudoin. In jenes Städtchens Nähe fand man ihn Am nächsten Tag, im Grase liegend, friedlich, Das Haupt an eines Baumes Stamm gelehnt, Den Dolch in seiner Brust, ein Lächeln auf Den Lippen. SOFIE. Gott! mein Gott! LODOISKA.
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Landleute, die
Vorüber zogen, glaubten daß er schliefe. MARIE. Ich folge Dir, Roland, mein armer Freund! Der ernste Pfad, den heiter Du betreten, Weil Du gewähnt, ich sei vorangeschritten, Er öffnet sich vor mir und schreckt mich nicht, Wohin er führe, führt er doch - Dir nach!
Marie Roland
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LODOISKA. DU darfst nicht sterben! darfst nicht! - nicht dem Todten, Den Lebenden gehört die Lebende! Denk' an Dein Kind, Marie, und denk' an ihn, Den nächsten Dir nach Deinem Kinde jetzt, An ihn, der nichts auf Erden hat, als Dich! Von ihren Gütern kein's begehrt, als Dich! Nichts hofft, nichts liebt, Du Herrliche, als Dich! MARIE. Ο schweige! schweige! LODOISKA . Rette Dich! - entflieh'! Du kannst entfliehen: - alles ist bereit; Die Wache und der Pförtner sind gewonnen, Ein Wagen wartet auf dem nahen Quai Er bringt Dich nach Pontoise, wohin La Touche Mit Deinem Kinde heut' vorangeeilt; Er führt Dir's zu und sorgt für Euch dann weiter. In seiner treuen Hut seid Ihr geborgen. SOFIE. Wär's möglich? - wirklich möglich? LODOISKA. Zög're nicht! Hinweg - und in die Freiheit! MARIE mit aufflammender Freude. In die Freiheit?! LODOISKA. Nimm meinen Mantel, meinen Schleier nimm Und hier den Schein, der Dir die Pforten öffnet, Du gehst statt mir, Du gehst als Lodoiska. MARIE. U n d D u ?
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LODOISKA. Was ich! - ich bleibe hier zurück. MARIE. An meiner Stelle? und sie finden Dich, Wenn sie erscheinen, mich zum Tod zu führen Sie finden Dich, die Hochverrätherin, Die sie betrug um ihre sich're Beute Sie finden Dich - dann tödten sie Dich auch LODOISKA. Mein Opfer ist gebracht - ach freudig - selig! MARIE. DU kamst um mich zu retten, sagtest Du? Es ist nicht wahr! Du kamst um mehr zu thun Du kamst, ο Liebe - um für mich zu sterben! LODOISKA. Nenn's wie du willst - wir streiten nicht um Worte MARIE. Du wolltest sterben? Du - um mich - und jetzt - ? Wo der Geliebte Dir gerettet, lebt, Wo hoffend Du in eine Zukunft blickst, Verklärt vom Glück, vom schönen, heißersehnten? LODOISKA. Ich wiederhol's: mein Opfer ist gebracht. MARIE. Das S e i n e auch? - Denkst Du nicht an Louvet? LODOISKA. Er ist ein Mann, und wird sein Herz bezwingen;
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Er ist ein Dichter und wird mein's versteh'n ... Erkauft durch Schuld war unser Liebesglück, Die Reue stand zu dritt' in uns'rem Bunde. Was ich gefehlt, als ich dereinst ihn Schloß, Das will ich sühnen jetzt, wo ich ihn löse! Ihn löse für die arme Zeitlichkeit Und fester knüpfe für ein ew'ges Leben. Das rein und heilig uns vereinen wird! - Ich weiß gewiß, ich geh' ihn nur erwarten, Den Theuersten, dem diese Thräne gilt. Ich scheide nicht, Dich zu verlieren, Liebster, Ich scheide, Dich für ewig zu erringen. MARIE. Ο dieser Glaube, dieser himmlische! Dies göttliche Vertrau'n der starken Seele! Ο diese Demut die sich schuldig nennt Und reiner ist als wir's begreifen können: Ihr lebt auf Erden und ich kannt' Euch nicht? Ihr lebt in i h r , die ich zu richten wagte Und über die ich eitel mich erhob? LODOISKA. Die Stunde drängt - laß dich beschwören! - geh'! Ο würd'ge mich des Glück's, für Dich zu sterben! Umfasst Mariens MARIE. Erhebe Dich! - Nicht so, wenn Du mich liebst; Ich kann vor mir Dich nicht auf Knien seh'n, Du Bessere als ich, der ich mich beuge! Zum ersten Mal vor einem Menschenkind Zum ersten Mal in wahrer Demut auch Vor jenem Gott, der zu mir sprach durch Dich! Barmherziger, den frevelnd ich geläugnet Und der sich mir so herrlich offenbart, Ich lieg' im Staube, ich bekenne Dich! Ich bin ein armes, irrendes Geschöpf. Allgüt'ger, Vater — Richter! - sei mir gnädig! LODOISKA. Ich fasse und versteh' Dich nicht. - Du kannst Nicht schuldig sein, Du bist es nie gewesen. Vollkommenste, die jemals ich gekannt Marie - was fehlte Dir? MARIE. Was mir gefehlt? Der Glaube, den Du hast - Bescheidenheit Der Zweifel an mir selbst und meiner Kraft Die Fähigkeit, Beleid'gung zu verzeih'n; Mir fehlte was uns keine Weisheit giebt. Der Friede eines gotterfüllten Herzens,
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Marie Roland Der noch im Augenblick wo's stille steht Der Hoffnung es und der Versöhnung öffnet. LODOISKA. Du weilst zu lange - fort! - die Zeit entflieht MARIE. Nicht rasch genug, um meinen Blick zu hindern, Mich selbst zu schau'n in meiner Seele Spiegel, Und vor dem Bild, das mir entgegentritt, Der Reue Leid in tiefster Brust zu wecken, Und auszurufen: Ο mein Herr und Gott! Wie anders bin ich als ich mir erschien! Ich hab' gehaßt, und nicht das Schlechte nur, Das Gute auch, sobald es mich bekämpfte. In meinem Stolz unbeugsam, rücksichtslos, Ließ neben mir und denen, die ich liebte, Ich keine Größe gelten, kein Verdienst; Der Thorheit Wahn, das Wanken zager Schwäche Galt mir für Schuld, im Blute nur zu sühnen. Verachtungsweit war mir der Irrende, Und ein Verbrecher jeglicher Bethörte. So trug ich bei zum Sturze der Monarchen, Und kein Gefühl des Mitleids rührte mich Als sie schon lagen unter unsern Füssen. ... LODOISKA. Genug - genug der quälenden Gedanken! Hinweg nun - geh! MARIE sieht sie an; nach einer Pause ihre Hände ergreifend. Du konntest wirklich glauben Daß ich mein Leben mir erkaufen würde Um Deines Lebens unschätzbaren Preis? Ο Lodoiska! - thöricht - liebes Kind! LODOISKA. So willst Du nicht? - Du willst nicht fort, Marie? Ich soll für Dich nichts thun?! MARIE. Du thatest mehr Als je ein Sterblicher, als je ich selbst Für mich gethan! SOFIE angstvoll lauschend. Sie sind's - ich höre Schritte! LODOISKA. Die Mörder! - Herr und Gott - ich kam umsonst! ... MARIE. Ο nicht umsonst! - Ο Lodoiska - nein! Du kamst zu retten und Du hast gerettet; Du wolltest sühnen und Du hast gesühnt! Kehr' froh und stolz zurück zu dem Geliebten, Er segnet Dich, der Gott, auf den Du hoffst. Dein Opfer ist erfüllt in seinen Augen, Was Du gewollt, das ist für I h n vollbracht! -
I. Text
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Vierter Auftritt V O R I G E , L A C R O I X , SCHLIESSER. G A R D E N ,
die sich im
Hintergrunde
aufstellen. SOFIE. Barmherzigkeit des Himmels! LODOISKA .
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Ach, Marie!
vortretend zu Marie. Das Comite schickt mich, um anzufragen, Ob Du auf Erden einen Wunsch noch hast; Er ist gewährt, sofern er billig ist. M A R I E schweigt. LACROIX. Willst Du Dein Kind zum letzten Male seh'n? Die Republik erzeigt dir diese Gunst. M A R I E lebhaft. Zum letzten Mal? ... nein, nein! das kann ich nicht. Zu diesem Abschied fehlt mir, Herr, die Kraft. Doch meiner Freundin, meiner Dienerin Laß mich ein Wort des Lebewohl's noch sagen. Lacroix, Schliesser und Garden treten zurück. SOFIE in fassungslosem Schmerze die Hände ringend. So ist's denn wahr? - so soll ich Dich verlieren?! M A R I E . Ja, arme Freundin, scheiden müssen wir. Zu Lodoi'ska. Erbarm' Dich ihrer - sei ihr gütig - Dir Empfehl' ich diese vielgetreue Seele. Zahl Du die Schuld an Lieb' und Hingebung, In der bei ihr ich steh'. LODOISKA. Als Dein Vermächtniß Will ich sie halten unaussprechlich wert! M A R I E . Und meine kleine - Waise - sorg' für sie! - Zu Sofie. Auch Du - Wieder zu Lodoi'ska. Sei milde gegen sie, nicht schwach; Sie ist mein Kind, hat einen starken Willen; Schon regt sich ihre junge Eitelkeit: Bekämpf den Fehler, beuge ihren Stolz, Erziehe sie im Glauben an den Gott, Den Du mich kennen lehrtest. Ihre Stimme zittert; sie hält inne. Nach einer Pause. Sie ist heftig. Sei sanft mit ihr, auf daß sie werde sanft; Sie ist begabt: entwickle ihren Geist, Erweck' in ihr den edlen Sinn für's Schöne Und freud'ge Achtung für die heil'ge Kunst; Lehr sie verehren, lehre sie bewundern, LACROIX
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Marie Roland Und lieben lehre sie was echt und treu, Im Feinde wie im Freunde ... Lodoi'ska ... Sie werde klug, entschlossen, klar und fest, Vor allem aber wohlwollend und gut! Es thu' ihr weher, Tadel auszusprechen Als ihn erfahren. ... Milde werde sie.... Ich hinterlaß ihr einen großen Namen, Sie trage würdig, trag' in Demut ihn! Huissier öffnet die Thüre; neben ihm steht Beugnot. HUISSIER. Seid Ihr bereit? SOFIE. Nein, nein! - Ο Herrin! Herrin! MARIE. Ergebung! - Mut! SOFIE. Ich habe keins von beiden Mir bleibt nur die Verzweiflung, wenn Du stirbst. Fluch denen, die uns zur Verzweiflung treiben Den Mördern Fluch! MARIE. Was thust Du? Halte ein! Erschüttern darf mein Tod, doch nicht empören. Er ist kein Riß, kein Widerspruch ist er In dem Gesetz, dem göttlichen, der Dinge, Er ist Versöhnung, denn er ist gerecht. BEUGNOT vortretend zu Marie. Der letzte Weg, Madame, führt uns zusammen. MARIE. Beugnot - auch Ihr? BEUGNOT. Ja, Gott sei Dank, Madame. Der Wand'rung müde, grüß' ich froh ihr Ziel. MARIE. Vor wenig Wochen Eure Königin Und heute ich. Sie reicht ihm die Hand. Er zögert sie zu fassen. Erbarmen Herr! Denkt Ihrer Der nichts verziehen ward, die alles groß verzieh! Ich fühl' es jetzt: was ich an ihr gehaßt Das war der echte, königliche Sinn Der unbeirrt durch Lästerung und Qual, So rein bewahrt im Jammer beispiellos Der Seelenruhe stille Majestät, Die unumschränkte Herrschermacht der Gnade! - Erniedrigt wollt' ich sie ... Vergebens - o! Auf ihrem Haupt ward Fluch zum ew'gen Ruhm, Die Dornenkrone ward zum Diadem! Vergebung Herr - so wie sie selbst vergab So wie mir Gott vergebe! BEUGNOT. Geht in Frieden, Geht Ihr ja doch beklagend Euer Werk,
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Verwünschend diese unheilvolle Zeit! MARIE. Nicht sie! nicht unser Werk! - nur uns're Schuld. Das Werk ist göttlich - Menschen führen's aus, Und dieser Kampf, in dem wie nied're Söldner In letzten Reih'n, sich bergend vor dem Feldherrn, Die Leidenschaft und das Verbrechen wüten, Ihn hat entflammt ein heiliges Gefühl, Der Durst nach Recht in Millionen Herzen, Ihn kämpft die Menschheit in dem einen Volk! {Sich an alle richtend. Lebt wohl! und bis zum letzten Athemzug Bekennt die Freiheit, die Unsterblichkeit, Die eine sei Euch Bürge für die andre. Die Freiheit i s t allewig ihr Gedanke, Der Geist, der ihn gedacht, muß ewig sein!} HUISSIER an der Thüre steh'η geblieben. Man wartet. MARIE. Seht, ich bin bereit. LODOISKA.
Marie!
LACROIX. Ihr thut so fromm! - Um ganz bekehrt zu sein, Fehlt nur mehr Eins: die Sehnsucht nach dem Priester. SOFIE. Du höhnst noch, Teufel?! MARIE ZU ihr sanft.
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Still!
Zu Lacroix. Sie fehlt, Lacroix Ich kehr' zu Gott zurück, nicht zu der Kirche. Zu Lodoiska und Sofie. Habt Dank für Eure Liebe, lebet wohl. Sofie ist vor ihr auf den Boden gesunken; sie berührt sanft ihr Haupt. Empor das Haupt! sieh mir ins Angesicht Daß Du ihm sagen kannst, dem Freund, ich sei Mit heit'rer Stirn den Weg zum Tod gegangen. Zum Schliesser, der sich ihr nähert. In Deinem Auge eine Thräne, Mann? - Leb' wohl, auch Du. - Nichts mehr - es ist vollbracht. Von Welt und Menschen hab' ich mich gelöst, Empfange, Vater, Dein verirrtes Kind, Es kehrt zurück ο Herr! zu Dir - zu Dir! Sie geht ohne sich umzusehn, raschen Schrittes dem Ausgange zu. LODOISKA. Sie geht zum Sieg. Auf Feuerflügeln schwebt Zum Himmel auf der lichtverklärte Geist. Ihr Irrthum stirbt mit ihrem Menschendasein; Was ewig an (von) ihr lebt, ist ihre Größe! (von) üdZ, eingewiesen über an; ohne Tilgung.
2.
Marie Roland
(Ε mit EK)
Marie Roland Trauerspiel in fünf Aufzügen von M. v. Eschenbach
Als Manuscript gedruckt.
Wien, 1867 Druck von J. B. Wallishausser's k. k. Hoftheater-Druckerei Verlag des Herausgebers
Marie Roland
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PERSONEN
Girondisten:
ROLAND VERGNIAUD BUZOT BARBAROUX LOUVET GENSONNE
Jacobiner:
DANTON ROBESPIERRE MARAT LACROIX LEGENDRE
G R A F BEUGNOT
MARIE, Roland's Gattin EUDORA, ihre Tochter LODOISKA D E R FRIEDENSRICHTER NICAUD MAILLARD D E R SCHLIESSER 1. UND 2 . COMMISSÄR 1. UND 2 . HUISSIER 1. UND 2 . W A C H E
SOFIE, Dienerin bei Roland LECOQ, Diener bei Roland DEPUTIRTE. MUNICIPALGARDISTEN. V O L K .
ORT: Paris-ZEIT: 1793
Erster Aufzug Roland's Wohnung in der Rue la Harpe. Im griechischen Style einfach decorirtes Zimmer mit zwei Seiten- und einer Mittelthüre im Hintergrunde. Im Vordergrunde rechts ein Schreibtisch, links ein Kamin. Erster Auftritt VERGNIAUD, GENSONNE
und BARBAROUX treten ein. BARBAROUX pocht an die
Thüre links. BARBAROUX. Wir sind'S, Roland! wir bringen Neuigkeiten Hörst Du? Β υ ζ ο τ tritt aus der Thüre. Geduld, und stört ihn nicht. BARBAROUX.
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Wo ist Marie Roland? Βυζοτ. Und schreibt mit ihm GENSONNE.
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Geduld?
Aus Eurer Sprache tilgt mir dieses Wort! - Geduld! Geduld! - Ich komm' aus dem Convent Wir alle sterben noch an der Geduld! Bei ihrem Manne, Das heißt: Sie schreibt f ü r ihn,
Und spricht für ihn, und handelt wohl für ihn. BARBAROUX. Sie schreibt? Roland's Rechtfertigung? Ο glänzend. - Betheuert, daß der ehrliche Gelehrte Ein ehrlicher Minister auch gewesen, Und man recht übel that ihn abzusetzen; Daß er kein Räuber war, kein Royalist Im Solde nicht der Feinde Frankreichs stand Daß er nicht schwelgte mit dem Gut des Volks, Auch schamlose Orgien nicht gefeiert Sie schwört - beweist - berechnet - Dies und Das! Er schreibt - sie schreibt - was Keiner lesen wird, Und liest es Einer, sicherlich nicht glauben. Β υ ζ ο τ . Nicht glauben, Freund? Daß vier gleich zwei und zwei? Ich dächte doch, daß Wahrheit ist in Zahlen. BARBAROUX. Ο Vorurtheil! Die Zahlen, die behaupten, Der ärgste Schuft von einem Publicisten, Der darum nur in Gunst beim Pöbel steht, Weil er ihn an Gemeinheit übertrifft, Der niedrigste Verläumder sei Hebert: -
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Die dummen Zahlen, welche das behaupten, Die lügen, und gehören auf das Kehricht Und der sie schrieb, gehört auf das Schaffot! Β υ ζ ο τ . Ging's heute im Convent aus diesem Ton? Β ARB AROUX . Aus diesem und aus - doch - da ist Roland. GENSONNE für sich. Sein böser Geist, und unserer, mit ihm.
Zweiter Auftritt V O R I G E . R O L A N D mit Schriften.
MARIE.
Begrüßung.
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ROLAND. Seid mir willkommen, und verzeiht mein Säumen, Die Arbeit mußte erst vollendet werden. Zu Vergniaud, ihm die Schriften überreichend. So antwort' ich der Lästerung Hebert's. Ein unbefangen Auge, dies zu prüfen, Wird im Convente doch noch offen sein.
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BARBAROUX. Ich glaub' es nicht. - Roland! Daß du der Redliche der Redlichen: Meinst Du, sie zweifeln d'ran, die Triumvirn? Was sie in Dir bekämpfen, ist der Gegner, Und jede Waffe gut, die ihn verwundet.
VERGNIAUD. Ich - wünsche es.
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Trifft eine Tugend sie statt einer Sünde Je nun - gleichviel, wenn sie nur tödtlich traf! Der Leu Danton, Marat und Robespierre Verachten tief Hebert den Journalisten, Doch sie beachten klüglich - Deinen Feind. ROLAND. Mit welcher Stirne klagt der Mann mich an? Veruntreut hätt' ich öffentliche Gelder? Kein halber Heller ging durch meine Hand, Der nicht verzeichnet steht in jenen Blättern. Verderbt hätt' ich den Geist der Republik? Man frage nach in den Departements, Durchforsche meine Briefe all und Schriften, Und antworte sich selbst. Ich sag' es Euch:
die Triumvirn? (E K ) ] die Triumviren?
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Stünd' ich ein Einzelner, wär' unauflöslich Mein Name nicht geknüpft an Eure Namen, Statt Prüfung zu begehren dieser Schrift, Die zeigen wird, wie ich mein Amt verwaltet, Hätt' ich in der Versammlung sie verbrannt Wie Scipio gethan vor seinen Klägern! BARBAROUX. Den Römer spielen taugt nicht in Paris. Dein Unglück ist, daß Du zu groß empfindest, Zu tugendhaft, zu stolz, zu edel bist. - Ein rein' Gewissen - pfui! das ist gefährlich, Gefährlich fast wie reine Wäsch' und Hände. Die Republik ist gründlich schmutzig worden, Und alle Sauberkeit erregt Verdacht. Ich wollt', du wärst gesessen im Convent, An meiner Seit' statt dieses stummen Redners - Er zeigt Der sich fürwahr! um seinen Ruhm noch - schweigt, Und hättest ihrem Wuthgeschrei gelauscht. An allem Elend, aller Noth des Volks, Am Aufruhr der Vendee, am Bürgerkrieg, An jeglicher Gefahr, die wild und drohend Von Innen und von Außen sich erhebt, Sind ganz allein wir Girondisten Schuld! Dies Liedchen pfeift Marat auf der Tribüne, Und läßt es drucken auf viel tausend Blätter Und streut den gift'gen Schnee in alle Luft! Den Chor dazu brüllt Cyniker Hebert, Weiht uns dem Tod zehnmal in einem Athem, Und fügt zu jedem Fluche einen Schimpf. ROLAND. Der Zwölferausschuß aber wankt und zögert? BARBAROUX. Wie sollt' er nicht? Ist er doch unser Schatten. Wir warfen eines Tags ihn an die Wand, Daß er vollende, was uns nicht gelang: Die Ruhe herzustellen - das Gesetz; Er soll in der Commune Ordnung halten, In ihren Schranken jegliche Partei. Der Zwölferausschuß wär' ein nützlich' Amt, Wenn er nur Eins, wenn er kein - Schatten wäre. GENSONNE. Er ging hervor aus uns'rer Wahl und Mitte, Er ist verhaßt wie wir. ROLAND.
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Gleichviel - er ist;
Steht im Besitz ausübender Gewalt, Und sollte sie gebrauchen.
aufVergniaud.
Marie Roland
458 Sollte-ja! Ja ganz gewiß. - Ach wenn er doch nur k ö n n t e ! Der Zwölferausschuß nennt sich treffend selbst: Ein Brett, geworfen in das wilde Meer Zur Rettung in dem allgemeinen Schiffbruch; Vertrau' dich ihm, ertrinkende Gironde!
BARBAROUX.
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Dritter Auftritt VORIGE. LOUVET.
LOUVET. Gegrüßt, Marie Roland, Zu den Uebrigen. ROLAND.
und Ihr. Du kommst?
LOUVET. AUS d e m C o n v e n t . ROLAND.
Und bringst nichts Gutes.
LOUVET.
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BARBAROUX. Louvet, mein Schatz, Du bist ja ganz verstört. Saß Gott Marat vielleicht in Deiner Nähe In seines Schmutzes königlichem Glanz, Und hat Dich Aermsten Ekel krank gemacht? Mißlang Dir eine Ode, lieber Freund? Ist Lodo'iska ungetreu geworden? Heraus damit! was fehlt uns'rem Poeten? LOUVET. Ich bin besorgt - besorgt um die Geliebte Die, als die Nacht schon angebrochen war, Ihr Haus verließ, wie eben ich erfuhr, Und bis zur Stunde noch nicht heimgekehrt. BARBAROUX. Nicht heimgekehrt? Ei! ei! LOUVET. Ihr alle kennt Des kühnen Weibes beispiellosen Muth; Sie wagte in des Löwen Höhle sich, Gält's abzuwenden, ach, von diesem Haupt Ein drohend Uebel, nahende Gefahr. Sie ruht und rastet nicht, und stets besorgt Späht' sie, und lauscht und wandert durch die Straßen, Bewacht das Thun und Lassen meiner Feinde, Und warnte schon - wie oft! - zu rechter Zeit. Doch m e i n e Warnung findet kein Gehör; An sich zu denken, sie verschmäht's, - und doch,
Nein.
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Bei allen Göttern! ist in dieser Stadt Louvet's Geliebte sich'rer nicht als er. ROLAND, Ο nahm' ein End' dies Zagen und dies Bangen Um uns und Alles, was uns theuer ist! Ich bin der Müh' zu ringen um mein Leben So herzlich satt! LOUVET. Sei ruhig - bald bist Du Von ihr erlöst. Die Würger des Septembers Erbarmen sich und schenken uns - den Tod. ROLAND. Und nehmt Ihr ihn aus ihren schnöden Händen? Ich wahrlich nicht - ich gebe ihn mir selbst; Wie Cato und wie Brutus will ich sterben, Am Tag, der mir den letzten Glauben raubt An deine Zukunft - freie Republik! MARIE die bisher schweigend, mit allen Zeichen heftiger Ungeduld unfähig sich länger zu bezwingen. Wer spricht von Sterben, eh' sein Werk vollbracht? Galt's nur allein das Unrecht zu vernichten, Als Ihr den Bau der Monarchie gestürzt? Es galt wohl mehr! es galt das Recht zu gründen, Ein neu Gesetz im neuerstand'nen Reich. Die große Arbeit ist noch ungethan; Sie fordert Euch; - wohlan, hier stehet Ihr! Der Göttin Freiheit kampfbereite Söhne, Nicht wild berauschte Priester des Idols, Die sich im Wahnsinnstaumel der Verzückung Auf dem Altar des Götzen selber schlachten. VERGNIAUD. Auf seiner Bahn begrüßt Dich mein Gedanke. Du sprichst es aus: - noch wurde nichts gethan! Zu handeln gilt's! und was beginnen wir? Wir geh'n in den Convent und halten Reden Und wenn die Wellen uns'res Zorn's zerstäuben
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aR hinzugefligt nach Du sprichst bis gethan!: (Der Stand der Dinge fordert That. Wir, die Gemäßigten, sind im Besitz Der rechtlichen Regierung Frankreichs, und Wir lassen uns entnerven durch die Rotte Der Jakobiner. Danton führt das Volk Wohin er will und Robespierre vergiftet Mit überspannter Forderung die Geister, Marat verhetzt den Pöbel zu Verbrechen Und Hebert lästert uns als Staatsverräther.)
zugehört,
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Marie Roland Am Felsen des Triumvirats, - zerstäubt Auch unser Muth; - dann wandern wir nach Haus Und sinnen still auf einen schönen Tod. BARBAROUX. Gieb bessern Rath, wenn besseren Du weißt. VERGNIAUD. Man wirft mir vor, daß ich seit langer Zeit Die Macht des Worts, die ich besitzen soll, Nicht übe. - Nun, ich bin des Redens müd, Und mich verdrießt es, stets zu wiederholen: "Vertrau' auf uns, du irrgeleitet Volk! W i r gaben Dir die Freiheit, wir sind's, wir Die sie verkündet, Deine ew'gen Rechte, W i r sind's, die des Tyrannen Haupt gefällt, Und Dich zur Herrschaft riefen über Dich. Wir sind's, die jetzt im Schöße des Convents Aus seiner eig'nen Mitte schaudernd seh'n Der neuen Ordnung schlimmsten Feind erwachsen, Den Geist der Zwietracht, Eigennutz, Verläumdung. Vertraue nicht auf Jene, die ihn säen, Vertrau' auf uns, nicht auf die Jakobiner, Nicht auf die Henkersknechte blutberauscht; Laß Deine Deputirten nicht ermorden, In ihnen, Volk! ermordest Du Dich selbst. Leih' nicht ein willig' Ohr dem Unsinn Vervehme nicht die Tugend ..." und so weiter! So weiter! - Ο bei der Vernichtung! - nein! Ich will den Blinden nicht mehr sagen: Seht! Den Tauben nicht mehr pred'gen: Hört doch, hört! Euch aber, Euch, die Ihr nicht blind noch taub, Zu Euch erheb' ich heute meine Stimme, Und fleh' Euch an: Ihr Männer, rettet Euch, Und Eurem Vaterland - die Republik! ROLAND. Ist's uns're Schuld, daß es noch nicht gescheh'n? BARBAROUX. ES fehlt dazu uns eben nur das Mittel. LOUVET. Und dieses fehlt uns, weil es keines gibt. VERGNIAUD. ES gibt ein Mittel! und ich will Euch's nennen ... Hält plötzlich inne, und wendet sich an Marie: Entscheide Du, ob wir's ergreifen dürfen, Du bist die Seele der Gironde, und stets Erschien Dein Wunsch ihr ein Gesetz. MARIE. Mein Wunsch? - Wohl darum nur allein, weil er noch nie Nach Anderem begehrt als dem was recht.
I. Text
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VERGNIAUD. Daß wir zu schwach, der Anarchie zu steuern, Ihr alle fühlt's - Ihr alle mögt's gesteh'n. Was Noth uns thut, ist eine starke Hand, Die sich zum Bund in uns're Hände legt. Die Hand - wird uns gereicht. ROLAND.
Wer bietet sie?
BARBAROUX. W e r ist's?
VERGNIAUD. Ein Größerer als wir, wenn auch - Kein Besserer. Der Triumvirn einer ... ROLAND. Vollende nicht! VERGNIAUD.
Der mächtigste -
A L L E UEBRIGEN.
MARIE nach kurzer
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Danton?
Pause.
Er will sich Euch versöhnen? ... Er vergißt, Daß zwischen Euch und ihm für ewig trennend Das Blut der Opfer des Septembers qualmt. Wer gab es zu, daß eine Handvoll Teufel, Des Pöbels Abschaum - Auswurf noch des Auswurfs Aus ihren Kerkern die Gefang'nen riß, Und ungerichtet würgte - würgte - würgte! Wer gab es zu? ... Gerechtigkeit! und wer Beschwichtigte, bog scherzend aus und lachte, Kaut' an den Nägeln, zuckte mit den Achseln, Wenn hier - Roland, Minister Frankreichs, kam, Von dem Convent der Mörder Strafe fordern? ... Wer war der Mann? Derselbe doch wohl nicht, Mit dem er jetzt ein Bündniß schließen soll? Die Niedrigkeit wird ihm nicht zugetraut, Daß er, gestürzt, die Freundschaft Dessen suche Dem er Verachtung schwor viel tausendmal, So lang noch sein ein Schatten war von Macht! VERGNIAUD. Nein, nein, Marie! Ihr sucht nicht Danton's Freundschaft, Noch bietet er sie an. Nicht Eure Herzen, Doch Eure Köpfe sollen sich versteh'n. Nehmt Ihr ihn auf, er kommt kein Einzelner, Er führt das Volk ins Lager der Gironde. ... Noch ist Danton kein ganz Verlorener, Noch ringt ein Gott in seiner wilden Seele Mit allen Höllengeistern, und noch schlägt
Triumvirn (E K ) ] Triumviren
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Marie
In s e i n e r Brust d a s H e r z d e r R e p u b l i k ; Er ist zur Umkehr fähig! - macht sie möglich. Je tiefer seine Schuld ihn niederwarf, Je höher wird ihn seine Reue heben. Β υ ζ ο τ . Ihn heben? - bis zur Dictatur! BARBAROUX.
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Halt da!
MARIE. Kein Bündniß mit Danton! Ο Freunde! Freunde! Habt Ihr das Land der Tyrannei entrissen, Es dem Verbrechen in den Arm zu schleudern? - Ihr wißt mit welchem Aug' ich s i e betrachte, Die alle Schuld an Frankreichs Unglück trägt, Des schwachen Ludwig's ränkevolles Weib. Ich hasse sie, ich habe sie gefürchtet, Und laut aufjauchzend grüßt' ich ihren Fall. Doch schwör ich's Euch: Mit dieser meiner Hand Erschlöß' ich lieber ihres Kerkers Pforten, Und böte ihr der Herrschaft Scepter an, Als daß ich Euch - wär's eine Stunde nur Ihn führen säh' im Bunde mit Danton! GENSONNE. Er hat Dich oft verspottet im Convent; Wir kennen Deinen Abscheu gegen ihn. Doch gilt es jetzt des eignen Groll's vergessen Es gilt MARIE. Es gilt? - ich will Dir sagen, WAS ! - Es gilt für Euch, auf eig'nen Füssen steh'n; Braucht Ihr der Hülfe, sucht sie bei Euch selbst! Β υ ζ ο τ . Das wollen wir! Sie spricht aus meiner Seele. BARBAROUX. Kein Bündniß mit Danton! ROLAND. Nein, Vergniaud, Kein Bündniß mit der Schwelgerei, dem Treubruch! VERGNIAUD. Bedenkt noch einmal - Gensonne - Louvet LOUVET. - Erwägt - beschließt - thut was Ihr wollt; - i c h sage: Er ist ein großer Mensch, allein - ich hass' ihn ... Thut was Ihr wollt: - wozu Ihr Euch entschließt, Dazu bin ich entschlossen. - Lebet wohl. ROLAND. Wohin, Louvet? ZU L o d o ' f s k a . I c h
Will fragen, ob sie noch nicht heimgekehrt. ROLAND. Ist sie's, so sucht sie hier Dich auf. LOUVET. Nicht hier; Sie meidet dieses Haus. ROLAND. AUS welchem Grunde?
Roland
I. Text
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LOUVET. Sie weiß von Deiner Gattin sich verachtet. MARIE. Verachtet? nein, mein Freund, nur nicht gesucht; Wir gehen andere Wege - sie und ich. Stimmen und Lärm von außen. Doch was ist das? LOUVET. Die Stimme Lodo'iska'sü ... Eilt zur Thüre; Lodoiska stürzt ihm entgegen. MARIE ZU Roland. Bestellt Louvet hieher seine Geliebte?
Vierter Auftritt VORIGE. LODOISKA.
LODOISKA
in Louvet's Armen. Heil mir! Heil mir! - ich habe - halte Dich —
LOUVET. Geliebteste! - LODO'ISKA.
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Du bist bei mir, und nun
Bist Du gerettet - ο mein süßer Freund! ... - Ihr alle seid's mit ihm. - Hört mich! - entflieht! Verbergt Euch! - fort! - hinweg aus diesem Hause ...! ROLAND. Was ist gescheh'n?
LODOISKA. Ich fleh' Euch an: Entflieht! BARBAROUX. Warum entflieh'n? LODOISKA. Warum? Warum? ... Ach ja Ihr wißt noch nicht LOUVET. Erhole, fasse Dich! ROLAND. Was ist geschehen?
BARBAROUX.
Rede! - sprich!
LODOISKA.
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Ich wohne nah' dem Jakobiner Club, Und heute - als die Nacht schon angebrochen Vernahm ich einen gräßlichen Tumult Auf jener Höhle gottverlass'ner Schwelle ... Ich eilt' hinab - ich schlich mich in den Saal - In einer Ecke Dunkel barg ich mich. ... Da sah ich sie beim matten Fackelschein, Die Schrecklichen, auf ihren Bänken sitzen - Die Einen roth wie Blut - die Andern wie Die Leiche weiß - und Alle, Gräuel sinnend Entsetzen redend! ... Auf der Tribüne stand ein Mann und sprach Und jedes seiner Worte rief zum Mord
So hört. -
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Marie Roland Der Zweiundzwanzig! ... Ο Louvet! Louvet! Er nannt Euch alle - Einen nach dem Andern Roland - Buzot MARIE mit einem unterdrückten Schrei. Buzot!?Zu Lodoiska. Fahrt f o r t ! - f a h r t f o r t ! LODOISKA. Und es erscholl, so oft ein Name klang, Ein dumpf Geheul durch die gedrückte Luft Und Fäuste ballten sich - und Augen blitzten Und Dolche blank ... Was sagt' ich? - Ja - als er Geendet, kam Marat - bestieg die Bühne, Und seine Stimme kreischt' in die Versammlung: "Bluttrinker nennt man uns? - Verdienen wir Den Namen! ... Im Senat ward Cäsar hinGemordet: - morden wir die Volksverräther, Die Girondisten - morgen im Convent!" BARBAROUX. Schon morgen? Hei - ihr "morgen" das ist heut! Einen Dolch hervorziehend. Komm' du hervor, denn Arbeit gibt's für dich! MARIE. Nur weiter! - weiter! LOUVET. Was beschlossen sie? LODOISKA. Die Meisten jauchzten auf bei jenem Vorschlag Hebert jedoch verwarf ihn, und er rieth Zum Meuchelmorde - dieser tödtet auch, Und zeigt die Hand des Volk's zu jeder Zeit Erhoben über seiner Feinde Haupt! ... BUZOT. Das sagte er? - das hörtest Du? - Ο herrlich! Ο göttlicher Hebert! ο Mann des Heil's! All' unser Blut zahlt diese Worte nicht! BARBAROUX. Und dabei blieb's? LODOISKA. Sie kommen - bald - gewiß! Sie suchen Euch in Euren Wohnungen. Ich hörte sie das Losungswort vertheilen, Ich sah die Klingen zieh'n, die Fackeln löschen, Die Fluth der Menge trug mich aus dem Saal ... Zu Louvet. Dann rannte ich zu Dir, und fand Dich nicht, Und suchte Dich vergeblich bei den Freunden Sieyes und Gensonne und endlich hier, Geliebter! - endlich hier! LOUVET. Nun komm!-hinweg! Wir geh'n von Thür zu Thür und warnen die Genossen. MARIE. Halt! es gibt noch mehr zu thun ...
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I. Text Zu den übrigen Girondisten. Was unternehmet Ihr? BARBAROUX.
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Da mir Besuch
Gemeldet ward, so geh' ich ihn erwarten. ROLAND. Ich bin bereit, den meinen zu empfangen. MARIE. - Nicht so! - Verbergt Euch jetzt. Ihr findet bei Du Bosc ein sicheres Versteck, und morgen Sobald der Tag beginnt zu grauen - zum Convent! Zu Louvet. Dorthin entbiet' die Unsern alle; Sag' ihnen: diese kämen zum Gericht Der Jacobiner und der Triumvirn. LOUVET. Das könnte sein? - wir hätten noch die Macht? MARIE. Der Zwölferausschuß möge sich versammeln, Die Bürgergarde zu den Waffen rufen. Βυζοτ. Geh' hin, Louvet! - Zu den Uebrigen. Ihr seid doch einverstanden? BARBAROUX ZU Louvet. Mach' fort - mach' fort - ruf halb Paris zusammen! Doch still', damit nicht ganz Paris es hört. VERGNIAUD ZU Louvet. Vor Allem geh' und rette uns're Freunde. Louvet undLodoi'ska wenden sich zu geh'n. Β υ ζ ο τ leise zu Marie. Für Lodoi'ska nicht ein Wort des Dank's? MARIE ZU ihr. Habt Dank. LODOI'SKA. Madame - verzeiht mir, daß ich kam. Louvet und Lodoi'ska ab. ROLAND. Dem Tod, Marie, den heut wir fliehen sollen, Führ'st Du auf einem Umweg uns entgegen. GENSONNE. Das ist auch meine Meinung. BARBAROUX ernst. Gensonne! Ein Sieg ist möglich. Andere als wir Errängen ihn. Wie schade, daß wir nur: - Wir selber sind! MARIE. Seid einmal mehr. Versucht's! Erhebt Euch über Euer eig'nes Selbst Das kann der Mensch in großen Augenblicken, Ο traut Euch's zu! ... Ihr Männer des Gedankens, Wagt Euch beherzt an eine kühne That! Viel tausend Freunde zählt Ihr in Paris Und fest zu Euch steh'n die Departements; Ihr habt die Stimmenmehrheit im Convent, Ertrotzt Euch die vollziehende Gewalt, Und statt zu fordern - ü b t Gerechtigkeit! Triumvim (EK) ] Triumviren
Marie Roland
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Du Vergniaud mit Deinem Feuerwort Klag' an die Mörder; - Ihr laßt sie verhaften, Auf ihren Bänken, in demselben Saal Der rauchen sollte heut' von Eurem Blut! GENSONNE. Das Alles kann nicht ohne Kampf geschehen. MARIE. So nehmt ihn auf! BARBAROUX. Ich thu's - bei meinem Eid! MARIE. Die Bürgergarde hat Geschütz und Waffen, Zu ihrem Führer wählet Lanthenas. VERGNIAUD. Baust Du auf seine Treue? MARIE. Unbedingt! Er soll die Thore des Convents besetzen BARBAROUX. Und dringe ein auf uns'ren Wink und Ruf. MARIE. Habt Ihr Marat, Hebert in Eurer Hand, Dann nützt den ersten Eindruck Eures Sieg's, Und nehmt Danton, nehmt Robespierre gefangen, Die Häupter all' des Aufstandscomite's! BARBAROUX. Deß sei gewiß! - wenn wir den Fuß nur einmal Auf festen Grund gestellt, ist mir nicht bang Um uns'ren nächsten Schritt. MARIE. Geht hin, - erkämpft dem Volk Wonach es fiebernd und vergeblich ringt: Den Frieden in der Freiheit! ALLE. Frieden in Der Freiheit! MARIE. O, gelobet mir VERGNIAUD.
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Ich schwöre,
Zu thun nach Deinem Wort, das warm und klar, Und mit der Kraft der Wahrheit mich berührt. BARBAROUX. Du Herrliche, vor deren Geist auf Knieen Der meine liegt, nimm ihn in Dienst und Pflicht! ROLAND. Wir folgen Deinem Rath GENSONNE. Und sei's zum Heile! MARIE. Es w i r d zum Heile sein. - Doch fort nun, fort! Βυζοτ. Auch Du bist hier nicht sicher - folge uns. MARIE. Ich fürchte nichts und habe nichts zu fürchten. Sie fortdrängend. Lebt wohl! ROLAND. Auf morgen denn! - Will sie umarmen, sie macht unwillkürlich eine abwehrende Bewegung. Marie? MARIE schließt ihn sanft in die Arme. Leb' wohl. Zu Barbaroux. Du gehst mit ihm. Bewache mir dies Haupt. BARBAROUX. Sei ruhig. Komm, Roland.
/. Text
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Βυζοτ zu Marie. Und Du MARIE.
Βυζοτ.
Wir Männer flieh'n, Ich bleibe. Schicksal! Schicksal! Vorwärts!
VERGNIAUD.
Roland, Barbaroux, Buzot, Vergniaud ab.
Fünfter Auftritt MARIE
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allein.
Ο einen Tropfen nur in ihre Adern Vom flüß'gen Feuer, das durch diese wallt, Und ein erlöstes Frankreich grüßt den Morgen! Sie schwören und geloben. ... Worte! Worte! Ich aber zähl' auf ihn allein, der - schwieg. Ich zähl' auf ihn, den Kühnsten, Besten, Liebsten ... Den Liebsten? - Ja! mir selbst darf ich's gestehn. Nach einer Pause. Die erste Regung dieser Brust war Dein, Mein Vaterland! - des Mädchens erste Liebe Dein. Um Dir zu dienen trat als Gattin ich In eines Greises freudenleeres Haus, Und weihte meine Jugend strenger Pflicht. Dein Tag erschien, ο Freiheit, die ich träumte, Und meine ganze Seele jauchzte Sieg! Doch bald, wie bald! betrat die Schuld den Weg, Der mir gebahnt nur für die Tugend schien; Der Undank kam, noch eh' der Ruhm gekommen, Und Alles log, worauf ich fest gehofft. Da trat er mir entgegen, er - Buzot; Da liebt' ich ihn. Roland's vermähltes Weib Den fremden Mann? Was wallst Du auf und steigst Mir in die Wangen, thöricht Blut? - Erbärmlich! Du kannst ja nur mich zwingen zu erröthen, Doch Grund mir schaffen zu erröthen - nie! Was regte sich? Sie öffnet die Thüre rechts. Riefst Du, geliebtes Kind?
Roland's vermähltes (H) ] Roland's vermaltes SetTfehler
Marie Roland
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Nein, nein, sie schläft. - Nun, ich will bei ihr wachen. Die Liebes wache, Kind, an Deinem Lager Soll heute mir anstatt des Schlafes sein. Zu Dir! Sie hat das Licht vom Tische genommen. Im Augenblicke, wo sie in das Nebenzimmer treten will, wird die Thüre im Hintergrunde rasch geöffnet, Buzot tritt ein.
Sechster Auftritt VORIGE. B U Z O T .
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BUZOT. Marie! MARIE. Buzot! BUZOT. Ich bin's MARIE. Was willst Du hier? BUZOT. Dich schützen. Eine Bande Hebertisten Umschleicht das Haus. Sie suchen Deinen Gatten, Und Deinen Namen auch hört' ich sie nennen. MARIE. Du irrtest wohl. Gewiß, mich sucht man nicht. Dich dürfen sie nicht finden. Geh'. BUZOT. ZU spät. Die Pforte ist umstellt. MARIE auf die offene Thüre deutend. So tritt hier ein. Das letzte Fenster öffnet auf den Hof, Ein Sprung bringt Dich hinab, Du kannst ihn wagen. Der schmale Gang, am längern Ende rechts Führt dann hinaus ins Freie. Geh', ich will's! BUZOT. Ich gehe nicht, verlasse Dich nicht hülflos. MARIE. Ich fleh' Dich an! - ich bin nicht in Gefahr Du aber bist verloren, wenn Du zögerst. Ο ich beschwör' Dich! ... Deine Gegenwart Beschützt nicht - sie bedroht... Hinweg, Buzot! BUZOT. Um keinen Preis! - Ich kam - weil ich Dich liebe! Versuch' es nun und sag' noch einmal "Geh', Verlaß' mich in der Stunde höchster Noth!" Marie! - es spricht's kein Jüngling in des Lebens Verheißungsreicher Zeit; es spricht's ein Mann Im Angesicht des Tod's: Ich liebe Dich! Dein Beifall war das Ziel all' meines Strebens,
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I. Text
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Und Dein Gedanke war's, dem ich gedient! Er wirft sich vor ihr nieder. MARIE. Das sage nicht. Du dientest nur Dir selbst, Dem tiefsten Drang der hochgemuthen Seele, Denn Du bist groß und edel und gerecht, Und weil Du's bist - darum lieb' ich Dich wieder. BUZOT. Ihr Himmlischen! Er springt aufundfaßt sie stürmisch in die Arme. Marie!! ... MARIE entzieht sich ihm. Was jubelst Du? Erwache! uns're Liebe heißt Entsagung, Und ihre schönste Stunde - ist gelebt. BUZOT. Entsagung? Nimmermehr! ich werb' um Dich Im Angesicht der Welt. Der freie Mann Um das befreite Weib! - Die Ehe ist Das Sklavenjoch nicht mehr, das ewig zwingend Auf seiner Opfer müdem Nacken ruhte; Das Herz darf sprechen und die Neigung wählen, Die Schranke fiel, die ihr geheiligt Recht In enge Grenzen frevelnd eingedämmt. Die Schranke fiel, und D u hast sie zertrümmert. MARIE. Ich hab's gethan; und w e i l ich's that, mein Freund, Darf ich sie nie und nimmer überschreiten. Β υ ζ ο τ . Warum? Warum? MARIE. Fühlst Du es nicht? Weil sie, die leben, und die leben werden, Nicht sagen dürfen: "Seht, sie that's für sich." BUZOT. Und deßhalb wolltest ... Nein - das ist unmöglich Das war, Geliebte, nicht Dein letztes Wort! MARIE. Mein erstes Wort ist stets mein letztes Wort. Pochen an der Hausthtire. Sie kommen - geh'! - Hörst Du? - gib nicht die Ehre Des Weibes, das Du liebst, dem Hohne preis. Roland ist ferne - und Du bist bei mir! ... Ihn fortdrängend. Weil Du mich liebst - weil ich Dich liebe: fort! BUZOT. In einem Athem Gift und Himmelslabe? Du treibst zum Wahnsinn, Weib! Lärm und Schritte auf der Treppe. MARIE leidenschaftlich flehend. Hinweg! Hinweg! Β υ ζ ο τ . So höre denn, Du Unerbittliche: Um ihn zu leiten, den Verzweiflungskampf, Zu dem Du heute uns begeistert, braucht Es eines Mann's, der mit der Hoffnung brach -
Marie Roland
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Er ist gefunden! Lebe wohl, Marie. Er geht. Stimmen und Rufe dicht vor der Eingangsthür. M A R I E . Beschütz' ihn Du - den ich nicht nennen kann, Den anzurufen ich beinahe verlernt! ... M A I L L A R D ' S S T I M M E . W O ist Roland? - Nicht da? - Man wird ihn finden.
Siebenter Auftritt VORIGE. MAILLARD,
MAILLARD.
In Sicherheit.
Durchsucht Das Haus. Einige der Männer treten durch die Thüre rechts, die andern durch die Thüre links ab. Du bist's, die ihn verbarg - gesteh'! M A R I E . Zwing' mich dazu - versuch's! MAILLARD. Dich zwingen, Weib? M A R I E . Du kannst es nicht, Du kannst mich tödten nur M A I L L A R D . Beim Blut Capet's! den Tod verdientest Du, Du Buhlerin und Freundin der Verräther: Du leitest sie mit Deinem Rathe, Du Rufst zur Empörung die Provinzen auf Du willst durch Elend uns zur Knechtschaft zwingen Es schreit nach Brot das Volk, es hungert - Ihr Laßt das Getreide in die Seine schütten ... M A R I E . Ο Wahnsinn! ... Und das glaubt das Volk? MAILLARD. Das w e i ß Das Volk! Die Sansculottes kommen zurück. E I N E R DER M Ä N N E R . Er ist nicht hier. M A I L L A R D ZU Marie. Noch einmal: Wo Ist er? MARIE. Noch einmal: - tödte mich! Einige von Maillard's Leuten nähern sich Marie mit drohender Geberde. MAILLARD. Laßt sie! E I N I G E . Nehmt sie als Geißel mit! MAILLARD. Zurück! wir haben Mit Weibern nichts zu schaffen. Kommt, Ihr Leute. M A I L L A R D ZU
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SANSCULOTTES.
Wo ist Roland?
MARIE.
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eine Schaar bewaffneter
seinen Leuten.
Text Maillard ab mit seiner Bande. MARIE sieht ihnen mit ruhiger Fassung nach. Noch schlug sie nicht, die Stunde, die mich beugt: Der Stolz, der aufrecht hielt in der Gefahr, Er läßt mich auch in Schmach nicht untergeh'n! -
Zweiter Aufzug Decoration des ersten Aufzugs Erster Auftritt MARIE und SOFIE kommen
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rechts.
MARIE in fieberhafter Aufregung. Führ' sie herein. SOFIE. Gebieterin - Du wolltest ... MARIE. Führ' sie herein. SOFIE. Ich gehe Zurückkommend. Du empfingst Doch sonst sie nicht - warum gerade jetzt, Wo die Verläumdung Deinen Namen schmäht? MARIE lebhaft. Weißt Du davon? SOFIE. - Warum gerade jetzt Dein ehrbar Haus dem schlechten Weibe öffnen? ... Sieh' hier und hier ... Sie zieht Zeitungen aus der Tasche und wirft sie unmuthig auf den Kamin. Das dringen Deinen Dienern, Das Deinem Kind sie auf, so oft den Fuß Wir setzen vor das Thor ... MARIE. Lass'doch-gehorche! SOFIE
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von
zögert.
MARIE. SO muß ich selbst? - Geht zur Thüre. SOFIE. In Gottes Namen denn! Sie öffnet die Mittelthüre, Lodoiska tritt ein. Sofie ab.
Zweiter Auftritt M A R I E . LODOISKA LODOISKA. M a d a m e -
MARIE. Was bringt Ihr mir? LODOISKA. Dies von Roland. Uebergibt ihr einen Brief. MARIE ihn entfaltend. Hebert ist arretirt - wir siegen! o,
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I. Text
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Ich hab's gewußt! ... Allein Marat - Danton Sie sind noch frei? LODOISKA. Sie theilten Hebert's Schicksal, Wenn Lanthenas zur rechten Zeit erschien; Doch zögert er MARIE. Er zögert? - Lanthenas? Den ich entschlossen kenne, tollkühn, rasch? LODOISKA. Er läßt dem Berge Zeit, zur Gegenwehr Gewaltig sich zu rüsten MARIE. Thorheit! LODOISKA.
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LODOISKA.
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Sagt:
Verrath. MARIE. Unmöglich! nein! Nach einer Pause. Ich will zu ihm. Ich will ihn sprechen, ihn bestimmen LODOISKA. Bleibt! - es wäre Es ist zu spät. Sein Treubruch liegt am Tag. MARIE. Von wem habt Ihr die Kunde? Von Roland.
MARIE flir sich. Und ich - ich hieß sie bauen auf den Mann! Er war die Stütze, die ich ihnen bot, Als in den Kampf die Zögernden ich trieb! Ο daß ich's that! - daß ich ihr Leben wagte, War das auch gut gethan, und durfte ich's? ... Mit welchem Recht gebrauch' ich so die Macht, Die mir ein Gott verliehen über sie? ... Sich stolz emporrichtend. Mit welchem Recht? mit dem der guten Sache! Im unbefang'nen Geiste klar erkannt. Zu Lodoiska. Verdoppeln nur wird Lanthenas' Verrath Den Muth der Meinen, ihren heil'gen Zorn. Um einen Gegner mehr gilt's zu vernichten. LODOISKA. Noch tobt der Kampf im Saale des Convents, Und kann vielleicht ein kostbar Opfer kosten. Buzot beschwört die Wuth der Jakobiner Mit Todeskühnheit auf sein einzig Haupt; So oft er spricht, erheben hundert Hände Sich gegen ihn, und hundert Dolche blitzen. Marie zuckt zusammen. Er will auf der Tribüne sterben, scheint Es fast MARIE. Er wird nicht sterben! er wird siegen Wird leben glorreich, ruhmgekrönt, ein Held! LODOISKA. Mein Auftrag ist erfüllt. MARIE in Gedanken verloren. Behüt' Euch Gott.
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Marie Roland LODOISKA die sich zum Gehen gewandt, bleibt plötzlich stehen. Madame ... Ihr glaubt an ihn? MARIE verwirrt. Ich - Lodoiska? ... LODOISKA. Sie sagten doch: Ihr glaubtet nicht an Gott; Auf Eurer stolzen Höhe stündet Ihr Durch eig'ne Kraft allein; da schaudert' ich. Mich hat der Glaube nicht vor Schuld bewahrt, Und Ihr bliebt heilig ohne seine Stütze. Was ist er denn? - so frug ich in Verzweiflung, Wenn er nicht hilft in der Versuchung Stunde? Und der Gedanke wurde meine Folter. Nun aber - ach - nun seh' ich's klar: Ihr glaubt Lebend'ger, frömmer, stärker nur als ich. Zu Einem Gott, ο Reine, beten wir; Erhob'nen Haupt's rufst Du ihn an: "Gerechter!" Ich lieg' im Staub', und stammle: "Allerbarmer!" MARIE. DU fehltest durch die Liebe, armes Weib! Der Kampf ist furchtbar mit der Leidenschaft. Verzeih', daß ich hochmüthig Dich verdammt! ... LODOISKA wirft sich ihr zu Füßen und küßt ihre Hände. Ο Gütige, Du gibst des Trostes Balsam. MARIE. Bedarfst Du sein? LODOISKA. Wie sehr! wie unaussprechlich! ... Denn elend macht die unerlaubte Liebe, In der Entzückung macht sie elend noch! Marie Roland, auch ich war einst geehrt Und eines edlen Mannes stolzes Weib, Bis er erschien, der vielgeliebte Feind, Und sagte: "Komm!" und ich mein Haus verließ, Mein armes Kind, den Gatten, und ihm folgte. Jetzt bin ich wie der Vogel auf dem Zweig Wie das gehetzte Wild den Speer im Herzen Bin heimatlos, verworfen und vervehmt. MARIE. Viel wird vergeben dem, der viel geliebt. LODOISKA. Vielleicht dort oben, doch auf Erden nicht. Die Welt kennt kein Erbarmen, und in ihr Sind glücklich nur, die edel sind wie Du. - Sie geht.
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I. Text Dritter Auftritt allein. Ο herber Hohn! - Ich wäre - ich - beglückt Und gläubig - ich - in Deinem Sinn? - Betrog'ne! Den Gott, zu dem Du betest, kenn' ich nicht, Zertrümmern half ich selbst seine Altäre, Und sah in lichten Zukunftsträumen schon Die freigeword'nen Geister rein und stolz Auf eig'nen Schwingen herrlich aufwärtsschweben. Was sprach sie noch, das mich so schmerzlich traf? Ja! - "Elend macht die unerlaubte Liebe ..." Wie wahr, wie fürchterlich! ... Pocht' ich auf meine Stärke? Die erste, heiße Sorge um sein Leben Erschüttert sie, die felsenfest mir schien. Bin ich's denn noch? ... Ich hasse dich, Verbotenes Gefühl - du gift'ge Schlange, Die mir am Herzen frißt - ich hasse dich!
MARIE
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Vierter Auftritt VORIGE. BEUGNOT, EUDORA.
eilt herein und wirft sich in die Arme ihrer Mutter. Da bin ich wieder, Mutter, liebe Mutter! MARIE. Du bliebst sehr lange, Kind! - Wo seid Erblickt Beugnot. Mein Herr? EUDORA. O! wenn Du wüßtest ... MARIE. Was ist? - wie siehst Du aus? EUDORA. Ich war verloren; der Zeigt auf Beugnot. hat mich gefunden ... MARIE. Gefunden? wie? BEUGNOT. Ihr Töchterchen, Madame, Ward auf dem Weg zum Tuileriengarten Durch einen wüsten Trupp von Maratisten, Die ihrem Gönner folgten zum Convent, Von ihrer Führerin getrennt ... EUDORA. Ach denke! Es kamen tausend Menschen, Männer - Weiber Sie schrien, rannten, und sie stießen mich; Ich hielt mich fest am Arme meiner Bonne EUDORA
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Marie Roland
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Da war auf einmal sie weit weg von mir Und all' die fremden Leute um mich her So bös - so wild - sie traten mich - ich fiel ... MARIE die ihr mit Entsetzen zugehört, kniet bei ihr nieder, und drückt sie in die Arme. Mein Kind - mein armes Mädchen! EUDORA.
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Da - da k a m
Der gute Herr, und warf zurück die Andern, Und hob mich auf, frag mich um meinen Namen ... MARIE angstvoll. Du bist doch unverletzt? Der Kopf? - die Hand? Hier ist ein rother Fleck auf Deiner Stirne ... Sie drückt leise mit der Hand darauf. Eudora - thut das weh? EUDORA schluchzend. Ο ja! ... Ein wenig MARIE. Ein w e n i g nur? Mit zum Himmel erhobenem Blicke. Ihr guten gnäd'gen Mächte! Ein wenig nur? Das ist so viel wie nicht Wieder zu dem Kinde gebeugt. Für meine wack're Tochter. Sag', nicht wahr? Sich plötzlich aufrichtend, zu Beugnot. Verzeihung, Herr! ich scheine undankbar Die Wohlthat macht des Wohlthäters vergessen, Wenn sie so groß ist wie die Eurige. Geht auf ihn zu, warm. Gebt mir die Hand, und nennt mir Euren Namen. Wer ist der fremde Mann, dem mehr ich danke Als wie dem nächsten Freund? BEUGNOT. Ich heiße, Graf Beugnot. MARIE zurücktretend. Ein - Royalist? BEUGNOT. Ihr sagt es. Ja. MARIE. Das thut mir leid, und ich bedau're Euch. BEUGNOT. Weil über mir das Beil des Henkers schwebt? MARIE. Viel mehr noch, weil Ihr einem Irrthum dient. BEUGNOT. Ich diente ihm von Kindheit an, Madame; Bin jetzt ein Greis. Die lange Uebung macht, Daß mir mein Irrthum - eine Wahrheit scheint. Im Alter bleibt man seinem Glauben treu. MARIE. Auch seinem - Vorurtheil? BEUGNOT. - Nicht jedem, nein! Und eins der meinen - wurde jetzt besiegt.
weil Ihr (H) ] weil ihr Setzfehler
I. Text
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Nicht so, wie ich sie finde, dacht' ich mir Die Königin der Gironde. MARIE. Mein Name ist Marie Roland. BEUGNOT. Nun - s i e , Madame - die Frau, Bei der ihr Anhang sich die Losung holt, Die immerdar "Zum Kampfe!" heißt - die Frau, Die Gott verläugnet und den Glauben höhnt, Die Frau, die einen Königsmord gebilligt, Ich glaubte herzlos sie, gemüthlos, fühllos, Und sehe nun - das alles ist sie nicht. Sie kann ja zittern, weinen, sie kann beten Und sie kann lieben, denn sie liebt ihr Kind. MARIE. Ihr schließet seltsam. Weil ich Euren König Gehaßt, kann ich darum mein Kind nicht lieben? Weil ich kein Herz für Unterdrücker habe, Hab' ich darum auch kein's für Unterdrückte? BEUGNOT. Ein Herz für Unterdrückte? - Seid gesegnet! Gesegnet sei dies Wort! ... Ich danke Euch Im Namen der Gefangenen im Tempel MARIE. Mein Herr!? ... BEUGNOT. Ο wenn Euch fremdes Unglück rührt, Wenn Eure Liebe ist bei den Verfolgten, Dann wahrlich steht auf dieser weiten Welt Kein menschlich' Wesen Euch so nah, Madame, Als jene arme Frau ... MARIE fällt ihm ins Wort. Ersparet mir BEUGNOT. Als jene Fürstin, deren heilig Haupt Einst eine Krone trug, und jetzt sich beugt Der Last des nackten Elends. Jene Witwe, Die ihren Gatten, meinen - Euren König Verloren auf dem Blutgerüst. MARIE. Ich kann BEUGNOT. Als jene Mutter, welcher man den Sohn, Ihr liebstes Kind, erbarmungslos entriß, Ihn preiszugeben niedriger Mißhandlung, Und der man selbst den herben Trost versagt, Den Jammerschrei aus seiner Brust zu hören. MARIE. Ich kann für sie nichts thun. BEUGNOT. Ο doch, Madame! Ihr feiert heute einen großen Sieg, Ein Schritt nur noch, und an des Reiches Spitze
All
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Marie Roland Steht die Gironde - steh'η sie, die Ihr regiert, Dann könnt Ihr helfen! dann habt Ihr die Macht ... MARIE. Und hätt' ich sie! ich wollt' sie nicht gebrauchen Zum Nachtheil meines Volks, das Sühnung fordert, Für hundertmal an ihm gebroch'ne Treu, Für Hoffart, Haß, Bedrückung und Verachtung. ... Der Büsserin im Tempel war dies Volk Nicht werther als der Staub zu ihren Füßen, Und seine Klagen, seine Thränen gingen Nicht näher an ihr übermüthig Herz Als Windeswehn und als des Regens Fall. Sie hat ... Genug: - sie frevelte - sie leide! Es gibt nur Eins, das wir empfinden sollen Beim ernsten Anblick selbstverdienter Qual - : B e w u n d e r u n g der ewig waltenden Und ewig siegenden Gerechtigkeit. BEUGNOT. ES gibt ein zweites - doch Ihr kennt es nicht; Es gibt - das Mitleid. MARIE. Herr, in dieser Stunde Durchzuckt es alle Tiefen meines Wesens! Allein es ist das feige Mitleid nicht Mit Schuldigen, die ihre Strafe trifft, Es ist der Schmerz um Edle, um die Meinen, Die jetzt vielleicht für uns're große Sache Verbluten im Convent. Wenn diese sterben, So sterben sie für ihre Tugend. Ihnen Gehört jedwedes liebende Gefühl, Das meine vielbestürmte Seele sich Im harten Kampfe dieser Zeit bewahrt. Ich habe keines für die Andern mehr. EUDORA die an einem Tische, Bilder ansehend, gestanden, nähert sich bei den letzten Worten, ein Bild in der Hand. Zu Marie. Bist Du ihm bös'? - und er ist so gut! Zu Beugnot. Ich hab' Dich lieb, und sieh zum Angedenken Schenk' ich Dir dieses schöne Bild. Das ist Capet, weißt Du? man macht ihn eben todt, Weil er das Blut der kleinen Kinder trank. BEUGNOT ZU Marie. Die Republik, Madame, das Reich der Wahrheit, Zieht ihre Kinder auch bei Märchen auf? MARIE ZU Eudora. Wer hat Dich das gelehrt? Gib weg! gib weg! Sie ergreift das Bild und wirft es in den Camin. Die Zeitungen fallen herab. Beugnot hebt sie auf.
I. Text
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MARIE. Umarme diesen Herren, Kind, und geh. EUDORA. Mein Bild! ... MARIE.
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Gehorche!
EUDORA ZU Beugnot. Lebe wohl. BEUGNOT sie umarmend. Leb' wohl. Eudora ab. BEUGNOT Marien die Zeitungen überreichend, in welche er einen Blick gethan. Es sorgt, seh ich, nicht blos für Kindermärchen Die Republik. MARIE nimmt die Blätter. Was soll - was wollt Ihr sagen? BEUGNOT. Nicht nur gekrönte Königinnen sind Dem Angriff der Gemeinheit ausgesetzt. Mög' diese in den aufgeklärten Bürgern So tiefen Abscheu wecken wie in mir, Dem alten Finsterling und Roy allsten. Er verbeugt sich und geht ab. MARIE sieht ihm befremdet nach, dann in die Zeitung blickend. Hebert's Journal? Sie liest. "Boudoir der Königin Roland" - "Dies Weib mit seinem" - "diese feile — " Ο pfui! ... Entsetzlich! ... Scheußlichkeiten, die Ein redlich Weib dem Namen nach kaum kennt, Und deren sie mich zeih'n vor aller Welt! ... Nach einer Pause. Buzot, mein Freund! - ich habe Dich betrogen! ... Dein Glück und meines geopfert einem Wahn: Der makellosen Reinheit meines Namens. Ach, dieser Name ist so schmachbedeckt, Daß er die Lippe, die ihn nennt, beschmutzt! ... Gab ich mein Alles für ein einzig Gut Und finde es geraubt im Augenblick, Wo ich daran in Angst und Todesnoth Mich klammern will? Ο nein! - nein! nein! - Buzot, Du sollst nicht sterben um ein Hirngespinst Wir wollen glücklich sein - 's ist unser Recht Der Preis ist hier bezahlt! ... Horch - Schritte! — Er? Sie eilt dem Ausgange zu.
makellosen Reinheit (H) ] mackellosen Reinheit
Setzfehler
Marie Roland
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Fünfter Auftritt M A R I E . BUZOT. ROLAND.
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MARIE ZU Buzot, der zuerst eintritt. Du bist es! ... Roland erblickend, mit mühsamer Fassung. Ihr ... Ihr kommt - seid mir gegrüßt Und tausendmal Glück auf! - Ihr triumphirt ... ROLAND. Frohlocke nicht. Hebert's Gefangennahme Empört das Volk. In wilden Schaaren stürmt Es gegen den Convent. Die Sectionen Umlagern den Palast der Tuilerien. Dein Freund, Marie, der falsche Lanthenas, Der Renegat, thront auf des Berges Spitze. MARIE. Ο Fluch und ew'ge Schande über ihn! ROLAND. Danton, Marat, gereizt durch die Gefahr, Entfesseln jede wilde Leidenschaft Der heißen Blutgier und der blinden Wuth. In Waffen steht der Pöbel von Paris Und führt Geschütze gegen den Convent, Der unter diesem Druck - berathen soll. MARIE. Was thun die Zwölfe? BUZOT. Sie verzagen nicht. Sie bauen auf die treue Bürgergarde; Kein Wankelmuth kam noch in die Gemüther. Entbrennt nur heute - heute nur der Kampf, So siegen wir ... Doch gilt's die Glut zu schüren. Innehaltend, mit verändertem Tone. Ich wollte Dich noch einmal seh'n, bevor Der letzte Sturm beginnt. Ich wollt' Roland Zu seinem Haus geleiten und allhier Ein feierlich Versprechen von ihm fordern. Gib mir Dein Wort, Roland! - gib mir Dein Wort, Daß Du nicht wieder den Convent betrittst MARIE. Ist er nicht Deputirter so wie Du? BUZOT. Er ist's nicht mehr. ROLAND. Von neuem angeklagt Gemeiner Feilheit, niedrigen Betrugs, Begehre ich ein öffentlich Gericht, Und damit frei das freie Recht entscheide, Durch keine Rücksicht, keine Scheu beirrt, Damit es sei ein unbeschütztes Haupt,
I.
Text
Das hier sich beugt dem Spruche des Gesetzes Entkleid' ich mich des Amt's, das mich beschirmte. MARIE. Verkehrtheit! Ein unseliger Entschluß!
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- So konntest Du in stillen Tagen handeln, Wo die Vernunft, Gerechtigkeit und Güte Im Rath der Völker eine Stimme hat, Nicht jetzt, da hochgeschwellt der Zeitenstrom In wilden Güssen durch das Weltall rast, Die Kräfte von Jahrhunderten austobend! Das Ungeheure, Unerhörte, wiegt
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In diesem Gischt nicht schwerer als ein Tropfen, Und Du trittst hin, und wirfst in das Getose Die Blume einer That, so zart, so edel, Daß ihren Werth ein feiner Sinn nur faßt. Was kann sie anderes bringen als Verderben?
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- Du bist geopfert - und die Deinen sind's! Β υ ζ ο τ . Noch nicht! noch steh'n wir aufrecht, noch umrauscht Mit weicher Schwinge Siegesahnung uns Die heiße Stirn ... MARIE. Nun dann! dann ist... Doch nein Du täuschest mich. - Sei wahr mit mir, Buzot! Du glaubst nicht an den Sieg. BUZOT.
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Ich ring' u m ihn.
MARIE. Ο Himmel! - mit Verzweiflung in der Brust! Ihr alle kämpft wie Männer nicht, die siegen, Ihr kämpft wie Märtyrer, die sterben wollen. Plötzlich vor ihn hintretend. Ich weiß, du suchst den Tod! BUZOT. Er sucht wohl mich. MARIE. B u z o t !
Β UZOT.
-
- Leb' wohl, Marie!
MARIE.
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Verweile!-höre
Nicht freventlich vermessen stürze Dich In die Gefahr! - Besteh' sie, wenn sie naht, Doch ruf sie nicht herbei! ... ROLAND Mariens Hand erfassend. Du glühst - erbleichst Du bist bewegt wie ich Dich nie gesehn. ... MARIE. Ich leide! leide! BUZOT. Gnäd'ger Gott! um mich? -
wie Märtyrer (H) ] wie Märtirer
Setzfehler
Marie Roland
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Hat sich Dein Sinn geändert? - Sprich es aus In dieser Stunde und vor diesem Mann! MARIE. Mein Sinn geändert? Für sich, dumpf. Ach, zu sehr! - zu sehr! Laut. Mein Sinn geändert? ... Nein! - verlass' mich - geh'! - Flehend. Doch nicht zum Tode! - Hörst Du? - Nicht zum Tod! Β υ ζ ο τ . Dies ist ein Weg wie ins Gewühl der Schlacht, Und nicht bei mir, beim Höchsten steht das Ende. - Wenn ich vor Nacht nicht wiederkehre, flieht! Lenkt Euren Schritt nach Caen. Dies Blatt, Roland, Führt ein Dich bei den Meinen. Nimm Dein Kind, Mit einem schmerzlichen Blick auf Marie. Dein Weib, und flieh'. ROLAND. Ich fliehe nicht. Ich habe Rechtfertigung begehrt, und ich muß bleiben Bis sie mir ward, die volle, glänzende. Die Republik ist mir die Ehre schuldig, Ich weiche nicht, eh' diese Schuld bezahlt. Β υ ζ ο τ . Heil Dir und uns, treibst Du die Ford'rung ein; Ich will die Schuldner mahnen. Lebe wohl. Rasch ab.
Sechster Auftritt ROLAND. M A R I E .
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MARIE, die eine Bewegung gemacht, als wollte sie Buzot folgen, bleibt stehen, regungslos, in stummen Schmerz versunken. Nach einer Pause mit mächtigem Entschluß. Roland, wir müssen fort. ROLAND. Wir müssen bleiben! Zur Flucht treibt Schuldbewußtsein oder Furcht, Ich hab' ein rein Gewissen, und - kann sterben. MARIE. Auch ich kann sterben! Was hinweg mich treibt Ist schlimmere Gefahr, als die des Todes ... Ich bin verloren, wenn ich bleibe - D i r Verloren! ROLAND. Weib! ... Versteh' ich dich ...? Tritt einige Schritte zurück. Die Knie versagen ihm, er setzt sich auf den Stuhl am Schreibtische. Sein Auge fällt auf das Zeitungsblatt, welches Marie dahin gelegt, er schiebt es verächtlich von sich.
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I. Text
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Hier steht, Ich sei ein arg und schnöd betrog'ner Gatte. MARIE. Ich schwöre Dir... ROLAND. Halt ein! was willst Du thun? Mir schwören - mir - daß Du nicht schuldig bist? Geh' hin und schwör's Hebert - dem ersten Besten Auf o f f n e r Straße schwör's - nicht mir! MARIE. - R o l a n d ! ... ROLAND. Blieb Tugend je von Lästerung verschont? Ward Tugend je durch Lästerung erniedrigt? Macht die Verläumdung Edles minder edel? MARIE. Die stark sich fühlen, mögen ihrer spotten. Ich bin ein schwaches Weib wie alle andern, Vom großen Troß durch Eins nur unterschieden, Durch Ekel vor der heuchlerischen Lüge! Und so mit offnem Freimuth denn gesteh' ich: Verbrecherische Neigung hegt dies Herz Ein Anderer gewann's ... An Dich knüpft mich Die Pflicht - zu ihm treibt allgewalt'ge Liebe. ROLAND. Du sagst das Herbe - in der herbsten Art. MARIE. Wenn es Dir herbe ist, so mach' ein Ende, Sieh nicht mit ruh'gem Auge meine Qual! Reich mir die Hände - nimm mich an Dein Herz Verbirg mich vor der Nähe, die ich fürchte! Laß uns entflieh'n, Roland! - weit weg von hier! Die stündliche Gefahr, die ihn umdroht, Macht mir ihn allzu theuer ... Ο mein Gatte! ... Ich fühle, daß ich schuldig werden könnte ... Fällt ihm zu Füßen. Erbarme Dich! - führ' mich hinweg - hinweg! ROLAND. Hier auszuharren, Kind, verlangt die Ehre. Kämpf Deinen Kampf! - ich kann Dir's nicht ersparen Ich kann nur Eins - ich kann dir sagen, Tochter: Wenn allzuschwer der Pflichten Last Dich drückt, Die Deine Jugend an mein Alter binden, Das Leben Dir an andern Mannes Seite Verheißungsvoller, würd'ger, schöner winkt, So mach' Dich los von mir - ich geb' Dich frei. MARIE. Mein Freund! - mein Herr! — ROLAND. Dein Freund? Ja wohl! ...
zu ihm treibt (H) ] zu Ihm treibt Setzfehler
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Marie Roland Dein Herr? Ο nein! - Hab' ich als Dien'rin Dich gehalten? Warst Du mir nicht durch zehn beglückte Jahre Noch mehr als Gattin - warst mir Freundin nicht? Und Tochter, Schwester, Rath und Trost und Freude? Du warst mir Alles - und was war ich Dir? — Der Dürftige, den Du beschenken konntest Der Greis, um dessen Stirne Deine Jugend Den Abglanz ihres eig'nen Glanzes wob Der oft Verdrossene, an dem Geduld Du übtest - MARIE. Lieber! ο nicht so - nicht so! — ROLAND. Der kalte Mann, den Deine Glut erwärmte Der Finst're, dessen Ernst Du oft zerstreutest Das war ich Dir! Dein Leben mit Roland Gebrachter Opfer eine Kette nur ... MARIE. Mir bricht das Herz - ο schweige - schweig, Roland! ... ROLAND. So lange Dich's beglückte, sie zu bringen, Nahm ich sie an - und durfte wohl es thun. Jetzt aber, wo zur Qual das Opfer wird, Jetzt aber, wo zum ersten Mal die Liebe Mit ihrem Zauber Deinen Sinn umstrickt, Wo Deine Jugend ihre Rechte fordert, Wo müde Du, den Müden zu geleiten Den Pfad entlang, der schon sich abwärts neigt, Und Dich's verlangt, dem Hochanstrebenden, Voran zu schreiten auf dem Weg zum Ruhm, Jetzt ziemt mir's nicht, an Pflichten Dich zu mahnen, An ein Versprechen - an ein trocknes Wort! Jetzt ziemt es mir, die Hände Dir zu reichen, Und dankend noch ... Hält inne, von Rührung übermannt. Genug ... Wir wollen scheiden! MARIE. Nein, niemals! - nie! ... ROLAND. Für Dich spricht das Gesetz; Nicht mehr untrennlich sind der Ehe Bande. Du selber wünschtest ihre Lösbarkeit. Was Andern Du erringen halfst, Du hast Es miterrungen MARIE. Das - das wollt' ich nicht! ... ROLAND. Von mir besorge keinen Laut des Vorwurfs Ich werde in der Abschiedsstunde noch Dich segnen, segnen - aus des Herzens Fülle! Und kommt von Dir mir frohe Kunde zu,
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485 Mich freuend Deines neugewonn'nen Glücks, Des Glück's gedenken, das Du einst mir gabst. Will sich erheben. MARIE. Ο bleibe! - bleib', Roland - es ist vorbei! Die bösen Geister alle sind gebannt Ich bin Dein treues Weib - ich bin es wieder, Die Deine ganz und gar so lang ich athrae! ROLAND. Bedenke was Du thust! MARIE. Ich denke, Freund, Ich denke recht zu thun! - Kennst Du mich nicht? Ich kann nur leben, wenn ich redlich lebe Im Frieden nur mit dem Gewissen leben. Wir bleiben? - gut! - und was in mir auch kämpfe. Ich bin gefeit - ich trotze der Gefahr! ...
Dritter Aufzug Im Convent. Saal der Petitionnaire. Wachen an den Thüren. Erster Auftritt LACROIX und LEGENDRE aus dem Saale
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kommend.
LEGENDRE. Die Gironde wehrt sich gut; ich hätte nicht geglaubt, daß die Staatsmänner noch so viel Athem in den Lungen hätten. LACROIX. Laß sie schwatzen, sie haben von jeher nichts Anderes gethan. Wüthendes Geschrei und Lärm auf der Gasse. Mit den Rednern, die ihnen Danton entgegenstellt - hörst Du sie? - werden ihre Buzot's und Vergniaud's doch nicht fertig. DANTON aus dem Saale; zu einem Huissier, der durch die Mitte athemlos hereinstürzt. Huissier! Was bedeutet dieser Lärm? HUISSIER. Sechshundert Petitionnaire stürmen heran - sie verlangen Eintritt in den Convent, sie verlangen die Freilassung Hebert's - sie verlangen ... DANTON. Verlangen! verlangen! verlangen! HUISSIER. Sie brechen ein, wenn man die Pforten länger verschlossen hält - man kann ihnen den Einlaß nicht verweigern. DANTON. Man kann nicht? - gut! - dann bitte man sie herein. Huissier ab. LEGENDRE. Was soll daraus werden? DANTON. Ein Platzregen über die Gironde. Die Petitionnaire werden sie überschreien, Hebert wird freigelassen werden, der Zwölferausschuß abgesetzt. LACROIX. Ja! auf die Stufen der Guillotine! Mit Legendre in den Saal zurück. Schrecklicher Tumult, der bald steigend, bald abnehmend, bis zu Lacroix' Wiederauftreten fortdauert. ROBESPIERRE kommt. Sechshundert Petitionnaire haben auf den Bänken der Deputirten Platz genommen, und stimmen mit. DANTON. Entsetzlich! welcher Unfug! ROBESPIERRE. Weh' über Diejenigen, die das tugendhafte Volk zu solchen Ausschreitungen verleiten. DANTON. Was willst Du, Robespierre? Ihn parodirend. Die Tugend muß durch den Schrecken herrschen. ROBESPIERRE. Aber der Schrecken darf nicht planlos walten. DANTON. Ein System! Ein System für den Schrecken! ROBESPIERRE. Die Revolution muß aufhören, und die Republik muß anfangen. Das Volk ...
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DANTON verbessernd. Das tugendhafte Volk. ROBESPIERRE. Das Volk darf sich nicht selber aufreiben, und das zerrissene Reich nicht wieder die Beute seiner Tyrannen werden. Oder ist das die Absicht Derjenigen, welche die Insurrection begünstigen? Wollen sie das Vaterland geschwächt sehen, wie sie selbst durch ihre Ausschweifungen geschwächt sind? Danton lacht laut auf. ROBESPIERRE. Ihre Ausschweifungen und Laster! Diejenigen, die ich meine, haben in diesen Punkten die Erbschaft der Aristokraten angetreten. Aber das Laster muß bestraft werden, wo immer es sich finde. DANTON. ES findet sich aber nicht. Es wird bald kein's mehr geben. Das Laster kommt nicht vor in Robespierre's großer Rechnung: "Die philosophische Republik". LACROIX kommt zurück. Die Petitionnaire haben gesiegt. DANTON. Ist d a s m ö g l i c h ? !
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LACROIX. Sie verlassen den Saal, um ihren Hebert aus dem Gefängnisse zu holen. Marat kommt aus dem Saale, gegen denselben sprechend. Tobt! - rast! - Brüllend zerreißt der Löwe seine Beute. - Tobt! - rast! und: Tödtet! tödtet! tödtet! Zu den Anwesenden. Hebert's Triumph muß zur Niederlage der Girondisten werden - sie müssen DANTON. A b d i c i r e n .
MARAT. Das Leben! Es ist Zeit, daß die Sense der Gleichheit alle Häupter niedermähe, die sich über die andern erheben gewollt. DANTON. In diesem Falle: weh' jedem zweiten Mann! - Wir sind eine ehrgeizige Nation. MARAT. ES ist Zeit, nicht mehr jeden Kopf, der fällt, zu zählen, - die Guillotine feiert, Frankreich dürstet nach Blut. DANTON sich abwendend, für sich. Das Scheusal! - Mir graut vor diesem Menschen! ROBESPIERRE. Frankreich dürstet nicht nach Blut, es dürstet nach Gerechtigkeit. Zwischen den Zähnen. Gemeiner Schurke! MARAT ebenso. Elender Heuchler!
Zweiter Auftritt VORIGE. VERGNIAUD und BUZOT aus dem
Saale.
BuzOT die Anwesenden erblickend, zu Vergniaud. Ich wollte ein wenig freie Luft schöpfen, aber die Atmosphäre ist auch hier verpestet.
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Marie Roland DANTON geht auf die Eingetretenen zu; Robespierre und Marat wenden sich ab, aber jeder nach einer andern Seite. DANTON ZU Vergniaud und Buzot. Ihr müßt Euch dem Frieden der Republik opfern. Legt Eure Mandate nieder, wie schon Roland gethan. VERGNIAUD. Sprichst Du im Namen unserer Wähler? Ich zweifle. Wir behalten unsere Mandate. Stark. Was unsere Köpfe betrifft, Danton, diese legen wir der Republik zu Füßen, wenn sie ihrer bedarf. - Unsern Mördern bieten wir sie nicht. DANTON. Immer dieselben! - Immer heißblüthig und enthusiastisch wie die Frau, die Euch inspirirt. Warum wählt Ihr keinen Mann zu Eurem Führer? Diese Frau richtet Euch zu Grunde - sie ist die Circe der Revolution. BUZOT. Einen Mann zu unserm Führer? Das heißt - Danton? DANTON. Heut' noch wird der Ausschuß der Zwölf abdanken; er kann nichts Anderes thun. Der Augenblick, der Hebert befreite, hat den Abgrund unter seinen Füßen aufgerissen. Hütet Euch, daß Ihr darin nicht mit begraben werdet! BUZOT. Vergießt unser Blut! - Das meine wallt vor Entzücken auf, bedenk' ich daß es kommen wird über Eure Häupter! Zurück zum Kampfplatz, Vergniaud! Buzot und Vergniaud zurück in den Saal. MARAT ZU Danton. Was sagten sie? DANTON. Ich weiß nicht mehr. Doch ja! jetzt besinn ich mich. - Sie sagten, Marat sei ein großer Mann; die Hoffnung der Republik - der Todten ... ein Philanthrop, der die hungernde Nation mit Leichen füttert. Sie sagten, Robespierre sei die Tugend im blauen Frack mit immer blanken Knöpfen, das Dogma der Revolution, ihr Blutmessias. ROBESPIERRE. Sagten sie! - Ich wollte, ich wäre der Mann, der Frankreich erlöst. - Aber die Ideen tödten ihre Apostel. Ich werde von dem Feuer der meinen verzehrt - verzehrt von dem Fieber des Patriotismus. MARAT sieht ihn verächtlich an. Dich tödtet dieses Fieber? Beim Gekreuzigten, vor dem ich mich im Staube niederwerfe: mich erhält's lebendig ... Die Maschine dieses Leibes ist zerrüttet in jedem Nerv und Glied, aber sie darf nicht stocken bevor mein Werk gethan. DANTON. Wir kennen es, Dein Werk; 's ist groß wie Du. Es wird geendet sein, wenn das Haupt des letzten - Glücklichen von der Guillotine rollt. Nicht wahr, Marat? "Vernichtung Allen, die das Elend nie gekannt, die nicht geweint, nicht gehungert, nicht geblutet unter der Geißel der Noth ..." MARAT. Vernichtung! nieder mit ihnen! DANTON. Empor die Bettelhaftigkeit, der Jammer besteigt den Thron der Erde! Empor, empor zur Herrschaft, was sich jetzt in der Gosse wälzt, in Lumpen
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hüllt und - mit den Fingern schneuzt! MARAT. Gerechtigkeit, barmherziger Robespierre? - Zu wenig! die Mißhandelten wollen Rache! Rache ist Gerechtigkeit! - Ich fordere zweihundert Köpfe heut', und vierhundert morgen ... Auf die Tribüne, Danton! - Ich kann nicht mehr auf der Tribüne sprechen, meine Stimme ist gebrochen. DANTON. Was liegt daran? Deine Feder hat tausend Stimmen. MARAT. Auf die Tribüne, Danton! ... Danton! - einmal schon begehrte ich die Dictatur für Dich: - willst Du sie, Danton? DANTON. Die Dictatur? ... ganz recht: Du trugst sie ja in der Tasche. Wie schade, daß Deine Tasche Löcher hat! MARAT. Willst Du die Dictatur, Danton? Willst Du den Armen und Unterdrückten zum Führer dienen? ROBESPIERRE. Der Gebieter der Welt ist die Menschheit, ihr einziger Gesetzgeber die Natur. Frankreich will keinen andern Herrn. MARAT. Von einem Führer sprach ich, nicht von einem Herrn. Herr wird Keiner mehr über uns. Der Narr, der meint den Cromwell spielen zu können, er hüte sich! Das Volk und ich - wir wachen. Marat zurück in den Saal, wo er mit lautem Jubel empfangen wird. ROBESPIERRE nach kurzer Pause. Sein Eifer reißt ihn hin. DANTON. Sehr weit, und doch - nicht weit genug. ROBESPIERRE. Vielleicht.
Wir geh'n weiter, Robespierre und ich. Er führt nur Krieg mit seinen Feinden, - wir führen ihn sogar mit uns'ren Freunden. Die Girondisten waren uns're Freunde. ROBESPIERRE. Und wären sie meine Kinder! - ich werfe sie zu den Todten. Sie wollen ein Maß für die Freiheit: die Freiheit hat keines. Unendlich muß sie sein, oder sie ist nicht. Keine Schonung für die Widersacher der Freiheit! Er folgt Marat.
DANTON.
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So spricht ihr Apostel! der sich aus Tugend zum niedrigsten Amt in ihrem Reiche bequemt, zum - Henkersamte! — Wen ziehst Du vor, Robespierre oder Marat? Das Gespenst oder den Tiger? - Der Eine streicht seine Gegner so gleichgültig aus dem Buche des Lebens, wie Worte, die ihm nicht passen, aus einem geschriebenen Satze. Der Andere zerfleischte, die er haßt, am liebsten mit seinen Zähnen. Wen ziehst Du vor - das leidenschaftslose Gespenst, oder die leidenschaftliche Bestie? L A C R O I X . Deine Abneigung gibt sich zu deutlich kund. Hab' Acht, Danton! DANTON.
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Auch Du bist nicht unverwundbar. Man hat ungeheure Popularitäten wie die Deine sinken geseh'n.
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er hüte sich! (H) ] er hüthe sich! SetTfehler
Marie Roland
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Wer besaß jemals eine Popularität, der meinen vergleichbar? Was beginnt Ihr ohne mich? Ich bin Euch Sporn und Zügel. Hier sind zwei Köpfe! der eine, um die Revolution zu machen, der andere, um sie zu regieren! — Geht nur voran, Ihr alle. Man muß die Factionen sich aufreiben lassen. Die Revolutionen haben ihre Erschöpfungen, auch die unsere wird bei diesem Punkte ankommen. Dort erwarte ich Euch! Ab in den Saal, wo er mit lange andauerndem Applaus empfangen wird.
DANTON.
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Dritter Auftritt LACROIX. W A C H E N . M A R I E ROLAND
MARIE außerhalb der Scene. Laßt mich - weist mich nicht ab. ERSTE WACHE.
Man tritt nicht ein.
MARIE. Ich bringe Botschaft für den Präsidenten ... Weist mich nicht ab. Ihr würdet es bereuen. ERSTE WACHE zur
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zweiten.
Was soll ich thun? ZWEITE WACHE. Nun, wenn sie Botschaft bringt, So laß' sie ein. ERSTE WACHE. Kommt denn und wartet hier. Marie tritt ein, in einen schwarzen Shawl gehüllt, verschleiert. LACROIX. Wer ist das? - Ei, wär's möglich, schöne Frau? MARIE. Der Freund Danton's, der Erste, den ich treffe? Ein böses Omen. LACROIX. Eine Römerin, Vermuth' ich, kehrte um. MARIE. Verzweiflung sucht In jedem Feind den Retter - wählt nicht lang; Sie spricht zum Wettersturm: "Erbarme Dich!" Und zu Lacroix: "Thu' eine gute That!" LACROIX. Womit kann ich Euch dienen? MARIE. Diesen Brief Legt in die Hände Eures Präsidenten. Ich ford're dringend und sogleich Gehör! der meinen (H, EK) ] der meine! Setzfehler zwei Köpfe! (H, EK) ] zwei Köpfen Sehfehler ich Euch! - (H) ] ich euch! - Setzfehler
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LACROIX. Gehör? und hier? - und im Convent? - Ihr wollt? ... MARIE. Im o f f n e n Saal, vor allem Volke klagen, Den neuen Frevel, welchen Ihr vollbracht. LACROIX. Den neuen Frevel? Ich versteh' Euch nicht. MARIE mit verändertem Tone, kurz und scharf. Bedroht im eig'nen Hause wird Roland Der Wohlfahrtsausschuß sandte seine Knechte Sie kamen, um gefangen ihn zu nehmen. Roland erklärt, nur der Gewalt zu weichen, Und noch besinnen sich die Schergen ... Noch? ... Ο weiß ich denn, ob's nicht bereits geschah, Dieweil ich hergeeilt, dieweil ich rede! LACROIX. Beruhigt Euch. MARIE.
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Ihr spottet! ...
Indessen hier ich steh", verfliegt die Zeit, Schwerwiegende Minuten - Ewigkeiten! ... LACROIX. Ihr wollt im Ernste im Convente sprechen? MARIE. Im Ernste? - Himmel, gibt's noch einen Scherz?! LACROIX. Ihr fürchtet nicht - MARIE. Ich fürchte nichts auf Erden. LACROIX in ihren Anblick versunken. Wohlan! - es sei denn - schöne - schöne Frau. MARIE. Habt Dank und geht. LACROIX. Habt Dank und - bleibt, kläng' besser. MARIE. Ich bitt' Euch, geht! und kann es sein, so schickt Der Freunde einen mir. LACROIX.
Ha, ha, Buzot!
mit mühsam unterdrücktem Zorn. Schickt Vergniaud. LACROIX. Ich käme lieber selbst, Euch der Erwartung Stunde zu vertreiben. MARIE. Thut's nicht! - Euch wär's nicht Freude - mir wär's Qual. LACROIX. Ihr sprecht sehr klar. Doch will ich nicht verzweifeln. Ich geh' ... Marie macht ein freudig fortdrängendes Zeichen. Gemach! - ich geh' und frag' Buzot, Und Barbaroux, Louvet und Ein'ge andre Wie lang Ihr pflegt gewöhnlich, stolz zu sein, Bevor Ihr gütig werdet. MARIE
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Gebieterisch. Schafft mir Einlaß!
Louvet und (H) ] Louvet' und Setrfehler
Marie Roland
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halblaut. Elender! LACROIX. Ihr Ausspruch wird mich wohl nicht ganz entmuth'gen Wie dieser Blick es soll? MARIE. Gebt meinen Brief! LACROIX. Ο nein! - ich will Dir dienen treu - vortrefflich Ich ring' um Deine Freundschaft, wie sie's nennen: Soll sie mir unerreichbar sein? - Nicht doch! Ein großes freies Herz, wie Dein's gönnt Raum Den Girondisten und dem Jacobiner! Er geht in den Saal. MARIE. Das ist Dein Werk, Hebert! das dank' ich Dir! So sieht mich, der durch Deine Augen sieht! Und ich wollt' mich dem Blick der Menge zeigen, Beschimpft, verhöhnt wie ich es bin, mich zeigen? ... Ist denn die Scham erstorben ganz in mir? - Hinweg! - das Licht thut weh - ο wär' es Nacht, Und menschenleer die Welt! ... Will fort, an der Thür angelangt bleibt sie stehen. Was will ich thun? Beim ersten Schritt mich feige rückwärts wenden, Weil ich ausschreitend eine Schlange trat? Hinab, empörter Stolz! gekränkte Würde! Ausharren gilt's in ungebeugter Kraft. Und wenn ich auch Roland nicht retten kann, So werd' ich jene Lügner dort entlarven! In diesem Haus des Trug's, der Heuchelei, Soll einmal laut der Wahrheit Schrei ertönen! Ein Huissier, der sie die Zeit über mit Theilnahme betrachtet hat, setzt ihr einen Stuhl. HUISSIER. Ihr werdet wohl noch lange warten müssen. Setzt Euch. MARIE. Ich danke Dir. ZWEITER HUISSIER leise zum ersten. Was fällt Dir ein? Sprich nicht mit ihr - es ist das Weib Roland. ERSTER HUISSIER erschrocken. Das Weib Roland? ZWEITER HUISSIER. Willst Du für einen Freund Der Girondisten gelten? ERSTER HUISSIER. Da sei G o t t . . . Sich verbessernd. Will sagen: Sei der Teufel vor! Ungeheurer Tumult erhebt sich im Saale; die Thüre wird aufgerissen. Marat, Legendre, eine große Anzahl Deputirter treten herein, unter wildem Geschrei: MARIE
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Text Die Zwölfe a u f s Schaffot! - Hoch! hoch Marat! MARAT. Verbrüderung, Verbrüd'rung mit dem Volke! Der Sieg ist sein: - verkündet ihm den Sieg! LEGENDRE. Folgt mir! Ihr alle kommt und theilt das Glück, Die ersten Boten des Triumph's zu sein. EIN DEPUTIRTER. Die Boten des Triumph's und der Verheißung Der Sturz der Zwölfe ist ein Anfang nur. MAR AT. Die Zwölfe heut' und morgen die Gironde! ALLE. Und morgen die Gironde! Alle Deputirten ab, durcheinander rufend. Es lebe das Volk! Tod jeder Tyrannei! Hoch Marat! Hoch die Republik! MARIE die sich während des Vorhergehenden in den Hintergrund gedrängt, vortretend. Und morgen die Gironde? - und morgen Ihr! Wenn noch zum Hohn das Recht nicht ward auf Erden. Danton und Lacroix erscheinen an der Thüre des Saales. LACROIX ZU Danton, auf Marie zeigend. Sie wartet noch. DANTON. Laß mich mit ihr allein. Lacroix gibt den Huissiers ein Zeichen; sie treten mit ihm in den Saal.
Vierter Auftritt DANTON. MARIE
DANTON. Gegrüßt, Marie Roland! sich umsehend, mit einem halb unterdrückten Schrei. Er selbst - Danton! DANTON. Ihr flieht vor ihm? Ihr fürchtet ihn wohl gar? MARIE sieht ihm ins Gesicht. Du irrst, Danton - ich fürcht' Dich nicht. DANTON. Ihrhaßt Mich nur. MARIE. So ist es. DANTON. Meine Häßlichkeit Macht diesen Haß begreiflich. Doch läßt er Sich überwinden: - mancher Frau gelang's. Wir sollten Frieden schließen. MARIE. Frieden - wir? DANTON. Ich biet' ein Unterpfand: Roland ist frei. MARIE
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Marie Roland MARIE aufathmend. Ist frei! - und ist's - durch wen? DANTON. Soll ich mich loben? MARIE. Ich dank' Euch ungern - dennoch dank' ich Euch. DANTON. Nun seht! es gilt ja nur sich überwinden. Ihr habt's gethan aus Liebe zu dem Gatten; Wie wär's, wenn Ihr's noch einmal unternähmt, Aus Liebe zu dem allgemeinen Besten? MARIE. Das Du vertrittst? DANTON. Das gerne ich verträte. MARIE. Ο frevler Hohn! - Das allgemeine Beste, Vertreten durch Danton? DANTON. Durch einen Mann Zum mindesten! ... Kein Weib und keinen Träumer, Durch keinen Wollenden und Hoffenden, Nein, endlich einmal einen Könnenden! Den stärksten Sohn der unerhörten Zeit, Der, mündig worden, seine Mutter bändigt. MARIE. Sie bändigt, sagst Du? - Sag': entwürdigt, schändet! Auf ihre Stirn das Siegel drückt der Schmach, Dem Fluche preisgibt, die gesegnet war, Blutrünstig durch den Koth der Erde schleift, Die hoch und hehr vor allen Andern prangte. Ο welch' ein Sieg! Ein Ungeheuer - nein! Ein Mann, ein Held errang ihn im September! ... DANTON. September! - gesprochen ist das Wort. Es drückte schwer. - Fühlt sich Dein Herz entlastet? September und Danton - die zwei Begriffe, Sind Einer für das Hirn der Girondisten. Nach einer Pause. Was wälzt Ihr alle Schuld auf mich allein? Rief ich zum Morden? hab' ich's hindern können? MARIE. Verläugnest Du Dein Werk und Dich in ihm? DANTON. Verläugnen? ... Du hast Recht; nun, sei's darum: Es war mein Werk. Ich dachte das Verbrechen, Erwog's in meinem Sinne und - beging's! Wollt Ihr allewig nun darüber rechten? Kennt Ihr von mir nur diese eine That? Die dunkle hat so manche lichte Brüder; Seh'η diese Eure scharfen Augen nicht? -Gerechtigkeit! Ihr Richter stets bereit. MARIE. Erzittere vor ihr! - begehr' sie nicht! -
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DANTON. Sie nennen Dich: die Königin Roland; Du bist's fürwahr - Dir unterthänig sind Die Herzen Vieler - : übe Deine Macht, Zum Heil und Siege Jener, die Dir dienen Du siehst, wohin der Kampf mit mir sie führt, Und wohin mich Eure Verachtung treibt. Ihr steht am Abgrund - ich im BUndniß mit Marat und Robespierre. MARIE. Durch Deine Wahl! DANTON ohne ihren Einwurf zu beachten. Ihr habt geträumt: - erwacht! - schließt Euch an mich! Ich bringe was Euch fehlt: die Kraft! Ein Volk Läßt von der Rednerbühne aus sich nicht, Wie Ihr geglaubt, regieren. Geister, Denker, Sie üben nicht, sie leiten die Gewalt. Berathen mögen tausend Köpfe, handeln Kann doch nur Eine Hand. Ihr braucht die Hand, Die einen Zaum anlegt dem rohen Pöbel, Die dem Convente eine Richtung gibt, Der Nation den siegenden Impuls, Ergreift sie denn! MARIE mit Abscheu. Die Deine? Mörder! DANTON. Thut's! Ich steh' Euch näher als den Jacobinern, Marat entwürdigt meine Politik, Und Robespierre raubt mir des Volkes Liebe ... Noch bin stärker ich allein als sie, Doch kommt der Tag, wo sie mich überflügeln Ich kenne Schranken und sie kennen keine. - Ihr näher tretend. Schließt Euch an mich, und Frankreich ist gerettet: Die Redlichkeit bringt Ihr, und ich die Stärke, Ein kräftig Kind wird diesem Bund entspringen, Das Gesetz! und unter seiner festen Herrschaft, Ein neuer Staat auf stolzen Säulen steh'n! MARIE sieht ihn mit einem langen Blicke zweifelnd an. Vermöchte ich in Deiner Brust zu lesen! DANTON. DU bist ein Weib - und liebst. ... Willst Du ihn seh'n, Der Deinen Untergang? Roland - Buzot Die Freunde all', geschleppt vor feile Richter, -
Du bist's fürwahr (H) ] Du bist's führwahr Setzfehler
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Marie Roland Verhöhnt, beleidigt, schonungslos verlästert, In jeglichem Gefühl verletzt, - gepeinigt In jedem Sinn! bis endlich stumpf gemartert Die Schatten Derer, die sie einst gewesen, Den Henkerskarren schwanken Tritts besteigen Und durch die Reih'n, die jubelnden, des Volks MARIE. Das schwör' ich Dir, SO werden sie nicht sterben! DANTON. Nie lauter jauchzt derTroß, als wenn die stürzen, Mit denen er Abgötterei getrieben, Und Keinem speit er lieber ins Gesicht Als dem Idol, vor dem er Weihrauch brannte. Ο warne, die Du liebst! Dein Muth ist groß: Du selbst, ich weiß, Du stürbest ungebeugt, Doch sterben seh'n ist gräßlicher als sterben, Wenn unser Glück erlischt mit jenem Leben, Das scheidend dort, nur mehr ein kleiner Funke, Auf der Getreuen bleichem Antlitz irrt. Und jetzt - ο einen Blick nur! - einen noch! Das Heil der Erde gäbst Du hin für ihn ... - Vorbei! - ein Schritt - es beugt sich Knie und Nacken Aufgällt ein Schrei - es sinkt das blanke Beil, Und der Geliebten Auge bricht im Korb ... MARIE. Komm' mit Danton - komm' mit mir zu Roland Sprich zu den Meinen, wie zu mir Du sprachst; Vielleicht vermag - und füge es ein Gott! Dein Wort die Redlichen Dir zu versöhnen. DANTON. Wenn Du es willst, so sind sie mir versöhnt; Und leichter wahrlich ist's an mich zu glauben, Und meine Kraft, als an die wilde Posse Der Revolution, die wie Saturn Die eig'nen Kinder, ihre - Narren, frißt. Ihr nahmt sie ernst, und das war Euer Irrthum, Ihr saht in ihr den heiligen Altar, Auf dem der Mensch zum Gotte sich verwandelt, Und sie ist nur die Stufe, die man - tritt, Sie hebt empor, allein sie steigt nicht mit. MARIE. Danton!? DANTON. Die Freiheit freien Geistern! Knechtschaft, Allewig Knechtschaft dem gemeinen Troß, Der auch allewig bleiben wird - gemein. Wir aber - wir ... MARIE. Genug! ... Die Maske fiel -
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Du stehst vor mir, wie ich Dich immer sah, Und meine Seele schaudert vor dem Anblick! ... - Du glaubst an eine schön're Zukunft nicht? Du glaubst es nicht, daß dieses arme Volk Das jetzt so gräßlich irrt, Besinnung finden, Erwachen wird aus seinem Wahnsinnstaumel, Und besser, stärker sich erheben wird Aus diesem Kampf, in dem trotz aller Gräuel, Vor denen wir das Angesicht verhüllen, Trotz allem Unrecht, aller Schuld, dies Volk Doch um der Menschheit höchste Güter ringt. ... DANTON. Ο Thörin! Schwärmerin! MARIE. Das glaubst Du nicht? Du glaubst nicht an das Volk und kniest vor ihm? Du glaubst nicht an das Volk und siegst durch's Volk? - Nun sieh! wir unterliegen ihm und lieben's! Wir fallen, - unser Glaube steht! DANTON. Noch heut'. Er wird erst wanken auf der Guillotine. Dahin führt Euer Weg. MARIE. Wir geh'n ihn freudiger, Was Du auch sagst, und wie Du Dich betrügst, Als Du den Deinen geh'st - zur Dictatur! ... Sie will gehen. DANTON ergreift ihre Hand und zwingt sie stehen zu bleiben. Halt da! Wir sind zu Ende nicht, wir beide! Du wirst von mir nicht scheiden, wie Du kamst, Im siegenden Bewußtsein Deines Rechts, Mit dieser Stirne und mit diesem Blick! ... Es gibt ein Wort, das sie zerfließen macht, All' Deine Herrlichkeit. - Vemimm's! - Ich sag' Dir - ich! der gräßliche Danton Er hält um nichts Dich besser als Du ihn, Und hat dazu ein unbestreitbar Recht! Marie bleibt sprachlos, und starrt ihm ins Gesicht. DANTON. Wir sind von Einem Standpunkt ausgeschritten, Wir wandern einen und denselben Pfad, Und Deine Spur wie meine raucht von Blut! Die Opfer des Septembers fielen mir, Den Mord des Königs, der vollzogen ward, Den Mord der Kön'gin, der vollzogen wird, Nimm sie auf Deine Seele! MARIE.
Oh!
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DANTON. Den Fall Der Girondisten, wer rief ihn herbei? - Diejenige, die in den Kampf sie trieb, Und doch gewußt, und doch es wissen mußte: Das sind nicht die gewaltigen Titanen Mit Marmorherzen in der Brust von Erz, Gemacht zu schreiten durch die blut'ge Zeit, Noch furchtbarer, noch blutiger als sie, Vor keiner Unthat schaudernd, doch den Sieg Gefesselt schleppend an der Ferse Tritt! - Das sind nur Träumer, tugendhafte Schläfer, Die um die Freiheit buhlen mit - Gedichten. Das kräft'ge Weib braucht kräftige Umarmung, Und spottet der platonischen Verehrer. Du schicktest wehrlos sie zur Werbung aus; Sie boten ihre nackte Brust dem Sturm, Und liegen nun zerschmettert auf dem Grund. Zerschmettert - athmend noch - die Rettung naht Und Du - Du stoßest sie zurück, weil Dir Verhaßt der Retter, der sie bringt! MARIE .
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- Entsetzen!
DANTON. Das thut ein Weib, an Denen, die sie liebt, Und dieses Weib erkühnt sich mich zu schmähen? Mich zu verachten? — Holl' und Tod! dies Weib Ist meine ebenbürtige Genossin MARIE. Hinweg! - hinweg! DANTON. Hieher, Marie Roland! Hier steht der Mann, zu welchem Du gehörst. Mit dreistem Hohne. Der Haß ist oft nur mißverstand'ne Liebe, Ich bin vielleicht Dir theurer als Du glaubst, Wie Du mir ähnlicher als Du's gewußt. Zu mir! zu mir! Wir beide fest verbunden, Wir unterwerfen spielend uns die Erde! Er geht auf sie zu. MARIE. Zurück! DANTON. Flöß' ich Dir Abscheu ein? MARIE. Du mir? Den größten - ja! Tonlos. Und ich mir selber! ... DANTON. Abscheu? - So schwer gebeugt und trotzdem ungebrochen? So tief gesunken - ? MARIE. Noch nicht bis zu Dir! Dumpf vor sich hin.
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Wenn auch entsetzlich - von so stolzer Höhe Ο welch' ein Fall! ... Weh' über mich! ... Mir schwindelt ... Was wollt' ich hier? ... Verwirrt mein Sinn, umdüstert die Gedanken Das ist der Wahnsinn! ...Aufschreiend. Retten wollt' ich - retten! Es gibt noch Rettung, muß sie geben. — Fort! Sie stürzt hinaus. DANTON. Verlorene, fahr' hin! - stürz' in's Verderben Die Deinen und Dich selbst. - Ich geb' Euch auf: Ihr wollt den Tod. Ihr konntet meine Flügel, Jetzt aber müßt Ihr meine Brücke sein! Von der Straße herauf ertönt tausendstimmiger Ruf. Danton! Danton! Lacroix erscheint an der Thür des Sitzungssaales. LACROIX. Kommst Du, Danton? Die Deputirten alle Verbrüdern mit dem Volke sich; es ruft Nach Dir. DANTON. Ich komme! Ab mit Lacroix. Robespierre kommt durch die Mitte, Huissiers folgen ihm. ROBESPIERRE. Nicht mehr hier Danton? HUISSIER. Nun eben fort; er weilte lang. ROBESPIERRE.
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Mit w e m ?
HUISSIER. Mit wem? - Ich glaube mit dem Weib Roland. ROBESPIERRE. Mein guter Freund, Danton verräth das Volk. HUISSIER. Ich sag' es ja; er hält's mit der Gironde. ROBESPIERRE. Gebt Acht! gebt Acht auf seine nächste Rede. Er tritt an das Fenster, und blickt hinab, während das Geschrei auf der Straße fortdauert. Für sich. Sie lieben ihn zu sehr; er wird zu mächtig. Die Republik braucht weder Herrn noch Götzen.
Vierter Aufzug Decoration des ersten Aufzugs. Im Hintergrunde ein einfach gedeckter Tisch. Lichter auf demselben und auf dem Camin.
Erster Auftritt ROLAND. SOFIE.
ROLAND. Nach dem Convente, sagst Du, eilte sie? SOFTE. Und ihr, gewiß, verdankt Ihr Eure Freiheit. ROLAND. Mein armes Weib! SOFIE. Wär sie nur schon daheim! Mir bangt um sie, die schutzlos und allein ... Pochen an der Hausthür. 5
ROLAND. Sie i s t ' s !
SOFIE. Ο Gott sei Dank! Sie eilt ab. ROLAND geht nach bis zur Thüre. Ist sie's? Marie? Entsetzliche Erwartung! — Laß sie mir! Erbarme dich, erbarmungsloses Schicksal! Entmuthigt. Das ist nicht ihre Stimme, nicht ihr Schritt.
Zweiter Auftritt DER VORIGE. BUZOT.
BUZOT. Roland allein? ROLAND.
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DU siehst.
Aus weiter Ferne dumpfer Lärm, wie von wogenden Menschenmassen. BUZOT. Hörst Du? hörst Du? Bis hieher dringt, in Deine stille Wohnung Das wogende Gebraus des Menschenmeers, Das sturmbewegt, im Taumel wilder Lust Durch alle Straßen flutet, gräßlicher In seiner Freude als in seinem Zorn. ROLAND. Was erweckte diesen Siegesrausch? BUZOT. Die Zwölf sind abgesetzt und sind verhaftet, Wir selbst als Hochverräther angeklagt. ROLAND. Ein schwerer Schlag. Er finde uns gefaßt. BUZOT. Gefaßt nur? Ο Du spottest! nur gefaßt? -
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Erschöpft und muthlos liefert der Convent Dem Volk die Opfer seines Wahnsinns aus, Und wir, Roland, die Sieger von heut' morgens, Vernichtet jetzt, und feig und jämmerlich, Wir beugen uns dem neueren Erfolg, Wir knieen vor der Tyrannei des Schreckens! ROLAND. Was soll das heißen? Βυζοτ. Freund Roland! das heißt: Als der empörte Pöbel dem Convent Die kläglichen Beschlüsse abgetrotzt, Die uns verderben und die Republik, Zog die Versammlung aus dem Saal hinab Zu dem Gesindel auf der Straße, ihm D e n - B r u d e r k u ß zugeben! ... Freund Roland! Und sie, die angeklagten Girondisten, Die Deinen, Mann! die Unsern, die Genossen, Sie schlossen sich dem Zuge an, ο Himmel! Zu werben um des Trosses Huld und Gunst! ROLAND. Das kann nicht sein! Βυζοτ. Sie mischten ihre Stimmen In das Geschrei der Hunderttausende, Die jauchzend stürzen das Gesetz und Recht!
Dritter Auftritt DIE VORIGEN. VERGNIAUD, BARBAROUX, LOUVET.
BARBAROUX. Ο Schmach und Schande!
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ROLAND. Ist es wahr? ist's wahr? BARBAROUX. Ich sah, mit diesen Augen sah ich sie Dem Leichenzuge ihrer Ehre folgen! Βυζοτ. Heut' wird ein Fest gefeiert sonder gleichen, Es triumphirt ein Volk über sich selbst In seinen Besten, seinen Edelsten! In Lichterglanz gebadet ist die Stadt, Die sich dem Reich der Finsterniß verschrieb; Die Lüfte beben von dem Jubelschall
ihrer Ehre folgen (H, EK) ] ihrer Ehren folgen (E)
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Marie Roland Der Freiheitshymne aus der Brust von Knechten; Umringt von Fackelträgern feierlich Wallt der Convent dahin im Siegerschritt, Und preist den Tag, der seinen Ruhm begräbt! Die Opfer selbst, die man zur Schlachtbank schleppt, Sind von der Tollheitsseuche angesteckt, Und jauchzen mit! ROLAND. Ach dieser Todesgang! Ihm vorzuziehen wäre das Schaffot. VERGNIAUD. Ihm vorzuziehen? - Wir hatten keine Wahl, Und zwischen ihm und dem Schaffot gibt's keine; Er führt dahin. Der zagende Convent Gibt heute noch die zagende Gironde Dem Heldenvolke preis. Was soll er thun? Hat nicht Danton, der Triumvir, gegrollt? Hat nicht Danton gesprochen: "Nehmt sie hin!" Schlug jemals noch sein Donnerwort umsonst Dem großen Troß ans aufgeregte Herz? Schon ist die Stadt zum Feldlager verwandelt, Schon zieht ein lustig Heer von Sansculottes Bewaffnet mit Geschütz, mit Dolch und Flinte, An allen Thoren, allen Brücken auf. Wenn man bedenkt, daß alles dies geschieht Um zwei und zwanzig Männer zu bekriegen, So harmlos, daß sie nie ein Schwert umgürtet, Von so versöhnlicher Natur, daß sie Dem Falle ihrer Brüder zugejauchzt, Um sich die Gunst der Sieger zu erringen Dann kann man keck behaupten: diese Männer, Sie sind so gut wie todt und hingerichtet. BARBAROUX. Sie sind nicht harmlos mehr, nicht mehr versöhnlich, Getilgt aus ihrer Brust wie Sünd' und Schmach Ist jedes milde, friedliche Gefühl! Ausbrechend. Wir wollen mindestens als Löwen sterben, Wenn wir, Gott sei's geklagt, auch leider, leider, Als Löwen nicht gelebt! - Zum Kampf - zum Kampfe!
I. Text
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Vierter Auftritt DIE VORIGEN. MARIE.
Sie ist bei den letzten Worten Barbaroux' eingetreten, und von den Uebrigen unbemerkt am Eingang stehen geblieben. MARIE
vortretend.
Hinweg Ihr Freunde! - fort - in die Provinzen! ALLE. M a r i e !
ROLAND.
Sie ist es! ... Ο mein Kind!
MARIE.
Roland!
ROLAND. Hab' ich noch eine Regung für die Freude? Buzot, Barbaroux und Vergniaud fast zugleich. BUZOT zu Marie. So bleich - so außer Dir? BARBAROUX.
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DU k o m m s t - w o h e r ?
VERGNIAUD. DU wagtest Dich hinaus an diesem Tag? MARIE dumpf. Ich sprach Danton, und sprach ihn im Convent. BARBAROUX. Wozu? - Doch nicht um ihn uns zu versöhnen? MARIE. Versöhnen? - Ο die Flamme seines Hasses Sie lodert hell wie nie, umzüngelt Euch Verderbendrohend, zeichnet meine Stirn Mit einem Brandmal unauslöschlich, ewig! BUZOT. M a r i e !
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ROLAND. Besinnung! Wie? kann ein Danton sie rauben Der reinen Frau des redlichen Roland? MARIE. Ich bin verflucht! - bin Eure Mörderin! Βυζοτ. Verflucht durch ihn? ... Sein Fluch ist unser Segen, Und seine Schmähung unser höchster Preis! MARIE. Entflieht! entflieht! Eh' noch der Morgen graut, Wird durch die Straßen die Empörung rasen, Und gegen Euch Paris in Waffen steh'n. Nach der Gironde, nach dem Calvados geht; Der Tarn, der Lot, Cantal und Puy-de-Döme Erklären sich, im Zwist mit dem Convent, Im Süden gährt's, im Norden bietet Caen Den Girondisten eine Zufluchtsstätte; Dorthin Buzot, Roland! ... BUZOT. Dorthin Louvet! Zu Barbaroux. Du aber, nach der Vaterstadt Marseille!
Hinweg Ihr Freunde! - ] Hinweg ihr Freunde! -
Setzfehler
Marie Roland
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MAklE. Lyon erhebt sich, schüttelt ab die Ketten Des blutigen Marat; Bordeaux wirbt Truppen; Von allen Grenzen, allen Marken, kommen Die Freunde, die Genossen Euch entgegen! Stellt Euch an ihre Spitze, führet sie, Erscheinet vor Paris, als die Befreier Der Freiheit! ROLAND. Mit bewehrter Faust? - gefolgt Von einem Heer? BARBAROUX. Von einem bald geworb'nen! Vor Kriegslust brennt ein jedes Herz im Lande. LOUVET. Zum Kampfe denn! Ich bin kein Mann des Schwerts, Doch zwingt man mir das Eisen in die Hand, So will ich's führen wie ein Mann des Schwerts! VERGNIAUD. In Caen errichtet Ihr den Herd, das Centrum Des Aufstands gegen die Tyrannen von Paris. BARBAROUX. Zehntausend Mann stellt mein Marseille. LOUVET. Nicht weniger Toulouse, Lyon und Nimes. Βυζοτ. Brissot soll nach Moulins, das ihn erwartet. VERGNIAUD. Und Grangeneuve entsend' ich nach Bordeaux. ROLAND. Ist's möglich? - träum' ich denn? bin ich verrückt? Wißt Ihr, was Ihr beschließt? MARIE nach einer Pause. Wir wissen es. ROLAND. Was Ihr beschließt, es ist der Bürgerkrieg! Die blutigste, die schärfste aller Geißeln. Die je der Mensch geschwungen über Menschen; Der Abgrund, aufgerissen unter ihr, Der heiligen, der heimatlichen Erde; Der Streit, getragen in des Armen Hütte, Wild tobend in den Werkstätten des Fleißes, Am stillen Herde, in der Freunde Kreis! Der Bürgerkrieg! das grause Widerspiel Von Allem, was wir glühend angestrebt, Von Allem, was dem Volke zu erringen Wir i h m gelobt und u n s mit Manneswort: Der Bürgerkrieg! Reizt Euch's ihn zu entzünden? MARIE. Sie thun es nicht mit frevelhaftem Leichtsinn! Dies ist kein Kampf in dem der Ehrgeiz siegen, errichtet Ihr (H) ] errichtet ihr Setrfehler Ihr beschließt? ] ihr beschließt, Setzfehler
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In dem ein Einzelner gewinnen will. Dies ist ein Kampf Gerechter für das Recht. Vom Joch Danton's soll er das Volk erretten LOUVET. Vor der Partei'n, vor seiner eig'nen Wuth VERGNIAUD. Vor Anarchie und Zügellosigkeit. BARBAROUX. Er soll den Boden ebnen, den zerriss'nen, Auf welchem wir den Bau der Republik Errichten wollen für die Ewigkeit. Er soll als Racheengel sich erheben, Auf Flammenflügeln durch das Chaos wettern, Vertilgend treffen jeden gift'gen Keim, Den heilsamen mit Götterkraft befruchten; In seinem Flug der Furien Fackeln löschen, Anfachen aber jeden reinen Funken, Der schüchtern jetzt noch unter Trümmern glimmt, Daß er, ein Strahl der Himmelssonne: Wahrheit, Die Finstemiß mit seinem Licht durchflute, Gedeih'η und Leben hauche durch die Welt! ROLAND. Bethörte! hofft Ihr Lebensernte von Der Todessaat? - Ergreift auch Euch der Rausch Der Jacobiner? ... Bleibt Ihr selbst! Steht fest Im Wirbel, in der Brandung, felsenfest! MARIE. Sind wir aus Stein? - Ε s g i b t k e i n S t e h e n b l e i b e n ! ROLAND. Ο Schicksal! - W i r der Zwietracht Lohe schürend, Die Rache athmend, sie erregend - w i r ? ! VERGNIAUD. Weiß Gott, Roland, ich wollte dieses Volk Erlösen durch die Liebe. - Schwärmerei! Der für das Wohl der Menschen einzig ringt, Der mache sich auf ihren Haß gefaßt, Gefaßt auf den erbittertsten der Kämpfe. Laß diese Männer ihres Weges zieh'n, Sie müssen vorwärts und sie sollen so. MARIE. Sie m ü s s e n vorwärts und sie s o l l e n so! Für sich. Unhold Danton, da liegt der Unterschied, Der grenzenlose, zwischen Dir und uns: Wir h a b e n recht gethan, wir t h u n recht! ... Unwürd'ger Zweifel, Höllenqual der Reue, Wie Staub aus meinen Locken schüttl' ich Euch Und Euer Gift mir aus der reinen Seele!
wir t h u n
recht! ... (E K ) ] wir t h u e η recht!...
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Marie Roland Β υ ζ ο τ . Kein Zaudern, kein Bedenken mehr - : an's Werk! Zum letzten Opfer oder letzten Sieg. MARIE. Mein Segenswunsch folgt jedem Eurer Schritte, Gebet für Euch ist jeder Athemzug! ROLAND. Ihr unternehmt das Ungeheuere, Mögt Ihr's vollführen. BARBAROUX. DU bleibst nicht zurück! ROLAND. Ich bin ein Angeklagter. BARBAROUX. Ich bin's auch. Auf die Uebrigen Und der - und der - und welcher ist's denn nicht? Und welcher fordert jetzt Rechtfertigung In diesen Tagen und von diesen Richtern? VERGNIAUD. Gib nach, Roland! LOUVET. Gib nach! BARBAROUX. Entschließe Dich! VERGNIAUD. Dein Platz ist bei den Deinen. Meiner ist Noch in Paris. Ich gehe mit dem Sturm; Gelingt mir's hie und da, in sein Gewirbel Ein sprühend Wort des Licht's hineinzuwerfen, So hat der - Redner wohl genug gethan. MARIE. Auch ich will bleiben. Βυζοτ. Du?! - in ihren Händen? MARIE. Soll ich durch meine Flucht Verdacht erwecken? So lange hier das Weib Roland's noch weilt, So lange glauben sie Roland nicht fern. BUZOT. Doch wenn der Krieg erklärt, wenn offen wir Erheben unser Banner? MARIE. Dann? Βυζοτ. Dann richtet Sich gegen Dich das Wüthen der Tyrannen. MARIE. Ich biet' ihm Trotz! - ich kann's, mich liebt das Volk. Sie wagen nicht an mir sich zu vergreifen; Doch wagten sie's in sinnloser Verblendung, Kein harmlos Opfer stieg ich aufs Schaffot. Mein fließend Blut entflammte heiß zur Rache Viel tausend Herzen, die jetzt ängstlich zagen. Ο daß sie's trieben zu dem Aeußersten! Daß sie mir's gönnten, von der Guillotine Herabzublicken auf die stille Menge, Die ringend nur den Aufschrei der Empörung Erdrückt auf ihren zornesblassen Lippen, Zu lesen in den Augen, in den Mienen:
zeigend.
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"Das Maß ist voll, Dein Blut macht's überströmen!" - Entzücken! - Ο Danton, Danton, mich lockt's, Allmächtig lockt mich's, Dir zu zeigen, Teufel! Wie schwer ein Haupt wiegt in der Schicksalswage, In dem gelebt ein göttlicher Gedanke! Alle blicken sie mit stummen Entsetzen an. ROLAND nach einer Pause. Ein unstät Wanderleben werd' ich führen Und kann nicht sagen, komm' und folge mir! Nur Eins vernimm und präg's in Deine Seele: Was m i r das Volk gethan, es ist vergessen, Verzieh'n im voraus ist jedweder Frevel, Den noch sein Wahn an mir vollbringen wird; In der Verbannung, auf der Folterbank, Auf die sein Undank und Verdacht mich spannt, Bleib' ich sein treuergebener Tribun. Doch e i n Verbrechen kann dies Volk begeh'n, Das mir das Herz verwandelt in der Brust, Und hin mich stellt in seiner Feinde Reih'n; Und dies Verbrechen ist - : der Mord an Dir! MARIE. Roland! ROLAND. Mit meinem Weibe tödten sie Das Beste, das mein eigen war: die Liebe, Und lassen mir nur Haß für Frankreich übrig; Mit Seligkeit erfüllte mich sein Elend, Und mit Verzweiflung sein erblühend Glück; Ich würde - kurz gesagt - ein schlechter Mann. Und weil ich nun es nimmer werden will, Weil ich mein Volk nie hassen lernen will, So muß ich sterben an demselben Tag, An dem es sich zu Deinem Mörder macht. Ich lege Dir mein Leben an das Herz. MARIEfür sich. Gebunden! fest geschmiedet ewig an Die Pflicht! ... Ohnmächtig Weib! VERGNIAUD. Die Nacht rückt vor. Kaum Euer ist die nächste Stunde noch. ROLAND. Zum letzten Mal labt Euch an meinem Tisch. Lecoq und Sofie haben den Tisch in die Mitte der Bühne getragen. LOUVET nimmt ein Glas vom Tische. Der erste Tropfen dieser edlen Labe, Der meine heißen Lippen heut' erquickt, Der Republik, für die zum Kampf wir geh'n! ROLAND ebenso. Der Reinen, Hohen, die wir uns gedacht, Der Mutter aller Tugend, aller Größe.
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Marie Roland
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Auf ihren Sieg! ... Auf meinen Untergang, Wenn er des Sieges Preis! BARBAROUX ebenso. Was liegt an uns? Für mich begehr' ich von der Zukunft nichts Als einen Tod, vom Strahl des Ruhms umglänzt. Ob auf dem Schlachtfeld oder der Tribüne Er mich ereilt, er nahe schön und stolz Im Flammenkusse der Begeisterung Entringe meine Seele sich dem Dasein. VERGNIAUD ebenso. Wir trinken auf das Leben und den Tod! Von beiden eins birgt diese Nacht für uns In ihren Schatten. Komme, welches mag! Es schwinde jeder selbstische Gedanke. In unsern Herzen habe keiner Raum, Der: "Frankreich" nicht, der nicht: "die Freiheit!" heißt. Wär' dieses Glas mit meinem Blut gefüllt, Ich leerte es aufs Wohl der Republik! ALLE erheben ihre Gläser. Aufs Wohl der Republik! Sie lebe! lebe! Man hört die Sturmglocke läuten, die Trommel schlagen; die Allarm-Kanone gibt Schuß auf Schuß. ROLAND. Der Feind erwacht und seine Mahnung tönt. LOUVET. SO bald? Wohlan, wir folgen ihm, und ich zuerst. ROLAND. Und wohin soll ich meine Schritte lenken? VERGNIAUD. Geh nach Rouen, und harre dort der Freunde. Ihr sollt die Stadt verlassen ungesäumt, Doch ziehe jeder seines Weg's allein; Trefft Euch im Walde von Montmorency. LOUVET reicht Marien die Hand. Leb' wohl! MARIE ZU ihm und Barbaroux. Leb' wohl, Louvet! und Du, leb' wohl! BARBAROUX. Ich sag': Auf Wiederseh'n! Ich gehe froh. Der kämpfen darf für eine gute Sache. Der siegt im Tode noch. Kommst Du, Buzot? Ab mit Louvet. Β υ ζ ο τ zu Roland. Auf morgen. Zu Marie. Auf - die Ewigkeit! MARIE. Buzot! Buzot kniet nieder. Ich segne Dich. Bleib' treu der Tugend, Freund! Kannst Du für sie nicht leben, stirb für sie,
Trefft Euch im Walde (H) ] Trefft euch im Walde Setzfehler
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Text
Stirb frei vom Joch unedler Leidenschaft, Das Recht nur wollend, könnend was Du willst. Kiißt ihn auf die Stirne. Ich segne Dich. Nimm diesen Schwesterkuß, Und alles Wohl der Erde auf Dein Haupt! Βυζοτ. Marie! Marie! R O L A N D leise zu Vergniaud. Führ' ihn hinweg. Vergniaud nimmt Buzot's Arm, und führt ihn dem Ausgange zu. Marie bleibt in der Mitte der Bühne stehen, das Gesicht mit den Händen bedeckend. R O L A N D öffnet ihr die Arme. Hierher! Hierher, Marie! Nach einer Pause. Komm mit zu uns'rem Kinde. Beide ab, nach rechts. BUZOT der an der Thüre wie angewurzelt stehen blieb. Ich sehe sie nicht wieder - niemals - nie! VERGNIAUD. D U träumst! - Wo blieb Dein Muth? Bist Du ein Mann? Βυζοτ. Laß mich! - Zurück! - Ich will ja nur noch einmal Die Schwelle küssen, die ihr Fuß betrat. Gönn' meiner Brust noch einen Zug, noch einen, Von dieser Luft, die ihren Athem trank Dem Aug' noch einen Blick in diesen Raum, Den ihre süße Gegenwart verklärte! ... Du bist mir heilig - Raum, der s i e umfing! Mein erst' Gebet in reifen Mannesjahren, Ich sprach es hier; an Gottes Güte glauben, Sie lehrte mich's, die still allhier gewaltet; Durch ihre Worte nicht - ο nein! sie lehrte Mich's d a d u r c h ,daß sie l e b t e , d a ß sie w a r ! Roland und Marie erscheinen an der Thüre rechts. BUZOT ohne zu ihnen hinzusehen. Dich ruf ich an, Barmherzigkeit des Himmels, An der ich zweifelte, an die ich glaube So fester als Du ärger wirst gelästert! Barmherzigkeit des Himmels, schütze sie! VERGNIAUD. Und uns're Heimat, - Dich - uns Alle! R O L A N D und M A R I E . Alle! V E R G N I A U D Buzot und Roland fortdrängend. Folgt mir! Zu Marie. Leb' wohl! Vergniaud, Buzot und Roland ab. M A R I E allein. Nach langer Pause. Barmherzigkeit des Himmels? Das ist ein Wort nur - nur ein leeres Wort!
MARIE allein. (E K ) ] Vierter Auftritt. MARIE allein.
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Marie Roland - W ä r ' i c h ein Gott, und wäre i c h barmherzig, Es lebte kein Geschöpf in meiner Welt, Dem so das Herz zerrissen wär', wie's hier, Ach, dieses ist! -
Fünfter Auftritt VORIGE. SOFIE
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SOFIE athemlos. Gebieterin!... MARIE. Was willst Du mir? SOFIE. Ein Commissär des Comite's Wie sagt er nur? - und ein'ge Herrn von der - Sie stockt. LECOQ kommt. Vom Insurrections-Comite Sind Leute da, die Dich zu sprechen wünschen. MARIE. Ich spreche niemand. LECOQ. Herrin - ich befürchte, Du wirst - sie sprechen müssen. ... SOFIE. Ο mein Gott! Da sind sie schon.
Sechster Auftritt VORIGE. NICAUD. DREI COMMISSÄRE DES INSURRECTIONS-COMITE'S. DER FRIEDENSRICHTER. MUNICIPALGARDISTEN.
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Sie lassen die Thüre offen stehen. Die Vorhalle und das Zimmer fällen sich nach und nach dicht mit Menschen. NICAUD. Verzeihung, Bürgerin; man läßt uns warten, So treten wir unaufgefordert ein. Nach einer kurzen Pause. Roland ist ausgegangen, wie ich höre; Das thut mir leid, denn wir - mit einem Wort Wir kommen, ihn und Euch zu arretiren, Und hier die Siegel anzulegen. MARIE verloren. Wohl. LECOQ für sich. Was sagt sie? - "Wohl"? - Ο Donnerwetter! "wohl"? Zu Marie. Frag' doch nach ihrer Vollmacht.
I. Text
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Eure Vollmacht? Nicaud. In bester Regel - bitte! Hält ihr die Vollmacht vor. MARIE. Es ist gut. LECOQ. Was wäre gut? Hier ist nichts gut - Besinn' Dich! Ergreift und schüttelt ihre Hand. Besinn' Dich! träumst Du? - bist Du krank? Zu Nicaud. Mein Herr NICAUD. Es gibt in Frankreich keine "Herren" mehr. LECOQ. Mein - Bürger also! Für sich. Hol' der Teufel alle! Laut. Ich bin zur Stund' dereinz'ge Mann im Hause, Und bin zum Schutze dieser Frauen hier. Nun hört: Ihr dürft die Frau nicht arretiren. ... Die nächtlichen Arrestationen, Herr, - Will sagen, Bürger, Herr! - sind Euch verboten! ERSTER COMMISSÄR halblaut zum zweiten. Ein starker Bursch! gesund und jung, und dennoch Der wird nicht alt, glaubt mir. ZWEITER COMMISSÄR lächelnd. Ihr seid Profet. NICAUD zum zweiten Commissär, auf Lecoq deutend. Setzt den auf Eure Liste. ERSTER COMMISSÄR zum zweiten leise. Hatt' ich Recht? NICAUD ZU Lecoq. Die nächtlichen Arrestationen, Freund? Er löscht die Lichter; die matte Helle des grauenden Tages bricht herein. Jetzt ist es Tag! Auf Marie zugehend, sehr höflich. Wenn's Euch gefällig wäre MARIE. Ich folge Euch. SOFIE. Nein! nein! LECOQ knirschend. Gebieterin! M A R I E ZU ihnen. Geduld und Muth! Zu den Commissären. Nur meiner Tochter noch Ein Lebewohl. Sie geht der Thüre rechts zu. NICAUD vertritt ihr den Weg. In uns'rer Gegenwart Wir müssen bitten. M A R I E ZU Sofie. Bringe mir das Kind. Sofie ab nach rechts. MARIE. Gestattet mir zu schreiben ein'ge Worte An eine Freundin, der ich sie empfehle. M A R I E ZU NICAUD.
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ERSTER COMMISSÄR. W e n ? sie?
MARIE.
Eudora, meine Tochter.
NICAUD.
Schreibt was Ihr wollt, doch das Gericht wird lesen.
Schreibt,
Marie Roland
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Marie setzt sich an den Schreibtisch und wirft rasch einige Zeilen auf ein Papier. Nicaud liest über ihre Schulter. Während dem öffnen und durchsuchen die Commissäre und ihre Leute die Schränke. Lecoq geht händeringend auf und ab. Sofie kommt mit Eudora. MARIE erhebt sich. Zu Nicaud, auf den Brief deutend, den sie offen auf dem Schreibtisch liegen läßt. Die Bitte einer Mutter, Herr. NICAUD.
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An w e n ?
MARIE. An eine Mutter. Zu Eudora, die in ihre Arme fliegt. Armes, liebes Kind! EUDORA. Was wollen die? Warum weckt man mich auf? MARIE. DU sollst zu Deiner kleinen Spielgefährtin. EUDORA. Ach, zu Adele La Touche? MARIE ZU Sofie. Führ' sie dahin. Den Brief vom Tische nehmend und in Eudora 's Hände legend. Den Brief gib ihrer Mutter; sage ihr ... Nein - sage nichts, als nur - daß ich Dich schicke. Was ich ihr sagen wollte, und nicht konnte, Das wird sie fühlen, wenn sie Dich umarmt. EUDORA. Kommst Du nicht mit? MARIE. Ich komme später nach ... Umarmt sie wiederholt. Leb' wohl, leb' wohl! EUDORA. Ich will nicht von Dir fort Ich bleib' bei Dir! Sie umklammert Mariens Knie; Lecoq und Sofie umdrängen ihre Herrin. SOFIE. Ο meine güt'ge Herrin! LECOQ mit geballter Faust gegen die Commissäre. Bevor ich's zugeb', daß ... NICAUD. Laß gut sein, Bester! Er gibt den Municipalgardisten einen Wink. Diese treten zwischen die Commissäre und Lecoq, und drängen ihn zurück. LECOQ. Verwünschte Memmen! Zwanzig gegen Einen NICAUD ZU den
Municipalgardisten.
So recht! - Nur ruhig - sanft! MARIE ZU Lecoq. Ich bitte Dich! FRIEDENSRICHTER ZU Marie. Ihr werdet sehr geliebt. MARIE. Ich werd' geliebt, Ja - weil ich liebe. Reißt sich von Eudora los; zu Sofie. Sorge für das Kind. NICAUD. Darf ich den Arm Euch bieten? MARIE.
Dank.
I. Text
513 Sie geht voran. Nicaud und die Municipalgardisten, folgen mit Lecoq. NlCAUD auf Lecoq deutend. Laßt mir den Burschen los! - Leise. Ihr holt ihn morgen, Ganz stille, ohne Aufseh'n. Gegen die Vorhalle, die mit Menschen überfüllt ist. Ihr! macht Platz! Gelächter und Geschrei. EINIGE WEIBER. Macht Platz der Königin Roland!
EUDORA.
Ο Mutter!
Wo führen sie Dich hin? EINZELNE STIMMEN, den Lärm
übertönend.
Zur Guillotine!
Fünfter Aufzug In der Conciergerie Kleines Zimmer mit vergittertem Fenster, auf dem Blumen stehen. Neben dem Fenster ein Tisch aus weichem Holze bedeckt mit Büchern, Schreib- und Zeichnengeräth. Zwei Strohstühle. Im Hinter gründe ein Ruhebett. Erster Auftritt
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SOFIE vom SCHLIESSER eingelassen. Sie trägt Blumen, die sie später in Gläser und auf das Fenster setzt. SCHLIESSER. Ihr könnt hier warten, bis sie wiederkehrt Nach dem Verhör. SOFIE. SO hat es denn begonnen? SCHLIESSER. Sie steht vor ihren Richtern. SOFIE. Schütz' sie Gott! Mir ist die Brust von Qual und Angst zerspalten. ... SCHLIESSER. Stellt Eure Blumen her; daher! ... Schon recht; Den Rosenstock ein wenig weiter links, Damit er so das Gitterwerk verstecke. Noch weiter ... Halt! - 's ist gut, jetzt sieht man's nicht. SOFIE. Glaubst Du, weil man's nicht sieht, es sei verschwunden? Die Eisenstäbe Eurer Kerker fallen Nicht nur ins Aug', sie fallen auf das Herz. SCHLIESSER. Hab' ich sie eingefügt? kann ich dafür? Stellt Euer Unkraut hin, wie's Euch beliebt 's ist ohnehin das Letzte, das Ihr bringt. SOFIE. Was sagst Du da? SCHLIESSER . Nur was Ihr selber wißt. Sie wird verhört. Spricht das Gericht sie frei, Dann zieht sie fort und braucht des Krams nicht mehr. Wird sie verurtheilt, zieht sie wieder fort, Und wieder braucht... SOFIE bricht in Thränen aus. Ο meine arme Herrin! SCHLIESSER. Ich bitt' Euch, winselt nicht. Mir wird's zu viel. Ich war ihr gut, der Bürgerin Roland, So lang sie sich vernünftig hier benahm, 's ist gut, (H) ] s' ist gut, Setzfehler
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I. Text
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Die Mitgefang'nen freundlich tröstete, Selbst heiter blieb und And're heiter machte. Doch jetzt - seitdem sie still und traurig ist, Und stundenlang an diesem Fenster lehnt, Und sich die Stirne wund am Gitter drückt, Kein Wort mehr spricht, und weint oft wie ein Kind Jetzt ging er flöten, mein Respekt für sie. Ich denk': Aha! die gute Laun' ist fort, Seitdem man nichts mehr von den Freunden hofft; Seitdem der Aufruhr glücklich unterdrückt, Den Barbaroux, Buzot, Roland, Louvet, Erregt und angeführt in den Provinzen; Seit die Verräther vogelfrei erklärt Und wie gehetztes Wild das Land durchirren; Seit Vergniaud und seine Spießgesellen, Geendet haben auf dem Blutgerüst. ... Man sieht es klar, an ihnen hing ihr Heil SOFIE. An ihnen hing ihr H e r z , ihr starben Freunde Sie trauert um die Menschen, die sie liebte. SCHLIESSER. Sie soll nicht lieben, die dem Volk verhaßt, Soll nicht betrauern, die das Volk gerichtet! Das macht verdächtig, das führt aufs Schaffot. Und 's ist doch schad'! - und ist der größte Unsinn Und ist... Allein, was Teufel kümmert's mich? EIN HUISSIER ruft durch die halbgeöffnete Thüre dem Schließer im Vorübergehen zu. Paßt auf, Gevatter, die Gefang'ne kommt! Schließer öffnet. SOFIE. Sie kommt! - Sie ist -
Zweiter Auftritt MARIE,
von vier
gefolgt, denen sie raschen voraneilt, erscheint im Gange.
MUNICIPALGARDISTEN
Schrittes
ihr entgegen. Ach, freigesprochen - frei! Die Municipalgardisten bleiben an der Thüre zurück. Marie tritt ein. SOFIE. Ich lese es auf Deinem Angesicht, SOFIE
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ihr starben Freunde (H) ] Ihr starben Freunde
Setzfehler
Marie Roland
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Entlarvt hast Du die Lügner und Verläumder! MARIE. Sie selber drücken - sie mit eig'nen Händen Den Siegeskranz verklärend auf mein Haupt! SOFIE. Dein Auge leuchtet, Deine Wange glüh't. ... Wie lange sah ich also Dich nicht mehr, Geliebte Herrin! Beste, Gütigste! ... MARIE. Nun sieh, - da ich so glücklich bin und froh, Mußt Du es sein, darfst mir nicht klagen - nicht, Wenn Du vernimmst SOFIE. Wenn ich vernehme? - Sprich! MARIE. Getrost! Was blickst Du mich so angstvoll an? - Ich geh' zur Ruhe ein. SOFIE. Zur ewigen? ! Sie haben ...? Himmel! haben Dich verurtheilt! MARIE. SO nennen s i E' S. Wir wollen's anders nennen, Wir wollen sagen - Du und ich - sie haben Mich gleich gestellt den Edelsten und Besten, Mich werth gehalten Eines Schicksals mit Den Märtyrern der Freiheit und der Pflicht. Dies Los, dies schöne, sollst Du mir vergönnen, Und weinen nicht - nicht jetzt - dazu ist Zeit Auch später - dann - bis ich es nicht mehr sehe, Bis es mir nicht mehr weh thut - bis ich schlafe. Sie hat sich auf den Stuhl am Tische gesetzt, Sofie kniet bei ihr. SOFIE. Willst Du mich trösten? Jedes Deiner Worte Zerfleischt mein Herz ... SCHLIESSER. Und mich - verdrießt ein jedes Ihr habt was Ihr verdient. Die Republik Thut keinem Unrecht. MARIE leise vor sich hin. Außer - ihren Gründern. SCHLIESSER ohne sich unterbrechen zu lassen. Und wenn ich auch die Elenden verachte, Die winselnd auf den Henkerskarren kriechen So achte ich deßhalb die Hoffart nicht, Die ihn besteigt wie einen Sieges wagen, Und bis zum Block die Ueberzeugung trägt Von ihrem Werth und aller Andern Unwerth. Die Hoffart mahnt zu sehr mich an die Frau, Die hier die Zelle nebenan bewohnte Ein Kämmerchen, so dumpfig feucht wie dieses; Vier Wochen sind's seit man sie weggeführt; Sie hieß bei uns: die Witwe Louis Capet's,
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Und war dereinst - die Königin von Frankreich. Schließer ab. MARIE. Die Königin von Frankreich? Und mit i h r Vergleicht man m i c h ? - Ich sterbe ohne Schuld. SOFIE sanft verweisend. Und sie - sie hat die ihre reich gesühnt. MARIE. Gesühnt? ... Nach einer Pause. Auf ihrer Fahrt nach dem Schaffot Ward sie verhöhnt, und Flüche folgten ihr Bis in das Grab hinein. Nicht eine Hand Erhob sich kühn für sie, in keinem Aug' Erglänzte eine Thräne, und sie selbst Blieb starr und kalt - die Königin aus Stein! SOFIE. Sie war nicht kalt. Nicht Alle fluchten ihr. Als sich der Zug dem Richtplatz näherte, Wo thierisch jauchzend ihn das Volk empfing, Da trat ein armes Weib aus dem Gewühl Und hob sein Kind zur Königin empor; Und jenes, beide Händchen nach ihr streckend, Warf freundlich lächelnd einen Kuß ihr zu. Sie blickte weg - daß nicht der stumme Gruß, Von ihr bemerkt, es auch vom Pöbel würde, Und Unglück brächte denen die ihn boten. Sie blickte weg - sie sprach nicht, zuckte nicht, Doch überströmte Glut ihr Angesicht, Und schwere Tropfen traten ihr ins Auge. Bei'm Anblick dieses Kindes dacht' sie wohl An ihre M A R I E mit einem Aufschrei. Halte ein!! ... Nichts mehr von ihr! Sich mühsam fassend, leise vor sich hin. Als man den Sohn ihr nahm, sprach sie ein Wort, Das mich ergreift, so oft ich daran denke; Sie sprach: "Jetzt kann mir nichts mehr wehe thun!" Ο Leid, das aller Leiden spottet - Leid Der Mutter um ihr vielgeliebtes Kind! ... Zu Sofie. Mein Töchterchen, Sofie, wie geht es ihm? SOFIE. Ach, sie ist wohl, die Kleine, und vergnügt. Mein Gott, die Kinder! MARIE. Frägt sie noch nach mir? SOFIE. Gewiß - wie oft! - Sie ruft Dich, weint ein Stückchen, Läßt sich vertrösten, singt und lacht und spielt, Schläft abends mit der festen Hoffnung ein, Du würdest sie am nächsten Morgen wecken, Und kommt der Morgen - denkt sie nicht mehr d'ran.
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MARIE. - Ja - sie wird mich vergessen, mich entbehren. Doch Einer ist, der dies nie lernen wird: Mein Gatte, weiß ich, überlebt mich nicht. Wenn Du ihm Kunde gibst von meinem Tod, Den ich nicht tollkühn selbst herbeigeführt, Fleh' ihn nicht an, dem Kind sich zu erhalten; Es wäre grausam, und es wär' vergebens. Ein Maß besitzt die Kraft der Menschenseele, Und das der seinen - morgen wird's erreicht. Ein And'rer lebt, von welchem m e h r ich ford're: Er darf nicht sterben, weil ein Weib gestorben, Und war es auch das Weib, das er geliebt. SOFIE. DU sprichst - von ... Stockt. MARIE. Von Buzot. Was zögerst Du? Ich darf den Namen nennen ohne Scheu. Sie nimmt Papiere vom Tische. Ihm bringe diese Blätter, die Vertrauten Der Qual und Sehnsucht, die um ihn ich litt. Und hier - sein Bild - mein Trost in allem Weh ... Darf mich's begleiten auf dem letzten Gang? Wie gerne nähm ich's mit! - wie gerne küßten Es meine Lippen, wenn schon auf dem Block ... Sie hält inne. Mit Entschluß. Doch soll's nicht sein. - Das Bild küssend. Leb' wohl - und zürne nicht, Daß ich Dich von mir weise - wie im Leben, Im Sterben noch! - Mein bestes Gut, in die Getreu'sten Hände: - Nimm es hin. Wenn Du Ihn wiedersiehst ... SOFIE. Werd' ich ihn wiederseh'n? Er ist vielleicht Dir schon vorangegangen. MARIE. Nein, nein, er lebt! ich fühl' es. Sein Gedanke Umschwebt mich - ist mir nah! Rütteln an der Thüre, Stimmen außerhalb derselben. SOFIE. Wer kommt? - Hörst Du? STIMME DES SCHLIESSERS. W O h a b t I h r d i e E r l a u b n i ß ? STIMME LODOISKA'S.
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Gezeichnet von Garat. MARIE. Ο welche Stimme! Schließer öffnet die Thüre.
H i e r ist s i e ,
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Dritter Auftritt V O R I G E . LODOISKA tritt
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MARIE in ihren Armen. Das ist die Freundin! das ist Lodoiska! LODOISKA. Gekommen, Dich zu retten, zu befrei'n. SOFIE. Ο Herr im Himmel! MARIE. Mich befreien? - mich? Durch wessen Hülfe? Sag', wer sandte Dich? Woher kommst Du? was weißt Du von Roland? LODOISKA ausweichend. Ich komme von Quimper. Ich eilt' dahin, Als mich die Nachricht wie ein Dolchstich traf, Vom Siege uns'rer Gegner bei Vemon. Die e i n e Schlacht brach alle Hoffnungen, Zerstörte alle Pläne der Gironde MARIE. Roland focht sie nicht mit, war in Rouen ... LODOISKA wie oben. In Sicherheit, indeß Buzot, Louvet, Und Barbaroux, und Ein'ge ihres Anhang's, Getrennt vom armen Rest der Bataillone, Getrieben von den Häschern des Convents ... MARIE. Doch insgeheim vom Volk beschützt LODOISKA. Vom Volke? - Von ihm gehaßt. verläugnet MARIE. Lodoiska! LODOISKA. Allüberall zurückgestossen — MARIE.
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ein.
Oh! -
Ο meine Hoffnung! meine Zuversicht! LODOISKA. - Dem Elend preisgegeben, obdachlos Die müden Schritte lenkten gen Bordeaux. MARIE. Und - es erreichten? - Ja? ... LODOISKA. So - hoffe ich. Louvet, erkrankt, mußt' sich von ihnen trennen Sie schieden MARIE. Muthvoll? - auf die Zukunft bauend? LODOISKA. An ihr noch nicht verzweifelnd, denn Du lebst! MARIE zuckt schmerzlich zusammen. LODOISKA. DU lebst und wirst sie wiederseh'n! MARIE. Wenn's drüben Ein Wiedersehen gibt. LODOISKA. Nein, nein, Du sollst MARIE. Und Ihr? Du und Louvet? LODOISKA .
E r ist gerettet!
Marie Roland
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Geborgen in Rouen ... MARIE vor sich hin. Sie rettet die Sie liebt. Ich - tödte sie. Laut. Rouen? - Nun dort Dort saht Ihr i h n - Roland! ... Ihr saht ihn nicht? Sag' Alles! - Doch - Du hast es schon gesagt Dein Schweigen spricht. - Mein Gatte ist nicht mehr. LODOFSKA. - Vor wenig Tagen bracht' man ihm die Kunde, Die falsche, Deines Tods. Er hörte sie Mit Fassung an, verließ sein sicheres Asyl, und zog allein des Weges fort, Die Richtung nehmend gegen Baudoin. In jenes Städtchens Nähe fand man ihn Am nächsten Tag im Grase liegend, friedlich, Das Haupt an eines Baumes Stamm gelehnt, Den Dolch in seiner Brust, ein Lächeln auf Den Lippen. SOFIE. Gott - mein Gott! LODOISKA.
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Landleute, die
Vorüber zogen, glaubten, daß er schliefe. MARIE. Ich folge Dir, Roland, mein armer Freund. Der ernste Pfad, den heiter Du betreten, Weil Du gewähnt, ich sei vorangeschritten, Er öffnet sich vor mir, und schreckt mich nicht. Wohin er führe, führt er doch - Dir nach! LODOISKA. DU darfst nicht sterben! darfst nicht! Nicht dem Todten, Den Lebenden gehört die Lebende! Denk' an Dein Kind, Marie, und denk' an Ihn, Den Nächsten Dir nach Deinem Kinde jetzt, An i h n , der nichts auf Erden hat, als - Dich! MARIE fällt ihr ins Wort. Ο - schweige! schweige! LODOISKA. Rette Dich! - entflieh! Du kannst entfliehen - Alles ist bereit. Die Wache und der Pförtner sind gewonnen, Ein Wagen wartet auf dem nahen Quai; Er bringt Dich nach Pontoise, wohin La-Touche Mit Deinem Kinde heut' vorangeeilt; Der führt Dir's zu - und sorgt für Euch dann weiter. SOFIE. Wär's möglich? - wirklich möglich? LODOISKA. Zög're nicht! Hinweg, und in die Freiheit! MARIE mit aufflammender Freude. In die Freiheit?!
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LODOISKA. Nimm meinen Mantel, meinen Schleier nimm Und hier den Schein, der Dir die Pforten öffnet; Du geh'st statt mir, Du geh'st als Lodo'iska. MARIE. U n d D u ? LODOISKA.
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W a s i c h ! - Ich b l e i b e hier z u r ü c k .
MARIE. An meiner Stelle? - und sie finden Dich, Wenn sie erscheinen, mich hinweg zu führen? Sie finden Dich - dann tödten sie Dich auch! LODOISKA. Mein Opfer ist gebracht - ach freudig! - selig! MARIE. DU wolltest sterben? Du für mich - und jetzt? Wo der Geliebte, Dir erhalten, lebt! ... LODOISKA. Ich wiederhol's - mein Opfer ist gebracht. MARIE. Das Seine auch? Denkst Du nicht an Louvet? LODOISKA. Er ist ein Mann und wird sein Herz bezwingen, Er ist ein Dichter, und wird mein's verstehn! Erkauft durch Schuld war unser Liebesglück, Die Reue stand zu dritt' in uns'rem Bunde. Was ich gefehlt, als ich dereinst ihn Schloß, Das will ich sühnen jetzt, wo ich ihn löse! Ihn löse für die arme Zeitlichkeit, Und fester knüpfe für ein ew'ges Leben. - Ich weiß gewiß! ich geh' ihn nur erwarten, Den Theuersten, dem diese Thräne gilt. Ich scheide nicht, Dich zu verlieren, Liebster, Ich scheide - Dich für ewig zu erringen. MARIE, Ο dieser Glaube, dieser himmlische! Dies göttliche Vertrau'η der starken Seele! O diese Demuth, die sich schuldig nennt Und reiner ist, als wir's begreifen können, Ihr lebt auf Erden und ich kannt' Euch nicht? Ihr lebt in i h r , die ich zu richten wagte, Und über die ich eitel mich erhob? LODOISKA. Die Stunde drängt - laß' dich beschwören: geh'! O würd'ge mich des Glück's, für Dich zu sterben! Um/aßt Mariens MARIE. Erhebe Dich! - Nicht so - wenn Du mich liebst; Ich kann vor mir Dich nicht auf Knien seh'n. Du Bessere als ich, der ich mich beuge! Zum ersten Mal vor einem Menschenkind. Zum ersten Mal in wahrer Demuth auch Vor jenem Gott, der zu mir sprach durch Dich! Barmherziger! den frevelnd ich geläugnet Und der sich mir so herrlich offenbart,
Knie.
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Ich lieg' im Staube, ich bekenne Dich! Ich bin ein armes, irrendes Geschöpf, Allgüt'ger! Vater! Richter! - sei mir gnädig! LODOISKA. Ich fasse und versteh' Dich nicht - Du kannst, Nicht schuldig sein, Du bist es nie gewesen! Vollkommenste, die jemals ich gekannt Marie! was fehlte Dir? MARIE. Was mir gefehlt? An G o t t d e r G l a u b e , u n d an m i r d e r Z w e i f e l ! LODOISKA. DU weilst zu lange. Fort! die Zeit entflieht. MARIE. Nicht rasch genug, um meinen Blick zu hindern, Mich selbst zu schau'n in meiner Seele Spiegel, Und vor dem Bild, das mir entgegen tritt Der Reue Leid in tiefster Brust zu wecken. Wie anders bin ich, als ich mir erschien! Ich hab' gehaßt, und nicht das Schlechte nur, Das Gute auch, sobald es mich bekämpfte. In meinem Stolz unbeugsam, rücksichtslos, Ließ neben mir und Denen, die ich liebte, Ich keine Größe gelten, kein Verdienst, Der Thorheit Wahn, das Wanken zager Schwäche, Galt mir für Schuld, im Blute nur zu sühnen! Verachtungswerth war mir der Irrende, Und ein Verbrecher jeglicher Bethörte! So trug ich bei zum Sturze der Monarchen, Und kein Gefühl des Mitleid's rührte mich, Als sie schon lagen unter unsern Füßen. ... LODOISKA. Genug - genug der quälenden Gedanken! Hinweg nun! - geh! MARIE sieht sie an. Nach einer Pause ihre Hände ergreifend. Du konntest wirklich glauben, Daß ich mein Leben mir erkaufen würde Um Deines Lebens unschätzbaren Preis? Ο Lodoiska! - thöricht - liebes Kind! LODOISKA. So willst Du nicht? SOFIE angstvoll lauschend. Sie sind's - ich höre Schritte! LODOISKA. Die Mörder! Herr und Gott, ich kam umsonst! MARIE. Ο nicht umsonst! - ο Lodoiska, nein! Du kamst zu retten, und Du hast gerettet; Du wolltest sühnen, und Du hast gesühnt!
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Vierter Auftritt VORIGE. LACROIX.
LACROIX ZU Marie. Das Comite schickt mich, um anzufragen Ob Du auf Erden einen Wunsch noch hast? MARIE
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schweigt.
LACROIX. Er ist gewährt, sofern er billig ist. MARIE. Laßt mich das Schicksal meiner Freunde kennen. LACROIX. Noch traf von ihnen keine Kunde ein. MARIE. Ο Gott! Ο Gott! Wer sagt mir, ob sie leben? Ich geh' zum Tod und weiß nicht, ob sie leben! SOFIE in fassungslosem Schmerze die Hände ringend. So ist es wahr? - so soll ich Dich verlieren? MARIE ZU Lodoiska. Erbarm' Dich ihrer; Dir empfehl' ich sie; Bezahle Du die Schuld an Lieb' und Treue, In der bei ihr ich steh'! LODOISKA . Als Dein Vermächtniß Will ich sie halten unaussprechlich werth! MARIE. Und meine kleine - Waise - sorg' für sie! - Zu Sofie. Auch Du! Wieder zu Lodoiska. Sei milde gegen sie, nicht schwach. Sie ist mein Kind, hat einen starken Willen, Schon regt sich ihre junge Eitelkeit. Bekämpf' den Fehler! beuge ihren Stolz! Erziehe sie im Glauben an den Gott, Zu dem Du mich im Tod zurückgeführt! ... Ihre Stimme zittert, sie hält inne. Nach einer Pause. Lehr' sie verehren, lehre sie bewundern, Und lieben lehre sie was echt und treu, Im Freunde, wie im Feinde, Lodoiska! Sie werde klug, entschlossen, klar und fest, Vor Allem aber - wohl wollend und gut! Es thu' ihr weher, Tadel auszusprechen Als ihn erfahren. Milde werde sie! Schließer öffnet die Thüre. Ein Huissier tritt ein, neben ihm Beugnot, begleitet von Garden, die sich im Hintergrunde aufstellen. BEUGNOT vortretend, zu Marie. Der letzte Weg, Madame, führt uns zusammen. MARIE. Beugnot! auch Ihr?! BEUGNOT. Ja endlich, Gott sei Dank! Der Wand'rung müde grüß' ich froh ihr Ziel.
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Marie Roland MARIE. ES steht vor Euch das schuldbelad'ne Weib, Das Unheil brachte Allen, die es haßte, Und doppelt Unheil Allen, die es liebte! - Gebrauchet Euer Recht! verfluchet mich Gedenkt der Königin - gebt mir zurück, Verzehnfacht gebt den Vorwurf mir zurück, Den ich ihr zugeschleudert! ... Ο Beugnot! Ich habe s i e dem Volke hart genannt; Was war ich ihm, als ich den Bürgerkrieg Heraufbeschworen über dieses Land? Gebrauchet Euer Recht, verfluchet mich! Gedenkt der Königin. BEUGNOT. Ich denke ihrer, Der nichts verziehen ward, die Alles groß verzieh; Ich denke ih r e r - und verfluch' Euch nicht. MARIE. In ihrem Namen denn: Erbarmen, Herr! Ich fühl' es jetzt: was ich in ihr gehaßt, Das war der echte, königliche Sinn, Der unbeirrt durch Lästerung und Qual So rein bewahrt im Jammer beispiellos Der Seelenruhe stille Majestät! ... Erniedrigt wollt' ich sie; - vergebens - o! Auf i h r e m Haupt ward Fluch zum ew'gen Ruhm, Die Dornenkrone ward zum Diadem! ... Vergebung, Herr! - so wie sie selbst vergab, So wie mir Gott vergebe! BEUGNOT. Geht in Frieden. Geht Ihr ja doch beklagend Euer Werk, Verwünschend diese unheilvolle Zeit. MARIE. Nicht sie! nicht unser Werk! - nur uns're Schuld. Das Werk ist göttlich - Menschen führen's aus. Und dieser Kampf, in dem, wie nied're Söldner, In letzten Reih'n verborgen vor dem Feldherrn, Die Leidenschaft und das Verbrechen wüthen, Ihn hat entflammt ein heiliges Gefühl: Der Durst nach Recht in Millionen Herzen, Ihn kämpft die Menschheit in dem einen Volk! ZWEITER HUISSIER an der Thüre stehen bleibend. Seid Ihr bereit? SOFIE. Nein, nein! - ο Herrin! Herrin! MARIE. Ergebung! - Muth! SOFIE. Ich habe keins von beiden!
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Mir bleibt nur die Verzweiflung ... MARIE. Halte ein! Erschüttern darf mein Tod, doch nicht empören. Er ist kein Riß, kein Widerspruch ist er In dem Gesetz, dem göttlichen, der Dinge, Er ist Versöhnung, denn er ist gerecht. LACROIX. Ihr thut so fromm! - Um ganz bekehrt zu sein, Fehlt nur mehr eins: die Sehnsucht nach dem Priester. MARIE. Sie fehlt, Lacroix. Ich kehr' zu Gott zurück, Nicht zu der Kirche. Zu Lodoi'ska. Lebe wohl! leb' wohl! Sofie ist in die Knie gesunken. Sie berührt sanft ihr Haupt. Empor das Haupt! Sieh mir ins Angesicht, Daß Du ihm sagen kannst, dem Freund, ich sei Mit heit'rer Stirn den Weg zum Tod gegangen. Zum Schließer, der sich ihr nähert. Kannst Du auch weinen, Mann? - Leb' wohl. - Nichts mehr! Von Welt und Menschen hab' ich mich gelöst: Empfange, Herr, die wahnbefreite Seele, Sie strebt zu Dir, Unendlicher! zu Dir! Sie geht, ohne sich umzusehen, dem Ausgange zu. LODOISKA. Sie geht zum Sieg. Auf Feuerflügeln schwebt Zum Himmel auf der lichtverklärte Geist; Ihr Irrthum stirbt mit ihrem Menschendasein, Was ewig von ihr lebt, ist ihre Größe.
II. Kritischer Apparat
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1. Editorische Hinweise Zeichen und Abkürzungen: {} Tilgung {{ {} }} () ((()) ) {( )} J1 [] χ x-x x-x-x aR ndZ üdZ udZ
sekundäre Tilgung, eine primäre umschließend (so daß also eine Tilgung innerhalb der Tilgung vorhanden ist) Hinzufügung sekundäre Hinzufügung, innerhalb einer primären enthalten getilgte Hinzufügung Tilgung durch Daraufschreiben Ergänzung der Herausgeberin unleserlicher Buchstabe unleserliches Wort unleserliche Wortgruppe am Rande neben der Zeile über der Zeile unter der Zeile
Η Ε WSLB IN / ZPH
Handschrift Einzeldruck Wiener Stadt- und Landesbibliothek Inventarisierungsnummern
Wiedergabe des Textes: Die Kurrentschrift der Handschrift wird in Antiqua wiedergegeben. Der unterstrichene Antiqua-Text in der Handschrift für Akte, Szenen und Personen wird ohne Unterstreichung wiedergegeben, wobei Personen zusätzlich als Kapitälchen erscheinen. Die unterstrichenen Bühnenbeschreibungen und unterstrichenen und in Schrägstrichen gesetzten Szenenanweisungen der Handschrift sind kursiv gesetzt. Der Versverlauf wurde aus den Originaltexten (Handschrift und Einzeldruck) übernommen. Die in der Handschrift verwendeten Unterstreichungen im Text werden als Sperrung wiedergegeben. Abbreviaturen, zur Beschleunigung des Schreibens verwendet ("u." für 'und'), werden ausgeschrieben. Zitate und Verweise: Zitatnachweise erfolgen unmittelbar nach den Zitaten in runden Klammern oder in Fußnoten mit Namen und Seitenangabe. Für ungedruckte Quellen und für Sammelausgaben werden Siglen verwendet, die im Quellenverzeichnis aufgeführt und mit bibliographischen Angaben versehen sind.
Marie Roland
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2. Zur Gestaltung von Text und Apparat Der kritische Apparat berücksichtigt die Handschrift (H) und den Einzeldruck (E) mit den später hinzugefügten handschriftlichen Korrekturen (EK). Es handelt sich bei der Handschrift (H) um eine Überarbeitung einer früheren Handschrift, was aus den darübergeklebten und angefügten neuen Textteilen und Streichungen ersichtlich ist. Der durch die darübergeklebten Textteile ersetzte Text ist nicht mehr vorhanden. Die in Η vorgenommenen Tilgungen und Hinzufügungen sind in dem laufenden Text verzeichnet. Nicht alle Änderungen wurden in den Einzeldruck Ε übernommen. Es gibt vereinzelte Textunterschiede zwischen Η und Ε in den ersten drei Aufzügen, aber größere Unterschiede bestehen zwischen den vierten und fünften Aufzügen. Diese Textvarianten zwischen Η und Ε mit EK werden im Variantenverzeichnis in chronologischer Abfolge einander gegenübergestellt. Orthographie, Interpunktion und Versverlauf werden beibehalten. Eingegriffen wurde nur bei offensichtlichen Wortfehlern und sinnentstellenden Schreib- oder Setzfehlern, die in einer Fußnote erläutert werden. Fehlende Umlautpunkte wurden ergänzt. Die hauptsächlichsten Veränderungen in der Orthographie, in der Laut- und Wortgestalt sowie der Interpunktion zwischen Η und Ε werden unter den Sammelvarianten beschrieben und mit Beispielen belegt.
3. Sammelvarianten Viele orthographische Varianten basieren auf der Uneinheitlichkeit der damaligen Rechtschreibung. Auch die Interpunktion weist von Text zu Text erhebliche Variationen auf. Im Folgenden werden anhand von Beispielen die Varianten erläutert. Dabei handelt es sich bei den Beispielen nicht um eine vollständige Liste. In den Erläuterungen steht für Ε mit EK verkürzt E.
a. Vokalismus und Konsonantismus a. Im Anlaut wird in Ε eher Ae und Ue verwendet als Ä und Ü, in Η steht überwiegend Ä und Ü : Aermsten (458,6), Aeußersten (506,31), Uebrigen (506,8), Uebel (458,18), uebergibt (472,1), Uebung (476,24), Ueberzeugung (516,30), aber Ärmsten (388,6), Übel (388,18). ß . In beiden Fassungen wird äu statt eu verwendet: Verläumder (385,26; 441,2; 45526; 516,1), Gräuel (393,13; 424,22; 463,19; 497,8), Verläumdung (401,4; 412,1; 460,17; 472,4), verläugnet (406,4; 477,6; 519,17).
II. Kritischer Apparat
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γ. In beiden Fassungen wird fiir das Substantiv Hilfe und das Adverb zum Teil die Schreibweise mit ü, aber auch i verwendet: Hülfe (392,3; 462,24; 519,4), hülflos (398,5; 468,12), aber daneben Hilfe (444,4) und auch hilft (403,7; 474,8). δ. ie und i: Von Η auf Ε tritt ie in Formen von geben immer weniger auf und i herrscht vor: gibt (460,34,35; 464,35, 478,13), gib (469,26; 478,37), gibst (474,18; 518,4), preisgibt (494,17). ε. Vereinzelt taucht in beiden Fassungen aa auf. In Η tritt auch einmal oo in Schooß (432,5) auf, während in Ε Schöße (460,14) steht: Schaar (399 vor 1; 470 vor 1), Schaaren (409,2; 480,4), Maaß (443,21), aber auch schon Maß (489,26; 507,2; 518, 8).
ζ . In beiden Fassungen steht noch blos (408,1; 479,3), aber es findet sich: deß (395,31; 466,16), indeß (444,12; 519,12), deßhalb (469,23; 516,38) neben indessen (419,1; 491,13) und dessen (412,35; 412,40; 461,24; 484,7). η . Substantive mit der Endung -nis treten in beiden Fassungen noch durchweg mit dem damals gebräuchlichen -niß auf: Bündniß (391,6,26; 392,5; 461,22; 462,7), Finsterniß (429,9; 433,22; 501,3; 505,18), Erlaubniß (444,10; 518,29), Vermächtniß (449,16; 523,11). θ. Von Η auf Ε wird noch konsequenter ss durch β ersetzt, so daß ss nur noch ausnahmsweise in Ε vorkommt: Füssen (462,23), Schliesser (514 vor 1), lass' (472,9), Büsserin (478,7), zurückgestossen (519,18). i. In Ε findet sich verstärkt th, während in Η mitunter t steht: Thür (464,34; 524,36), betheuert (455,10), Vorurtheil (455,22; 476,27), Athem (486,2; 509,13), Noth (457,18; 461,3), Muth (473,22; 496,12), theuer (459,4; 483,24), ungethan (459, 19), thut (461,3; 462,23), Volksverräther (464,12), Thore (466,10; 472,9), thöricht (467,22; 522,31), Wohlthat (476,14), Irrthum (476,22; 496,32), Thränen (478,9; 514, 19), Werth (481,14; 516,31), Bethörte (505,20; 522,23). In Η steht ζ· B. Wut (402,23; 409,10) und Not (390,23, 416,34). κ . d, dt wird meistens noch inkonsequent verwendet. In beiden Fassungen stehen d und dl nebeneinander: tödtlich (386,12; 456,12), tödtet (393,35; 415,16; 464,19; 487, 18), tödten (416,25; 446,27; 488,25; 507,25), todt (407,30; 430,18; 478,33; 502,29), Todten (416,20; 446,1; 488,20; 520,22), neben Tod (420,23; 425,36; 493,10; 498,22), Todeskühnheit (402,24; 473,27), Todesnoth (479,22), Todesgang (429,16; 502,7), Todessaat (505,21). λ . In Ε findet sich wohlan (459,20; 491,18; 508,20), während in Η noch wolan (389,19) neben wohlan (419,6) steht.
Marie Roland
532 b. Groß- und Kleinschreibung
α. Bei Anredepronomina ist die Großschreibung in Η am konsequentesten und wurde zum Teil in Ε angeglichen. ß. Indefinitpronomina und Zahlwörter werden in beiden Fassungen zur Betonung noch vereinzelt groß geschrieben. Allerdings geschieht dies häufiger in Ε als H: Alles (389,3; 397,7; 459,4; 466,5), Allen (416,33; 488,33), Alle (463,19; 509,26; 517,11), Allem (465,16; 504,30,31), Anderem (460,40), Anderes (486,3; 488,12), Andere (489,32; 489,32), Anderer (412,8; 483,15), Andern (413,21; 494,19; 516,31), Einen (463,18; 464,2), Keiner (417,12; 455,18; 489,16), Keinem (423,23; 442,23; 496,10), Meisten (464,17). In Η tritt Jeder (435,11) einmal groß geschrieben auf. γ. Nach Satzzeichen wie Ausrufezeichen und Doppelpunkt innerhalb einer Verszeile wird in Ε des öfteren die Großschreibung verwendet, während in Η klein geschrieben wird: Das heißt: Sie schreibt (455,7), Ο Vorurtheil! Die Zahlen (455,21), Ich fleh' Euch an: Entflieht! (463,6), aber in H: Das wollen wir! - sie spricht (392,4).
c. Fremdwörter α. Bei folgenden Substantiven und Verben romanischen Ursprungs steht in beiden Fassungen -iren: Deputirte (409,25; 426,21; 460,21; 480,27), decorirtes (385 vor 1; 455 vor 1), isolirt (391,16), arretirt (401,2; 472,2), abdiciren (415,18; 487,20), parodirend (414,22; 486,22), inspirirt (416,8; 488,8), triumphirt (429,5; 480,2; 501,5), arretiren (438,5; 437,5; 510,5; 511,9). ß. Beide Fassungen verwenden die französische Schreibung für folgende Wörter: Petitionnaire (414,7,14,17; 415,11; 486 vor 1, 486,7,14,17), Boudoir (408,8; 479,10), Commissair (437,1; 438,9), after Commissär in Ε (510,1; 511,13), Arrestationen (438,2,6,11; 511,10,15), Comite (437,1,3; 449,2; 523,1; 510,1), Conciergerie (440 vor 1; 514 vor 1). γ. C wird bei folgenden Wörtern romanischen Ursprungs in beiden Fassungen statt k oder ζ verwendet: Jacobiner (393,4; 394,25; 465,9; 492,7), Convent (395,13; 402,21; 495,17; 500,1), Commune (457,34), Dictatur (391,25; 417,5; 462,5; 489,9), Club (393,4; 463,10), Decoration (401 vor 1; 428 vor 1; 472 vor 1; 500 vor 1), Factionen (417,37; 490,4), Insurrections-Comite (437,3; 510,3), Municipalgardisten (437 vor 1, 439,13; 512,16; 515,1), Publicisten (385,23; 455,23), Cyniker (460,19; 463,10), Scepter (391,36; 462,16), Scene (418,1; 490,1), Centrum (430,32; 504,13), aber es treten in Ε auch Jakobiner (460,19; 463,10) und Kamin (391,36; 462,16) auf.
533
II. Kritischer Apparat
d. Der Apostroph In Η und Ε wird der Apostroph häufig und gelegentlich inkonsequent eingesetztGrundsätzlich wird der Apostroph in Η häufiger verwendet als in E. α . Apokopierung und Synkopierung bei Verben: komm' (455,4; 464,15), glaub' (456,6), hätt' (456,17; 478,3), stünd' (457,1), sollt' (457,30), vertrau' (458,5; 460,9), geh'η (464,34; 489,22), pred'gen (460,27), gesteh'n (461,2), fleh' (463,6; 468,13). ß. Apokopierung und Synkopierung bei Substantiven: Wasch' (457,11), Seit' (457,15), End' (459,3), Müh' (459,5), Gefang'nen (461,14), Aug' (462,9). γ. Beim Genitiv von Substantiven wird der Apostroph verwendet: Volk's (464,20), Tod's (468,22), Dank's (465,17), Wahnsinn's (429,1), Aufstandscomite's (466,15), Sieg's (466,13), Heil's (464,23), Glück's (485,2), Triumph's (493,5). b.Beim Genitiv von Namen tritt der Apostroph auf: Roland's (455,9), Hebert's (456,3), Louvet's (459,2), Danton's (461,27), Ludwig's (462,11), Capet's (470,5), Robespierre's (487,11). ζ. Als Zeichen der Apokopierung und Synkopierung bei Adjektiven und Adverben: gift'gen (457,25), rein' (457,10), nützlich' (457,36), willig' (460,23), dumpf (464,5), menschlich' (All,22). ζ. Bei Apokopierung und Synkopierung der Indefinitpronomina und Zahlwörter: all' (464,24), and're (515,2), kein's (477,15). η . Bei Synkopierung von Possessivpronomen: uns'rem (509,7), uns're (509,26), uns'rer (511,19). Q.Ais Zeichen der Synkopierung bei Präpositionen: bei'm (517,24), auf's (493,1), durch's (497,14).
e. Interpunktion Die Interpunktion in Η und Ε ist in der Setzung von Kommas, Punkten, Semikolons, Gedankenstrichen sowie dem Einsatz von drei Punkten sehr unterschiedlich. Wo in Η Punkte und Kommas stehen, werden in Ε gelegentlich Gedankenstriche gesetzt, wo in Η Punkte auftreten, stehen in Ε Semikolons, statt Gedankenstriche in Ε sind in Η drei Punkte gesetzt. Grundsätzlich wird der Gedankenstrich in Ε eher eingesetzt als in H. Es tauchen Inkonsequenzen in der Interpunktion auf. α. In Ε steht gelegentlich ein Komma vor und, auch wenn nach der Konjunktion kein vollständiger Hauptsatz folgt: Bei ihrem Manne, / Und schreibt (455,6), Hält plötzlich inne, und wendet (460 vor 36), die Gefang'nen riß, / Und ungerichtet (461,14), rannte ich zu Dir, und fand Dich (464,30). ß. In Η fehlt gelegentlich das Komma vor Relativpronomen, während es in Ε eingesetzt ist: und Alles, was uns theuer ist (459,4).
Marie Roland
534 γ. Appositionen
werden von Häuf Ε eher in Kommas
eingeschlossen:
will ich sterben,
/ A m Tag, der (459,11). δ. Reihung wird von Η auf Ε eher durch Kommas
getrennt:
auf uns, nicht auf die Ja-
cobiner, / Nicht auf (460,19).
4. Varianten Verzeichnis Η wurde
überarbeitet
und Hinzufügungen
und weist besonders
einen darübergeklebten gen nicht erhalten
oder angefügten
Ε übernommen.
schriftliche
Korrekturen
Das folgende
und fünften Aufzug
neuen Text ersetzt
sind, konnten sie im fortlaufenden
werden. Nicht alle in Η vorgenommenen Erstdruck
im vierten
auf. Es gibt Seiten in H, auf denen der ursprüngliche
Verzeichnis
Tilgungen
Im Erstdruck
durchgeführt,
wurde. Da diese
Text von Η nicht und Hinzufügungen
(E) wurden
außerdem
zwischen
Ε mit EK
wiedergegeben
vereinzelte wurden K
Η und Ε mit E : Η
Ι,ϋ 457,22
Sind ganz allein wir Girondisten
Sind ganz allein die Girondisten
I,iii [fehlt]
460.10
Wir gaben Dir die Freiheit, wir sind's, wir
460.11
Die sie verkündet, Deine ew'gen Rechte,
[fehlt]
460.12
die des Tyrannen Haupt
die deines Königs Haupt
460.13
Wir sind's, die jetzt im Schöße des Convents
[fehlt]
bis
Aus seiner eig'nen Mitte schaudernd seh'n
[fehlt]
Der neuen Ordnung schlimmsten Feind er-
[fehlt]
wachsen, Den Geist der Zwietracht, Eigennutz, Verleum-
[fehlt]
dung. 460,18
Vertraue nicht auf Jene, die ihn säen,
[fehlt]
460.21
Laß Deine Deputirten nicht ermorden,
[fehlt]
460.22
In ihnen, Volk! ermordest Du Dich selbst.
[fehlt]
461,4
in uns're Hände legt.
in uns're Hände legte,
462,21
des eignen Groll's vergessen -
den eig'nen Groll vergessen -
I,iv 464,17
bei jenem Vorschlag -
bei diesem Vorschlag;
467,1
Vergniaud ab.
Vergniaud und Gensonnd ab.
I,v 467,14
Und meine ganze Seele
Und alle meine Pulse
durch Tilgun-
wurden in den
die in den Text mit aufgenommen
zeigt die Unterschiede
Tilgungen Text
hand(EK).
II. Kritischer
535
Apparat I, v i
397.1
[fehlt]
Buzot und Marie
468,11
Führt dann hinaus ins Freie.
Er führt hinaus in's Freie.
468,15
Ο ich beschwör' Dich!
Ο ich beschwöre Dich!
398,35
[siehe unten]
469,25
Pochen ander
469,31
Lärm und Schritte auf der
470.2
die andern
470.10
das Volk, es hungert -
472,1
MARIE in fieberhafter Aufregung.
Pochen an der
zugleich.
Hausthüre.
Lärm und Schritte auf der
Hausthüre.
Treppe.
[siehe oben]
Treppe.
I, v i i andere
durch
durch
das Volk - ihm hungert;
II, i Führ'
MARIE. Führ'
II» ii 473.3
zur rechten Zeit
zu rechter Zeit
474,6
Und Ihr bliebt heilig
Und Ihr bleibt heilig
II,iii 475,13
Bin ich's - bin ich's denn noch?
Bin ich's denn noch? II, iv
476.11
Ein wenig nur? Das ist so viel wie nicht
Wieder zu dem Kinde
476,11
Wieder zu dem Kinde
Ein wenig nur? - Das ist so viel wie
gebeugt.
gebeugt.
nicht II, ν 480,32
keine Scheu beirrt,
keine Scheu gehemmt,
482.15
eh' diese Schuld bezahlt.
bis diese Schuld bezalt.
II, vi 484,17
wohl es thun.
es wohl thun.
III, i 486.16
in den Saal
486,20
Ausschreitungen verleiten.
zurück.
nach dem Saal
Ausschreitungen verführen!
zurück.
487,10
bald kein's mehr geben.
bald kein Laster mehr geben.
III, ii 489,1
mit den Fingern schneuzt!
mit den Fingern schmutzt!
III, iii 493,13
das Recht nicht ward auf Erden.
nicht ward das Recht auf Erden!
III,iv 494,25
Nach einer
423,31
[fehlt]
Pause.
496,24
zu mir Du sprachst;
zu mir Du sprichst,
426,6
[fehlt]
Der sie beherrschen will, muß sie verachten. -
497.35
Den Mord des Königs,
Der Mord des Königs,
497.36
Den Mord der K ö n ' g i n ,
Der Mord der K ö n ' g i n ,
498,24
MARIE. Hinweg! -
MARIE wendet sich ab. Hinweg! -
[fehlt] Noch athmen sie, noch winken sie Dir zu,
536
Marie
499,7
DANTON. Verlorene,
DANTON nach einer Pause. Verlorene,
499,10
Von der Straße herauf ertönt
Lacroix erscheint an der Thüre des
tausendstimmiger
Roland
Sitzungssaales.
Ruf.
Dantoni Danton!
Danton! Danton!
Lacroix erscheint an der Thür des Von der Strasse herauf ertönt tausendstimmiger
Sitzungssaales. 499,13
Huissiers folgen ihm. Huissiers
IV, i 500,1
Ruf!
folgen.
ROLAND. SOFIE.
ROLAND tritt durch die Thüre links auf mit SOFIE.
IV, ii 500.7
Was erweckte
Und was erweckte
500.8
abgesetzt und sind verhaftet,
angeklagt und abgesetzt,
500.9
Wir selbst als Hochverräther
[fehlt]
angeklagt. 501,6
Wir knieen vor der Tyrannei
Wir beugen uns der Tyrannei
429.6
[fehlt]
Wir werben um des Volkes Huld und Gunst
429.7
[fehlt]
Und preisen mit ihm freier Freunde Fall!
501,7
ROLAND. Was soll das heißen?
[fehlt]
bis
BUZOT. Freund Roland! das heißt:
[fehlt]
Als der empörte Pöbel dem Convent
[fehlt]
Die kläglichen Beschlüsse abgetrotzt,
[fehlt]
Die uns verderben und die Republik,
[fehlt]
Zog die Versammlung aus dem Saal hinab
[fehlt]
Zu dem Gesindel auf der Straße, ihm
[fehlt]
Den - Bruderkuß zu geben! ... Freund Roland!
[fehlt]
Und sie, die angeklagten Girondisten,
[fehlt]
Die Deinen, Mann! die Unsern, die Genossen,
[fehlt]
Sie schlossen sich dem Zuge an, ο Himmel!
[fehlt]
501.17
Zu werben um des Trosses Huld und Gunst!
[fehlt]
501.18
Sie mischten ihre Stimmen
Wir mischen uns're Stimmen
IV,iii 501,3
ihrer Ehre folgen!
429,20
[fehlt]
ihrer Ehren folgen! BARBAROUX. Ο Freund! ο Vergniaud!
502,12
Gibt heute noch die
Er giebt noch heut' die
502,20
mit Geschütz, mit Dolch
430,25
[fehlt, zum Teil in IV, iv]
bis
[fehlt]
VERGNIAUD. Nach der Gironde, nach dem Calvados geht,
[fehlt]
Ruft zu den Waffen Euren Anhang auf.
mit Geschütz und Dolch BARBAROUX. Hinweg, Ihr Freunde! - fort - in die Provinzen!
[fehlt]
BUZOT. Was noch die Freiheit liebt, steht auf für sie!
[fehlt]
LOUVET. Zum Kampfe denn! ich bin kein Mann des Schwerts,
11. Kritischer
Apparat
537
[fehlt]
Doch, zwingt man mir das Eisen in die Hand,
[fehlt]
So will ich's führen wie ein Mann des Schwerts!
[fehlt]
VERGNIAUD. In Caen errichtet ihr den Herd, das Centrum
[fehlt]
Des Aufstands gegen die Tyrannen von
[fehlt]
Paris.
[fehlt]
BARBAROUX. Zehntausend Mann stellt mein Marseille.
[fehlt]
LOUVET. Nicht weniger Toulouse, Lyon und Nimes.
[fehlt]
BUZOT. Brissot soll nach Moulins, das ihn erwartet.
[fehlt]
VERGNIAUD. Und Grangeneuve entsend' ich nach Bordeaux.
[fehlt]
Der Tarn, der Lot, Cantal und Puy-de-Döme
[fehlt]
Erklären sich im Zwist mit dem Convent.
[fehlt]
Gewinnt sie uns.
[fehlt]
Zu Roland, der die Zeit über düster vor sich hinstarrend
[fehlt]
am Fenster gelehnt. Roland, wo ist Dein Weib?
[fehlt]
BUZOT. Entbiete sie, wir müssen Abschied nehmen.
[fehlt]
Roland macht eine abwehrende
[fehlt]
BARBAROUX. Vor Kriegslust brennt ein jedes Herz im
Bewegung.
Lande.
431,6
[fehlt]
In uns'rer Zeit ist bald ein Heer geworben;
[fehlt]
An seiner Spitze, nicht mehr flehend, mahnend -
[fehlt]
In Wehr und Waffen, Streiter für die Freiheit,
[fehlt]
Und ihre Rächer kehren wir zurück!
I V , iv 503,1
Sie ist bei den letzten Worten
MARIE bleibt erschöpfl am Eingang
Barbaroux' eingetreten, und von
stehn, von den Übrigen
unbemerkt.
den Uebrigen unbemerkt am Eingang stehen
geblieben.
503,1
MARIE vortretend.
BUZOT. Marie Roland soll uns're Losung sein.
503,1
Hinweg Ihr Freunde! - fort - in
Ο bei dem Geist der Frau -
die Provinzen! MARIE rasch vortretend. Ruf' ihn nicht an! 503,4 503,6
So bleich - so außer Dir?
So bleich und erschöpft?
MARIE dumpf. Ich sprach Danton, und sprach ihn im Con-
[fehlt]
vent. bis
BARBAROUX. Wozu? - Doch nicht um ihn uns zu versöh-
[fehlt]
nen? MARIE. Versöhnen? - Ο die Ramme seines Hasses
[fehlt]
Sie lodert hell wie nie, umzüngelt Euch
[fehlt]
Verderbendrohend, zeichnet meine Stirn
[fehlt]
Mit einem Brandmal unauslöschlich, ewig!
[fehlt]
BUZOT. Marie!
[fehlt]
ROLAND. Besinnung! Wie? kann ein Danton sie rauben
[fehlt]
Marie
538
503,16
Der reinen Frau des redlichen Roland?
[fehlt]
MARIE. Ich bin verflucht! - bin Eure Mörderin!
[fehlt]
BUZOT. Verflucht durch ihn? ... Sein Fluch ist unser Segen,
[fehlt]
Und seine Schmähung unser höchster Preis!
[fehlt]
Roland
503,20
MARIE. Nach der Gironde, nach dem Calvados
BARBAROUX. Bald stehen wir in Waf-
geht;
fen gen Paris.
bis
Der Tarn, der Lot, Cantal und Puy-de-Döme
MARIE. Was sagst Du da?
Erklären sich, im Zwist mit dem Convent,
BARBAROUX. Wir gehen hin, wir tragen
Im Süden gährt's, im Norden bietet Caen
Der Frevel Kunde, die man hier verübt,
Den Girondisten eine Zufluchtstätte;
In die Provinzen -
Dorthin Buzot, Roland! ...
MARIE. Nein! Ο nein!
BUZOT. Dorthin Louvet! Zu Barbaroux.
BARBAROUX. Durchfliegen, sie
503,26
Du aber, nach der Vaterstadt Marseille!
Entflammend zur Erhebung, d'Orne,
504,1
MARIE. Lyon erhebt sich, schüttelt ab die Ketten
bis
Des blutigen Marat; Bordeaux wirbt Truppen;
Ο haltet Eure Hände rein von Blut!
Von allen Grenzen, allen Marken, kommen
Ihr sollt hinweg, doch Freunde, nicht
des-Eure ... MARIE. Entflammend zur Erhebung? Barbaroux!
zum Kampf; Die Freunde, die Genossen Euch entgegen!
Ihre sollt durch den Calvados an das Meer-
Stellt Euch an ihre Spitze, führet sie,
Ihr sollt zu Schiff ...
Erscheinet vor Paris, als die Befreier
ROLAND. Das Vaterland verlassen?
Der Freiheit!
MARIE. Das Euch verläßt, verstößt! Der Ocean,
ROLAND. Mit bewehrter Faust? - gefolgt
Er breitet Euch den starken Arm entgegen
Von einem Heer?
Und trägt Euch hin nach jener neuen Welt,
BARBAROUX. Von einem bald geworb'nen!
Die seinem Schooß entstieg - der
Vor Kriegslust brennt ein jedes Herz im Lande.
Auf der die Freiheit eine Stätte fand.
LOUVET. Zum Kampfe denn! Ich bin kein Mann
Dorthin ...
neidens werten,
des Schwerts, Doch zwingt man mir das Eisen in die Hand,
VERGNIAUD. Auswandern? - wie?
So will ich's führen wie ein Mann des Schwerts!
BUZOT. Was forderst Du?
VERGNIAUD. In Caen errichtet ihr den Herd, das
MARIE. Aus jeder Scholle Eurer
Centrum
Heimaterde
Des Aufstands gegen die Tyrannen von
Wächst Euch ein Feind -
Paris.
BARBAROUX. Heran! - wir stehen ihm.
BARBAROUX. Zehntausend Mann stellt mein
MARIE. Bethörte! - Ο laßt ab -
II. Kritischer
539
Apparat
Marseille.
BUZOT. Bin ich verrückt?
LOUVET. Nicht weniger Toulouse, Lyon und
Klingt mir wie nein das j a - wie recht
NImes.
das falsche?
BUZOT. Brissot soll nach Moulins, das ihn er-
MARIE. Gebt auf den Kampf, in dem
wartet.
Ihr untergeht
VERGNIAUD. Und Grangeneuve entsend' ich
Und mit Euch alles was ich j e geliebt
nach Bordeaux. ROLAND. Ist's möglich? - träum' ich denn? bin
Und was der Liebe wert auf dieser
ich verrückt?
Erde Ο wendet Euch nicht ab! ... Ist's möglich denn?
Wißt Ihr, was Ihr beschließt?
Mein Schrei trifft Euer Ohr, mein
MARIE nach einer Pause. Wir wissen es.
Seelenschrei,
ROLAND. W a s Ihr beschließt, es ist der
Und nicht mehr Euer Herz?
Bürgerkrieg!
BUZOT. Wir hören Dich
Die blutigste, die schärfste aller Geißeln.
Aus Deinen Worten nicht. Ein fremder
Die j e der Mensch geschwungen über Menschen;
Geist
Der Abgrund, aufgerissen unter ihr.
Weht uns befremdend kalt aus ihnen
Der heiligen, der heimatlichen Erde;
an.
Der Streit, getragen in des Armen Hütte,
Das bist nicht Du, das ist die Mahnung
Wild tobend in den Werkstätten des Fleißes,
nicht,
A m stillen Herde, in der Freunde Kreis!
Die sonst zu uns aus Deinem Munde
Der Bürgerkrieg! das grause Widerspiel
sprach -
Von Allem, was wir glühend angestrebt.
MARIE. Verflucht der Mund, der zum Verderben riet,
Von Allem, was dem Volke zu erringen
Verflucht die Hand, die in den Tod Euch trieb....
504,32
Wir ihm gelobt und uns mit Manneswort:
ROLAND. Besinnung! - Mäßigung! MARIE. Roland, mein Freund! - Ο Jüngling Barbaroux! ... nicht tritt zurück! ... Buzot! ... doch Du - Du rufst ihn ja, den Tod! ... Zu
Louvet.
Ich fleh' zu Dir - Louvet, der liebt Louvet, Der leben will... Da Louvet allen andern, die sie schweigend
zurücktritt.
gleich
angerufen, Barmherzig-
keit! - a u c h Du? ... Ο Vergniaud! so höre denn ... VERGNIAUD. Nicht weiter! Ganz unwert Dein und unser ist dies Fleh'n.
Marie Roland
540
MARIE. Ganz unwert? - o! - Was will denn ich und was Wollt Ihr? ... Viel Elend traf dies arme Reich, Allein vom schlimmsten blieb es noch verschont, 504.33
[ROLAND.] Der Bürgerkrieg! Reizt Euch's ihn
Vom Bürgerkrieg! - Lockt Euch's,
zu entzünden?
ihn zu entzünden?
504.34
MARIE. Sie thun es nicht
BARBAROUX. Wir thun es nicht
433,24
[fehlt]
MARIE abgewendet, vor sich hin. Ο Geister - Geister die ich selbst beschwor!
505,20
ROLAND. Bethörte! hofft Ihr Lebensemte von
[fehlt]
bis
Der Todessaat? - Ergreift auch Euch der Rausch
[fehlt]
Der Jacobiner? ... Bleibt Ihr selbst! Steht fest
[fehlt]
Im Wirbel, in der Brandung, felsenfest
[fehlt]
MARIE. Sind wir aus Stein? - Es gibt kein Stehenbleiben!
[fehlt]
ROLAND. Ο Schicksal! - Wir der Zwietracht Lohe schürend,
[fehlt]
Die Rache athmend, sie erregend - wir?!
[fehlt]
VERGNIAUD. Weiß Gott, Roland, ich wollte dieses Volk
[fehlt]
506,5
Erlösen durch die Liebe. - Schwärmerei!
[fehlt]
Der für das Wohl der Menschen einzig ringt,
[fehlt]
Der mache sich auf ihren Haß gefaßt,
[fehlt]
Gefaßt auf den erbittertsten der Kämpfe,
[fehlt]
Laß diese Männer ihres Weges zieh'n,
[fehlt]
Sie müssen vorwärts und sie sollen so.
[fehlt]
MARIE. Sie müssen vorwärts und sie sollen so!
[fehlt]
Für sich. Unhold Danton, da liegt der Unterschied,
[fehlt]
Der grenzenlose, zwischen Dir und uns:
[fehlt]
Wir haben recht gethan, wir thun recht! ...
[fehlt]
Unwürd'ger Zweifel, Höllenqual der Reue,
[fehlt]
Wie Staub aus meinen Locken schüttl' ich Euch
[fehlt]
Und Euer Gift mir aus der reinen Seele!
[fehlt]
BUZOT. Kein Zaudern, kein Bedenken mehr - : an's Werk!
[fehlt]
Zum letzten Opfer oder letzten Sieg.
[fehlt]
MARIE. Mein Segenswunsch folgt jedem Eurer Schritte,
[fehlt]
Gebet für Euch ist jeder Athemzug!
[fehlt]
433,27
[fehlt]
LOUVET. DU darfst Dich nicht von Deinen Treuen scheiden
433,33
[fehlt]
VERGNIAUD. Kein unnütz Zaudern und Bedenken mehr!
506,18
MARIE. Auch ich will bleiben.
BUZOT zu Marie. Und Du - Du schweigst? -
bis
BUZOT. Du?! - in ihren Händen? -
Hast Du für uns Marie
11. Kritischer Apparat
506,31
541
MARIE. Soll ich durch meine Flucht Verdacht
Nicht einen Laut, nicht einen
erwecken?
frommen Wunsch?
So lange hier das Weib Roland's noch weilt,
MARIE. Gebet für Euch ist jeder
So lange glauben sie Roland nicht fern.
Athemzug!
BUZOT. Doch wenn der Krieg erklärt, wenn
BUZOT. So sprich es aus! - gieb
offen wir
Hoffnung, gieb Verheissung ...
Erheben unser Banner?
MARIE. Ο Himmel! Hoffnung - ich?
MARIE. Dann?
... Ich habe keine -
BUZOT. Dann richtet
Und jene Frankreichs sinkt mit Euch
Sich gegen Dich das WUthen der Tyrannen.
in's Grab.
MARIE. Ich biet' ihm Trotz! - ich kann's, mich
LOUVET. Versagst den Segen Du zu
liebt das Volk.
uns'rem Werk?
Sie wagen nicht an mir sich zu vergreifen;
MARIE. ZU Eurem Werk? - Es schreitet
Doch wagten sie's in sinnloser Verblendung,
über Leichen
Kein harmlos Opfer stieg ich aufs Schaffot.
Es trieft von Blut! ... Den roten Quell
Mein fließend Blut entflammte heiß zur Rache
ich seh
Viel tausend Herzen, die jetzt ängstlich zagen.
Ihn strömen endlos, ohne Maß! ...
Ο daß sie's trieben zu dem Aeußersten!
Die Erde Hat keine Lippen mehr ihn aufzutrinken, Die Luft nicht Athem mehr ihn einzuhauchen! Sie sinkt an einem Stuhle im grunde der Biihne
Vorder-
nieder.
BARBAROUX. Der grosse Zweck verlangt das grosse Mittel. Erwogen ist's, es sei gewagt. Hinweg! Zum letzten Opfer oder letzten Sieg! ALLE außer Marie. Zum letzten Opfer oder letztem Sieg! 506,32
Daß sie m i r ' s gönnten, von der Guillotine
[fehlt]
bis
Herabzublicken auf die stille Menge,
[fehlt]
Die ringend nur den Aufschrei der Empörung
[fehlt]
Erdrückt auf ihren zornesblassen Lippen,
[fehlt]
Zu lesen in den Augen, in den Mienen:
[fehlt]
"Das Maß ist voll, Dein Blut m a c h t ' s überströmen!"
[fehlt]
- Entzücken! - Ο Danton, Danton, mich lockt's.
[fehlt]
Allmächtig lockt mich's, Dir zu zeigen, Teufel!
[fehlt]
Wie schwer ein Haupt wiegt in der Schicksalswage,
[fehlt]
In dem gelebt ein göttlicher Gedanke!
[fehlt]
Alle blicken sie mit stummen Entsetzen
an.
ROLAND nach einer Pause. Ein unstät Wanderleben
[fehlt] werd'
[an anderer Stelle]
Marie Roland
542 ich führen
507,34
Und kann nicht sagen, komm' und folge mir!
[fehlt]
Nur Eins vernimm und präg's in Deine Seele:
[fehlt]
Was mir das Volk gethan, es ist vergessen,
[fehlt]
Verzieh'η im voraus ist jedweder Frevel,
[fehlt]
Den noch sein Wahn an mir vollbringen wird;
[fehlt]
In der Verbannung, auf der Folterbank
[fehlt]
Auf die sein Undank und Verdacht mich spannt,
[fehlt]
Bleib' ich sein treuergebener Tribun.
[fehlt]
Doch ein Verbrechen kann dies Volk begeh'n,
[fehlt]
Das mir das Herz verwandelt in der Brust,
[fehlt]
Und hin mich stellt in seiner Feinde Reih'n;
[fehlt]
Und dies Verbrechen ist - : der Mord an Dir!
[fehlt]
MARIE. Roland!
[fehlt]
ROLAND. Mit meinem Weibe tödten sie
[fehlt]
Das Beste, das mein eigen war: die Liebe,
[fehlt]
Und lassen mir nur Haß für Frankreich übrig;
[fehlt]
Mit Seligkeit erfüllte mich sein Elend,
[fehlt]
Und mit Verzweiflung sein erblühend Glück;
[fehlt]
Ich würde - kurz gesagt - ein schlechter Mann.
[fehlt]
Und weil ich nun es nimmer werden will,
[fehlt]
Weil ich mein Volk nie hassen lernen will,
[fehlt]
So muß ich sterben an demselben Tag,
[fehlt]
An dem es sich zu Deinem Mörder macht. -
[fehlt]
Ich lege Dir mein Leben an das Herz.
[fehlt]
MARIE für sich. Gebunden! fest geschmiedet ewig an
[fehlt]
Die Pflicht! ... Ohnmächtig Weib!
[fehlt]
VERGNIAUD. Die Nacht rückt vor.
[fehlt]
Kaum Euer ist die nächste Stunde noch.
[fehlt]
ROLAND. Zum letzten Mal labt Euch an meinem Tisch.
[fehlt]
Lecoq und Sofie haben den Tisch in die Mitte der Bühne
[fehlt]
getragen. 435,5 bis
[fehlt]
MARIE sich erhebend. Ich folge Dir, Roland.
[fehlt]
ROLAND. Das sollst Du nicht;
[fehlt]
Ein unstät Wanderleben werd' ich führen,
[fehlt]
MARIE . Laß mich trotzdem -
[fehlt]
ROLAND. DU bleibst, und kann es sein,
[fehlt]
Hab' ich ein sich'res Obdach Dir zu bieten,
435,9
[fehlt]
Dann r u f ' i c h Euch zu mir, Dich und mein Kind.
435,13
[fehlt]
LOUVET ZU Marie. Grüß' Lodoi'ska; bringe sie mit
bis
[fehlt]
Wenn Dich des Gatten Ruf zu sich beschied.
Dir,
II. Kritischer
543
Apparat
[fehlt]
Willst Du es thun?
435,15
[fehlt]
MARIE. Ich w i l l .
508.26
MARIE ZU ihm und Barbaroux. Leb' wohl,
BARBAROUX ebenso. Leb' wohl!
Louvet! und Du, leb' wohl!
Ich gehe froh - mein ganzes
BARBAROUX. I c h s a g ' : A u f W i e d e r s e h ' n ! Ich
Inn're jauchzt.
508.27
gehe froh. 508,29
Ab mit Louvet.
Barbaroux und Louvet ab.
508,31
[MARIE.] Bleib' treu der Tugend, Freund!
MARIE tritt zu ihm. Ich habe Dich
bis
Kannst Du für sie nicht leben, stirb für sie,
geliebt Ich ruf Dir's zu wie in die and're Welt. Stirb frei vom Joch unedler Leidenschaft,
Als wir gewandelt auf der armen Erde,
Das Recht nur wollend, könnend was Du
Da kannten uns're Seelen sich -
willst. Küßt ihn auf die Stirne.
Gedenkst Du's noch? -
Ich segne Dich. Nimm diesen Schwesterkuß,
Ich segne Dich. Küßt ihn auf die Stirne. Nimm diesen Schwesterkuß -
509,5
Und alles Wohl der Erde auf Dein Haupt!
Der erst' und letzte. Abschied und Willkommen.
509,22
BUZOT ohne zu ihnen hinzusehen.
BUZOT ohne zu ihnen hinzublicken:
I V , vi 511,15
Helle des grauenden Tages
Helle des grauenden Morgens
511,20
Sofie ab nach rechts.
Sofie rechts ab.
512,1
wirft rasch einige Zeilen
wirft rasch einige Worte
512,1
durchsuchen die Commissäre
durchwühlen die Commissaire
512,14
LECOQ mit geballter Faust
LECOQ mit geballten Fäusten
512,14
drängen ihn zurück.
drängen ihn mit Gewalt zurück.
513.1
NlCAUD aufLecoq
513.2
Gelächter und Geschrei.
deutend.
513.3
EINIGE WEIBER. Macht Platz der Königin
EINIGE WEIBER. M a c h t Platz d e r
Roland!
Königin Roland! Gelächter und
deutend.
NlCAUD ZU den Garden,
aufLecoq
Geschrei. V , ii 515.1
Die Municipalgardisten
bleiben
Schliesser sieht die
Municipalgardisten
fragend an. Einer von ihnen zuckt die Achseln. Sie bleiben 441,3
[fehlt]
[SOFIE], Du hast gesiegt, hast überwunden -
516.2
MARIE. Sie selber drücken - sie mit eig'nen
MARIE. B a l d ,
Händen 516.3
Getreues Herz, bald hab' ich überwunDen Siegerkranz verklärend auf mein Haupt!
516,7
den. da ich ergeben bin
da ich so glücklich bin
Marie Roland
544 516,9
Wenn Du vernimmst -
442,6
[fehlt]
Herangenaht - daß ich -
516,9
SOFIE. Wenn ich vernehme? - Sprich!
SOFIE. Daß Du - sprich weiter -
516,11
[MARIE.] zur Ruhe ein.
Wenn Du vernimmst, daß meiner Leiden Ende
[MARIE.] zur Ruhe, geh' zum Frieden ein, / Und - gehe gern ...
516,11
SOFIE. Zur ewigen?! -
SOFIE. Zur R u h ' ? - zur ewigen! -
517,2
Die Königin von Frankreich? Und mit ihr
Die Königin?! - mit ihr vergleicht man
bis
Vergleicht man mich? - Ich sterbe ohne Schuld.
Mit dieser Frevlerin ...
mich?
SOFIE sanft verweisend.
Und sie hat - sie hat die
SOFIE fällt ihr ins Wort, sanft
ihre reich gesühnt.
send. Sie hat gesühnt.
MARIE. Gesühnt? ... Nach einer Pause. Auf
MARIE nach einer
verwei-
Pause.
ihrer Fahrt nach dem Schaffot Ward sie verhöhnt, und Flüche folgten ihr
[fehlt]
Bis in das Grab hinein. Nicht eine Hand
[fehlt]
Erhob sich kühn für sie, in keinem Aug'
[fehlt]
Erglänzte eine Thräne, und sie selbst
[fehlt]
Blieb starr und kalt - die Königin aus Stein!
[fehlt]
SOFIE. Sie war nicht kalt. Nicht Alle fluchten ihr.
[fehlt]
Als sich der Zug dem Richtplatz näherte,
[fehlt]
Wo thierisch jauchzend ihn das Volk empfing,
[fehlt]
Da trat ein armes Weib aus dem Gewühl
[fehlt]
Und hob sein Kind zur Königin empor;
[fehlt]
Und jenes, beide Händchen nach ihr streckend,
[fehlt]
Warf freundlich lächelnd einen Kuß ihr zu.
[fehlt]
Sie blickte weg - daß nicht der stumme Gruß,
[fehlt]
Von ihr bemerkt, es auch vom Pöbel würde,
[fehlt]
Und Unglück brächte denen die ihn boten.
[fehlt]
Sie blickte weg - sie sprach nicht, zuckte nicht,
[fehlt]
Doch überströmte Glut ihr Angesicht, Und schwere Tropfen traten ihr ins Auge. Bei'm Anblick dieses Kindes dacht' sie wohl
[fehlt] [fehlt] [fehlt] [fehlt]
An ihre MARIE mit einem Aufschrei. Halte ein!! ... Nichts
[fehlt]
mehr von ihr! 517,25
Sich mühsam fassend, leise vor sich hin.
[fehlt]
517,31
Zu Sofie. Mein Töchterchen, Sofie, wie geht
Nach einer Pause mit
es ihm?
Stimme. Sofie, mein Töchterchen, wie geht es ihr?
518,5
Den ich nicht tollkühn selbst herbeigeführt,
443,24
[fehlt]
[fehlt]
Von dem ich ford're daß er weiter diene
zitternder
II. Kritischer
545
Apparat
443,25
[fehlt]
Dem großen Zwecke, dem er sich geweiht:
518,13
Stockt.
Sie stockt.
518.24
Nimm es hin. Wenn Du
Nimm es hin, Sofie ...
518.25
Ihn wiedersiehst ...
Wenn Du ihn wiedersiehst, dann sage ihm.
444,6
[fehlt]
Wie schwer ich mich ... Er irrt umher, geächtet und verfolgt,
V , iii 519,1
Das ist die Freundin! das ist Lodoi'ska!
Das ist Lodoi'ska!
519,12
In Sicherheit,
Er war in Sicherheit,
519,16
MARIE. Doch insgeheim vom Volk beschützt
[fehlt]
bis
LODOISKA. Vom Volke?
[fehlt]
- Von ihm gehaßt, verläugnet -
[fehlt]
MARIE. Lodoi'ska!
[fehlt]
LODOISKA. Allüberall zurückgestossen —
[fehlt]
MARIE. O h ! -
[fehlt]
519,19
Ο meine Hoffnung! meine Zuversicht!
[fehlt]
445,1
[fehlt]
MARIE. Du weißt es nicht? LODOISKA. Sie kamen bis Quimper -
445,1
[fehlt]
519.25
MARIE zuckt schmerzlich
519.26
Du lebst und wirst sie wiederseh'n!
519,28
MARIE. Und Ihr? Du und
MARIE sie unterbrechend. Und Ihr? Louvet und Du - wo
Louvet?
wandtet Ihr
LODOISKA. Er ist gerettet!
Euch hin, als sie geschieden?
Geborgen in Rouen ...
LODOISKA. Müd' der Flucht,
MARIE vor sich hin. Sie
Erschöpft an Leib und Seele, kehrten wir
bis
zusammen.
MARIE. O h ! - -
Lebst - und wirst sie wiedersehn!
rettet die Sie liebt. Ich - tödte sie.
Zurück, und in Rouen ...
Laut. Rouen? - Nun dort 520,3
MARIE. Nun dort - dort saht
Dort saht Ihr ihn - Roland!
Ihr ihn - Roland? - Lodoi'ska macht ein verneinendes
... Ihr saht ihn nicht?
Zeichen. Ihr saht ihn nicht - warum?
520,8
Mit Fassung an,
Mit ruhiger Fassung an, nahm Abschied von
446.6
[fehlt]
Von ihren Gütern kein's begehrt, als Dich!"
446.7
[fehlt]
Nichts hofft, nichts liebt, Du Herrliche, als Dich!
520,27
MARIE fällt ihr ins Wort. Ο
MARIE. Ο schweige!
Dem Gastfreunde,
- schweige! 520,33
Der führt Dir's zu
446,15
[fehlt]
In seiner treuen Hut seid Ihr geborgen -
521,6
mich hinweg zu führen?
mich zum Tod zu führen -
446.25
[fehlt]
Sie finden Dich, die Hochverrätherin,
446.26
[fehlt]
Die sie betrug um ihre sich're Beute -
Er führt Dir's zu
546
Marie
446,29
[fehlt]
MARIE. DU kamst um mich zu retten, sagtest Du?
bis
[fehlt]
Es ist nicht wahr! Du kamst um mehr zu thun -
[fehlt]
Du kamst, ο Liebe - um für mich zu sterben! -
446,32
[fehlt]
Roland
LODOISKA. N e n n ' s wie du willst - wir streiten nicht um Worte-
446,35
[fehlt]
[MARIE.] W o hoffend Du in eine Zukunft blickst,
446,36
[fehlt]
Verklärt v o m Glück, vom schönen, heißersehnten?
447,8
[fehlt]
[LODOISKA.] Das rein und heilig uns vereinen wird!
522,8
An Gott der Glaube, und
Der Glaube, den Du hast - Bescheidenheit -
an mir der Zweifel! 447,38
[fehlt]
Der Zweifel an mir selbst und meiner Kraft -
bis
[fehlt]
Die Fähigkeit, Beleid'gung zu verzeih'n;
[fehlt]
Mir fehlte was uns keine Weisheit giebt.
[fehlt]
Der Friede eines gotterfüllten Herzens,
[fehlt]
Der noch im Augenblick w o ' s stille steht
448,2
[fehlt]
Der Hoffnung es und der Versöhnung öffnet.
448,8
[fehlt]
Und auszurufen: Ο mein Herr und Gott!
522,32
So willst Du nicht? -
So willst Du nicht? - Du willst nicht fort, Marie?
448,28
[fehlt]
Ich soll für Dich nichts thun?!
bis
[fehlt]
MARIE. DU thatest mehr
[fehlt]
Als j e ein Sterblicher, als j e ich selbst
448,31
[fehlt]
Für mich gethan!
448,37
[fehlt]
[MARIE.] Kehr' froh und stolz zurück zu dem Geliebten
bis
[fehlt]
Er segnet Dich, der Gott, auf den Du hoffst.
[fehlt]
Dein Opfer ist erfüllt in seinen Augen,
[fehlt]
Was Du gewollt, das ist für Ihn vollbracht! -
448,40
V , iv 523,1
VORIGE. LACROIX.
VORIGE. LACROIX, SCHLIESSER. GARDEN, die sich im
tergrunde
Hin-
aufstellen.
449,1
[fehlt]
SOFIE. Barmherzigkeit des Himmels!
449,1
[fehlt]
LODOISKA. Ach, Marie!
523,1
LACROIX ZU Marie.
LACROIX vortretend
449,4
[fehlt]
Er ist gewährt, s o f e m er billig ist.
zu
Marie.
523,3
LACROIX. Er ist gewährt,
LACROIX. Willst Du Dein Kind zum letzten Male seh'n?
sofem er billig ist. 523,4
MARIE. Laßt mich das Schicksal meiner
Die Republik erzeigt dir diese Gunst.
Freunde kennen. bis
523,7
LACROIX. Noch traf von ihnen keine Kunde
MARIE lebhaft. Z u m letzten Mal? ... nein,
ein.
nein! das kann ich nicht.
MARIE, Ο Gott! ο Gott! Wer sagt mir, ob sie
Zu diesem Abschied fehlt mir, Herr, die
leben?
Kraft. -
Ich geh' zum Tod und weiß nicht ob sie
Doch meiner Freundin, meiner Dienerin
11. Kritischer
547
Apparat
leben! 449,10
[fehlt]
Laß mich ein Wort des Lebewohl's noch sagen.
449,10
[fehlt]
Lacroix, Schliesser und Garden treten zurück.
523.9
MARIE ZU Lodoiska. Erbarm' Dich ihrer; Dir
MARIE. Ja, meine Freundin, scheiden müssen
empfehl' ich sie;
wir. Zu Lodoiska.
523.10
Bezahle Du die Schuld an Lieb' und Treue,
Erbarm' Dich ihrer - sei ihr gütig - Dir
449.14
[siehe oben]
Empfehl' ich diese vielgetreue Seele.
449.15
[siehe oben]
Zahl Du die Schuld an Lieb' und Hingebung,
523,19
Zu dem Du mich im Tod zurückgeführt! ...
449,24
[fehlt]
[MARIE.] Sie ist heftig.
Den Du mich kennen lehrtest.
bis
[fehlt]
Sei sanft mit ihr, auf daß sie werde sanft;
[fehlt]
Sie ist begabt: entwickle ihren Geist,
[fehlt]
Erweck' in ihr den edlen Sinn für's Schöne
449,28
[fehlt]
Und freud'ge Achtung für die heil'ge Kunst;
523,22
Im Freunde, wie im
Im Feinde wie im Freunde ...
Feinde, 450.7
[fehlt]
Ich hinterlaß ihr einen großen Namen,
450.8
[fehlt]
Sie trage würdig, trag' in Demut ihn!
523,26
Schließer öffnet die Thüre. Ein Huissier tritt ein, neben ihm Beugnot, begleitet von Garden, die sich im Hintergrunde
Huissier öffnet die Thüre; neben ihm steht Beugnot.
aufstellen.
450,9
[siehe unten]
HUISSIER. Seid Ihr bereit?
bis
[siehe unten]
SOFIE. Nein, nein! - Ο Herrin! Herrin!
[siehe unten]
MARIE. Ergebung! - Mut!
[siehe unten]
SOFIE. Ich habe keins von beiden -
[fehlt]
Mir bleibt nur die Verzweiflung, wenn Du stirbst.
[fehlt]
Fluch denen, die uns zur Verzweiflung treiben -
[fehlt]
Den Mördern Fluch!
[fehlt]
MARIE. Was thust Du? Halte ein! -
[siehe unten]
Erschüttern darf mein Tod, doch nicht empören.
[siehe unten]
Er ist kein Riß, kein Widerspruch ist er
[siehe unten]
In dem Gesetz, dem göttlichen, der Dinge,
450,17
[siehe unten]
Er ist Versöhnung, denn er ist gerecht.
523,28
Ja endlich, Gott sei Dank!
Ja, Gott sei Dank, Madame.
524.1
Es steht vor Euch das
Vor wenig Wochen Eure Königin
schuldbelad'ne Weib, 524.2 bis
Das Unheil brachte Allen,
Und heute ich. Sie reicht ihm die Hand. Er zögert sie zu
die es haßte.
fassen. Erbarmen Herr! Denkt Ihrer
Und doppelt Unheil Allen, die es liebte!
Der nichts verziehen ward, die alles groß verzieh! -
- Gebrauchet Euer Recht! verfluchet mich -
[fehlt]
Gedenkt der Königin - gebt mir zurück,
[fehlt]
Marie Roland
548
Verzehnfacht gebt den Vorwurf mir zurück,
[fehlt]
Den ich ihr zugeschleudert! ... Ο Beugnot!
[fehlt]
Ich habe sie dem Volke hart genannt;
[fehlt]
Was war ich ihm, als ich den Bürgerkrieg
[fehlt]
Heraufbeschworen über dieses Land? -
[fehlt]
Gebrauchet Euer Recht, verfluchet mich!
[fehlt]
Gedenkt der Königin.
[fehlt]
BEUGNOT. Ich denke ihrer,
[fehlt]
Der nichts verziehen ward, die Alles groß
[siehe oben]
verzieh;
524,15
Ich denke ihrer - und verfluch' Euch nicht.
[fehlt]
MARIE. In ihrem Namen denn: Erbarmen,
[fehlt]
Herr! 450,29
[fehlt]
Die unumschränkte Herrschermacht der
524,31
In letzten Reih'n verborgen vor
524,36
ZWEITER HUISSIER an der Thüre
Gnade!In letzten Reih'n, sich bergend vor stehen
HUISSIER an der Thüre steh'η geblieben.
bleibend. Seid Ihr bereit?
wartet.
524.36
SOFIE. Nein, nein! - Ο Herrin! Herrin!
MARIE. Seht, ich bin bereit.
524.37
MARIE . Ergebung! - Muth!
LODOISKA. Marie!
bis
SOFIE. Ich habe keins von beiden!
[siehe oben]
Mir bleibt nur die Verzweiflung ...
[siehe oben]
MARIE. Halte ein!
[siehe oben]
Erschüttern darf mein Tod, doch nicht em-
[siehe oben]
Man
pören. Er ist kein Riß, kein Widerspruch ist er
451,18
[siehe oben]
In dem Gesetz, dem göttlichen, der Dinge,
[siehe oben]
[fehlt]
SOFIE. Du höhnst noch, Teufel?! MARIE ZU ihr sanft. Still! Zu
451,18
[fehlt]
525,9
Zu Lodoiska.
525,9
Sofie ist in die Knie
Lebe wohl! leb' wohl!
Zu Lodoiska
Lacroix.
und Sofie. Habt Dank f ü r Eure
Liebe, lebet wohl. gesunken.
Sofie ist vor ihr auf den Boden
niederge-
sunken; Kannst Du auch weinen, Mann? - Leb'
In Deinem Auge eine Thräne, Mann?
wohl. - Nichts mehr!
- L e b ' wohl, auch Du. - Nichts mehr - es ist
Empfange, Herr, die wahnbefreite Seele,
Empfange, Vater, Dein verirrtes Kind,
525.16
Sie strebt zu Dir, Unendlicher! zu Dir!
Es kehrt zurück ο Herr! zu Dir - zu Dir!
525,16
dem Ausgange
raschen Schrittes dem Ausgange
525,13
vollbracht. 525.15
zu.
zu.
III. Text- und Wirkungsgeschichte
Marie Roland
1. Die Texte und ihre Entstehungsgeschichte Die Arbeiten an Marie Roland beginnen im Februar 1866 mit der Lektüre von Alphonse de Lamartines Histoire des Girondins (1847), und sofort notiert EbnerEschenbach in ihr Tagebuch: "Ich schreibe eine Tragödie: Marie Roland. Das steht fest!" (Τ I, 2.2.1866). Neben diesem historischen Werk bilden die Me'moires von Jeanne-Marie Roland de la Piatiere (1754-1793) die wichtigste Quelle für ihr letztes vollendetes historisches Trauerspiel. Ebner-Eschenbach stellt in der historischen Marie Roland oder Madame Roland die Frau einer modernen politischen Zeit dar. Marie Roland gilt nicht nur als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Girondisten, sondern sie war eine hochgebildete Frau und Schriftstellerin. In einigen Zügen weicht Ebner-Eschenbach von den historischen Begebenheiten ab, vor allem auch in Marie Rolands Rolle als Vorkämpferin für das Scheidungsrecht der Frau, die sie ausweitet. Weitere Abwandlungen betreffen Marie Rolands Irrtum hinsichtlich der Loyalität Lanthenas', die religiöse Thematik, die erste Szene mit dem Grafen Beugnot, die Szene mit Lodoi'ska im Gefängnis und die neugewonnene Sympathie Marie Rolands für Marie Antoinette in den letzten Szenen.' Das Geschehen in dem Trauerspiel spielt sich im Jahre 1793 in Paris ab; es ist die Zeit der Schreckensherrschaft während der Französischen Revolution. Wie in ihrem ersten Trauerspiel wählt Ebner-Eschenbach eine historische Frauengestalt als Protagonistin für ihr Stück. Von den Girondisten wird Marie Rolands Vormachtstellung fraglos akzeptiert; sie spricht, handelt und entscheidet für sie, eine Rolle, die auch ihr Mann, der Innenminister Roland, nicht in Frage stellt. Gegen die Macht der Jakobiner, die skrupellos sich der Gewalt und Verleumdung bedienen, wirken die idealistischen Girondisten, die redliche Mittel wählen, hilflos. Entschieden lehnt Marie das vorgeschlagene Bündnis mit Danton ab und reißt die Girondisten aus ihrer Resignation. Im Konvent sollen sie, für das Wohl der Allgemeinheit, für Frieden und Freiheit sowie Gerechtigkeit kämpfen, sich den Jakobinern stellen und sie anklagen. Doch sie werden von Lanthenas verraten. Marie Roland täuscht sich also in ihm auf ähnliche Weise wie Maria Stuart in Bothwell. Die Folge ist, daß die Girondisten fliehen müssen, nachdem Danton, Marat und Robespierre das Volk gegen sie aufgehetzt haben. Ihre Liebe zu Buzot muß Marie bekämpfen, und selbst, als Roland sie freigeben will, kann sie sich nicht von ihm trennen, wenn sie nicht als Vorkämpferin für das Scheidungsrecht politisch jede Glaubwürdigkeit verlieren will. Der Höhepunkt des Trauerspiels ist die Konfrontation zwischen Marie und Danton. Er sieht in Marie keine ernsthaft um ihre politischen Ziele kämpfende Politikerin, sondern dämonisiert sie als betörende Verführerin der Männer. Für die Ablehnung des Bündnisses rächt sich Danton mit der Unterhöhlung von Maries Glauben, für idealistische Ziele gekämpft zu haben. Er macht
1
Vgl. Kord, Ein Blick hinter die Kulissen, Fußnote 35, S. 235.
552
Marie Roland
sie für den Mord am Königspaar sowie die Gefährdung der Girondisten verantwortlich. Durch Lodo'iskas Opferbereitschaft am Ende erkennt Marie ihre tragische Schuld. Sie stirbt mit dem Wissen des Untergangs der Gironde, aber auch mit der Überzeugung, wie sie Beugnot auf dem Weg zur Hinrichtung deutlich macht, daß das Werk ein göttliches war, wenn auch das Ziel durch menschliche Schuld verfehlt wurde.
a. Die Handschrift Η (I.N. 54484) Schon die Handschrift (H) von Marie Roland trägt den Untertitel "Trauerspiel" und damit die spezifische Gattungsbezeichnung. Die Dramatikerin benutzt auch für dieses Trauerspiel das Pseudonym "M. v. Eschenbach". Außerdem wird diese Handschrift als Vorlage für den Erstdruck mit dem Hinweis "Als Manuscript gedruckt" ausgewiesen. Wie bei ihrem Erstlingswerk vertraut Ebner-Eschenbach während der Arbeit an Marie Roland auf den fachkundigen Rat und die Kritik von Eduard Devrient und Bekannten in Wien. Die intensive Arbeit an dem Trauerspiel geht gut voran, und so kann sie bereits am 11. März 1866 der befreundeten Auguste Littrow (Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, 1819-1890) den ersten Akt vorlesen. Ebner-Eschenbach kommentiert in ihrem Tagebuch die Reaktion Littrows auf leicht amüsierte und ungläubige Weise: "Ich las ihr den ersten Aufzug der Roland vor. Wenn alle Leute die das Stück sehn so davon hingerissen werden, dann wackelt Schiller's Thron im Himmel. Schad dass man von ihr kein ruhiges Urtheil haben kann" (Τ I, 11.3.1866). Bereits ein paar Monate später liest Ebner-Eschenbach das Stück der befreundeten Ida FleischlMarxow vor, die es mit großem "Antheil" und "energischem Interesse" aufnahm (Τ I, 19.5.1866). In ihrem Karlsruher Bekanntenkreis Schloß Ebner-Eschenbach dieses Mal neben Devrient auch das Schauspielerehepaar Rudolf und Johanna Lange in die Beurteilung ihrer Marie Roland ein. Da Devrient sich während der Theaterpause zur Erholung in Baden-Baden aufhielt, schickte Rudolf Lange stellvertretend für den Karlsruher Theaterdirektor einen ausführlichen Kommentar mit Empfehlungen für die Verbesserung des Stückes an Ebner-Eschenbach. Nach Lange war Devrient von dem dramatischen Werk "sehr eingenommen", in der "Wahl des Stoffes" sei sie "sehr glücklich" gewesen, der "Character des Danton" und der ganze fünfte Aufzug seien "schon jetzt ganz außerordentlich gelungen". Er empfiehlt aber die "politische Lage Frankreichs" noch deutlicher zu gestalten, damit für das Publikum das Geschehen verständlicher sei. Auch solle Marie Roland "noch mehr hervortreten", "der politische Charakter mit seinen Vorzügen und Schwächen noch klarer, noch größer wirken", sie müsse "mehr Gestalt gewinnen", und was von Ebner-Eschenbach "in einigen Scenen schon herrlich gedacht" sei, müsse noch eingehender ausgeführt werden. Außerdem sollte Marie, "die ja so schön gedacht und durchgeführt" sei, in ihrer Beziehung zu ihrem Mann
111. Text- und Wirkungsgeschichte
553
"noch bestimmter vorbereitet" und schließlich "die Schuld, an der sie untergeht", im vierten Akt noch stärker entwickelt werden (Br 39). Lange betont seine Gewißheit, daß "noch in der nächsten Saison" das Trauerspiel Marie Roland im Karlsruher Hoftheater aufgeführt werde (Br 39). Ebner-Eschenbach ist mit den Vorschlägen hinsichtlich der Charakterisierung von Marie einverstanden, und sie weiß auch, wie sie zu verwirklichen sind (Τ 1,3.8.1866). Was für sie nun zum größten Problem wird, ist, wie sie den durch die detailliertere Vorbereitung der politischen Geschehnisse sowie die Entwicklung der Charaktere gewaltig angewachsenen Stoff in einem fünfaktigen Stück unterbringen kann. Sie schlägt vor, den Gang der Revolution bis zur Verurteilung des Königs durch den Konvent (Mitte Januar 1793), Maries Mitwirkung und ihre Verachtung der königlichen Familie sowie die Stellung der Girondisten und Jakobiner in einem Vorspiel zu gestalten, und bittet Devrient um seinen Rat (Br 21). Es ist nicht zu eruieren, wie dieser ausgefallen ist, aber das Vorspiel wird in der Folge weder in den Tagebüchern noch Briefen erwähnt. Statt dessen liest sie schon im November 1866 den überarbeiteten ersten Akt einem kleinen Publikum vor (Τ I, 14.11.1866), und nachdem auch der zweite Akt umgearbeitet ist, schickt sie das Manuskript zur Begutachtung an Friedrich Halm (Τ I, 5.12.1866) und den Schriftsteller und Dramaturgen Heinrich Laube (1806-1884). Im Januar 1867 ist die Umarbeitung abgeschlossen, und EbnerEschenbach läßt diese überarbeitete Fassung abschreiben, bei der es sich wohl um Η handelt, und sendet dieses Manuskript mit der Bitte um den endgültigen "Urtheilsspruch" (Br 22) an Devrient. Bei Η handelt es sich also bereits um eine überarbeitete Fassung, in der dann noch einige zusätzliche Tilgungen und Hinzufügungen in den ersten drei Akten hinzukommen, die im laufenden Text als integraler Apparat angebracht sind. Außerdem kam es bei dieser Überarbeitung im vierten und fünften Akt teilweise zum Austausch von Seiten mit überarbeiteten Textteilen. Durch den Austausch ist der getilgte Text nicht mehr zu rekonstruieren. Schreibfehler wurden korrigiert und in Fußnoten erläutert. Es gibt große Unterschiede in der Orthographie und Interpunktion zwischen Η und Ε einschließlich EK. Inhaltlich sind die größten Unterschiede im vierten und fünften Akt. Im vierten Akt schlägt Marie den Girondisten vor, den Kampf aufzugeben und das Vaterland zu verlassen. Außerdem ist es Roland, der Marie empfiehlt, in Paris zu bleiben und ihm erst dann mit der Tochter Eudora nachzufolgen, wenn er eine sichere Bleibe gefunden habe. Im fünften Akt sind es Maries Charakterisierung von Lodo'iska, die größere Konzentration auf diese Gestalt sowie deren positive Charakterzüge, die ausgebaut werden. Marie empfiehlt Lodo'iska ihre Tochter, und die Lehre, die jene Eudora vermitteln soll, ist abgewandelt. Außerdem enthält Η auch eine Verfluchung der Mörder Maries, wie Sofie es ausdrückt.
Marie Roland
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b. Der Einzeldruck (E) mit Korrekturen (EK) Ebner-Eschenbach gibt am 2. März 1867 das überarbeitete Manuskript (H) der Marie Roland an die Druckerei, aber noch im Verlauf des Monats März kommt es zu weiteren Überarbeitungen des vierten (die dritte Umarbeitung dieses Aufzugs) und fünften Aktes, die sie dann am 27. März 1867 an die Druckerei schickt. Laube hatte ihr vor der Drucklegung noch empfohlen, eine von ihr vorgeschlagene Änderung im Verhalten Maries nach ihrer Rückkehr vom Gespräch mit Danton nicht vorzunehmen, und begründet seine Auffassung wie folgt: "Ich finde den Zug fein, daß die Frau einmal stark impressionirt ist, ich würde also nur ihre Superlativen Ausdrücke mildern". Außerdem sei in der Gefängnisszene im letzten Akt "ein wärmeres Eingehen auf das Unrecht" empfehlenswert, "welches Marie Roland der Marie Antoinette in ihrer Verurtheilung angethan. Es scheint mir, wie es jetzt ist, zu kurz u. zu kühl" (Br 41). Laube empfiehlt aber, das Manuskript baldmöglichst drucken zu lassen. Am 13. April 1867 erhält Ebner-Eschenbach 100 gedruckte Exemplare des Trauerspiels Marie Roland (E) von der Druckerei. In einem Exemplar von Ε hat die Dramatikerin handschriftliche Korrekturen (EK) vorgenommen, die in Fußnoten entsprechend gekennzeichnet wurden. Außerdem wurden Setzfehler in Ε korrigiert und in Fußnoten erläutert. Ebner-Eschenbach ist auf die Änderungsvorschläge Laubes eingegangen. Wie das Variantenverzeichnis (II. 4.) zeigt, bestehen die größten inhaltlichen Unterschiede im vierten und fünften Aufzug. In den ersten drei Akten kommt es größtenteils zu stilistischen Abwandlungen und nur einmal zu einer kürzeren Hinzufügung (I, iii). Die hauptsächlichsten Abwandlungen betreffen Maries Reaktion auf das Gespräch mit Danton, ihre Aufforderung zum Kampf gegen die Warnung Rolands vor dem Bürgerkrieg, Maries Entschluß, in Paris zu bleiben, und ihre Hoffnung, daß ihr Tod ein Zeichen für den Aufruhr des Volkes gegen die Jakobiner sein werde, Maries Erkenntnis, die Königin verkannt zu haben, sowie das Eingeständnis ihrer eigenen Schuld. Bereits bevor Ebner-Eschenbach das Manuskript ihres Trauerspiels der Druckerei übergibt, bekommt sie von Devrient, der sich noch vor einigen Monaten lobend über Marie Roland ausgesprochen und durch Lange eine Aufführung auf dem Karlsruher Hoftheater in Aussicht gestellt hatte, eine Absage, die Ebner-Eschenbach wohl sehr getroffen und enttäuscht hat, wie aus ihrer Tagebucheintragung zu entnehmen ist: Merk ich mir den Tag! Der Schatten vom lichten 26' Jänner froh u. wohlgemut an den Kleinigkeiten gearbeitet die noch an der Roland zu ändern sind - da kommt ein Packet aus Karlsruhe. Das Herz steht mir still - Devrient schreibt mir selbst - Er schickt M. Roland zurück. Er erwartet keinen Bühnenerfolg von ihr. "Die Gifthauchatmosphäre der Revolutionszeit ist zu treu darin geschildert." Der Brief widerspricht in vielen Punkten jenem den mir Devrient im Herbste schrieb. Damals fand er sie zu edel, jetzt findet er sie so unweiblich dass man keine Sympatie für sie emp-
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finden kann. Und an ihrem Charakter habe ich doch nichts geändert, das ist alles geblieben was es war. (Τ 1,3.3.1867) 2
Dann macht Devrient im Juni 1867 doch noch Hoffnung auf eine Aufführung in Karlsruhe, aber nur wenn Marie Roland "in Wien durchgreift" (Τ I, 28.6.1867). Dazu kommt es aber nicht, denn schon im Dezember 1866 warnt Halm die Dramatikerin davor, "die Roland aufführen zu lassen", wenn sie "nicht unverbrüchlich auf die Verschwiegenheit Derer rechnen kann, welche sie kennen" (Τ 1,9.12.1866). Trotzdem betont Halm, daß er das Trauerspiel für '"ein bedeutendes Werk'" halte, aber er bezeichnet es auch als '"unpraktisch"' (Τ 1,16.12.1866).
c. Laubes Bühneneinrichtung der Marie Roland (I.N. 60644) Heinrich Laube, der von 1849 bis 1867 Direktor des Wiener Burgtheaters war und die Marie Roland sehr gelobt hat, plante, das Stück in Wien aufzuführen. In einem Exemplar des Erstdrucks (I.N. 60644) sind die Änderungen verzeichnet, die Laube für die vorgesehene Aufführung im Burgtheater vornehmen wollte. Er streicht in dieser Bühneneinrichtung Robespierre, dessen Reden er auf Lacroix überträgt, während er einen Teil der Reden von Lacroix auf Legendre verlagert. Außerdem streicht er Gensonne und legt dessen Reden Vergniaud und Roland in den Mund. Es kommt darüber hinaus zu anderen kleineren Änderungen. 3 Zu ihrer großen Freude erhält Ebner-Eschenbach am 1. April 1867 einen Besuch von dem Schauspieler Friedrich Krastel, der gern die Rolle des Danton übernehmen würde. Halm läßt Ebner-Eschenbach wissen, daß er Laubes Absicht, Marie Roland auf die Bühne zu bringen, "respectire" und daß er glaube, daß das Trauerspiel ihr "den wohlverdienten Lorbeer bringen" werde (Br 32). Aber als Ebner-Eschenbach erfährt, daß Halm zum Generalintendanten der beiden Hoftheater in Wien ernannt werden soll, was Laubes Rücktritt bedeutet, weiß sie, daß Marie Roland nicht im Burgtheater gezeigt werden wird; sie notiert in ihr Tagebuch: "Leb wohl Marie Rolandl - Es ist einmal wieder eines meiner Kinder gestorben bevor es auf der Welt war" (Τ I, 11.7.1867). Damit war für Ebner-Eschenbach jede Hoffnung auf eine Aufführung auch ihres zweiten Trauerspiels in Wien zunichte gemacht. Auch H. Kleinert, an den sie ein Exemplar ihrer Marie Roland geschickt hatte, teilt ihr aus Danzig mit großem Bedauern mit, daß sich das Ensemble aufgelöst habe und es für ihn daher nicht möglich sei, das Drama aufzuführen (Br 38).
2
Weder der Brief vom Herbst 1866 noch der Begleitbrief des Pakets ist in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek und konnte leider nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. auch Ebner-Eschenbachs Brief an Devrient vom 12.11.1867 (Br 24).
Marie Roland
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2. Die Aufführung von Marie Roland und erste Reaktionen Ebner-Eschenbach hatte ein Exemplar ihrer Marie Roland auch an das Hoftheater in Weimar gesandt, und dort fand ihr Trauerspiel großes Interesse. Der Intendant des Hoftheaters August von Loen teilt ihr in einem Brief vom 30. November 1867 mit, daß er für das kommende Jahr eine Inszenierung des Stückes plane. Gleichzeitig versicherte er ihr, daß das Ensemble für die Aufführung der Marie Roland "vortrefflich" geeignet sei, daß die Titelrolle "in den Händen einer vorzüglichen Darstellerin sein" werde, und versprach, "eine würdige mise en scene und fleißigstes Einstudieren" vorzunehmen (Br 42). Zur erfolgreichen Uraufführung des Trauerspiels Marie Roland kommt es am 31. Oktober 1868. In einer Besprechung in der Weimarischen Zeitung vom 8. November 1868 gesteht der Rezensent, daß er allen Dramen, die führende Gestalten der Französischen Revolution darstellen, "ein gewisses Mißtrauen" entgegenbringe und dies auch auf Marie Roland zutreffe. Trotzdem kommt er zu dem folgenden Urteil: Manche Züge, manche Charakteräußerungen [sind] sogar fein und tief gedacht, die Situationen, wenn sie auch zuweilen durch unmotivirtes Zusammentreffen ermöglicht sind, anziehend und ausgiebig; der Charakter der Hauptheldin ist geschlossen, zuweilen sehr vortrefflich gezeichnet, die Sprache, wenn sie auch nie den Nagel so recht auf den Kopf trifft, die inneren Vorgänge mehr andeutet, als scharf und klar ausdrückt, wohlklingend und edel.
Besonderes Lob zollt der Rezensent der Darstellerin der Marie Roland, die "durch ihre ausgearbeitete und einfach schöne Darstellung" 4 in der Hauptrolle sehr überzeugt habe. Auch Freiherr von Loen berichtet von dem "sehr günstigen Erfolg" und der gelungenen Darstellung des Trauerspiels: Die Szenen mit Roland und Danton, die Aktschlüsse etc. wurden mit dem lebhaftesten Beifall des Publikums begleitet, das eine von Szene zu Szene regere Theilnahme zeigte. [...] Die Mitglieder spielten mit ganz besonderer Lust, bis auf die kleinsten Rollen war entschiedene Sorgfalt und der Triumph bemerkbar, der schönen und noblen Diktion der Dichterin gerecht zu werden. (Br 43)
Die Aufführung fand in Anwesenheit des Großherzogs von Sachen-Weimar-Eisenach Carl Alexander statt, der seine Anerkennung für die "schöne Arbeit" aussprach (Br 43). Über den Erfolg der Weimarer Aufführung berichtete der Hofschauspieler Lebfeld, der den Danton spielte, anläßlich eines Besuches in Wien der Dramatikerin persönlich (Br 44). Ebner-Eschenbachs Schriftstellerkollegen wie Louise von Frangois (1817-1893) und Paul Heyse (1830-1914) schätzten ihr "Lieblingskind" (Br 24) sehr und priesen es, wie Bettelheim berichtet, noch Jahrzehnte nach seiner Drucklegung als
4
Weimarische Zeitung Nr. 264 vom 8. November 1868, o. S.
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eine Dichtung von so ergreifender Hoheit und Macht, daß sie sich trotz mancher Schwächen, die von dem Stoff unzertrennlich sind, auch in der Darstellung siegreich behaupten würde, wenn Revolutionsstücke nicht auf unseren Hoftheatern verpönt und von den kleineren Bühnen durch die Größe der Aufgaben ausgeschlossen wären. (Bettelheim 1900,74—75)
Auch ihr Mann Moriz von Ebner-Eschenbach zollte dem Drama "ein inniges, kräftiges Lob - ohne einer Silbe des Vorbehalts" (T 27.1.1867). Die ausführlichste Wertschätzung kam allerdings von Ferdinand von Saar, der von dem Trauerspiel "ungemein gefesselt" war, und zwar nicht nur durch das interessante Colorit der damaligen Zeit - welches Ihnen namentlich in der großen Convent-Scene bewunderungswürdig gelungen ist, sondern auch durch die edle sittliche Hoheit, mit welcher Sie die Heldin gezeichnet haben. Auch die Sprache ist herrlich, und beurkundet in ihrer einfachen, gedrängten, plastischen Schönheit einen außerordentlichen Fortschritt gegen jene in der Stuart. (Br 45)
Was nach Saar die gelungene Konzeption jedoch beeinträchtige, ist der "Eindruck einer Conclusion ohne Prämissen", d. h., die fehlende Gestaltung der vorausgehenden politischen Geschehnisse mache "ohne genaue Detailkenntniß der Revolutionsgeschichte" die Zusammenhänge schwer verständlich. Aber er lobt Ebner-Eschenbachs dramatische Fähigkeiten: "Die geniale Art, mit welcher Sie in wenigen Strichen Danton, Robespierre u. Marat gezeichnet haben, zeigt [sie] von großer Gestaltungskraft" (Br 45). Noch im Rückblick nennt Saar dieses Drama ihr "reifstes" Werk (Saar 164). Auch die Prager Schauspielerin Anna Versing-Hauptmann, die in Coburg in EbnerEschenbachs Stück Die Veilchen (1862) aufgetreten ist, nennt Marie Roland "ein süperbes Stück" und wünscht sich eine Aufführung, in der sie mitwirken könnte (Br 48).
3. Marie Roland in der wissenschaftlichen Literatur In einer der ersten Beurteilungen in der wissenschaftlichen Literatur betont Anton Bettelheim, daß im Vergleich zu Ebner-Eschenbachs dramatischem Erstlingswerk Marie Roland einen "bedeutenden Fortschritt" in "Anlage, Technik, Charakteristik" aufweise (Bettelheim 1900, S. 74). Necker geht in seiner Monographie aus demselben Jahr noch einen Schritt weiter, indem er Marie Roland "eine dichterische Schöpfung von seltener Größe" nennt, in der Ebner-Eschenbach in Marie und Lodoi'ska "die beiden Pole der Weiblichkeit" gestaltet habe. Während die Triebfedern für Marie ihr "Heroismus" und "Idealismus" seien, die ihr die Kraft geben, "die Grenzen der Weiblichkeit zu überschreiten" und für das Wohl der Allgemeinheit zu kämpfen, sei es in der Gestalt der Lodoi'ska "das Ideal weiblicher Anmut und Opferfreudigkeit" (Necker, S. 20-25), das sie auszeichnet. Ganz anders deutet aber zehn Jahre später Gabriele Reuter die Protagonistin von Ebner-Eschenbachs Tragödie:
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Marie Roland Marie Roland ist keine dramatische Heldin, weil sie viel zu wenig ursprüngliche Natur ist, weil viel zu wenig Dämon in ihr steckt. Sie ist ein Produkt hochgesteigerter Zivilisation, ein Gemisch aus Bildung, Verstand und überlegter Tugend. Selbst ihre Begeisterung für die Freiheit hat etwas Philosophisch-Akademisches. Sie ist verehrungswürdig, aber unpoetisch. Es haftet ihr etwas Starres, Unkünstlerisches an, das keine dichterische Macht gefügig machen wird. (Reuter, S. 29-30)
In den vierziger Jahren kommt Elisabeth Felbinger wieder auf die idealistischen Züge in der Titelheldin dieses Trauerspiels zurück. In Marie Roland zeige Ebner-Eschenbach nicht nur "die Größe der 'Königin der Gironde'", sondern sie verkläre sie auch "zu einer Heldin der Wahrheit" (Felbinger, S. 55-56). Felbinger kommt zu dem Schluß, daß damit die Dramatikerin wieder ihr "Lieblingsthema der Läuterung" anschlage, was bewirke, daß Marie "viel weniger zur Revolutionärin als zur tragischen Heldin der Liebe und des Glaubens" werde (Felbinger, S. 65). Und auch noch fast dreißig Jahre später hält Karl Gladt daran fest, daß im Gegensatz zu den historischen Tatsachen Ebner-Eschenbach "aus der leidenschaftlichen, blutvollen Revolutionärin eine idealisierte Gestalt" mache, "die ohne tragische Schuld an dem Konflikt zwischen der retrograden Bergpartei und der erbarmungslosen Pöbelherrschaft zugrunde" gehe (Gladt, S. 18-19). Gegen Ende der achtziger Jahre führt Roman Rocek diese Auffassung weiter und betont, daß das Trauerspiel den Entwicklungs- und Läuterungsgang der Protagonistin darstelle, aber auch die sich in ihrem Innern widerstrebenden Kräfte verdeutliche. Für Rocek ist der Grundzug dieses Dramas "ein durchaus epischer", und sein Zweck sei daher, "die Hintergründe des Erlebens und Erleidens" zu zeigen und bewußt zu machen (Rocek, S. 586-587). In ihrer für die Erforschung weiblicher Dramatik im 18. und 19. Jahrhundert grundlegenden Studie Ein Blick hinter die Kulissen (1992) konstatiert Susanne Kord, daß Marie Rolands "unwidersprochene Machtstellung" auf ihrem "Selbstbewußtsein" beruhe, ein Charakterzug, der den männlichen Vertretern der Gironde fehle. Am Ende seien es ihr "Handlungswille" und ihre "unbedingte Hingabe an die große Aufgabe", die Maries "Apotheose im Tod" ermöglichen (Kord, S. 128-129). Kord weist aber darauf hin, daß das Bild der Protagonistin ein gebrochenes sei, denn Marie könne ihre politischen Ziele und Ideale nur verfolgen und ihre Handlungsfreiheit bewahren, indem sie ihre menschlichen Gefühle unterdrücke und ihren "eigenen Glücksanspruch" aufgebe (Kord, S. 129-30). In ihrer Monographie aus dem Jahre 1997 geht Edith Toegel davon aus, Marie entwickle sich von einer unermüdlichen, dem politischen Ziel private Gefühle aufopfernden Revolutionärin durch Zweifel und Selbsterkenntnis zur "Vertreterin einer alles durchdringenden Liebe und des Glaubens an sich selbst" (Toegel 1997, S. 29). Dieser Auffassung schließt sich dann auch Doris Klostermaier an, wenn sie davon spricht, "Ebner-Eschenbach transforms her into a penitent, longing for God" (Klostermaier, S. 104). Die tragische Schuld von Marie sieht Georg Reichard in der "Mitverantwortlichkeit für die Bluttaten der Revolution" begründet (Reichard, S. 109). Carl Steiner argumentiert in seiner Monographie, daß Ebner-Eschenbach in Marie Roland, was die Gestaltung weiblicher Akteure der Geschichte betrifft, noch
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einen Schritt weiter gehe als in ihrem Erstlingswerk: "Marie Ebner wanted to show a woman who was a wife, a mother, and a political leader in one. Her tragic death was to be the direct result of her willingness to sacrifice her life for the perceived betterment of all of humanity. The symbolism of this historic figure thus transcends her sex" (Steiner, S. 77). In der Konzeption ihrer Protagonistin schlage damit die Dramatikerin, wie Steiner weiter feststellt, einen eigenständigen Weg ein und unterscheide sich von "Hebbel's blameless tragic heroines, who are caught between the overpowering demands of an older social order and the as yet unattainable promise of a more benign future whose coming their tragic demise purportedly foreshadows" (Steiner, S. 88). In ihrer Auseinandersetzung mit der Dramatikerin und ihrem Werk kommt Helga Kraft zu der Auffassung, daß Ebner-Eschenbach in Marie Roland eine moderne Frau auf die Bühne stelle. Weder scheue sie sich, die Macht zu ergreifen, noch berufe sie sich - wie noch in Schillers Jungfrau von Orleans (1801) - auf Gott, bekenne sich sogar dazu, Atheistin zu sein, und konzentriere sich ganz auf das politische Ziel. Zwar trage sie als Sprecherin der Girondisten den Namen ihres Mannes, aber Ebner-Eschenbach zeige uns "einen Frauenentwurf, bei dem es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in bezug auf die Fähigkeit zur Größe und Macht" gebe (Kraft, S. 46). Obwohl die Frau "nicht länger Besitz des Mannes" sei, werde sie am Ende doch "aus ihrer Rolle als politisch Handelnde in die typisch weibliche Rolle der verklärt Leidenden abgedrängt". Dabei thematisiere Ebner-Eschenbach allerdings "eher die reale Umwelt" als "das Recht der Frau, ihre Fähigkeiten einzusetzen", und sieht den tragischen Fehler in "Maries Unfähigkeit, auch ihre Weiblichkeit voll ins Spiel zu bringen" (Kraft, S. 47). In ihrer Untersuchung der Sprache als Machtmittel in den beiden historischen Trauerspielen konnte Sarah Colvin zeigen, daß Maria Stuart letztendlich auch die sprachliche Unterordnung aufgezwungen werde, während Marie Roland sich selbst unterwerfe (Colvin 2003, S. 29). Maries Vermächtnis an ihre Tochter Eudora stellt jedoch eine Harmonisierung positiver 'männlicher' und 'weiblicher' Züge dar, wenn Marie in ihrer Erziehungslehre, die sie an Lodoi'ska weitergibt, empfiehlt, die entschlossene Seite von Eudoras Wesens zu fördern, aber dabei auch die gefühlvolle nicht zu vergessen. Peter Pfeiffer schließlich versucht in seinem Aufsatz "Im Kanon und um den Kanon herum: Marie von Ebner-Eschenbach" die Schriftstellerin erneut in die deutschsprachige Literaturwissenschaft einzuordnen und kommt zu dem Resümee, daß ihre merkwürdige Position in der deutschen Literaturgeschichte daher rührt, daß sie sich einerseits explizit auf die zu ihrer Zeit schon überkommenen ästhetischen Vorstellungen der Klassik beruft, ihre Texte aber zugleich deren Brüchigkeit ins Bild setzen, nicht zuletzt in einem kalkulierten - an diesen Kategorien gemessenen auch ästhetischen - Scheitern, das primär geschlechtsspezifisch konnotiert ist. (Pfeiffer, S. 115)
I. Text
Richelieu
1.
Richelieu 's Ende
(H1)
Richelieu's Ende Trauerspiel in fünf Aufzügen
Richelieu 's Ende
564
PERSONEN
LUDWIG X I I I . ANNA VON OESTREICH M A R I A VON GONZAGA RICHELIEU MAZARIN DETHOU CINQ-MARS FONTRAILLES CHAVIGNY LAUBARDEMONT DESNOYERS BEAUFORT, LOCMARIA,
Offizier von der königlichen Offizier von der königlichen
[SCHÖMBERG FAVERT ROBERT,
Gardist
A R T I L L E U R S , DRAGONER]
Garde Garde
[Erster Aufzug] [Erster Auftritt] Dem Pfaffenknecht. ARTILLEUR. W e r ist e i n P f a f f e n k n e c h t ? GENDARM UND DRAGONER. DU b i s t ' s ! ARTILLEUR. D i e B u b e n !
5
DRAGONER. Ihr Alle, seid Pfaffenknechte ANDRER ARTILLEUR. D u m m e r J u n g e !
DRAGONER. Eure ganze W a f f e ! ARTILLEUR's. Z ü c h t i g t s i e ! DRAGONER UND DIE SEINEN. V e r s u c h t ' s !
10
Beide Parteien stürzen schreiend auf einander los. Soldaten von königlichen Garde kommen. ROBERT (GARDIST). Das schlägt mit Fäusten d'rein. Gemeines Volk! ARTILLEUR. Was will der Maulaff? wer rief Euch? DIE SEINEN. G e b t R a u m !
DRAGONER. D i e Garde! Hoch die Garde! Zu uns! DIE SEINEN. H o c h d i e G a r d e ! Z u u n s ! 15
ARTILLEUR. Die Royalisten schreien um Succurs. Die Seinen
lachen
Hinüber mit Euch! DIE SEINEN. H i n ü b e r ! ARTILLEUR. W i r n e h m e n ' s a u f m i t A l l e n . DIE SEINEN. M i t A l l e n !
20
DRAGONER. Der König hoch! gilt hier. ARTILLEUR UND DIE SEINEN. Hoch der Cardinal! Hoch Richelieu!
1-
In einer Spalte links zu Beginn des ersten Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung. (DE THOU. Wie steht's Ihr Herrn? BEAUFORT. Sie raufen wie dieTeufeln. Die Holl ist los im Lager sag' ich Euch! Rufe Draussen: Hoch der König! - hoch! Das sind die Unsem, das ist Cinq-Mars' Garde! ST. SIMARD. Verwünschtes Volk! im Angesicht des Feinds Liegt Freund und Freund sich wütend in den Haaren! Rufe Draussen: Hoch der Cardinal! BEAUFORT. Den Anhang Richelieu's, hört Ihr ihn brüllen? Fürwahr, zertreten möcht ich ((vernichten soll man)} diese Schufte Sie sind ein Krebs, sind eine Pest im Heer! ST. SIMARD. Zertreten - ((Verachten)} Viel besser w ä r ' s sich mit ihm zu vertragen. BEAUFORT. Wir hassen sie die Söldner, lang schon gährt Die Wut in uns die heut zum Ausbruch kommt.)
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5
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Richelieu 's Ende ROBERT. Nicht auch der König? nicht zuerst der König? Ruft: Hoch! Dem König, oder ARTILLEUR. Drohst Du? - Ich glaube gar. - Wie er spricht, der aufgeputzte Pfau des Grafen von Cinq-Mars! R O B E R T tritt mit gekreuzten Armen vor ihn hin. {Hast bald ausgeknurrt?} (Ruhig!) Ich rathe Dir's. Die Garde, weißt Du, schlägt sich nicht mit Fäusten. ARTILLEUR. {Ich weiß.} Sie zieht um Nichts das Schwert, steckt's um Nichts auch wieder ein. Leicht rauft, der sich leicht versöhnt. ROBERT. Ohne Sorge. Kein Reiter von der Garde versöhnt sich je mit einem Cardinalisten. DIE GARDEN. Keiner! Keiner! ARTILLEUR. Wenn ich den Degen zieh, vorlauter Knab! fährt er nicht eher in die Scheide zurück, als bis er früher Dir in's Herz gefahren. ROBERT. Probier's, Du alter Prahler! Zeig' Deine Courage! ARTILLEUR. Dir?! Sie war erprobt bevor Dein Vater Deine Mutter freite. Im Schnee der Alpen, im Sonnenbrand Italiens, vor La Rochelle, vor Susa, in Privas ROBERT. Ha in Privas! ... Privas, der französischen Stadt, die Richelieu durch Franzosen plündern ließ. Warst Du dabei, und rühmst Dich noch? Söldner! ... Geh, wir verachten Dich - wir jüngeren Soldaten. ARTILLEUR. Alle Donnerwetter! Wenn das ein And'rer sagte ... Verachten? S'ist zum lachen, ein solcher Knirps, der hier erst fechten lernt. ROBERT. Keinem {Helden} wünsch' ich bess're Schule. ARTILLEUR ZU den Seinen. Sie glauben schon sie sind's! Wegen der spanischen Bastione - stürmen zu Pferd, der Unsinn! ROBERT. Macht ihn nach! Ich wollte Euch bei gleicher Arbeit sehn. So führt die Eminenz wohl keinen Sturm, als wie der Graf Cinq-Mars! ARTILLEUR. Wahrlich nein! Der Cardinal schickt seinen Geist mit uns. Sein Verstand gibt uns'ren Geschützen die Richtung, uns'ren Schlachten den Plan. Sein Genie überbrückt die Flüsse, baut einen Weg in's Meer, und führt uns in's Herz der feindlichen Festungen. Das ziemt dem Feldherrn und seiner Würde. Er selbst, {stürmt} (rennt) nicht wie toll wider die Bresche. ROBERT. Er steht nicht mitten unter Euch, heiß vor Kampfeslust, im Aug den Blitz, den Donner in der Stimme. Ha Monsieur le Grand! Ob er nicht aussah wie ein Gott des Kriegs? Sein Leben das Kleinod der Armee, er aber achtet's keinen Heller. Setzt es ein für den letzten Mann. Er hat's für mich gethan, mein Leben gerettet. Schlachten laß ich mich für ihn. Es lebe Graf CinqMars! Lauter Ruf der Garden: Hoch Graf Cinq-Mars! Hoch Monsieur le Grand! ARTILLEUR. Das ist mir eine Begeisterung! Sie kostet dem Herrn Günstling manchen Eimer Wein.
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I. Text {DRAGONER. U m den Ihr uns beneidet.
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ARTILLEUR. Beneiden? Wir? Euch? - - Um Eure Räusche? DRAGONER. Sind auch nicht anders und schlechter als die Euren. ROBERT. Was denkst Du, i h r e Räusche sind heilig. S i e holen ihre Räusche im Weihbrunnkessel des Cardinais.} (ROBERT. Die Eure ist freilich wohlfeiler zu haben! Ihr holt Eure Räusche im Weihbrunnkessel des Cardinals.) ARTILLEUR. Höhnt nur! {spottet nur!} In Euren Herzen die vor Richelieu zittern und beben, fühlt Ihr's doch, daß Ihr nichts andres seid als wir: Werkzeuge seines Willens! ROBERT UND DIE SEINEN. Wie? was sagt der Kerl? ARTILLEUR. Ihm gehorcht die Welt, glaubt Ihr, Ihr Knaben, Ihr gehorcht ihm nicht? GARDISTEN UND DRAGONER. Jetzt wär's genug! ARTILLEUR mit immer lauterer Zustimmung der Seinen. Ihr schmäht uns Pfaffendiener? Ihr seid es selbst! und Euer Graf den Ihr den Grossen nennt, er ist nichts andres! GARDISTEN auf ihn eindringend. Verfluchter Hund! ARTILLEUR. Der König selbst... GARDIST. Der König?! ARTILLEUR. Der König selbst beugt sich dem Cardinal ALLE ROYALISTEN. L ä s t e r u n g !
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ARTILLEUR unter lebhafter Zustimmung der Seinen. Man weiß wer in Frankreich regiert ROBERT. Stopft ihm das Maul, dem Frevler! dem Lügner! Zieht. ARTILLEUR'S. Hoch Richelieu! Hoch der grosse Cardinal! DIE ROY ALISTEN. Hoch König Ludwig! Hoch Monsieur le Grand! ARTILLEUR. Haut sie nieder! Handgemenge. Rufe Draussen: Der König! Cinq-Mars eilt herbei, ihm folgen Offiziere von der Garde. CINQ-MARS. Die Schwerter eingesteckt! Die Garden senken die ihren. Dragoner und Gendarmen setzen den Kampf mit den Artilleurs fort. CINQ-MARS zieht. Die Schwerter eingesteckt! Schlägt einem Artilleur die Klinge aus der Hand. Gehorche! Ganz ruhig und gelassen. Thoren Alle! - Ihr thätet besser Euch auszuruhn nach dem heissen Tag. Robert, wer begann den Streit? ROBERT. Herr - verzeih -
(ROBERT. Die Eure bis Cardinais) ndZ, hinzugefögt
von ROBERT. Was bis Cardinais.
Richelieu 's Ende
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CINQ-MARS. DU warst es nicht! - {sonst würdest Du mit der Antwort nicht zögern. Gut. Ich brauche keine Denunzianten.} Soldaten, wer begann den Streit? DRAGONER tritt vor. Ich war's. CINQ-MARS. Sehr Unrecht. DRAGONER auf den Artilleur zeigend. Der reizte mich. CINQ-MARS. W o d u r c h ?
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DRAGONER. Erstens Herr durch sein unverschämtes Glück CINQ-MARS. Im Spiel {natürlich}? Ihr müßt immer spielen - Ihr Kinder! DRAGONER. Zweitens Herr durch sein unverschämtes Reden. CINQ-MARS. S o ?
DRAGONER. Über Dich, über den König. CINQ-MARS auffahrend. Den König?! Ist das wahr? GARDEN. ES ist wahr.
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CINQ-MARS. Majestätsbeleidigung! - Das trägt den Rock des Königs! zieht seinen Sold! ARTILLEUR. Ich hab den König nicht beleidigt. GARDEN UND DRAGONER. Lüge! Neuer Tumult. CINQ-MARS. Ruhe! - Ich will es und befehl's! Stimme Draussen. Der König! ALLE. D e r König!
Zweiter Auftritt VORIGE. LUDWIG. SCHÖMBERG.
LUDWIG im Kommen, zu Schömberg. Seht hin! Geballt die Fäuste, die Gesichter In Glut. Sie hatten wieder Streit. SCHÖMBERG.
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Ich f ü r c h t ' es.
LUDWIG. Mein Volk, mein Heer, gespalten in Partei'n. Das danken wir dem Herzog Richelieu. Tritt vor. CINQ-MARS ZU den Soldaten. In Eure Zelte! LUDWIG. Halt! Was ging hier vor? CINQ-MARS. Herr Marschall, Eure Leute SCHÖMBERG. Meine Leute? CINQ-MARS. Beleidigten des Königs Majestät. SCHÖMBERG. Die Euren scheint es, blieben nicht zurück. CINQ-MARS. Die meinen Herr, verteidigten den König. SCHÖMBERG. Sie stritten! und der Streit ward doch verboten. Auch Ungehorsam ist Beleidigung
I. Text
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Der Majestät. CINQ-MARS leise zum König. Als Schömberg Marschall ward, Da starb ein Advokat. LUDWIG ZU Schömberg. Wer s c h w e r e r mich Beleidigt ist die Frage. Sie entscheide Das Kriegsgericht. SCHÖMBERG. {Das Kriegsgericht? Ο Sire Mein König - überlaß es mir, die Schuldigen Zu strafen. CINQ-MARS. Herr... SCHÖMBERG ihm in's Wort fallend. Die Schuldigen bestrafen, und weh denen, Die's sind! Sie büssen, ohne Ansehn der Partei.} (SCHÖMBERG. Ich hab' nichts mehr zu thun, als zu gehorchen. Doch wissen sollten, die zur Strenge riethen Daß ihre Feinde sie allein nicht trifft. Denn völlig schuldlos ist von beiden, keine.) CINQ-MARS. O! - mit Verlaub - Es gibt Nur Eine, darf nur Eine geben: Die Des Königs! ... W e n n es eine zweite gäbe, Ausrotten Herr, zertreten müßt' man sie! SCHÖMBERG. Ihr sprecht aus meiner Seele, Graf Cinq-Mars. Und in der Tat gibt's keinen Mann im Heer Der nicht für seinen König lebt und stirbt. Doch manchen gibt es, den der Übermut Von aufgeblas'nen Günstlingen empört. CINQ-MARS heftig. Auf wen zielt das? SCHÖMBERG. Auf den, den's trifft. CINQ-MARS. Herr Marschall ... Der König gibt ihm ein Zeichen. Er schweigt. LUDWIG Schömberg bei Seite nehmend. Ich bitt' Euch Schömberg SCHÖMBERG. Sire ich kann nicht dulden LUDWIG. Ich bitt' Euch, duldet, was ich dulde. M i c h Verletzt er oft. Man glaubt ich liebe ihn, Man irrt vielleicht. Ich bitt' Euch Schömberg, geht. {Zu den Soldaten. In Eure Zelte Ihr! Und nehmt mein Wort. Uneinigkeit wird fürchterlich gezüchtigt. Mein Langmut ist erschöpft. Ich bin der König. Schömberg und die Soldaten ab.}
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Richelieu 's Ende {Er macht eine entlassende Handbewegung. Alle ab ausser Ludwig und Cinq-Mars) CINQ-MARS. Ihr könnt sie strafen Sire, sie ändern nie. Nie stirbt der Haß den sie im Herzen tragen. LUDWIG. Weil man ihn nährt. CINQ-MARS. Er nährt sich selbst. Ich bin Soldat, und meine Freude ist der Krieg Doch wollt' ich nie mehr an der Garden Spitze Mich trunken stürzen in's Gewül der Schlacht, Wüßt' ich es nicht: Ich führe and're Männer Als jener Schömberg, jener platte Heuchler. Er selber Creatur des Cardinais, Und Craturen alle die ihm dienen. Erbärmlich feile Söldner Richelieu's, Werkzeuge die er s i c h erziet nicht Dir! Die ihm gehorchen, wenn es gilt: Trotz Dir! LUDWIG. Ich weiß! Ich weiß. CINQ-MARS. Du weißt und duldest ... Nein! Du hast den tiefen Abgrund nie ermessen Den dieser Priester aufriß zwischen Dir Und Deinem Volk. Vereinsamt hat er Dich In Deinem Heer, in Deinem Rathe, ja In Deinem Haus. Ο - denk' an Deine Mutter! LUDWIG. Sie - nenne nicht! CINQ-MARS. Du liebtest - hörtest sie, Die seine Feindin war. Sie hat's gebüßt. Durch ihn verbannt, verfolgt von seinem Haß Zog flüchtig uns're greise Königin Von Land zu Land. Vergeblich suchte in Der Fremde sie, ein Obdach, das die Heimat Unkindlich ihr verweigert. Herr sie starb Im Elend! LUDWIG. Nie verzeih ich's ihm! Leise. - Und - mir. CINQ-MARS. Der Cardinal ist Deiner Freunde, Feind. Er legte Mißtrau'n gegen Deinen Bruder In Deine Brust, er wagt' es Deine Gattin, Die edle Kön'gin wagt er zu verläumden! {LUDWIG. Verläumden? CINQ-MARS. Schmachvoll! Niederträchtig!} LUDWIG. Wenn er's gethan, straf ihn der Allgerechte Der schon ihn ruft vor seinen Richterstuhl. Dein Feind ist sterbenskrank.
I. Text CINQ-MARS.
Comödie!
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Verstellung diese Krankheit! - Ο er fühlt Daß Du beginnst zu mächtig ihn zu finden Und heuchelt Schwäche, spielt den müden Greis. Laß Dich nicht täuschen Herr! zu lang geschah's, Befreie Dich, befreie uns von ihm,
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Du hast ihn groß gemacht, mach ihn zu Nichte! LUDWIG. Streich' seine Thaten aus. Nur das macht ihn Zu Nichte. Kann ich es? - er ist ein grosser Minister. CINQ-MARS. Einen grossen Schurken nannt Ihn einst der Pabst, der fünfte Paul! LUDWIG.
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Schaffot, weil sie vor ihm sich beugen nicht Gewollt?! Ο Marillac, Montmorency, Chalais, bei Eurem Tod erstarrt das Volk, Und wir - erglüten. Nur der Mörder - nur Der Cardinal blieb fühllos, unbewegt. Was kümmert's ihn, ob unser bestes Blut Sein rotes Kleid in Fluten überströmt, Man sieht die Flecken auf dem Purpur nicht! LUDWIG. Ziehn östlich nicht die Lüfte ge'n Narbonne? Nimm Dich in Acht! Dem Cardinal sind selbst Die Lüfte dienstbar, tragen ihm Gehorsam, Deine Worte zu. CINQ-MARS.
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Cinq-Mars!
CINQ-MARS. Er ist die Geissei Frankreichs, ist die Deine! {Was hoch und herrlich heißt, verfolgt sein Haß,} Er traf den Adel, Deines Landes Blüte, In seinem Leben, und in seiner Ehre; Wie viele edle Häupter, rollten vom
Ο Herr!
Herr! ich bin jung, und Liebe ist, nicht Haß, {Die} (Der Jugend) Leidenschaft {der Jugend}. Allein im Hasse gegen diesen Priester Da zähl' ich tausend Jahr, verabscheu ihn {Mit der Gewalt von Millionen Herzen!} (Wie aller Lüg' und Bosheit Inbegriff!) Und so wie ich, empfinden {alle Guten.} (Tausende.) Ο wöge jeder Fluch der auf sein Haupt Geschleudert ward, so viel nur wie ein Flaum,
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(Der gegen diesen Priester mich durchlodert) aR hinzugefügt; ohne Tilgung.
Richelieu 's Ende
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Er trüge Lasten, schwerer als die Welt! {{Er trage sie allein, und ich bin nicht Schuld An all dem Blut das seine Hand vergiesst.)} {LUDWIG. Du übertreibst. Der Cardinal hat Freunde. CINQ-MARS. Der Knechtessinn, der Eigennutz, die Feigheit. Ja d a s sind seine Freunde!} LUDWIG. {Ich weiß.} Ja, manche weiß ich fluchen ihm mit Recht. CINQ-MARS. Und dieser Mann ist Lenker Deines Staats, So unumschränkt wie nie ein König war. Wer fordert, und wem gibt er Rechenschaft? Ist er nicht unnahbar und unverletzlich? Die Parlamente gängeln seine Sklaven, Es führen Creaturen Frankreichs Heere Und Schwert und Wage der Gerechtigkeit. Die Laune Richelieu's, heißt ihr Gesetz, In seinem Namen herrschen sie im Land, Du nennst Dich König nur, er aber ist's! LUDWIG. DU wirfst mein Unglück mir als Unrecht vor. CINQ-MARS. ES gab Dir Gott die Macht, gebrauche sie! Entlaß' den Cardinal! LUDWIG. Er hat mir treu Gedient, undankbar würd' ich scheinen. CINQ-MARS.
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Ο
Was liegt am Schein? LUDWIG. DU hassest Richelieu, Nun sieh - ich haß' ihn auch - ich leide, leide! Und kann trotzdem - ο hätt' ich einen Freund! ... CINQ-MARS. Das sagst Du mir? LUDWIG. Die {Müssiggänger} (Müss'gen) schwatzen, {In meiner Nähe g}(G)äb{e}'s einen Mann, so kühn {, so treu} (in seiner Treue) {So kühn, so teuer,} (so groß, so blindlings mir ergeben) Daß schweigend er, nicht Rat noch Hülfe fordernd, Auf eigene Gefahr es unternahm Den Cardinal zu stürzen ... CINQ-MARS. - Herr! ... Du wüßtest LUDWIG. Den Cardinal, den i c h nicht stürzen kann, Obwol er mir ein Dorn im Auge ist. CINQ-MARS. Ο sprich ein Wort! befiel. LUDWIG. Befeien? ... Ja Da liegt's! Gehorchen können sie. Nicht mehr. CINQ-MARS. Doch! Doch!
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I. Text Vor Jahren, h a t t ' ich einen Freund. Er hieß De Luynes. Einst traf er mich, die Seele Von Unmut schwer, von bitt'rem Unmut gegen Concini,den allmächtigen Minister. Ich war ein Knab' und weinte. Luynes sprach Kein Wort. Doch wenig Stunden später, lag Concini blutend an des Louvre's Schwelle. Ich athmete - es jubelte das Volk. Und in Concini's Ehren trat De Luynes. C I N Q - M A R S . Ο König! König! LUDWIG. Daß ich meinen Freund verlor! Er ist nicht mehr, und mit ihm starb die Treue! C I N Q - M A R S . Sie lebt! Sie wirkt für Dich! ... Vernimm es Herr ... L U D W I G . Ich will nichts hören, hörte schon zu viel. C I N Q - M A R S . Sag' nur ein Wort! LUDWIG. Ich sagte schon zu viel. Offizier von der Garde kommt. OFFIZIER. Ein Bote aus {Narbonne trifft eben ein. Der Cardinal ist sterbend, Majestät. L U D W I G tief aufathmend. Ist sterbend. OFFIZIER. Aus Toulouse wird die Ankunft Der Königin gemeldet. Sie ist auf} (Toulouse. LUDWIG. Von wem gesandt? OFFIZIER. Von Ihrer Majestät der Königin. Die hohe Frau ist auf) Dem Weg nach Perpignan. Die Königin C I N Q - M A R S rasch. Allein? OFFIZIER. Mit der Prinzessin von Nevers. L U D W I G . {Ein Wunder} (Erstaunlich)! Ihre Majestät verzeit Mir gnädigst meinen Krieg mit Spanien. Sie kommt wohl selbst, mich dessen zu versichern. Ich will die Boten sprechen. Zu dem Offizier. Folgt. C I N Q - M A R S allein. Maria! {Kommst Du Geliebte! Holder Stern des Friedens Strahlt mir Dein Licht in diesem Kampf und Sturm So süß und mild und - unerreichbar fern. Du stehst zu hoch! ... Und doch nicht höher als ich steigen will!} (Du kommst Geliebte? Holder Friedensstern. Mir strahlt Dein Licht in diesem Kampf und Sturm So süß und mild und - unerreichbar fern. Maria! Fürstin! ach Du stehst zu hoch! ... LUDWIG.
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Richelieu 's Ende
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Und doch - nicht höher als ich steigen will.) Dein Name ist nicht grösser, als, mit Gott, Der meine werden soll! ... "Und in Concini's Ehren trat De Luynes." { - Hinweg! - aus dem Gedächtniß dieses Wort! Berückend ist's, gefährlich ... Was ich thu' Geschiet für Frankreich, und für meinen König.} (Verheißend Wort du brennst in meinem Hirn Durchflammst mein Herz, giebst Freudigkeit dem Mut Doch deiner Lockung hätt es nicht bedurft Eh du erklangst war ausgestreut die Saat Des großen Schicksals das mir schweigend reift Und ernten will ich seine goldne Frucht Ob sie mir Leben bringt ob Untergang.)
Dritter Auftritt VORIGER. D E T H O U . FONTRAILLES
als
Capuziner.
De Thou. Ihr folgt mir wie mein Schatten, guter Herr. Womit kann Euch ein armer Bruder dienen? DE THOU. Die Maske weg - Fontrailles! FONTRAILLES schlägt die Kapuze zurück. Ich bin's. FONTRAILLES ZU
CINQ-MARS.
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DETHOU.
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Er ist's!
FONTRAILLES. Und ganz. Kein Stückchen fehlt; ein pures Wunder. CINQ-MARS. Du kommst doch von Sedan? Hast den Traktat? FONTRAILLES. Auf beide Fragen: Ja. Gibt ihm eine Rolle, die er aus dem ausgehölten Stock zieht auf den er sich gestützt. CINQ-MARS. So sei gegrüßt. Die Rolle entfaltend. Sie haben unterzeichnet. Zu De Thou. Sieh hierher. Da steht: "Gaston {von Orleans}." Der erste Prinz von Blut. Da steht: "Bouillon." Ein Mann so kühn als klug. {So allgeliebt Wie allverehrt.} Wo diese Beiden an Zu treffen sind, da kann bei'm Himmel! ich Mich finden lassen. {Staunend seh ich
Zum ersten Mal Dich folgen.} (Ich seh Dich staunend - folgen.) Sonst hast Du
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I. Text
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Geführt. CINQ-MARS. Ich bitt' Dich, lies. DE THOU. "Traktat Zwischen der Krone Spaniens und Heinrich Effiat, Grafen von Cinq-Mars." Bin ich Verrückt? Bist Du's? - Ist's der, der dies geschrieben? ... Du unterhandelst mit dem Feind den zu Bekämpfen wir im Felde stehn? ... Der Zweck Dieses Traktat's? CINQ-MARS. Ein bill'ger Friede zwischen Den Kronen Spanien's und Frankreich's. DETHOU. Den schliessest Du? FONTRAILLES. Wir schliessen ihn, Herr Kanzler. DETHOU. Die Thoren! Die Verblendeten! CINQ-MARS.
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CINQ-MARS. Ich angenommen. DETHOU. FONTRAILLES.
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H ö r ' Alles.
Noch einen andern Zweck hat der Vertrag. Der König, weißt Du, haßt den Cardinal Und will ihn stürzen, doch er wagt es nicht. Wir wagten's gern, allein uns fehlt' die Macht. Sie uns zu leih'n erbot sich Spanien DE THOU. Wie? - Spanien Und seine Hülfe hab' Feindes-Hülfe?! Kurz
Und gut. {Zu Cinq-Mars. Verzeihung, Ihr erzält das schlecht. Zu De Thou. Gaston von Orleans geht nach Sedan Bouillon's Gouvernement. Von dort aus schickt Er seine Klagen wider Richelieu Dem König zu, und dieser, weist ihn ab. Nun stellt ihm Spanien ein gutes Heer Von siebzehntausend Mann. An seiner Spitze Marschirt er nach Paris. Zugleich verläßt Bouillon Italien, mit der Armee Die er dort kommandirt, und - kurz und gut: Geht auf die Hauptstadt los.} (DETHOU. Nicht kurz, noch gut. Im Tractate lesend. Verbündeten Verpflichtet, siebzehn tausend Mann den Führern Des Aufstands zur Verfügung ο vortrefflich! Die fremden Truppen mit Bouillon's vereint ... - Gehn auf die Hauptstadt los. Der Bürgerkrieg Die offene Revolte! ... Richelieu
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Richelieu
Gefangen in Narbonne FONTRAILLES.
Das ist das Beste.)
FONTRAILLES. Indessen nimmt Cinq-Mars den Cardinal Gefangen in Narbonne. D E THOU.
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SO? - in N a r b o n n e .
FONTRAILLES. Ein k l e i n e s Kunststück, wenn man nur bedenkt Wie groß sein Anhang hier im Lager ist. DE THOU. Des Cardinais? FONTRAILLES. Nicht doch: Cinq-Mars! DE THOU. Wahrhaftig? ... FONTRAILLES. Die Prinzen einmal siegreich in Paris Begehren die Entlassung Richelieu's Und König Ludwig läßt sich nun e r t r o t z e n Was er zu g e b e n vor Begierde brennt! DE THOU. Entsetzlich! Fürchterlich! FONTRAILLES. Was steht zu Diensten? DE THOU. Der König selbst entflammt den Bürgerkrieg, Er setzt das Leben Tausender auf's Spiel Damit geschäh, was er mit einem Wort Vollbringen könnt' hätt' er's zu sagen Mut! ... {In welchen Händen liegt das Scepter Frankreich's?!} CINQ-MARS. W e n klagst Du an?!
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DE THOU . Nun, bei' M gerechten Gott - Der König kennt {doch}, (er) billigt Euren Plan? CINQ-MARS. Er kennt ihn nicht. Doch ahnt er sein bestehn. DE THOU. Er kennt ihn nicht? FONTRAILLES. Er wird ihn kennen lernen, Und mit Vergnügen, Herr! CINQ-MARS.
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1-
Zur Sache!
DE THOU. Wir nicht dabei? CINQ-MARS. De Thou, wir brauchen einen Vertrauten Mann der in Madrid Auf die Erfüllung der Verträge dringt. Willst Du es sein? aR hinzugefügt; ohne Tilgung: ( DE THOU. Ein Heer von siebzehntausend Mann gestellt Von Spanien - Gaston an seiner Spitze ... Geht auf die Hauptstadt los ... Der Cardinal Gefangen in Narbonne ... FONTRAILLES. Das ist das Beste Und kommt darum dem besten Manne zu. Das thut Cinq-Mars.)
Sind
's Ende
I. Text
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DE THOU. Ich sollte? - Ich?! ... fürwahr. Er hält's für möglich! ... CINQ-MARS. Willst Du's sein? ... Auf Dich hab' ich gebaut. DETHOU. Bei'm Hochverrat? ... CINQ-MARS.
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DeThou!
DETHOU. Erschrickst Du vor dem Namen Deiner That? CINQ-MARS. Wir kämpfen f ü r nicht g e g e n unsern König. DE THOU. Ihr unterliegt und er wird Euch verläugnen. CINQ-MARS. Verläugnen? Er?! Verzeih Dir Gott den Frevel! DE THOU. DU bist verbündet mit der Lüg und Feigheit, Das Urbild Beider ist der Prinz Gaston. Verloren war wer jemals ihm getraut Dem Ränkeschmied und ewigen Empörer. Ihn schützt der hohe Name den er trägt, Die Söhne Frankreich's sind ja unverletzlich. Doch die er mit in seine Bahnen riß Die ihm gedient, die büssen auch für ihn. {Er liefert sie der Rache des Gesetzes Und kauft sich los, durch Treubruch an der Treue.} CINQ-MARS. Ich dien' {ihm nicht! betret' nicht seinen Weg Er ist mein Werkzeug, ich gebrauche ihn.} (nicht ihm, zum Werkzeug dient er m i r Er ist d){D}ie Fahne {ist er} nur in meiner Hand Ein schwächlich Ding von jedem Hauch bewegt Das Zeichen blos, um das sich Männer schaaren. Wir wälten ihn weil er auf Erden nichts So giftig haßt als diesen Cardinal. Sein Walspruch lautet: Tod dem Richelieu! Und diesem Feldruf folg ich in die Schlacht. DETHOU. Sie ist verloren, eh sie noch begann. Beginnst Du sie? CINQ-MARS. Ich kann nicht mehr zurück. Mich oder Richelieu. Das Glück mag wälen. DETHOU. Ich werd' an Dich nicht Worte mehr verschwenden. Zu gut bekannt ist mir Dein starrer Sinn. Auch Dir entgegen {handeln} (wirken) kann ich nicht. Denn Dein Vertrauen fesselt meine Hand. (Er ist der Fahne gleich in Kriegerhand.) aR hinzugefügt; ohne Tilgung. (Den Namen liefert er - und ich die Schlacht.) aR hinzugefiigt; ohne Tilgung.
Richelieu 's Ende
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Allein mit Abscheu füllt mich Deinje Tat} (Beginnen) Und {ihre} (seine) Folgen will ich nimmer sehn. Wenn Du's vollbringst, sind wir getrennt für ewig. CINQ-MARS. G e t r e n n t ? DETHOU.
Wenn Du's vollbringst. Ich schwör's!
CINQ-MARS.
Leb wohl. Wendet sich. Nach einer Pause zurückkehrend. Ich hab im Leben einzig Dich geliebt. ... Bleibst Du dabei? CINQ-MARS. Du hast's gesagt. DETHOU. Leb wohl. Wie oben. Ich hab im Leben nichts geschätzt wie Dich ... Bleibst Du dabei? CINQ-MARS fällt ihm um den Hals. De Thou, mein Freund! mein Freund! ... Sich losreissend, winkt ihm zu gehn. Du wirst mich lieber haben nach dem Sieg. DETHOU. Ο nein Cinq-Mars. Nach einem Sieg nicht lieber. Nicht minder lieb nach einer Niederlage. Er geht. CINQ-MARS nach einer Pause. Das hätt' ich nicht erwartet. Dennoch - dennoch S'ist besser so! DETHOU.
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FONTRAILLES. 15
Warum nicht gar.
CINQ-MARS. W e n n ' S e i n V e r b r e c h e n ist d a s w i r b e g e h n
Wenn kein Verbrechen ohne Strafe bleibt Ihn trifft sie nicht. Was auch geschiet - Er ist Gerettet! {Geht ab. Fontrailles ihm folgend.}{Beide ab)
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(Was auch geschiet, gerettet ist der Freund.) aR hinzugefügt; ohne Tilgung. üdZ und ndZ hinzugefügt, ohne Tilgung: (Und wenn es doch begangen werden muß Gescheh's durch uns, und seine Hand bleib rein. Was auch geschieht, gerettet ist der Freund.)
I. Text
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Verwandlung. Narbonne. Arbeitszimmer Richelieu's. Vierter Auftritt regungslos in einem Lehnstuhl auf Kissen liegend. C H A V I G N Y an einem mit Schriften bedecktem Tisch. M A Z A R I N tritt ein.
RICHELIEU
leise zu Chavigny. Wie geht es, Chavigny? erhebt sich. Ihr seid's ... Ihr kommt? MAZARIN. Was meint Citois? was haben wir zu hoffen? CHAVIGNY. Nichts mehr zu hoffen - bald - nichts mehr zu fürchten. M A Z A R I N Richelieu betrachtend. Er regt sich nicht? er äussert keinen Wunsch? C H A V I G N Y ein Blatt vom Tische nehmend. Hier steht der letzte den er ausgesprochen. MAZARIN. - Sein Testament. Er selbst gibt sich verloren. CHAVIGNY. Seht diese tödtliche Erstarrung und Verzweifelt nicht. Der Arzt hat es getan. MAZARIN. Der Priester hofft noch wo der Arzt verzweifelt. Die Kraft des Körpers mag gebrochen sein, Die Kraft der Seele ist vielleicht zu wecken. MAZARIN
CHAVIGNY
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CHAVIGNY. V e r s u c h t ' s . MAZARIN
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in Richelieu's Anblick
Er schläft. CHAVIGNY. Mit offn'nen Augen. M A Z A R I N . So hab' ich dieses Antlitz nie gesehen. Abgewandt und leise. Mich schaudert. CHAVIGNY.
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versunken.
Sprecht zu i h m .
MAZARIN. Ich will es thun. Beugt sich über Richelieu. Gott segn' Euch, Eminenz. RICHELIEU nach einer Pause. Jules Mazarin. MAZARIN. Mein Herr - mein Freund ... RICHELIEU. Kommt Ihr mich sterben sehn? MAZARIN. Mich schickt der König RICHELIEU. - Ja - ihm wähnt's zu lang. MAZARIN. Der König sendet seinen Gruß RICHELIEU. Der König? ...Geheimnißvoll. Habt Ihr gehört wie seine Mutter starb? ... Auf einem Pfühl den Mitleid ihr gebettet So arm wie nicht das ärmste Weib in Frankreich Verlassen und verraten von den Dienern. MAZARIN. D a s ist vorbei.
Richelieu 's Ende
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RICHELIEU. Dafür gibt's kein vorbei Man muß nicht glauben alles sei vergänglich. Es haben Dinge ew'ge Gegenwart. MAZARIN. Im Vorgemache, harren die Gesandten Von Holland, Herr. Sie bitten um Gehör. RICHELIEU. Im Tod vergab sie allen ihren Feinden. Doch als der Priester sie beschwor: "Auch ihm? Vergebt Ihr auch dem Herzog Richelieu?" Da wandte sie ihr brechend Auge ab; "Ihr dringt zu sehr in mich" sprach sie, und starb. MAZARIN. Schließt Euren Bund mit Holland, Eminenz. Er sichert uns Ostend' und Dünkirchen's, So wie Antwerpen's köstlichen Besitz. Schließt diesen Bund! RICHELIEU. Ihr dringt zu sehr in mich. MAZARIN. Begründet Frankreich's Herrschaft auf der See Wie Ihr auf festem Lande sie begründet. Setzt heut dem stolzen Werke Eures Lebens Die letzte, höchste Krone auf, und laßt Für Frankreich dem die Erde dient, auch noch Das stets bewegte Herz des Meeres schlagen. Schließt diesen Bund! RICHELIEU. Ihr dringt zu sehr in mich. MAZARIN. Erwacht! Erwacht! RICHELIEU. Ο daß ich schlafen könnt'! Hinüber schlafen. Süß ist nur die Ruhe. MAZARIN leise zu Chavigny. D i e Worte von d e m Mann! Ein -gräßlich Wunder. CHAVIGNY ebenso. Ihr weckt ihn nicht. MAZARIN nach kurzer Überlegung. Was gilt's? ... Ich weck' ihn doch! Wieder über Richelieu gebeugt. Jetzt ist nicht Zeit zur Ruh. Zeit ist's was Ihr Gesä't, zu ernten, Eminenz! Der Aufruhr In England wächst. Unmächtiger von Tag Zu Tage wird der König. Strafford's Tod Begehrt das Parlament. Sein Urteil ist Gefällt. RICHELIEU. Der König wird ihn schützen. MAZARIN.
Er
Hat's nicht getan. Das Urteil ist vollzogen.
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(Gerat sie zu empfangen.) aR hinzugefügt; ohne Tilgung. (Wie glorreich Ihr's auf festem Land getan) ndZ hinzugefügt;
ohne
Tilgung.
/. Text
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RICHELIEU. Und Strafford todt? MAZARIN. Und Strafford hingerichtet. RICHELIEU mit einer Bewegung. Ο Fürstenundank! ... Welcher Thor verläßt Sich noch auf einen König?! MAZARIN leise zu Chavigny. Seht - das traf! RICHELIEU. Der's thut verdient daß er zu Grunde geh. Dein Recht ist Dir geschehn Minister Strafford! ... Das Deine - Dir: Minister Richelieu. Versinkt wieder. MAZARIN. Ich hör' und staune Herr! warum so mutlos? Steht Ihr nicht mehr in Fülle Eurer Macht? Hat Euch der König seine Gunst entzogen? ... Ist's das? Leiht er, wie's schon so oft geschah Ein willig Ohr den Feinden die Euch schmähn? Dann tretet vor ihn hin - ein Blick auf Euch Mahnt ihn an Alles was er Euch verdankt, Ein Wort aus Eurem Mund {beweist ihm seines Ministers Unentbehrlichkeit.} RICHELIEU. (Nein! nein! - ) Ich werd' Sein Angesicht nie wieder sehn. MAZARIN. Euch schreckt Ein Popanz - dieser Graf Cinq-Mars! RICHELIEU. {Ihr sprecht} (Cinq-Mars - ) {Es aus.} (Ein Kind.) Ich weiche einem Kind ... {Das genügt.} Ja wär ein zweiter Richelieu {erstanden} (der mich besiegt!) {Und hätte mich nach langem Kampf besiegt!} So aber fall' ich - wie aus eig'ner Schwäche. Nicht wie ein Riese glorreich überwunden, Nur schmachvoll, wie das Unbedeutende Beseitigt. MAZARIN. Nicht bei'm König! Voller Huld Spricht er von Euch. RICHELIEU. Weil er mich nicht mehr fürchtet. - Verschworen ist er selber wider mich. Ich weiß es - sie verschwören sich - Kann ich's Beweisen? - Könnt' ich's Mit aufflammender Leidenschaft. Alle stürzten! Matt. Doch Ich kann es nicht. Es ist vorbei - vorbei. MAZARIN gegen Chavigny. Ihr hattet Recht. Ein ganz gebroch'ner Mann. CHAVIGNY. An Leib und Seele.
(Der mich besiegt ein zweiter Richelieu) ndZ hinzugefligt;
ohne
Tilgung.
Richelieu 's Ende
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MAZARIN setzt sich an den Tisch und stößt dabei zufällig ein Buch herab. Was war das? CHAVIGNY.
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ES fiel
Ein Buch. Hebt es auf. Die Abschrift des Pyrame. MAZARIN lächelnd. Pyrame Die Schwäche seiner starken Tage. Gebt. Laut. "Mirame, ein Trauerspiel" - so sagt der Titel. Ein Meisterwerk - so sagt ein jedes Blatt. Dem Kenner freilich nur, denn ach das Volk, {Das} (Die) blöde {Volk es} (Menge) jauchzt dem wilden Cid, Dem ungeschlachten Helden Pierre Corneille's Gedankenlos den toll{st}en Beifall zu Und {schweigt, verstummt vor solcher Herrlichkeit.} (hat für solche Schönheit kein Gefühl.) RICHELIEU. W i e alt ist der Corneille?
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MAZARIN. Kaum zwanzig Jahre. RICHELIEU. Mich überwinden Kinder - ach ich sterbe Ein Kinderspott! ... MAZARIN. Steht auf in alter Kraft! Zertretet Eure Feinde! Noch ist's Zeit. Noch ist die Furcht vor Euch nur unterdrückt, Der Tag der sie vernichtet kann erscheinen. RICHELIEU. Er ist erschienen.
MAZARIN. RICHELIEU.
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Nein! Ich bin nur m e h r
Ein Schatten. MAZARIN. Duldet nicht daß sie dazu Euch machen. RICHELIEU. Dulden? ... Alles muß ich dulden. MAZARIN. Vermag nichts mehr zum Zorne Euch zu reizen? Wißt Ihr es auch wie schwer Ihr schon beleidigt? ... Es geht ein schändliches Pamphlet von Hand Zu Hand am Königshof, im Volk, im Lager, Das Euch verhöhnt, angreift in Eurer Ehre, In Eurem Wandel, Eurem Priestertum ... (Pyrame und Bradamonte) üdz, hinzugefügt über Mirame; ohne Tilgung. aR hinzugefügt; ohne Tilgung: ("Pyrame" herrliches Gedicht! wann kommt Der Tag w o Dich nach Deinem vollen Wert Du höchste Blüte ihrer Poesie Die undankbare Heimat schätzen lernt. Ο dass die Zeit noch jetzt dazu nicht reif!) (am Hof, im Lager und im Volke) aR hinzugefügt; ohne Tilgung.
I. Text
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RICHELIEU. Habt Ihr's gelesen? MAZARIN. Ich mit Schmerz, doch mit Triumpf die Andern. Straft den frechen Schreiber. RICHELIEU. Ich kann nicht strafen. Laßt mich Mazarin. Zum König kehrt zurück, und wenn er fragt: "Ist Richelieu gestorben?" sagt ihm: "Ja." S'ist keine Lüge, glaubt mir, die Ihr sprecht, Der Funke Leben der noch in mir zittert Verlohnt der Mühe nicht davon zu reden. MAZARIN ZU Chavigny. Ich bin zu Ende. CHAVIGNΓ.
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J a - s ' ist a u s - s ' i s t a u s !
MAZARIN. So lebt denn wohl. Ich geh nach Perpignan. Dem König melden, was ich hier gesehn. CHAVIGNY. Ihr geht? auch Ihr? MAZARIN. Mein Bleiben nützt ihm nichts. CHAVIGNY bitter. Und Euch - könnt's schaden. Ich begreife H e r r MAZARIN. Dass ich der letzte war der ihn verliess Bezeugt Ihr mir. Ab. CHAVIGNY. Der letzte? nein! Ich lebe! Und meine Treu wacht noch an seinem Grab. Ein Offizier erscheint auf der Schwelle, und winkt Chavigny. {Dieser entläßt ihn nach einigen leise gesprochenen Worten. MAZARIN. Wer ist's? CHAVIGNY. Ein Bote Eminenz. MAZARIN. Ein Bote? CHAVIGNY. A u s Spanien.} (CHAVIGNY. W a s ist's?
OFFIZIER. 20
Ein Bote Herr aus Spanien.
CHAVIGNY. Schon gut.)
RICHELIEU sich aufrichtend. Woher? CHAVIGNY.
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AUS S p a n i e n .
RICHELIEU. Herein! Herein! Chavigny eilt zur Thüre und winkt, ein Bote, in Bauerntracht, tritt ein. RICHELIEU zu ihm. Dich schickt mein Commissair, Dich schickt Fleury. BOTE überreicht eine Schrift. Herr, aus Madrid. Da, nehmt Mit seinem Gruß. RICHELIEU nachdem er gelesen, mit Triumpf. Verräter! Hochverräter!! Welch ein Beweis! Die Sonne ist nicht klarer! {CHAVIGNY.} (OFFIZIER ZU Chavigny.) Ο seht sein Auge! {MAZARIN} (CHAVIGNY).
RICHELIEU zum Boten. Du kamst?
D a s ist R i c h e l i e u !
Richelieu 's Ende
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BOTE. Über die Berg'. RICHELIEU. Die Pyräneen. BOTE. Weiß ihren Namen nicht. RICHELIEU. Bist Niemandem Begegnet? BOTE. Meinen Weg kenn' ich allein. RICHELIEU. Gib Deinen Hut. Zu(m) {Chavigny} {Offizier) Füllt ihn mit Gold bis an Den Rand. Ein hochgehäuftes Maaß. {Chavigny} (Offizier) ab. Noch Einmal Beraub' ich meine Erben! Zu dem Boten. Wie Du kamst, So geh. Über die Berge deren Namen Du nicht, doch deren stillsten Pfad Du kennst. Bote ab. Chavigny, Offizier der Garde, Pagen, Grandville. Auf {Mazarin} (Chavigny)! Grandville, meinen Ornat! Bestellt die Sänfte {Chavigny} (eilt) sogleich. Ich will's. Fünfhundert Garden werden mich begleiten, All mein Gefolg'. Ich reise in das Lager Nach Perpignan! Alle umgeben ihn, mit stummen Zeichen der Überraschung. Im Begriffe zu gehn, steht Richelieu plötzlich still, und winkt Chavigny herbei. Leise zu ihm. Noch Eins. Den schnellsten Boten Der zur Verfügung steht, nach der Champagne. Schreibt an Grammont in meinem Namen dies: Er hat die Truppen die in's Feld er führt Bei'm nächsten Treffen mit den Spaniern, Auf's Haupt schlagen zu lassen, schmachvoll CHAVIGNY.
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Herr?!
RICHELIEU. Ich brauche eine blut'ge Niederlage. Sie ist sogleich nach Perpignan zu melden. Verstanden? CHAVIGNY. Herr - verstehn kann ich Euch nicht, Allein - gehorchen. RICHELIEU. Fort - Auf, nach Perpignan!
(Meinen W e g den geht kein Andrer.) ndZ hinzugefligt; ohne Tilgung. (RICHELIEU ZU Chavigny. Die schnellsten Boten rasch! nach der Champagne) aR hinzugefügt; ohne Tilgung.
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I. Text
{Zweiter Aufzug Lager vor Perpignan. Königliches Zelt. Die Vorhänge im Hintergrunde geschlossen, sind an den Seiten zurück geschlagen, und lassen die Eingänge in breite Gallerien erblicken, deren Wände durch gespannte Stoffe gebildet werden. Erster Auftritt LUDWIG, A N N A , MARIA, CINQ-MARS, SCHÖMBERG, FAVERT, D E THOU.
ANNA. Ich fürchte Sire, die lang gehegte Sehnsucht Nach diesem Wiedersehn, entschuldigt kaum Mein plötzliches Erscheinen. Ich kam unGerufen. Komm ich unerwünscht? LUDWIG. Wir sind 5
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In einer Laune Königin, die nichts Verdenken kann, sonst hätt' es diese Frage Gethan. ANNA. Verzeihung Sire, und - Dank. LUDWIG. Ihr habt Uns Glück gebracht. Mit einem Siege durften wir Euch grüssen. Die Fahnen Frankreich's wehn vom Castillet, Dort hat Cinq-Mars sie glorreich aufgepflanzt. Bald ist die Festung über, will es Gott. ANNA. Er geb' Euch jeglichen Triumpf! Umkränze Euer königliches Haupt Mit immergrünem Lorbeer ew'gen Ruhm's! Doch mir gewähr' Er endlich mein Gebet: Die Waffen Herr, an die der Sieg Gefesselt ist, und stets gefesselt bleibe, Nicht mehr ge'n Spanien gekehrt zu sehn, Mein Heimatland, und meines Bruders Reich. LUDWIG. Ihr seid Madame, die Gattin König Ludwig's, Vergeßt daß Ihr die Schwester seines Feinds, Und laßt es ihn vergessen. ANNA. Seines Feinds? Ein Feind der alles gäbe, Euer Freund Zu werden Sire, und der's zu sein verdiente. LUDWIG. Laßt das. Da Anna reden will, ihr in's Wort fallend, mit Nachdruck.
Richelieu
586 Wir b i t t e n
Eure Majestät.
E s ist d e r F r i e d e n , E n d z w e c k j e d e n K ö n i g s . D o c h in d e s K r i e g e s M i t t e , h ö r t m a n n i c h t s S o u n g e r n a n , als M a h n u n g e n z u m F r i e d e n . Ein Offizier 5
kommt,
und macht
dem König
eine
Meldung.
D i e S c h a n z e ist e r b a u t , d i e u n s e r n A n g r i f f A u f s T h o r v o n N o t r e D a m e b e s c h ü t z e n soll, Laßt uns das Werk Pompee-Targon's nun prüfen. Zur Königin.
I h r s c h e n k t u n s e r m E r f o l g so g r o s s e n A n t e i l
Versagt ihn u n s ' r e r Arbeit nicht, M a d a m e . 10
Begleitetuns. ANNA. Ludwig,
Ich folg' euch, Majestät. Anna,
Schömberg,
Favert,
De Thou ab. Maria
will
folgen.
CINQ-MARS. P r i n z e s s i n - z ö g e r t . . . E i n e n A u g e n b l i c k . MARIA. W a s w o l l t I h r G r a f C i n q - M a r s ? CINQ-MARS.
Wenn Ihr's vergönnt,
A n Eure Hoheit eine Frage wagen. MARIA. I c h h ö r e E u c h . CINQ-MARS. 15
Der König Polen's wirbt
U m Eure Hand. Seine Gesandten harren E u r e s B e s c h e i d ' s . Ist e r g e f ä l l t ? MARIA ablehnend.
Ο laßt -
CINQ-MARS. I h r g a b t m i r e i n e F r a g e f r e i . MARIA.
Nicht diese.
CINQ-MARS. D a ß Ihr sie a u s n a h m t , h a b ' ich ü b e r h ö r t . }
's Ende
(Zweiter Aufzug Lager vor Perpignan. Königliches Zelt. Erster Auftritt C l N Q - M A R S und D E T H O U
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kommen.
CINQ-MARS. Verlobt wär sie? verlobt dem Polenkönig? Es kann nicht sein! ... Dem greisen Stanislaus. ... {Es kann nicht sein und ist darum auch nicht!} DETHOU. Der Königin Worte wiederholt' ich Dir CINQ-MARS. Die frische Blüte und der welke Stamm? {Der Jugend Rosen, und des Alters Schnee?} Beginnend Leben und beginnend Sterben, Im ((Bunde freudenlos und)) unnatürlich {unglückseligen Bunde.} Eh das geschiet so lang ich leb' und athme {Bei meinem Eid eh gönn' ich sie dem Tode!} DETHOU. Beruh'ge, fasse Dich, {füg' Dich ins Unwendbare.} ((dir selbst zu Lieb - hab Mitleid mit dir selbst -)) Von einem schönen Glück hast Du geträumt. Wem hält das Leben was der Traum versprach? CINQ-MARS. {Ich denke dem der's versteht ihn festzuhalten. DE THOU. Das aber kann kein Sterblicher Du Thor! Ich bitte Dich, komm endlich zur Besinnung.} CINQ-MARS. Zu tragen ist, was man ertragen will. Ich aber bin zum Dulden nicht geboren, Mich treibt mein Blut zum Kampf mit dem Geschick. Und ringen we rd ' ich, bei'm gerechten Gott! Um jedes Gut das trotzend mir's verweigert, So lang Bewußtsein eines Wunsches noch Sich feurig spiegelt in der Seele Grund. Kommt einst der Tag wo ich nichts mehr begehre, Dann lieber Freund - will ich den Tod - ertragen! DETHOU. So nimm ihn auf den unfruchtbaren Streit. So bäum' Dich gegen jedes Nein des Lebens Kämpf jeden Kampf nur den nicht mit Dir selbst Die Andern zwingend, bleib' Dein eigner Sklave, Dem Schicksal trotzend, unterliege - Dir! Und wenn Du's endlich dann im Arme hältst ((Zu dulden)) ((erdulden)) iidZ hinzugefiigt über zu tragen und ertragen; ohne
Tilgung.
Richelieu 's Ende
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Wonach Dein Wünschen ungebändigt brannte Und staunend frägst: warum beseligt's nicht? Dann fühl' und sieh: Was sich erstürmt, ertrotzt, Ist der Besitz; doch nicht die Freude dran. Ist nicht das Glück, ist nur des Glückes Leiche! CINQ-MARS. Sehr wahr, sehr gut gemeint. Du predigst Weisheit. Das mag in manchen Fällen heilsam sein Doch gegen Lieb' und Fieber nützt es nicht. In die Gallerie blickend. Die Wachen treten an - der König? Nein Sie selbst - Maria - ich beschwör Dich: fort! geh! Ich muß allein sie sehn. De Thou hinweg Bei Gott wenn Du nicht gehst DE THOU. Erwürgst Du mich? Gemach, gemach ... CINQ-MARS, Geliebter, Bester - fort! ... DE THOU. Er droht und fleht in einem Athemzug Verschwendet Zorn und Milde - all umsonst. Du bist verrückt und ich muß Dich bedauern.
Z w e i t e r Auftritt C I N Q - M A R S . M A R I A tritt
MARIA. Ich störe hier? CINQ-MARS sich tief verneigend. MARIA.
ein.
Prinzessin S'ist De Thou
Den ich verscheucht? CINQ-MARS.
Er ging weil ich ihn bath
Und wider Willen. Ruft ihn denn zurück Ich will - ich wünsche Fürstin gönnt zuerst, CINQ-MARS. Ich fleh darum: zwei Worte gnädigst mir. MARIA. Ihr seid so feierlich Cinq-Mars, so förmlich CINQ-MARS. Wie's meine Pflicht fortan Euch gegenüber. Ich stehe ja vor einer Königin. MARIA. Noch bin ich's nicht. MARIA.
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({Verschwendet Zorn und Milde - Lieb und Haß.)) udZ hinzugefügt; ohne Tilgung.
I. Text
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CINQ-MARS. Noch nicht - Doch sollt Ihr's werden, Sie sagen bald - und auch - aus eigner Wahl Aus eig'ner freier Wahl. MARIA.
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D i e h a b ' ich nicht.)
Mein Schicksal wird durch Andere bestimmt. CINQ-MARS. Wer d a r f Euch zwingen? MARIA . Der mich zwingen k a n n . Ich bin ein armer Gast an diesem Hof, Anheim gegeben hülflos, fremder Willkür. Man sagte mir: "Ein grosser König bietet Dir seine Krone an. Maria von Gonzaga beug Dein Haupt, sie zu empfangen." CINQ-MARS. Maria von Gonzaga, thu' es nicht! MARIA. Man sagte mir: "Sprich kein vergeblich: Nein. Beschlossen ist der Bund. {Beschlossen durch Den Cardinal von Richelieu.}" (CINQ-MARS. Durch Richelieu. Gewiß MARIA. Wer ausser ihm - beschließt?) CINQ-MARS. Ganz Recht. - Ihr aber MARIA. Ich aber - beug' mein Haupt. C I N Q - M A R S bitter. In leidendem Gehorsam? MARIA. Ja bei Gott! in l e i d e n d e m Gehorsam. CINQ-MARS. Weil Ihr wollt. Ich seh es ein, Ihr seid geboren auf des Lebens Höhn, Und wie zur Heimat zieht Euch's nach den Höhn. Ihr liebt die Grösse. MARIA.
Ich liebte sie
Empfing ich sie durch Jenen den ich liebe. CINQ-MARS. Wer ist's?! Durch Jenen den Ihr liebt - Ihr liebt?! 25
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{ M A R I A . C i n q - M a r s ...
CINQ-MARS. Wer ist's? allmächt'ger Gott. - Wer ist's?! ... MARIA. Lebt wohl. Will gehn. CINQ-MARS. Maria! Bleibt! Jetzt müßt Ihr bleiben! Ihr dürft nicht kalt und stumm vorübergehn. Nachdem Ihr mir den Dolch in's Herz gestossen. MARIA. Mein Freund ... CINQ-MARS. Nicht Trost will ich! Es gibt ja keinen. Nein dafür nicht. Todt ist die Hoffnung - todt
((So sagen und fügen noch hinzu - ) ) udZ hinzugefügt; ohne Tilgung.
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Richelieu 's Ende Das Glück, und nur der Schmerz lebendig.} (MARIA verwirrt. - Ich sagt' es nicht... CINQ-MARS. Wer ist's?! ... Ein einzig Wort Es macht mich elend - doch ich fleh darum. Ο zögert nicht - nicht tropfenweis den Schmerz.) Laß{t} seinen Kelch auf e i n e n Zug mich leeren, Gebt (Gieb) volles Maaß - Wer ist der den Ihr (Du) liebt? MARIA. Er fragt - der Thor! CINQ-MARS. Ihr H i m m l i s c h e n !
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MARIA. Cinq-Mars! CINQ-MARS. Unmöglich ist's! MARIA. Meint Ihr? CINQ-MARS. DU liebst mich! liebst mich? MARIA. So w i ß ' es denn, derDu's n i c h t - g l a u b e n kannst. CINQ-MARS. Die Seligkeit ist stumm ... Wie soll ich danken? MARIA. Indem Du glücklich bist. CINQ-MARS.
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W e h mir w e n n ich
Es jetzt nicht wäre! MARIA. Wehe uns, daß wir's Ewig nicht bleiben können. CINQ-MARS. {Werden} (Bleiben) wir's! MARIA. Trenn' erst den Bund vor dem ich bebe - schaud're, {Trenn' erst den Bund mit König Stanislaus.} CINQ-MARS. {Ich trenne ihn.} (So wahr ich lebe!) MARIA. {Dem Cardinal} (Richelieu) zum Trotz? Das kannst Du nicht. Wer dürft es tollkühn wagen Zu widerstehn dem nie gebeugten Willen Dem sich der König selber unterwirft? CINQ-MARS. Er thut's aus {Schwäche, nicht aus Überzeugung, Mit stummer} Wut, mit innerer Verzweiflung! ... Ein Streben wär's des besten Mannes wert, Ihn zu erlösen von dem finstern Bann In dem der Priester ihn gefangen hält. Es ist das meine! MARIA. Geb Dir Gott Gelingen! CINQ-MARS. Er weiß es - Er der in die Herzen sieht, Uneigennützig hatt' ich's unternommen! Mein Weg war vorgezeichnet, eingeschlagen, Und vorwärts ging's! - Wohin für mich er führt {Zum Anfang oder Ende meines Glücks}
(Gieb) (Du) üdZ, hinzugefügt über Gebt und Ihr; ohne Tilgung.
I. Text
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Darnach, b e i ' m Himmel! hab' ich nicht gefragt, Nur meine S a c h e
galt's, und ihren Sieg.
Jetzt aber zeigt mir lockend das G e s c h i c k A m Ziele einen wunderbaren Preis. 5
E s zeigt mir Dich in Deiner Schönheit Fülle, In Deiner Hoheit, Deiner Jugend Glanz! { U n d heisser nun als j e m a l s will ich ringen M i r gibt die Hoffnung, nie gefühlte Kraft! ...} D e r König k a n n
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der Treue nichts versagen
Die ihn befreit vom J o c h e R i c h e l i e u ' s , E r wird mir D i c h , Du Herrliche! gewähren. MARIA. Ο wär' ich frei, und dürft' mich selbst verschenken Ich sagt' nicht erst: Geh in den K a m p f um mich! Für meine Liebe stehst Du hoch genug.
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Sie schmückt Dein Haupt mit j e d e m Kranz des Siegs Schon lange vor der Stunde des Triumpf's. CINQ-MARS. Geliebteste! MARIA.
Die W e l t j e d o c h , fühlt nicht
W i e ich. Sie fordert Zeichen wenn sie glauben, Erfolge wenn sie anerkennen soll. 20
U m sie mein Freund, um j e n e r blinden W e l t Die mir verhaßt, und der ich dienen muß, B e s c h w ö r ich Dich ο Lieber: Streb empor! Und weil ich Dir nicht sagen kann: " D u liebst M i c h - nimm mich h i n ! " so sag (fleh) ich denn: " D u liebst -
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Erringe mich! - " CINQ-MARS. Maria Du bist mein! MARIA. SO groß und göttlich Deine Zuversicht! CINQ-MARS. Ein Glaube lebt der Bergeshöhn versetzt, E s ist der Glaube an die e i g ' n e Kraft!
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MARIA. G i b mir nur einen Funken Deines Muts, D a ß ich, Dich wissend in Gefahr - nicht sterbe. CINQ-MARS. Vertrau'n ist Mut. Ο Herz - v e r t r a u { e } . MARIA.
{ D i r } (Cinq-Mars)!
{CINQ-MARS. S o wahr ich l e b ' und athme, ich vollbring's! MARIA. Dich schütze Gott! CINQ-MARS. 35
Gesegnet hat er mich
Er wird mich schützen. MARIA. Hör' Allgüt'ger ihn! Die also auf Dich bau'n, betrügst Du nicht!
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(fleh) üdZ, hinzugefügt über sag; ohne Tilgung.
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Richelieu's
Ende
CINQ-MARS. G e l i e b t e ! E i n z i g e ! MARIA .
- D u aber - D u -
CINQ-MARS. E i n Z w e i f e l n o c h ? an m i r ? — a n m e i n e r L i e b e ? MARIA. A n D e i n e r L i e b e ? CINQ-MARS.
W i e ? D u bebst zurück?
MARIA. M e i n S c h u t z u n d H o r t - i c h s t ü r z e m i c h h i n e i n ! 5
CINQ-MARS. Ο k o m m e -
komm'!
MARIA. Er preßt
Für alle E w i g k e i t . } sie heftig
CINQ-MARS allein.
an sich,
sie küßt
ihn rasch,
und eilt
ab.
S i e ist d i e M e i n e , u m d i e K ö n ' g e w e r b e n !
Aus süssem Drang des liebevollen Herzens R e i c h t s i e d i e H a n d z u m i r h e r a b u n d spricht: 10
Ich w ä l e Dich, rechtfert'ge meine W a l , D a ß o h n e z u Erröten ich dereinst V o r aller W e l t erklären kann: D e r ist's!
Dritter Auftritt DER VORIGE. LUDWIG, A N N A , MAZARIN, { C I N Q - M A R S , } SCHÖMBERG, FAVERT, D E THOU.
LUDWIG im Kommen,
zu
Anna.
{Ihr saht mit e i g ' n e n A u g e n { { M a j e s t ä t } } ( K ö n i g i n )
5
{CINQ-MARS. DU hoffst auf Gott, nun sieh - ich hoff auf Dich! Umarmung. Maria ab) aR hinzugefugt; ohne Tilgung. 5 (CINQ-MARS. DU hoffst zu Gott und ich - ich hoff zu Dir.) aR hinzugefügt; ohne Tilgung. Nach 12 Dritter Auftritt ] Zweiter Auftritt Schreibfehler 1In einer Spalte links zu Beginn des dritten Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (LUDWIG. Ja Königin. Ihr habt uns Glück gebracht. Mit einem Siege durften wir Euch grüssen. Die Fahnen Frankreich's wehn v o m Castillet! Dort hat Cinq-Mars sie siegreich aufgepflanzt, Bald ist die Festung über, will es Gott! ANNA. Er geb Euch jeglichen Triumpf Umkränze Euer königliches Haupt, Mit immergrünem Lorbeer e w ' g e n Ruhms. Doch mir gewähr er endlich mein Gebet. Die W a f f e n Herr - an die der Sieg Gefesselt ist und stets gefesselt bleibe Nicht mehr g ' e n Spanien gewandt zu sehn Mein Heimatland und meines Bruders Reich. LUDWIG. Ihr seid Madame die Gattin König Lud wig's. Vergeßt daß Ihr die Schwester seines Feinds
593
I. Text W i e eifrig wir bestrebt, uns d i e s e m Feind Der unser Freund sein soll, nach Möglichkeit Z u n ä h e r n . Ο w i r w ü c h s e n g e r n i h m in D a s H e r z ! Er a b e r - hält u n s g r o l l e n d f e r n , 5
Verschließt vor uns sich hinter F e s t u n g s m a u e r n U n d w e i s t all u n s ' r e B o t e n t r o t z i g a b . A N N A mit gespielter
Heiterkeit.
D i e Sprache Sire, die Eure B o t e n reden,
Und Iaßt es uns vergessen. ANNA. Seines Feinds? Ein Feind der alles gäbe Euer Freund Zu werden LUDWIG. Die Hand die wir ihm zur Versöhnung bieten So eben ruft zurück ANNA. Das tat er nicht! LUDWIG. Anders klingt was mein Gesandter An Philipps Hof mir meldet ANNA. Sire - das ist? LUDWIG. Das alte Lied! man wünscht den Frieden nicht Und will doch innig ihn zu wünschen scheinen. Man hält uns hin mit nichtigen Bedenken, Mit leeren Klagen, müss'ger Förmlichkeit; Erschöpfen will man unsere Geduld Und w e n n ' s geläng - als Opfer sich geberden Von Frankreichs Blutdurst und Erobrungssucht Und alle Welt zu Hülf und Rache rufen. Das ist M a d a m e die span'sche Politik. Wir kennen sie. CINQ-MARS. DU wirst getäuscht mein König! Am Stillestehn der Friedensunterhandlung Trägt Frankreich Schuld. LUDWIG. Wie? Frankreich? CLNQ-MARS. W i r verzögern Den Schluß des Friedens, wir bestehn auf Krieg. SCHÖMBERG. Geschwätz! ClNQ-MARS. Vernimm mein König: Zwei Befehle Den einen offen und geheim den andern Erhielt Dein Abgesandter in Madrid. Den Frieden schliessen lautet Dein Befehl, Zu hintertreiben ihn um jeden Preis Ist der Befehl des Cardinal Minister's. LUDWIG. Und ihm gehorchten sie - wie immer, Ο wie immer SCHÖMBERG ZU Cinq-Mars. Was Ihr da sprecht, das gilt's noch zu beweisen. ClNQ-MARS ZU Ludwig. Beweise bringt Fontrailles der heut LUDWIG. G e d u l d Der Marschall zweifelt und nicht ich Cinq-Mars An Winkelzüge hat der Cardinal Uns längst gewöhnt. Kommt sie von ihm so staunen Wir über keine Lüge mehr. BEAUFORT. Der Cardinal von Mazarin. LUDWIG. Er ist willkommen.)
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Richelieu's Ende Dünkt ihm vielleicht zu rauh und unversöhnlich. Versucht einmal ihn milder anzusprechen. Es ist der Weg auf welchem Ihr ihm naht, Vielleicht der rechte nicht zu seinem Herzen, Versucht es einen andern einzuschlagen. LUDWIG. Ich geh den Weg auf dem ich sicher bin, Dem Feinde - meinem Freunde, zu begegnen. ANNA rasch. Nicht der ist's, den Ihr wältet! - Den man Euch Zu wälen riet. - Verzeihung Sire - die Euch Bisher als Wegweiser gedient, sie führten Nicht so gewissenhaft als sie gesollt. LUDWIG. Sehr möglich - Ο sehr möglich - nun ich will Ich muß fortan mein eig'ner Führer sein. Der Mann auf dessen vielgerühmten Geist Ich mehr gebaut als auf die eig'ne Einsicht,} Der mir mit seinem Rath stets beigestanden, Der Cardinal Minister liegt im Sterben. ALLE. Im Sterben? ANNA. SO ist's wahr? LUDWIG ZU Mazarin. Ihr kommt von ihm. Berichtet Ihrer Majestät, was Ihr gesehn. MAZARIN. {Erhab'ne Frau, der Cardinal,} (Der Sieger von Privas und La Rochelle) Der Gegner Österreich's und Spanien's {Der {{stolze Sieger}} (Überwinder) über Frankreich's Adel,} {Der}(Des Adels) Feind, der Protestanten {hier im Land} (Schrecken), {Und ihr Verbündeter in Deutschland, Schrecken,} Mit einem Wort, der Herzog Richelieu Ringt mit dem Tod. DETHOU leise zu Cinq-Mars. Gott ist gnädig! er Erspart Dir ein Verbrechen. LUDWIG sich im Kreise umsehend, fiir sich. Schweigen? ... Alle? ... Bitter. Erweckt die Nachricht sprachlose Bestürzung Daß Frankreich's Schicksal von der Stunde an Allein in meinen - meinen Händen ruht? CINQ-MARS. Gesegnet sei Ο Herr und Fürst, der Tag! Kein Dritter mehr steht zwischen Dir und uns Gesegnet sei der schöne Augenblick, Er gibt dem Volke seinen König wieder. Er gibt dem König sein getreues Volk! LUDWIG. Ein treues Volk, das mir mißtraut. {CINQ-MARS.
Ο glaub'
I. Text
5
Es nicht! An Dir hat Keiner je gezweifelt Als nur Du selbst. LUDWIG. Ich bin umringt von Gegnern.} CINQ-MARS. Das ist der alte Argwohn den Dir Richelieu Vergiftend in die weiche Seele legte,
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Und dafür sei im Tode, ihm Fluch! FAVERT. Der Friede sei mit jedem Sterbenden, Er sei auch mit dem Cardinal. Bald ist Sein Angedenken alles, was von ihm Uns übrig bleibt. Wir wollen's ehren. LUDWIG. Wie? Traf {bess're} (neu're) Kunde aus Narbonne hier ein? Ist Hoffnung da, für des Ministers Rettung? Man macht, ich seh, {von Neuem} (noch immer) ihm den Hof. FAVERT. {O Sire} - Den Hof? {Der Herzog } (O nein! doch nannt' mich) Richelieu
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{Hat mich i} (I)m Leben seinen Freund {genannt,} Ich kann ihm das im Tode nicht vergessen. LUDWIG. {Auch} (Und Ihr) s o l l t {Ihr's} (auch) nicht; im Gegenteil, ich staune nur Daß Ihr so lang es zu vergessen scheint. Der Freund ist sterbend, und Ihr bleibt ihm fern? Zu ihm Favert! wir bitten: zögert nicht. Nehmt Unsre Grüsse mit - und laßt Euch Zeit Die seinen zu bestellen. FAVERT. Wie? - mein König LUDWIG. Ihr geht dem Freund die Augen zuzudrücken, Wir gönnen Euch nach dieser ernsten Pflicht Erfüllung, die Erholung deren Ihr Bedürfen werdet. {FAVERT. Sire LUDWIG. Doch Du Cinq-Mars Tritt näher. Warm und offen sprachst Du Dein Vertrau'n zu Deinem König eben aus. Erfahre daß Dein König es erwiedert. (Nimm meinen Dank - von einem Lügennetz War ich umsponnen - hilf es zu zerreissen.) Ich hörte Deine Stimme immer gern, Denn immer sprach sie gegen meine Feinde Selbst damals als sie noch allmächtig waren. Die Stimme die so treu mir stets geklungen, Ich will fortan im Staatsrat sie vernehmen.
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Richelieu 's Ende
596 MAZARIN und
SCHÖMBERG.
Im Staatsrat?! LUDWIG.
Ja, Ihr Herrn.
Hab' Dank mein König. leise zu Mazarin. "Hab' Dank" sagt er? A N N A ZU Cinq-Mars. Empfanget meinen Glückwunsch. C I N Q - M A R S . Auf Knien, hohe Frau! A N N A leise. Mein Spanien Empfel' ich Euch. SCHÖMBERG wie oben. "Hab' Dank" - und das ist Alles? MAZARIN. Er fült zu gut, daß man nicht Graf Cinq-Mars, Daß man den Gegner Richelieu's erhöht. Sich zu Cinq-Mars wendend. Zält mich zu Euren Freunden. SCHÖMBERG. Und auch mich. A N N A ZU Ludwig. Ihr seid so gnädig Sire, Ο seid es mir! Erhört mein {{dringend}} Flehn: Schenkt meinem Land den Frieden! {{Den Frieden!}} LUDWIG. Königin Ihr fordert, was Was der verschmät, für welchen Ihr's erfleht? Wir zu gewähren längst bereit gewesen, Und was zu nehmen Spanien verschmät. A N N A . Verschmät?} LUDWIG. Den Frieden zu vermitteln, ging Unser Gesandter nach Madrid, Der mit der Ehre Frankreichs sich verträgt. Den Frieden - den wir wünschen - anzubahnen. Vergeblich blieb sein redliches Bemühn. Es scheitert unser guter Wille an Dem bösen, den man uns entgegen bringt. A N N A . Nicht also Sire CINQ-MARS. Du wirst getäuscht mein König. Denn zwei, sich widersprechende Befehle Den einen offen, und geheim der andere, Erhielt Dein Abgesandter in Madrid. CINQ-MARS. SCHÖMBERG
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aR hinzugeßgt; ohne Tilgung: (Uns'ren Gesandten in Madrid ward der Befel, um jeden Preis Der mit der Ehre Frankreich's sich verträgt Den Frieden anzubahnen den wir wünschen. Vergeblich. Unser guter Wille scheitert Am bösen den man uns entgegen bringt.) (Und seiner wird befolgt und nicht der meine.) ndZ hinzugefiigt;
ohne
Tilgung.
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/. Text
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LUDWIG. Das kann nicht sein! CINQ-MARS. Den Frieden zu vermitteln War D e i n Befel. Ihn zu verzögern, ihn Zu hintertreiben durch jedwedes Mittel War der Befel des Herzog's Richelieu. LUDWIG. B e w e i s m i r d a s !
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CINQ-MARS. Du selber überzeuge Dich. Schick einen Bewährten, sichern Mann, hin nach Madrid Und laß durch ihn, sogleich über den Stand Der Friedenshandlungen an Dich berichten. LUDWIG. SO sei's und Dir geb' ich Befel ... Nach einer kurzen Überlegung, zu De Thou. Doch nein {Ich Übertrag' es Euch De Thou - geht selbst Ich wollte sagen s c h r e i b t selbst nach Madrid, Geht - schreibt - thut was Ihr wollt nur schafft mir Klarheit! Von einem Lügennetz bin ich umsponnen Der Treue Dank! die es zerreissen hilft. } Zur Königin. Euch aber Königin, mehr als blossen Dank Ich fürchte sehr, ich steh in Eurer Schuld Und hab' Euch abzubitten. ANNA. N e i n - Ο nein! {Der Einzige der abzubitten hätte,} Der Einzige der Unrecht mit getan, Das ist der Mann der keine Schuld auf Erden Abbitten mehr, und keine büssen kann. Er war's der meinem König mich verdächtigt, Und meines Gatten Herz von mir gewandt. LUDWIG. In'S an'dre Leben folgt ihm dies Bewußtsein. Mög' er vor seinem Gotte Gnade finden, Vor seinem König fänd er sie nicht mehr! ... Zu Favert. {An's Werk De Thou! ...} Noch {hier} (da?) {Favert?} (So lang gesäumt?) In der linken Spalte hinzugefügt; ohne Tilgung: (LUDWIG. Vergeblich sucht den Frieden zu vermitteln Mein Abgesandter an dem span'schen Hof Der beste Wille scheitert an dem bösen Den Euer Bruder uns entgegen bringt. ANNA. Das meldet, Sire, der Herzog Richelieu LUDWIG. Ja wohl, Madame. CINQ-MARS. DU wirst getäuscht mein Fürst Umgangen wird Dein königliches Wort {(Wille))... Denn zwei sich widersprechende Befehle Der eine offen und geheim der andere Erhielt Dein Abgesandter in Madrid.)
Richelieu's Ende
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Ihr fürchtet wohl {Bei} (Zu) Eurem Freunde schon zu spät zu kommen? Wer weiß? {vielleicht} (am Ende) lebt {er} noch in Narbonne Der mir - gestorben ist! ZWEI HUISSIER'S öffnen die Zeltvorhänge im Hintergrunde. Der Cardinal Minister! Dumpfer, halb unterdrückter Ruf des Erstaunen' s der Versammlung.
Vierter Auftritt RICHELIEU im Ornate, gestützt auf zwei Pagen, gefolgt von einer grossen Suite die am Eingange des Zelts zurück bleibt. LUDWIG blickt ihn eine Weile betroffen an, und wendet sich dann zu ANNA. Neben Beiden steht CLNQMARS. Die Übrigen auf der linken Seite der Bühne. RICHELIEU schreitet langsam vor, nach jedem Schritte, wie erschöpft, stehen bleibend. Er wendet sich gegen die Gruppe links. Alle weichen zurück, nur FAVERT tritt ihm gleich entgegen, nach kurzer Überlegung auch MAZARIN, zuletzt SCHÖMBERG.
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FAVERT. Der Cardinal! MAZARIN. Ist's möglich - Eminenz? ... FAVERT. Ihr seid's! Ihr seid's! Der Herr hat Euch erhalten! RICHELIEU das Auge unverwandt auf Ludwig gerichtet. Noch gönnt Er mir kein Ausruhn, von Der langen Arbeit, die: Mein Leben, heißt. {Er findet wohl sie wäre nicht vollendet} Und un{ge}(er)hört {blieb} (läßt er) mein (heiß) Gebet {zu Gott} Um die Befreiung von dem schweren Joch. MAZARIN sich Ludwig nähernd. Mein König LUDWIG wendet sich langsam. Nun? MAZARIN. Der Cardinal Minister. LUDWIG ZU Anna. Das Weltgericht ist nah, es stehn die Todten auf. Zu Richelieu kalt. Ich weiß nicht Herzog Richelieu, soll ich Bezweifeln was ich h ö r e - oder was Ich s e h e . Eines wiederlegt das and're.
Nach 5
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Vor einer Stunde noch ward mir gemeldet Der Cardinal sei sterbend, und jetzt steht Genesen er vor mir. Wie reim' ich das? Denn keine Wunder thut der Himmel mehr. RICHELIEU. Der Himmel thut noch Wunder, Majestät. Für seine Auserkornen. Sire, er hat An diesem Tage eins für Euch getan. Er hält die Seele Eures treusten Diener's Noch im Entfliehen an die Erde fest, Und rüstet sie mit neuer Jugendkraft Euch zu befrei'η aus drohender Gefahr. LUDWIG Hönisch zu Anna. Er ist noch krank. Zu Richelieu. Ihr seid ein kluger Staatsmann. Für Euren Scharfsinn ist das Dunkle klar, Und sonnenhell das Unergründliche. Doch dießmal übertreibt Ihr Eure Kunst Da noch zu sehn, wo Andre nichts mehr sehn; Ihr wollt auch sehn, wo nichts zu sehen ist. RICHELIEU. Ich kann mich irren Sire. Unfelbar ist Der König nur allein. Von Ihm der keinen Irrtum teilen kann, Erbitte ich{s}, (Berichtigung) de{n}(s) meinen {zu berichtigen}. Ich bitte Sire um gnädiges Gehör. LUDWIG. Wir hören. Sprecht. RICHELIEU. Ich bitte Sire, allein Mich anzuhören. LUDWIG. Herzog Richelieu Hier steht die Königin. RICHELIEU. Ich werfe mich Zu Füssen Ihrer Majestät. LUDWIG. Wollt Ihr Allein mich (uns) sprechen Herzog Richelieu, Wält eine Zeit wo sie nicht bei Uns ist. Wir pflegen nicht die Gattin zu entlassen Weil uns ein Untertan zu sprechen wünscht. RICHELIEU. Nicht als ein Untertan bin ich gekommen, Ich stehe hier als Deines Staats Minister, Im Namen Frankreich's ford're ich Gehör. LUDWIG. In meinem eigenen verweig're ich's. RICHELIEU. DU bist der Herr.
(uns) UdZ, hinzugefiigt über mich; ohne
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Richelieu 's Ende
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LUDWIG. Und denk' es zu beweisen. RICHELIEU. SO ziemt es Dir. Mir aber ziemt, dem Diener, Gehorsam meinem Herrn, ich leiste ihn. Du selbst hast mich dereinst in's Amt berufen Das ich bekleide - aus Gehorsam Herr! Kraft dieses Amt's erheb' ich meine Stimme, Und rufe warnend Dir die Worte zu: Du schiffst auf einem klippenreichen Meer Umdroht von schäumend sturmgepeitschten Wellen Ein düstrer Himmel wölbt sich über Dir, Und Wolken steigen auf, gewitterschwer ... LUDWIG ihm in's Wort fallend. Genug Herr Cardinal! Ihr malt Uns da Ein unerfreulich Bild. Längst wußten Wir {daß Ihr in Mussestunden Mit Poesie Euch zu zerstreuen pflegt,} (Daß Ihr zu Zeiten Euch mit Poesie zerstreut.) Daß Ihr so traurig dichtet, ist Uns neu. RICHELIEU. Verzeihung Sire was Ihr für Dichtung haltet Ist Schilderung der nackten Wirklichkeit. Doch manchmal klingt wie Poesie die Wahrheit, Und manchmal wird das Leben zum Gedicht. Das meine war's in jener grossen Stunde Wo in die Wolke die Dir dräuend nahte, Ich greifen durfte mit verweg'ner Hand, Und ihr den Blitz, den zuckenden, entreissend Erloschen ihn zu Deinen Füssen schleudern! LUDWIG. Ihr sprecht in Rätseln. RICHELIEU ihm den Traktat überreichend. Ihre Lösung Sire. LUDWIG. Anklagen? RICHELIEU. Überzeuge Dich. LUDWIG. Anklagen? Ο natürlich! RICHELIEU. Sire - es hält In Händen Eure Majestät ... LUDWIG. Ein Blatt Papier. Wirft einen Blick hinein. Wie eng beschrieben - ach und das Das soll ich lesen? RICHELIEU. Lesen Sire und richten. LUDWIG. Schon gut - es wird geschehn -
(Was Du für Dichtung hältst ο König) ndZ hinzugefügt;
ohne
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I. Text
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RICHELIEU. Mein gnäd'ger König. LUDWIG. {Schon gut.} (Es hat wohl Zeit - ) {Die Schriften Graf Cinq-Mars, Ihr legt sie mir Im Staatsrat vor. Dies kommt Euch zu, dem letzt Ernannten Rat. RICHELIEU mit unterdrücktem Spott. Wie? Dieser Jüngling ist ... LUDWIG. Im Staatsrat aufgenommen. Ja! Ich hab's Getan weil ich - genug - ich hab's getan. RICHELIEU. Und wohlgetan ist was der König thut. Sich zu Cinq-Mars wendend. Nun denn Cinq-Mars, empfangt dies Dokument Und schwört vor Eurem Gott, b e i E u r e r E h r e Dem hohen Rat es heut noch vorzulegen. CINQ-MARS. Wir sind im Felde, Eminenz. RICHELIEU, Ganz recht Im Felde wird kein Staatsrat abgehalten. Muß man mich daran mahnen! - Mein Monarch Du siehst - ich werde schwach - es schwindet das Gedächtniß. Seltsam irren die Gedanken. Aus Mitleid Herr, und Nachsicht mit dem Kranken, Nun denn die Schrift in Deine eig'ne Hand, Und prüfe selbst, ob wirklich wichtig ist Was mir so wichtig schien. LUDWIG die Schrift nehmend. Wohlan ich will Sie prüfen. RICHELIEU. {Habe Dank. Und nun - nachdem Ich Herr, Dir einen Dienst ge{{leistet}}(than) den je Zu übertreffen ich verzweifeln muß Nun bitte ich,} (Ich danke heut wie ich noch nie gedankt. LUDWIG. Seid Ihr zu Ende? RICHELIEU. Nie mit meinem Dank. Doch bald mit meinen Bitten. Höre huldvoll Die letzte an die ich auf Erden spreche Und diese Sire {sie} wird ((meine)) {die} letzte sein. Sie lautet Herr:) gewähre mir die Ruhe, Nach welcher die erschöpfte Kraft verlangt. Laß mich das Amt mit dem Du mich betraut, {Zu} (In Demut Dir zu) Deinen Füssen, {dankend} niederlegen. LUDWIG. Was fordert Ihr? - wär's möglich - Richelieu -
(In Demut niederlegen Dir zu Füssen.) udZ hinzugefügt;
ohne
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Richelieu's Ende
602
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RICHELIEU. Ein langes Leben {hab'} (weiht) ich {Dir geweit} (Deinem Dienst) Laß mich sein kurzes Ende, {hoher Herr,} (recht still und) {Dem Heile meiner armen (sünd'gen) Seele weihn.} (Der Buße weihn und meiner Seele Heil.) LUDWIG. Was fordert Ihr?! RICHELIEU. Entlassung mein Monarch. Gewähr sie bald ich hab nicht Zeit zu warten. Denn meine Tage, fühl' ich, sind gezält. LUDWIG. Ich g e b ' Euch Euren Abschied nicht - {ich nicht.} Ihr η e h m t ihn {Herzog - das kann ich nicht hindern ...} Ihr wollt fortan nur Eurem Gotte leben, Nun - Eurem Gott darf ich Euch nicht entziehn. RICHELIEU. {Bin ich entlassen Sire? LUDWIG. Weil Ihr es wollt.} RICHELIEU. Ich bin entlassen, Sire. Ο fügt hinzu Daß ich's in Gnaden bin. LUDWIG. In vollen Gnaden. {RICHELIEU. H a b ' D a n k .
reicht ihm die Hand. Habt Dank auch Ihr. RICHELIEU. Mein Herr! mein Fürst! Es sei beglückt, der so beglücken kann. Es ernte Freude der sie freudig gibt.} Des Himmels Segen auf Dein fürstlich Haupt, Und auf das Eure königliche Frau. Des Himmels Segen über dieses Land. Zu Dir ο Gott! erheb' ich meine Hände: Ein Sterbender hat eine Bitte an Den Schöpfer frei - die meine ist gesprochen. {Heil mir! Heil mir! Ich fühl's: Sie ist erhört.} Geht langsam, wie er gekommen, ab. LUDWIG. Ihr Alle, gebt dem Herzog das Geleite. Alle ab ausser Ludwig, Anna, Cinq-Mars. { L U D W I G nach einer Pause. Es ist geschehn. C I N Q - M A R S wirft sich ihm zu Füssen. Mein König - höre mich!} L U D W I G halblaut. Ich steh allein. - Wer wird fortan mit mir Der Krone Last und ihre Sorgen tragen? ANNA. Die Deinen Herr! Die Deinen, die Dich lieben. L U D W I G bitter. Mich lieben! Mich! LUDWIG
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CINQ-MARS.
{Er hat es nie gethan
Der Mann} (Das könnt er nicht - der Mann) der jetzt {im Innersten gebrochen Zerfallen} mit sich {selbst} und dem Geschick zerfallen
I. Text
603
Einsam zu sterben geht. Er wird nie sterben. {Durch alle Zeiten lebt sein grosser Name.} C I N Q - M A R S . Mag sein! mag ihn die Zukunft preisen. {Vergöttern!} W i r ver{fluchen}(wünschen) ihn! Weil er LUDWIG. {Euch fest im Zügel hielt} weil er - geherrscht C I N Q - M A R S . Weil über Dich er sich vermaß zu herrschen! LUDWIG faßt ihn bei'm Arm. {Cinq-Mars} (Und) - Nach einer Pause. Was wollt denn Ihr? ... C I N Q - M A R S wirft sich dem König zu Füssen. Dir d i e n e n und dem Vaterland. LUDWIG. {Das hat auch Er gesagt. Mehr als gesagt.} (Ihr sagt's.) Er hat's - getan ... {Genug - } Steh auf. Was kniest Du - wie ein Schuldiger? C I N Q - M A R S aufspringend. {Ein Schuldiger?} ( O Sire.) LUDWIG. Traf das? Bist Du's? {Bist Du's?} C I N Q - M A R S . Nicht gegen Dich! {bei'm allgerechten Gott!} LUDWIG. {Doch gegen Ihn den ich verstieß} (Gleichviel) Sprich nicht! Du trägst die Schuld - Du warst's der unermüdlich Mein Herz bedrängt mit Klagen gegen (über) ihn. C I N Q - M A R S . Ο Herr ... LUDWIG. Kannst Du ihn mir ersetzen? Kannst Du? C I N Q - M A R S . In Einem, König, übertreff' ich ihn. In selbstvergessend wandelloser Treue! LUDWIG. Ach - Treue! ... Lebt sein Geist in Dir? ANNA. Mein Herr Und Gatte LUDWIG. Ihr habt ihn gehaßt. Auch Ihr. ANNA. {Ja Majestät ich habe ihn gehaßt} Als meinen Feind und meinen schlimmsten Gegner, Der keine Waffe, nicht die niedrigste, Jemals verschmät, wenn michs zu treffen galt In meiner Ehre, meinem Glück und Leben. Ich haßte ihn, ich habe ihn gefürchtet, Und laut aufjauchzend grüß ich seinen Fall. Ich will nicht heucheln Sire. Dazu {hat} (könnt) mich Der Cardinal (in seiner Macht nicht) {zu} zwingen {nicht vermocht.} {Als er noch stand in Fülle seiner Macht.} Dazu kann {jetzt} (selbst) sein Unglück mich nicht zwingen. LUDWIG.
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(über) üdZ, hinzugefügt über gegen; ohne
Tilgung.
Richelieu 's Ende
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Ich {hab'} (log) ihm Unterwerfung nie {gelogen}, Vermag auch jetzt ihm Mitleid nicht zu lügen. Sie wendet sich zu gehen. LUDWIG für sich. So bald schon übermütig? ... ANNA bleibt stehn. Sire? LUDWIG. Ihr geht? ANNA. Wenn mein Gemal zu bleiben, nicht Gebietet. LUDWIG ZU Cinq-Mars. Folgt der Königin. Verbeugung. Anna und Cinq-Mars ab.
Fünfter Auftritt
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Nach 7
LUDWIG allein, ihnen nachsehend. Wem soll Vertrau'n Dem Alle Treue schwören? Allen ist Unsinn Und Keinem ist Verzweiflung ... Einem? Wie find ich ihn den Einen unter Tausend Die Alle sich in's gleiche Kleid gehüllt? ... Setzt sich. Den Kopf mit der Hand stützend. Ich bin so müd - so müd zu herrschen und ... Beherrscht zu werden - Ach - so müd zu leben, Wenn ich denn nur als König leben soll! ... {Der Cardinal - er freilich - er ist klug Der Staatsgeschäfte unbequeme Last Legt er in meine Hand, und geht - sich pflegen. Ich wäre - i c h der Pflege mehr bedürftig Mein Geist braucht Ruh, mein Körper braucht Bewegung Mein Arzt das ist der Wald in Saint-Germain ... Wie lang sah ich, nicht meine Falken steigen? Sie haben ihre Kunst wohl schon verlernt. Wer ausser mir versteht sich auf die Beize Nicht Einer! Ο - zu Grunde geht die Jagd Zu Grund geht Alles - Alles was mich freute!} (Draussen Geräusch. Lärm von lauten Stimmen. Was giebt's von Neuem! Was bedeutet das?)
Fünfter Auftritt ] Dritter Auftritt
Schreibfehler
I. Text
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Sechster Auftritt DER VORIGE. ΜAZARIN.
MAZARIN. Verzeihung Herr ... LUDWIG.
Wofür?
MAZARIN.
Ο Majestät -
LUDWIG. W a s ist g e s c h e h n ? AUS der Champagne mein König Trifft unheilkündend Dir ein Bote ein. LUDWIG. AUS der Champagne? ... Grammont! — Wir sind geschlagen! {Sagt Nein! ... Ihr schweigt?! ... } MAZARIN. {Ich kann nicht sagen - Nein!} Bei Hennecourt erlag Deine Armee Dem Waffenglück der spanischen Generäle. LUDWIG. Dem Waffenglück ... Ihr spottet! ... Ο ich fürchte Ich fürchte Mazarin ... Er stockt. MAZARIN.
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MAZARIN.
W a s auszusprechen
Ihr zögert Sire, geht laut im Lager schon Von Mund zu Mund ... Verrat {hat uns} besiegt(e uns.) Die Pläne Deiner Führer sollen LUDWIG.
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Sollen?
MAZARIN. Den Spaniern bekannt gewesen sein ... LUDWIG. {Durch welches Wunder? ... Ha! Durch welch' Verbrechen?} Ο hier ist mehr als Unglück - hier ist Schuld! ... Nach einer langen Pause. Bezog darauf sich Deine Warnung Priester? Sie kam zu spät. Tritt an den Tisch und eröffnet die ihm von Richelieu iibergebenen Schriften. Halblaut lesend. "Traktat mit Spanien ..." Sieht nach den Unterschriften. Olivarez - Gaston - Gaston - mein Bruder! Bouillon - Fontrailles - Cinq-Marsü {Auch - Du? ...} (Nun ja.) {Nun} (Da) fehlt nur noch die spanische Prinzessin Die "Frankreich's Königin" sich schelten läßt! MAZARIN. Mein König - Sire LUDWIG zusammenfahrend. Wer ist's?! Verbirgt die Schriften. MAZARIN. Was soll geschehn? LUDWIG. Weiß ich's? Ο ich bin ratlos - {rat}(hülf)los - freundlos! ...
Vor 1
Sechster Auftritt ] Vierter Auftritt
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Richelieu 's Ende
Siebenter Auftritt D I E VORIGEN. C I N Q - M A R S , bald
nach
ihm SCHÖMBERG, FAVERT,
FONTRAILLES, D E T H O U .
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CINQ-MARS. Hast Du es schon gehört? Wir sind geschlagen! Ο Herr! nur einen Sturm auf Perpignan Und unser ist die Stadt! laß stürmen! Dann Auf Flügeln Herr - sobald die Festung fiel Nach der Champagne! Ο Herr dort liegt verwelkt Die Blume unsrer Ehre! Wer will ruhn Bevor sie prangend wieder aufgeblüt? Zum Sturme Herr! {gib den Befehl zum Sturm!} ALLE. Zum Sturme! Gib Befel! CINQ-MARS. Und dann {nach der Champagne}! Vom König selber angeführt {Und das} (Mit dem) Bewußtsein eines Siegs im Herzen. Nach der Champagne ο Herr! nach der Champagne! LUDWIG. Steht's so im Plane Spanien's? bin ich Verkauft, und werd' nur ausgeliefert? CINQ-MARS.
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Vor 1
S i r e ? ! ...
LUDWIG. {Wir danken Euch für Euren Rat, Cinq-Mars, Als ob wir ihn befolgten. Dies zu thun Liegt ausser uns'rer Macht - nicht unsern Wünschen. Hinweg von hier ruft eine ernste Pflicht. Der beider wir uns nicht entziehen können. Euch aber Marschall Schömberg sei indeß Die Führung der Belag'rung übergeben. Cinq-Mars will reden, ein Blick des Königs macht ihn verstummen. Ihr Mazarin, geleitet nach Lyon, Wohin Wir Euch in wenig Tagen folgen, Die Königin. Doch Ihr Fontrailles Zu Cinq-Mars. Und Du} (Ihr habt Euch sehr verrechnet Marschall Schömberg.) SCHÖMBERG. Mein königlicher Herr? LUDWIG. Wir müssen scheiden. Nehmt unsre Stelle hier bei'm Heere ein. Ihr lerntet unter Richelieu den Krieg Führt ihn in Seinem Geiste. {Lebet wohl.} SCHÖMBERG. Amen Sire!
Siebenter Auftritt ] Fünfter Auftritt Schreibfehler
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I. Text
5
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LUDWIG. Ihr Mazarin geleitet nach Lyon Wohin Wir Euch in wenig Tagen folgen Die Königin. Zu Cinq-Mars und Fontrailles. Ihr Beiden bleibt bei mir. Trefft Anstalten zur Reise. Und wohin? CINQ-MARS. LUDWIG. Der Weg geht nach Narbonne. Narbonne?! ALLE. Wir wollen LUDWIG. Vom Cardinal noch einmal Abschied nehmen. Er geht ab. Alle folgen ausser Cinq-Mars, Fontrailles, Beaufort. FONTRAILLES. Verwünscht! Der Teufel hat ihn wieder Noch einmal Abschied nehmen heißt so viel Als sich auf Gnad und Ungnad ihm ergeben. CINQ-MARS. Beaufort - Fontrailles, jetzt führen wir den Schlag! Zu Fontrailles. Du zu Gaston und meld' ihm dass es Zeit. Der Prinz erkläre Krieg und werfe sich Mit seinen {Leuten nach} (Treu'n ins feste Schloss) Sedan's {Entsatz}. Entsatz bringt ihm Bouillon, den Du Beaufort Anspornst zu Sturmeseile. Zögern hiesse Morden. BEAUFORT. U n d D u ?
CINQ-MARS. Ich gehe nach Narbonne. BEAUFORT. Du opferst Dich! CINQ-MARS. Ich decke Euch den Rücken. FONTRAILLES. - Wenn's mißlingt... CINQ-MARS. Bist Du ein Mann? {Unmöglich ist} (Wer dächte an) Mißlingen! DE THOU stürzt herein. Ihr seid verrathen! FONTRAILLES.
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FONTRAILLES und BEAUFORT .
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Himmel!
DE THOU . Das Blatt das Richelieu dem König brachte War das Tractat!
Rettet Euch!
De Thou?!
CINQ-MARS. Wer sagte das? DE THOU leise ZU Cinq-Mars. Jules Mazarin, der Deinen Tod nicht will. BEAUFORT. Was soll geschehn? CINQ-MARS. Was schon beschlossen war! Nur rascher tausendmal. Der König schwankt Ihr habt die Zeit - werft eine That hinein! - Du weißt was Deines Amt's Beaufort - es komme Nicht Trank noch Speise über Deine Lippen Kein Schlaf über Dein Auge - eh's vollbracht Hinweg! hinweg! BEAUFORT. DU wählst in diesem Kampf
Richelieu 's Ende
608
5
Den schlimmsten Posten - den gefährlichsten Ich bitt' Dich - tauschen wir CINQ-MARS auffahrend. Wofür denn hältst Du mich? - Kein Wort. Du gehst BEAUFORT. Du hast's gewollt. Beaufort eilt hinaus. FONTRAILLES. Was wir uns Mühe machen! - wär's nicht klug Mit einem Streich all diese Not zu enden? Ein kleiner Stich dem Cardinal in's Herz CINQ-MARS. Fontrailles!
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DETHOU. Ein kleiner Mord? warum denn nicht? FONTRAILLES. Ich weiss Euch einen sehr honnetten Burschen Der Aufträg' dieser Art so fein besorgt Für eine Handvoll Gold. CINQ-MARS. Erbärmlicher! Ich brauche Dich - verwünscht dass ich Dich brauche. Sonst schlüg ich Dir die Antwort in's Gesicht! DETHOU. Cinq-Mars - Halt ein FONTRAILLES. Ο lasst ihn - Worte sind nur Luft. CINQ-MARS. DU hast bei mir von nun an gut zu machen. Fontrailles - Fontrailles sei doppelt treu. Wir trennen uns - versäum keine Sekunde. Auf nach Sedan - Du hörst -
FONTRAILLES.
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D E THOU.
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U n d ich mit Dir.
CINQ-MARS. Wozu? was suchst Du unnütz die Gefahr? Du wolltest fort, blieb ich bei meinem Sinn, Ich blieb dabei - so bleib Du bei dem Deinen. DETHOU. Ich hab' mir's überlegt. CINQ-MARS. Wenn Du mich liebst DE THOU kalt. Wer sagt daß ich Dich liebe? CINQ-MARS. Deine Lippen - nicht. EIN PAGE meldend zu Cinq-Mars. Der König fragt nach Euch. Ab. CINQ-MARS.
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{Nun j a - nun j a - } ( J a j a - Vortrefflich - ja.)
CINQ-MARS. Ich aber nach Narbonne -
Ich k o m m e .
Fontrailles - ich sag Dir nicht: Thu Deine Pflicht Ich sag' Dir: "Thue mehr!" ich sag Dir nicht: Sei kühn - ich sag' Dir: "Sei ein Held!" Nun - fort! FONTRAILLES. Verlaß Dich drauf! CINQ-MARS. Wir sehn uns wieder. Ab mit De Thou. FONTRAILLES allein. - Auf dem Schaffot - wie jetzt die Dinge stehn. Nun Freund Cinq-Mars Ihr seid recht hoch gewachsen -
I. Text
5
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609 Sogar verkürzt um eines Kopfes Länge Bleibt Ihr noch eine stattliche Figur. Ich aber kann von meinem kargen Maaß Nicht einen Zoll entbehren. Grund genug Das Ganze schön in Sicherheit zu bringen. Ich geh davon. Lebt wohl. Doch vor der Flucht Will ich für meine Lieben etwas thun. Und Sprech ein Wort mit dem honetten Burschen Der fromme Cardinal wird mir verzeihn Die letzte Not entschuldigt letzte Mittel.
Dritter Aufzug Narbonne. Arbeitszimmer
Richelieu 's.
Erster Auftritt LAUBARDEMONT. CHAVIGNY.
CHAVIGNY. Entlassen! Richelieu entlassen! LAUBARDEMONT.
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Wir
Mit ihm. CHAVIGNY verächtlich. Ach - wir! LAUBARDEMONT. Verloren! ... Keine Rettung! ... CHAVIGNY. Und gäb' es eine, ich verschmähte sie, Ich stand durch ihn, so will ich mit ihm fallen. LAUBARDEMONT. Wer lohnt mir nun meine getreuen Dienste? Ich Thor! ... Ich Thor! CHAVIGNY. Was liegt an Euch? an mir? Wer kümmert sich bei'm Sturz der Waldeseiche Um das Gestrüpp das {sie im Fallen knickt.} (ringsum sie entwurzelt?) STIMME von Draussen. Der Cardinal! CHAVIGNY. {Er kommt.} (O welch ein Wiedersehn!) Mit einem Blick auf den eintretenden Richelieu. Gefaßt und groß. Dem Himmel Dank!
Zweiter Auftritt VORIGE. RICHELIEU.
RICHELIEU, ZU zwei Secretären, die ihn begleiten, und die er mit einer Handbewegung entlässt. Besorgt's. Zu Laubardemont und Chavigny. Ihr Beide haltet Euch bereit. Viel gibt's zu thun. Ihr werdet heut nicht schlafen. CHAVIGNY. Gebieter - Eminenz RICHELIEU. W a s ist { E u c h } ? CHAVIGNY.
5
{Herr}
Sie sagten - {ein Gerücht} Es hieß - Du wärst entlassen ... RICHELIEU. {AUS des König's Dienst?} Ja - Ich bin's. -
I. Text CHAVIGNYfir sich. Mit diesem Blick des Siegs. EIN OFFIZIER rasch eintretend.
Der König!
LAUBARDEMONT und CHAVIGNY.
Wie?
Der König? RICHELIEU ZU Chavigny.
Deinen Arm. Geleit mich -
CHAVIGNY.
5
Ihm
Entgegen. RICHELIEU. Nein. Auf einen Armsessel deutend. Dorthin. Der König kommt Zu mir. Laßt ihn denn kommen. Er nimmt Platz. EIN HUISSIER dreimal
Die Fliigelthüren
mit dem Stabe auf den Boden klopfend.
Der König!
öffnen sich.
Dritter Auftritt VORIGE. LUDWIG {mit
Gefolge,
darunter:
CINQ-MARS, D E THOU,
FONTRAILLES}
RICHELIEU sich halb erhebend. Ο welche Gnade, Sire! LUDWIG nötigt ihn sitzen zu bleiben.
5
Ich bitte Euch -
RICHELIEU. Mein König sucht mich auf - mein König, mich ... {Den Diener dessen er nicht mehr bedarf?} Könnt ich noch knie'n — mich hindert meine Schwäche Ich dankte kniend Sire. LUDWIG {zu seinem
Gefolge}.
Laßt uns allein.
Alle ab ausser Ludwig und Richelieu. Ludwig sich setzend. Ihr leidet Richelieu? ich leide auch. 7-
In einer Spalte links zu Beginn des Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (LUDWIG nachdem er neben Richelieu auf einem zweiten Lehnstuhl Platz Mir nagt am Herzen eine neue Sorge. Wir sind geschlagen, wisst, in der Champagne. RICHELIEU kalt. Wahrhaftig Sire? LUDWIG. Grammont ist ein Verräther Befürchte ich - verkauft an uns're Feinde. Er zieht vor ihnen langsam sich zurück Zurück bis nach Sedan, wo ihn mein Bruder Gaston erwartet - ach! wohin Bouillon Mit seinem Heer vielleicht schon auf dem W e g RICHELIEU. Das giebt zusammen, eine hübsche Macht. LUDWIG. Wir sind verloren, Richelieu, verloren RICHELIEU. Der Aufruhr gährt auch in der Normandie. x-x-x LUDWIG. Ich habe Euch beleidigt. Begehrt Genugthuung, sprecht, ich bin bereit zu gewähren.
genommen.
Richelieu 's Ende
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Ich bin sehr krank. Weit kränker noch als Ihr. RICHELIEU. Verhüt' es Gott der über Frankreich wacht. Lang lebe Eure Majestät, und mich Erlöse bald von allem Leid, der Tod. LUDWIG mit Ungeduld. Genug der Klagen. RICHELIEU. Sire, ich klage nicht. LUDWIG wie oben. Ihr sprecht von Euren Leiden, ruft den Tod RICHELIEU. Wie einen Freund, wie eine neue Woltat Nach allen die der Himmel mir erwies. Denn überreich hat er mich ja gesegnet, Dem König den ich l i e b t e , dürft' ich d i e n e n . LUDWIG wie oben. Sehr schön - sehr gut RICHELIEU. Mir ward vertraut, ein tief Erschüttert Reich, zerrissen von Partei'n Nach Aussen wehrlos LUDWIG. Ihr sagt mir, was ich weiß. RICHELIEU. Ich gab Dir's wieder, einig und gefürchtet. Die Krone einst in jedem Recht bedrot, {Ist nun} (Ward zum) Symbol der unumschränkten Macht. Ihr Träger ist der größte Fürst der Erde, Und Frankreich ist das erste Reich der Welt. LUDWIG. So nennen's seine Schmeichler. RICHELIEU absichtlich überhörend. Angelangt am Ziele meiner Laufbahn, darf ich sie Zum letzten Mal{e freudig} (befriedigt) überschau'n. Ja herrlich, herrlich hat mich Gott geführt. Was je ich unternommen, krönte Sieg, An's Wunderbare grenzt was ich erreicht Für Dich erreicht - daß es für Dich geschah Das ist mein Lohn, und er ist über{reich}(groß), Denn mein V e r d i e n s t war einzig nur - das G l ü c k ! Darum nicht mir die Ehre, sondern {dem Der mir dies Glück geschenkt - die Ehre - Gott!} (Gott!) LUDWIG. Er sei gelobt. Ihm danken Alle - Alles. RICHELIEU. Ich aber Sire, dank' Einem noch, nächst Ihm. Ich danke Euch. Im Augenblick wo die Erschöpfte Kraft, nach Ruhe lechzt, gewährt Ihr milde sie! Ihr nehmt der Arbeit Last RICHELIEU. Vergeblich, Sire, was ich begehren müßt Wenn ich von Neuem Minister werden soll Wird Eure Majestät mir nicht gewähren. LUDWIG. Verlangt - bestimmt - ich bin bereit zu allem.)
I. Text
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Von meinen Schultern, und der Priester darf Der Christ, in ungestörter Andacht, stillem Gebet, den Ruf des Herrn erwarten. LUDWIG. Noch ist hienieden Euer Werk nicht aus. RICHELIEU. Vollenden wird es Eure Majestät. LUDWIG. Mit Waffen Hülfe? Ο mein König spottet! LUDWIG. Ich kann's nicht ohne Euch. RICHELIEU. {Nicht ohne mich?} (Ich bin ersetzt.) {Bedürft Ihr meiner Sire? Bin ich im Staatsrat Durch jüng're Kräfte glänzend nicht ersetzt? Bin ich's nicht} (Im Rath, und) in der Führung Deiner nie Besiegten Heere ... L U D W I G bitter. Niebesiegten - Eins RICHELIEU.
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Von meinen niebesiegten Heeren ward Geschlagen bei Hennecourt RICHELIEU. Geschlagen?! - Sire Ihr tödtet mich! LUDWIG. Ihr staunt? ... {Ihr wußtet nicht...} {RICHELIEU. In d i e s e m Augenblick! Gerade jetzt. Das ist ein furchtbar treffendes Verhängniß. LUDWIG. Was soll ich thun - wie soll ich ihm begegnen Ο redet! Helft! RICHELIEU. Ich kann nicht helfen Herr. Ich kann nichts mehr als Euch beweinen, Sire. Doch es geschiet mit blut'gen, blut'gen Thaten. Wie zu sich selbst redend. Das sind die Folgen des Traktats mit Spanien. LUDWIG. Ich hab's gedacht - dann wieder d'ran gezweifelt, RICHELIEU wie oben. Wir unterliegen nicht der Macht des Feinds. Jetzt wird mir Alles klar - so liegt's Dereig'nen Ohnmacht unterliegen wir zusammen.} (RICHELIEU. Gerade jetzt! Das sind die Folgen von Cinq-Mars' Traktat! LUDWIG. Verkauft wie er? Cinq-Mars? Viel eher Spanien an ihn, als er An Spanien! Ihr irrt. - Es ist noch Rettung. RICHELIEU. Der Himmel sende sie. Ich werde, Sire, Zum Himmel darum beten. LUDWIG. Beten! Beten! Viel besser wär's zu rathen und zu handeln.) RICHELIEU. Mein grosser König - h ä t t ' ich zu be feien LUDWIG. Befeit! - {in meinem Namen bitt' ich Euch} (ich bitte und ich will!)
Richelieu's Ende
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{Befehlt.} RICHELIEU. {Ihr habt gesprochen Sire.} (Und ich gehorche - ) Er schellt. Offizier kommt. {Der} Graf Cinq-Mars und Herr De Thou. Offizier ab. LUDWIG. Cinq-Mars? (Nicht doch - ) - Ich kann ihn jetzt nicht sehn - {nicht jetzt - } RICHELIEU. Wohlan - Will schellen. LUDWIG ihn daran hindernd. Was wollt Ihr thun? RICHELIEU. Nichts mehr! Bei(m ew'gen) Gott! Ich bin es müd - gefragt zu werden um - Gefragt zu werden - nicht um Antwort zu Erteilen. Müd zu hören: "Gebt Befehl!" Und gab' ich ihn, sollt's gerade der {Befel} nicht sein. Ihr hattet mich entlassen Majestät ... LUDWIG beschwichtigend. Nicht so! nicht so! Wir brauchen Eure Dienste RICHELIEU. Wenn ich denn bleiben soll, so bleibt befolen Was ich befolen habe. {LUDWIG. JagewißRLCHELIEU. Und Graf Cinq-Mars soll kommen?} LUDWIG resignirt. {Er soll kommen.} (Es bleibt befohlen.)
Vierter Auftritt VORIGE. CINQ-MARS, DE THOU treten ein und bleiben an der Thüre, sich verneigend stehn.
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RICHELIEU. Kommt näher. CINQ-MARS zum König. Eure Majestät {befielt} (gebietet)? LUDWIG verlegen. Ei! Ei! Monsieur le Grand, was muß ich von Euch hören? CINQ-MARS. Sire? {Von mir? Durch wen? LUDWIG. Cinq-Mars... RICHELIEU. Rechtfertigt Euch, Ihr steht vor Eurem Richter Ein Angeklagter. CINQ-MARS.
Ein Verurteilter.}
(RICHELIEU zu Cinq-Mars. Rechtfertigt Euch. Ihr steht Vor Eurem Richter Herr. Ein Angeklagter.) CINQ-MARS. Wenn Eure Eminenz mein Richter ist - ein Verurteilter. RICHELIEU. SO gut kennt Ihr die Grösse Eurer Schuld?
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I. Text CINQ-MARS. SO gut kenn' ich die Grösse Eurer - Strenge. RICHELIEU. ES gibt Verbrechen die der mitbegeht Der anders sie als unbarmherzig straft. Das Eure ist ein solches. CINQ-MARS. 5
RICHELIEU.
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Eminenz! ...
hält ihm den Traktat entgegen. Kennt Ihr die Schrift? C I N Q - M A R S macht einige Schritte gegen Richelieu und nimmt den Traktat aus seiner Hand. Gerechter Gott! RICHELIEU
Er ist's!
Er ist gerecht! LUDWIG. Cinq-Mars bei meinen Feinden? Cinq-Mars ein Hochverräter? CINQ-MARS. Ich bin's nicht! Mein Herr und König überzeuge Dich, In jeder Zeile, jedem Worte lies Die stets erneuten Schwüre uns'rer Treue! Wenn ich Dir schuldig scheine, wenn ich's bin, Bin ich, bei'm Himmel es nicht gegen Dich! Dein fürstlich Haupt ist heilig mir, für jedes, Das kleinste Deiner königlichen Rechte, Gab' ich mein Blut und opferte mein Leben! RICHELIEU. Wie viel der Worte, und wie unnütz {alle} (jedes)! {Sie überschreit die schweigende - die Tat - } (Es schweigt die That und überschreit sie alle.) Ihr seid verbündet mit den Feinden Frankreich's. CINQ-MARS. Nicht gegen meinen Herrn! RICHELIEU. Fürwahr Ihr sündigt. Zu sehr auf seine königliche Langmut. Bedenkt vor wem Ihr steht, und wen Ihr täuscht. Wen Ihr zu täuschen sucht, denn daß Euch's nicht Gelingt, steht ausser Zweifel mir. Ich kenn Die hohe Einsicht Ludwig's des Gerechten. CINQ-MARS. Nicht besser Eminenz, als ich. RICHELIEU.
{Als Ihr -
Der} (Indem Ihr) spr{i}(e)cht, gleich einem Kind zu Kindern. {CINQ-MARS.
ruft fremde Truppen Ihr in's Land? Was ist der Zweck von Eurer Verschwörung? CINQ-MARS. Ihr wollt es hören? Gut - so will ich's sagen. Der Zweck meiner Verschwörung Eminenz, War Euer Sturz, war Eurer Macht Vernichtung! D E T H O U tritt vor und erfaßt Cinq-Mars' Arm. Cinq-Mars! RICHELIEU. WOZU
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Herzog!}
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5
Richelieu's Ende RICHELIEU ZU De Thou. Zurück! Laßt reden ihn, und mich. Laßt hören. Zu Cinq-Mars. "Meiner Macht Vernichtung?" - nun Fürwahr - nur das habt Ihr gewollt? - nicht mehr? Zum König. Und - Du schweigst? Nun - dann LUDWIG angstvoll. Was willst Du thun? CINQ-MARS.
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Nicht das w o vor
Du zitterst ... Zitterst. Ja! ... Ο sei getrost. Sich zu Richelieu Nicht wahr Herr Cardinal, wenn je der König Sich schwer und bitter über Euch beklagt, Euch seinen Feind und seinen Freund genannt Der ihn von Eurer Tyrannei befreite, Dann würde zum Verdienste meine Schuld, Dann wäre ich ein Held und kein Verräter? RICHELIEU. Ihr habt's gesagt. LUDWIG ZU Cinq-Mars. Unseliger - hinweg! Aus meinen Augen! RICHELIEU. Sire - Verzeihung, laßt
wendend.
Uns hören, wessen noch er sich erfrecht? Ob er's nicht wagt sein himmelschreiend Unrecht Euch zuzuwälzen, frevelnd und vermessen. CINQ-MARS. Und wenn ich's thäte, welche Lust für Euch! Welch ein Triumpf dem König sagen dürfen: "Das ist der Mann auf welchen Du vertraut, Der jede Regung Deiner Seele kannte! Zu schwer wog Dein Geheimniß für dies Herz. Die Stunde der Gefahr entreißt es ihm!" Wie schad' Herr Cardinal daß diesen Sieg Ich Euch entreissen muß, denn, hört, mein Wort: Der König ahnte nichts von meinem Plan, Ich handelte aus eig'nem, freien Antrieb, Und ganz allein steh ich für meine That. RICHELIEU auf De Thou zeigend. Und dieser hier? CINQ-MARS. Ist ohne Schuld, ich schwör'S! RICHELIEU ZU De Thou. Ihr habt um die Verschwörung nicht gewußt? CINQ-MARS. E r h a t . . .
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26-27
RICHELIEU wie oben. Führt Euer Freund für Euch das Wort? Und seid Ihr stumm? DE THOU. Rief man mich vor Gericht?
(Wie schad Herr Cardinal daß Ihr zu früh / Auf diesen Sieg Euch freutet:} ndZ ohne Tilgung.
hinzugefügt;
I. Text
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Ist dieses ein Verhör? RICHELIEU. Kein ordentliches. Doch steht ein solches nahe Euch bevor. Er schellt. Offizier von der Garde tritt ein. Ihr seid gefangen. Liefert Eure Degen. D E THOU gehorcht. C I N Q - M A R S leise zu ihm, ihn bei'm Arm festhaltend. Halt' ein! — Ο - wenn man denken könnt' dies sei Kein Spiel das hier sie mit uns treiben - wenn Der König - Nein! - ich zwing' ihn treu zu sein! — RICHELIEU. Was flüstert Ihr und zögert? CINQ-MARS. E m i n e n z !
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DETHOU ihm ins Wort fallend. {Zögern. Nein.} Hier ist mein Degen. LUDWIG ZU Cinq-Mars. Gib den Deinen mir, Ich will ihn Dir bewahren und nicht nehmen. CINQ-MARS. Noch klebt daran, für Dich vergoßnes Blut. Und eine Hand entwaffnest selber Du {Die Deinen Banner hochtrug in der Schlacht, Die für die Sache ihres Königs kämpfte} (Die Deine gute Sache führen wollte) So lang ein Pulsschlag feurig in ihr bebte. LUDWIG. Nicht lange hält Dich, hoff ich, das Gefängniß. CINQ-MARS. Ο Sire man kennt doch die Gefängnisse Des Cardinal Ministers. Komm De Thou Du theiltest nicht die Schuld, und theilst die Strafe! RICHELIEU. Wägt Eure Worte! {Ungeheuer ist Die Schuld die wir zu strafen haben. Nehmt Nicht ihre Last auf Euch allein. Sie ist} (Nehmt die ganze Schuld Vermessen nicht auf Euch allein! Sie ist) Zu drückend für ein einzig Haupt. Ihr seid Gewöhnt das Eure hoch zu tragen Sie könnt es beugen - beugen bis zum Block. CINQ-MARS. Das steht bei'm König! Er allein verdammt Und ihm allein nur unterwerf' ich mich! Offizier mit Cinq-Mars und De Thou ab.
Richelieu 's Ende
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Fünfter Auftritt D E R KÖNIG. RICHELIEU.
RICHELIEU. Das Schwerste ist gethan.
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LUDWIG. Was denkt Ihr Herzog? Wie diese Beiden, lassen sich der Prinz Von Orleans nicht fangen, und Bouillon. RICHELIEU. Dein Bruder Sire, steht ausser dem Gesetze Er steht als Prinz, hoch über meiner Rache Und als Charakter, unter ihr. Verzeih Doch von Bouillon, begehr' ich Rechenschaft. LUDWIG. Holt ihn, daß er sie gebe, erst hierher! Holt ihn inmitten seines guten Heers, Aus der Armee die göttlich ihn verehrt, Die er in Welschland führt von Sieg zu Sieg. Versucht's, und holt ihn! RICHELIEU. Sire, das ist mein Wille. Er schellt, Chavigny kommt. Zu ihm. Ihr schreibt, und Ihr laßt schreiben Chavigny, An alle höhern Offiziere der Ital'schen Armee, die Boten alle, Und alle Briefe an Marschall Bouillon Sind aufzufangen, und an uns zu senden. Zugleich auch werde in Casale, wo Wenn ich nicht irre, er sich jetzt befindet, Bekannt gemacht: Der Herzog hab' die Stadt Verkauft an Spanien. {LUDWIG. Wozu denn das? RICHELIEU ZU Chavigny. Ihr habt verstanden? Geht! Chavigny ab. Richelieu zum König.} RICHELIEU. Das schafft uns zwei Gewaltige Verbündete: Den Haß Und Rachedurst des Pöbels. LUDWIG. An dies Märchen Wird er nicht glauben. RICHELIEU. {Doch mein König! Doch!} (Seid ganz ruhig, Sire.) Der Pöbel glaubt nichts l e i c h t e r als das Schlechte, Und l i e b e r nichts als Schlechtes von den Grossen. Der Herzog von Bouillon ist ein Verlorner, Wenn Ihr an ihm nicht Gnade üben wollt, Was mich betrifft - ich könnte ihm verzeihn.
1. Text
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io
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LUDWIG. Verzeihn? In Eurem Mund, ein seltsam Wort. RICHELIEU. WO Milde Klugheit, laß ich stets sie walten. Sein L e b e n nützt dem Staate, nicht sein Tod. Er lebe denn. Doch Einer ist, dem Untergang, In seiner Fülle, seiner Jugend Kraft, Bestimmt erscheint durch ewige Gesetze Es ist Cinq-Mars. Und er muß sterben, Sire. LUDWIG. Er muß?! ... Nein! Nein! RICHELIEU. Ich ford're Sire, sein Haupt. LUDWIG. Warum das seine, und warum n u r sein's? RICHELIEU. W a r u m ?
LUDWIG. Er ist nicht schuld'ger als Bouillon ... RICHELIEU ergreift den Arm des König's. Warum?! ο König tritt vor einen Spiegel Und sieh Dein todtenbleiches Angesicht. Warum Dein Günstling sterben muß, steht d'rauf Geschrieben ... LUDWIG. Richelieu! RICHELIEU. Cinq-Mars muß sterben Weil König Ludwig, sein Monarch, Mitwisser Und Helfer seiner That, und dies Geheimniß Im Grabe ruhn, und ewig schlafen soll. LUDWIG. Ich geb's nicht zu, bei meiner Fürstenehre! RICHELIEU. Er oder ich. Das Wort das ihn begnadigt, Reißt mich von Dir für alle Zeiten los. Hier schwör' ich einen feierlichen Eid: Wenn Cinq-Mars lebt, zum Zeugniß Deiner Schmach, Und Deines Treubruchs, Herr und Fürst, an mir, Dann ruft Dein Flehn nie wieder mich zurück Und sah' ich Dich am Rand des Abgrunds stehn, Und könnt ein Wort aus meinem Mund Dich retten, Ich sprach' es nicht! LUDWIG. Entsetzlich! ... Richelieu. RICHELIEU. Ich hab's geschworen. LUDWIG . Gnade für Cinq-Mars! RICHELIEU. Gewähre sie! erhalte Dir in ihm Ein redend Beispiel Deiner Schuld und Schande, Sein Anblick rufe Allen in's Gedächtniß, Was er gethan, was schweigend Du gebilligt, Erfahrung wie Du m e i η e Dienste lohntest, Sie schrecke Jeden der Dir dienen will ... LUDWIG. Habt Ihr allein ein Recht auf meine Treue?
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Richelieu 's Ende Und hat Cinq-Mars denn keins? RICHELIEU. Dem mehr Du dankst, Dem halte fest're Treu! Den laut Du ehrst, Verrat' nicht in der Stille! Ward ich Dir Verhaßt, mißbraucht' ich die Gewalt, so strafe, Erklär mich vogelfrei - Du bist der König! Doch öffentlich mich hoch und herrlich stellen, Und insgeheim ausliefern meinen Feinden Das ist empörend Sire, es ist - verächtlich! LUDWIG. Genug bei Gott! Ihr mahnt zur rechten Zeit An meine Würde mich und meine Macht. Ich bin der König, und ich will es zeigen. RICHELIEU. DU hast gewält - regiere denn allein. Er schellt. Chavigny kommt. Dies ist die Zeit der Ankunft {uns'rer Boten} (der Courier). CHAVIGNY. Sie warten Eminenz. RICHELIEU. Der König will Geruhn sie zu empfangen. Uns're Briefe? CHAVIGNY. {Hier Eminenz. Vom Herzog Orleans.} Aus England, Portugal, aus den Provinzen, Aus Deutschland und ... RICHELIEU. Der König will geruhn Sie zu eröffnen. CHAVIGNY übergiebt dem König ein Packet Schriften. Sire RICHELIEU im Hinaustreten. Man hole die Befehle Seiner Majestät. Richelieu ab mit Chavigny.
Sechster Auftritt LUDWIG
allein.
tritt an einen grossen, mit Schriften und Portefeuille 's bedeckten Tisch, eröffnet einige Portefeuille's, legt sie wieder weg. Setzt sich, den Kopf auf die Hand gestützt. Allein! ... Nimmt einen der ihm von Chavigny übergebenen Briefe. Die Aufschrift betrachtend. Höchst dringend. Eröffnet den Brief. Chiffern Einen Brief nach dem andern eröffnend. Wieder Chiffern - lauter Mir unbekannte Zeichen, und: höchst dringend? Er schellt. Chavigny kommt. LUDWIG reicht ihm den ersten Brief. Erledigt das. LUDWIG
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I. Text
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CHAVIGNY. In welchem Sinne Sire? LUDWIG. Laßt mich's bedenken. Gebt - doch nein! lest selbst... Ich bin nicht im - Entziffern sehr gewandt. CHAVIGNY. Die Führer Majestät, Deiner Partei In Catalonien ... LUDWIG. Hab' ich denn eine Partei in Catalonien? C H A V I G N Y erstaunt. Mein König? ... L U D W I G verlegen. Fahrt fort - was wollen diese - Führer meiner Partei? CHAVIGNY. Sie fordern neue Unterstützung. Der König Don Juan von Portugal Gewährt dem Aufruhr seinen vollen Beistand. LUDWIG. D a s ist abscheulich! CHAVIGNY.
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Wie?
LUDWIG. Ihr findet nicht? CHAVIGNY. Wir thun dasselbe Sire. LUDWIG. Nicht mehr! von heut an. Ich will mich mit Rebellen nicht verbünden. CHAVIGNY. So überlassen wir's dem König Juan, Ihr Schützer jetzt, dereinst ihr Herr zu sein? Indessen Du ... LUDWIG. Ich werd' es überlegen. CHAVIGNY. Verzeihung Sire - Gefahr ist im Verzug - Dringend. Was ist der Wille Eurer Majestät? LUDWIG. Vor Allem - nichts zu übereilen. CHAVIGNY.
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Nichts zu versäumen. LUDWIG.
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Laßt mich jetzt.
Ο Sire Ich bitte dringend ... L U D W I G . Laßt mich, sag' ich Euch! Chavigny ab. Desnoyers kommt. DESNOYERS. Darf ich den König um Befehle bitten. In Sachen Englands? LUDWIG. Desnoyers - seid Ihr's? Ich grüsse Euch - wie geht es Eurem Sohn? Plötzlich lebhaft. Der beste Schütz' im Land - bei St. Hubertus! DESNOYERS. Ich danke unterthänigst Majestät, Mein Sohn ist wohl. - Von England Sire, wird uns Gemeldet LUDWIG. Immer bleibt Tresor, der Schweißhund Den er mir auferzog, die Perle, CHAVIGNY.
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Und
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Richelieu 's Ende Die unschätzbare, meiner Meute DESNOYERS.
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Sire
Darf ich von England reden? LUDWIG. Was gibt's dort? Ist Cromwell endlich aufgeknüpft? der Rundkopf, Der Hund - Was sag' ich da? Verzeih - Tresor! DESNOYERS. Nicht sicher mehr in London, nahm in York Der König seine Residenz LUDWIG. In York? DESNOYERS. Die Königin, Deine Schwester, floh nach Holland, Und ruft von dorther {Dich um} (Deine) Hülfe an ... LUDWIG. Ich sende sie! DESNOYERS. Ob sie auch reichen wird Die Hülfe die wir leisten können, Sire? Das Parlament stellt zwanzigtausend Mann Den König zu bekämpfen in das Feld, Indessen seinem Heer, zur gleichen Anzahl Beinah die Hälfte fehlt. LUDWIG. Doch wohlgeschult Sind seine Truppen, kriegserfahren, tüchtig, Und nur Gesindel dient dem Parlament. DESNOYERS. Und dennoch Sire, wird Stuart unterliegen, Denn Weisheit fehlt im Rath dieses Monarchen, Die jungen Brauseköpf' die ihn umgeben, Sie reissen ihn nur tiefer in's Verderben. Ja lebte Strafford, sein Minister noch, Es stünde anders! - Doch er ward geopfert, Und mit ihm starb das Königthum in England. LUDWIG. Das ist die Meinung Richelieus! DESNOYERS.
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Noch nie getäuscht. LUDWIG mit Ungeduld. DESNOYERS.
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Der sich
Ich bitte Euch! So wünscht
Denn Eure Majestät... LUDWIG. Ich wünsche Herr Daß man nach England Geld und Truppen sende. DESNOYERS. Und welche Sire? LUDWIG. Entbehrlich dünken mir Bei Perpignan die Regimenter Montglas Du Pont - DESNOYERS. Auch sind sie auf dem Wege schon Nach der Champagne wohin Grammont ...
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I. Text LUDWIG.
SO s c h i c k t
Denn and're! DESNOYERS .
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W e 1c h e
DESNOYERS.
SO ist verneinend der
Bescheid an England? LUDWIG. DESNOYERS.
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Sire?
LUDWIG. Fragt Richelieu! Doch nein! ... Ich werde selbst bestimmen. Ich! DESNOYERS. Wir haben vier Armeen unter Waffen, Und schwerlich dürfte ... LUDWIG. Was? DESNOYERS. Und schwerlich dürft' Es möglich sein ... LUDWIG. Noch eine aufzustellen! Ο freilich, Ja! ...
Wartet noch. Ο Herr - :
Entscheidung! Besser ist für König Carl Ein rasches Nein, als ein verzögert Ja. LUDWIG. Schon gut! Ihr drängt zu sehr! DESNOYERS. Nicht ich - doch die Ereignißvolle Zeit... LUDWIG. Geht Desnoyers. Laßt diese Schriften hier. Desnoyers ab. Ludwig eröffnet das Portefeuille, und durchfliegt einige der darin enthaltenen Schriften. "Bericht aus Schottland" ... So trostlos steht's? - allüberall Verrath! Notizen - Ja! von Richelieu: "Nichts wagen An eine ganz verlorne Sache. Hülfe Verweigern ..." Wirft das Portefeuille auf den Tisch. Und ich wollte helfen! Thorheit! ... Chavigny kommt und überreicht dem König einen Brief. LUDWIG. Was giebt es wieder? CHAVIGNY. Einen Brief vom Herzog Gaston von Orleans. Ab. LUDWIG. An Richelieu. "Mein Vetter! Der Graf Cinq-Mars {ist} (ward) Der schuldigste Mensch (der Menschen) {auf Erden}, als er Euer Mißfallen auf sich zog. Ich geb ihn auf Und bitte um Eure Nachsicht. Ich nehme Gott Zum Zeugen meiner Reue, und meiner Freundschaft für Euch." Der Heuchler! ... Fleht um Gnade - aber nicht
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Richelieu 's Ende Zu mir, er fleht zum Cardinal, der hat Die Macht! Der ist der Herr, und wahrlich - Er Regiert! {KANZLER} (EIN SECRETAIRE)
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CHAVIGNY.
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kommt.
Courier aus Deutschland Sire. LUDWIG. Schon Recht. Secretaire legt Depeschen auf den Tisch, und geht. Berathungen zu Lübeck und zu Köln Friedensverhandlungen in Hamburg - Frieden? Will Richelieu mit Deutschland Frieden machen? Das ist mir neu ... Ο Gott - ist's denn nicht Alles? {Ich stehe klein in dieser grossen Zeit Nicht wissend was ich will - am Wenigsten was Ich soll?} CHAVIGNY kommt. Ist Eure Majestät entschieden? Und darf... LUDWIG. Hab' ich gerufen? Sire-
LUDWIG. Ich hätt's Gethan, wenn Eurer ich bedurft. Chavigny ab. Ludwig ein Portefeuille nach dem andern eröffnend. Find ich Nicht einen Anhaltspunkt, worauf ich fusse? ... Wie ist das alles dunkel, kurz gefaßt Wer kennt sich aus in diesem Labyrinth Den {Meister} (Einen) ausgenommen der's erschuf?! EIN SECRETAIRE legt Depeschen auf den Tisch. Aus den Provinzen schlimme Botschaft Sire Die Normandie, das treulose Guyenne, Im Zustande halb offener Empörung. Von Neuem unruhvolle Gährung Im Languedoc. LUDWIG. Dem Hugenottennest! Secretaire ab. Verlangst Du Hülfe, Stuart, noch von mir?! Ich blute sieh! aus allen Adern selbst! Schließt m e i n e Wunden erst - wohin ich blicke Bricht eine neue auf. Entsetzens voll! {Des Arztes brauch ich, der sie heilen kann.} Verhaßter Richelieu - ich brauche Dich! ... Wie Binden fällt's von meinem Aug {Ich seh mich ganz - in meiner winz'gen Kleinheit.} Seh mich ganz - ich fühl's: Ich kann nicht herrschen!
I. Text
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Was riefst Du mich ο Gott auf einen Thron Und gabst mir nicht die Seele eines König's? Cinq-Mars! Cinq-Mars Du wolltest für mich sterben? Für Frankreich stirb! das Richelieu's bedarf! ... Er will nach der Glocke greifen, fährt bei der Berührung derselben zusammen, und schleudert sie zu Boden. Elender der ich bin! Verbirgt sein Gesicht. Nach einer Pause. Doch muß es sein ... Ich kann nicht herrschen ... Mich schuf der Herr Dazu nicht groß, und auch nicht bös genug Nicht mich verfluche - ο Cinq-Mars! nicht mich! Verwünsche I h n dem Du zum Opfer fällst Er trägt allein der Herrschaft Glorie, So trag' er ihre Flüche auch allein! - Will aufstehn - wankt. Der Boden wankt ... Ich stürze. Fast schreiend. Richelieu! DESNOYERS bei'm Rufe des Königs hereinstürzend. Mein König ... Erschreckend bei seinem Anblick. Gott - was ist LUDWIG. Ruft Richelieu. DESNOYERS. Nicht auch den Arzt - Ο Du bist krank mein König LUDWIG. Was liegt daran? - Gehorcht. DESNOYERS.
Sogleich - Ab.
LUDWIG.
Nicht mir
Cinq-Mars! Dem Vaterlande bring ich Dich Zum Opfer!
Siebenter Auftritt RICHELIEU. LUDWIG.
RICHELIEU. Du rufst? Was forderst Du von mir? LUDWIG. Regiert!
RICHELIEU. DU lieferst mir Cinq-Mars? LUDWIG.
Regiert!
RICHELIEU. SO unterschreibe. LUDWIG. W a s ?
RICHELIEU lesend. An meinen Kanzler, Pierre Seguier. Ich erkläre hiermit: Was auch Heinrich Effiat, Graf von Cinq-Mars vor seinen Richtern, oder auf der Folter, LUDWIG mit einem Schrei. Auf der Folter?!
Richelieu's Ende
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RICHELIEU. Oder auf der Folter gegen mich und meine Gesinnungen für meinen lieben Vetter den Cardinal von Richelieu aussagen mag, für erlogen und erheuchelt. LUDWIG. D a s soll ich u n t e r s c h r e i b e n ? RICHELIEU.
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Deine Ehre
Begehrt's. Ο - meine Ehre?! {Für ihren Schein geb' ich ihr Wesen hin.} Ihr treu zu scheinen - hör' ich's auf zu sein! Er unterschreibt. RICHELIEU zieht ein neues Blatt hervor. Und ferner LUDWIG.
LUDWIG. Ist k e i n T o d e s u r t e i l d a ?
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Von jenen eines, die zum Himmel schrei'n? Benützt den Augenblick - heut zögr' ich nicht. Nachdem ich diesen Frevel unterschrieb Ist jeder and're blosse Spielerei! RICHELIEU. Kein Urteil Sire - ein Dokument des Inhalt's: "Wenn der König künftig den Cardinal besucht, bleiben die Wachen des Cardinais unter Waffen. Und wenn der Cardinal den König besucht, beziehn seine Garden, mit den königlichen zugleich die Wachen." L U D W I G . SO sehr mißtraut Ihr mir? RICHELIEU.
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LUDWIG.
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Ja Sire! Ich brauche
Für meine Sicherheit, von heut an, Bürgen. L U D W I G . E S sei. Er unterschreibt. RICHELIEU zieht ein neues Blatt hervor. Und ferner Cardinal! was noch?
RICHELIEU. "Ich verpflichte mich, die beiden Prinzen, meine Söhne, dem Herzog Cardinal zu übergeben, als Pfänder und Geiseln, meines Vertrauens und meiner Freundschaft." L U D W I G springt auf. Das nie! RICHELIEU. Wie Eure Majestät befielt. Er macht Miene zu gehen. L U D W I G . Entsetzlicher! Erst rissest Du die Mutter Von meiner Seite, dann den Freund, und jetzt Auch meine Kinder?! RICHELIEU. Sire, ich brauche Bürgen Für meine Sicherheit. LUDWIG. So nimm sie denn! Unterschreibt. Doch ford're jetzt nichts mehr von Einem, der Nichts mehr zu geben hat. RICHELIEU. Und doch - noch Eins! Er schellt, Chavigny erscheint an der Thüre, Richelieu macht ihm ein Zeichen. Chavigny ab. LUDWIG. N i c h t s m e h r !
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I. Text Das Köstlichste Ein sichtbar Zeichen Deiner Gnade.
RICHELIEU.
Mensch! ... RICHELIEU während die Flügelthüren im Hintergrunde geöffnet werden, und die Suite Ludwigs und des Cardinais so wie Pagen mit Garde an der Schwelle erscheinen. Umarme mich, vor Deinem ganzen Hof. LUDWIG in fiirchterlichem Kampfe. So öffne ich die Arme, und so drück' ich Die eig'ne {Schande} (Ohnmacht) drück' ich an mein Herz. {Cinq-Mars durch diesen Kuß bist Du gerächt.} Er umarmt Richelieu. Der letzte Rest vom Glauben an mich selbst Er starb in diesem Kuß. {Herzog} (Cinq-Mars)! Du bist ... Gerächt .... Hinweg! ... Ο - meine - Sinne schwinden - Er wankt. Richelieu unterstützt und führt ihn, in der Mitte des Saales angelangt, bleibt Ludwig stehn, und macht dem Cardinal ein Zeichen voraus zu gehn. Geht Ihr voraus - Ihr seid {ja doch} ( - nicht ich - ) der König! RICHELIEU nimmt einem der Pagen die Fackel aus der Hand. Wenn ich voraus geh, Majestät, kann's nur Im Amt Deines geringsten Dieners sein. Er trägt dem König die Fackel voran, dieser folgt, mit dem Hofe. LUDWIG.
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2.
Richelieu
(Η2)
Richelieu Trauerspiel in fünf Aufzügen
Richelieu
630
[PERSONEN LUDWIG X I I I . ANNA VON OESTREICH MARIA VON GONZAGA RICHELIEU MAZARIN DETHOU CINQ-MARS FONTRAILLES CHAVIGNY LAUBARDEMONT DESNOYERS FAVERT SCHÖMBERG MONTRESOR COISLIN BEAUFORT, Offizier
von der königlichen
Garde
LOCMARIA, Offizier
von der königlichen
Garde]
Erster Aufzug Lager vor Perpignan. Eine Abtheilung des königlichen Zelts. Die Vorhänge im Hintergrunde geschlossen, sind an den Seiten zurückgeschlagen, und lassen die Eingänge in breite Gallerten erblicken, deren Wände durch gespannte Stoffe gebildet werden.
Erster Auftritt D E THOU { u n d } (aus der rechten)
LOCMARIA {kommen
aus der
linken
Gallerie} (aus der linken Gallerie kommend, begegnen einander.) DE THOU. Der Lärm nimmt zu. LOCMARIA. Der Aufruhr steigert sich. Tritt an die Vorhänge im Hintergrund und sieht hinaus. Schon sind im Kampfe alle Regimenter. D E THOU. D i e R a s e n d e n !
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1-
LOCMARIA. Im Angesicht des Feinds Liegt die Armee sich selber in den Haaren. DE THOU. Ein schönes Schauspiel für die Spanier! LOCMARIA. In Perpignan wird heut ein Fest gefeiert. DE THOU. Unselige Parteienleidenschaft! So grossen Dienst als sie dem Feind erweist, Verdankte er dem eig'nen Kriegsglück nie. LOCMARIA. ZU lange gährt die Wut in den Gemüthern, Mich wundert nicht daß sie zum Ausbruch kommt. DE THOU. Euch wundert's nicht, und Euch - verdriest's wohl nicht? LOCMARIA. Je nun mein Schatz, Euch darf man's anvertraun, Dem Anhang Richelieu's vergönnt man Schläge, Die guten Bursche sind zu unverschämt.
In einer Spalte links zu Beginn des ersten Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (LOCMARIA. De Thou! Kommt Ihr vom König? DE THOU. Eben Entliess er mich. LOCMARIA. In Gnaden? DE THOU. Sicherlich. Was soll die Frage? LOCMARIA. Nun ich meine nur. Man kann nicht immer wissen und nicht Jeden Dem gestern ward ein huldvoll: "Gute Nacht" Wird heut ein huldvoll "Guten Morgen" griissen. DE THOU. Wenn ich es bin von dem Ihr sprechen wollt. So sag ich d'rauf: Gottlob dass ich's nur bin.)
Richelieu
632
viel ich weiß glänzt auch des Königs Anhang, Nicht übermässig durch Verträglichkeit. LOCMARIA. E S muß so sein, sonst gäb' es keinen Streit. Da kommt Beaufort. Beaufort rasch durch die Mitte. BEAUFORT. Sie raufen wie die Teufel! Die Holl' ist los im Lager sag' ich Euch. Draussen wildes Geschrei, das bereits zu Anfang des Auftritt's laut geworden, und mit Unterbrechungen, bis zu Ende desselben, und Mitte des nächsten fortdauert. Stimmen draussen. "Hoch der König! hoch!" LOCMARIA. Das sind die Uns'ren! Stimmen draussen. "Hoch der Cardinal! hoch Richelieu!" LOCMARIA. Und das sind - die Andern! BEAUFORT. Verderben über sie! ... Ο wär' ich König Für einen Tag, für eine Stunde nur! DE THOU. Zu lange! - Ihr verzeiht? BEAUFORT. Ich wollt' auch mit Minuten mich begnügen, wollte nur So lange Ludwig sein, als Zeit man braucht Um "Ludwig" aufzuschreiben. LOCMARIA. Und den Namen Den setztet Ihr - ob ich's errathen? BEAUFORT. Unter Das Todesurtheil Herzog Richelieu's. LOCMARIA lacht laut auf. Ruft einen Arzt das arme Kind hat Fieber! DETHOU. Euch reut noch dies Geschwätz, so thöricht, wie Gefährlich. BEAUFORT. Pah! wir sind nicht in Paris. Des Zeltes Wände haben keine Ohren. Hier wenigstens umschleicht uns kein Spion Des Cardinais. Die seine Freunde sind D E THOU. SO
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Die schrei'n es laut, hört Ihr's? in alle Luft, Man weiß doch gleich wen man verachten soll. DETHOU. Wenn Ihr Euch liebt so schweigt. BEAUFORT.
Ein Jeder mag es hören. Einer nicht! Beaufort, der König nicht. BEAUFORT. Ach weil Ihr meint Er trüg' es dem Minister wieder zu? Bei meinem Leben! nimmer fürcht' ich das. Der Cardinal läßt horchen, und erzält, DETHOU.
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W a s ich sprach
I.
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633
Text
Was seine Späher an der Thür erlauscht, Das hätt' der König ihm in's Ohr gesagt Ich aber schwör's, zu so gemeinem Thun Erniedrigte der edle Fürst sich nie ... DE THOU. Ich bitte Euch BEAUFORT. Ihr kennt ihn nicht! mich selbst Mich däucht (dünkt), ich sah zum ersten Mal ihn gestern Da ich im Kugelregen ihn gesehn. Er ist ein Held! Coislin dankt ihm das Leben Ein göttlich Beispiel dankt ihm unser Heer. Ich hab' von jeher innig ihn geliebt. Seit gestern macht mich's stolz daß ich ihn liebe! LOCMARIA. Wem fällt's dann ein ihm Kühnheit abzusprechen? Er ist Johanna's Enkel, Heinrich's Sohn, Der Mut, dank Ihnen, liegt ihm schon im Blut. DE THOU. Ja ja, zu Pferd, an eines Heeres Spitze Im Pul verdampf und im Gewühl der Schlacht, Die Faust am Schwert, da ist der König - König! BEAUFORT. Und sonst? Ihr schweigt? Heftig. Und sonst? LOCMARIA. Hierher Beaufort! Das junge Fußvolk übermannt die alten Dragoner seiner Eminenz! BEAUFORT.
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Triumpf!
DE THOU. Seid Ihr verrückt? aus diesem schnöden Kampf Ist kein Triumpf zu holen. LOCMARIA. Wahrlich nein, Nennt man nicht so den graden Weg zum Galgen. BEAUFORT. Das ist am Ende wahr, und dennoch seht, Ich gäbe einen Sturm, gäb' eine Schlacht Für diese Prügelei! ... Ich wollte sterben Dürft' ich vorher dem Hundevolk, das sein Verdammtes "Hoch" ausbringt dem Cardinal, Die feilen Zungen aus den Hälsen reissen! DE THOU. Der König!
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(dünkt) üdZ, eingewiesen
über däucht; ohne
Tilgung.
Richelieu
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Zweiter Auftritt VORIGE. LUDWIG. FAVERT. COISLIN, aus der rechten
5
LUDWIG. Kein Ende nimmt's. Von Schömberg keine Kunde ... Das ganze Lager meuterisch erhoben ... Ο welch ein Tag De Thou! - Ich wußt' es längst Zu Grund geht alles, alles ist verloren! DE THOU. Noch nichts mein hoher Herr LUDWIG. Favert - Coislin Gebt einen Rat - schafft Hülfe COISLIN.
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Sire -
LUDWIG. Schafft Hülfe! ... Nach einer Pause während welcher der Lärm draussen zunimmt. Ich bin ein milder König, lohnt man mir's? Sie werden mich im Grab erst schätzen lernen, In das ihr Undank vor der Zeit mich stürzt! Das Geschrei "Hoch Richelieu!" lauter und näher. Nur zu! nur zu! es leb' der grosse Mann! Hoch Richelieu und nieder mit dem König! FAVERT. Die Worte Sire, sprach jetzt der Einzige Der's überleben darf daß er sie sprach. LUDWIG unruhig auf und ab gehend zu Locmaria. Wie steht's? LOCMARIA. Nicht gut, sie sind hart aneinander. Umsonst bemüht sich Schömberg ... LUDWIG.
Und Cinq-Mars?
LOCMARIA. D e n seh ich n i c h t .
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Gallerte.
BEAUFORT. Auch ihm trotzt dieser Sturm, Zu sehr erbittert Sire sind die Partei'n, Man muß sie kämpfen lassen. LUDWIG ZU Favert. Die Partei'n! Hört ihr? Die meine, und - des Cardinal's! FAVERT. O! stünd' er hier, nie wär's so weit gekommen. LUDWIG. Sein Ansehn hätt' den Aufruhr unterdrückt. Gewiß! gewiß! doch was vermag das meine? FAVERT. Verzeihung Sire ... LUDWIG. Mein armes Volk verblutet Der Adel h a t verblutet unter seiner Furchtbaren Hand. Schwer liegt sie auf dem Reich Und schwer fürwahr auf meinem königlichen (eignen) Haus. (eignen) üdZ, eingewiesen über königlichen; ohne Tilgung.
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I. Text
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Er haßt die Königin, verfolgt Monsieur Trieb meine {gute} (alte) Mutter aus dem Land, Mir selbst verbittert er das Leben. Ich hab' nur eine Freude auf der Welt, Ο Jägerlust! ... Läßt er mir Zeit zur Jagd? Was rief er mich hierher aus Saint-Germain? Was soll der König bei'm empörten Heer? Indeß er selbst der all den Streit entflammt, Zurück bleibt in Narbonne - um sich zu pflegen. FAVERT. Er ist schwer krank. LUDWIG. Die Königin meine Mutter, Sie meinte stets der Cardinal-Minister Erkranke wann, und weine wann er wolle. FAVERT. Sire, Richelieu ist sterbend. LUDWIG. - Schreibt er mir. BEAUFORT. Der arme Cardinal! wer weiß? wer weiß? Dieweil sein Anhang hier ihn leben läßt, Läßt Gott vielleicht ihn sterben in Narbonne! LUDWIG. Beaufort! - Und mich - und mich - ihn überleben! CoiSLIN der mit Locmaria am Vorhang steht. Seht dorthin! was ist das? LOCMARIA. Staubwolken sind's, Wie aufgewirbelt scheint's durch Reiterei. CoiSLIN. Helft meinen alten Augen - was geschieht? LOCMARIA. Ein Theil des Heers der bis jetzt zugesehn Dem Kampfe, rückt heran. FAVERT. Verschlänge ihn Die Erde! COISLIN. Sind denn alle toll? DE THOU. Bei'm Himmel! Die Wut nimmt zu, und mit ihr die Gefahr. LUDWIG. Coislin, Favert, zu Pferde! und jagt fort Verkündet der Armee in meinem Namen Verzeihung, Gnade - unbedingt und völlig ... Ich halte kein Gericht - ich will nicht fragen Wer schuldig und wer nicht ... Ich will vergeben Jedwedem Jedes - Ruhe nur befehl' ich ... Ich bitt' Euch geht... Die Ruh um jeden Preis! ... Und wenn sie klagen hört sie an, und wenn Sie fordern gebt... Coislin versprecht, gewährt Was Ihr nur wollt Favert - doch schafft mir Ruhe! FAVERT.
Was wir vermögen Sire, das soll geschehn. Favert und Coislin ab.
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Richelieu LUDWIG. Welch' ein Geheul! Was giebt's was sprengt daher? LOCMARIA. Das sind die Reiter Deiner Garde, Sire Voran Cinq-Mars auf seinem weissen Pferd Das tanzend, fliegend, kaum das Gras berührend Hinschwebt wie eine Wolke weiß und leicht. BEAUFORT. SO leicht er selbst, so wuchtig die ihm folgen. LUDWIG. Das wüste Volk! jetzt wird der Streit zur Schlacht. LOCMARIA. Sie sprengen in den Knäul der Kämpfenden Schon recht - Mitten hinein! - und trennen ihn Gewaltsam BEAUFORT. Hei Monsieur le Grand! Das war Ein Streich! Entzwei gespalten wie ein Kürbis Der Schädel den er traf! Wer traut dem Arme So gute Hiebe zu? LOCMARIA. ES weichen die Dragoner! LUDWIG. Richelieu's? zuerst?! LOCMARIA.
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Ja Sire!
BEAUFORT. Die grossen Helden! LUDWIG. Wahrlich zum Erbarmen! Die Kutte paßt für sie und nicht der Harnisch, Das hat kein Blut. Seht hin! was thun die andern? LOCMARIA. In engem Kreis umdrängen sie Cinq-Mars Der ihre Wut durch seine Wut beherrscht. Machtvoll ertönt sein Wort, sie hören ihn Halb grollend noch, und halb schon überwunden. Nun kommt Favert, mit Eurer Botschaft Sire. Bei Gott! wenn die nicht wirkt, dann soll man Euch ... Das habt ihr nicht verdient ... Nun meiner Treu, Sie geben sich! - noch murren hier und dort, - Hat nichts mehr zu bedeuten - s'ist vorbei! Draussen einstimmig und wiederholt: "Hoch der König! " Aus allen Kehlen! Herrliche Musik! BEAUFORT. Jetzt naht auch Schömberg. Ο mein weiser Herr, Bemüht Euch nicht, s'ist ohne Euch gethan. Was gießt ihr eurer Rede köstlich Ohl Noch in die Flut? sie hat schon ausgetobt. LUDWIG der sich auf einen Feldsessel gesetzt, und den Kopf auf die Hand stützt. Der arme Cardinal, er dauert mich. Besiegt seine Partei, sein grauer Schömberg Verlacht von einem Milchbart wie der Prinz Beaufort ... BEAUFORT.
Oh Majestät! ...
I. Text
5
637 LUDWIG. ES ist doch bitter. Was kann er für die Sünde seiner Leute? Ihr Unverstand schmerzt ihn so tief wie mich. BEAUFORT. Ihr Unverstand? nur Unverstand? ... nichts weiter? LUDWIG. SO gut wir können, wollen wir ihn trösten, Er ist ein alter Mann, und schwach und krank. LOCMARIA. Der Marschall Schömberg und der Graf Cinq-Mars.
Dritter Auftritt VORIGE. SCHÖMBERG, C I N Q - M A R S , FAVERT, COISLIN.
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SCHÖMBERG. ES ist vorüber Herr, der Sturm beschworen, Der wild gedroht, doch bei der Drohung blieb. Zu Deinen Füssen liegt ein treues Heer. LUDWIG. Schon gut, schon gut. SCHÖMBERG. Mit Jubel und mit Dank Nahm die Armee die gnäd'ge Kunde Deiner Verzeihung auf. LUDWIG. Verzeihung Schömberg, liegt In diesem Falle nicht in meiner Hand, Ihr solltet's wissen, Ihr, der Marschall Schömberg, Es steht der Tod auf Meuterei, und ich, Ich darf nichts ändern seht, am Kriegsgesetz. SCHÖMBERG. Das Wort des Kriegsherrn ist das Kriegsgesetz. CINQ-MARS leise zu De Thou. Als Schömberg Marschall ward, da starb ein Advokat. LUDWIG. Was meint der Graf Cinq-Mars? CINQ-MARS. Gericht mein König! Der Schuldige gehört vor seine Schranken. Man untersuche wer den Streit begann. Die Rädelsführer wird man stellen können, Ich ahne wo sie anzutreffen sind. SCHÖMBERG. Der König sprach von Gnade. DE THOU. Ja, er that's! CINQ-MARS. Ich rathe zum Gericht. COISLIN.
SO thu auch ich.
SCHÖMBERG. Ich bitt' um Gnade wie's verheissen ward. FAVERT. Mein König - Gnade! LUDWIG. Wer sie üben dürfte!
Richelieu
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Vergeben ist ein göttliches Gefühl. SCHÖMBERG. Nun denn mein hoher Herr ... LUDWIG. Ihr quält mich Schömberg. Ist denn der Kampf mit meinem eig'nen Herzen Nicht schwer genug, muß ich mit Euch noch kämpfen? ... Ich bitt' Euch schweigt! ... nichts mehr - an Eure Pflicht Beruft den Kriegsrat. Ο mein lieber Schömberg Verdienen die mein Leben so verbittern Nicht eine Strafe der das Beispiel fehlt? ... Man tödtet mich seht Ihr, mein guter Marschall, Begehrt nur Rechenschaft von meinen Mördern. SCHÖMBERG. Ich hab' nichts mehr zu thun als zu gehorchen, Doch wissen sollten die zur Strenge riethen Daß ihre Feinde nicht allein sie trifft. Bei'm Himmel! schuldlos ist von beiden, keine Partei. CINQ-MARS. Von beiden? - Mit Verlaub! Es gibt Nur Eine, darf nur eine geben - die Des Königs! ... Wenn es eine zweite gäbe, Ausrotten Herr! zertreten müßt' man sie! SCHÖMBERG. Ihr sprecht aus meiner Seele Graf Cinq-Mars, Und in der That gibt's keinen Mann im Heer Der nicht für seinen König lebt und stirbt, Doch manchen gibt es den der Übermut Von aufgeblas'nen Günstlingen empört. CINQ-MARS
25
heßig.
Auf wen zielt' das? SCHÖMBERG. Auf den, den's trifft. CINQ-MARS. Herr Marschall ... Der König gibt ihm ein Zeichen, er schweigt. LUDWIG leise zu Schömberg. Ich bitt' Euch Schömberg ... SCHÖMBERG. Sire ich kann nicht dulden LUDWIG. Ich bitt' Euch duldet, was i c h dulde - m i c h Verletzt er oft. Man glaubt ich liebe ihn Man irrt vielleicht. Ich bitt' Euch Schömberg, geht. Er macht eine entlassende Handbewegung, alle ab, ausser Cinq-Mars.
I.
639
Text
Vierter Auftritt LUDWIG. CINQ-MARS.
nach einer Pause. Ich that nach Deinem Wunsche, dankst Du nicht? CINQ-MARS. Ich kann nicht danken Sire. Dies alles heißt Nur mit dem Übel feilschen, weiter nichts. Du haust blos Zweige von der Zwitracht Baum, Du willst ihn nicht an seiner Wurzel packen. LUDWIG
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Ich rieth zur Strafe aller, auch der Meinen Doch Änderung erwart' ich nicht von ihr Denn jede Strafe überlebt ihr Haß. LUDWIG. Weil man ihn nährt. CINQ-MARS. Er nährt sich selbst. Ich bin Soldat, und meine Freude ist der Krieg, Doch wollt' ich nie mehr an der Garden Spitze Mich trunken stürzen ihn's Gewühl der Schlacht, Wüßt' ich es nicht, ich führe and're Männer Als jener Schömberg, jener platte Heuchler. Er selber Creatur des Cardinais Und Creaturen alle die ihm dienen. Erbärmlich feile Söldner Richelieu's, Werkzeuge die er sich erzieht, nicht Dir! Die ihm gehorchen, wenn es gilt - trotz Dir! LUDWIG. Ich weiß! Ich weiß! CINQ-MARS. DU weißt und duldest... Nein! Du hast den tiefen Abgrund nie ermessen Den dieser Priester aufriß zwischen Dir Und Deinem Volk. Vereinsamt hat er Dich In Deinem Heer, in Deinem Rathe, ja In Deinem Haus! Ο - denk' an Deine Mutter! LUDWIG. Sie - nenne nicht. CINQ-MARS. DU liebtest, hörtest sie, Die seine Feindin war, sie hat's gebüßt. Durch ihn verbannt, verfolgt von seinem Haß, Zog flüchtig uns're greise Königin Von Land zu Land. Vergeblich suchte in Der Fremde, sie ein Obdach, das die Heimat Unkindlich ihr verweigert. Herr, sie starb Im Elend! (trotzt ihr tiefer Haß) aR hinzugefügt;
ohne
Tilgung.
Richelieu
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LUDWIG. Nie verzeih ich's ihm! Leise. Und mir. CINQ-MARS. Der Cardinal ist Deiner Freunde Feind. Er legte Mißtrau'n gegen Deinen Bruder In Deine Brust, er wagt es Deine Gattin, Die edle Königin wagt er zu verläumden! LUDWIG. Wenn er gefehlt, straft ihn der Allgerechte Der schon ihn ruft vor seinen Richterstuhl. Dein Feind ist sterbenskrank. CINQ-MARS.
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CINQ-MARS.
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Comödie!
Verstellung diese Krankheit! Ο er fühlt Daß Du beginnst zu mächtig ihn zu finden, Und heuchelt Schwäche, spielt den müden Greis. Laß Dich nicht täuschen Herr! zu lang geschah's. Befrei Dich, befreie uns von ihm, Du hast ihn groß gemacht, mach ihn zu Nichte! LUDWIG. Streich seine Thaten aus. Nur das macht ihn Zu Nichte. Kann ich es? ... Er ist ein grosser Minister. CINQ-MARS. Einen grossen Schurken nannt' Ihn einst der Pabst, der fünfte Paul. LUDWIG. Cinq-Mars! CINQ-MARS. Er ist die Geissei Frankreich's, ist die Deine! Er traf den Adel, Deines Landes Blüte, In seinem Leben, und in seiner Ehre, Wie viele edle Häupter rollten vom Schaffot, weil sie vor ihm sich beugen nicht Gewollt?! Ο Marillac, Montmorency, Chalais, bei Eurem Tod erstarrt das Volk Und wir erglüten. Nur der Mörder, nur Der Cardinal blieb fühllos, unbewegt. Was kümmert's ihn ob unser bestes Blut Sein rotes Kleid in Fluten überströmt, Man sieht die Flecken auf dem Purpur nicht! LUDWIG. Ziehn östlich nicht die Lüfte ge'n Narbonne? Nimm Dich in Acht! Dem Cardinal sind selbst Die Lüfte dienstbar, und sie tragen ihm Gehorsam Deine Worte zu. Ο Herr!
Herr! ich bin jung, und Liebe ist, nicht Haß, Der Jugend Leidenschaft, Allein im Hasse gegen diesen Priester, Da zähl' ich tausend Jahr, verabscheu' ihn Wie aller Lüg' und Bosheit Inbegriff!
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I. Text
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Und so wie ich, empfinden Tausende ... Ο wöge jeder Fluch der auf sein Haupt Geschleudert ward, so viel nur wie ein Flaum Er trüge Lasten schwerer als die Welt! LUDWIG. Er trüge sie allein, ich bin nicht Schuld An all dem Blut das seine Hand vergießt. CINQ-MARS. Und dieser Mann ist Lenker Deines Staats So unumschränkt wie nie ein König war. Wer fordert, und wem gibt er Rechenschaft? Ist er nicht unnahbar und unverletzlich? Die Parlamente gängeln seine Sklaven, Es führen Creaturen Frankreichs Heere Und Schwert und Wage der Gerechtigkeit. Die Laune Richelieu's heißt ihr Gesetz! In seinem Namen herrschen sie im Land ... Du nennst Dich König nur, er aber - ist's! LUDWIG. Du wirfst als Unrecht mir mein Unglück vor. C I N Q - M A R S . E S gab Dir Gott die Macht, gebrauche sie. Entlaß' den Cardinal! D U hassest ihn? Nun sieh - ich haß' ihn auch - und kann trotzdem Ο - hätt' ich einen Freund! CINQ-MARS. Das sagst Du mir? LUDWIG. Die Müss'gen schwatzen, hier in meiner Näh' Gäb's einen Mann so groß, so stark und treu, Daß schweigend er, nicht Rat noch Hülfe fordernd Auf eigene Gefahr es unternahm Den Cardinal zu stürzen CINQ-MARS. Herr! Du wüßtest... LUDWIG. Den Cardinal - den ich - nicht stürzen kann Obwol er mir ein Dorn im Auge ist. CINQ-MARS. Ο sprich ein Wort! befiel LUDWIG.
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LUDWIG.
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B e f e i e n ? ... Ja
Da liegt's! - Gehorchen können sie. Nicht mehr. CINQ-MARS. Doch! doch! LUDWIG. Vor Jahren hatt' ich einen Freund. Er hieß de Luynes. Einst traf er mich, die Seele Von Unmut schwer, von bitt'rem Unmut gegen Concini den allmächtigen Minister. Ich war ein Knab' und weinte, Luynes sprach Kein Wort, doch wenig Stunden später, lag Concini blutend an des Louvre's Schwelle.
Richelieu
642 Ich athmete, es jubelte das Volk, Und in Concini's Ehren trat de Luynes. CINQ-MARS. - Ο - König! ...
5
LUDWIG. - Daß ich meinen Freund verlor! Er ist nicht mehr, und mit ihm starb die Treue. CINQ-MARS. Sie lebt! sie wirkt für Dich - Vernimm es Herr ... LUDWIG. Ich will nichts hören. Hörte schon zu viel. CINQ-MARS. S a g ' nur ein W o r t ! ...
LUDWIG. Ich sagte schon zu viel. LOCMARIA meldend. Ein Bote aus Toulouse. LUDWIG. V o n w e m gesandt?
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LOCMARIA. Von ihrer Majestät der Königin. Die ihre Ankunft durch ihn melden läßt. LUDWIG. Sie kommt hierher? CINQ-MARS. Sie kommt? - Die Königin Allein? LOCMARIA. Mit der Prinzessin von Nevers. LUDWIG. Erstaunlich! Ihre Majestät verzeiht Mir gnädigst meinen Krieg mit Spanien Und wünscht wohl dessen, selbst mich zu versichern. Ich will den Boten sprechen. Zu Locmaria. Folgt. Beide ab.
Fünfter Auftritt CINQ-MARS
allein.
CINQ-MARS.
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Du kommst Geliebte! Holder Friedensstern Mir strahlt Dein Licht in diesem Sturm und Kampf! So süß und mild und - unerreichbar fern. Maria! Fürstin! ach Du stehst zu hoch! ... - Und doch - nicht höher als ich steigen will, Dein Name ist grösser als, mit Gott, Der meine werden soll! ... "Und in Concini's Ehren trat de Luynes." Verheissend Wort, du brennst in meinem Hirn, Durchflammst mein Herz, giebst Freudigkeit dem Mut, Doch Deiner Lockung hätt' es nicht bedurft. Eh du erklangst war ausgestreut die Saat Des grossen Schicksal's das mir herrlich reift,
Maria!
I. Text
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Und pflücken will ich seine gold'ne Frucht Ob Ruhm die Ernte, oder Untergang.
Sechster Auftritt VORIGER, D E T H O U , FONTRAILLES
als
Capuziner.
De Thou. Ihr folgt mir wie mein Schatten, guter Herr, Womit kann Euch ein armer Bruder dienen? DE THOU. Die Maske weg - Fontrailles! FONTRAILLES schlägt die Capuze zurück. Ich bin's CINQ-MARS. Er ist's! FONTRAILLES. Und ganz. Kein Stückchen fehlt, ein pures Wunder! CINQ-MARS. Du kommst doch von Sedan? Hast den Traktat? FONTRAILLES. Auf beide Fragen: Ja. Er giebt ihm eine Rolle, die er aus dem ausgehöhlten Stock zieht auf den er sich gestützt. CINQ-MARS. So sei gegrüßt. Die Rolle entfaltend. Sie haben unterzeichnet. Zu De Thou. Sieh hierher. Da steht "Gaston" - der erste Prinz von Blut. Da steht "Bouillon" ein Mann so kühn als klug. Wo diese Beiden anzutreffen sind, Da kann, bei'm Himmel! ich mich finden lassen. DE THOU. Ich seh Dich staunend - folgen. Sonst hast Du Geführt. C I N Q - M A R S reicht ihm das Blatt. Ich bitt' Dich, lies. FONTRAILLES ZU
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DE THOU. 15
"Tractat
Zwischen der Krone Spaniens und Heinrich Effiat, Grafen von Cinq-Mars." Bin ich Verrückt? bist Du's? Ist's der, der dies geschrieben? ... Du unterhandelst mit dem Feind, den zu Bekämpfen wir im Felde stehn? ... Der Zweck Dieses Traktat's? Ein bill'ger Friede zwischen Den Kronen Spanien's und Frankreich's.
CINQ-MARS.
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DE THOU. D e n schliessest D u ?
Wir schliessen ihn, Herr Kanzler. DE THOU. Die Thoren! die Verblendeten! CINQ-MARS. Hör alles. Noch einen andern Zweck hat der Vertrag. FONTRAILLES.
644
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Richelieu Der König weißt Du, haßt den Cardinal Und will ihn stürzen, doch er wagt es nicht. Wir wagten's gern, allein uns fehlt die Macht. Sie uns zu leihn erbot sich Spanien. DE THOU . Wie? - Spanien CINQ-MARS, Und seine Hülfe hab' Ich angenommen. DE THOU . Feindes Hülfe?! FONTRAILLES.
Kurz
Und gut. DE THOU.
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Nicht kurz noch gut. Im Tractate lesend. "Verbündeter Verpflichtet siebzehntausend Mann den Führern Des Aufstands zur Verfügung ..." ο vortrefflich! "Die fremden Truppen mit Bouillon's vereint ... Gehn auf die Hauptstadt los ..." Den Bürgerkrieg! Die offene Revolte! ... "Richelieu Gefangen in Narbonne ..."
FONTRAILLES.
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Das ist das Beste
Und kommt darum dem besten Manne zu, Das thut Cinq-Mars! DE THOU. Ein Kinderspiel wahrhaftig! FONTRAILLES. Die Prinzen einmal siegreich in Paris Begehren die Entlassung Richelieu's, Und König Ludwig läßt sich nun ertrotzen, Was er zu geben vor Begierde brennt. DE THOU . Entsetzlich! fürchterlich! FONTRAILLES. Was steht zu Diensten? DE THOU. Der König selbst entflammt den Bürgerkrieg Er setzt das Leben Tausender auf's Spiel Damit geschah was er mit einem Wort Vollbringen könnt', hätt' er's zu sagen Mut! CINQ-MARS. W e n klagst Du an?
DE THOU. Nun, bei'm gerechten Gott, Der König kennt doch, billigt Euren Plan? CINQ-MARS. Er kennt ihn nicht, doch ahnt er sein bestehn. DE THOU. Er kennt ihn nicht? FONTRAILLES. Er wird ihn kennen lernen Und mit Vergnügen, Herr! 30
CINQ-MARS. Zur Sache!
DE THOU. Wir nicht dabei?
Sind
I. Text
645 De Thou, wir brauchen einen Vertrauten Mann, der in Madrid Auf die Erfüllung der Verträge dringt. Willst Du es sein? DETHOU. Ich sollte? - Ich! ... Fürwahr Er hält's für möglich! ... CINQ-MARS. Willst Du es sein? Auf Dich hab' ich gebaut. D E THOU. Bei'm Hochverrath? ... CINQ-MARS.
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De Thou! DETHOU. Erschrickst Du vor dem Namen Deiner That? CINQ-MARS. Wir kämpfen f ü r , nicht g e g e n unsern König. DE THOU. Ihr unterliegt, und er wird Euch verläugnen. CINQ-MARS. Verläugnen? Er? ... Verzeih Dir Gott den Frevel! DETHOU. DU bist verbündet mit der Lüg' und Feigheit. Das Urbild beider ist der Prinz Gaston. Verloren war wer jemals ihm getraut Dem Ränkeschmied und ewigem Empörer. Ihn schützt der hohe Name den er trägt, CINQ-MARS.
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Die Söhne Frankreichs sind ja unverletzlich. Doch die er mit in seine Bahnen riß, Die ihm gedient, die büssen auch für ihn ... CINQ-MARS. Ich dien' nicht i h m , zum Werkzeug dient er m i r . Er ist der Fahne gleich in meiner Hand. Ein schwächlich Ding von jedem Hauch bewegt, Das Zeichen nur um das sich Männer schaaren. Den Namen liefert er, und ich - die Schlacht. DETHOU. Sie ist verloren eh sie noch begann. - Beginnst Du sie? CINQ-MARS. Ich kann nicht mehr zurück. Mich oder Richelieu! - Das Glück mag wählen. DETHOU. Ich werd an Dich nicht Worte erst verschwenden. Zu gut bekannt ist mir Dein starrer Sinn. Auch Dir entgegen wirken kann ich nicht, Denn Dein Vertrauen bindet mir die Hand, Allein mit Abscheu füllt mich Dein Beginnen Und seine Folgen will ich nimmer sehn. Wenn Du's vollbringst, sind wir getrennt für ewig. CINQ-MARS. Getrennt?
DETHOU. CINQ-MARS.
Wenn Du's vollbringst. Ich s c h w ö r ' s !
DE THOU. - Leb' wohl. Er wendet sich. Nach einer Pause,
zurückkehrend.
Richelieu
646 Ich hab' im Leben nichts wie Dich geliebt ... - Bleibst Du dabei? CINQ-MARS.
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CINQ-MARS.
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Ich m u ß ! Ich will!
DETHOU. Leb' wohl. Wie oben. Ich hab' im Leben nichts geschätzt wie Dich ... - Bleibst Du dabei? C I N Q - M A R S fällt ihm um den Hals. De Thou, mein Freund! mein Freund! Reisst sich los, und winkt ihm zu gehn. Du wirst mich lieber haben - nach dem Sieg. D E T H O U . Ο mein Cinq-Mars! - nach einem Sieg nicht lieber, Nicht minder lieb nach einer Niederlage. Er geht. C I N Q - M A R S nach einer Pause. Das hab ich nicht erwartet ... Und dennoch - dennoch S'ist besser so! FONTRAILLES. Warum nicht gar! Fontrailles,
Wenn's ein Verbrechen ist das wir begehn Und wenn es doch begangen werden muß, Gescheh's durch uns, und seine Hand bleib rein! Rasch ab. FONTRAILLES ihm folgend. Ist er zu gut zur Hölle? er soll mit! Ich bin dafür wir braten in Gesellschaft.
Verwandlung Narbonne. Arbeitszimmer Richelieu's.
Siebenter Auftritt regungslos in einem Lehnstuhl auf Kissen liegend. C H A V I G N Y an einem mit Schriften bedecktem Tisch. M A Z A R I N tritt ein.
RICHELIEU
leise zu Chavigny. Wie geht es, Chavigny? erhebt sich. Ihr seid's? ... Ihr kommt? ... MAZARIN. Was meint Citois? Was haben wir zu hoffen? CHAVIGNY. Nichts mehr zu hoffen, bald - nichts mehr zu fürchten. M A Z A R I N Richelieu betrachtend. Er regt sich nicht? er äussert keinen Wunsch? C H A V I G N Y ein Blatt vom Tische nehmend. Hier steht der letzte den er ausgesprochen. MAZARIN. Sein Testament. Er selbst giebt sich verloren. CHAVIGNY. Seht diese tödtliche Erstarrung, und Verzweifelt nicht. Der Arzt hat es gethan. MAZARIN
CHAVIGNY
5
(Al
/. Text MAZARIN. Der Priester hofft noch, wo der Arzt verzweifelt. Die Kraft des Körpers mag gebrochen sein, Die Kraft der Seele ist vielleicht zu wecken. CHAVIGNY. V e r s u c h t ' s .
MAZARIN in Richelieu's Anblick
versunken.
Er schläft. 5
CHAVIGNY. Mit o f f n e n Augen. MAZARIN. SO hab' ich dieses Antlitz nie gesehn. Abgewandt und leise. Mich schaudert. CHAVIGNY.
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Sprecht zu ihm.
MAZARIN. Ich will es thun. Beugt sich über Richelieu. Gott segn' Euch Eminenz. RICHELIEU nach einer Pause. Jules Mazarin. MAZARIN. Mein Herr! mein Freund! RICHELIEU. Kommt Ihr mich sterben sehn? MAZARIN. Mich schickt der König. RICHELIEU. Ja, ihm wähnt's zu lang. MAZARIN. Der König sendet seinen Gruß. RICHELIEU. Der König? Geheimnißvoll. Habt Ihr gehört wie seine Mutter starb? - Auf einem Pfühl den Mitleid ihr gebettet, So arm wie nicht das ärmste Weib in Frankreich, Verlassen und verrathen von den Dienern. MAZARIN. Das ist vorbei. RICHELIEU. Dafür giebt's kein vorbei. Man muß nicht glauben, alles sei vergänglich, Es haben Dinge, ew'ge Gegenwart. MAZARIN. Im Vorgemache harren die Gesandten Von Holland Herr. Geruht sie zu empfangen. RICHELIEU. Im Tod vergab sie allen ihren Feinden, Doch als der Priester sie beschwor: "Auch ihm? Vergebt Ihr auch dem Herzog Richelieu?" Da wandte sie ihr brechend Auge ab; "Ihr dringt zu sehr in mich" sprach sie, und starb. MAZARIN. Schließt Euren Bund mit Holland, Eminenz, Er sichert uns Ostend' und Dünkirchen's, So wie Antwerpen's köstlichen Besitz Schließt diesen Bund! RICHELIEU. Ihr dringt zu sehr in mich. MAZARIN. Begründet Frankreich's Herrschaft auf der See. Wie Ihr auf festem Lande sie begründet. Setzt heut dem stolzen Werke Eures Lebens
Richelieu
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Die letzte, höchste Krone auf, und laßt Für Frankreich dem die Erde dient, auch noch Das stets bewegte Herz des Meeres schlagen. Schließt diesen Bund! RICHELIEU. Ihr dringt zu sehr in mich. MAZARIN. Erwacht! Erwacht! RICHELIEU. Ο daß ich schlafen könnt'! Hinüber schlafen. Süß ist nur die Ruhe. MAZARIN ZU Chavigny. Die Worte, von d e m Mann. Ein gräßlich Wunder. CHAVIGNY. Ihr weckt ihn nicht. MAZARIN. - Was gilt's? ... Ich weck' ihn doch! Wieder über Richelieu gebeugt. Jetzt ist nicht Zeit zur Ruh. Zeit ist's was Ihr Gesät zu ernten, Eminenz! Der Aufruhr In England wächst. Unmächtiger von Tag Zu Tage wird der König. Strafford's Tod Begehrt das Parlament. Sein Urteil ist Gefällt. RICHELIEU. MAZARIN.
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Der König wird ihn schützen. Er
Hat's nicht gethan. Das Urteil ist vollzogen. RICHELIEU. Und Strafford todt? MAZARIN. Und Strafford hingerichtet. RICHELIEU. Ο Fürstenundank! - Welcher Thor verläßt Sich noch auf einen König?! MAZARIN ZU Chavigny. Seht - das traf! RICHELIEU. Der's thut, verdient daß er zu Grunde geh. Dein Recht ist Dir geschehn Minister Strafford, Das Deine Dir - Minister Richelieu. Versinkt wieder. MAZARIN. Ich hör' und staune Herr! - warum so mutlos? Steht Ihr nicht mehr in Fülle Eurer Macht? Hat Euch der König seine Gunst entzogen? Ist's das? Leiht er, wie's schon so oft geschah Ein willig Ohr den Feinden die Euch schmäh'n? Dann tretet vor ihn hin! ein Blick auf Euch Mahnt ihn... RICHELIEU. - An seiner Mutter Tod - MAZARIN. Nicht doch! Nicht doch! an alles was er Euch verdankt Ein Wort aus Eurem Munde ... RICHELIEU. Nein - ich werd' Sein Angesicht nie wiedersehn.
649
I. Text
Euch schreckt Ein Popanz - dieser Graf Cinq-Mars. RICHELIEU. Cinq-Mars? Ein Kind. Ich weiche einem Kind. Ja - wär's Der mich besiegt ein zweiter Richelieu ... So aber fall' ich wie aus eigner Schwäche, Nicht wie ein Riese, glorreich überwunden, Nur schmachvoll, wie das Unbedeutende - Beseitigt. MAZARIN. Nicht bei'm König! voller Huld Sprach er von Euch. RICHELIEU. Weil er mich nicht mehr fürchtet. Verschworen ist er selber wider mich. Ich weiß es - sie verschwören sich - kann ich's Beweisen? - könnt ich's - Mit aufflammender Leidenschaft. Alle stürzten! Matt. Doch Ich kann es nicht. Es ist vorbei - vorbei ... M A Z A R I N ZU Chavigny. Ihr hattet Recht. Ein ganz gebrochner Mann. CHAVIGNY. An Leib und Seele. M A Z A R I N setzt sich an den Tisch und stößt dabei zufällig ein Buch herab. Was war das CHAVIGNY. Es fiel Ein Buch. Hebt es auf. Die Abschrift des Pyrame. M A Z A R I N nimmt das Buch und liest den Titel. "Pyrame Und Bradamonte, von Armand Richelieu." Die Schwäche seiner starken Tage, - Gebt Nimmt das Buch, laut. Der grosse Staatsmann ist ein kleiner Dichter. "Pyrame" ο herrliches Gedicht! wann kommt Der Tag wo Dich nach Deinem vollen Werth, Du höchste Blüte ihrer Poesie Die undankbare Heimat, schätzen lernt? Ο daß die Zeit noch jetzt dazu nicht reif! Die blöde Menge jauchzt dem wilden Cid, Dem ungeschlachten Helden Pierre Corneille's Gedankenlos den tollen Beifall zu Und hat für deine Schönheit kein Gefühl. MAZARIN.
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RICHELIEU. W i e alt ist der Corneille?
MAZARIN. RICHELIEU. Mich überwinden Kinder. MAZARIN.
In alter Kraft! Zertretet Eure Feinde!
Kaum zwanzig Jahre. Ο - steht auf
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Richelieu Noch ist die Furcht vor Euch nur unterdrückt. Der Tag der sie vernichtet kann erscheinen. R I C H E L I E U . Er ist erschienen {. Ach} (und) - ich bin nur mehr Ein Schatten. MAZARIN. Duldet nicht daß sie dazu Euch machen. RICHELIEU. {Dulden?} - alles muß ich dulden. {MAZARIN. Vermag nichts mehr zum Zorne Euch zu reizen? Wißt Ihr denn auch, wie schwer Ihr schon beleidigt? Es geht ein schändliches Pamphlet von Hand Zu Hand, am Königshof, im Volk, im Lager, Das Euch verhöhnt, angreift in Eurer Ehre In Eurem Wandel, Eurem Priesterthum. RICHELIEU. Habt Ihr's gelesen? MAZARIN. Ich mit Schmerz, doch mit Triumpf die andern. Straft den frechen Schreiber!} RICHELIEU Mazarin, der reden will, ein Zeichen machend zu schweigen. {Ich kann nicht strafen.} Laßt mich Mazarin. Zum König kehrt zurück und wenn er fragt: "Ist Richelieu gestorben?" sagt ihm: - Ja! S'ist keine Lüge glaubt mir, die Ihr sprecht, Der Funke Leben der noch in mir zittert, Verlohnt der Mühe nicht davon zu reden. M A Z A R I N ZU Chavigny. Ich bin zu Ende. CHAVIGNY .
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J a - s ' ist a u s - s ' ist a u s !
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lebt denn wohl, ich geh nach Perpignan, Dem König melden was ich hier gesehn. CHAVIGNY. Ihr geht? - auch Ihr? MAZARIN. Mein Bleiben nützt ihm nichts. CHAVIGNY. Und Euch könnt's schaden. - Ich begreife Herr. MAZARIN. Daß ich der letzte war der ihn verließ Bezeugt Ihr mir. Er geht. CHAVIGNY. Der letzte? nein! Ich lebe, Und meine Treu wacht noch an seinem Grab. M A Z A R I N . SO
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I. Text Achter Auftritt VORIGE. EIN OFFIZIER
CHAVIGNY.
RICHELIEU.
Ein Bote Herr aus Spanien. Schon gut. Woher? Er richtet sich auf.
Aus Spanien. Herein! Herein! Chavigny eilt zur Thüre und winkt. Ein Bote in Bauerntracht tritt ein. R I C H E L I E U zu ihm. Dich schickt mein Commissair, Dich schickt Fleury. BOTE überreicht eine Schrift. Herr - aus Madrid. Da nehmt. Mit seinem Gruß. R I C H E L I E U nachdem er gelesen. Verräther! - Hochverräther! Welch' ein Beweis! die Sonne ist nicht klarer! O F F I Z I E R ZU Chavigny. Ο seht sein Auge! CHAVIGNY. Das ist Richelieu! R I C H E L I E U zum Boten. Du kamst? BOTE. Über die Berge. RICHELIEU. Die Pyräneen. B O T E . Weiß ihren Namen nicht. RICHELIEU. Bist Niemandem Begegnet? B O T E . Meinen Weg kenn ich allein. R I C H E L I E U . Gieb Deinen Hut. Zum Offizier. Füllt ihn mit Gold bis an Den Rand. Ein hochgehäuftes Maaß! noch einmal Beraub' ich meine Erben! Zum Boten. Wie Du kamst So geh. Über die Berge deren Namen Du nicht, doch deren stillsten Pfad du kennst. Bote ab. Offiziere der Garde, Pagen, Grandville. R I C H E L I E U leise zu Chavigny. Den schnellsten Boten, rasch! nach der Champagne! Schreibt an Grammont in meinem Namen dies: Er hat die Truppen die in's Feld er führt Bei'm nächsten Treffen mit den Spaniern, Auf's Haupt schlagen zu lassen, schmachvoll. CHAVIGNY. Herr! CHAVIGNY. RICHELIEU.
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Schwelle.
Was ist's?
OFFIZIER. CHAVIGNY.
erscheint auf der
Ich brauche eine blutige Niederlage. Sie ist sogleich nach Perpignan zu melden. Verstanden?
RICHELIEU.
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Richelieu CHAVIGNY. Herr - verstehn kann ich Euch nicht, Allein - gehorchen. RICHELIEU. Grandville meinen Ornat! Bestellt die Sänfte Chavigny, sogleich Fünfhundert Garden werden mich begleiten. All mein Gefolg! Ich reise in das Lager Nach Perpignan! Während ihn Alle mit stummen Zeichen der Überraschung umgeben, und er sich zum Gehen anschickt, fällt der Vorhang.
Zweiter Aufzug Lager vor Perpignan. Königliches Zelt. Erster Auftritt C I N Q - M A R S und D E THOU
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kommen.
CINQ-MARS. Verlobt wär sie? verlobt dem Polenkönig? Es kann nicht sein! - Dem greisen Stanislaus?! ... DE THOU. Der Kön'gin Worte wiederholt' ich Dir. CINQ-MARS. Die frische Blüthe und der welke Stamm? Beginnend Leben und beginnend Sterben Im unnatürlich freudenlosen Bunde? Eh das geschiet so lang' ich leb' und athme ... DE THOU. Beruh'ge, fasse Dich - Dir selbst zu Lieb! ... Von einem schönen Glück hast Du geträumt, - Wem hält das Leben was der Traum versprach? Tritt wie ein Mann der Wirklichkeit entgegen, Sie ist für Keinen Leid- und Schmerzenlos, Willst Du bevorzugt sein vor Millionen? Was and're trugen, das erträgt sich auch. CINQ-MARS. Erträgt sich? - Alles! - Ο wer zweifelt d'ran? Zu tragen ist was man ertragen w i l l . Ich aber bin zum Dulden nicht geboren, Mich treibt mein Blut zum Kampf mit dem Geschick Und ringen werd' ich, bei'm gerechten Gott! Um jedes Gut das trotzend mir's verweigert, So lang Bewußtsein eines Wunsches noch Sich feurig spiegelt in der Seele Grund. Kommt einst der Tag wo ich nichts mehr begehre Dann lieber Freund, will ich den Tod - ertragen. DE THOU. SO nimm ihn auf den unfruchtbaren Streit! So bäum Dich gegen jedes Nein des Lebens, Kämpf jeden Kampf nur den nicht mit Dir selbst, Die andern zwingend bleib Dein eig'ner Sklave, Dem Schicksal trotzend unterliege - Dir! Und wenn Du's endlich dann im Arme hältst Wonach dein Wünschen ungebändigt brannte Und staunend frägst: Warum beseligt's nicht? Dann fühl' und sieh! - was sich erstürmt, ertrotzt, Ist der Besitz - doch nicht die Freude d'ran,
Richelieu
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Ist nicht das Glück, ist nur des Glückes Leiche! CINQ-MARS. Sehr wahr - sehr gut gemeint - Du predigst Weisheit Das mag in manchen Fällen heilsam sein Doch gegen Lieb' und Fieber nützt es nicht. In die Gallerie blickend. Die Wachen treten an.... Der König? Nein Sie selbst - Maria! - ich beschwör Dich - fort! Ich muß allein sie sehn - De Thou - hinweg! Bei Gott wenn Du nicht gehst DE THOU. - Erwürgst Du mich? Gemach - gemach CINQ-MARS. Geliebter, Bester, fort! DE THOU. Er droht und fleht in einem Athemzug Verschwendet Zorn und Milde ohne Grund ... CINQ-MARS. Sie kommt - ich bitte Dich DE THOU. Schon Recht! schon Recht! De Thou ab.
Zweiter Auftritt C I N Q - M A R S , M A R I A aus der
Gallerie.
MARIA. Ich störe hier?
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CINQ-MARS sich tief verneigend. Princessin MARIA. S'istdeThou Den ich verscheucht? CINQ-MARS . Er ging weil ich ihn bath Und wider Willen. MARIA. Ruft ihn denn zurück Ich will - ich wünsche CINQ-MARS. Fürstin gönnt zuerst, Ich fleh darum: zwei Worte gnädigst mir. MARIA. Ihr seid so feierlich Cinq-Mars, so förmlich CINQ-MARS. Wie's meine Schuldigkeit fortan Euch gegenüber. Ich stehe ja vor einer Königin. MARIA. Noch bin ich's nicht. CINQ-MARS. Doch sollt Ihr's werden - bald. So sagen sie, und fügen noch hinzu Aus eig'ner, freier Wahl. MARIA. Ich habe keine. Mein Schicksal wird durch Andere bestimmt.
I. Text
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CINQ-MARS. Wer d a r f Euch zwingen? MARIA. Der mich zwingen k a n n . Ich bin ein armer Gast an diesem Hof Anheim gegeben hülflos fremder Willkür. Man sagte nur: Ein grosser König bietet Dir seine Krone an. Maria von
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Gonzaga beug Dein Haupt sie zu empfangen. CINQ-MARS. Maria von Gonzaga, thu es nicht! MARIA. Man sagte mir: Sprich kein vergeblich nein. Beschlossen ist der Bund. CINQ-MARS heftig. Durch Richelieu? MARIA. Gewiß, denn er allein - beschließt. CINQ-MARS .
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Empfing ich sie durch jenen den ich liebe. CINQ-MARS. Wer ist's?! - durch jenen den Ihr liebt? Ihn liebt? MARIA verwirrt. Ich sagt' es nicht CINQ-MARS. Wer ist's? ein einzig Wort! Es macht mich elend, doch ich fleh darum Ο zögert nicht! ... Nicht tropfenweis den Schmerz! Laßt seinen Kelch auf einen Zug mich leeren Gebt volles Maaß: - Wer ist der den Ihr liebt? MARIA. - Er fragt - der Thor! CINQ-MARS.
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Ihr aber -
MARIA. Ich aber - beug mein Haupt. CINQ-MARS bitter. In leidendem Gehorsam? MARIA. Ja bei Gott! in l e i d e n d e m Gehorsam. CINQ-MARS. Weil Ihr wollt. Ich seh es ein, Ihr seid geboren auf des Lebens Höhn, Und wie zur Heimat zieht Euch's nach den Höhn. Ihr liebt die Grösse. MARIA. Ich liebte sie
I h r H i m m l i s c h e n ! ...
MARIA. Cinq-Mars ... CINQ-MARS. Unmöglich ist's. MARIA. Meint Ihr? CINQ-MARS. DU liebst mich? liebst mich! MARIA. SO wiß' es denn. Der Du's nicht glauben kannst. CINQ-MARS. Die Seligkeit ist stumm. Wie soll ich danken? MARIA. Indem Du glücklich bist. CINQ-MARS.
Es jetzt nicht wäre!
W e h m i r w e n n ich
Richelieu
656 MARIA.
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W e h e uns, daß wir'S
Nicht bleiben können! CINQ-MARS . Ewig bleiben wir' S! MARIA. Trenn' erst den Bund vor dem ich bebe, schaud're C I N Q - M A R S . SO wahr ich lebe! MARIA. Richelieu zum Trotz? Das kannst Du nicht. Wer dürft es tollkühn wagen Zu widerstehn dem nie gebeugten Willen Dem sich der König selber unterwirft? CINQ-MARS. Er thut's aus Schwäche, nicht aus Überzeugung Mit stummer Wut, mit innerer Verzweiflung. Ein Streben wär's, des besten Mannes wert Ihn zu erlösen von dem finstren Bann In dem der Priester ihn gefangen hält Es ist das meine! MARIA . Geb' Dir Gott Gelingen! CINQ-MARS. Er weiß es, Er der in die Herzen sieht Uneigennützig hatt' ich's unternommen! Mein Weg war vorgezeichnet, eingeschlagen, Und vorwärts ging's! - wohin für mich er führt Darnach bei'm Himmel! hab' ich nicht gefragt. Jetzt aber zeigt mir lockend das Geschick Am Ziele einen wunderbaren Preis, Es zeigt mir Dich in Deiner Schönheit Fülle In Deiner Hoheit Deiner Jugend Glanz! Der König kann der Treue nichts versagen Die ihn befreit vom Joche Richelieu's. Er wird mir Dich, Du Herrliche, gewähren! MARIA. Ο wär' ich frei und dürft' mich selbst verschenken, Ich sagt' nicht erst: Geh in den Kampf um mich! Für meine Liebe stehst Du hoch genug Sie schmückt Dein Haupt mit jedem Kranz des Siegs Schon lange vor der Stunde des Triumpf's. CINQ-MARS. Geliebteste!
MARIA. Die Welt jedoch denkt nicht Wie ich. Sie fordert Zeichen wenn sie glauben, Erfolge wenn sie anerkennen soll. Um sie mein Freund, um jener blinden Welt Die mir verhaßt und der ich dienen muß Beschwör ich Dich ο Lieber, streb empor! Und weil ich Dir nicht sagen kann: "Du liebst Mich, nimm mich hin!" so fleh ich denn: "Du liebst -
I. Text
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Erringe mich!" CINQ-MARS. Maria Du bist mein! MARIA. SO groß und göttlich Deine Zuversicht! CINQ-MARS. Ein Glaube lebt der Bergeshöhen versetzt. Es ist der Glaube an die eig'ne Kraft! MARIA. Gieb mir nur einen Funken Deines Mut'S Daß ich, Dich wissend in Gefahr nicht sterbe. CINQ-MARS. Vertrau'η ist Mut. Ο Herz - vertraue! MARIA in seinen Armen. Du hoffst auf Gott, nun sieh ich hoff auf Dich! Sie küsst ihn rasch und eilt ab. CINQ-MARS. Sie ist die meine um die Kön'ge werben! Aus süssem Drang des liebevollen Herzens Reicht sie die Hand zu mir herab und spricht: Ich wähle Dich, rechtfert'ge meine Wahl, Daß ohne zu erröten ich dereinst Vor aller Welt erklären kann: Der ist's!
Dritter Auftritt DER VORIGE. LUDWIG, A N N A , SCHÖMBERG, FAVERT, D E THOU.
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LUDWIG im Kommen zu Anna. Ja Königin, Ihr habt uns Glück gebracht. Mit einem Siege durften wir Euch grüssen. Die Fahnen Frankreich's wehn vom Castillet. Bald ist die Festung über, will es Gott. ANNA. Er geb' Euch jeglichen Triumpf! Umkränze Euer königliches Haupt Mit immergrünem Lorbeer ew'gen Ruhm's! Doch mir erhört auch werde mein Gebeth, Die Waffen Herr, an die der Sieg Gefesselt ist und stets gefesselt bleibe, Nicht mehr g'en Spanien gewandt zu sehn, Mein Heimatland, und meines Bruder's Reich. LUDWIG. Ihr seid Madame, die Gattin König Ludwig's, Vergeßt daß Ihr die Schwester seines Feinds Und laßt es uns vergessen. ANNA. Seines Feinds? Ein Feind der alles gäbe Euer Freund Zu werden LUDWIG. Anders klingt was mein Gesandter
Richelieu
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An Philipp's Hof mir meldet. ANNA. Sire - das ist? LUDWIG. Das alte Lied! Man wünscht den Frieden nicht Und will doch innig ihn zu wünschen scheinen, Man hält uns hin mit nichtigen Bedenken Mit leerer Klage - müß'ger Förmlichkeit Erschöpfen will man unsere Geduld, Und wenn's geläng, als Opfer sich geberdend Von Frankreich's Blutdurst und Erobrungssucht Die halbe Welt zu Hülf und Rache rufen ... Das ist Madame, die span'sche Politik, Wir kennen sie CINQ-MARS. Du wirst getäuscht mein König! Am Stillestehn der Friedensunterhandlung Trägt Frankreich Schuld. LUDWIG. Wie? Frankreich? CINQ-MARS.
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Wir
verzögern
Den Schluß des Friedens, w i r bestehn auf Krieg FAVERT. Geschwätz! CINQ-MARS. Vernimm mein König! Zwei Befehle Den einen offen und geheim den andern Erhielt Dein Abgesandter in Madrid. Den Frieden schliessen, Herr war Dein Befehl, Zu hintertreiben ihn um jeden Preis War der Befehl des {Herzog's Richelieu} (Cardinal-Ministers.) LUDWIG. Und i h m gehorchten sie? - nun ja - wie immer! SCHÖMBERG ZU Cinq-Mars. Was Ihr da sprecht, das gält's auch zu beweisen. C I N Q - M A R S leise zum König. Beweise bringt Fontrailles der heut... LUDWIG ihm in 's Wort fallend. Geduld! - Der Marschall zweifelt und nicht ich Cinq-Mars. An Winkelzüge Seiner Eminenz Sind wir gewöhnt. Die letzte Falschheit ist Die schlimmste nicht die wir von ihm erfahren. Mazarin der bei den Worten: "Die Winkelzüge etc" erschienen, und im Hintergrunde stehn geblieben, tritt vor. MAZARIN mit tiefer Verneigung vor König und Königin. Ο Sire - Madame LUDWIG. Ihr Mazarin? MAZARIN. Verzeihung Für einen Sterbenden LUDWIG. Der Cardinal?! Ihr kommt von ihm?
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MAZARIN. Ich komme aus Narbonne Und bringe grosse Kunde Majestät Der Sieger von Privas und La Rochelle Der Gegner Österreich's und Spanien's Des Adels Feind, der Protestanten Schrecken Mit einem Wort: Der Herzog Richelieu Ringt mit dem Tode. DETHOU leise zu Cinq-Mars. Gott ist gnädig! er Erspart Dir ein Verbrechen. LUDWIG sich im Kreise umsehend. Schweigen? - Alle! Erweckt die Nachricht sprachlose Bestürzung Daß Frankreich's Schicksal von der Stunde an Allein in meinen - meinen Händen ruht? CINQ-MARS. Gesegnet sei Ο Herr und Fürst der Tag! Kein Dritter mehr steht zwischen Dir und uns. Gesegnet sei der schöne Augenblick, Er gibt dem Volke seinen König wieder Er gibt dem König sein getreues Volk. LUDWIG. Ein treues Volk das mir mißtraut. CINQ-MARS.
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D a s ist
Der alte Argwohn den Dir Richelieu Vergiftend in die weiche Seele legte Und dafür sei im Tode noch ihm Fluch! FAVERT. Der Friede sei mit jedem Sterbenden, Er sei auch mit dem Cardinal. Bald ist Sein Angedenken alles was von ihm Uns übrig bleibt, wir wollen's ehren. LUDWIG. Wie? Traf neu're Kunde aus Narbonne hier ein? Ist Hoffnung da für des Ministers Rettung? Man macht, ich seh noch immer ihm den Hof. FAVERT. Den Hof? Ο nein! - Doch nannt' mich Richelieu Im Leben seinen Freund. Ich kann ihm das Im Tode nicht vergessen. LUDWIG. Und Ihr sollt's Auch nicht! im Gegentheil - ich staune nur Daß Ihr so lang es zu vergessen scheint. Der Freund ist sterbend und Ihr bleibt ihm fern? Zu ihm Favert! wir bitten - zögert nicht Nehmt uns're Grüsse mit und laßt Euch Zeit Die seinen zu bestellen FAVERT.
Wie mein König?
Richelieu
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LUDWIG. Ihr geht dem Freund die Augen zuzudrücken. Wir gönnen Euch nach dieser schweren Pflicht Erfüllung die Erholung deren Ihr Bedürfen werdet. Sich zu Cinq-Mars wendend. Doch Du Cinq-Mars Du ruhe nicht in Deines Königs Dienst. Von einem Lügennetz bin ich umsponnen. Der Treue Dank die es zerreissen hilft. Zur Königin. Euch aber Königin, mehr als blossen Dank Ich fürchte sehr ich steh in Eurer Schuld Und hab Euch abzubitten. ANNA. Nein! Ο nein! Der Einzige der abzubitten hätte Der Einzige der Unrecht mir gethan Das ist der Mann der keine Schuld auf Erden Abbitten mehr und keine büssen kann. Er war's der meinem König mich verdächtigt Und meines Gatten Herz von mir gewandt. LUDWIG. In's and're Leben folgt ihm dies Bewußtsein Mög' er vor seinem Gotte Gnade finden. Vor seinem König fand er sie nicht mehr! - Zu Favert. Noch da? so lang gesäumt? Ihr fürchtet wohl Zu Eurem Freunde schon zu spät zu kommen? Wer weiß? am Ende lebt noch in Narbonne Der mir - gestorben ist! ZWEI HUISSLER'S öffnen die Zeltvorhänge im Hinter gründe. Der Cardinal Minister! Dumpfer, halb unterdrückter Ruf des Erstaunens in der Versammlung.
Vierter Auftritt RICHELIEU im Ornate, gestützt auf zwei Pagen, gefolgt von einer grossen Suite die am Eingange des Zelts zurück bleibt. LUDWIG blickt ihn einen Augenblick betroffen an und wendet sich dann zu ANNA. Neben ihm steht CINQ-MARS. Die Übrigen auf der linken Seite der Bühne. RICHELIEU schreitet langsam vor, nach jedem Schritte wie erschöpfl stehn bleibend. Er wendet sich gegen die Gruppe links. Alle weichen zurück, nur FAVERT tritt ihm gleich entgegen, nach kurzer Überlegung auch MAZARIN, zuletzt SCHÖMBERG. FAVERT. D e r C a r d i n a l !
MAZARIN.
Ist's möglich - Eminenz? ...
I. Text
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FAVERT. Ihr seid's! Ihr seid's! und Euch erhielt der Herr! RICHELIEU das Auge unverwandt auf den König gerichtet. Noch gönnt er mir kein Ausruhn, von Der langen Arbeit die - mein Leben heißt. Noch unerhört läßt er mein heiß Gebet Um die Befreiung von dem schweren Joch. MAZARIN sich dem König nähernd. Mein König LUDWIG. Nun? MAZARIN. Der Cardinal Minister. LUDWIG. Das Weltgericht ist nah, es stehn die Todten auf. Zu Richelieu. Ich weiß nicht Herzog Richelieu soll ich Bezweifeln was ich h ö r e oder was Ich s e h e . Eines widerlegt das andre. Vor einer Stunde noch ward mir gemeldet Der Cardinal sei sterbend, und jetzt steht Genesen er vor mir! - Wie reim' ich das? Denn keine Wunder thut der Himmel mehr. RICHELIEU. Der Himmel thut noch Wunder Majestät Für seine Auserwälten. Sire, er hat In dieser Stunde eins für Euch gethan. Er hält die Seele Eures treusten Diener's Noch im Entfliehen an die Erde fest, Und rüstet sie mit neuer Jugendkraft Euch zu befrei'η aus drohender Gefahr. LUDWIG halblaut zur Königin. Er ist noch krank. Zu Richelieu. Ihr seid ein grosser Staatsmann. Für Euren Scharfsinn ist das Dunkle klar. Und sonnenhell das Undurchdringliche. Doch dießmal übertreibt Ihr Eure Kunst Da noch zu sehn wo Andre nicht mehr sehn, Ihr wollt auch sehn wo nichts zu sehen ist. RICHELIEU. DU schiffst auf einem klippenreichen Meer, Umdroht von schäumend sturmgepeitschten Wellen. Ein düst'rer Himmel wölbt sich über Dir Und Wolken steigen auf gewitterschwer ... LUDWIG ihn unterbrechend. Genug Herr Cardinal! Ihr malt uns da Ein unerfreulich Bild. Längst wußten wir Daß Ihr zu Zeiten Euch mit Poesie Zerstreut. Daß Ihr so traurig dichtet, ist Uns neu.
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Richelieu RICHELIEU. Was Du für Dichtung hältst Ο König Ist Schilderung der nackten Wirklichkeit. Doch manchmal klingt wie Poesie die Wahrheit, Und manchmal wird das Leben zum Gedicht. Das meine war's in jener grossen Stunde Wo in die Wolke die Dir dräuend nahte Ich greifen durfte mit verweg'ner Hand Und ihr den Blitz den zuckenden entreissend, Erloschen, ihn zu Deinen Füssen schleudern! LUDWIG. Ihr sprecht in Rätseln. RICHELIEU. Ihre Lösung Sire. Überreicht dem König den Tractat. LUDWIG. Anklagen? - Ο natürlich! RICHELIEU. Sire, es hält In Händen Eure Majestät LUDWIG. Ein Blatt Papier. Wirft einen Blick hinein. Wie eng beschrieben! - ach und das Das soll ich lesen? RICHELIEU. Lesen Sire und richten. LUDWIG. Schon gut. Seufzend. Es wird geschehn. RICHELIEU. Mein gnäd'ger König! Ich danke heut wie ich noch nie gedankt LUDWIG. Seid Ihr zu Ende? RICHELIEU. Nie mit meinem Dank! Doch bald mit meinen Bitten. Höre huldvoll Die letzte an die ich auf Erden spreche. Sie lautet Herr: Gewähre mir die Ruhe Nach welcher die erschöpfte Kraft verlangt. Laß mich das Amt mit dem Du mich betraut Zu Füssen Dir in Demut niederlegen. LUDWIG. Was fordert Ihr?! - wär's möglich? ... lieber Vetter? ... RICHELIEU. Ein langes Leben weiht ich Deinem Dienst Laß mich sein kurzes Ende, ernst und still Der Buße weihn und meiner Seele Heil. LUDWIG. Was fordert Ihr?! RICHELIEU. Entlassung mein Monarch! Gewähr' sie bald, ich hab nicht Zeit zu warten Denn meine Tage König, sind gezält. LUDWIG. Ich g e b ' Euch Euren Abschied nicht - Ihr nehmt ihn Ihr wollt fortan nur Eurem Gotte leben Nun - Eurem Gott darf ich euch nicht entziehn. RICHELIEU. Ich bin entlassen Sire. Ο fügt hinzu
I. Text Daß ich's in Gnaden bin. reicht ihm die Hand. In vollen Gnaden. RICHELIEU. Des Himmels Segen auf Dein fürstlich Haupt, Und auf das Eure, Königliche Frau! Des Himmels Segen über dieses Land! Zu Dir ο Gott erheb' ich meine Hände: Ein Sterbender hat eine Bitte an Den Schöpfer frei. Die meine ist gesprochen. Geht langsam wie er gekommen, ab. LUDWIG. Ihr Alle gebt dem Herzog das Geleite. Alle ab ausser Ludwig, Anna, Cinq-Mars. LUDWIG nach einer Pause. Ich steh allein. Wer wird fortan mit mir Der Krone Last und ihre Sorgen tragen? ANNA. Die Deinen Herr! die Deinen die Dich lieben. LUDWIG bitter. Mich lieben! - mich? CINQ-MARS. Das könnt er nicht - der Mann Der jetzt mit sich und dem Geschick zerfallen Einsam zu sterben geht. LUDWIG. Er wird nie sterben. CINQ-MARS. Mag sein! mag ihn die Zukunft preisen. W i r Verwünschen ihn! LUDWIG. Weil er Euch fest im Zügel hielt. Weil er geherrscht. CINQ-MARS. Weil über Dich er sich Vermaß zu herrschen! LUDWIG fasst ihn bei'm Arme. Und - was wollt denn Ihr? C I N Q - M A R S wirft sich dem König zu Füssen. Dir d i e n e n und dem Vaterland! LUDWIG. Ihr sagt's Er hat's gethan! ... Steh auf! - was kniest Du wie Ein Schuldiger? C I N Q - M A R S springt auf. O! Sire. LUDWIG. Traf das? bist Du's? CINQ-MARS. Nicht gegen Dich! LUDWIG. Gleichviel - gleichviel - sprich nicht! Du trägst die Schuld - Du warst's der unermüdlich Mein Herz bedrängt mit Klagen über ihn Und jetzt - kannst Du ihn mir ersetzen? Ja? CINQ-MARS. In einem König, übertreff' ich ihn. In selbstvergessend liebevoller Treue. LUDWIG. Ach Treue! - lebt sein Geist in Dir? ANNA. Mein Herr LUDWIG
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Und Gatte LUDWIG. Ihr habt ihn gehaßt. Auch Ihr. ANNA. Als meinen Feind und meinen schlimmsten Gegner Der keine Waffe, nicht die niedrigste Jemals verschmäht wenn's mich zu treffen galt In meiner Ehre und in meinem Glück. Ich haßte ihn, ich habe ihn gefürchtet Und laut aufjauchzend grüß ich seinen Fall. Ich will nicht heucheln Sire. Dazu könnt mich Der Cardinal in seiner Macht nicht zwingen, Dazu kann {selbst} (mich) sein Unglück {mich nicht} (nicht bewegen.) Ich log ihm Unterwerfung nie, und ich Vermag auch jetzt ihm Mitleid nicht zu lügen. Sie wendet sich zu gehn. LUDWIG für sich. So bald schon übermütig? ANNA.
Sire?
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Ihr geht?
ANNA. Wenn mein Gemal mir nicht befielt zu bleiben. LUDWIG ZU Cinq-Mars. Ihr folgt der Königin. Anna und Cinq-Mars ab.
Fünfter Auftritt LUDWIG
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allein.
Wem soll vertraun Dem alle Treue schwören? - Allen. ... Ist Unsinn - Keinem - ist Verzweiflung ... Einem? Wo find ich ihn den Einen unter tausend Die alle sich in's gleiche Kleid gehüllt? Setzt sich, den Kopf auf die Hand gestützt. Ich bin so müd - so müd zu herrschen - und Beherrscht zu werden - ach - so müd zu leben Wenn ich denn nur als König leben soll. Geräusch Draussen. Laute Stimmen. Was giebt's von Neuem? - Was bedeutet das?
Fünfter Auftritt ] Sechster Auftritt
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I. Text Sechster Auftritt DER VORIGE. ΜAZARIN.
Μ AZARIN. Verzeihung Sire LUDWIG.
Wofür?
Μ AZARIN.
Ο Majestät! -
LUDWIG. W a s ist g e s c h e h n ?
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Μ AZARIN. Aus der Champagne mein König Trifft unheilkündend Dir ein Bote ein. LUDWIG. AUS der Champagne? ... Grammontü - Wir sind geschlagen! ... Μ AZARIN. Bei Hennecourt erlag Deine Armee Dem Waffenglück der span'sehen Generäle. LUDWIG. Dem Waffenglück? Ihr spottet! ... Ο ich fürchte Ich fürchte Mazarin ...Er stockt. MAZARIN.
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Was auszusprechen
Ihr zögert Sire, geht laut im Lager schon Von Mund zu Mund ... Verrat besiegte uns Die Pläne Deiner Führer sollen LUDWIG athemlos ängstlich. - Wohlan? MAZARIN. Den Spaniern bekannt gewesen sein LUDWIG. Ο hier ist mehr als Unglück - hier ist Schuld! ... Nach einer langen Pause. Bezog darauf sich Deine Warnung Priester? Sie kam zu spät. Tritt an den Tisch und durchfliegt den dort liegenden Tractat. Halblaut lesend. "Traktat mit Spanien". Sieht nach den Unterschriften. "Olivarez - Gaston von Orleans Bouillon - Fontrailles - Cinq-Mars ..." Die ganze Bande! Da fehlt nur noch die spanische Prinzessin Die "Frankreich's Königin" sich schelten läßt. MAZARIN. (Mein König sprich, befiehl - ) Was soll geschehn {mein König}? LUDWIG. Weiß ich's? - Ο ich bin ratlos, hülflos, freundlos -
Sechster Auftritt ] Siebenter Auftritt
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Richelieu
Siebenter Auftritt DIE VORIGEN. CINQ-MARS Stürzt herein, bald nach ihm SCHÖMBERG, FAVERT, FONTRAILLES, BEAUFORT.
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CINQ-MARS. Hast Du es schon gehört? wir sind geschlagen! Ο Herr! nur einen Sturm auf Perpignan Und unser ist die Stadt! laß stürmen! - Dann Auf Flügeln fort - sobald die Festung fiel Nach der Champagne! Ο Gott! dort liegt verwelkt Die Blume uns'rer Ehre - wer will ruhn Bevor sie prangend wieder aufgeblüht? Zum Sturme Herr! ALLE. Zum Sturme! Gieb Befehl! CINQ-MARS. Und dann - vom König selber angeführt Mit dem Bewußtsein eines Siegs im Herzen, Nach der Champagne ο Herr! - nach der Champagne! LUDWIG mißt ihn. Kalt. Steht's so im Plane. Spanien's? - Bin ich Verkauft und werd' nun ausgeliefert? CINQ-MARS.
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S i r e ? ! ...
LUDWIG. Ihr habt Euch sehr verrechnet. - Marschall Schömberg. SCHÖMBERG. Mein königlicher Herr? LUDWIG. Wir müssen scheiden. Nehmt Uns're Stelle hier bei'm Heere ein. Ihr lerntet unter Richelieu den Krieg Führt ihn in seinem Geiste. SCHÖMBERG. Amen Sire. LUDWIG. Ihr Mazarin geleitet nach Lyon Wohin Wir Euch in wenig Tagen folgen Die Königin. Sich zu Cinq-Mars und Fontrailles wendend. Ihr Beide bleibt bei mir. Trefft Anstalten zur Reise. CINQ-MARS.
Und wohin?
LUDWIG. Der Weg geht nach Narbonne. ALLE.
Narbonne?! ...
LUDWIG.
Vom Cardinal noch einmal Abschied nehmen. Der König geht ab. Schömberg, Favert folgen ihm.
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Siebenter Auftritt ] Achter Auftritt Schreibfehler
Wir wollen
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I. Text
Achter Auftritt C I N Q - M A R S , FONTRAILLES, BEAUFORT.
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FONTRAILLES. Verwünscht! Der Teufel hat ihn wieder. "Noch einmal Abschied nehmen" heißt so viel Als sich auf Gnad' und Ungnad' ihm ergeben. CINQ-MARS. Beaufort! Fontrailles! jetzt führen wir den Schlag! Zu Du zu Gaston! und meld' ihm daß es Zeit. Der Prinz erkläre Krieg, und werfe sich Mit seinen Treu'n, in's feste Schloß Sedan's. Entsatz bringt ihm Bouillon, den Du Beaufort Anspornst zu Sturmeseile. Zögern hiesse Morden.
Fontrailles.
BEAUFORT. U n d D u ?
CINQ-MARS. Ich gehe nach Narbonne. BEAUFORT. Du opferst Dich! CINQ-MARS. Ich decke Euch den Rücken. FONTRAILLES. Wenn's mißlingt... CINQ-MARS. Bist Du ein Mann? Wer dächte an Mißlingen?!
Neunter Auftritt D I E VORIGEN. D E T H O U stürzt
herein.
DETHOU. Ihr seid verrathen! FONTRAILLES.
Himmel!
DETHOU. Rettet Euch! Das Blatt das Richelieu dem König brachte War der Traktat FONTRAILLES und BEAUFORT.
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De Thou!
CINQ-MARS. Wer sagte das? DETHOU leise zu ihm. Jules Mazarin der Deinen Tod nicht will. BEAUFORT. Was soll geschehn? CINQ-MARS. Was schon beschlossen war! Nur rascher tausendmal! - Der König schwankt. Ihr habt die Zeit - werft eine That hinein! - Du weißt was Deines Amts Beaufort — es komme Nicht Trank noch Speise über Deine Lippen -
Achter Auftritt ] Neunter Auftritt Schreibfehler
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Richelieu Kein Schlaf über Dein Auge eh's vollbracht Hinweg! Hinweg! BEAUFORT. Du wählst in diesem Kampf Den schlimmsten Posten, den gefährlichsten Ich bitt' Dich - tauschen wir. CINQ-MARS auffahrend. Wofür denn hältst Du mich? - Kein Wort - Du gehst! BEAUFORT. Dein Wille ist's! Beaufort eilt hinaus. FONTRAILLES. - Was wir uns Mühe machen! - wär's nicht klug Mit einem Streich all diese Not zu enden? Ein kleiner Stich in's Herz des Cardinal's CINQ-MARS. Fontrailles!
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DE THOU. Ein kleiner Mord - warum denn nicht? FONTRAILLES. Ich weiß Euch einen ganz honnetten Burschen Der Aufträg dieser Art so fein besorgt Für eine Handvoll Gold CINQ-MARS.
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FONTRAILLES.
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Ja, j a , vortrefflich!
CINQ-MARS. Ich aber - nach Narbonne! - Will gehn. D E THOU.
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Erbärmlicher!
Ich brauche Dich - verwünscht daß ich Dich brauche Sonst schlüg' ich Dir die Antwort in's Gesicht. DE THOU. Halt e i n FONTRAILLES . Ο - laßt ihn - Worte sind ja Luft. CINQ-MARS. DU hast bei mir von nun an gut zu machen Fontrailles! Fontrailles! sei doppelt treu! Wir trennen uns - versäum' keine Sekunde Auf nach Sedan! - Du hörst? —
U n d ich - mit Dir.
CINQ-MARS. Wozu? - Was suchst Du unnütz die Gefahr? Du wolltest fort, blieb ich bei meinem Sinn, Ich blieb dabei - so bleib Du bei dem Deinen. DE THOU. Ich hab' mir's überlegt. CINQ-MARS. Wenn Du mich liebst DE THOU kalt. Wer sagt daß ich Dich liebe? CINQ-MARS. Deine Lippen nicht. Ein Page kommt. PAGE ZU Cinq-Mars. Der König fragt nach Euch. CINQ-MARS. Ich komme. Page ab. CINQ-MARS ZU Fontrailles. Fontrailles - ich sag' Dir nicht: Thu Deine Pflicht Ich sag' Dir: Thue mehr! ... Ich sag Dir nicht: Sei kühn - ich sag' Dir: "Sei ein Held! - " Nun fort! -
I. Text
5
10
FONTRAILLES. Verlaß Dich drauf. CINQ-MARS. Wir sehn uns wieder. Cinq-Mars ab mit De Thou. FONTRAILLES allein. Auf Dein Schaffet! - wie jetzt die Dinge stehn. Nun Freund Cinq-Mars - Ihr seid recht hochgewachsen. Sogar verkürzt um eines Kopfes Länge Bleibt Ihr noch eine stattliche Figur. Ich aber kann von meinem kargen Maaß Nicht einen Zoll entbehren. Grund genug Das Ganze schön in Sicherheit zu bringen. Ich geh davon. Lebt wohl. Doch vor der Flucht Will ich für meine Lieben etwas thun, Und Sprech ein Wort mit dem - honnetten Burschen. Der fromme Cardinal muß schon verzeihn Die letzte Not entschuldigt letzte Mittel.
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Dritter Aufzug Narbonne. Arbeitszimmer
Richelieus.
Erster Auftritt LAUBARDEMONT. CHAVIGNY.
CHAVIGNY.
Entlassen! Richelieu entlassen!
LAUBARDEMONT.
Mit ihm. CHAVIGNY verächtlich.
Wir
Ach - wir!
Verloren - keine Rettung! Und gäb' es eine, ich verschmähte sie. Ich stand durch ihn, so will ich mit ihm fallen. LAUBARDEMONT. Wer lohnt mir nun meine getreuen Dienste? Ich Thor! ich Thor! CHAVIGNY. Was liegt an Euch? an mir? Wer kümmert sich bei'm Sturz der Waldeseiche Um das Gestrüpp das ringsum sie entwurzelt? LAUBARDEMONT.
CHAVIGNY.
5
Zweiter Auftritt Die Flügelthüren im Hintergrunde werden geöffnet. Ein Offizier der Garde des Cardinal's erscheint auf der Schwelle. OFFIZIER.
Herr Kanzler Chavigny!
CHAVIGNY.
Hier.
Euern Arm Für Seine Eminenz. CHAVIGNY eilt hinaus. Laut zum Offizier. Der Cardinal Ist wohl sehr angegriffen? OFFIZIER. Von der Reise. LAUBARDEMONT für sich. Auf der er einen bösen Sturz gethan. Richelieu auf Chavigny gestützt. CHAVIGNY. Wohin befehlt Ihr Herr RICHELIEU auf seinen Armstuhl im Vordergründe deutend. OFFIZIER.
5
3
(Weniger als als wir's befürchten von dieser Reise.) üdZ hinzugefügt;
ohne
Tilgung.
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I. Text Dorthin mein Sohn. Er setzt sich. Ο Müdigkeit! CHAVIGNY.
Ihr solltet ruhn.
RICHELIEU.
5
Das w e r d ' ich.
Und bald, und tief. Ich sterbe Chavigny. CHAVIGNY. Mein gnädigster RICHELIEU. Noch gestern starb ich gern, Das Leben hatte jeden Reiz verloren. Heut lockt es mich so süß wie nie vorher. CHAVIGNY. Ist'S möglich? - Heut - und eben heut - ? So log Denn das Gerücht und Ihr seid nicht RICHELIEU.
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Entlassen?
CHAVIGNY. Das wollt ich sagen. RICHELIEU. Doch! ich bin entlassen. CHAVIGNY. Gebieter! und trotzdem - ! RICHELIEU. {Und wegen dem - } (Und deßhalb) Erblickt Laubardemont und bricht ab. Laubardemont! - was führte Euch hierher? LAUBARDEMONT mit plumper Heuchelei. Theilnahme, Eminenz. RICHELIEU. An wessen Schicksal? Wer ist der Jammermann den Gott gestraft Mit des Herrn Oberrichters Mitgefühl? LAUBARDEMONT. Ο - H e r r - !
15
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RICHELIEU. Wer immer auch es sei, er wird Genossen seines Unglücks finden. Macht Verrath an Theilnahme, Oberrichter, Ich weiß manch Elenden der ihres Segens Bedürftig ist. LAUBARDEMONT keck und trotzig. Beschwören muß ich Euch Fürst Cardinal, wenn auch nicht mich, so doch Mein Amt zu achten. Ich - ich bin noch nicht Entlassen Eminenz. CHAVIGNY.
Verwegener-!
RICHELIEU. Still Chavigny! - zurück ... Den Cardinal Von Richelieu braucht Niemand zu vertreten.
25
{So lang der Herzog Richelieu noch lebt} (In Gegenwart des Herzogs Richelieu) Auf Laubardemont deutend. Ich holt' den Mann aus tiefster Niedrigkeit Weil ich ihn niedrig brauche. Was Du sahst War meine Probe nur. Nun er bestand. Laubardemont ich bin mit Euch zufrieden.
Richelieu
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5
LAUBARDEMONT. Verhöhnt man mich? OFFIZIER rasch eintretend. Eilboten Eminenz! Des Königs Ankunft meldend. CHAVIGNY. Wie? - Des Königs? OFFIZIER. In einer Stunde wird er selbst hier sein. RICHELIEU. Trefft Anstalten zu würdigem Empfang. Offizier ab. CHAVIGNY. Heil Euch mein hoher Herr! - Der König - Ο Ich dacht' es wohl, er kann Euch nicht entbehren. RICHELIEU. Er wird es lernen müssen. CHAVIGNY.
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Nie und nimmer!
LAUBARDEMONT. Gebietet Eminenz! was soll ich thun? Euch zu beweisen RICHELIEU ohne auf ihn zu achten. Armer Chavigny, Ihr werdet heut nicht schlafen. Gleiches Los Trifft meine Sekretäre. CHAVIGNY. Herr, befiel. RICHELIEU. Ihr schreibt und Ihr laßt schreiben allen. Verstanden? a l l e n Offizieren von Bouillon's Armee: Die Boten die für ihn, Die Briefe die für ihn bei'm Heer eintreffen Sind aufzufangen, und an uns zu senden. Zugleich auch werde in Casale, wo Wenn ich nicht irre - er sich jetzt befindet, Bekannt gemacht: Der Herzog hab' die Stadt Verkauft an Spanien. Leiser zu Chavigny. Dies schafft uns zwei Verbündete: Den Haß und Rachedurst Des Pöbels. CHAVIGNY. Wird dies Märchen Glauben finden? RICHELIEU. Der Pöbel glaubt nichts l e i c h t e r als das Schlechte, Und l i e b e r nichts als Schlechtes von den Grossen. Ans Werk! wählt sichre Boten. Zahlt mit Gold. Wieder leise. Wird einer uns'rer Leute eingeholt Vom Träger einer Botschaft an Bouillon, So wisse er, man wird ihn dringend nach Der Botschaft fragen, nach dem Träger - nicht. Für uns ist jetzt ein Mensch sehr wenig, und Ein Brief sehr viel. Laut. An's Werk! - Ich segne Dich. Chavigny verbeugt sich und geht ab. Richelieu lehnt den Kopf in die Kissen zurück und bedeckt die Augen mit der Hand. Lange Pause während welcher
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I. Text Laubardemont, unentschlossen ihn von der Seite betrachtend, Endlich nähert er sich schüchtern.
dasteht.
LAUBARDEMONT. Großmächtigster - !
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RICHELIEU fährt auf. Wer ist's?! LAUBARDEMONT sich rasch fassend. I h r seid's! - I h r seid Großmächtig! seid - großmütig auch!... Richelieu wendet sich ab. LAUBARDEMONT. Wenn sich vorhin Dein armer Knecht vergaß Üb' Gnade Herr! - ο Herr Du kränktest mich Vor einem Dritten, das - das that mir weh. Du kränktest mich in einem Augenblick, Wo ich Dein Lob verdient zu haben glaubte, Durch redliches, erfolgreiches Bemühn! ... Da Richelieu in Gedanken versunken ihn nicht zu hören scheint. Blickt hierher Eminenz! dies schändliche, Dies giftige Pamphlet - Richelieu blickt auf. ward gegen Euch Von frecher Hand geschleudert ... RICHELIEU.
Ein Pamphlet?
Nimmt es aus Laubardemont's Hand. LAUBARDEMONT. ES höhnt, es greift Euch an in Eurer Ehre, In Eurem Wandel, Eurem Priesterthum RICHELIEU lesend. Sehr schlecht. LAUBARDEMONT.
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RICHELIEU.
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Ο - unerhört!
RICHELIEU. Sehr schlechte Verse, Und so schreibt man, trotz der Academie! LAUBARDEMONT. Der Schreiber ist - es war kein leichtes Stück Entdeckt, gefangen. RICHELIEU ernst. Und gehangen? LAUBARDEMONT sieht ihn gross an. Das Noch nicht - Ich warte Deines Ausspruchs Herr ... Weil Dir's gefiel den letzten Pamphletisten So huldvoll zu begnadigen Den letzten?
Das war ein guter Kopf, und sein Gedicht Enthielt Gedanken. Jener war ein Schurk. Doch ein Talent. Nun - dieser ist ein ganz Gemeiner Hund. - Verurtheilt ihn zum {Rade} (Galgen). Und legt den Spruch zur Unterschrift mir vor. LAUBARDEMONT fast tonlos. Zum - ? RICHELIEU. {Rade} (Galgen), sagt' ich. LAUBARDEMONT. DU befielst! ... Jedoch -
Richelieu
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Viele Stimmen Herr erheben sich für ihn ... wenig Abscheu hat man noch in Frankreich Vor schlechten Versen? LAUBARDEMONT. Eminenz - ich weiß RICHELIEU. Was Ihr zu wissen braucht. Laßt mich allein. LAUBARDEMONT. Mein höchster Herr RICHELIEU. Was giebt es noch? RICHELIEU. SO
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LAUBARDEMONT.
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Verzeihung!
Jedoch ich meinte - wenn ich meinen darf Daß jener Schreiber sich den Tod verdient Und ihn erleiden muß. Nur rieth ich Herr, - Und zwar im Falle als ich rathen darf Dem Schurken nicht die Freude zu vergönnen Durch seinen Tod noch Aufsehn zu erregen. Wozu so frag' ich - wenn ich fragen darf Das Schaugepränge einer Hinrichtung Zu grosse Ehre für den Possenreisser! (Winkelschreiber) - Wär's besser nicht, nicht einfacher vielleicht Man ließ ihn im Gefängnis still vergessen Zuerst vom Schliesser der die Nahrung bringt Dann von den Freunden, von den Seinen dann. ... (er würde im Gefängniß Einfach - vergessen - Erst vom Schliesser der Die Nahrung bringt - dann von der Wache und Dem Wärter endlich - von der ganzen Welt.) Dies Mittel ward schon öfter angewandt Und heut auch wolle Eure Eminenz? — RICHELIEU. Spracht Ihr Laubardemont? Ich hörte nichts. Und das war Euer Glück, denn wehe dem Deß Stimme hier zu meinem Ohr noch dringt Nachdem ich Schweigen ihm bereits gebot. LAUBARDEMONT. Mein huldvollster RICHELIEU winkt ihm zu gehn. Genug. LAUBARDEMONT. Hat Eure Eminenz Mir nichts mehr aufzutragen? RICHELIEU.
Nichts.
wischt sich die Stirne, flir sich. Ο Gott! - Laut. Und doch - mir schien - als ob vorhin RICHELIEU als ob er sich besinne. Ja - das?
LAUBARDEMONT
14 19-22
(Winkelschreiber) üdZ, hinzugefügt über Possenreisser; ohne Tilgung. (er würde bis Welt.) üdZ, hinzugefügt von nicht einfacher bis dann; ohne
Tilgung.
-
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I. Text
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1-
Ich hatte es vergessen. Nun es wird Demnächst vor Euren Schranken stehn, der kleine Cinq-Mars, nebst einigen Genossen, angeklagt Des Hochverrat's. Ihn selbst erkennt Ihr schuldig, Und allenfalls auch einen von den Freunden. Für diese Beiden tragt den Tod Ihr an, Und für den Rest Verbannung, oder die Bastille. Darnach stellt das Verhör. LAUBARDEMONT. Sehr wohl. RICHELIEU. Ich werd' vielleicht genöthigt sein ein Wort Zu Gunsten der Verklagten einzulegen, Das sei für Euch der ganz bestimmte Wink Nur rascher und nur strenger zu verfahren. LAUBARDEMONT. Ganz Recht mein hoher RICHELIEU. Schweigt - gehorcht - und geht. LAUBARDEMONT in höchster Angst. Ο Eminenz - Der zweite Auftrag ist Leicht ausgeführt - Doch für den ersten - Herr Weiß ich mir keine Hülfe - jenen Schreiber Wie bring ich den a u f s Rad? Wir haben kein Gesetz das sein Vergehn mit Tod bestraft RICHELIEU. So m a c h t denn eins. Zum letzten Male, fort. Laubardemont mit tiefer Verbeugung ab. RICHELIEU allein. Er nimmt sobald Laubardemont das Zimmer verlassen, das Pamphlet hastig vom Tische. Nach einer Pause. Vor Dolchen schützt ein Panzer. - Diese Pfeile Viel feiner als des Lichtes zarter Strahl, Viel giftiger als Schlangen, dringen ein In's hülflos ihnen preisgegeb'ne Herz. Der Mörder ist ein Mann, und wagt sein Leben Indem er mein's bedroht ... D e r feige Hund Verletzt mich in weit Beß'rem als das Leben, Und wagt dabei so viel wie nichts. - Dereinst Vergab ich, selbst den frechsten Spott, denn Antwort Vermocht ich d'rauf zu geben - : Meine Thaten! Die riefen sie in die erstaunte Welt. Jetzt kann ich diese Sprache nicht mehr sprechen Und darum muß der Richter für mich reden ... Der Bube der dies schrieb, dank der Natur Daß man (am Galgen) selbst {auf dem Rad} - nur einmal stirbt.
(Macht euch bereit setzt ein / Gericht zusammen aus erprobten / Leuten) aR ohne Tilgung.
hinzugefügt;
Richelieu
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5
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CHAVIGNY mit einem Brief. Ein Brief an Eure Eminenz, vom Prinzen Gaston von Orleans. RICHELIEU. Ich höre. Lest. C H A V I G N Y den Brief eröffnend. Der Prinz bereut den Antheil den er nahm An der Verschwörung gegen Eure Ε ... RICHELIEU fällt ihm in's Wort. Wir kennen das. Nur weiter! - überspringt ... CHAVIGNY. Er will, wenn man Verzeihung ihm verspricht RICHELIEU. Die Andern unter's Messer liefern? Gut. CHAVIGNY. - Beweisend ihre Schuld und seine Treue ... RICHELIEU. Auch dieses wohlbekannt. Der Orleans Schreibt doch allewig nur sich selber ab. In meinem Namen gebt die kurze Antwort: "Gut angefangen, fahrt nur weiter fort." C H A V I G N Y legt Gaston's Brief auf den Tisch neben Richelieu und geht ab. RICHELIEU nimmt Gaston's Brief und das Pamphlet und hält beide vor sich hin. Ein Königssohn - ein Winkelschreiber - und Wenn ihre Seelen man verwechseln könnte So merkte Keiner etwas von dem Tausch. C H A V I G N Y tritt ein. Der König, Eminenz! R I C H E L I E U gleichgültig. So früh? CHAVIGNY.
Befehlt
Ihr meinen Arm um ihm entgegen - ? RICHELIEU.
Nein.
Der König kommt zu mir, laßt ihn denn - kommen.
Dritter Auftritt dreimal mit dem Stabe auf den Boden klopfend. Der König! Die Flügelthüren öffnen sich und Ludwig tritt ein. RICHELIEU sich halb erhebend. Sehr gelassen. Ο welche Gnade Sire! L U D W I G nöthigt ihn sitzen zu bleiben. Ich bitte Euch! ... RICHELIEU. {Mein}(Der) König sucht mich auf - {mein}(o der) König, mich? ... Könnt' ich noch knie'n - mich hindert meine Schwäche. - Ich dankte knieend Sire. L U D W I G sich setzend, zu Chavigny. Laßt uns allein. Chavigny ab. Nach kurzer Pause. Ihr leidet Richelieu? - ich leide auch. Mir nagt am Herzen eine neue Sorge. Wir sind geschlagen, wißt, in der Champagne. E I N HUISSIER
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I. Text
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RICHELIEU
kalt. Wahrhaftig Sire?
Grammont ist ein Verräther. Befürchte ich - verkauft an uns're Feinde. Er zieht vor ihnen langsam sich zurück Und wirft sich nach Sedan, wo ihn mein Bruder Gaston erwartet - ach, wohin Bouillon Mit seinem Heer vielleicht schon auf dem Weg. RICHELIEU. Das giebt zusammen eine hübsche Macht. Bedenkt man nun die Gährung in Guyenne, Den offnen Aufruhr in der Normandie Und wie das alles so auf einmal kommt. So schön zurecht, zu spät nicht, noch zu früh, Muß man gestehn, der ganze Plan er ist Gut angelegt und sinnreich ausgeführt. LUDWIG. ZU unserem Verderben Richelieu. RICHELIEU mit grösster Gelassenheit. Nun wird die Ligue - zweifelt nicht daran, Die Ligue wird ihr trotzig Haupt erheben. Die kleinen Könige in den Provinzen Mit denen ich durch zwanzig Jahre rang, Und die sich knirschend Deiner Macht gebeugt, Sie werden Deiner Ohnmacht ... LUDWIG finster vor sich hinstarrend. Ja! - ich bin Verloren. RICHELIEU. Sire - verloren eben nicht. Laßt Ihr den Guisen auch ihre Provence Und ihr Guyenne, ihr heimisch Lothringen, Nimmt ein Montmorency das Languedoc Theilt sich in der Bretagne, Penthievre mit Rohan, bekommt Joyeuse, aus Lyonnais Die Übrigen sodann das - Übrige Euch bleibt doch immer Euer Patrimonium, Euch bleibt doch Isle de France, ein nettes Ländchen Euch bleibt Cinq-Mars, es mit Euch zu regieren, Für dieses Reich, genügt dieser Minister. LUDWIG. Ihr seid sehr kühn! — mein Vetter Richelieu ... RICHELIEU. Ich war es oft in meinem langen Leben, Doch niemals noch so sehr wie an dem Tag Wo ich vor Perpignan bei Dir erschien. Ich kannte den Empfang der meiner harrte, Und ich kam doch! - Ich wußte daß ich trat LUDWIG
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(verständig) aR hinzugefügt; ohne
Tilgung.
Richelieu
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In einen Kreis von Feinden, die Du selbst Bewaffnet gegen mich, und ich kam doch! Ich wußte mich in meines Königs Nähe Umlauert von Verrat und Meuchelmord, Und ich kam doch! - weil ich zu retten hoffte Denselben Herrn der mein Verderben sann. Weil s t e r b e n d noch, ich Frankreich l e b e n d wollte!- Es war zu spät. Das Unheil ist geschehn Mein brechend Aug{e} fällt auf Frankreich's Trümmer. LUDWIG. Wir stehn am Abgrund nicht zum ersten Mal, In schlimm'ren Tagen ward vom Untergang Das Land durch Euch gerettet - Cardinal Nehmt seines Schicksals Euch von Neuem an. RICHELIEU. Ich bat um Ruhe Sire, die Ihr gewährtet. Laßt mich in Frieden sterben, Majestät. LUDWIG. Ο Richelieu - so muß ich also - bitten? — RICHELIEU. Um Gottes willen nein! - In Wahrheit König, Ich kann nie wieder Dein Minister sein. LUDWIG. Nie wieder? - und warum? RICHELIEU. Warum? ... Weil ich Von Neuem Sire mit dieses Amtes Bürde - Bedingungslos, mich nicht belasten will. LUDWIG. Bedingungslos? - nun Cardinal - Ο Gott - Was soll ich thun? - was fordert Ihr von mir? RICHELIEU. Ich muss begehren was Ihr weigern müßt. Wir können allewig uns nicht vereinen. LUDWIG. — Sagt an was Ihr verlangt - und wär's mein Tod Ich kann für dieses Frankreich sterben ... Euch Euch schuf der Himmel um es zu - regieren. RICHELIEU. Ist das im Ernste Eure Meinung Sire? LUDWIG nickt mit dem Kopfe. RICHELIEU. Beweist es denn - Er wirft einige Zeilen auf ein Blatt Papier, und hält es dann dem König hin. und unterschreibt dies Blatt. LUDWIG liest halblaut. "Wenn der König künftighin den Cardinal besucht, bleiben die Wachen des Cardinais unter Waffen. Und wenn der Cardinal den König besucht, beziehn seine Garden mit den königlichen zugleich die Wachen."
(Mein letzter Blick fällt auf des Thrones Trümmer.) aR ohne Tilgung.
hinzugefügt;
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I. Text ... So sehr mißtraut Ihr mir? Ja Sire! - Ich brauche Für meine Sicherheit, von heut an, Bürgen. L U D W I G . E S sei. Er unterschreibt. RICHELIEU. Das zweite nun. Reicht dem König ein Blatt das er geschrieben, während dieser gelesen. Ein zweites noch? Er liest. LUDWIG. 'Ich verpflichte mich, die beiden Prinzen, meine Söhne, dem Herzog Cardinal zu übergeben, als Pfänder und Geiseln meines Vertrauens und meiner Freundschaft!" Springt auf und wirft das Blatt auf den Tisch. Das nie! RICHELIEU. - Wie Ihr befehlt. LUDWIG. Entsetzlicher! {Die Mutter rissest Du von meinem Herzen - } (Einst rissest Du die Mutter mir vom Herzen) Und jetzt die Kinder?! RICHELIEU. Sire ich brauche Bürgen Für meine Sicherheit. L U D W I G in fürchterlichem Kampfe. So nimm sie denn! (auch sie) Er unterschreibt. Doch ford're nun nichts mehr von Einem, der Nichts mehr zu geben hat. RICHELIEU. Und doch - noch Eins! Er schellt. Chavigny tritt ein. Richelieu zu ihm. Die Suite des Königs! meine Offiziere. Chavigny ab. Vor Deinem ganzen Hof ward ich entlassen, Vor Allen König, nimm mich wieder auf. Gieb mir ein sichtbar Zeichen Deiner Gnade. RICHELIEU.
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Die Fltigelthüren werden geöffnet. Ein heller Lichtschein fällt von Aussen auf die Bühne, die sich während der letzten Scene allmälig verfinsterte. Zwölf Pagen mit Fackeln treten zuerst ein, dann folgt die Suite des Königs, darunter Cinq-Mars und De Thou, und die Suite des Cardinais. RICHELIEU halblaut. Umarme Deinen Diener mein Monarch. Er nähert sich dem König, dieser macht unwillkürlich eine abwehrende Bewegung mit der Hand gegen ihn. Richelieu erfasst sie. RICHELIEU laut. Du forderst Herr die Neige meiner Kraft, Des Bechers letzten Tropfen. Nimm ihn hin. L U D W I G mit Überwindung. Wir bitten Euch uns ferner noch zu dienen.
(auch sie) üdZ, eingewiesen über sie denn; ohne Tilgung.
Richelieu
680 leise zu De Thou. Ich hab's gefürchtet! ebenso zu ihm. Ich - ich hab's - gewußt! RICHELIEU. Wohlan denn Sire - ich will das meine thun. Zum Capitain der Garden. Besetzt die Pforten. Wachen an das Thor. Es sind Verräther mitten unter uns. Die ich verhafte in des Königs Namen. Monsieur le Grand, gebt Euren Degen ab. Bewegung in der C I N Q - M A R S tritt vor. Zum König. War dies Dein Wille Sire? CINQ-MARS D E THOU
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RICHELIEU.
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Entflohn?
schweigt. RICHELIEU. Wenn dem so ist, beklag' ich es für Euch. Sich zu De Thou wendend. Ihr seid der Freund Cinq-Mars und sein Vertrauter, Wir brauchen Staatsrat Eure Zeugenschaft. Gebt Euer Wort daß Ihr von uns nicht weicht. DE THOU. Ich geb' mein Wort. RICHELIEU. Vortrefflich. Dies genügt. Zu St. Georges. Führt den Gefangenen hinweg. C I N Q - M A R S zum König. Leb wohl. In Deine Hände leg' ich meine Sache. Du weißt was jetzt in diesem Herzen stürmt. Du wirst mich nicht verlassen. LUDWIG. Ο mein Gott! ... RICHELIEU. Hinweg! Hinweg! ... CINQ-MARS. Ich bau auf meinen König CINQ-MARS
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zum König.
CINQ-MARS. In Sicherheit. RICHELIEU.
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Gehorcht.
Wenn D u Befielst. L U D W I G schlägt verlegen die Augen nieder. Cinq-Mars ... nun ja denn - ich befehle. Leise. Ergieb Dich drein. Du siehst - ich kann nicht anders. Laut. Nicht lange hält Euch, hoff ich, das Gefängniß. CINQ-MARS. Ο Sire man kennt doch die Gefängnisse Des Cardinal's ... Ο Sire! ... Der König macht eine flehende Bewegung gegen ihn, er hält inne, und legt seinen Degen zu Ludwig's Füssen nieder. - Hier ist mein Degen. Auf ein Zeichen Richelieu's hebt St. Georges Cinq-Mars' Degen auf, und stellt sich neben ihn. RICHELIEU ZU Cinq-Mars. Wo ist Fontrailles? CINQ-MARS
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Versammlung.
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I. Text
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20-21
ST. GEORGES. Folgt mir CINQ-MARS wirft sich dem König zu Füssen. Ein mildes Wort! - ich geh getrost Gönnst Du mir keins - so geh ich in Verzweiflung. LUDWIG blickt scheu auf Richelieu. In höchster Bedrängniß. Der Cardinal wird wohl barmherzig sein. CINQ-MARS springt auf. An ihn verwiesen? - Ο das ist zu viel! Zu St. Georges. Es giebt nicht Treue auf der Erde mehr — Führt mich hinweg! Nur fort - nur fort von hier. Die Luft vergiftet und der Boden glüht. Will hinaus eilen. St. Georges folgt. DE THOU stellt sich ihm in den Weg. Zu St. Georges. Nehmt meinen Degen auch, Herr Capitain. Auf Cinq-Mars deutend. Wenn Dieser schuldig ist, bin ich's wie er. Und fordere im Namen des Gesetzes Die gleiche Strafe, für die gleiche Schuld. CINQ-MARS. Er lügt! Hört ihn nicht an RICHELIEU mit einem Blick auf den König leise zu St. Georges. Nur fort um jeden Preis. Laut zu De Thou. Wenn Ihr Euch selber schuldig nennt Herr Staatsrat So seid Ihr's auch. Ich kenne Euch als wahr. Führt die Gefangenen hinweg. CINQ-MARS wirft sich in De Thous Arme. De Thou! DE THOU. Es giebt doch Treue auf der Erde noch! CINQ-MARS wirft noch einen schmerzlichen Blick auf den König, und geht mit De Thou ab. St. Georges folgt. RICHELIEU für sich. Es ist geschehn. BEAUFORT. Ο Gott was fehlt dem König?! LUDWIG. Cinq-Mars - De Thou - Ο meine Sinne schwinden Er wankt. Richelieu unterstützt und führt ihn. In der Mitte des Saales angelangt macht der König dem Cardinal ein Zeichen vorauszugehn. Geht Ihr voraus! Ihr seid - nicht ich - der König. RICHELIEU nimmt einem Pagen die Fackel aus der Hand. Wenn ich voraus geh Majestät, kann's nur Im Amt Deines geringsten Dieners sein. Er trägt dem König die Fackel vor, dieser folgt mit dem Hofe.
(Ich geh voraus wie's Deinem Diener ziemt.) aR hinzugefügt;
ohne
Tilgung.
Vierter Aufzug Festlich erleuchteter Saal im Palais Cardinal zu Paris. Musik aus der Ferne.
Erster Auftritt LOCMARIA und MONTRESOR kommen. LOCMARIA. Ο welch' ein Glanz! mir thun die Augen weh, Dies Fest ist feenhaft, dies Haus ein Wunder, Und der dies Wunder baute, ist ein Gott! MONTRESOR nachdem er sich vorsichtig umgesehen. Kein Horcher nah! LOCMARIA. 5
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Gewiß?
MONTRESOR. Verlaß Dich d'rauf. LOCMARIA tief aufathmend. So darf der Unmut reden. Es ist Zeit, Sonst sprengt er mir die Brust! Ο dies Paris! Der Cardinal läßt seine Rückkehr feiern, Und sieh - es feiert mit! ... Ο dies Paris! Der Cardinal eröffnet den Pallast Den er erbaut vom Blut und Schweiß des Volks, Und sieh - es strömt hinein! ... Ο dies Paris! Der Cardinal läßt spielen die Mirame, Und sieh - es applaudiert! ... Ο dies Paris! Fünf Tage Tanz und Spiel und Wein vollauf Und es vergißt die Not von zwanzig Jahren! MONTRESOR. Vergessen ist nicht einer Stunde Not! Der alte Groll den heut der Rausch vertrieb, Kommt morgen wieder, mit der Nüchternheit. LOCMARIA. Das gebe Gott! - Zum Nächsten nun für uns: Wie steht es um Cinq-Mars? MONTRESOR.
Er ist verloren.
Gaston verkauft, sein königlicher Freund Verläugnet ihn. Bouillon ist eingebracht Und soll gestanden haben. LOCMARIA.
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W i e natürlich.
Er mußte wohl. MONTRfisOR. Cinq-Mars indeß, De Thou, Sie läugnen nichts und sie bekennen nichts. LOCMARIA. Ich wett' die Tröpfe hoffen auf den König!
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I. Text
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Und dieser Gute kriecht vor Richelieu. Besucht die Feste Seiner Eminenz. Befielt sogar, wie das Exempel lehrt Die Königin hierher, lobt ab und zu Die Einrichtung im Cardinais Pallast, Geht auf die Jagd, erobert Vogelnester, Und hat für mehr Geschäfte keine Zeit. MONTRESOR. Was thun wir für Cinq-Mars, Freund Locmaria? Zweihundert Mann und zwanzig Offiziere Sind unser unbedingt. LOCMARIA.
Ein w e n i g - w e n i g !
MONTRESOR. Genug um noch im allerschlimmsten Fall Dem - Schergen seine Opfer zu entreissen. Und über dies: Ein Wärter ist gewonnen, Der führt in dieser Nacht mich zu Cinq-Mars. 15
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LOCMARIA. U n d m i c h !
MONTRESOR. Nun wenn Du willst. LOCMARIA . S' ist abgemacht. Und wenn ich Euch nicht einen Plan zur Flucht Ersinne - einen Plan so fein und gut Daß jedem Kinde er gelingen müßte, Dann nennt mich einen jämmerlichen ... MONTRESOR in die Coulissen sehend, giebt ihm einen Wink. Still! Gieb Acht. LOCMARIA gleichfalls in die Coulissen sehend. Schon wieder der! - wer ist der Mensch? MONTRESOR. Er trägt den Rock der Garde Muskettiere. LOCMARIA. Ja wohl! und doch gehört er nicht zu ihnen. MONTRESOR. Was fällt Dir ein? LOCMARIA. Ich kenne dies Gesicht. MONTR6SOR. G e s i c h t ? D a s ist j a kein'S! D a s ist ein O h r
Des Cardinal's. Ich bitt' Dich, laß uns gehn. LOCMARIA. Ich bitt' Dich, laß uns bleiben! Den dort muß Ich sprechen. In die Coulissen winkend, halblaut. Lieber Spürhund! ehrlicher Spion! Ein Wort mit Euch! MONTRESOR. Bist Du verrückt? LOCMARIA. - Verschwunden! - Montresor - geh mir nicht nach Frag' nicht nach mir - wir sehn uns wieder - . Im Hinauseilen. In zweien Stunden auf der Louvre Brücke. MONTRESOR. Was hat er nur? - vorsichtig Locmaria! Beide ab nach verschiedenen Seiten.
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Richelieu
Zweiter Auftritt CHAVIGNY. LAUBARDEMONT.
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CHAVIGNY. ES ist umsonst er kann Euch jetzt nicht sehn! Kommt in zwei Stunden wieder, nach dem Fest. LAUBARDEMONT. Verwünschtes Fest! CHAVIGNY. Die Königin kommt hierher Macht fort Herr Oberrichter! Euer Anblick Wirkt nicht erheiternd auf die Majestät. LAUBARDEMONT. Wacht über Euren Herrn! ich fürchte sehr Sein Leben ist bedroht CHAVIGNY. In seinem Hause? LAUBARDEMONT. Ich habe Wink erhalten CHAVIGNY.
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Gut, schon gut.
LAUBARDEMONT. Geht ihm nicht von der Seite. CHAVIGNY ihn fortdrängend. Seid ganz ruhig. Die Königin! LAUBARDEMONT. Vergeßt nicht meiner Warnung. Beide ab.
Dritter Auftritt D I E K Ö N I G I N . M A R I A . Damen
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des H o f s .
ANNA, ihre Damen an der Schwelle entlassend. Bleibt in der Nähe Motteville, und wenn Des König's Spiel beendet, meldet mir's. Die Damen ziehn sich zurück. Wir sind allein wie Du's gewünscht. Nun rede. - Noch immer nicht? - noch immer still und düster? Mit mir so stumm wie mit dem Palatin? ... Der schöne Pole thut mir wirklich Leid. Kein Blick belohnt sein ehrfurchtsvolles Werben. MARIA wirfi sich der Königin zu Füssen. Ο meine Freundin! meine Königin! ANNA. - Maria! - was soll das? - steh auf mein Kind! ... MARIA. Wenn ich Dir's bin - wenn für mich die Verwaiste Ein mütterlich Gefühl sich in Dir regt, So schütz' mich vor Verzweiflung - gieb nicht zu Daß sie aus Deiner Nähe mich verbannen, Mich werfen an ein unbekanntes Herz! ...
I. Text
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ANNA. - Mein armes Mädchen MARIA. Sieh! ich fleh zu Dir Ich kann mich jenem König nicht vermalen Es wär' mein Tod - mein Tod - hab' Mitleid! - hilf! ANNA. Und hätt' ich Mitleid - Hülfe hätt' ich nicht Was suchst Du sie bei mir? ich bin ja machtlos, Noch mehr als machtlos, ich bin unglückbringend. Verdacht und Haß trifft alle die ich liebe, Verfolgung trifft die meinem Schutz vertraun. MARIA. Gewähr ihn nur aus voller, o f f n e r Seele, Gewähre ihn mit könglichem Mut! Nicht zweifelnd, nein! mit stolzem Selbstgefühl Gewähre ihn! ... Schließ mich in Deine Arme. Sag' jenen die mich Dir entreissen wollen: "Ich geb' sie nicht, wer wagt's sie mir zu nehmen? An meinem Herzen fand die Heimatlose Die sich're Heimstatt, hier ist sie daheim, Sie ruht in meiner Liebe, meinem Frieden, Und wehe dem, der sie daraus verstößt!" So sprich zu ihnen, halte so mich fest Und Keiner weiß ich, Keiner ist so kühn Die Hand zu legen an Dein Eigenthum! ANNA, die ihr staunend zugehört. Mein Eigenthum - das mir nicht mehr gehört, - Sich selbst nicht mehr, wenn irgend recht ich ahne. Nicht m i r zu Liebe süsse Lügnerin Verschmähst Du eine dargebot'ne Krone MARIA. Ο Theuerste ...! ANNA. Verdien ich Dein Vertrau'Η So gieb es mir. Du sprichst zu Deiner Mutter. MARIA. - Ich - sag Dir - was Du weißt. ANNA. - Was ich errieth. Du liebst, Maria. MARIA, mit ausbrechender Empfindung. Ihn - den alle lieben. Der König - Du - die Tausende die sich So froh in seinem Glück gesonnt - der Hof Das gute Volk, das ihn trotz seiner Jugend Den Grossen nennt! ANNA bestürzt. Cinq-Mars?! ... Ο Unglücksel'ge! Cinq-Mars steht vor Gericht. MARIA. Er ist nicht schuldig. ANNA. Er ist's, da man ihn schuldig finden will. MARIA. Der König wird nicht seinen Freund verläugnen.
ANNA. Verläugnet er dereinst nicht - seine Mutter? M A R I A schlägt die Hände vor's Gesicht. Entsetzlich - fürchterlich! A N N A fasst sie in ihre Arme. Mein armes Kind! Mein armes, liebes Kind! MARIA . Ja - Du hast Recht Der König läßt ihn sterben - er - ο Gott! Er opfert die er liebt, er opfert alle Dem Einen - den er haßt - und wenn der Eine Den Tod Cinq-Mars begehrt - so stirbt Cinq-Mars. Angstvoll. Er darf ihn nicht begehren Königin Das siehst Du ein? nicht wahr? - er darf es nicht Man muß verhindern daß er ihn begehre. ANNA. Verhindern? - wen? - Den Herzog Richelieu? MARIA. - Den Herzog Richelieu. ANNA. "Verhindern?!" - Ihn? Zu wollen was er will? Kein Gott vermag's. MARIA. Das glaubst Du nicht. Du weißt es giebt ein Wesen Das diesen starren Willen brechen kann, Ein Wesen dem der Unbeugsame sich Dereinst gebeugt ANNAflir sich. - Bis zur Erniedrigung! MARIA. Und dem er sich von Neuem beugen würde. Ο Königin! dies Wesen steht vor mir Und - Du bist es! ... ANNA. Nein nein! - bei'm Himmel nein! M A R I A . Er liebte einstens jener Mann von Eis, Er liebte Dich, und wagt' es zu gestehn Du straftest ihn mit höhnender Verachtung ANNA. Mit höhnender Verachtung - und das war Die schwere Schuld wofür mein ganzes Leben Nur eine lange Sühne ist. Ich hätt' Ihn tödten lassen, oder schonen sollen, Nicht höhnen - nie! ... Da ich's gethan, erhob Er sich von seinen Knie'n und schwor mir zu, Den e i n e n Augenblick sollt' ich bereu'η In jedem Augenblicke meines Daseins, Und schwor mir ew'gen, ruhelosen Krieg Bis an den Tag wo ich erschöpft, gebrochen, Des Kampfes müde, eine Bittende, Vor ihm erschiene - ich - die Königin! MARIA. Der Tag kam nicht - noch nicht - und Richelieu -
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ANNA. - Hielt seinen Eid mit fürchterlicher Treue. Es giebt kein Leid das er mir nicht erweckt, Und keine Kränkung die ich nicht erfuhr. So wie der Sturmwind Blüthen bricht vom Baum So brach er Freud um Freude mir vom Herzen. Mir aber blieb ein Trost in all dem Weh, Der Mut der Seele, meines Stolzes Kraft. Erhob'nen Haupt's empfing ich jeden Streich Und traf er mich im Nerv auch meines Lebens. MARIA. Und eine Bitte konnte ihn beenden Den schweren Kampf? - Ein Wort? ANNA. Ich sprach es nicht. Ich duldete und - haßte. MARIA . Ο - Mein Gott Ich preise Dich! ein lichtvoller Gedanke In dieser tiefen Hoffnungslosigkeit! Er kommt von Dir! Du sendest gnädig ihn! Sich zur Königin wendend. Jetzt meine Königin - jetzt höre mich! Mein Irrthum war's da ich gefleht: "Befiel!" Nichts von Gebieten mehr - ο beuge Dich! Der Stolz ist Krieg, und Friede ist die Demut Hab Frieden künftig und gewähre ihn Laß Dich herab zur Bitte Herrscherin. Du bathest niemals - bitte für Cinq-Mars! ANNA. W a s forderst Du?!
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MARIA. Erkauf Dir durch ein Wort Die langentbehrte Ruhe und zugleich Das Götterglück, ein Dasein abzuringen Dem sichern Tod, dem schrecklichen Verderben! Du bathest niemals - bitte für Cinq-Mars! ANNA. Ich bitten?! - Ich! - Ο nie und nimmermehr! MARIA. Auch wenn ein Leben Deiner Bitte Preis? Wenn jedes Wort das Deine Lippe spricht Zum Heile wird, von lichtem Segen strömt? A N N A streng. Begehr es nicht! nicht weiter! - S'ist genug. MARIA. So hat denn die Verzweiflung keinen Schrei Der Dir zum Herzen dringt? - Erbarme Dich! Erbarme Dich! ... Ο Königin ich möchte Der Bitte Sprache ganz und gar erschöpfen Und finde immer nur das eine Wort: Erbarme Dich! ANNA. Es kann nicht sein Maria.
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Richelieu Motteville erscheint an der Thüre und giebt der Königin ein Zeichen. Der König kommt. Beherrsche Dich. Ich will's. MARIA. Ο Gott! ANNA. Prinzessin von Gonzaga, Ihr seid geboren auf des Thrones Stufen, Bald schmückt die Krone Euer junges Haupt. Nicht früh genug - zukünft'ge Königin, Könnt Ihr die grosse Fürstenkunst erlernen Die Seele niemals - auf der Stirn zu tragen.
Vierter Auftritt VORIGE. LUDWIG. RICHELIEU.
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LUDWIG. Verweilt Madame, und leiht dem Cardinal, Der Euch für Euer Kommen danken will, Ein gnädig Ohr. ANNA. Wenn meine Gegenwart Dem Herzog Richelieu zu Dank verpflichtet, So Sprech' er ihn dem König aus, der mich Hierher befahl. RICHELIEU . Ein jeder Athemzug Aus dieser Brust ist Dank für meinen Herrn. Doch spottet er wenn er so kühn mich nennt Die Majestät zu laden in mein Haus. - Es war das S e i n e eh Ihr es betreten, Madame und Königin! Ihr seid bei ihm. Er winkt. Ein Page nähert sich, der auf sammt'nem Kissen eine Urkunde mit herabhängendem Siegel trägt. Richelieu überreicht dieselbe dem König. Nimm huldvoll an was ich in Demut biete. Dieser Pallast, erbaut vom reichen Sold Den Deine Großmut fürstlich mir gewährt, Er ist Dein Eigenthum mein hoher Herr, Weih ihn zum Haus der Könige von Frankreich. LUDWIG. Zu viel mein lieber Vetter. Ihr beschämt. RICHELIEU. Gestattet mir mein gnädiger Monarch Den letzten Hauch des schon gebroch'nen Lebens Noch unter diesem Dache auszuathmen. So übt er neue Gunst an seinem Diener. LUDWIG. Wir wünschten nichts so innig Cardinal
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Als den Besitz in den Ihr uns gesetzt Noch lang nicht anzutreten. Leise zur Königin. Seht ihn an! In wenig Tagen räumt er uns den Platz. RICHELIEU leise zu Chavigny. Er ist sehr krank, so krank vielleicht wie ich Und wird nicht froh - was meint Ihr? seines Erbes. Laut. Noch Majestät bin ich zu Ende nicht. LUDWIG. Noch nicht? noch neue Gaben? RICHELIEU.
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Gassion
Der wackre General, er legt mein König Die Normandie gebändigt Dir zu Füssen. Ein Muskettier tritt rasch durch eine Seitencoulisse links auf, gleich nach ihm Locmaria. LOCMARIA. Hab' ich dich endlich? Du entkommst mir nicht! MONTRESOR tritt von rechts auf. Kennst Du den Mann? Der Muskettier verschwindet im Gewühl. LOCMARIA. Er stand in Frontrailles Diensten, Und ist ein Schurke jeder Schandthat fähig Ein lauter Schrei. Alles drängt auseinander. Gruppen rechts und links. In der Mitte Richelieu. Chavigny hat den Muskettier gepackt. LUDWIG. Seid Ihr getroffen? ... Ο der Elende! ... Seid Ihr verwundet? ... Cardinal - Ihr seid's — RICHELIEU. Nein Majestät nur die Simarre ist's. Des Mörders Dolch glitt an dem Panzer ab Den ich gewohnt bin unter'm Kleid zu tragen. LUDWIG. Gott sei gelobt! Sich zu dem Mörder wendend. Doch Du - verfluchter Hund. Du stirbst, bei meinem Eid! - Legt ihn in Ketten. RICHELIEU. Erlaubt mir Sire ein Wort vorher mit ihm. Von wem bist Du gedungen? LUDWIG. Sprich! von wem? Du schweigst - ? Hinweg mit ihm - zur Folter - daß Sie ihm die Zunge löse! - Cardinal Sein Dolch ging vielleicht fehl und Ihr empfingt Den Streich der mir gegolten. Muskettier sich auf die Knie werfend. Nein! ... Ich schwör's! Bei meinem eig'nen Haupt - ich will d'rauf sterben Ich bin kein Königsmörder - Blickt verzweiflungsvoll umher. Dort - dort stehn Zwei edle Herrn die für mich bürgen werden Deutet auf Montresor und Locmaria. LOCMARIA. DU Teufel - wir?
Richelieu
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Ihr kennt mich - bürgt für mich. Ihr wißt - ich stand im Dienst des Herrn Fontrailles. Bezeugt es edle Herrn! RICHELIEU. Im Dienst Fontrailles? MÖRDER. Er liebt den König wie Cinq-Mars ihn liebt, Zum Cardinal. Verabscheut Euch, wie jener Euch verabscheut ... RICHELIEU. - Fontrailles? - Cinq-Mars? MARIA für sich. Ο Himmel! Himmel! - hat Denn alles sich verschworen wider ihn?! RICHELIEU zum König. Kein Zweifel mehr, des Mörders Streich galt mir! MÖRDER. Bei Christi Blut! - Ο hätt' er Dich getroffen Verfluchter Priester in Dein schwarzes Herz! ... LUDWIG. Der Elende! RICHELIEU. Hinweg - hinweg MÖRDER. Zur Holl' Mit Himmelswonne! - riß ich Dich mit mir! ... Wird weggefiihrt. RICHELIEU ZU Locmaria und Montresor. Fontrailles, der jenen dingt' ist Cinq-Mars' Freund, Auch Ihr seid seine Freunde? MÖRDER.
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LOCMARIA .
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Ja wir sind' s.
MONTRESOR. Von ganzer Seele und verläugnen's nicht. RICHELIEU nach kurzer Pause. Ich muß Euch bitten werthe Herren, nehmt Für eine Nacht Vorlieb in der Bastille. Auf ein Zeichen des Cardinais umringen Garden Montresor und Locmaria. ST. GEORGES. Den Degen wenn's beliebt. MONTRESOR. Cinq-Mars! Cinq-Mars! Die letzte Hand entwaffnet, die für Dich Sich noch erhob, Du Märtyrer der Treue! LUDWIG. SO bald? so rasch? - Das kostete viel Blut. RICHELIEU. ES komme auf die Häupter der Rebellen! Wir hatten Sire zur Milde keine Zeit. LUDWIG. Bei'm Himmel, Ihr habt Recht. - Nun - desto schlimmer Für die Empörer, die uns so gedrängt. RICHELIEU. WO Milde walten d a r f da übst Du sie Und freud'ger nimmst Du keine Bitte auf Als die um Milde. Schade Cardinal LUDWIG. Daß Ihr so selten in die Lage kommt Euch selbst davon zu überzeugen. Sire RICHELIEU. Ich bin in dieser Lage jetzt.
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LUDWIG.
Wahrhaftig.
Das heißt bei'm Worte nehmen. Redet denn. RICHELIEU. Ich bitt' um Gnade Eure Majestät Für Ihren königlichen Bruder. LUDWIG kalt.
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Monsieur? - bat e r darum? - ergiebt er sich? RICHELIEU. Er fleht um Schonung. Sieht sein Unrecht ein, Bereut es schwer, und fügt sich jeder Busse. LUDWIGför sich. Verächtlich! - Laut. Ja - der Prinz von Orleans Ist wie ein Kind das tausendmal gewarnt Von Neuem immer in das Feuer greift. Und hat es sich die Finger arg verbrannt Zum Vater läuft und - um die Ruthe bittet. Wir können ihn begnad'gen, doch nicht bessern. Indeß - Ihr spracht für ihn, das gilt sehr viel, Noch Schlimmeres - wenn's irgend Schlimm'res giebt Als Hochverrat - verzeih ich, wenn Ihr's riethet. RICHELIEU verneigt sich. Zu huldvoll Sire. LUDWIG nachlässig. Und darum Cardinal Habt Ihr noch and're Schuldige - Verirrte Der Gnade ihres König's zu empfelen, So zögert nicht, ich höre - nennet sie. RICHELIEU. Wenn so ich darf, dann nenne ich Bouillon. Der König macht eine Bewegung der Ungeduld und will reden. Richelieu sieht ihn fest an und er senkt die Augen. RICHELIEU. Er bietet Bürgen Sire für seine Treue, Begiebt fortan sich seiner Hoheitsrechte, Und tritt Sedan die wicht'ge Grenzesfeste Für alle Zukunft an die Krone ab. LUDWIG. Ein grosser Sieg, ein kostbarer Gewinn! Sedan der Herd an welchem die Empörung Jahrhundertlang ihr fressend Feuer nährt, Der Dom im Fleisch, die immer o f f n e Drohung Die stets bereite Zuflucht uns'rer Feinde, Sedan - Sedan erobert ohne Schwertstreich! - Wahrhaftig Cardinal noch niemals trug So gute Frucht der Giftbaum Felonie. RICHELIEU. All dies erwägend wagt' ich meine Bitte. LUDWIG. Ihr thatet Recht. Gewiß, um solchen Preis Darf die Vergebung sich erkaufen lassen. Wir sind gestimmt sie Allen zu gewähren
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Richelieu Die durch ihr Unrecht Vortheil uns gebracht. Vollendet Cardinal. RICHELIEU. Vollenden Sire? Ich bin zu Ende. LUDWIG. Wie? ist Keiner mehr Den Uns'rer Gnade Ihr empfehlen dürft? RICHELIEU. Nein Majestät. MARIA. Ο Herzog Richelieu! RICHELIEU wendet sich zu ihr. Was steht zu Diensten der Prinzessin Hoheit? MARIA. Noch einer ist, noch einer Eminenz Für den Ihr sprechen dürft. Ach Ihn beschützt Vor Strafe seiner Schuld kein Fürstenname, Er hat auch keine Städte zu verschenken, Kann keiner Hoheitsrechte sich begeben. Er ist nicht Bruder eines Königs - er Ist mehr und weniger zugleich - er Ist eines Königs Freund ... Sie hat sich bei den letzten Worten direkt an den König gewendet, dieser weicht verlegen aus. LUDWIG. Von wem sprecht Ihr? RICHELIEU rasch einfallend. Ich fürcht es zu errathen Majestät. Gestattet mir mein König Ihrer Hoheit In seinem Namen Antwort zu ertheilen? LUDWIG bitter. Ihr seid mein Ohr und Auge Cardinal, So mögt Ihr denn auch meine Zunge sein. RICHELIEU ZU Maria. Der Schuldige den Eure Hoheit meint, Führt wie sie selbst bemerkte keinen Namen Der unverletzlich seinen Träger macht. Er hat auch keine Bürgen anzubieten Für seiner Reue Ernst und Wahrheit. W e n n Er strafbar ward, muß er auch Strafe leiden. MARIA. Des Königs Gnade kann die Strafe lösen. RICHELIEU. Das steht bei Ihm. Ich darf dazu nicht rathen. MARIA. Nicht rathen? - wie? - so fleht denn Eure Bitte Für Jene nur die ihrer nicht bedürftig? RICHELIEU. Des Königs Gnade ist uneingeschränkt Sie kann von Strafe nicht allein, sie kann Noch mehr - sie kann von Schuld befrei'n. MARIA. Von Schuld? RICHELIEU sich zum König wendend. Ein einzig Wort aus Eurem Munde Sire Macht Unrecht zum Verdienst, das Schlechte - gut, Den Hochverrat verwandelt's in Gehorsam. Sprecht aus dies Wort, erklärt, was auch geschah
I. Text
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Geschah mit meinem Wissen, meinem Willen ... ihm in's Wort fallend. Ich wußte nichts - ich nicht - ich hoffe sehr Daß Niemand hier dies zu bezweifeln wagt M A R I A zum König. Wenn Ihr's gebilligt war gerecht sein Thun! Ihr habt's gebilligt Sire - und dies war gut. Es mußte gut sein weil Ihr es gethan, Und weil der König unfehlbar wie Gott! Ο Majestät! des Freundes Schuld zu tilgen Werft Euren Königsmantel über sie! LUDWIG. Ich steh nicht ein für Thaten Anderer. MARIA. Erbarmt Euch! - hört LUDWIG. Genug, genug Prinzessin. Wir lieben nicht daß man so in uns dringe. MARIA. Auf meinen Knie'Η ... LUDWIG. Vergeßt nicht Eurer Würde. Ihr macht zum Schauspiel Euch dem ganzen Hofe. RICHELIEU. Ο wahrlich, wahrlich zum erhebendsten Das jemals Sire, ein fühlend Herz entzückt. Ein heilig Frauenrecht übt Ihre Hoheit Das Recht des Mitleids und der frommen Bitte Die sich zum Anwalt der Verlaß'nen macht. Herr Palatini Ich wünsch' Euch herzlich Glück! Ihr führt dem König Eurem Herrn nicht nur Die schönste Königin, Ihr führt ihm auch Die beste zu, die je den Thron geziert! Maria wirft sich weinend in die Arme der Königin. A N N A zu Richelieu. Bei'm Himmel Cardinal, noch schrecklicher Als Euer Zorn ist Eure Schmeichelei. Leise zu Maria. Beruh'ge Dich - vertrau ... MARIA . Auf Dich! - Ο Gott Du wolltest ... Habe Dank ... ANNA. Halt ein! - wenn ich Es thue - w e n n - (noch scheint es mir unmöglich) Dann lohnt's kein Dank. L U D W I G zu Richelieu. Das Fest ist doch zu Ende Herr Cardinal? RICHELIEU. Sobald der König scheidet. Er giebt Chavigny ein Zeichen. Bewegung im Saale. Huissier klopft dreimal mit dem Stabe auf den Boden. Des Königs Majestät verläßt das Haus! LUDWIG. Leb wohl dem edlen Wirt. Da Richelieu sich anschickt ihn zu begleiten. Bemüht Euch nicht. LUDWIG,
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Richelieu RICHELIEU. Ich übe Sire mein Recht und meine Pflicht. LUDWIG zur Königin. Wir folgen Euch Madame. ANNA. Maria - kommt. König, Königin, Maria, Richelieu gehn dem Ausgange zu, der Hof drängt nach. Der Vordergrund der Bühne wird frei.
3.
Richelieu 's Ende
(H3)
Andere Fassung (Erster Aufzug, erster bis dritter Auftritt und vierter Aufzug, dritter Auftritt)
Erster Aufzug Erster Auftritt
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BEAUFORT. Verderben über sie! - Ο wär ich König Für einen Tag, für eine Stunde nur! DETHOU. ZU lange schon! - verzeiht. BEAUFORT. Meint Ihr? nun seht, Auch mit Minuten wollt ich mich begnügen Ich wollte nur solange Ludwig sein Als Zeit man braucht um "Ludwig" aufzuschreiben. LOCMARIA. Und wohin setztet Ihr den Namen? Den setztet Ihr - ob ich's errathe BEAUFORT.
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Unter
Das Todesurtheil Herzog Richelieu's. LOCMARIA. Wem fällt's denn ein ihm Kühnheit abzusprechen. Er ist Johann's Enkel Heinrich's Sohn Das Mark dank ihnen! liegt ihm schon im Blut.
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Erster Aufzug Erster Auftritt La Ruel. Arbeitszimmer Richelieu's.
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Ein Page hereingedrängt durch Abbe de Langy. LANGY. Thut Eure Pflicht, meldet mich. PAGE. Seid Ihr bestellt. LANGY. Persönlich, durch Seine Eminenz. Eilt doch! PAGE. Ich gehe, doch wartet Draussen. LANGY. Damit mich Jeder sähe! Heimlich soll ich kommen und gehn. PAGE. Wenn's denn sein muß. Doch glaubt mir, Ihr thätet besser im Vorgemach zu warten. Page ab.
Zweiter Auftritt
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LANGY allein. Im Vorgemach? Er mag nicht Unrecht haben. Das ist gewiß, hier drückt die Luft. Geht an die Mittelthiire. Halt - Stimmen! An die Seitenthüre tretend durch welche er kam. Verschlossen! - nun - so helf mir Gott - so muß ich bleiben. Unheimlich. Kein Wunder - es schweben Todesurteile in dieser Luft. Verging ein Tag an welchem hier keines gefällt wurde? Da laufen alle Fäden des grossen Netzes zusammen das Richelieu über die halbe Welt gesponnen, in welchem er Fürsten und Völker fängt. Tritt an den Schreibtisch. Ein Blick in diese Schriften - wäre gleich einem Blick in die Zukunft. Lesend ohne eines der auf dem Schreibtisch liegenden Mappen und Schriften zu berühren. England - Spanien - Polen und Schweden Deutschland, geheime Relationen - Rechnungen über die Supsidien an die Schottischen Empörer - Und hier: Mirame - ein Trauerspiel. Die Beichte des Königs - Abschriften der in der Cassette der Königin gefundenen Briefe ... Ein Plan von Perpignan - Ein Schäfergedicht.
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Dritter Auftritt D E R V O R I G E . RICHELIEU und
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PAGE.
RICHELIEU. Ruft ihn? wie schon hier? Ihr habt hier gewartet. Hier - an diesem Tische? LANGY. Ja Eminenz. RICHELIEU zum Pagen. Kennst Du nicht den Befel? Hier wartet Niemand. PAGE. Herr ich glaubt' - ich dachte RICHELIEU. DU bist Deinem Dienste entlassen Graf Alfred Hericourt. PAGE. Ο Herr LANGY . Ich bitte Eminenz RICHELIEU ruhig nach der Thüre zeigend. Fort. PAGE. Ich gehe Herr. Ab. LANGY. Ihr straft ihn für meine Schuld - bedenkt Eminenz - er ist die einzige Hoffnung seiner Mutter - er gehört zu einer der {edelsten,} stolzesten Familien Frankreichs. RICHELIEU. {Edel?} Stolz? für Stolz ist Demütigung gut. Redet. Ihr kommt von Köln. Wie fandet Ihr die Königin Maria von Medicis. LANGY. Im Elend. Durch den Volkshaß aus Holland vertrieben - verlassen von allen Feunden - der tiefsten Armut anheim gegeben. RICHELIEU. {Beugt sie sich} (Hat das Leben) endlich (sie) gebeugt? LANGY. Der Tod beugt sie, sie ist sterbend, und fleht in Frankreich sterben zu dürfen. Vergönnt Ihr die Rückkehr. RICHELIEU. Nicht ihre Asche darf in Frankreich ruhn. Tilgen muß ich selbst die Erinnerung an sie. Genug. Eure Sendung ist erfüllt. {Es war die letzte. Er} (LANGY. Hat Eure Eminenz keinen neuen Befel für mich? RICHELIEU. Ja wohl, Abbe. Schreibt einige Worte auf ein Blatt und) läutet, ein Capitain der Garden, erscheint auf der Schwelle der Mittelthiire. {Führt den Abbe de Langy in die} (Das Blatt an den Commandanten der Bastille. Ihr fuhrt den Abbe) LANGY. Bin ich denn gefangen? RICHELIEU. Ihr werdet die Bastille nicht mehr verlassen. Sucht Euch das Leben dort angenehm zu machen. LANGY. Was hab ich denn verbrochen? RICHELIEU. Ich fand Euch an diesem Tische lesend. Ihr seid neugierig, und Neugierige sind schwatzhaft. Was hier geschrieben steht ist nicht für die Öffentlichkeit. Geht. LANGY. Ο Eminenz - Erbarmen RICHELIEU. I h r b i t t e t ?
(Meldet den Tod der Königin Mutter.) ndZ hinzugefügt·, ohne
Tilgung.
Richelieu 's Ende
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LANGY. Auf den Knien RICHELIEU. Der kleine A. hat nicht gebeten. Kinder scheint es kennen mich besser als Ihr. Lebt wohl. Langy ab mit dem Capitain.
Verwandlung. Zimmer bei der Königin. GASTON. BOUILLON.
BOUILLON bietet Blut und Gut für die Sache des Königs. GASTON sagt sich von jeder Verantwortlichkeit los, er kann nur Erfolge, nicht Niederlagen theilen.
VORIGE, A N N A . M A R I A , gleich
darauf
C I N Q - M A R S , D E THOU und
FONTRAILLES.
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ANNA. Der König ist krank, sein nahes Ende zu besorgen. Im Falle seines plötzlichen Todes bin ich hülflos in der Hand des Cardinais. Euch die ich für meine Freunde halte ruf ich um Hülfe, für mich und meine Kinder. CINQ-MARS. ES gibt nur ein Mittel. Frieden mit Spanien. Dein Bruder wird Dich schützen. Das ist der Herzog von Bouillon, der Mann der schon einmal dem Cardinal siegreich entgegen trat. Er biete Dir seine Festung Sedan wohin Du Dich mit Deinen Kindern zurückziehst. BOUILLON. Ich biete Dir's Königin, mein Haus ist Dein und jedes Schwert worüber ich befehle, wird Deine Sache führen. CINQ-MARS. Schon längst erscheint mir's als unser Heil, Spanien uns zu verbünden, Deine Heimat. Olivarez hat oft Dich mit Bitten bestürmt nicht zuzugeben daß dieser Krieg währe. Höre ihn. Schliesse einen Traktat mit ihm, er bietet Dir wenn Du Dich nach Sedan zurückgezogen, zu Deinem Schutz 12.000 Mann zu Fuß und 5.000 Reiter. 400.000 Thaler zu Werbungen. Das Oberkommando über die Truppen dem Herzog von Orleans. GASTON. Ich wäre bereit es zu nehmen.
I. Text
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Vierter Aufzug Dritter Auftritt schlägt die Hände vor's Gesicht. Entsetzlich! ANNA. Weine! bete! ... Sieh ich thu's Mit Dir. M A R I A wirft sich von Neuem vor ihr nieder. Ο thue mehr! Ο hilf und rette! ANNA. Ich helfen - Ich? die machtlos Unterdrückte Die Schattenkönigin! MARIA. Du bist nur machtlos Wo's zu b e f e h l e n gilt - doch Deine B i t t e Hat wunderbare Kraft. MARIA
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ANNA.
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W e n sollte ich
Zu bitten mich erniedrigen? Maria, Der Feind Cinq-Mars er ist der meine auch! MARIA. Vergiß das jetzt - und denke nur an Rettung ANNA. W a s forderst D u ? -
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MARIA. Ein grosses Opfer von Dem größten Herzen - eine That so schön Daß sie's verdient, von Dir vollbracht zu sein! Ο tritt vor Richelieu ... ANNA. Vollende nicht! Ich kann zu diesem Manne niemals flehn. MARIA. Auch wenn ein Leben Deiner Bitte Preis? Wenn jedes Wort das Deine Lippe spricht Zum Heile wird, von lichtem Segen
II. Kritischer Apparat
Richelieu
1. Editorische Hinweise Zeichen und Abkürzungen: {} Tilgung {{ {} }} () ({{))) {(}} }1 [] χ x-x x-x-x aR ndZ üdZ udZ F Η WSLB IN / ZPH
sekundäre Tilgung, eine primäre umschließend (so daß also eine Tilgung innerhalb der Tilgung vorhanden ist) Hinzufügung sekundäre Hinzufügung, innerhalb einer primären enthalten getilgte Hinzufügung Tilgung durch Daraufschreiben Ergänzung der Herausgeberin unleserlicher Buchstabe unleserliches Wort unleserliche Wortgruppe am Rande neben der Zeile über der Zeile unter der Zeile Fußnote Handschrift Wiener Stadt- und Landesbibliothek Inventarisierungsnummern
Wiedergabe des Textes: Die Kurrentschrift in Η 1 , H2 und H3 ist in Antiqua wiedergegeben. Der unterstrichene Text für Akte, Szenen und für die meist abgekürzten Personennamen in H1 (kurrent, Antiqua für Akte), H2 (Antiqua) und H3 (kurrent, Antiqua für Personen) wird ohne Unterstreichung in Antiqua wiedergegeben, wobei Personen zusätzlich als Kapitälchen erscheinen. Die unterstrichenen Bühnenbeschreibungen der Handschriften sind kursiv gesetzt wie auch die Szenenanweisungen (in H' kurrent, in H2 und H3 Antiqua), die in H1 meistens und in H2 immer in Schrägstrichen erscheinen und in allen drei Handschriften unterstrichen sind. Der Vers verlauf wurde aus den Handschriften übernommen, und die verwendeten Unterstreichungen wurden als Sperrung wiedergegeben. Abbreviaturen, zur Beschleunigung des Schreibens verwendet ( " u . " für 'und' sowie andere Abbreviaturen), wurden ausgeschrieben. Zitate und Verweise: Zitatnachweise erfolgen unmittelbar nach den Zitaten in runden Klammern oder in Fußnoten mit Namen und Seitenangabe. Für ungedruckte Quellen und für Sammelausgaben werden Siglen verwendet, die im Quellenverzeichnis aufgeführt und mit bibliographischen Angaben versehen sind.
Richelieu
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2. Zur Gestaltung von Text und Apparat Der kritische Apparat berücksichtigt alle Handschriften. Es handelt sich bei der Handschrift Richelieu (H 2 ) offensichtlich um die Überarbeitung der früheren Handschrift Richelieu's Ende (H 1 ), was daraus ersichtlich ist, daß ein Großteil der in H 1 vorgenommenen Tilgungen und Hinzufügungen in H 2 einbezogen wurde. Trotzdem gibt es zwischen den Fragment gebliebenen Fassungen Richelieu's Ende (H1) und Richelieu (H 2 ), besonders zu Beginn und am Ende der Fassungen, wesentliche Unterschiede. Die Anordnung der Auftritte in den Aufzügen ist in den beiden Fassungen nicht identisch; es kommt in H 2 grundsätzlich zu einer häufigeren Unterteilung in Auftritte. Die größten Ähnlichkeiten zwischen H 1 und H 2 finden sich in den mittleren Textteilen der beiden Fassungen, und darauf konzentriert sich das folgende Varianten Verzeichnis. Die Textvarianten werden in chronologischer Abfolge einander gegenübergestellt. Dabei wird der Text aus H 1 und vereinzelt aus H 2 in seiner korrigierten Form aufgeführt. Wenn in H 2 eine Variante übernommen wurde, die in H' als Fußnote aufgeführt ist, wird dies in der Seitenspalte mit F statt Zeilenzahl gekennzeichnet. Orthographie, Interpunktion und Vers verlauf werden beibehalten. Eingegriffen wurde nur bei offensichtlichen Wortfehlern und sinnentstellenden Schreibfehlern. Fehlende Umlautpunkte wurden ergänzt. Es gibt keine wesentlichen Veränderungen in der Orthographie, in der Laut- und Wortgestalt sowie der Interpunktion zwischen den Handschriften. Die Beschreibung in den Sammelvarianten bezieht sich hauptsächlich auf H 1 und H 2 .
3. Sammelvarianten Viele orthographische Varianten basieren auf der Uneinheitlichkeit der damaligen Rechtschreibung. Die Interpunktion wird in Handschriften und besonders Handschriftfragmenten des öfteren recht spärlich und auch falsch verwendet. Im Folgenden werden anhand von Beispielen die Varianten erläutert. Dabei handelt es sich bei den Beispielen nicht um eine vollständige Liste.
a. Vokalismus und Konsonantismus α . Im Anlaut wird in beiden Fassungen grundsätzlich Α und U statt Ae und Ue verwendet: Änderung (639,7), Übermut (569,20; 638,22), Übel (639,4), Überraschung (584,13; 652,6), Überzeugung (590,22; 656,7). β . In beiden Handschriften wird äu statt eu in folgenden Wörtern verwendet: verläumden (570,31,32; 640,5), verläugnen (577,6,7; 645,9,10; 685,37; 690,13), läugnen (682,25).
II. Kritischer Apparat
707
γ. In beiden Handschriften wird ftir das Substantiv Hilfe und das Adverb die Schreibweise mit ü verwendet: Hülfe (572,28; 575,17; 634,6; 675,16; 685,4), hülflos (589,7; 665,21). Daneben tritt hilft (597,16; 660,7) und hilf (595,31; 685,3) auf. δ. ie und i: Beide Schreibweisen treten in den beiden Fragmenten auf, wobei in H' die Schreibweise mit ie und in H2 die mit i Uberwiegt: giebt (574,9; 604,21; 623,18; 636,1; 646,7), gieb (590,7; 651,15), ergieb (680,10), begiebt (691,22), übergiebt (620,18), neben gibt (591,8; 638,15; 638,20; 641,9), gib (591,30). Außerdem tritt in H2 einmal die Schreibweise Zwitracht (639,4) auf. ε. Vereinzelt taucht in beiden Fassungen noch aa auf: Schaaren (577,22; 645,22), Maaß (584,5; 590,7; 609,3; 651,16; 655,23); aber auch Wage (572,14; 641,13). ζ . In beiden Fassungen steht noch blos (577,23; 639,4), aber es findet sich: deß (674,27), indeß (608,20; 682,24; 691,13), deßhalb (671,9), dießmal (599,17; 661,25) neben indessen (621,16; 622,13) und dessen (573,25; 611,4; 642,15). η . Substantive mit der Endung -nis treten in H' noch durchweg mit dem damals gebräuchlichen -niß auf: Gedächtniß (574,5; 601,17), Gefängniß (617,18), Geheimniß (619,18; 616,24), Zeugniß (619,24), ereignißvolle (623,11). In H2 treten beide Formen -niß und -nis auf: Bedrängniß (681,3), Gefängniß (674,19; 680,11), aber auch Gefängnis (674,16). Θ. In beiden Fassungen kommen sowohl ss als auch β vor: blossen (597,17; 660,8), blosse (626,13), Grossen (567,16; 672,24), grosser (571,8), grossen (586,8; 631,8), büssen (597,23; 569,8; 645,18; 660,14), ausser (589,15; 604,17; 663,8), Geissei (571,11; 640,19), schliessen (575,10; 593 F; 643,21; 658,19), grüssen (592 F; 657,2), Grösse (614,9; 615,1; 655,16) neben weiß (566,6; 567,23; 656,13; 660,22), daß (661,34; 663,1), müßt (568,9; 569,16; 678,25; 638,18), gebüßt (570,21; 639,28), läßt (576,9; 598,6; 642,10; 644,18), gewiß (614,13; 589,14; 655,10; 682,4), Gruß (579,20; 583,26; 647,10; 651,7), Buße (602,5; 662,26), muß (614,2; 616,27; 669,12; 671,18). i. In If findet sich verstärkt th, während in H1 th und t nebeneinander stehen. In beiden Fassungen steht: verrathen (607,19; 647,14), gethan (618,1; 648,16), Thor (5812; 648,18), thun (606,16; 669,10), riethen (569,10; 638,12), Thaten (571,7; 640,15), bath (588,2; 654,2), Rath (594,17; 639,25), Thüre (583,22; 651,3). In H2 tritt außerdem auf: Todesurtheil (632,18), Hochverrath (645,6), Werth (649,22), Priesterthum (650,12), Verräther (651,8), Blüthe (653,4), Gebeth (657,8), Gegentheil (659, 30), Antheil (676,3); in H' aber steht: Hochverrat (577,3), Blüte (587,5), Irrtum (599, 22), Gegenteil (595,16), Anteil (586,8), Todesurteil (626,9), wert (590,24). κ. In beiden Fragmenten findet sich die Schreibweise dt für t: tödtliche (579,8; 646,8), tödtet (613,14; 638,9), tödten (686,27), todt (581,1), Todten (598,9; 661,7). λ. Die Schreibweise mit und ohne Dehnungs-h tritt in beiden Fassungen nebeneinander auf: Auserwälten (661,16), erglüten (571,19; 640,26), gezält (602,8; 662,29), befiel (649,1; 672,11), gefiel (673,19), wälen (577,30), vermälen (685,2), allmälig (679,18), befeien (613,36; 641,30), Befel (614,9), empfelen (691,18). Aber es steht auch wohl (621,29; 693,32), wohlan (601,22; 665,11), befehl' (656,19; 635,31), Befehle (596,28; 615,16), zähl' (571,31; 640,38), fühlt (591,17; 640,9), befiehl (665,20),
708
Richelieu
verschmäht (610,3; 670,3), wählen (645,27), empfehlen (692,4), glüht (681,7). Die Schreibweise Ohl (636,31) tritt einmal in H2 auf. μ. In H2 taucht auch einmal mm in Samt auf: sammt'nem (688,11).
b. Groß- und Kleinschreibung α. Die Anredepronomen werden groß geschrieben sowie gelegentlich auch Pronomen und Possessivpronomen, die sich auf den König beziehen: Uns're (666,16), Wir (666,20), Dieser (681,9). Dies tritt häufiger in H' auf: Unsre (595,21; 620,15), Uns (600,12), Wir (600,14; 606,23). ß. Indefinitpronomina und Zahlwörter werden in beiden Fassungen zur Betonung groß geschrieben: Alles (575,11), Allen (565,18; 679,17; 691,36), Alle (565,5; 567, 32; 663,8), Andere (589,4; 654,12), Andern (583,2; 587,30; 676,7), Einen (604,4; 664, 3), Einem (603,21), Eins (626,32; 679,14), Einzige (597,21; 634,13), Keinem (604,3; 664,2).
c. Fremdwörter α . Die Endung -iren für Substantive und Verben romanischen Ursprungs erscheint nur einmal in Η', ansonsten steht -ieren: marschirt (575,26), aber regiere (620,12). β. Beide Fassungen verwenden die französische Schreibung oder eine Angleichung ßr folgende Wörter: Cardinal (565,21; 632,9), Ligue (677,15), Coulissen (683,19), Felonie (691,32), Huissier (611,18), Artilleur (565,2), Secretaire (624,4). γ. Es kommt zu einer Angleichung an die englische Schreibweise in den Fassungen: Gallerie (585 vor 1; 631 vor 1), Muskettier (683,22), Courier (620,13). δ. C wird bei folgenden Wörtern romanischen Ursprungs in beiden Fassungen statt k oder ζ verwendet: Capuze (643,3), Capuziner (574 vor 1; 643 vor 1), Creatur (570,9; 639,16), Comödie (570,35; 640,8), Tractat (575,30; 643,13), Academie (673,15), Princessin (654,1), aber es treten auch Traktat (600,27; 665,15) und Prinzessin (586,11; 665,18) auf
d. Der Apostroph In beiden Fragmenten wird der Apostroph häufig und gelegentlich inkonsequent eingesetzt. a. Apokopierung und Synkopierung bei Verben: sag' (573,14; 632,6), wollt' (570,5; 632,13), schrei'n (626,10; 632,26), trüg' (632,32), fürcht' (568,2; 632,33), leb' (587,9; 634,11), befehl' (635,31), erwart' (639,7), verabscheu' (640,38), schmäh'n (648,28), beruh'ge (587,11; 653,8), rechtfert'ge (592,10; 657,12).
709
II. Kritischer Apparat
ß. Apokopierung und Synkopierung bei Substantiven: Holl' (632,6), Partei'n (568,3; 634,19), Mißtrau'α (570,29; 640,3), Lüg' (571,33; 640,39), Müss'gen (572,25; 641,22), Näh' (641,22), Kön'gin (570,31; 653,3), Lieb' (588,8; 654,4). γ. Apostroph beim Genitiv: Auftritt's (632,6), Cardinal's (634,22), Schicksal's (642, 13), Traktat's (575,7; 643,19), Triumpf's (591,16; 656,29), Mut's (657,5), Bruder's (657,12), Diener's (599,9; 661,18), Hochverrat's (675,4). δ . Beim Genitiv von Namen tritt der Apostroph auf: Richelieu's (570,11; 631,14), Concini's (573,9; 642,2), Bouillon's (575,21; 644,10), Strafford's (580,31; 648,13), Ludwig's (585,22; 657,13), Corneille's (582,8; 649,27), Philipp's (658,1). ε. Als Zeichen der Apokopierung und Synkopierung bei Adjektiven und Adverben: eig'nen (592,1; 631,9), gnäd'ge (601,1; 637,5), aufgeblas'nen (569,21; 638,23), bitt'rem (573,3; 641,35), gold'ne (643,1), lang' (653,7), span'sche (593 F, 658,10), neu're (595,11; 659,24). ζ. Bei Synkopierung der Indefinitpronomina und Zahlwörter: and're (570,7; 639,14), kein's (683,15). η . Bei Synkopierung von Possessivpronomen: uns'ren (632,8), uns're (570,23; 639, 30), mein's (675,25). Q.Ais Zeichen der Synkopierung bei Präpositionen: bei'm (574,13; 686,20), in's (584,16; 693,2), unter's (676,7), ge'n (585,20; 640,31), auf's (586,6; 644,22), an's (598,2; 672,31), vor's (686,1). i. Schreibweise mit Apostroph auch bei: welch' ein (636,1). κ. Bei Pluralformen: Portefeuille's (620, nach 20).
e. Interpunktion Die Interpunktion in den drei Handschriften ist in der Setzung von Kommas, Punkten, Semikolons, Gedankenstrichen sowie dem Einsatz von drei Punkten sehr unterschiedlich. Sie ist in den Fassungen, da es sich um Fragmente handelt, recht sporadisch und inkonsequent. Es fehlen vor allem Kommas vor Konjunktionen wie daß, weil, wenn und denn sowie vor Infinitivkonstruktionen und Relativsätzen. Das Komma steht aber des öfteren vor und sowie oder bei Verbindung mit gleichrangigen Wortgruppen. Appositionen werden grundsätzlich nicht in Kommas eingeschlossen. Es steht gelegentlich ein Komma nach der Apposition. Die Kommasetzung erfolgte in der Regel erst in den vollständig ausgearbeiteten Fassungen.
Richelieu
710
4. Varianten Verzeichnis Richelieu's Ende (H1) wurde überarbeitet, wobei Tilgungen und Hinzufligungen besonders des zweiten Aufzugs in die überarbeitete Fassung Richelieu (H2) eingegangen sind. Der Beginn der beiden Fassungen sowie der dritte Aufzug mit Beginn des zweiten Auflritts sind vollkommen verschieden. H' enthält im Gegensatz zu H2 keinen vierten Aufzug. Nicht alle, aber doch die meisten der in H' vorgenommenen Tilgungen und Hinzufügungen wurden in die Fassung H2 übernommen, und es sind in H2 auch Textvarianten eingegangen, die in der Handschrift H' am Rand oder in einer linken Textspalte als Alternativvarianten ohne Tilgung erscheinen und in der hier abgedruckten Fassung H1 in einer Fußnote aufgeführt sind. Das folgende Verzeichnis zeigt die Unterschiede zwischen H' und H2 aus dem zum größten Teil übereinstimmenden mittleren Textteil der beiden Fassungen, d. h., es werden Η' (1, 2 bis III, 1, S. 568-610) und Η2 (I, 4 bis III, 1, S. 639-670) miteinander verglichen. Die gelegentlich auftretende unterschiedliche Verseinteilung der Texte, die variierende Interpunktion sowie kleinere Abwandlungen der Szenenbeschreibungen werden in dem Verzeichnis nicht berücksichtigt: Η1
H2
I, ii
I, iv
570,33
Wenn er's gethan, straf' ihn
Wenn er gefehlt, straft ihn
572,7
Ja, manche weiß ich fluchen ihm zu Recht,
Er trüge sie allein, ich bin nicht Schuld
[fehlt]
An all dem Blut das seine Hand vergießt.
572,20
LUDWIG. E r hat m i r treu
[fehlt]
bis
Gedient, undankbar würd' ich scheinen.
[fehlt]
ClNQ-MARS. Ο
[fehlt]
572,22
Was liegt am Schein?
[fehlt]
572.22
LUDWIG. DU hassest Richelieu,
LUDWIG. Du hassest ihn?
572.23
ich leide, leide!
[fehlt]
572.26
Gab's einen Mann, so kühn in seiner Treue
hier in meiner Näh'
572.27
so groß, so blindlings mir ergeben
Gab's einen Mann so groß, so stark und treu,
573,10
Ο König! König!
- O - K ö n i g ! ...
573.14
Offizier von der Garde
573.15
OFFIZIER. Ein Bote aus Toulouse.
kommt.
LOCMARIA
meldend.
Ein Bote aus Toulouse.
573.20
Die hohe Frau ist auf
Die ihre Ankunft durch ihn melden läßt.
573.21
Dem Weg nach Perpignan.
LUDWIG. Sie kommt hierher?
573.21
ClNQ-MARS rasch. Die Königin -
ClNQ-MARS. Sie kommt? - Die Königin
573.22
Allein?
Allein?
573.25
Sie kommt wohl selbst, mich dessen zu
Und wünscht wohl dessen, selbst mich zu
573.26
versichern.
versichern.
Zu dem Offizier. Folgt.
Zu Locmaria. Folgt. Beide ab.
IL Kritischer Apparat
711
642,1
[weiterhin: Zweiter Auftritt]
Fünfter Auftritt
574.12
das mir schweigend reift
das mir herrlich reift,
574.13
Und ernten will ich
Und pflücken will ich
574.14
Ob sie mir Leben bringt ob Untergang.
Ob Ruhm die Emte, oder Untergang.
I , iii
I, vi
I, ν
643.13
CINQ-MARS.
C I N Q - M A R S reicht
576.4
FONTRAILLES. Ein kleines Kunststück, wenn
DETHOU. Ein Kinderspiel wahrhaftig!
ihm das
Blatt.
bis
Wie groß sein Anhang hier im Lager ist.
[fehlt]
DE THOU. Des Cardinais!
[fehlt]
man nur bedenkt
FONTRAILLES. Nicht doch: Cinq-Mars!
[fehlt]
576,6
DE THOU. Wahrhaftig? ...
[fehlt]
576,18
Der König kennt, er billigt Euren Plan?
Der König kennt doch, billigt Euren Plan?
577,21
Er ist die Fahne nur in meiner Hand
Er ist der Fahne gleich in meiner Hand,
577.23
Ein Zeichen blos, um das
Ein Zeichen nur um das
577.24
Wir walten ihn weil er auf Erden nichts
Den Namen liefert er, und ich - die Schlacht.
577.25
So giftig haßt als diesen Cardinal.
[fehlt]
577.26
Sein Walspruch lautet: Tod dem Richelieu!
[fehlt]
577.27
Und diesem Feldruf folg ich in die Schlacht,
[fehlt]
577,31
an Dich nicht Worte mehr verschwenden.
an Dich nicht Worte erst verschwenden.
577,34
Denn Dein Vertrauen fesselt meine Hand.
Denn Dein Vertrauen bindet mir die Hand,
578.5
Ich hab im Leben einzig Dich geliebt.
Ich hab' im Leben nichts wie Dich geliebt ...
578.6
Du hast's gesagt.
Ich muß! Ich will!
578,9
Sich losreissend,
Reisst sich los,
578,18
Was auch geschieht, gerettet ist der Freund.
CINQ-MARS rasch ab.
578,18
Beide ab.
FONTRAILLES ihm
646.14
[fehlt]
Ist er zu gut zur Hölle? er soll mit!
646.15
[fehlt]
Ich bin dafür wir braten in Gesellschaft.
579
Vierter Auftritt
Siebenter Auftritt
I , iv
I , vii
581.13
Mahnt ihn an Alles was er Euch verdankt,
Mahnt ihn ...
581.14
Ein Wort aus Eurem Mund
RICHELIEU. - An seiner Mutter T o d - -
648.31
[fehlt]
MAZARIN. Nicht doch!
folgend.
648.32
[fehlt]
Nicht doch! an alles was er Euch verdankt
64833
[fehlt]
Ein Wort aus Eurem Munde ...
581,27
Spricht er von Euch.
Sprach er von Euch.
582,1
MAZARIN lächelnd. Pyrame
MAZARIN nimmt das Buch und liest den
582,4
"Mirame, ein Trauerspiel! - so sagt der
Und Bradamonte, von Armand Richelieu."
Titel. "Pyrame
Titel.
Der grosse Staatsmann ist ein kleiner Dichter.
Richelieu
712 582,13
ach ich sterbe / Ein Kinderspott! ...
[fehlt]
582,22
MAZARIN. Vermag nichts mehr zum Zorne
[getilgt]
Euch zu reizen? bis
Wißt Ihr es auch wie schwer Ihr schon
[getilgt]
beleidigt? ... Es geht ein schändliches Pamphlet von Hand
[getilgt]
Zu Hand am Königshof, im Volk, im Lager,
[getilgt]
Das Euch verhöhnt, angreift in Eurer Ehre,
[getilgt]
582,26
In Eurem Wandel, Eurem Priestertum ...
[getilgt]
583,1
RICHELIEU. Habt Ihr's gelesen?
[getilgt]
583.1
Ich mit Schmerz, doch mit
[getilgt]
583.2
Triumpf die Andern. Straft den frechen
[getilgt]
Schreiber. 583.3
RICHELIEU. Ich kann nicht strafen.
RICHELIEU Mazarin, der reden will, ein Zeichen machend zu
[weiterhin: Vierter Auftritt] II, i
schweigen.
Achter Auftritt II, i
587,8
Im Bunde freudenlos und unnatürlich.
587,12
DETHOU. - hab Mitleid mit dir selbst -
[fehlt]
653.11
[getilgt]
Tritt wie ein Mann der Wirklichkeit ent-
bis
[getilgt]
Sie ist für Keinen Leid und Schmerzenlos,
[getilgt]
Willst Du bevorzugt sein vor Millionen? -
[getilgt]
Was and're trugen, das erträgt sich auch.
Im unnatürlich freudenlosen Bunde?
gegen,
653.14 587.18
Zu dulden ist, was man erdulden will.
Erträgt sich? - Alles! ο wer zweifelt d'ran?
587.19
Ich aber bin zum Dulden nicht geboren.
Zu tragen ist was man ertragen will.
588.15
Verschwendet Zorn und Milde - all umsonst.
Verschwendet Zorn und Milde ohne Grund
588.16
Verschwendet Zorn und Milde - Liebe und
ClNQ-MARS. Sie kommt - ich bitte Dich -
Haß. 588.17
Du bist verrückt und ich muß Dich bedauern,
DETHOU. Schon Recht! schon Recht!
654.12
[fehlt]
De Thou ab.
II, ii
II, ii
588,7
Wie's meine Pflicht fortan
Wie's meine Schuldigkeit fortan
589,1
Noch nicht - Doch sollt Ihr's werden
Doch sollt Ihr's werden - bald,
589.1
Sie sagen bald - und auch - aus eigner Wahl
[fehlt]
589,3
Die hab' ich nicht.
Ich habe keine.
589.15
Wer ausser ihm - beschliesst?
denn er allein - beschließt.
589.16
Ganz Recht. - Ihr aber -
Ihr aber -
590,15
Ewig nicht bleiben können.
Nicht bleiben können!
590,15
Bleiben wir's!
Ewig bleiben wir's!
591.2
Nur meine Sache galt's, und ihren Sieg.
[fehlt]
591.17
Die Welt jedoch, fühlt nicht
Die Welt jedoch denkt nicht
713
II. Kritischer Apparat 592,6
CINQ-MARS. DU hoffst zu Gott und ich - ich
592,6
MARIA in seinen Armen. Du hoffst auf Gott, nun sieh ich hoff auf Dich!
hoff zu Dir. Er preßt sie heftig an sich, sie küßt ihn
rasch,
Sie küsst ihn rasch und eilt ab.
und eilt ab.
592f
I I , iii
I I , iii
Dort hat Cinq-Mars sie siegreich
[fehlt]
aufgepflanzt, 592 f
Doch mir gewähr er endlich mein Gebet.
Doch mir erhört auch werde mein Gebeth,
593 f
Die Hand die wir ihm zur Versöhnung bieten
[fehlt]
593 f
So eben ruft zurück -
[fehlt]
593 f
ANNA. Das tat er nicht!
[fehlt]
593 J 7
[LUDWIG.] Und alle Welt
Die halbe Welt
593 F
[CINQ-MARS.] lautet Dein Befehl,
Herr war Dein Befehl,
593 JF
[LUDWIG.] An Winkelzüge hat der Cardinal
An Winkelzüge Seiner Eminenz
593 F
Uns längst gewöhnt. Kommt sie von ihm so
Sind wir gewöhnt. Die letzte Falschheit ist
staunen 593 ,F
Wir über keine Lüge mehr.
Die schlimmste nicht die wir von ihm er-
593f
BEAUFORT. Der Cardinal von Mazarin.
Mazarin der bei den Worten:
fahren. Züge etc." erschienen, stehn geblieben, 593f
LUDWIG. Er ist willkommen.
"Die
und im
Winkel-
Hintergründe
tritt vor.
MAZARIN mit tiefer Verneigung
vor König
und Königin. Ο Sire - M a d a m e 594,17
Der mir mit seinem Rath stets beigestanden,
LUDWIG. Ihr Mazarin?
bis
Der Cardinal Minister liegt im Sterben.
MAZARIN. Verzeihung
ALLE. Im Sterben?
Für einen Sterbenden -
ANNA. So ist's wahr? LUDWIG zu Mazarin. 594,20
LUDWIG. Der Cardinal?! Ihr kommt von ihm.
Berichtet Ihrer Majestät, was Ihr gesehn.
Ihr kommt von ihm? MAZARIN. Ich komme aus Narbonne.
659,1
[fehlt]
Und bringe grosse Kunde Majestät
595 2 4
nach dieser emsten Pflicht
nach dieser schweren Pflicht
596,20
LUDWIG. Den Frieden zu vermitteln, ging
Sich zu Cinq-Mars
bis
Unser Gesandter nach Madrid,
Doch Du Cinq-Mars
Der mit der Ehre Frankreichs sich verträgt.
Du ruhe nicht in Deines Königs Dienst.
Den Frieden - den wir wünschen - anzubah-
Von einem Lügennetz bin ich umsponnen.
wendend.
nen. Vergeblich blieb sein redliches Bemühn.
Der Treue Dank die es zerreissen hilft.
Es scheitert unser guter Wille an
[fehlt]
Dem bösen, den man uns entgegen bringt.
[fehlt]
ANNA. Nicht also Sire -
[fehlt]
CINQ-MARS. DU wirst getäuscht mein König.
[fehlt]
Denn zwei, sich widersprechende Befehle
[fehlt]
Richelieu
714 596,29 Den einen offen, und geheim der andere, 597,1 bis
[fehlt]
Erhielt Dein Abgesandter in Madrid.
[fehlt]
LUDWIG. Das kann nicht sein!
[fehlt]
CINQ-MARS. Den Frieden zu vermitteln
[fehlt]
War Dein Befel. Ihn zu verzögern, ihn
[fehlt]
Zu hintertreiben durch jedwedes Mittel
[fehlt]
War der Befel des Herzog's Richelieu.
[fehlt]
LUDWIG. Beweis mir das!
[fehlt]
CINQ-MARS. Du selber überzeuge Dich.
[fehlt]
Schick einen Bewährten, sichern Mann, hin nach Madrid
[fehlt]
Und laß durch ihn, sogleich über den Stand
[fehlt]
Der Friedenshandlungen an Dich berichten.
[fehlt]
LUDWIG. SO sei's und Dir geb' ich Befel...
[fehlt]
597,11 Nach kurzer Überlegung, zu De Thou. Doch
[fehlt]
nein -
II, iv
II, iv
598,2
Der Herr hat Euch erhalten!
und Euch erhielt der Herr!
598.6
Und unerhört läßt er
Noch unerhört läßt er
599.7
Für seine Auserkornen.
Für seine Auserwälten.
599.8
An diesem Tage
In dieser Stunde
599.13 LUDWIG hönisch ZU Anna.
LUDWIG halblaut zur Königin.
599.14 Ihr seid ein kluger Staatsmann.
Ihr seid ein grosser Staatsmann.
599.15 Und sonnenhell das Unergründliche.
Und sonnenhell das Undurchdringliche.
599,20 RICHELIEU. Ich kann mich irren Sire. Unfel-
[fehlt]
bar ist bis
Der König nur allein.
[fehlt]
Von Ihm der keinen Irrtum teilen kann,
[fehlt]
Erbitte ich, Berichtigung des meinen.
[fehlt]
Ich bitte Sire um gnädiges Gehör.
[fehlt]
LUDWIG. Wir hören. Sprecht.
[fehlt]
RICHELIEU. Ich bitte Sire, allein
[fehlt]
Mich anzuhören.
[fehlt]
LUDWIG. Herzog Richelieu
[fehlt]
Hier steht die Königin.
[fehlt]
RICHELIEU. Ich werfe mich
[fehlt]
Zu Füssen Ihrer Majestät.
[fehlt]
LUDWIG. Wollt Ihr
[fehlt]
Allein mich sprechen Herzog Richelieu,
[fehlt]
Wält eine Zeit wo sie nicht bei Uns ist.
[fehlt]
Wir pflegen nicht die Gattin zu entlassen
[fehlt]
Weil uns ein Untertan zu sprechen wünscht.
[fehlt]
Π. Kritischer Apparat
715
RICHELIEU. Nicht als ein Untertan bin ich
[fehlt]
gekommen. Ich stehe hier als Deines Staats Minister,
[fehlt]
Im Namen Frankreich's ford're ich Gehör.
[fehlt]
599,36 LUDWIG. In meinem eigenen verweig're
[fehlt]
ich's. bis
RICHELIEU. DU bist der Herr.
[fehlt]
LUDWIG. Und denk' es zu beweisen.
[fehlt]
RICHELIEU. SO ziemt es Dir. Mir aber ziemt,
[fehlt]
dem Diener, Gehorsam meinem Herrn, ich leiste ihn.
[fehlt]
Du selbst hast mich dereinst in's Amt
[fehlt]
berufen Das ich bekleide - aus Gehorsam Herr!
[fehlt]
Kraft dieses Amt's erheb' ich meine Stimme,
[fehlt]
600.7
Und rufe warnend Dir die Worte zu:
[fehlt]
600.12
LUDWIG ihm in 's Wort
LUDWIG ihn
600,27
RICHELIEU ihm den Traktat
fallend. überreichend.
unterbrechend.
RICHELIEU. Ihre Lösung Sire.
600.27 Ihre Lösung Sire.
Überreicht dem König den
600.28 LUDWIG. Anklagen?
[fehlt]
Tractat.
600,28 RICHELIEU. Überzeuge Dich.
[fehlt]
601.2
LUDWIG . Es hat wohl Zeit -
[fehlt]
601,32
Und diese Sire wird meine letzte sein.
[fehlt]
601,36
In Demut Dir zu Deinen Füssen niederlegen.
Zu Füssen Dir in Demut niederlegen.
602,1
wär's möglich - Richelieu -
wär's möglich? ... lieber Vetter? ...
602.3
recht still und
ernst und still
602.8
Tage, fühl' ich, sind gezält.
Tage König, sind gezält.
602,15
LUDWIG. I n v o l l e n G n a d e n .
LUDWIG reicht ihm die Hand. In vollen Gnaden.
602,30 LUDWIG halblaut.
LUDWIG nach einer
603,19 CLNQ-MARS. Ο Herr ...
[fehlt]
603 20
LUDWIG . Kannst Du ihn mir ersetzen?
LUDWIG. Und jetzt - kannst Du ihn mir
Kannst Du?
ersetzen? Ja? -
Pause.
603,22 In selbstvergessend wandelloser Treue!
In selbstvergessend liebevoller Treue.
603 2-9 In meiner Ehre, meinem Glück und Leben.
In meiner Ehre und in meinem Glück,
604,1
selbst sein Unglück mich nicht zwingen.
mich sein Unglück nicht bewegen.
604,6
Gemal zu bleiben, nicht / Gebietet.
Gemal mir nicht befielt zu bleiben.
II, v
II, ν
Wie find ich ihn den Einen
Wo find ich ihn den Einen
604.4
605,1
II, vi
II, vi
Verzeihung Herr ...
Verzeihung Sire -
605.13 LUDWIG. Sollen?
LUDWIG athemlos ängstlich. - Wohlan? -
716
Richelieu
605.18 eröffnet die ihm von Richelieu
iibergebenen
durchfliegt den dort liegenden
Tractat.
Schriften. 605.20 Gaston - mein Bruder!
Gaston von Orleans
605.21 Nun ja.
Die ganze Bande!
605.24 Μ AZARIN. Mein König - Sire -
Μ AZARIN. Mein König sprich, befiehl -
605.25 LUDWIG zusammenfahrend.
[fehlt]
Wer ist's?!
Verbirgt die Schriften. II, vii
II, vii
606.4
Auf Flügeln Herr -
Auf Flügeln fort -
606.5
Ο Herr dort liegt verwelkt
Ο Gott! dort liegt verwelkt
666,12 [fehlt] 607.6
LUDWIG mißt ihn. Kalt.
Er geht ab. Alle folgen ausser Fontrailles,
Cinq-Mars,
Beaufort.
Der König geht ab. Schömberg, folgen
Favert
ihm.
667
[weiterhin: Siebenter Auftritt]
Achter Auftritt
667
[weiterhin: Siebenter Auftritt]
Neunter Auftritt
[II, vii]
II, ix
608,4
BEAUFORT. - Du hast's gewollt.
BEAUFORT. Dein Wille ist's!
608.7
Ein kleiner Stich dem Cardinal in's Herz -
Ein kleiner Stich in's Herz des Cardinal's -
608,14 Cinq-Mars - Halt ein -
Halt ein -
608.19 Ja j a - V o r t r e f f l i c h - j a .
Ja, ja, vortrefflich!
609,9
Der fromme Cardinal wird mir verzeihn
Der fromme Cardinal muß schon verzeihn
III, i
III, i
STIMME von Draussen. Der Cardinal!
[fehlt]
610.10 CHAVIGNΥ. Ο welch ein Wiedersehn!
[fehlt]
6)0,10
[fehlt]
610.9
Mit einem Blick auf den eintretenden Richelieu. Gefaßt und groß.
610.11 Dem Himmel Dank!
[fehlt]
III. Text- und Entstehungsgeschichte
Richelieu
1. Der geschichtliche Stoff und seine Faszination N a c h E b n e r - E s c h e n b a c h s e i g e n e r D a r s t e l l u n g in Meine
Kinderjahre
b e g a n n ihr Inte-
r e s s e an d e r G e s c h i c h t e u m R i c h e l i e u u n d C i n q - M a r s m i t d e n M e m o i r e n v o n Franf o i s e B e r t a u t d e M o t t e v i l l e , Memoires epouse
de Louis
XIII, roi de France
pour
servir
ä l'histoire
d'Anne
d'Autriche,
( 1 7 2 3 ) , die s i e in der B i b l i o t h e k ihrer G r o ß m u t t e r
V o c k e l f a n d . E b n e r - E s c h e n b a c h s F a s z i n a t i o n hielt über f ü n f u n d z w a n z i g Jahre an, und s i e s e l b s t b e s c h r e i b t s i e in Meine
Kinderjahre,
w o sie a u c h e i n e n Ü b e r b l i c k über d e n
S t o f f und s e i n e G e s t a l t u n g gibt: Cinq-Mars war mein Held, der junge, leichtsinnige, leichtgläubige Günstling Ludwigs XIII., der seinen Herrn von der erdrückenden Tyrannei des allmächtigen Ministers Richelieu befreien will, im tollkühn unternommenen Kampfe mit dem Riesen unterliegt und nach einem Augenblick des Verzagens prachtvoll stirbt. [...] Aber die Krone des Ganzen sollte doch die Figur Richelieus werden. [...] Der Mann, der sein Frankreich an die Spitze aller Staaten der Erde gestellt, die Hugenotten besiegt, den mächtigen, rebellischen Adel unterworfen hatte, der die Vertreter der Parlamente mit den Fingern in seiner Rechten wie Marionetten an Drähtchen hüpfen ließ - buhlte um literarischen Ruhm. [...] Der König ist im Lager vor Perpignan, umringt von Feinden des Kardinals, und der liegt krank und gebrochen in Tarascon, weiß sich verraten und verkauft, weiß von dem Vertrag mit Spanien, der ihn stürzen soll, und vermag nicht ihn in seine Hand zu bekommen. Da plötzlich verwandelt sich seine Trostlosigkeit in wilden Triumpf. Einer seiner Späher ist zurückgekehrt und legt einen ausgehöhlten Wanderstab vor ihn hin. Er enthält eine Rolle - den Vertrag. Nun hat er sie - da stehen sie, die ihn unterzeichnet haben: Gaston von Orleans, des schwachen Königs elender Bruder, der Herzog Bouillon, der Großstallmeister Cinq-Mars. [...] Von neuer Lebenskraft beseelt, erhebt der kranke Kardinal sich vom Pfühl. [...] Es geht zu Hof; es geht mit fürstlichem Gepränge ins königliche Lager nach Perpignan! Dort sollte der zweite Aufzug spielen, und ich dachte ihn mir sehr bewegt. Wir lemen CinqMars kennen in seinem liebenswürdigen und blinden Glauben an sein Glück, und seinen Freund de Thou und Fontrailles, der die Verhandlungen mit Spanien geleitet hat. [...] und im dritten sollte es noch viel schöner kommen. Da sollte im Zelte des Königs die Begegnung zwischen ihm und dem Kardinal stattfinden. Ganz unhistorisch, aber daran lag mir nichts. [...] Reiche Handlung stand mir auch für den vierten und fünften Akt zur Verfügung: Die Auslieferung de Thous, den keine andere Schuld traf, als daß er der Freund eines Feindes Richelieus gewesen, an den Kardinal. Cinq-Mars' leichtsinniges Spielen mit dem Verhängnis, das über ihm schwebt. (A 116-19) E i n e w e i t e r e Q u e l l e ihrer S t u d i e n enthält e i n N o t i z h e f t z u R i c h e l i e u ( I . N . 5 8 5 1 5 ) , d a s auf d i e Memoires
du Cardinal
de Richelieu
v e r w e i s t . D i e s e s N o t i z h e f t , d e s s e n Eintra-
g u n g e n z u d e m g e p l a n t e n R i c h e l i e u - D r a m a m i t d e m 5 . O k t o b e r 1 8 5 9 datiert s i n d , enthält C h a r a k t e r i s i e r u n g e n z u L u d w i g X I I I . , R i c h e l i e u , C i n q - M a r s , F o n t r a i l l e s , d e
Richelieu
720
Thou und Marillac sowie Notizen zur Episode in Perpignan und Einzelheiten über den Vertrag mit Spanien. Nach den Eintragungen im Tagebuch beginnt die letzte Arbeitsphase an Cinq-Mars, wie zu diesem Zeitpunkt das geplante Drama noch betitelt ist, mit weiteren Geschichtsstudien; Ebner-Eschenbach liest das Werk des französischen Historikers Jean-Baptiste Capefigue, Richelieu, Mazarin, la Fronde et le regne de Louis XIV (1835-36), das für sie "unschätzbar" (Τ I, [16.]3.1863) wird. Einige Monate zuvor hatte Eduard Devrient, den sie um Rat angegangen war (Br 10), diesen Stoff für ein Drama gut geheißen (Br 11). Gegenüber Devrient drückt Ebner-Eschenbach erneut ihre "Liebe und Begeisterung" für die neue Arbeit aus und spricht von der gewaltigen Anziehungskraft, die Richelieus Charakter für sie hat: Man schaudert vor dem Manne wie vor einem Teufel und betet ihn darauf wieder an wie eine Gottheit. - Wie steht er am Schlüsse seiner Laufbahn dem Cinq-Mars gegenüber dem er sagen kann: "Ja - ich habe mit eiserner Strenge regiert, ich habe im Blute gewatet, ich habe meine Seele mit Lüge und Heuchelei befleckt - aber alles was ich gethan, habe ich für Frankreich gethan - Du dienst Deinem eigenen Ehrgeiz, Du kannst mein Nachfolger nicht sein. (Br 11)
Was ihr allerdings jetzt schon Sorgen bereitet, ist die zu bewältigende Fülle des Stoffes, denn neben den drei Hauptfiguren (Ludwig XIII., Richelieu, Cinq-Mars) gilt es auch noch so gewaltige Akteure wie Anna von Österreich, Maria von Gonzaga, de Thou und andere zu gestalten. Ebner-Eschenbach faßt ihre Gedanken zu dem Problem so zusammen: "Denken und Dichten kann ich dieses Stück, ob ich es auch Machen kann, muß die Folge lehren" (Br 11). Sie strebte also auch bei ihrem Cinq-Mars - wie bei ihren beiden vorausgehenden historischen Trauerspielen - nicht danach, ein Buchdrama zu schreiben, sondern hatte als Ziel die Bühne vor Augen.
2. Die Entstehungsgeschichte der Fassungen Die Arbeit an Cinq-Mars besteht nach Ebner-Eschenbachs Briefen an Devrient und ihren Tagebucheintragungen in den nächsten Jahren darin, zu schreiben, zu planen, zu ändern und zu verwerfen. Auf Gelingen und Aufmunterung folgt des öfteren auch Enttäuschung und Entmutigung. Im März 1863 ist sie mit dem Stück so weit vorangekommen, daß sie "mit Bestimmtheit" sagen kann, daß sie in "drei Monaten ganz fertig sein" wird, denn die Arbeit, wie sie Devrient gesteht, macht ihr "m/r Freude" (Br 18), und sie ist "mit ganzer Seele bei dem Stücke" (Br 19). Im April 1863 ist dann der erste Aufzug fertig, im September arbeitet sie am zweiten, und im Oktober hat sie den dritten vollendet. Dann kommt es zur Krise, und sie muß sich entscheiden, entweder aufzugeben oder von neuem zu beginnen (Τ I, 16.11.1863). Ihr Ziel ist, ein Drama zu schreiben, das sie für gelungen halten kann und das auch die Zustimmung von Devri-
III. Text- und Entstehungsgeschichte
721
ent gewinnen wird. Die Schwierigkeit ist nach wie vor die Stoffülle. Es ist ihr nicht gelungen, in den ersten drei Akten genügend Stoff zu verarbeiten, so daß für die beiden letzten Akte zu viel übrig bleibt. Sie steht vor einer schweren Entscheidung: Umsonst quälte ich mich eine Zeitlang ab, einen Ausweg zu ersinnen, ich mußte einsehn daß es nur 2 Mittel gäbe: Sechs Akte, od. die Handlung später anfangen lassen. Nach einem recht bitteren Kampfe, entschied ich mich für das Letztere, und so steh ich denn eigentlich wieder am Beginn der Arbeit, die ich so gewiß hoffte, vor Ende dieses Jahres beendet zu haben. Indessen geht sie mir nun so leicht und frei von Statten, daß ich sie wie eine Erholung, nicht wie eine Mühe betrachten darf. (Br 20)
Nach Beratungen mit Friedrich Halm, den sie über ihre Arbeit an Cinq-Mars konsultiert, arbeitet Ebner-Eschenbach in den ersten Monaten des Jahres 1864 fast ununterbrochen an dem Drama. Es gibt Zeiten des Zweifels an ihrer dramatischen Fähigkeit, aber Halm, dem sie ein Manuskript des Cinq-Mars zur Begutachtung übergeben hatte, "findet Gutes darin" und ermuntert sie weiterzumachen: '"Sie haben mehr Talent als alle andern zusammen'" (T 1,4.12.1864). Während zunächst die Konzentration auf dem tragischen Scheitern Cinq-Mars' gelegen hatte, rückt allmählich Richelieu immer mehr in den Mittelpunkt und wird schließlich zur Titelfigur. Ebner-Eschenbach muß das Stück umgeschrieben haben, denn im Januar 1865 übergibt ihr Halm einen offensichtlich neuen ersten Akt mit dem Kommentar: '"Wenn Sie so fortfahren, wird Ihr Stück originell u. wirkungsvoll'" (Τ I, 22.1.1865). Auch mit dem zweiten Akt ist Halm zufrieden (Τ 1,2.2.1865), und für den dritten hat er einige Empfehlungen, mit denen Ebner-Eschenbach übereinstimmt (Τ I, 12.2.1865). Die letzte Tagebucheintragung, die über die Arbeit an Richelieu berichtet, stammt vom November 1865. Nach längerer Pause hat sie das Stück wieder vorgenommen und beginnt mit Änderungen (Τ I, 11.11.1865). In einem Brief an Devrient begründet Ebner-Eschenbach dann, warum es nicht zur Vollendung von CinqMars/Richelieu gekommen ist: "Der Cinq-Mars ist am Umarbeiten zu Grunde gegangen - die 3,e und letzte Version dieses unglücklichen Stückes ist bis zum 5' Akte beendet" (Br 21). Und in Meine Kinderjahre gestaltet sie das Ende dieser langjährigen Arbeit auf fast dramatische Weise: Zuletzt stand ich an der Spitze einer kleinen Armee von Manuskripten, von denen nur die ersten den Titel "Cinq-Mars", die letzten aber den "Richelieu" führten. Seine Gestalt wuchs und wuchs riesenhaft vor mir empor, bis ich begriff, daß ich aus meiner Blindheit über ihre Größe den Mut geschöpft hatte, sie darzustellen. Allmählich waren die Augen mir aufgegangen, ich wußte: Mit all meiner Begeisterung, all meinem Fleiß habe ich nur ein Pfuschwerk zustande gebracht. (A 119)
Dem geplanten und in Meine Kinderjahre beschriebenen Autodafe sind nicht alle Manuskripte zum Opfer gefallen. Bettelheim fand im Zdislawitzer Archiv Handschriften von verschiedenen Fassungen von Richelieu und kommt nach begeisterter Lektüre zu der Auffasung, daß dies ihre "bedeutendste Historie" sei:
Richelieu
722
Die reiche stoffliche Überlieferung ist künstlerisch gegliedert und gebändigt, die Charaktere des schwachen, falschen Herrschers, des überlegenen, staatsmännisch übergroßen, in seiner Literateneitelkeit lächerlich kleinen Richelieu scharf geschaut und stark gebaut. [...] Das Ganze ist eine Historie, die künstlerisch die gleichzeitigen geschichtlichen Dramen von Laube, Gutzkow, Mosenthal, Weilen überragt und sich mit manchem historischen Schauspiel Halms messen kann. Wer weiß, ob "Richelieus Ende", wenn Ebner das Werk abgeschlossen auf die Bühne gebracht hätte, [...] sich nicht durchgesetzt und der Schöpferin den Verzicht auf jedes weitere dramatische Wirken erspart hätte. (Bettelheim 1920,33)
Bettelheim hebt vor allem den hoch dramatischen Schluß des ersten und dritten Aktes hervor. Es ist das Verdienst Bettelheims, auf die Ä/c/te/iew-Handschriften hingewiesen zu haben. Seine Wertschätzung des Fragments stellt auch die erste Besprechung dar.
3. Handschriftliche Fragmente In der Wiener Stadt- und Landesbibliothek befinden sich drei handschriftliche Fragmente. Bei der Handschrift H 1 handelt es sich offensichtlich um eine Vorstufe oder eine Ausarbeitung, die der Handschrift H 2 vorausging und in sie eingegangen ist; d. h., Tilgungen und Hinzufügungen sind von H1 in H 2 übernommen worden. Es ist nicht zu eruieren, wann die kurzen Entwürfe der Handschrift H 3 entstanden sind, so daß die Bezeichnung H 3 auf keine zeitliche Folge verweist.
a. Die Handschrift H1: Richelieu's Ende (I.N. 60652) Einzig die Handschrift H 1 schließt ein Titelblatt mit Personenverzeichnis ein. Der Titel lautet Richelieu's Ende und der Untertitel "Trauerspiel in 5 Aufzügen". Das Personenverzeichnis wurde von der Herausgeberin durch Namen von Charakteren ergänzt, die in den ausgearbeiteten Szenen auftreten. Diese Namen stehen in eckigen Klammern. Die Bogen der Handschrift sind im Quartformat und jeweils in zwei Spalten eingeteilt. Der fortlaufende Text steht auf der rechten Spalte, und die linke Spalte ist Umarbeitungen, Umschreibungen und Änderungen vorbehalten. In einem Fall ist ein zusätzliches Textblatt eingeschoben, das längere getilgte Textteile ersetzt. Der Text von H 1 beginnt abrupt mitten in einer Szene. Es ist zu vermuten, daß es sich um den ersten Auftritt des ersten Aufzugs handelt. Da es sich um eine Vermutung handelt, wurden hier eckige Klammern gesetzt. Die Fragment gebliebene Handschrift H' von Richelieu's Ende besteht aus dem ersten Aufzug (erster bis vierter Auftritt), zweiten Aufzug (erster bis siebter Auftritt) und dritten Aufzug (erster bis siebter Auftritt). Die Tilgungen und Hinzufügungen sind in den fortlaufenden Text mit aufgenommen. Hinzugefügte Textvarianten, denen keine Tilgung gegenübersteht, wurden
111. Text- und
Entstehungsgeschichte
723
in einer Fußnote mit einer Erklärung aufgeführt. In ganz wenigen Fällen handelt es sich bei Hinzufügungen um skizzierte, fragmentarische und teilweise unleserliche Entwürfe, die nicht sinngemäß in den fortlaufenden Text eingeordnet werden konnten und deshalb nicht in den Text aufgenommen wurden. Im Varianten Verzeichnis (II. 4.) wird der am meisten übereinstimmende mittlere Text von H' und H2 einander gegenübergestellt und verglichen. Bei H1 erstreckt sich dieser Vergleich vom zweiten Drittel des zweiten Auftritts im ersten Aufzug bis einschließlich des ersten Auftritts im dritten Aufzug. Die beiden Handschriften unterscheiden sich in der Akt- und Szeneneinteilung. Inhaltlich anders ist der Beginn der Handschrift H 1 , die mitten in einer Szene einsetzt und die Auseinandersetzung unter den Soldaten der beiden Parteien (Royalisten und Anhänger des Kardinals) zeigt, sowie das anfängliche Gespräch zwischen dem König, Cinq-Mars und Schömberg über den Streit der Soldaten und eine mögliche Bestrafung. Vom zweiten Auftritt des dritten Aufzugs an gibt es erneut inhaltliche Unterschiede zwischen H1 und H2. Zunächst sind die Auftritte unterschiedlich geordnet, und inhaltlich treten in H' ein milderer Richelieu und ein um Hilfe flehender König auf. Außerdem kommt es durch Cinq-Mars in H' zu einer Erklärung und Rechtfertigung seines Handelns und dem Versuch, den König zu schützen und aus der Verschwörung herauszuhalten. Auch die Auseinandersetzung über das Schicksal Cinq-Mars' zwischen dem König und Richelieu ist anders gestaltet und zeigt in H1 einen resoluten und entschieden handelnden König. Richelieu dagegen will den König vor Cinq-Mars bewahren und fordert ihn zu einer Entscheidung auf, ohne aber dabei seine Macht offen ins Spiel zu bringen und den König zu erniedrigen. Gegen Ende zeigt das Fragment H1 die Hilflosigkeit des Königs in Regierungsgeschäften, so daß er schließlich Cinq-Mars seiner Unfähigkeit aufopfert, denn er kann nicht ohne Richelieu regieren.
b. Die Handschrift H2: Richelieu (I.N. 60651) Das handschriftliche Fragment H2 schließt kein Titelblatt und Personenverzeichnis ein. Beide wurden hinzugefügt; die Personennamen wurden in eckige Klammern gesetzt und der Titel analog der archivierten Eintragung der Handschrift in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek als Richelieu wiedergegeben. Diese Handschrift besteht aus gefalteten Bogen im Quartformat, deren Seiten wiederum in zwei Spalten aufgeteilt sind, wobei jeweils der fortlaufende Text in der rechten Spalte steht, während Hinzufügungen und Umarbeitungen in der linken erscheinen. Mit Beginn des vierten Aufzugs wird die Spaltenaufteilung allerdings aufgegeben. Da die linke Textspalte in dieser Handschrift wenig Hinzufügungen und Umarbeitungen enthält, ist anzunehmen, daß es sich bei H 2 möglicherweise um eine Reinschrift handelt. Das Fragment H 2 stellt wohl die bis zum fünften Akt vollendete dritte und letzte Version des Trauerspiels dar, die Ebner-Eschenbach in ihrem Brief an Devrient erwähnt (Br 21). Das
Richelieu
724
Handschriften-Fragment besteht aus dem ersten Aufzug (erster bis achter Auftritt), dem zweiten Aufzug (erster bis neunter Auftritt), dem dritten Aufzug (erster bis dritter Auftritt) und dem vierten Aufzug (erster bis vierter Auftritt). Das Variantenverzeichnis (II. 4.) konzentriert sich auf den am meisten übereinstimmenden mittleren Textteil der beiden Fassungen. Der Vergleich erstreckt sich für H 2 vom vierten Auftritt des ersten Aufzugs bis einschließlich des ersten Auftritts im dritten Aufzug. H 2 weist einen vierten Aufzug mit vier ausgearbeiteten Auftritten auf, die nicht in H' enthalten sind. Der anders gestaltete Beginn des Trauerspiels in H 2 setzt mit der Szene im Lager von Perpignan ein. Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien wird hier in einem Gespräch zwischen de Thou, Locmaria, Beaufort und damit auf der Offiziersebene widergespiegelt. In den folgenden Szenen versuchen die Anhänger von Cinq-Mars den König davon zu überzeugen, daß nicht der kranke Richelieu, sondern Cinq-Mars die Ruhe im Lager wiederherstellen kann. Der inhaltliche Unterschied im dritten Akt betrifft vor allem die Charakterisierung des Königs, Richelieus und Cinq-Mars' und das Verhältnis zwischen dem König und Richelieu. Neu im vierten Akt ist vor allem eine längere Szene zwischen Anna und Maria, in der die letztere um Annas Hilfe und Vermittlung für den von Maria geliebten Cinq-Mars bei Richelieu bittet.
c. Die Handschrift H3: Richelieu's Ende (I.N. 61299/1/2/3) Bei der Handschrift H \ die mit "andere Fassung" überschrieben ist, handelt es sich um drei kürzere Varianten (I.N. 61299/1, 61299/2, 61299/3): 1. erster Aufzug, erster Auftritt, 2. erster Aufzug, erster bis dritter Auftritt und nach der Verwandlung die Beschreibung eines Auftritts und den Beginn eines weiteren Auftritts, 3. vierter Aufzug, dritter Auftritt, von dem jedoch nur der Anfang wiedergegeben werden konnte, da von den sechs Blättern jeweils am zweiten, vierten und sechsten Blatt der rechte Rand und damit das Versende weggerissen ist. Die handschriftlichen Fragmente H 3 weisen keinen Titel auf, und so wurde analog der archivierten Eintragung dieser Fragmente in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek Richelieu's Ende verwendet. Diese Handschrift besteht aus gefalteten Bogen im Quartformat, deren Seiten wiederum in zwei Spalten aufgeteilt sind. Die zweite Variante enthält eine Episode mit Abbe Langy und dann zwischen Langy und Richelieu, die vollkommen neu und nicht in den anderen Fragmenten enthalten ist. Sie zeigt, wie ein paar Minuten allein im Kabinett Richelieus, auf dessen Schreibtisch Staatspapiere ausgebreitet liegen, eine jahrelange Einkerkerung in der Bastille einbringen können. Es wird der Furcht einflößende und alles beherrschende Richelieu vorgeführt.
I. Text
Jacobäa
1.
Jacobäa
(Η 1 )
Jacobäa Trauerspiel in fünf Aufzügen
728
Jacobäa
PERSONEN
JOHANN WILHELM, Herzog von
Jülich-Cleve
JACOBÄA, seine Gemahlin SIBYLLA, seine Schwester PHILIPP, Landgraf von Leuchtenberg MARSCHALL WALDENBURG, gen. DIETRICH VON HALL,
Schenkern
Erblandmundschenck
GRAF BROICH PALANDT PÜTZ SOLENANDER CARL GERHARD
WEHEL VON KNIPPENBERG, Bottelierer SPINDER, Bader
KRESCHEL, sein Gehülfe KUNZ WIRT [RHEYD VALKENSTEIN BROELL BONGART KATTERBACH HAIMB PRINZ BEER]
Düsseldorf 1597
{Küchen/Kellerverwalter)
[Erste Variante] Erster Aufzug Grosses, dunkel getäfeltes Gemach, mit einer mittel, und zwei Seitenthüren; links zu des Herzogs, rechts zu Sibylla 's Gemächern flihrend. Erster Auftritt kommen aus dem Zimmer des Herzogs. LEUCHTENBERG. Entsetzlich Solenander! ... Ich glaubte mich auf das Ärgste gefasst, doch bei'm Allmächtigen! dieser Anblick erschüttert mir das Herz. SOLEN ANDER. Ο lieber Herrr - und noch - noch saht Ihr ihn in seiner schlimmsten Stunde nicht. LEUCHTENBERG. Von einem Kranken sprach man mir - ich finde einen Wahnsinnigen. ... Giebt's keine Heilung Arzt? - giebt's keine Stunde wo dieser finst're Bann von seinem Geiste weicht? SOLENANDER. ES giebt Augenblicke - selt'ne - wo ihm die Besinnung wiederkehrt, und wunderbar! Sie kommen nach fürchterlichen Stürmen, nach Tagen und Nächten wilder Raserei; ein Schmerz führt sie herbei, ein Schreck - gerade was geeignet schien es zu verschlimmern, bringt manchmal seinem Übel Linderung. Ich sage manchmal, Herr. Der hätte sich getäuscht, der auf solche Wirkung {als unausbleiblich} z ä h l t e . Des Herzogs Krankheit höhnt jeglicher Berechnung. {Fest steht} (Sicher ist) nur Eins; {Eins kehrt stetig wieder}: Nach milden, {in klagloser Ruhe} (ruhig) hingebrachten Tagen, bricht stets das Leiden mit grösster Stärke aus, auf den sanftesten Schlaf folgt i m m e r , das grässlichste Erwachen. LEUCHTENBERG. Und Ihr thut nichts ... SOLENANDER. Was ich kann. Doch leider Herr, ist dies nicht - Wunder-thun. LEUCHTENBERG. Berief man andre Ärzte? SOLENANDER. Von weit und breit. Auch ihre Kunst {bewies sich} (blieb) machtlos. Kein Mittel fanden sie gegen das schreckliche und sonderbare Übel. Das Einzige was bisher immer beschwichtigend auf den Herzog wirkt, das ist die Gegenwart der Herzogin. Wenn Niemand ihm zu nahen wagt, wagt sie's, und nie, selbst wenn er tobt und rast, verläugnete sich ihre Gewalt über ihn. Allein, lieber Herr - der Tag kann kommen wo auch ihr Einfluss schwindet, geschieht doch alles, ihn zu untergraben ... Leise, sich fiirchtsam umsehend. Eure Schwester ist allen Partei'η ein Dorn im Auge. LEUCHTENBERG, SOLENANDER
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Jacobäa Sibylla glaubt sich durch sie aus dem Herzen ihres Bruder's verdrängt Marschall Schenkern, der ehrgeizige Mann, vorher gewöhnt, der Herr seines Herrn zu sein, hasst in ihr die selbstständige Fürstin, der Graf von Broich, der {Führer der} Protestanten(führer), verfolgt sie als Katholikin. Im Volke untergraben sie ihr Ansehn, verbreiten schändliche Gerüchte über die edle Frau. LEUCHTENBERG. {Doch nicht geglaubt?!} Das Volk liebt seine Herzogin, es wird ihren Feinden keinen Glauben schenken. SOLENANDER. Keinen Glauben - das Volk? Lieber Herr das Volk glaubt nichts leichter als das Schlechte, und glaubt nichts lieber, als Schlechtes von den Grossen. Im Volke findet die Herzogin keine Stütze, wenn einmal ihre Gegner die Oberhand gewinnen und sie werden täglich mächtiger ... Es ist Gefahr vorhanden — nun Ihr seid da - und werdet selber prüfen - habt Dank dass Ihr auf meine Bitte kamt - habt Dank und helft nun - schützt und helft! ... LEUCHTENBERG. Was kann ich thun? Sprecht offen. Von welcher Gefahr redet Ihr? Womit bedroht man meine Schwester? SOLENANDER. Ich darf nicht alles sagen was ich weiss. Begreift Ihr Herr? ... I c h darf nicht sehn was ich sehe. Ihr seid ein freier Mann, ein mächtiger Herr; Ihr d ü r f t , was mir das Leben kosten würde, und meiner gnädigen Frau, wenn sie mich tödten, einen treuen Diener ... Herr seid vorsichtig! Traut keinem, verklagt man die Herzogin vor Euch so schweigt, denkt: dies sind freche Lügen; doch sagt es nicht. Handelt in der Stille für sie, und offen thut als ob Ihr sie verfolgtet ... LEUCHTENBERG. Was fällt Euch ein? Ich werd' mich da verstellen SOLENANDER. Um Gotteswillen - thut es bester Herr! Ihr kennt den Boden nicht auf dem wir stehn. ... Gradaus geht's keine zwei Schritte nacheinander, sonst schlägt man hin ... Ich bitt Euch auch - sprecht nicht mit mir vor Leuten lasst Euch nicht mit mir sehn. Sie wittern ohnedem einen geheimen Freund der Herzogin in mir, weil ich - ein andermal! ... man kommt - Sieht durch's Schlüsselloch. Das ist Prinzessin Sibylla. Diese - fürchtet ... Sie bleibt stehn, winkt Carl herbei. Der Kammerdiener. Den beobachtet. Sie spricht mit ihm. Tritt von der Thüre weg. Wovon? es wird nichts Gutes sein. Flehend. Geht, mein bester Herr! Ihr habt noch Zeit - geht! Lasst mich hier nicht mit Euch treffen. LEUCHTENBERG. Schadet Dir meine Gegenwart? SOLENANDER. Ja Herr, mit Eurem gütigen Verlaub. Ihr seid der Schwager Ihrer Hoheit - man weiss Ihr seid ihr gut — LEUCHTENBERG. Nun bei Gott wenn dieser Mann wirklich das Panier seiner Fürstin trägt, so {trägt} (steckt) er's doch gewiss nicht an {eine} (die) Stange. Sind Jacobäa's Feinde so keck wie ihre Freunde zaghaft, {so} steht ihre Sache schlimm.
731
I. Text SOLEN ANDER. I c h b e s c h w ö r e ...
5
LEUCHTENBERG. Getrost! ich gehe. Doch - wie Ihr riethet - Keinem trauend. Nicht einmal Euch mein Held. Auch Euch muss ich erst kennen lernen. SOLENANDER. Natürlich bester Herr. Ihr habt ganz Recht. Lebt wohl mein gnädigster ... Begleitet ihn bis zur Thüre. Leuchtenberg ab.
Zweiter Auftritt SIBYLLA. SOLENANDER.
SIBYLLA. Die Herzogin zu sprechen? SOLENANDER.
Sie ist nicht
Daheim. SIBYLLA. Wie Solenander, nicht daheim? Genas mein Bruder denn, weil man der Pflege Ihn schon entbehren lässt? SOLENANDER. An seinem Pfühl 5
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15
Durchwacht' die Fürstin diese bange Nacht. SIBYLLA. Doch nun? SOLENANDER. Doch nun stieg sie zu Pferd und ritt hinaus In freier Luft in frischem Waldesgrün Das müde Haupt, das heisse Aug zu laben Und Kraft zu sammeln für den neuen Tag. SIBYLLA. Die Kraft zu tragen was Gott auferlegt Holt man bei uns vor dem Altare betend Und nicht auf einem Ritte durch den Wald. SOLENANDER. Mit Abwechslung - ganz Recht, so mein' ich auch. SIBYLLA. Und wer, sagt an, war im Gefolg der Fürstin? SOLENANDER. Ich weiss es nicht. SIBYLLA. SOLENANDER. SIBYLLA. Verlasst uns Solenander. SOLENANDER.
Schon gut. Nein - wahrlich nicht. ZU B e f e h l .
Ich hoffe Hoheit, Ihr seid überzeugt Daß ich ein treuer Diener bin. SIBYLLA. {Ihr seid's. - } (Ja wohl.) Der Fürstin Jacobäa. SOLENANDER.
20
Und dem Herzog.
Und Euch - mit einem Wort dem ganzen hohen Erlauchten Haus. Gott segne Eure Hoheit! Solenander ab.
Jacobäa
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SIBYLLA allein. Der Mann ist falsch. Nicht ohne Ursach warnte Mich Waldenburg vor ihm.
V i e r t e r [Dritter] A u f t r i t t DIE VORIGE. WALDENBURG [SCHENKERN].
WALDENBURG sich verneigend. Princessin!
5
SIBYLLA. Willkommen Waldenburg! WALDENBURG. Ich bin der erste seh ich der dem Rufe der Frau Herzogin gefolgt. SIBYLLA. Hat Euch die Herzogin befohlen? WALDENBURG. ZU einer - wie's geheißen, wichtigen Beratung. SIBYLLA. Ihr werdet warten, fürchte ich. Die Herzogin ist ausgeritten. WALDENBURG. Mit Junker Hall. SIBYLLA. SO? m i t J u n k e r H a l l .
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WALDENBURG. Euch fällt das auf. SIBYLLA. Mit Nichten. Er gehört in ihr Gefolge. WALDENBURG. Und seine Pflicht ist es die Herzogin zu begleiten. SIBYLLA. J a w o h l .
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WALDENBURG. Der Lässigkeit in Ausübung dieser Pflicht darf man den Mundschenk nicht beschuldigen. Er wird von seinem Feuereifer umhergejagt wie ein Blatt im Wirbelwind. SIBYLLA. Ich bin erstaunt daß Ihr noch scherzen könnt. WALDENBURG. Ich spreche im Ernste. Hall liebt die Fürstin. SIBYLLA. Unerhört. Die Frechheit seine Augen zu ihr zu erheben wäre masslos, doch ihr verwandt ist der Leichtsinn mit dem Ihr von einem Verbrechen redet, das zehnmal tadelwürdig. WALDENBURG. SO sieht's die Herzogin nicht an. SIBYLLA. Das weiß ich nicht. Doch glaubt es sie thut kein Unrecht! WALDENBURG. Vor der Hand denkt sie es blos. Sie wird Fortschritte machen, dergleichen kommt allmälig. Der Herrschaft bemächtigte sie sich auch nicht an einem Tag. Langsam und allmälig nahm sie ein Recht nach dem andern in die Hand. Als sie die Gewalt hatte, ließ sie sich vom Kaiser darin bestätigen.
(Es ist doch ein schönes Ding um den Feuereifer) üdZ hinzugefügt; ohne
Tilgung.
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I. Text
[Zweite Variante] Erster Aufzug Erster Auftritt Gastzimmer in der Herberge zum weißen Pferd. KUNZ, Bürger
von Neuss.
SPINDER, KRESCHEL, Bürger
sitzt an einem Tische im Vordergrund.
von Düsseldorf.
KRESCHEL und SPINDER treten
KUNZ
ein.
SPINDER und KRESCHEL. G o t t z u m G r u ß e . KUNZ. W e r i s t ' s .
SPINDER. Kennt Ihr uns nicht? Gute Freunde!
5
KUNZ. Gute Freunde - von uns? - wenn Ihr das seid dann ruft "Nieder" mit den Katholischen! SPINDER. Von ganzem Herzen. Nieder mit ihnen! KUNZ ZU Kreschel.
Und Ihr?
KRESCHEL. Nieder mit den Katholischen.
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KUNZ. Wenn der dort oben ein Einsehen hätte, und thäte ihnen wie sie uns gethan haben. Ich fürchte aber er hat kein Einsehn. SPINDER. Lästert nicht. He! Wirt. Eine Flasche und drei Gläser. Ihr trinkt doch einen Schluck? KRESCHEL. Auf bessere Zeiten.
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1-
KUNZ. Mir kommen keine. Mein Weib erschlagen, meine Kinder erschlagen, mein Haus geplündert und verbrannt, wisst Ihr das? Wirt bringt Flasche und Gläser.
In der linken Spalte zu Beginn des Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (Spinder und Kreschel treten ein gefolgt vom Wirt. WIRT. Ich bitt Euch sagt's ihm selbst. Jeden Augenblick können katholische Leute kommen und dann giebt's blutige Köpfe. Sucht ihn fortzubringen - mich hört er nicht. SPINDER. Schon gut - hierher den Wein - eine Flasche und drei Gläser. WIRT. Und auch Ihr bleibt nicht zu lange - glaubt mir SPINDER. ES graut ja kaum der Morgen. So früh haben sie ihren Rausch noch nicht ausgeschlafen. Wir trinken einen Schluck und gehen. WIRT. Und nehmt ihn mit - nicht wahr? Ab. KRESCHEL halb zu Kunz- Wacht auf. Wacht auf! KUNZ. Ich schlafe nicht. SPINDER reicht ihm ein geßlltes Glas. So trink! Trink sag ich Dir. Nun ja 's ist zum verzweifeln - allein - Ihr KUNZ. Trinken? Auf den Tod der Katholischen will ich schon trinken.)
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Jacobäa SPINDER. Freilich! freilich! 's ist fürchterlich. Doch Ihr steht nicht allein in Eurem Unglück - viele hundert traf's wie Euch.
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KUNZ. Soll mich das trösten? SPINDER. Trinkt - Ihr müsst! KUNZ. Das arme Neuss! die arme gute Stadt! Wie lang ist's her daß sie der Graf von Mars eroberte - ein rauher Herr, aber doch ein Mensch, hielt Ordnung unter seinen Soldaten - lebte wie arme Leute lebten unter hartem Druck, allein wir lebten. Da kommt der gottverdammte Prinz von Parma, der Farnese, mit seinen wilden Horden, erstürmt die Stadt und sengt und brennt und mordet, mordet die waffenlosen Bürger, die heulenden Weiber - Kinder - Greise KRESCHEL. Hört a u f - wir wissen's ja - wir haben's ja miterlebt, liegt doch Neuss nicht weiter als eine Stunde von Düsseldorf - wie lange währt's so kommt an uns die Reihe. SPINDER. Davor sei Gott! KUNZ. Jetzt lagern sie auf den Trümmern unserer Stadt. Haben sich festgesetzt im Lande, saugen ihm das Blut aus allen Adern. KRESCHEL. {Glaubt mir.} (Ja - ja - } Sie hielten sich nicht so lange d'rin wenn sie nicht Unterstützung fänden. KUNZ. Die finden sie - bei denen die uns beschützen sollten. SPINDER. Schweigt - trinkt und schweigt - wenn man Euch hörte. KUNZ. Dann was! ich hab nichts mehr zu verlieren. Nieder mit den Katholischen! ruf ich - ruft mit! bei meiner armen Seel wenn Ihr nicht ruft. SPINDER. Ich rufe: Nieder mit allen Katholischen bis auf unsere gnädigste Herzogin Jacobäa und auf den gnädigsten Herrn Herzog und sein Fräulein Schwester KUNZ. Auch diese nieder - die zuerst! SPINDER. Schweigt sag ich. {Ich bitte Euch!} (Wollt Ihr schweigen!) KUNZ: Nein - wozu denn sind sie da als um uns zu schützen in unsern Rechten. Der Herzog toll und krank, die Herzogin KRESCHEL. Ein Engel - neulich ist sie an mir vorübergeritten - ich stand eben vor dem Hause mit meinen Kindern. Da grüßten sie - mein Ältester der ist förmlich verliebt in unsere gnädige Frau - der stand mit offenem Maule vergaß vor Bewunderung sein Käppchen abzunehmen, der arme Tropf. Neulich steh ich da vor meinem Hause - kommt sie vorbeigeritten, grüsst "Guten abend Meister Kreschel" sagt sie - und weil sie grüßt und guten abend sagt muß auch ihr Gefolge also thun - der Marschall Schenkern der stolze der auf uns Bürger heruntersieht, wie auf verkümmert Gras auf der Haide über die er hinjagt auf seinen Berbern und der schöne Junker Hall der Erblandmundschenk. KUNZ. DU Thor! du Thor über dem Gruß vergißt er Religion, Vaterland, das Elend des Landes.
I. Text
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SPINDER. Was kann die junge Herzogin für das Elend des Landes? {Sie theilt's mit uns. Man sagt sie sei gezwungen worden zu der Heirat mit unserm Herzog. Glaub's - An ihrem Hochzeitstag mußten eiligst} (Als sie kam war's bereits fertig, wir waren schon) durch die niederländischen Kriegsunruhen schwer bedrängt - Von Freund und Feind ausgesogen während in Düsseldorf das Hochzeitsfest gefeiert wurde, tobte die Kriegsfurie um die herzogliche Residenz. In der Nähe der Hauptstadt mussten Verschanzungen angelegt werden um das fürstliche Hoflager vor Überfällen zu schützen - in der ganzen Umgegend stritten feindliche und befreundete Parteigänger und bereiteten ihre Züge mit Raub, Brand, Mord und unmenschlichen Gräueln. Im Lande aber rangen Katholiken und Protestanten um die Herrschaft, der Marschall Schenkern, der Katholische, der Graf von Broich, der Protestant, führten ein willkürliches Regiment, kleine Räthe folgten dem Beispiel der grossen Herrn. Der Herzog ist krank und ohnmächtig da bestätigte der Kaiser die Frau Herzogin in der Regierung. Was soll sie - hat alle Parteien gegen sich? KATTERBACH. Nun was macht Ihr für ein Leichenbittergesicht? KNIPPENBERG. Wisst Ihr nicht? Ich bin entsetzt brotlos an die Luft gesetzt. Die Herzogin lässt sich's einfallen die Semiramis zu spielen die Alleinherrscherin. KATTERBACH. Ist sie Euch auf Eure Kniffe gekommen KNIPPENBERG. Meine Kniffe? Was hab ich denn gethan? KATTERBACH. Seid getrost! für meinen Herrn nehm ich Euch in Dienst und kann solche Männer brauchen wie Ihr seid. Er weiss was ein ganz ergebener Mann in solchen Zeiten bedeutet wie die unsern sind. KNIPPENBERG. Ich bin treu - ganz treu. KATTERBACH. Habt Ihr gehört? Es soll zum Entsatz von Neuss geschritten werden. Truppen sind schon geworben an die fünfundzwanzig Mann freilich nicht von den kräftigsten - na und auch nicht eben Soldaten Schneider und Seifensieder. Die Herzogin stellt sich an ihre Spitze mit der Fahne in der Hand und eine neue Jungfrau von Orleans führt sie ihre Armee zum Sieg. KNIPPENBERG. Hahaha - zum Sieg - ihre Armee. SPINDER. Die ungewaschenen Macher. KATTERBACH. Was - wer sprach das? x-x-x KATTERBACH. Bub - hinaus! Elendes Pack! KNIPPENBERG. Hinaus!
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40-
BÜRGER. Hilf! Hilf! HALL. Was giebt es hier? Ruhe im Namen unserer gnädigsten Herzogin?
In der linken Spalte hinzugefägt;
ohne Tilgung:
Jacobäa
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Hauptmann seid Ihr toll, der Mann blutet - führt ihn hinweg verbindet ihn. Spinder und Kreschel führen x-x. KATTERBACH. Mengt Euch in Eure Angelegenheiten. HALL. Schämt Ihr Euch nicht. Steckt Euren Bratspieß ein. Was wird die Herzogin sagen wenn sie es erfährt. KATTERBACH. Was kümmerts mich? mit Eurer Herzogin? Glaubt Ihr denn wir andern sind so vernarrt in Ihre Hoheit wie Ihr. HALL. Nehmt Euch in acht. KATTERBACH. Was? Drohung? KNIPPENBERG. Ruhe. Das ist nicht der rechte Weg. Seht her - so müßt man's machen. Verzeihung, die Protestanten waren gar zu unverschämt und ein Soldat hat heißes Blut. Setzt Euch zu uns. Eure Hand - Ihr wollt nicht? wie Ihr wollt. Wie steht es auf dem Schlosse? Wie geht's dem Herzog? Ich bin vom Hoflager verbannt - warum? ich weiß es nicht. HALL. Um so besser, Herr von Knippenberg, weiss es unsere gnädige Frau. KNIPPENBERG. Nun dann wisst Ihr's wol auch - es geht die Sage sie hätte keine Geheimnisse vor Euch. HALL. Die Sage lügt. Kein Geheimniss vor mir - was soll das heissen? KNIPPENBERG. Ο nichts gar nichts, x-x-x
Zweiter Auftritt Im Schlosse SIBYLLA und
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SCHENKERN.
SIBYLLA. Ja wol Herr Marschall, diese kleine Fürstin Sie wächst, sie wächst! Ich sehe staunend zu. Nehmt Euch in acht, bald überragt sie Euch. SCHENKERN. Ο dies ist herber Hohn, Prinzessin. Mich? Ich bin ihr Diener - bin wenn sie's befiehlt Ihr Schwert, ihr Arm, ihr Stab - befragt sie mich -
(KATTERBACH. Hall? Wie seht Ihr aus? Staubbedeckt und übernächtigt. - habt Ihr die Nacht im Freien campirt? Es ist bald Zeit zur Messe und Ihr streift noch hier umher? Die Herzogin wird Euch vermissen. HALL. Die Herzogin? Katterbach sorgt zuerst dass sie Euch nicht zur Rechenschaft zieht über Eure Art hier zu hausen. Seid unbesorgt ich komme früh genug um ihr zu sagen wie die Leute des Marschalls sich benehmen gegen das arme Bürgervolk.)
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I. Text Ihr demüthiger Rat und immerdar Ihr treuster Unterthan. SO. S O . - Ganz recht! Mir hat nur geträumt von einem stolzen Und ehrgeizigen Marschall der in Cleve Seit Jahren ringt nach Einfluß und Gewalt Der alle Herrschaft die der müden Hand Des kranken Herzogs allgemach entglitt In seine eignen kräft'gen Hände nahm Und sehr entschlossen schien sie festzuhalten. SCHENKERN. Sie zu bewahren ungeschmälert, Dem Fürstenhause Herrin. - Deinem Hause Das war mein Amt vom Kaiser mir ertheilt Und ich vollzog's {bis zu dem Tag an dem} (getreu bis an den Tag) Wo Jacobäa dieses Land betrat Die sanfte Fürstin mit der starken Seele Und mit dem Adlerblick im Taubenauge Die edle die geborne Herrscherin Der jedes Herz, ob's unterm Harnisch pochte Ob unterm Höflings oder Bauernkleid Entgegenflog als wie auf Feuersschwingen Der jedes Haupt, ob jung und braungelockt, Ob überrieselt von des Alters Schnee ... - Ihr lächelt? SIBYLLA. Diese bilderreiche Sprache Nimmt sich gar seltsam aus in Eurem Munde So glühend loben hörten wir Euch nie. Wenn ich bedenk wie Ihr mir widerstrebtet Als ich zum erstenmal den Wunsch geäussert Für meinen theuren Bruder, Euren Herrn Um die verwaiste Tochter Philiberts Am herzoglichen Hof von Baiern werben Zu lassen - darf ich dünkt mir triumphiren. SCHENKERN. Ihr dürft! Jawohl - Ihr dürft. SIBYLLA. Wie spracht Ihr damals? Die arme Waise klösterlich erzogen Vom Mitleid nur in München aufgenommen Sie taugt zur Gattin unsers Herzog's nicht Trefft eine andre würdigere Wal SCHENKERN. Ich irrt mich eben - wie ich stets mich irrte Wenn ich auf fremde Augen mich verliess Und fremder Meinung meine {Lippen} (Rede) lieh. SIBYLLA.
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Jacobäa
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Bei'm ersten Blicke, ja bei'm ersten Wort Das hoheitsvoll sie sprach erkannt' ich's - : Die junge Fürstin ist der Opfer wert, Die Deine Großmut schweigend ihr gebracht. SIBYLLA. Der Opfer? - Ich? - Was hätt' ich ihr geopfert? SCHENKERN. Zuerst: die Macht. Dem unvermälten Herzog Stand niemand näher als die treue Schwester Und unbeschränkt wie sein Vertrauen war Dereinst ihr Einfluß. SIBYLLA herb. Meiner? Neben - Euch? Nun ist's an mir von herbem Hohn zu sprechen. Ich hatte keinen Einfluß, keine Macht, Doch h ä t t ' ich sie besessen wisst Ihr wol Sie auszuüben Marschall, wär' mir Opfer Mich ihrer zu begeben mir Gewinn. SCHENKERN. Auch habt Ihr mehr gethan - Prinzessin, habt Um Eures Bruders Lebensglück zu sichern Das weiche Herz zur Grausamkeit verhärtet Ihr habt in ihm des Mitleids Schrei erstickt Mit fremden Qualen. SIBYLLA.
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Ich versteh Euch nicht.
SCHENKERN. Die Fürstin Jacobäa war bereits verlobt Mit Grafen Philipp Manderscheid als Ihr Für Herzog Johann um sie werben ließt. SIBYLLA. Ich erfuhr's zu spät. SCHENKERN. Von München aus erbat man sich Bedenkzeit Und nützte sie. Betraut mit wichtiger Sendung Nach Italien der Graf geschickt Wohin bald ihm Briefe meldeten Daß seine Braut ihr Wort zurück begehre SIBYLLA. WOZU all das? verschont mich ich bitte ... SCHENKERN. Indeß man i h r von - Seiner Untreu sprach. Und eines Tages die Kunde brachte Daß sie die Gattin Johann Wilhelms sei. Graf Manderscheid starb an gebrochnem Herzen. SIBYLLA. So sagt man. SCHENKERN. Sagt man's auch der Herzogin? SIBYLLA. Ihr fallt aus Eurer Rolle, Marschall Schenkern Lobpreisen wolltet ihr - ihr verhört! Doch ein für allemal! - Ich wußte n i c h t Um w e l c h e n Preis das Jawort ward erkauft Das auf die Werbung meines Bruders folgte -
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I. Text
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Ich wußte n i c h t daß Ferdinand von Ostreich Im Auftrag seines kaiserlichen Vaters Das Bündniß Jacobäas mit dem Herzog Fast eifriger betrieb denn selber wir. Und mehr geschehn ist wahrlich in der Sache Als ich gethan und ich vertreten kann. Doch ist's geschehn und unsre Sorge sei Von dieser Ehe welche Unrecht Schloß Nicht nur das Unrecht auch des Unrechts Schein, Die leiseste Versuchung selbst dazu Den Schatten der Versuchung fernzuhalten. SCHENKERN. Wem sagt das Eure Hoheit - ? SIBYLLA. Euch Herr Marschall. Für Euren Vetter Dieterich von Hall. SCHENKERN. Ihr zweifelt doch SIBYLLA. An meiner Schwester - nein! Wenn ich es thäte - dessen seid gewiß, Schien mir der W a r n u n g nicht mehr an der Zeit Ich thu kein Unrecht und ich erwarte keins. Was Euch jedoch betrifft - Euch selbst allein So zweifl' ich sehr daß Jacobäa sich All der Ergebenheit versichert hält Die Ihr für sie Euch zu besitzen rühmt Und nur zu oft verrät ihr gegenüber Das Wesen Marschall Schenkerns mehr die Meinung Die er von ihr gehabt - als die von ihr Er gehabt zu haben schwört. Die Orgeltöne verstummen. Glockengeläute. Der Segen - still! Sibylla nach stillem Gebete sich erhebend. Die heiige Messe ist beendet. Tritt an 's Fenster. Die Kirchenstufen wieder überdeckt Mit armen Leuten die des Herzog's warten Und Jacobäa's. Giebt's im Lande noch So viele Not der sie nicht abgeholfen? SCHENKERN gleichgültig. Wie sollt' es nicht? Mit jeder Stunde wächst Die Zal der Elenden und Jammervollen Und jeder Tag weckt mit neuer Kunde Von neuen Freveln welche Freund und Feind Verübten an den unbeschützten Grenzen. SIBYLLA. Da kommt mein Bruder aus dem Gotteshaus Wie bleich - wie müd - und ο - wie brennt sein Auge! ... Hinweg doch - aus dem Wege - großer Gott...
Jacobäa
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Sind denn unzälig diese Bettlerhorden: Sie hemmen seinen Schritt, umdrängen ihn Erfassen seine Hände, sein Gewand Umklammern seine Knie ... er schwankt ... Entsetzen! Habt Ihr den Blick gesehn - zurück! zurück! Ist niemand der den Unverschämten wehrte? SCHENKERN. Die Herzogin tritt auf die Kirchenschwelle. Bei meinem Eid! als ob die Heiige Jungfrau Hervor aus ihres Bildes goldnem Grund Urplötzlich träte in die sünd'ge Welt, Und mit lebendig wordnem Auge blickte Herab auf das gequälte Menschenvolk! Ein Wort - ein Wink - der Herzog steht allein Und stürmt dem Schlosse zu. Sie aber neigt Sich still und milde - ha! die Hand die erst Der Zorn geballt sie öffnet - faltet sich In stumm Gebet verwandelt ist die Drohung Und wenn der Jammer nicht gelindert ward Er ward gebändigt - und das ist genug!
Vierter [Dritter] Auftritt D I E V O R I G E N . J O H A N N W I L H E L M stürzt
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herein.
JOHANN WILHELM. Gebt ihnen! gebt den Unglückseligen Um Gotteswillen helft - erbarmt Euch - helft! ... SIBYLLA. Mein theurer Bruder, mein geliebter Herr {JOHANN WILHELM. Sie sind so elend - ach so jammervoll.} SIBYLLA. Du bist ganz ausser Dir ... JOHANN WILHELM. Und Du {bist's nicht.} (bist ruhig?) Du standest dort am Fenster - warst Du's nicht Und sahst {hinab mit deinen kalten Blicken} (die armen jammervollen Menschen,) Die Kinder mit den Greisenangesichtern Und hörtest ihrer Klagen Wehgeschrei Und Du bist ruhig und Du bist ein Weib? Und hast ein Herz Sibylla - hast ein Herz? Jacobäa gefolgt von zwei Dienerinnen. SCHENKERN. Die Herzogin!
JOHANN WILHELM .
Komm Jacobäa - komm!
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I. Text Sag ihnen - nein sag mir. Leise. - war Dir nicht auch Als blicke aus den Augen all der Armen Die unsrer harrten an der Kirchenthür Der stiere Wahnsinn? ... JACOBÄA. Herr... JOHANN WILHELM.
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DU s c h a u d e r s t - s c h w e i g
-
Ich weiß genug Du hast es auch gesehn. Laut, immer zorniger. Noch immer ruhig Schwester? Nun. Zu Schenkern. Und Ihr? Gebt ihnen - sag ich! Ich befehle: "helft!" Ich hab nichts mehr - ich bin ein armer Fürst. Mein Tisch ist bald bestellt - und dieses Wamms ... Dem letzten meiner Räte wär's zu schlecht. Ich hab nichts mehr - Ihr aber ... Marschall Schenkern Im Hof steht reich geschirrt ein Viergespann Ο - wundervolle Hengste span'scher Zucht Dabei Lakaien feist und keck - die prunken In reicher Seide und in goldnen Tressen! Natürlich Eure Pferde - Eure Leute SCHENKERN. Die Deinen Herr von diesem Augenblick Wenn Du geruhst ein gnädig ja zu sprechen. JOHANN WILHELM. Verdammt! ... Wer seid Ihr? Ich bin der Herzog. SCHENKERN. Bedarf's der Mahnung? Herr blickt wieder mild Ist's möglich denn? - muß ich die Laune büßen Die zudringliche Bettler Euch verdarben? JOHANN WILHELM. Wie? Bettler? - diese Bettler sind mein Volk Mein armes Volk! Ja - ja ein Volk von Bettlern Und ich ein Bettlerfürst! - Verachtet sie Und mich dazu - Doch achtet ihrer Not Und meines Worts. Versteht Ihr — meines Worts? SCHENKERN. Ich gebe Herr was ich entbehren kann. JOHANN WILHELM tritt an's Fenster. Schenkern folgt ihm. Sie sind noch hier! Seht nur hinunter - seht! Sie strecken ihre Arme mir entgegen Könnt Ihr die Kette da entbehren Marschall? Er reißt ihm die goldne Kette vom Halse und schleudert sie bei 'm Fenster hinaus. JOHANN WILHELM
hinunterrufend.
Hierher! hierher! das schickt euch Marschall Schenkern. Es ist sein Pfand für künft'ge reichre Gaben JACOBÄA. Was thut Ihr Herr? SIBYLLA. Mein Bruder SCHENKERN.
Hoheit!
Jacobäa
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JACOBÄA ihm ins Wort fallend. Der Herzog zält auf Eure Großmut Marschall Ich hoff auf sie! SCHENKERN sich mühsam bezwingend. Hier ist von Großmut nicht Von Pflicht und Rücksicht, Fürstin, nur die Rede. Der Pflicht des Dieners gegen seinen Herrn, Der Rücksicht des Gesunden für - den Kranken. JOHANN WILHELM hat sich in einen Stuhl geworfen. Den Kranken? bin ich krank? ... Ja ja ich bin's ... Am Unglück meines Volkes bin ich krank ... Und seine Schmerzen alle - Die Hand an der Stirne. fühl ich hier. Verlasst mich! SIBYLLA. Sammle! fasse Dich - sei ruhig. JOHANN WILHELM. W i e D u ? - Ja, j a - Nein, nein!
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SIBYLLA ZU Jacobäa. Mir bangt um ihn, Schick ich den Arzt? JACOBÄA. Was sollte der? SIBYLLA. Kommt Marschall! SCHENKERN der sich zum, gehen gewendet hat, kehrt um mit plötzlichem Entschluß. Gebt auf den Weg mir mit ein gütig Wort. Bin ich entlassen Hoheit, sei's in Gnaden! JOHANN WILHELM. Was sagt Ihr? - ach - in Gnaden ... Ihn fixirend. Wol, Euch ist Von meiner Gnade ganz so viel gewiß Als Euch, Herr Marschall liegt an meiner Gnade. SCHENKERN. Ich danke Herr, Ihr konntet mehr nicht sagen! Sibylla und Schenkern ab. JOHANN WILHELM. Der weiß dem Antlitz seiner Heuchelei Die Züge höchster Redlichkeit zu leihen. JACOBÄA. Der Marschall ist nicht falsch - ich glaub es nicht. JOHANN WILHELM. DU meinst Sibylla war's? - Sie ist nur kalt. Ο Jacobäa Du bist wahr und gut! Du bist es! JACOBÄA. Was gilt's Johann. Du lächelst mir noch heut? Ich weiß ein Wort das dir verscheuchen wird Die Schwermutswolken Freund von Deiner Stirne Und froh Dich machen - glücklich machen wird! JOHANN WILHELM. Auch Dich? auch Dich? wird's Dich auch glücklich machen? ... Wer war er doch der mir in's Ohr geflüstert Daß Du gezwungen nur herkamst zu mir Daß Du Dich sehnst zurück in Deine Heimat ... JACOBÄA. In meine ... Ach ich hab ja keine mehr.
743
I. Text
Als hier die Deine. Höre mich Johann ... JOHANN WILHELM plötzlich.
S c h w ö r mir J a c o b ä a -
JACOBÄA. Was denn - was soll ich schwören? JOHANN WILHELM.
D a ß D u nie
Und galt's das Leben, gält's die Seligkeit 5
Zur kleinsten Lüge Dich erniedern wirst. JACOBÄA. Zur Lüge ich? JOHANN WILHELM .
S c h w ö r s t DU' s ?
JACOBÄA.
Bedarf's des Schwur's?
JOHANN WILHELM. I c h bitte D i c h d a r u m -
JACOBÄA.
Mißtraust Du mir?
JOHANN WILHELM. N o c h n i c h t .
JACOBÄA.
Und sollst es niemals!
JOHANN WILHELM.
Willst Du schwören?
JACOBÄA. Ich will es, weil ich's darf? 10
JOHANN WILHELM. Nicht ehrlich haben sie an dir gehandelt.
Auch nicht an mir - ich hätte nicht geduldet Daß Du betrogen werdest. JACOBÄA. Höre mich JOHANN WILHELM. Ich h ö r e - d i e E r i n n e r u n g e r z ä h l t -
15
Zu meiner Qual - ich hörte lieber nicht V o m Frühlingstag an welchem {Als s} (S)ie Dich brachten Dein Bruder und Dein Schwager Leuchtenberg { U n d } (Mit) glänzendem Gefolge her von Bonn
20
6-9
Und ich mit Schenkern Dir entgegen ritt -
aR hinzugefiigt; ohne Tilgung: (JOHANN WILHELM. Wenn ich Dich früge Worauf der Wahrheit Antwort wäre: JA! Und wüßtest Du daß dieses Ja mich tödtet Du s p r ä c h e s t - j a ! ... JACOBÄA. Mein Freund ... JOHANN WILHELM. Du sprächest ja! JACOBÄA. Ich schwöre allzeit Dir wahr zu sein. Wie ich geschworen hab Dir treu zu sein.)
10-
aR hinzugefügt; ohne Tilgung: (JACOBÄA. Herr ich habe es Euch nie verhehlt. Ich kann nicht verläugnen was ich einst verehrte. Ich habe Philipp geliebt - ich sollte sein werden - die Meinen verbannten ihn, er starb in der Fremde und mir wurde gesagt, Du bist dem Herzog von Jülich verlobt und morgen wirst Du reisen. ((JOHANN WILHELM. Zu spät erfuhr ich wie Du Dich gesträubt.)) JACOBÄA. Ich sträubte mich vergebens, ich wollte dem Schatten des Geliebten treu bleiben. Fürstenkinder((töchter)) haben keinen Willen. JOHANN WILHELM. Einem Schatten treu - Jacobäa - ich bin umringt von Feinden und Verräthem. Lasse mir den Glauben an Dich. Weh Dir und mir wenn ich ihn je verlöre.)
Jacobäa
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5
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20
{Es ward b} (B)ei Himmelgeist dem kleinen Dorfe war's Wo wir {Di}(Eu)ch trafen. Schenkern rief - sie ist's Das ist die Braut und lachte JACOBÄA. Lachte?! ... JOHANN WILHELM. Und sprang vom Pferd - Dein erster Blick war sein. Er stand vor Dir in seiner ganzen stolzen Herrlichkeit. Und sah Dich an indessen Du noch eben So weiss und starr wie Marmor - plötzlich ... JACOBÄA. Nun? JOHANN WILHELM. Mit Purpur übergössen tief Dich neigtest Weil Du wol dachtest: Das ist mein Gemal ... Nicht jener bleiche Jüngling neben ihm Sein Bild im gegenüber hängenden Spiegel erblickend. Nicht der! - nicht der! - nicht der!!! Ο guter Gott. Auf seiner Stirn steht Tod. JACOBÄA. Johann! Johann! JOHANN WILHELM. In seinen Augen - schlimmer als Tod {Es giebt kein Wort dafür - Nicht das! Nicht!} Sich abwendend. Mir schaudert selbst vor ihm Der ist kein Fürst, kein Mann - den liebt man nicht. JACOBÄA. Man liebt sein Leid um {fremdes} (andrer Menschen) Leid, Man liebt die Demut die sich selbst verkennt Und fremdem Vorzug mehr ist als gerecht Man liebt JOHANN WILHELM .
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29-
Ihn - nimmer
-
Du armes Kind. JACOBÄA. Ich bin nicht arm - Ο nein! Ich bin voll Stolz und Siegeszuversicht Ο Herr! ο Herr! vielleicht indeß wir reden Ist's schon gethan ist schon der Schlag geführt Der Tausenden den heiß ersehnten Frieden Den eignen Herd, die Freiheit wiedergiebt Der Neuss {befreit} (erlöst) mit einem Wort ο Herr Vom Joch. JOHANN WILHELM. Entsatz! Entsatz von Neuss! Ist Dir nicht auch als woge es heran
aR hinzugefügt; ohne Tilgung: (JOHANN WILHELM. ES riefen's an der Kirchenthür - die Bettler ... JACOBÄA. Die Bettler ach. Die einstens Bürger waren Der werthen Stadt... JOHANN WILHELM. Und jetzt! - und jetzt! JACOBÄA. OHerr-)
I. Text Auf breiten Wellen durch der Lüfte Meer Wie Jubelschall aus schmerzbefreiter Brust? JOHANN W I L H E L M . DU t r ä u m s t .
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JACOBÄA. Ich nicht. - O, näher! immer näher! Schon lösen laut und deutlich einzelne Stimmen Aus dem Gebraus, es übertönend, sich Du gnädger Himmel - sie verkünden Sieg! HALL tritt ein. Heil Dir, erhabne Frau! JACOBÄA ihm entgegen. Gegrüßt! gegrüßt! Du bringst mir gute Botschaft ... HALL. Neuss ist unser! Die wilden Gäste sind hinaus gefegt. Des Hauses Herren ziehen wieder ein. JACOBÄA Dank Euch HALL. Gemach - es war kein Heldenstück. Befiel uns bald was Schwereres zu vollbringen. Gab's heute doch so gut wie nichts zu thun. In's flache Land auf Streifung ausgezogen Behäbig war der Feind, gar wenig Leute Zurück nur lassend in der öden Stadt. Mit denen sind die Bürger fertig worden Indessen Oldenburg, zur rechten Zeit Von Dir gesandt, das obre Thor besetzt und das Castell. JACOBÄA. Wenn sie nun wiederkehren die Spanier Heut abend oder morgen. HALL. Dann grüßen wir sie freundlich von den Zinnen. STIMMEN unten. Neuss! Neuss! hoch Neuss! hoch der Herzog! Johann Wilhelm hoch! Jacobäa! hoch die Herzogin! JACOBÄA. Vernimmst Du's Herr Ο das ist Freude! Freude! Nach jahrelanger nie verstummter Klage Der erste Freudenschrei! HALL. Er preiset Dich! Dein Name ist's den er mit Dankesjauchzen Aus übervoller Brust so hell empor Bis an des Himmels blau Gewölbe trägt Dein Name Herrin - Dein geliebter Name! JACOBÄA ZU Johann Wilhelm. Fragst Du jetzt noch ob ich zurück mich sehne In meine Heimat? Lieber fragst Du noch? Gieb Antwort - sprich - warum so finster - rede!
(Laß uns in Zukunft Schwereres vollbringen.) ndZ hinzugefügt;
ohne
Tilgung.
Jacobäa
746 Befreit Dir dieser Jubel nicht das Herz Was sinnst Du Herr? JOHANN W I L H E L M einen Blick voll Haß auf Hall werfend. Ich sinne - Deinem Schwüre nach.
[Vierter Auftritt] SCHENKERN und
5
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S C H E N K E R N . D U bist ein treuer Diener der Herzogin. CARL. Sie hat mich aus dem Elende gerettet und ich verehre sie. SCHENKERN. Die Herzogin unterhält ein Liebesverhältniß mit dem Junker Hall. CARL. Das ist nicht wahr. SCHENKERN. D U stehst im Verdacht darüber zu wissen. CARL. Nichts weiß ich, ich schwör' es Euch. SCHENKERN. Beweise Deine Treue gegen den Herzog. Er will seine Frau auf die Probe stellen. Er befielt Dir den Junker hier zu erwarten und ihm im Namen Halls ein Stell Dich ein zu geben. Heut abends im Schwanenzimmer. Statt seiner wird der Herzog kommen. Du gehorchst, es geht um Deinen Kopf. Er kommt.
[HALL
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CARL.
und
CARL,
dann
JACOBÄA.]
HALL. Melde mich bei der Herzogin. CARL. Ich habe von ihr einen Auftrag an Euch. H A L L . SO sprich, was zögerst Du. CARL. Ihr sollt heut abends in's Schwanenzimmer kommen. Sie will Euch dort sprechen - allein. HALL. Mich, allein? CARL. Sie hat - sie möchte - sie sendet Euch. HALL. Ein Stell Dich ein? Schurke Du - Du lügst - die Herzogin hat Dir diesen Auftrag nicht gegeben! Hinweg Elender - und wisse von heut an wird jeder Deiner Schritte überwacht. CARL. Er glaubt Schlechtes von mir. - Ich Unglücklicher wie rette ich mich? H A L L allein. Es kann nicht sein - ich weiß es ist unmöglich und dennoch ... Thor - ahnt sie nur daß ich sie liebe und wenn sie's ahnte - Ruhig! ruhig! Ich will nicht treulos werden. Sie kommt. Jacobäa kommt mit Bongart von Diepenbroch.
I. Text
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J a c o b ä a . Das ist des Herzog's Wille Ihr Herrn. Er will die Wünsche des Landes durch seine Abgeordneten selbst ausgesprochen hören. Die Eröffnung des Landtages ist für den nächsten Tag festgesetzt. Ihr kennt die Absicht des Kaisers, die Herzogthümer unter Administration eines österreichischen Prinzen zu stellen und sie ihm zu Lehen zu geben. Der Administrator wird die Herzogthümer als ein Tauschmittel ansehen und wird sie der Krone Spanien's abtreten gegen einige gut für Tyrol und für die Lombardei gelegene Länder. Wahrt Eure Selbständigkeit. Nun wissen wir daß wir noch andere Feinde zu fürchten haben. Graf Broich setzt seinen Trost auf die Calvinistischen Landstände die ihn zum Statthalter befördern sollen.
Zweiter Aufzug Saal im Schlosse
Erster Auftritt G R A F BROICH. H E R R VON R H E Y D , HERR VON VALKENSTEIN.
BROICH. Was will man hier von uns? Wozu sind wir in's Schloß geladen?
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RHEYD. Ich weiß es nicht - mich hat der Entsatz von Neuss durch Jülich'sehe Truppen irr' gemacht. VALKENSTEIN. Wenn Katholiken sich herbei gelassen haben die Spanier aus Neuss zu treiben, so wird man vielleicht Lutheraner einladen ihre Glaubensgenossen aus Rheinberg und Mörs zu jagen. BROICH. Die Hülfe der Reformirten freilich ruft niemand an - man weiß zu gut wie unnütz das wäre. VALKENSTEIN. Wer weiß wer weiß! der Kurfürst Johann Sigmund von Brandenburg kommt vielleicht doch noch einmal auch zur Sprache. BROICH. Wenn der Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg ausgeredet hat. Und der hat so viel ich weiß eine gute Lunge und spart den Athem nicht. Kanzler von Broell, Pütz, Bongart kommen. BROELL. Ihr seid willkommen Graf von Broich. Ihr Herren von Rheyd und von Valkenstein. Willkommen in Düsseldorf. BROICH. Wir sind entboten worden. Was sollen wir am Hofe? BROELL. Unsere gnädige Frau Herzogin hat mit Wissen und Einverständniß ihres Gemals - Euch entbieten lassen um Euch und alle Stände der Herzogthümer einzuladen zu Grevenbroich zum Landtag einzufinden. BROICH. Ein Landtag in Grevenbroich -
aR zu Beginn des Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (BROICH. Was wollen sie von uns? Was bedeutet diese Einladung ins Schloß. Hat der Herzog vergessen daß er Probst zu Xanten, Domherr zu Cöln, Administrator des Bisthums war. REYD. Vielleicht ist einmal wieder ein Vergleich im Werke. BROICH. Sprecht mir nicht von Vergleichen!) (BROICH. Was wollen sie von uns? Könnt Ihr Euch's vorstellen? REYD. Ich nicht, ich gar nichts mehr - der Entsatz von Neuss hat mich ganz irr gemacht der reisst uns unsre stärkste Waffe aus der Hand denn er bewirkt es klar und deutlich daß die Regierung es nicht mit den Katholiken hält, nicht im geheimen die Spanier unterstützt.) (zusammen zu treten) üdZ, hinzugefügt über einzufinden; ohne Tilgung.
I. Text
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BROELL. Der Augenblick ist günstig. Der Entsatz von Neuss hat befreiend auf alle Gemüter gewirkt. Der Bürger hat einmal nach langer Zeit seine Kraft seinen Mut nicht umsonst eingesetzt, er hat einmal wieder erfahren daß sich's doch der Mühe lohnen kann sich zu regen. Die starre Verzweiflung weicht, die {Herzen} (Seelen) erschließen sich der Hoffnung, das Selbstvertrauen ist wieder erwacht. Das ist die Zeit in der man nicht umsonst an das Herz eines Volkes pocht, in der man es bereit findet zu Thaten und zu Opfern. Der Herzog beruft Euch zum Landtag nach Grevenbroich Stände von Cleve, Jülich, Berg und Ravensberg, Katholiken, Lutheraner und Calvinisten. Einigt Euch über alles was geschehen muß, um die Vertheidigung nach Aussen kräftig zu gestalten, um den Spaltungen im Innern zu begegnen. Einigt Euch rasch wie es die Notlage des Landes bedingt - setzt fest was geschehen muß und habt Ihr's festgesetzt dann setzt es rasch in's Werk. Ihr seid der Unterstützung des Herzog's in allen billigen Dingen gewiß. RHEYD. Ei! wahrlich - ei! der ehmalige Probst von Xanten, Domherr zu Cöln, Administrator des Bisthums Münster will sich mit Ketzern in's Einvernehmen setzen? BROICH. Er wird uns finden. Im Namen der protestantischen Stände RHEYD. Mich ausgenommen und denen die mir glauben. Die Zusammenberufung des Landtags ist eine Falle für lutherische Mäuse. BROELL. Ihr faselt. RHEYD. Eine Falle! VALKENSTEIN. Wüßt man das gewiß - es wäre lockend sie darin zappeln zu sehn, da könnt ein Calvinist zum Spaße einmal gemeinsame Sache machen mit den Papisten. BROICH. Zuerst muß die Frage über die Erbfolge - Die Herzogin! Broich seufzt fährt aber fort. die Erbfolge gesichert werden. Dann müssen die Lutheraner zu ihren Rechten kommen - allen allen ihre Rechte -
Zweiter Auftritt
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JACOBÄA ist an der Thüre stehen geblieben. Der Herzog lebt Ihr Herrn und Ihr sollt Euch einigen wie Ihr ihm dient nicht seinen Nachfolgern. Ihr seid nach Grevenbroich nicht zu einem Religionsgespräche sondern zum Landtag geladen. Verständigt Euch - macht Frieden - wenigstens Waffenstillstand. RHEYD. Wir sollen tagen mit Catholiken und mit Reformirten? Gnädige Frau: Wenn Feuer und Wasser sich vereinigen, wenn jenes dieses nicht mehr
Jacobäa
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trocknet, dieses jenes nicht mehr löscht, alsdann - eher nicht werden wir uns mit den Lutheranern vereinigen. Broich, Ihr hört's. JACOBÄA. Ich höre sehr und kann nicht glauben was ich höre, sehr! Valkenstein ist eine solche Verblendung möglich? Der Herzog wünscht Abhülfe zu schaffen in der dringenden Gefahr. Sein heißer Wunsch ist - das Leben, das Eigenthum seiner Unterthanen zu sichern, Frieden, Einigkeit - Ruhe, Wohlstand herzustellen in seinem schönen Land - er sagt Euch: tretet zusammen den Wünschen des Volkes soll Gerechtigkeit werden, lehrt die ihn kennen - und Eure Antwort ist - wir beraten nicht mit Katholiken. Keine Gewissensfragen - Wenn Eure Kirchen, Eure Kanzeln wieder sicher sein werden, nicht geplündert und nicht verbrannt zu werden dann berathet darüber ob Ihr Gott in der Messe oder in der Predigt dienen wollt. RHEYD. Die Katholiken sind zalreicher als wir - wir kommen nicht zum Worte - und wenn wir dazu kämen würden wir überstimmt. VALKENSTEIN. Vor allem muß der Calvinist wissen was er denken darf. JACOBÄA. Nein! wie er handeln soll. Was Ihr thun nicht wie Ihr beten sollt ist die Frage. Ο Ihr Herrn - denkt an das Wohl des schreckengesuchten Landes. Schützt dem Bürger sein Haus, dem Bauer seine Saaten - dem Handwerker seine Werkstadt. Schützt die Ehre Eurer Weiber, das Leben Eurer Kinder Schützt das Vaterland das bedroht wird von Euren Feinden wie von den Eurigen. Eure Meinungen bildet Euch nachher. Ich habe gesprochen. Thut Eure Pflicht. Ab. BROICH. Die wagt sehr viel - alle Parteien hetzt sie gegen sich! RHEYD. Das Weiberregiment wär's Zeit zu stürzen.
Dritter Auftritt
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SCHENKERN allein. Mein Bote todt - die Leiche ausgeplündert. Farnese's Brief weiß Gott in welchen Händen! Und ich sehr in Gefahr ... Ich in Gefahr? Das klingt, so wahr ich lebe, klingt ergötzlich. Was ist für mich Gefahr? ein neues Spielzeug Und weil es eben neu sogar willkommen Ein Tag wol oder zwei dann nützt sich's ab Wie jedes andere - und weil am Ende
Am Ende des zweiten Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (SCHENKERN. Ein Landtag? - Warum nicht? Beratet! handeln, zum Teufel mit Euren Meinungen - seid unbesorgt - wenn Ihr nur einmal etwas gethan haben werdet dann werden sich schon die Meinungen drüber bilden.)
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I. Text
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Auf Erden alles Spielzeug ist... Du Thor Betrüge dich nicht selber - alles nicht - ! Das Heilige wird darum nicht zum Spielzeug Weil frecher Übermut damit gespielt; - Wie ich mit Deinem Herzen, Jacobäa. Was trieb mich nur dies arme schwere Herz Das mir gehört (so sehr es sich auch sträubt Zu glauben was es fühlt) mit immer neuen Mit immer kälterm Stolz von mir zu weisen - ? Die Lust am quälen? ja - doch nicht allein. Erst solltest Du die Macht des Mannes empfinden Den Du nicht lieben willst und lieben mußt Dann denk ich Dich von allem loszulösen Was Dir als Stütze oder Pflicht erscheint Bis Du mir hilflos gegenüber stehst Und keinen Halt mehr hast als den ich biete. Mein Anschlag reift - reg ist Sibyllens Mißtrauen Der Hof in Wien bedenklich unzufrieden In seiner Wahl sich so geirrt zu haben {Und eine ganze Fürstin zu entdecken} (Und eine freie Fürstin da zu finden) Wo man ein blindjes} (gehorsam) Werkzeug braucht. Wie lange währt's bis sie mich hier zum Hüter Bestellen werden von des Kaisers Allmacht Das sie sein Recht, versteht sich wol auf diese Im Unglück noch so schönen Länder nennen? Schon gut, schon gut - vertraut mir nur die Zügel Und staunet dann wohin ich lenken werde! So mancher schläft in einer Fürstengruft Den goldnen Reif um den entfleischten Schädel {Der nicht im Purpur in der Wiege lag.} (Dem nicht so nah als mir von Thronesstufen Die Wiege stand.) Er geht auf die Thüre zu.
(findest als bei mir) üdZ hinzugefügt; ohne Tilgung. (Wo man geglaubt ein Werkzeug hinzustellen) ndZ hinzugefügt; ohne
Tilgung.
Jacobäa
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[Vierter Auftritt] KNIPPENBERG. Ich wünsch Euch Glück mein Marschall. SCHENKERN. M i r - w o z u ?
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KNIPPENBERG. Ihr steht bei Eurem Vetter doch in Gunst In Gunst beim Günstling doch? Wär's nicht der Fall? Es thät mir herzlich leid - denn er ist jetzt Der mächtige im Lande SCHENKERN.
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Er schwatzt und schwatzt -
KNIPPENBERG. Ja das Gesindel schwatzt - wer kann ihm's wehren. Merkwürdig freilich wars wie das Gesindel Frohlockend über den Entsatz in Neuss In hellen Haufen sich zum Schlosse drängte Und rief: der Herzog hoch! und hoch die Herzogin Wie da - ich muß noch lachen - wer erschien Wer meint Ihr wol auf der Altane, um Dem Volk zu danken und das Volk zu grüßen? Bei meiner Seele niemand anders als Frau Jacobäa mit dem Junker Hall. Nach einem Herzog aber blickte man Umsonst sich um. Die einen hielten freilich Den Junker Hall dafür und jubelten Wie gut sieht heute unser Herzog aus! Die andern brummten "Ei dich rief man nicht!" Und {wieder andre} (dieser sprach): Das ist ein schönes Paar. Ein schönes Paar, wer konnte ihr's verdenken Der hohen Frau wenn ihr fürstlicher Gemal Der es gesprochen {hatte} freilich der erschrak Denn eben schritt ganz nah an ihm vorüber Sibylla die Princessin. {Auf dem Weg} (Aus der Kirche) {Zur Kirche} Kam sie mit ihrem Pfaffen, dieser senkte Bedeutungsvoll das Haupt bei jenen Worten Und schlug zu Boden den verwirrten Blick Als schäm er sich der Schlechtigkeit der Welt Sibylla aber biss die {harten} (kargen) Lippen Und war so gelb wie eine Weizenähre Am letzten Hundstag ist. R u f t mir den Junker
KNIPPENBERG. Er kommt so eben. Hall von rechts. SCHENKERN . Geht lasst uns allein.
(Wie sorgenvoll) üdZ, hinzugefügt über Bedeutungsvoll; ohne
Tilgung.
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/. Text
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Zu Hall. Da seid Ihr ja! Ich wollt Euch her bescheiden HALL. Die Herzogin wünscht Euch zu sprechen Marschall. SCHENKERN. Wie sich das trifft! Und ich wollt Ihre Hoheit So eben {bitten} (anflehn) mir Gehör zu leihen Da ich zu fragen habe treu gehorsamst Ob meine Herrin ferner auch gedenkt Wenn's wieder Städte zu entsetzen giebt Mit dem Geschäfte den Herrn Erblandmundschenk Von neuem zu betraun. In diesem Falle Bitt ich um den Pokal den zu credenzen Am herzoglichen Tisch bisher sein Amt Gewesen. Er geht auf die Thüre rechts zu. HALL. Bleibt! Wohin? Die Herzogin Wird hier Euch sprechen. SCHENKERN. Meldet daß ich warte. HALL. Geduldet Euch. Ich will Euch's eingestehn: Ihr seid in Gnaden nicht berufen worden Euch zu rechtfert'gen Marschall seid Ihr da. Ihr werdet hart verklagt. SCHENKERN. Ei, ei verklagt - Tritt an einen Tisch auf dem ein Schachbrett steht und spielt mit den Figuren. HALL. Der wilde Katterbach hat einen Bürger Aus Neuss verwundet gestern in der Herberg Zum weißen Pferd - der Mann starb heute Nachts. SCHENKERN. Erst heut? Verletzt? der Katterbach wird alt. HALL. Der Bader welcher den Verstorbnen pflegte Ist hier, ist bei der Herzogin. SCHENKERN.
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Und klagt.
Seht mir den König an - ein prächtig Stück! Der Leib aus Holz, der Kopf aus Elfenbein Wie kunstvoll und wie zierlich! HALL. Marschall! Marschall Der Todte wußte von gewissen Briefen Die Euch Farnese schrieb ... SCHENKERN lässt die Schachfigur fallen. Und - diese Briefe? HALL. Die Herzogin!
Jacobäa
754 [Fünfter Auftritt] VORIGE. JACOBÄA, SPINDER
von rechts
ZU Spinder. Da steht der Marschall Schenkern. Bringt Eure Klage vor. SPINDER. W O ist mein Sohn? Ο Herr, wo ist mein Sohn?! ... Ο Herr ich wollte Euch's schreien in's Gesicht. Ihr seid ein Mörder. Ein Hochverräther seid Ihr Herr und nun Nun schweige ich - nun weiß ich nichts mehr Als Eure Kniee zu umklammern Herr Und als zu sagen: Herr - wo ist mein Sohn Gebt mir ihn wieder! SCHENKERN. Freund ich hab ihn nicht Sonst glaube mir, sonst stünd er Dir zu Diensten. Zu Jacobäa. Der Mann ist toll? SPINDER. Ο Herr es fiel mein Sohn In Eurer Häscher Macht - gewiß - gewiß Da hin er ging um den Beweis zu holen Daß Ihr im Bunde steht mit dem Farnese SCHENKERN. Um ihn zu h o l e n - wie? er h a t ihn nicht? Und dennoch. Hahaha - werd ich verklagt Das ist zu früh mein Alter, viel zu früh! SPINDER. Herr Gott im Himmel - JACOBÄA. Dieser Mann beruft Sich auf das Zeugniß eines Sterbenden Der Euch im Tode noch beschuldigt Und für die Wahrheit seiner eignen Worte Bürgt mir sein Schmerz. SCHENKERN. So glaubst auch Du daß ich Des Baders Sohn den ich zu fürchten habe Mir aus dem Weg geräumt? Zu Hall. Ο lieber Vetter! Ich bitt Euch geht mit diesem Eurem Schützling Durchsucht mein Haus, die ganze Stadt - das Land Forscht meine Söldner aus und Officiere Und lasst denkbar kein Mittel unversucht Dem Mann zu seinem Sohn und mir von ihm Zu helfen.
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JACOBÄA. SPINDER
Geht.
zur Herzogin.
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Dich segne Gott. Ich seh
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I. Text
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Euch wieder Meister. Bald. Hall und Spinder wenden sich ab. Ihr aber Marschall Rechtfertigt Euch ...! SCHENKERN hat den Abgehenden nachgesehen. Nun - endlich! Sich rasch an Jacobäa wendend. Ο Heil mir! Und Heil dem Augenblick dem unschätzbaren In solchem ich vor meiner Fürstin stehe Durch fremde Nähe unbeirrt.
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JACOBÄA. Herr Marschall SCHENKERN. Laß mich der Stunde köstliches Geschenk Undankbar nicht vergeuden - heiß mich nicht Von kindischem Verdacht mich rein zu waschen Mich zu vertheidigen versteh ich schlecht Laß mich's benützen um Dich anzuflehn: Nicht weiter Herrin - auf dem Weg nicht weiter Den allzu kühn und allzu selbstvergessend Du einschlägst nur des Rechtes Sieg im Auge Und blind für eigene Gefahr! JACOBÄA.
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Die W a r n u n g
Herr Marschall hätte mehr Gewicht wenn ich Nicht an dem Warner irr geworden wäre. SCHENKERN. Ich kann'S nicht denken daß Du mir mißtraust Doch wär es so - ich fordre keinen Glauben Ich sag' erwäge - und entscheide selbst! Das Uebel an Abgrunds Rande Herzogin Verbündet wider Dich und alle - alle, Der Protestant, der Calvinist verfolgt Und haßt in Dir die Katholikin Der Katholik klagt Dich der Laschheit an Die Stände dieses Reiches - eh Du kamst Fast unbeschränkt in ihrer Macht und Willkür Erwarten nur den günstgen Augenblick Die Fürstin zu verderben die sie zwingt Die trotz'gen Häupter dem Gesetz zu beugen. JACOBÄA. All diesen Haß wiegt reich des Volkes Liebe Und das Bewusstsein meines Rechtes auf. SCHENKERN. Des Volkes Liebe? und Du baust auf sie? Ο stütze Dich doch lieber auf die Wolke Die dort im blauen Aether zitternd schwebt! - Bewusstsein Deines Rechtes, Herzogin? Der Seele Frieden mag es Dir verleihen
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Jacobäa D e n S i e g i m w i l d e n K a m p f verleiht Dir's nicht Und siegen w i l l s t
D u d o c h und kannst und sollst -
U n d n o c h wär's Zeit - die letzte, höchste Zeit
—
JACOBÄA. W o z u denn Marschall? W e n n die D i n g e stünden 5
W i e Ihr sie schildert wär auf S i e g nicht m e h r Z u h o f f e n und der Untergang g e w i ß . SCHENKERN. DU hast zu w e i t D i c h v o r g e w a g t zu kühn D e r e i g n e n Kraft vertraut, d e n mächtigen D e n e i n z g e n Schutz verschmäht - der sich Dir bietet -
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D e n Schutz des Kaisers { d e s s e n D u b e d a r f s t } . JACOBÄA. ( H a , - d e n Schutz d e s Kaisers). Kennt Ihr auch seinen Preis? SCHENKERN.
B e z a h l e ihn!
E s m u ß nicht grad in barer M ü n z e sein. Mit k l u g e n Worten läßt sich v i e l e s richten 15
W e n n die That zu laut nicht widerspricht. D r u m thue nichts! S i e h zu und z ö g e r e und warte ab { V o r l ä u f i g mußt D u - ja D u mußt D i c h f ü g e n . } W a s später k o m m e n wird, j e nun das steht -
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aR hinzugefügt; ohne Tilgung: (SCHENKERN. Mit klugen Worten lässt sich vieles richten. Wenn allzulaut die That nicht widerspricht Und das soll diese vorläufig - nicht Was später noch geschieht je nun das steht Steht bei den Türken und den Protestanten! Jetzt ist der Kaiser mächtig noch im Reiche Ob freudig oder widerstrebend beugt Am Ende doch sich jeder Wille ihm Auch Deiner muß - wär's scheinbar nur - sich beugen ... Sie sagen Herzogin der Landtag wär Nach Grevenbroich berufen. JACOBÄA. Ja. So ist's. SCHENKERN. Des Kaisers Warnung, seinem Rat zum Trotz? Warum er ihn gegeben weiß er gut. JACOBÄA. Nicht besser als ich selbst und - Ihr! SCHENKERN. Gewiß. Er könnte Ordnung schaffen. Einigkeit Indess in Wien des Kaisers Majestät Und seine Pfaffen längst begriffen haben Daß diese armen Lande um so sicherer Dereinstens ihrer Habgier Beute werden Als sie zerrissener und kampfesmüder Der Tod des Herzogs Johann Wilhelm findet. JACOBÄA. Nun denn Herr Marschall bleibt ein Zweifel übrig? Sind mir nicht klar die Wege vorgezeichnet. Der Landtag tritt zusammen unbekümmert. SCHENKERN. Nimm den Befehl zurück, es ist zu früh.)
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I. Text Wol bei den Türken und den Protestanten. Jetzt ist der Kaiser mächtig noch im Reiche Ob freudig oder widerstrebend beugt Am Ende doch sich jeder Willen ihm 5
Auch Deiner muß wär's scheinbar nur sich beugen! Vor allem Fürstin darf der Landtag nie Und nimmer mehr zusammentreten - gegen Des Kaisers dringend ausgesprochenen Rat. JACOBÄA. Warum er ihn gegeben weiß er gut.
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Nicht besser Marschall als ich selbst - und Ihr! Die Priester und die kaiserlichen Räte in Wien Begriffen längst daß diese armen Länder Sichrer einstens ihre Beute werden Als sie zerrissener und kampfesmüder
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Der Tod des Herzogs Johann Wilhelm findet. SCHENKERN. SO klar am Tage liegt der ganze Plan Und seine fadenschein'ge Weisheit, daß Die Blindheit nur ihn nicht durchschauen würde. Die ihn ersonnen ahnen's freilich nicht
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Sie halten ihn für unergründlich tief Und unergründlich Dir muß er auch scheinen. Du darfst dem Kaiser nicht entgegentreten Nicht jetzt - sein Rat muß Dir Gesetz - sein Wunsch Gebet Dir sein und darum - darum beschwör ich Dich:
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Verzögere den Landtag - warte. JACOBÄA.
Ihr seid angeklagt
Mit Spanien das heisset mit Österreich Im Einverständnisse zu sein SCHENKERN. Bei'm Himmel ja - deshalb sprech ich also jetzt Für sie und will Dich irre führen. 30
In eine Falle. Nun plump genug - zum mindesten stell ich's an. Doch sag ich j a auch nicht: Vertraue mir! Ich sag vertraue keinem! wisse daß Ein jedes Deiner Worte wird belauscht -
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Und jeder Blick gedeutet - jeder Schritt Bewacht - Warum? zu welchem Ende? Nach Wien zu melden was sie vermuten. Glaube keinem Am wenigsten Sibyllen Deiner Schwester. JACOBÄA. Sie hat sich mir stets liebevoll gezeigt -
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Ich kann nicht denken daß sie mir mißtraut. SCHENKERN. Vertrau nicht mir - vertraue Deinen Augen!
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Jacobäa Und willst Du den Beweis - sag' willst Du ihn?
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Zieht den Pagen am Ohr herbei. Da ist er! Dieser kleine Knirps - stand dort Das Ohr ans Schlüsselloch gedrückt und horchte. PAGE. Ich wollte nicht — ich mußte laßt mich los! JACOBÄA. Ist's möglich ... Kind und wer hat Dich geschickt? PAGE. Hört Ihr - lasst mich! JACOBÄA. Das arme Werkzeug Ist zu beklagen PAGE. Hört Ihr? ο den haß ich JACOBÄA. Geh hin mein Kind und melde Deiner Herrin Was Du gehört - nicht mehr nicht weniger. SCHENKERN. Und wenn sie fragt warum Dein Ohr so rot So sage ihr - weil sich's geschämt zu lauschen! PAGE. Ihr könnt nur höhnen Herzogin! Erbarmen Das war mein letzter Dienst beim Fräulein Nimm in den Deinen mich - ο ich beschwör Dich! SCHENKERN. Er fordert Lohn noch der Junge! PAGE. Statt eines kleinen Hundes nimm Du mich. Brauchst Du denn keinen kleinen treuen Hund? SCHENKERN. Versuch's - das ist vielleicht ein rechter Fund Ein Edelstein im Schlamme aufgelesen. Da geht er hin - und ist von jetzt Dein Sklave! Er war {ein kleiner Schurke worden bei Sibylla.} (zum Schurken auf dem besten Weg.) Geführt von Dir wird noch ein Held aus ihm Ermiss nach dieser Probe Deiner Macht Was Du vermagst über ein ganzes Herz. Herzogin liebt, gesteht es Euch zu prüfen Eure Kraft, je edler Ihr je fähiger seid Ihr zu lieben. Tragt Rechnung dem Weibe in Euch. JACOBÄA. Wer giebt Euch ein Recht so zu mir zu sprechen. Eure Kühnheit ist zu groß. SCHENKERN. Die Kühnheit kann so gross nicht sein bei einem Mann der nach dem höchsten strebt. JACOBÄA. Verlasst mich. Ein {undurchdringlich} (unergründlich) Rätsel ist er mir.
aR hinzugefügt; ohne Tilgung: (Ich sterbe wenn Du nicht verzeihst - ich sterbe! Ich kränke mich und weine mich zu Tod! Ich thats ja nur weil sie mir so versprach Beim nächsten Kirchenfest dürft ich dann Der Dame Schleppe tragen. - )
I.
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Text
Ich bebt' vor ihm und fühl mich überwunden. Begraben ist mein Herz - bei ihm, dem um mich Das Herz gebrochen. Ο meiner Jugend Liebe. Du träumerisches ahnendes Gefühl Das im Entstehen sie erdrückten. Jetzt frag ich mich hab' ich ihn geliebt. Ich hatte ihn geliebt.
[Sechster Auftritt] JACOBÄA
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allein.
HALL
kommt.
HALL. Unerwartet schnell erhielt Meister Spinder Auskunft über das Schicksal seines Sohns. Es ist leider kein Zweifel daß der Spanier ihn mitgeschleppt auf Lösegeld hoffend. Du bist besorgt JACOBÄA. Könnt ich auf die Treue aller so fest bauen wie auf die Deine - Hall beugt ein Knie. - Sibylla kommt. SIBYLLA. In Thränen? Schwester! der Marschall stolz und triumphirend und Ihr in Thränen. Was ist vorgefallen? JACOBÄA. Umringt von Feinden - diese auch ist falsch? SIBYLLA. Gebt Antwort. JACOBÄA. An den Thüren meiner Gemächer lauern Eure Pagen. Sind Eure Späher so schlecht unterrichtet daß Ihr selbst fragen müßt ob sie auch recht verlassenswert. SIBYLLA. Nicht so - vertraut mir. JACOBÄA. Ich habe nichts zu gestehn und nichts zu vertrauen. Ab. SIBYLLA allein. Und wär es nur der Müßigen Geschwätz Man könnt's verschmerzen doch mein Bruder leidet. Er leidet und er schweigt Und was an seinem Herzen nagt Ist Eifersucht, die allerhöchste Qual. Das muß ein Ende nehmen - und sogleich.
(Ich trau ihm nicht und fühl mich hingezogen.) üdZhinzugefügt; ohne Tilgung. aR zu Beginn des Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (HALL. Der Baderssohn ist in den Händen der Spanier - sie haben ihn mitgenommen als sie abzogen. JACOBÄA. Wie denkt Ihr von Eurem Vetter. HALL. Ich hab kein Urtheil über ihn. So viele Zweifel in mir rege werden wenn ich ihn nicht sehe so verschwinden sie alle wenn ich in sein edles Gesicht schaue, sein edles Wesen mit den niedrigen Gesinnungen vergleiche die man ihm zuschreibt.)
Jacobäa
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Hall grüßt und will rechts abgehen. Herr Dieterich von Hall seid mir gegrüßt. Ich hab ein Wort mit Euch HALL. Im Augenblick Princessin - eine wichtige Meldung. Ruft mich zur Herzogin. SIBYLLA. Verweilt! verweilt Noch wichtiger gewiß ist eine Bitte Die Ihr von mir vernehmen sollt Denn sie betrifft das Wohl der Fürstin. Ihr seid ein treuer Diener unsres Hauses. HALL. Das bin ich Hoheit. SIBYLLA. Adelig und rein. Ist Euer Herz und nicht vergeblich werde Ich fordern daß es also sich bewähre. HALL. Prinzessin Ihr ... SIBYLLA. Wenn ich Euch sagte Hall: Es lebt ein junger Mann an diesem Hofe Den müßige Bosheit und gehäßiger Neid Ganz ohne Anlaß, ohne seine Schuld Zum Ziele von Verläumdungen erkor {Und dieser Spott er trifft nicht ihn allein} Die seinen Ruf zugleich mit einem anderen Noch zarteren weil eines Weibes HALL. Himmel SIBYLLA. Noch heiligern weil einer Fürstin Ruf Bedrohte. Was rietet Ihr soll man beachten Das giftige Geschwätz - soll man's verachten? HALL. Verachten soll man es! SIBYLLA. Ich bin der Meinung nicht. Man soll die Nahrung ihm entziehn. HALL. Wodurch - wodurch SIBYLLA. Ihr fragt? Durch eine Trennung - Noch ahnt Die Frau - die Fürstin von all dem nichts Sie ist unbefangen und sie muß es bleiben. Der Jüngling zieht das vor und Um ihr den Kampf zu ersparen tritt er vor sie Und spricht: Gieb Urlaub Deinem Diener Aus wahrer Treue, echtem Pflichtgefühl. Ihr sollt wenn es sein muß den Schein Selbst des Undanks auf Euch laden um
I. Text
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Wahrhaft treu zu sein. Das ist Größe, Hall. Das ist erhaben. HALL. Ihr zerreißt mir das Herz. SIBYLLA. Hab ich umsonst geredet! 5
HALL. Nein - ich thu'S.
SIBYLLA. Und daß Jacobäa ganz unbefangen bleibe und ahnungslos, tretet vor sie mit Eurer Bitte um Urlaub zu erbitten - in Gegenwart des Herzogs - in meiner. Jacobäas Überraschung wird der beste Zeuge für sie sein. HALL. E s sei!
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SIBYLLA. Ihr seht vorher sie nicht. Euer Wort darauf. HALL. Mein Wort darauf!
[Siebenter Auftritt] HERZOG, JACOBÄA, SIBYLLA.
SIBYLLA. Der Erblandmundschenk bittet um Gehör. JOHANN W I L H E L M . W a s i s t ?
5
JACOBÄA. SO feierlich - ihr macht mir bange Herr Dieterich von Hall so lange wie heut Hab ich Euch noch ernsthaft nicht gesehn. HALL. Ich komme auch mit schwerem Herzen Herrin. Ich komme - Urlaub zu erbitten. JACOBÄA. Und jetzt - wo denkt ihr hin. Ein unzeitiger Scherz. HALL. Entlasst mich gnädig. JACOBÄA.
10
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Das ist ein Scherz -
HALL. Ο keiner - keiner JACOBÄA. Ihr dürft nicht fort. Zu sehr bedarf ich Euer. Er soll nicht Herr. JOHANN WILHELM. Doch er soll. Der Urlaub ist gewährt. HALL. Sie ist bewegt Ο großer guter Gott Sind Schmerz und Freude denn so nah verwandt? Das sind ja beide die das Herz mir schwellen. JACOBÄA. Sind die Getreuen uns so reich geschenkt Daß wir so leicht ihrer entrathen können Ο Herr Du wirst bereuen. JOHANN WILHELM .
Jacobäa!
Dritter Aufzug [Erster Auftritt] SCHENKERN und die katholischen
Commissaire
H O Y A S und
FREYMANN.
HOYAS. SO hat d e n n Ihre H o h h e i t d i e Frau H e r z o g i n s i c h e n t s c h l o s s e n d e n W u n s c h d e s K a i s e r s in R ü c k s i c h t auf d e n L a n d t a g u n b e a c h t e t z u l a s s e n . SCHENKERN. Ihre H o h e i t m e i n t e in d i e s e r S a c h e s i c h n i c h t i m g e r i n g s t e n r e s o l v i r e n z u k ö n n e n . S e i n e M a j e s t ä t hat m i c h m i t k e i n e r l e i V o l l m a c h t 5
a u s g e r ü s t e t ihre B e f e h l e d u r c h z u f ü h r e n . HOYAS. H a b t Ihr n i c h t a b g e r a t e n , n i c h t v o r g e s t e l l t . SCHENKERN. G e w i ß h a b i c h d a s - Ihre H o h e i t d i e Frau H e r z o g i n s c h e n k t e meinen Vorstellungen kein Gehör. HOYAS. S e i n e M a j e s t ä t b e f ü r c h t e t d a ß a u s d e m Z u s a m m e n t r e t e n d e s L a n d t a g s
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b e i d e r h e r r s c h e n d e n A u f g e r e g t h e i t d e r P a r t e i e n nur g r ö ß e r e Zerrüttung u n d Uneinigkeit entstehe. SCHENKERN. F r e i l i c h w ä r e a u c h V e r s t ä n d i g u n g m ö g l i c h . HOYAS. M e i n t Ihr? SCHENKERN. W a s w ü n s c h t S e i n e M a j e s t ä t ?
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aR zu Beginn des Auftritts hinzugefügt; ohne Tilgung: (HOYAS: ES ist der Wille des Kaisers daß der Landtag nicht zusammentrete. Seine Majestät befürchtet daß bei der herrschenden Aufgeregtheit der Parteien aus dieser Zusammenkunft nur größere Zerrüttung und Uneinigkeit entstehe. SCHENKERN: Die Herzogin ist von Seiner Majestät in der Landesregierung bestätigt. Ihrem gemessenen Befehl kann ich mich nicht widersetzen. Auch glaube ich daß die Landstände in diesem Augenblick der dringenden Gefahr ihre Glaubens- und sonstigen persönlichen Streitigkeiten bei Seite setzen und sich über das einigen würden was zuerst not thut. Verbesserung der Landesgesetze, und die Aufstellung einer bewaffneten Macht, die uns schützt vor den Einfallen des Feindes, ((zur Aufrechthaltung derselben und zum Schutze gegen den ringsum drohenden äußem Feind.)) Zu diesem gemeinsamen Werke werden sich Katholiken und Protestanten einigen. FREYMANN: Herr Marschall die Spaltungen zwischen den Rathen und Landständen haben bereits zu sehr überhand genommen. SCHENKERN: So hofft Ihr wollen wir nicht offen sprechen? Seine Majestät wünscht die Herzogthümer in ihrem zerrütteten Zustande zu belassen. HOYAS: Seine Majestät wünscht verstanden zu werden, da sie glaubt es von Euch zu sein übergiebt sie Euch durch dieses Schreiben {das} ((nebst dem)) Commando der Festung Hambach und der Veste Jülich, auch die Bewahrung der Stadt und des Schlosses Düsseldorf doch sollt Ihr nur im äußersten Falle zu gewaltsamen Mitteln schreiten.)
I. Text
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763 HOYAS. Seine Majestät wünscht verstanden zu werden und dachte es durch Euch zu sein. Da sie glaubt es von Euch zu sein übergiebt sie Euch mit diesem Documente nebst dem Commando von Hambach und der Veste Jülich auch die Bewahrung der Stadt und des Schlosses Düsseldorf doch sollt Ihr nur im äussersten Fall zu äussersten Mitteln schreiten. Und nun werden wir von Ihren Hoheiten empfangen werden? PAGE. Der Herzog und die Herzogin erwarten die Abgesandten Seiner Majestät. SCHENKERN. Ich liess es kommen - das ist alles - ich habe nicht gerungen um das Glück nun wirft es seine reichsten Früchte mir in den Schooß. Ob ich sie nehmen will fragt er in Demut. Nun komm du schönstes Glück ich fasse Dich und halte Dich fest!
Vierter Aufzug Grevenbroich Eröffnung des Landtages x-x. Die Krankheit des Herzogs verhindert ihn, den Beratungen des Landtags beizuwohnen. Ich erkläre den Landtag für eröffnet. Bewaffnete dringen in den Saal. SCHENKERN
kommt.
Durch ein kaiserliches Schreiben ist ihm ausser dem Kommando der Veste Jülich, die Bewahrung der Stadt und des Schlosses Düsseldorf und die Erhaltung der Ruhe bis zur Ankunft des Kaisers Commissarien auf getragen. Jacobäa wird gefangen genommen.
Verwandlung SIBYLLA. JACOBÄA. HERZOG.
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SIBYLLA. AUS dem Fenster des Schlafgemachs stieg ein Mann. Er ist gefangen genommen worden KNIPPENBERG zum Pagen. Wer wars? PAGE. Ich weiß nicht. WACHE. Der Junker Hall - er hat meine Cameraden niedergemacht.
Zweiter Aufzug [Fünfter Aufzug] [Erster Auftritt] SCHENKERN, B R O E L L , H A I M B , PRINZ, B E E R , STÄNDE, RICHTER und
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SCHENKERN ZU Gerhard. Die Stände und die Richter sind versammelt und warten Ihrer Hoheit. Meldet es. Gerhard ab. PRINZ ZU Haimb. Ich bitt Euch, seht die hämischen Gesichter, Vor Schadenfreude förmlich lauschten sie! HAIMB. Was kümmerts uns? Wir sind hier um zu hören, Nicht um zu sehn, am Wenigsten zu sprechen. Jacobäa kommt, bleibt einige Schritte von der Thüre, durch welche sie eingetreten, stehen, und überblickt ruhig die Versammlung. PRINZ sich erhebend. Die Herzogin! ERSTER RICHTER halblaut, zupft ihn am Kleide. Was Herzogin! Jetzt nur die Angeklagte. BROELL sich erhebend. Eure Hoheit weiß Wozu Sie herberufen. Wir erbitten Kraft des vom Herzog uns verliehenen Amts Vertrau'n als Räthe und als Richter Wahrheit. Zu Beer. Beginnt! JACOBÄA. Erlaubt ihr Herren. Ich vermisse In Euren Reihen Bongart, Pütz und Palandt SCHENKERN lebhaft. Sie haben heute Düsseldorf verlassen. JACOBÄA erschrocken. Wie konnten sie. Wer gab dazu Befehl? SCHENKERN. Die Stände hohe Frau, durch ein Recht das diese Herrn auf Jahresfrist verbannt! JACOBÄA. Für welche Schuld? was haben sie verbrochen? Rasch. Und meinen Kanzler Orsbeck? SCHENKERN.
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GERHARD.
Kanzler ist
Herr Niclas von dem Broell. JACOBÄA. Ein Ehrenmann! Doch Orsbeck war das auch - und abgesetzt. Und durch wen abgesetzt? SCHENKERN. Durch ständischen Beschluß. JACOBÄA. Ich sprach zu Euch Herr Niclas von dem Broell. BROELL. {ES hatte} (Durch) Eure Hoheit ihn ernannt
(ward bis verliehen) üdZ, hinzugefügt über ihn ernannt; ohne
Tilgung.
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Jacobäa Und ein Befel der Stände revocirt Macht Null und nichtig jedliche Ernennung Durch sie erteilt zu Zeiten der Regentschaft. JACOBÄA. SO b i n i c h h ü l f l o s .
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Ich hülfelos in meiner Feinde Hand. PRINZ auf seinen Stuhl gelehnt, den er nicht wieder eingenommen hat. Hier thu ich Einspruch in des Kaisers Namen. Die Fürstin war vom Kaiser eingesetzt Als dieses Reichs Regentin und SCHENKERN ZU Broell. Gebt den Befel. Beginnt das Verhör PRINZ. Herr Marschall. Wir dulden nicht HAIMB. Ich bitt Euch - Mässigung. PRINZ sich setzend. Verwünscht dies Amt! BROELL. Herr Secretär! verlest die Klageschrift. BEER. Von Baden Markgräfin und Herzogin Von Jülich-Berg und Cleve, Jacobäa! Ihr stehet hier des Ehebruchs verklagt. JACOBÄA einen Schritt zurücktretend. Des Ehbruch's - Ich?! BEER. Es ist erwiesen und Beschworen worden, daß Herr Dieterich Von Hallen Euer Mundschenk, frech gewagt Euch treue schnöde Liebe zu gestehn. Jacobäa bedeckt das Gesicht mit den Händen. Entgegen jeder Sitt' und jeder Würde Habt Ihr trotzdem am Hofe ihn geduldet Ihn oft beglückt durch Zeichen Eurer Gunst. In schriftlichem Verkehr mit ihm gestanden Dieweil er vorig Jahr verweilte in Italien Und als er wiederkehrte vor einem Mond, Habt Ihr durch Euren Diener Carl, ihn Sogleich und insgeheim auf das Schloß Beschieden wo Ihr ihn des Nachts empfingt In Eurer Kammer. Jacobäa macht eine abwehrende Bewegung mit der Hand und schwankt. PRINZ. Der Herzogin zu Hilf! Ο mein Gott Euch ist nicht wohl. Er stellt seinen Stuhl vor sie hin. Nehmt Platz, erlauchte Frau.
(Und ihn) üdZ, hinzugefügt über Ihn oft; ohne Tilgung.
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JACOBÄA sich setzend. Habt Dank. BEER. Sodann seid Ihr verklagt durch Hexenkünste Die Geisteskrankheit uns'res Herrn und Herzogs Befördert, unterstützt, verstärkt zu haben. Es fand in seinem Wamse eingenät Ein Brief sich vor mit Charakteren seltsam Wodurch von seinen Gnaden viel Pein Erlitten worden und er selbst gesagt "Der Teufel ist in diesem Wams." PRINZ lacht. Hahaha!
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Herr Kanzler mich freuts daß man allhier Auch spaßen darf. SCHENKERN heftig. Ich wüßte nicht wer's dürfte Verbindlich. Natürlich außer Euch Herr Commissair. HAIMB. So hört doch schweigend zu! Je mehr sie sich Blamirt je besser ist's für uns. BROELL ZU Beer. Fahrt fort! BEER. Zuletzt Frau Herzogin, seid Ihr verklagt Daß Ihr verlobt gewesen feierlich Vor Eurer Vermälung mit dem Herzog Mit Johann Philipp Grafen Manderscheid. Dies Ehgelöbniß das Ihr ihm verborgen Beschworen beim hochwürdgen Sakrament Das Ihr darauf genommen ward gebrochen. Kein Neues durfte nun geschlossen werden Bevor der Pabst das erste aufgelöst. Ihr aber habt freiwillig es gebrochen Und Manderscheid PRINZ. Erlaubt Ihr Herrn - Ihr greift die Gültigkeit der Ehe an, nachdem Ihr Diese erlauchte Frau des Ehebruchs Verklagt. Zum Teufel mir kommt Vor wenn ihre Eh' nicht gültig so Fällt die Anklage wegen Ehebruchs In Nichts zusammen. BROELL. Habt Ihr zu Eurer Verteidigung etwas zu sagen? JACOBÄA. Herr Commissair - darin daß Ihr hier seid Vermut ich Ich lege meine Verteidigung in Eure Hand. Mit ihr wende ich mich an den Kaiser
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(Mich freuts daß man hier auch spaßt!) üdZ hinzugefügt·,
ohne
Tilgung.
Denn hier find ich kein Recht und keine Gerechtigkeit. Die hier sind meine Feinde - wollen mein Verderben. BROELL. Wie? Wißt Ihr wer Euch verklagt? Des Herzogs Schwester, Herzogin Sibylla. JACOBAA. Meine Schwester SCHENKERN. Und Zeuge ist sie selbst. JACOBAA. Marschall! Marschall Bedenkt Ihr sprecht zu keinem Kind Ihr sprecht zu einem Weibe freilich nur Doch einem Weibe das jahrelang Der Herrschaft Zügel in den Händen hielt Und x-x ihre schwachen Dienste niemals Mit Bewußtsein sie lenkte und nicht Völlig unkundig blieb für des Gesetzes Recht. Ihr sprecht von Zeugen? Wohl so stellt sie vor. Stellt mir entgegen sie BROELL. Die Zeugen sind verhört Und beeidet - sie haben ausgesagt. JACOBAA. Nicht mir in's Gesicht! Sind mit Mir nicht vorher, nicht mir gegenüber gestellt worden. BROELL. Man wollte Euch die Beschämung ersparen. JACOBÄA. Das hat man nicht getan Indem man sie allein und nicht das Mittel gibt mich zu rechtfertigen.
Jacobäa von Bayern
(H2)
Bruchstück des Ersten Aufzugs
Jacobäa von Bayern Trauerspiel in fünf Aufzügen
Jacobäa von Bayern
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[PERSONEN JOHANN WILHELM, Herzog von JACOBÄA, seine
Gemahlin
SIBYLLA, seine
Schwester
PHILIPP, Landgraf
von
Leuchtenberg
MARSCHALL WALDENBURG, gen. DIETRICH VON HALL,
Jülich-Cleve
Schenkern
Erblandmundschenck
GRAF BROICH PALANDT PÜTZ SOLENANDER KARL GERHARD WEHEL VON KNIPPENBERG, Bottelierer (Küchen/Kellerverwalter) SPINDER, Bader SEIN GEHÜLFE KATTERBACH, KUNZ,
Hauptmann
Schmied
Düsseldorf 1597]
Erster Aufzug Gastzimmer in der Herberge zum weißen Pferd Erster Auftritt KUNZ
(an einem Tische rechts, das Gesicht in die Hände S P I N D E R und
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K A R L kommen
mit
dem
gedrückt).
WIRTE.
WIRT. Hier ist er lieber Herr, seht ihn an, so liegt er da seit Mitternacht und spricht und deutet nicht und schläft auch nicht scheint mir. Ich fürcht' er ist sehr krank. Herr Bader Spinder, bitt Euch bringt ihn fort - ich konnt's in gutem nicht und Gewalt möchte ich nicht brauchen. SPINDER. Schon recht. Hierher den Wein. W I R T stellt eine Flasche und zwei Gläser auf den Tisch. Und auch Ihr bleibt nicht zu lange; geht - bevor katholische Leute kommen, des Marschalls Leute. KARL. Der Morgen graut ja kaum. So früh haben die Soldaten ihre Räusche nicht ausgeschlafen. WIRT. Gewöhnlich nicht, doch wer weiß? vielleicht gerade heut, der Zufall ist gar tückisch. Macht - bald fort, glaubt mir - und nehmt den mit den unheimlichen Gast. Ab. SPINDER zu Kunz tretend. He, Ihr da! Kunz erhebt den Kopf. Was - der Meister Kunz aus Neuss? - Um Gott wie seht Ihr aus? ganz abgerissen - das Gesicht voll Blut - und die Hände ... Gebt her, lasst Euch verbinden - Indem er sein Tuch um die linke Hand Kunzens schlägt. Das ist kein Mückenstich. Ihr müßt zu Hause ... K U N Z . ZU Hause?! ... Mensch - ich habe kein's - kein's mehr! KARL. Hat Euch's der Feind zerstört?
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KUNZ. Zerstört?
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KARL. Herrgott wie vielen ist's schon so ergangen! Reicht ihm ein gefülltes Glas. Trinkt einen Schluck. SPINDER. Kommt mit mir Kunz. Kommt zu den Meinigen. KUNZ. Ihr habt ein Weib und Kinder und vielleicht eine alte Mutter noch? - nein nein ich komme nicht - will nicht. SPINDER. Was also wollt Ihr? hier könnt Ihr nicht bleiben. KUNZ. Nicht? - Nun denn - Steht auf und will gehen. K A R L tritt ihm in den Weg. Halt, sag' ich, trinkt einen Schluck, sag' ich! K U N Z trinkt hastig.
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Jacobäa von Bayern KARL. Das war brav! Und nun noch einen. Der Bader befiehlt's. Zu Spinder. Nicht wahr, Vater? Ζu Kunz. So - den Wein hinunter und den Kopf hinauf! KUNZ. Habt Dank und lebet wohl und wenn Ihr wieder mir begegnet - kennt mich nicht. KARL. Ei, dummes Zeug! KUNZ. Das Blut da ist nicht blos das meinige. KARL. Ist spanisches dabei? Meister Kunz - ist spanisches dabei? KUNZ. Wol auch. SPINDER. Auch? und welches noch? KUNZ. Von Schenkern's Leuten einen hab ich umgebracht. SPINDER. Wetter, das ist bös! ... Und wie habt Ihr - warum? KUNZ. Warum? Mit geballten Fäusten gegen den Himmel. Ο Du dort oben wenn Du ein Einsehn hast... Mutlos. - Doch hast Du keins. SPINDER. Fasst Euch Meister ... KUNZ. Drei Jahre sind's seit der Farnese mit seinen Spaniern das arme Neuss erstürmte KARL. Ja ja es war gerade als unsere schöne junge Herzogin einzog in Düsseldorf - eilends wurden Verschanzungen angelegt um das fürstliche Hoflager vor Überfällen zu schützen. KUNZ. - Sie morden, plündern und sengen und setzen sich dann auf den Trümmern fest und was von unsern Leuten noch übrig blieb das keucht unter ihrer Geissei drei Jahre lang! SPINDER. J a j a .
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KARL. Die Spanier haben Neuss zu einem Raubneste gemacht und schießen daraus hervor wie die Geier und wo ihre Schwärme einfallen da wird das Land zur Wüstenei, das Dorf zum Leichenfeld. KUNZ. Drei Jahre sind's der unerhörten Not - ich zäle sie nicht mehr - der gestrige Tag hat sie ausgelöscht und mir ihre Pein in Lust verwandelt und ihre Gräuel in Kinderspielerei. SPINDER. Was ist geschehen? redet! KUNZ verloren. Geschehen? KARL. Am gestrigen Tage Kunz - gestern, Kunz KUNZ. Gestern? - Gestern hab ich einen Spanier der meinem Weibe nachstellte mit einem Fußtritt aus dem Haus gejagt und als er wiederkommt mit einigen Cameraden und drohend Einlaß begehrt, weigre ich ihn und wir verrammeln die Thüre meine Brüder und ich so gut es in der Eile geht. Darauf wird draussen alles still. — Die Schmiede stand einsam ein paar hundert Schritt vom Thore gegen Düsseldorf zu. SPINDER. Ich weiß - ich weiß KUNZ. Wir glauben schon der Feind wär' abgezogen als plötzlich Rauch aus allen Ecken qualmt - die Wände - nur notdürftig aus Holz gezimmert seit
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der letzten katholischen Mordbrennerei, schwärzen sich und glimmen ... Jetzt nur rasch - die Thüre frei gemacht und fort - und fort! Meine Brüder mit Hämmern und Beilen voran dann die Frauen und Kinder, ich zuletzt... Gottlob - draussen stehen wir und athmen! ... da stürzen die Spanier auf uns zu - zwanzig Männer gegen drei! Wir hauen d'rein als wie die Rasenden was hilft's? - Der Kampf war kurz. Meine Brüder lagen, - nun sinkt die alte Frau - ich, wie ich das sehe, pack' ihn der's gethan den Hund ... Es war derselbe der am Morgen - Ihr wisst - "Lass' los!" keucht er aus zugeschnürter Kehle "oder die" und deutet auf die Meinen - "bezahlen's!" Ich aber kann ihn los nicht lassen, kann nicht wenn ich auch wollte, doch will ich nicht. Fahr wohl Weib und Kind! — SPINDER. Allmächtiger Gott! ... KUNZ. Da fällt er hin der Hund - die andern aber haben indessen - mein Weib und - die - Kinder ... Ο die Kinder ... Er wirft sich weinend auf die Bank. KARL. - Niedergehauen? ... Die Kinder?! ... Tritt zu Kunz. Meister - armer - Du armerSPINDER. Lass' ihn weinen, schweig. Für solche Wunden ist kein Balsam im Menschenwort. KUNZ. Ich war der letzte welcher sank, doch sank auch ich. Sie ließen mich für todt auf dem Platze. Als ich zu mir kam war das Haus niedergebrannt bis auf den Grund. Ein paar Männer aus der Stadt hatten sich herausgewagt, die labten mich und halfen mir die Leichname begraben. Sie liegen am Fuße des Nussbaums unter dem die Kinder sonst gespielt. Als der Abend kam verlor sich einer der Freunde nach dem andern, ich aber blieb im hohen Grase neben den Meinen liegen, und starrte den Himmel an und fluchte ihm. SPINDER. Und was war es denn mit dem Jülich'sehen Soldaten von dem Ihr sagtet... KUNZ. Ja - das ... Wie ich so daliege fühle ich auf einmal einen mächtigen Athem an meiner Wange - ein reiterloses Pferd beugt den Kopf herab zu mir und schnaubt mich an und scharrt. Ich blicke auf - ganz nahe steht ein Reuter von Marschall Schenkerns Regiment, wie auf der Lauer. Mich durchblitzt's: Hilfe! Rache! - der ist nicht allein - der hat ein paar Fähnlein hinter sich - die wollen den Spaniern an den Kragen. "Herr" will ich schon rufen: "Herr! haltet Euch heut noch versteckt - morgen zieht der Feind auf Requisition - morgen ist der Tag wo Ihr ..." Da klatscht der Kerl in die Hände und wie aus dem Boden gewachsen stehen zwei spanische Officiere neben ihm. KARL. Potz Marter! spanische ... SPINDER. Weiter! weiter! KUNZ. Sie grüßen sich und drücken sich die Hände - und Holl und Schmach und schändlicher Verrat - der Reuter verspricht ihnen Unterstützung im Namen seines Herrn.
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Jacobäa von Bayern KARL. Des Marschalls Schenkern! KUNZ. Wol! jawol! und beschreibt den Weg den sie morgen nehmen sollen auf ihrem Raubzug - und nimmt Briefe in Empfang vom Farnese an den Marschall.
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KARL. Mordelement!
KUNZ. - Und wieder grüßen sie sich und nehmen Abschied. Die Spanier hat die Erde aufgetrunken KARL ZU Spinder. Hört Ihr? so ist das doch kein Märchen was sie erzälen vom unterirdischen Weg zwischen Marienberg und Neuss? KUNZ. Der Reuter schaut nach seinem Pferde aus - ich aber bin mit einem Satze neben ihm und meine Linke packt ihn an der Gurgel indess die Rechte über seinem verfluchten Haupte den Hammer schwingt. "Ihr also, Ihr im Bunde mit dieser spanischen Pest?!" ruf ich und führ' den Schlag. Keinen Laut gab der Schurk von sich - stürzte hin und sah so gräßlich aus daß mich ein Schauer fasst, ein namenloser - und wende mich und renne als peitschte mich der Teufel - und kam hierher und wusste selbst nicht wie? KARL. Die Briefe aber - die Briefe des Prinzen von Parma an den Marschall? KUNZ. D i e hat der Todte.
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KARL. Unglücksmensch! die ließt Ihr ihm, die Briefe?! und die brächten's an den Tag daß uns der Marschall verrät, verkauft! KUNZ. Verrät! verkauft! Ich kann'S beschwören! SPINDER. Beweisen wäre besser. KARL. Ihr sagt - im hohen Grase, bei den Trümmern der Schmiede läg der Reuter? KUNZ. Ganz nah vom Nussbaum. KARL. Vater, gebt mir Urlaub für ein paar Stunden. SPINDER. Wozu denn? KARL. Ich hol' die Briefe.
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SPINDER. Ich glaub' Du bist verrückt. Wenn Dich die Spanier fingen oder wenn Kundschafter des Marschalls ... KARL. Ein "wenn" gegen zwei, Vater! Wenn ich die Briefe bringe? SPINDER. Ei nun - was dann?
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KARL. Dann lief're ich sie aus SPINDER. Dem Grafen Broich? KARL, Ο nein dem nicht - der will ja nichts als die Zwitracht schüren - um sich selber ist's jedem der großen Herrn ganz allein zu thun, um uns aber - um das Volk, im tiefsten Ernst - nur Einer! ... Einer! - Hab' ich die Briefe Gott helfe mir dazu! - dann bring ich sie auf's Schloß, zur Frau Herzogin. SPINDER. Was soll die arme Frau? ... KARL. Das wird sie wissen was sie soll mit dem entlarvten Verräter. SPINDER. Wer würde es wagen den Marschall zur Rechenschaft zu ziehen?
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KARL. Die Frau Herzogin würde es thun! Sie ist vom Kaiser in der Regierung bestätigt worden, ihr gebührt das Landesregiment ... Kann sie's nicht immer ausüben, wer ist Schuld daran als wir, als unsre Ohnmacht, unsere Erbärmlichkeit - ?! die ihr keine Stütze bietet, die nur immer winselt: "Hilf ο hilf auf uns jedoch rechne dabei nicht!" ... Vater - ich wenigstens, ich will Vater lasst mich fort ... Ich gehe — mit Eurem Willen, oder ... SPINDER. O d e r ?
KARL. Oder - gegen Euren Willen! SPINDER. Steht es so? Nun in dem Falle befehle ich Dir: Geh'. 10
KARL. V a t e r !
SPINDER. Und gieb mir acht auf Dich. K A R L . J a ! j a ! Eilt
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hinaus.
SPINDER. Dem brennt nun der Kopf. Er bildet sich ein er hielte - der arme Badergehilfe, den Marschall Schenkern schon unter seinem Fuß und brauche um ihn zu zermalmen nur einmal tüchtig aufzutreten. KUNZ. Der Teufel helfe ihm dabei weil einmal der liebe Herrgott nicht helfen will. Unser Blut und unsere Thränen schreien umsonst zum Himmel vielleicht hört sie die Hölle! SPINDER. Für uns ist nichts mehr zu helfen - nichts! Überlegt doch nur wie die Sachen stehen: Es giebt Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden. Der Kaiser hält's mit den Spaniern weil sie katholisch sind und Frankreich hält's mit den Niederländern weil's der Kaiser mit den Spaniern hält. Wir eingepfercht zwischen den streitenden Mächten sind schutzlos der Grausamkeit aller preisgegeben. KUNZ. Schutzlos! Wir sind ein Volk von Memmen. SPINDER. Nicht einmal das. Wir sind gar kein's. Wir sind Katholiken oder Protestanten oder Reformirte - Bewohner von Jülich, Cleve oder Berg Anhänger des Grafen Broich oder des Marschalls Schenkern. Gemeinsam haben wir nur unser Elend und unsern Herrn, Herzog Johann-Wilhelm. Doch der ist leider krank und muß das Regiment den Räten überlassen, die es denn führen daß sich Gott ... Wirt an der Thüre. WIRT. Fort! Fort! - Der Hauptmann Katterbach! SPINDER steht auf. Kommt - kommt KUNZ. Was schert denn uns der Hauptmann Katterbach? SPINDER. K o m m t , s a g ' i c h .
KUNZ. Geht Ihr. Ihr habt noch etwas zu verlieren. spät - da sind sie schon ... Ο hättet Ihr doch meine Warnung -
W I R T . ZU
Jacobcia von Bayern
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Zweiter Auftritt VORIGE. KATTERBACH. KNIPPENBERG.
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KATTERBACH. He Wirtschaft! hört denn niemand? WIRT. Hier - Euer Gnaden! KNIPPENBERG. Wein her - vom besten, zwei Flaschen und ein Glas! KATTERBACH. Wein her - vom allerbesten, drei Flaschen und ein Glas! WIRT. Gleich - sogleich! Ab. KATTERBACH nachrufend. Versorgt auch meine Leute und gut - hört Ihr? wenn einer klagt dann gnad Euch Gott und alle Heiligen. KUNZ der die Eingetretenen angestarrt hat, sich mit Ekel abwendend. Pfui! riechen nach Weihrauch wie die Pfaffen! KATTERBACH setzt sich an den Tisch links auf den der Wirt Wein und Gläser stellt. Spinder und Kunz bemerkend. Wer sind denn die? KNIPPENBERG über die Achsel. Zwei Gläser und eine Flasche? - Calvinistisches Gesindel. KATTERBACH. Wollen ihnen Beine machen. KNIPPENBERG. Lasst sie. Wir haben ja Befehl Frieden zu halten mit den Ketzern. Wie sagt Frau Jacobäa? Parodirend. "Ich dulde keine Unterdrückung meiner protestantischen Unterthanen" - Hahaha! - sie meint's so gut. KATTERBACH. Ja, mit dem Erblandmundschenk, Dietrich von Hall. KNIPPENBERG mit ironischem Vorwurf. Schämt Euch alten Weibern nachzuplappern ... Hahaha! KATTERBACH. Verflucht daß der Ambros nicht zurück ist. Verflucht! KNIPPENBERG. Das ledige Pferd das sie hier eingefangen haben KATTERBACH. Ist das seine. Sattel und Zeug sind so zerfetzt, daß man sieht das Thier hat sich schon lang reiterlos umhergetrieben. KNIPPENBERG. Gebt acht der Ambros ist erschlagen. KATTERBACH. War' vermaledeit! 's ist nicht um ihn aber die Briefschaften und Gelder ... Rasen wird der Marschall - ist ohnehin nicht sonderlich aufgelegt ... In Neuss soll's auch nicht richtig sein. KNIPPENBERG. Natürlich nicht. Die Herzogin bereitet ja im geheimen alles vor zum Entsatz. KATTERBACH. Ich hab'S dem Marschall gemeldet - er lachte - wie er so lacht wenn ihm einer eine Dummheit sagt. KNIPPENBERG. Dummheit? Truppen sind schon geworben - fünfundzwanzig Mann - lauter Seifensieder. Frau Jacobäa setzt sich selbst an die Spitze mit einer Fahne. Hahaha! KUNZ leise zu Spinder. Was reden die? SPINDER. Horcht nicht hin - es könnt Euch schlecht bekommen.
I. Text
Ihr habt die Kundschafter doch hierher bestellt? Knippenberg nickt. Würfel mitgebracht? K N I P P E N B E R G zieht Würfel aus der Tasche. Versteht sich. K A T T E R B A C H . Gebt ... Doch - vorher. Er legt einen Zettel auf den Tisch nachdem er ihn geküßt und sich bekreuzt. K N I P P E N B E R G . Was? Ein Ablaßzettel? K A T T E R B A C H . Ich hab mir ihn gekauft gestern, um einen Molzgow'schen Gulden an Korn und Schroot gerecht - Weil ich denn geschworen hatte nicht mehr zu zweifeln. Aber der da - Küßt den Zettel wieder. Der sagt: Wofür sind die falschen Eide wenn sie nicht geschworen werden? Ablaß - seht! Für hundert Jahre - seht! da steht's - da ist mehr vergeben als ich sündigen kann. Er würfelt. Sieben! K N I P P E N B E R G . Zehn. K A T T E R B A C H . Fünf. K N I P P E N B E R G . Neun. K A T T E R B A C H schiebt ihm Geld zu. Ich verliere. Sie spielen weiter. S P I N D E R . Kommt nun. Wir wollen gehen. Kunz steht auf. K A T T E R B A C H . Wieder und wieder! - Der Kukuk hol'S! Ein Geldstück das er auf den Tisch wirft fällt herab und dem eben vorübergehenden Spinder vor die Füße. Hebt auf! - Seht Ihr denn nicht? - Nun - wird's? S P I N D E R ZU Kunz. Es ist recht spät geworden. Will gehen. K A T T E R B A C H . Ist der Bube taub? K U N Z . Bube? Was untersteht Ihr Euch? K A T T E R B A C H springt auf. Holl und Teufel! K N I P P E N B E R G . Ruhig! - Zu Spinder. Lieber Herr erweist uns den Gefallen und hebt das Geldstück auf ... K A T T E R B A C H . Wollt Ihr gehorchen? K U N Z . Nein! Wir besudeln unsere Hände nicht mit spanischem Sündengeld. K A T T E R B A C H . Was? K N I P P E N B E R G vertritt Spindern der sich abermals zum gehen wendet den Weg. Holla! Holla mein lieber Herr! Was versteht Ihr unter spanischem Sündengeld? S P I N D E R . Fragt den Marschall Schenkern. K A T T E R B A C H . Elendes Ketzerpack - das Wort reut Euch noch! Ruft. Heda, Ihr Leute! Soldaten Katterbach's kommen. Nehmt den in Gewahrsam! K U N Z wirft sich vor Spindern. Zurück! K A T T E R B A C H . A U S dem Wege! Haut nach Kunz. K U N Z wankend. Schurke ... Ο ... der Schurke! S P I N D E R . Gott im Himmel! Unterstützt Kunz. KATTERBACH.
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Jacobäa von Bayern
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Dritter Auftritt VORIGE. HALL, gefolgt
von einigen
stürzt
bewaffneten
DIENERN und dem
WIRTE,
herein.
HALL. Was giebt es hier? Frieden im Namen der Herzogin! Frieden sag' ich! Er stößt einen Soldaten zurück der auf Spinder eindringt. KATTERBACH. Mit welchem Recht... HALL. Der Mann blutet - Wie ist mir denn? Das ist ja Kunz, der Schmied - Wer hat ihn verwundet? 5
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KATTERBACH. I c h h a b ' S g e t h a n ! u n d ich -
HALL. Hauptmann, seid Ihr toll? ... Bringt den Verwundeten in Eure beste Stube - Ihr Bader Spinder bleibt bei ihm und sorgt... KATTERBACH. Nichts da - die beiden sind meine Gefangenen sie haben den Marschall beschimpft HALL auf Kunz deutend. Und so seid Ihr bemüht seinen und seiner Officiere guten Ruf wieder herzustellen? Geht mir doch! Zum Wirte. Gehorcht! Zu Spinder. Sorgt für ihn - Leise. Sagt ihm der Zahlungstag sei nahe. Laut. Ich sehe bald selber nach. Meine Diener bleiben hier zu Eurem Schutze. SPINDER. Habt Dank! habt Dank!
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Kunz wird von Spinder, dem Wirte und Hall's Dienern fortgebracht. KATTERBACH. Alle Donnerwetter ich hätte Lust HALL. WOZU denn Hauptmann Katterbach? KNIPPENBERG leise zu Katterbach. Seid klug! seid klug! KATTERBACH. Ich steh in Diensten des Marschalls HALL. Meines Vetters. Und ich steh in Diensten der Herzogin in deren Diensten mein Vetter steht. KATTERBACH. Ich f o r d e r e -
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HALL. Euer Verfahren gegen die Bürger dieser Stadt ist schon längst der Herzogin ein Gräuel: Weh' Euch daß hier neuer Grund zur Klage gegeben ward! ... KATTERBACH. Da soll doch HALL. Die Hand vom Flederwisch! KNIPPENBERG wie oben. Fassung! Fassung! KATTERBACH. Ich geh dem Marschall melden HALL. Meldet ihm was Euch beliebt. Die Wahrheit kommt durch andere zu Tage als durch die Katterbachs! Zu den Soldaten. Platz da! gebt Raum! Rasch ab, indess die Soldaten zu beiden Seiten ausweichen. KATTERBACH schäumend. Der Fant! der Geck! was hindert mich daß ich ... KNIPPENBERG. Daß Ihr ihm nachrennt und ihn aufspießt auf Eurer langen Klinge? - Die Klugheit Freund, die ganz gewöhnliche, dumme Klugheit! Das kurze Vergnügen wäre vielleicht zu theuer. - Habt Ihr bemerkt wie er
I. Text
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aussah staubbedeckt und überwacht als hätte er die ganze Nacht im Freien campirt? KATTERBACH. Der Teufel soll mich holen wenn sich der nicht nach Neuss geschlichen hat KN1PPENBERG. Den Bürgern dieser guten Stadt Botschaft zu bringen von Frau Jacobäa der ihre Leiden sehr zu Herzen gehen. KATTERBACH. Ich muß das alles meinem Herrn melden. Ihr bleibt hier und erwartet den Kundschafter. Ich geh zum Marschall. Ab. Seine Leute folgen. KNIPPENBERG allein. {Der Junker Günstling trat sehr} ( - Er trat sehr) zuversichtlich auf - sehr siegsbewußt, der Junker Günstling ... Hätt ich's nur schon gewiß daß er es ist dann wollte ich Dir zeigen Frau Jacobäa wie weise Du gethan einem alten Diener mit Entlassung zu drohen weil er's nicht lassen kann dem Bettelvolk das uns arm frisst, die Wege zu weisen. Gemach nur - nur Gemach! Verrathen hat sich am Ende noch jedes Liebespaar. Ich warte auf Deine Stunde - hat die einmal geschlagen dann wollen wir sehen wer fester sitzt am Hofe - : Die Waise Philiberts von Baden, die hier die Regentin spielen will....
Verwandlung Ein Zimmer im Schlosse Vierter Auftritt
5
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Sibylla und Schenkern kommen. SIBYLLA. Ja wol Herr Marschall, diese kleine Fürstin, Sie wächst, sie wächst. Ich sehe staunend zu. Nehmt Euch in acht, bald überragt sie Euch. SCHENKERN. Ο dies ist herber Hohn, Princessin. Mich? - Ich bin ihr Diener, bin wenn sie's befiehlt Ihr Schwert, ihr Arm, ihr Stab - befragt sie mich Ihr demütiger Rath - und immerdar Ihr treuster Unterthan. SIBYLLA. So. So. Ganz recht! Und mir hat nur geträumt von einem stolzen Und ehrgeizigen Marschall der in Cleve Seit Jahren ringt nach Einfluß und Gewalt, Der alle Herrschaft die der müden Hand Des kranken Herzogs allgemach entglitt
Nach 17
Vierter Auftritt ] Dritter Auftritt
Schreibfehler
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Jacobäa
In seine eignen kräft'gen Hände nahm Und sehr entschlossen schien sie festzuhalten. SCHENKERN. Sie zu bewahren ungeschmälert, rein, Dem Fürstenhause Herrin, Deinem Hause Das war mein Amt vom Kaiser mir ertheilt, Und ich vollzog's getreu bis an den Tag Wo Jacobäa dieses Land betrat, Die sanfte Fürstin mit der starken Seele Und mit dem Adlerblick im Taubenauge.
von
Bayern
II. Kritischer Apparat
Jacobäa
1. Editorische Hinweise Zeichen und Abkürzungen: {} Tilgung {{ {} }} () (({))) {()} J1 [] χ x-x x-x-x aR ndZ üdZ udZ F
sekundäre Tilgung, eine primäre umschließend (so daß also eine Tilgung innerhalb der Tilgung vorhanden ist) Hinzufügung sekundäre Hinzufügung, innerhalb einer primären enthalten getilgte Hinzufügung Tilgung durch Daraufschreiben Ergänzung der Herausgeberin unleserlicher Buchstabe unleserliches Wort unleserliche Wortgruppe am Rande neben der Zeile über der Zeile unter der Zeile Fußnote
Η WSLB IN / ZPH
Handschrift Wiener Stadt- und Landesbibliothek Inventarisierungsnummern
Wiedergabe des Textes: Beide Handschriften (H1 und H2) sind in lateinischer Schreibschrift. Der unterstrichene Text in beiden Handschriften für Akte, Szenen und für die ζ. T. abgekürzten Personennamen wird ohne Unterstreichung wiedergegeben, wobei Personen zusätzlich als Kapitälchen erscheinen. Die Bühnenbeschreibungen und Szenenanweisungen, die in H' nur teilweise und in H 2 immer unterstrichen sind, wobei letztere in H1 manchmal in runden Klammern und in H2 in Schrägstrichen erscheinen, sind kursiv gesetzt. Der Versverlauf wurde aus den Handschriften übernommen. Die in den Handschriften verwendeten Unterstreichungen im Text wurden als Sperrung wiedergegeben. Abbreviaturen, zur Beschleunigung des Schreibens verwendet ("u." für 'und' sowie andere Abbreviaturen), wurden ausgeschrieben. Zitate und Verweise: Zitatnachweise erfolgen unmittelbar nach den Zitaten in runden Klammern oder in Fußnoten mit Namen und Seitenangabe. Für ungedruckte Quellen und für Sammelausgaben werden Siglen verwendet, die im Quellenverzeichnis aufgeführt und mit bibliographischen Angaben versehen sind.
Jacobäa
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2. Zur Gestaltung von Text und Apparat Der kritische Apparat berücksichtigt die Handschrift H 1 , deren Beginn des ersten Aufzugs zwei Varianten aufweist, sowie die Handschrift H 2 , die aus einem Bruchstück des ersten Aufzugs besteht und die ersten drei Auftritte und den Beginn des vierten Auftritts einschließt. Die längere Handschrift H1 mit ausgearbeiteten Szenen in unterschiedlicher Länge zu allen fünf Aufzügen ist zum Teil sehr fragmentarisch. Diese Handschrift enthält Notizen, in Prosa verfaßte Zusammenfassungen und alternative Varianten sowie Variantenbruchstücke, die des öfteren schwer oder überhaupt nicht in den Verlauf der Fassung einzuordnen sind. Eine Fassung zur Gerichtsszene, die als zweiter Aufzug überschrieben ist, aber nach den letzten Plänen wohl eher als der fünfte Aufzug gedacht war, wurde in Ebner-Eschenbachs Notizbuch zu Richelieu (I.N. 58515) entdeckt und in die Handschriftfassung H 1 mit übernommen. In die Handschriftfassung H 1 sind alle ausgearbeiteten Auftritte und Varianten eingegangen, die sinngemäß in den Verlauf der Handlung eingeordnet werden konnten. Bei der Handschrift H 2 handelt es sich um eine überarbeitete Fassung der Szenen in der Herberge zum weißen Pferd, die in H 1 als zweite Variante am Beginn der Fassung stehen. Diese überarbeitete Fassung unterscheidet sich von den Szenen in H 1 durch eine erweiterte und überarbeitete Ausführung. Eine Gegenüberstellung der Textvarianten dieser Eingangsszenen erübrigt sich wegen der großen textlichen Unterschiede. Orthographie, Interpunktion und Vers verlauf der Handschriften werden beibehalten. Eingegriffen wurde nur bei offensichtlichen Wortfehlern und sinnentstellenden Schreibfehlern. Fehlende Umlautpunkte wurden ergänzt, und die Schreibweise von Namen wurde vereinheitlicht. Es gibt keine wesentlichen Veränderungen in der Orthographie, in der Laut- und Wortgestalt sowie der Interpunktion zwischen H 1 und H 2 . Die Beschreibung in den Sammelvarianten bezieht sich auf beide Fragmente.
3. Sammelvarianten Viele orthographische Varianten basieren auf der Uneinheitlichkeit der damaligen Rechtschreibung und der Tatsache, daß es sich bei diesen Handschriftenfragmenten um keine überarbeiteten vollständigen Fassungen handelt. Die Interpunktion wird in Handschriften und besonders Handschriftfragmenten des öfteren recht spärlich und auch falsch verwendet. Im Folgenden werden anhand von Beispielen die Varianten erläutert. Es handelt es sich bei den Beispielen nicht um eine vollständige Liste.
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II. Kritischer Apparat
a. Vokalismus und Konsonantismus α . Im Anlaut wird in beiden Fassungen grundsätzlich Ä und Ü statt Ae und Ue verwendet. Nur in H' kommt jeweils einmal Uebel (755,20) und Aether (755,34) vor. ß. In beiden Handschriften wird äu statt eu in folgenden Wörtern verwendet: Gräueln (735,11; 774,29), Verläumdungen (760,16), verläugnen (755 F). y. In H2 tauchen Formen von Hilfe mit ü nicht mehr auf, aber in H' kommen neben der Form mit i noch vor: Hülfe (748,7), Abhülfe (750,4), hülflos (766,4). Es tritt aber auch hilf (735,39; 766,30) und hilflos (751,15) in H' auf. In Η2 herrscht i vor: Hilfe (775,32), Badergehilfe (777,14). δ. ie und i: Beide Schreibweisen treten sowohl in H' als auch H2 auf, wobei dies in H' vor allem für Formen von geben gilt: giebt (729,7; 729,9; 736,40; 777,20), wiedergiebt (744,26), gieb (745,35; 760,32; 777,11), übergiebt (763,2), neben gibt (768,25). Außerdem tritt in H2 einmal die Schreibweise Zwitracht (776,35) auf. ε. In beiden Fassungen taucht jeweils einmal oo auf: Schooß (763,9), Schroot (779, 7). ζ. In beiden Fassungen steht noch blos (732,23; 774,16), aber es kommt zu einer zunehmenden Verwendung von ß gegenüber ss in beiden Fragmenten. Trotzdem kommen noch Schreibweisen mit ss als auch ß vor: indeß (738,29; 744,23), großer (761,12; 739,38), büßen (741,21), geheißen (732,5), Gruße (733,1), gewiß (739,15; 781,11), weiß (741,5; 742,19; 773,10), Spaße (749,25), neben indess (756 F; 776,11), verlasst (758, 32), lasst (758,6; 777,6), masslos (732,18), ausser (740,5), Bewusstsein (755,31,35), Geissei (774,22), Nussbaum (775,23), wusste (776,16). η . Substantive mit der Endung -nis treten in H' noch durchweg mit dem damals gebräuchlichen -niß auf: Bündniß (739,3), Liebesverhältniß (746,14), Einverständniß (748,16), Zeugniß (754,19), Ehgelöbniß (767,21). Außerdem tritt in H' einmal Geheimniss (736,17) auf. Θ. In H' findet sich th, aber auch schon verstärkt t, während in H21 überwiegt. In beiden Fassungen steht: thun (729,20; 776,36), Thüre (730,33; 777,31), gethan (733,10; 780,5), Unterthan (737,2; 781,8), ertheilt (737,12; 782,5), Thränen (759,5; 777,17). In H' und vereinzelt in H2 finden sich riethet (731,2), theilt's (735,1), Räthe (735,14), theuren (737,28) neben Rat (757,8), wert (738,3), rietet (760,22), getan (768,21), erteilt (766,3), verrät (739,22; 776,20). i. In beiden Fragmenten findet sich die Schreibweise dt für: todt (750,1; 775,20), Todte (753,27; 776,18). κ. Beide Schreibweisen mit und ohne Dehnungs-h treten in beiden Fragmenten auf: wol (736,15; 774,8), allmälig (732,24), zält (742,1), Gemal (744,9), befielt (746,8), zalreicher (750,13), eingenät (767,5), Befel (766,1), Vermälung (767.19). Aber es steht auch: erzählt (743,14), bezahle (756,12; 775,9), befiehlt (736,5; 781,5), Wahl (751,19). λ. In H' taucht einmal mm auf in: Wamms (741,9).
Jacobäa
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b. Groß- und Kleinschreibung α. Die Anredepronomina werden in beiden Fragmenten groß geschrieben. ß. Indefinitpronomina und Zahlwörter werden in beiden Fragmenten nur in wenigen Fällen groß geschrieben: Nichts (767,34), Niemand (729,25), Einer (776,37).
c. Fremdwörter α . Die Endung -iren f ü r Substantive und Verben romanischen Ursprungs treten in beiden Fragmenten auf: campirt (736 F; 781,2), Reformirte (748,17; 749,5; 777,27), triumphiren (737,31), fixirend (742,15), triumphirend (759,5), resolviren (762,4), revocirt (766,1), parodirend (778,15). ß. In H' kommt folgende französische Schreibung vor: Commissaire (762 vor 1). y. C wird bei folgenden Wörtern romanischen Ursprungs in beiden Fassungen statt k oder ζ verwendet: Cameraden (764,5; 774,35), Castell (745,20), Catholiken (749,5), credenzen (753,10), Officiere (754,27; 775,36), Commando (763,3), Princessin (752, 27; 781,4), aber es tritt auch Katholiken (735,11; 777,26) und Prinzessin (736,4) auf.
d. Der Apostroph In beiden Fragmenten wird der Apostroph häufig verwendet: ct. Apokopierung und Synkopierung bei Verben: sag' (755,19; 773,28), wär' (738,13; 774,40), hab' (759,6; 776,37), werd' (730,25), führ' (776,13), mein' (731,13), erkannt' (738,2), zweifl' (739,19), schwör' (746,6), durchwacht' (731,5), ruf (734,23), rechtfert'gen (753,16). ß. Apokopierung und Synkopierung bei Substantiven: Partei'n (729,29), Sitt' (766,20). γ. Apostroph beim Genitiv: Bruder's (730,1), Herzog's (737,35), Schwur's (743,6), Ehbruch's (766,16). δ. Beim Genitiv von Namen tritt der Apostroph auf: Schenkern's (774,10), Katterb a c h s (779,32), Hall's (780,14), Jacobäa's (730,41), Sibylla's (742,22), Farnese's (750,2), Spanien's (747,7). ε. Als Zeichen der Apokopierung und Synkopierung bei Adjektiven und Adverben: kräft'gen (737,8; 782,1), finst're (729,8), selt'ne (729,9), sünd'ge (740,10), span'scher (741,13), künft'ge (741,33), irr' (748,3), trotz'ge (755,29). ζ. Bei Synkopierung der Indefinitpronomina und Zahlwörter: kein's (773,18). η. Bei Synkopierung von Possessivpronomen: uns'res (767,3). Q.Ais Zeichen der Synkopierung bei Präpositionen: bei'm (729,2), an's (739,26), durch's (730,30), in's (742,29), auf's (776,38).
II. Kritischer Apparat
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e. Interpunktion Die Interpunktion in H1 und H2 ist in der Setzung von Kommas, Punkten, Semikolons, Gedankenstrichen sowie dem Einsatz von drei Punkten sehr unterschiedlich. Sie ist in beiden Fassungen, da es sich um Fragmente handelt, recht sporadisch und inkonsequent. Es fehlen vor allem Kommas vor Konjunktionen wie daß, weil, wenn, als und sondern sowie vor Infinitivkonstruktionen und Relativsätzen. Das Komma steht aber des öfteren vor und sowie oder bei Verbindung mit gleichrangigen Wortgruppen. Appositionen werden grundsätzlich nicht in Kommas eingeschlossen. Es steht gelegentlich ein Komma nach der Apposition. Die Kommasetzung erfolgte in der Regel erst in den vollständig ausgearbeiteten Fassungen.
III. Text- und Entstehungsgeschichte
Jacobäa
1. Der geschichtliche Stoff und seine Faszination Im Frühjahr 1862 beginnt Ebner-Eschenbach mit eingehenden Geschichtsstudien zu einer dritten historischen Frauengestalt Jakobe, Herzogin von Jülich, Cleve und Berg (1558-1597).' Es handelt sich dabei um die Zeit der Gegenreformation. Früh verwaist, wurde Jakobe am Hof ihres Onkels, des Herzogs Albrecht V., in München katholisch erzogen. Obwohl Jakobe mit dem Grafen Philipp von Manderscheid verlobt war, kam es durch die Bemühungen ihrer Verwandten sowie die Unterstützung des Kaisers und Papstes im Jahre 1585 zu einer Vermählung mit Herzog Johann Wilhelm von JülichCleve (1562-1609). Jakobes Verhältnis zu ihrem Schwiegervater Wilhelm IV. (1517-1592) und seinen Räten, an deren Spitze der bergische Erbmarschall Wilhelm von Waldenburg, Schenkern genannt, stand, entwickelte sich bald zu einem feindlichen. In diese Feindschaft war auch Jakobes unverheiratete Schwägerin Sibylle eingeschlossen. Als Johann Wilhelm 1590 geisteskrank wurde, bemühte sich Jakobe um die Regentschaft und verbündete sich zu diesem Ziele mit den protestantischen Ständen von Cleve-Mark, obwohl sie noch 1587 von Papst Sixtus V. wegen ihrer Verdienste um den Glauben mit der goldenen Rose ausgezeichnet worden war. Jakobe wollte dem Einfluß von Schenkern entgegenwirken, der unter Anführung einer Mehrheit der Räte Rückhalt in Spanien und bei Kaiser Rudolf II. suchte, um zu bewirken, daß der Kaiser ihnen vorläufig die Regierung übertrug. Als dann Wilhelm IV. starb, wurde 1592 durch ein kaiserliches Dekret die Regentschaft zwischen den Räten und Jakobe geteilt. Auf dem Grevenbroicher Landtag 1595 beschlossen Räte und Stände, den geisteskranken Johann Wilhelm dem Gewahrsam Jakobes zu entziehen. Von den katholischen und den durch ihn hinters Licht geführten protestantischen Ständen von Jülich und Berg unterstützt, besetzte Schenkern 1595 den herzoglichen Sitz im Düsseldorfer Schloß, verhaftete Jakobe und ließ sie durch Sibylle des Ehebruchs mit Dietrich von Hall anklagen. Die Untersuchung zu diesem und anderen Anklagepunkten wurde von kaiserlichen Kommissaren übernommen und das die Angeklagte belastende Ergebnis dem Kaiser übersandt. Auch nach Eingang der Verteidigungsschrift von Jakobe und der Aufforderung durch Schenkern sowie die ihm verbündeten Räte, das Urteil zu fällen oder sie zur Hinrichtung der Herzogin zu ermächtigen, zögerte der Kaiser die Entscheidung hinaus. Am 3. September 1597 wurde Jakobe in ihrem Bett tot aufgefunden. Angeblich war sie erdrosselt worden; sie war zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt. Die Quellen, die Ebner-Eschenbach für ihr geplantes Drama Jacobäa eifrig konsultierte, sind Theodor von Haupts Jacobe, Herzogin von Jülich, geborene Markgräfin von Baden. Biographische Skizze (1820), J. F. Knapps Regenten- und Volksgeschichte der Länder Cleve, Mark, Jülich, Berg und Ravensberg (1836) und D. Franz Domini' Gladt (S. 18) geht davon aus, daß die Beschäftigung mit Jacobäa bereits im Frühjahr 1861 begann, was allerdings aufgrund der Tagebücher, Briefe und Notizhefte nicht bestätigt werden konnte.
Jacobäa
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cus Häberlins Neueste Teutsche Reichs-Geschichte. Vom Anfang des schmalkaldischen Krieges bis auf unsere Zeiten (1786). Bedingt durch die schwere Krankheit ihrer Schwiegermutter, teilt Ebner-Eschenbach ihre Stunden zwischen dem Krankenzimmer und den Studien für ihr neues Stück. Sie ist von dem Stoff sehr angetan, der ihr, wie sie Eduard Devrient im Mai 1862 berichtet, "eine unbeschreibliche Sympatie eingeflößt" hat, und auch mit dem Verlauf der Vorarbeiten ist sie derart zufrieden, daß sie glaubt, "ganz gewiß in 3 Monaten mit dem Stücke fertig zu sein" (Br 15), wenn ihr die familiären Verpflichtungen wenigstens einige Stunden täglich zur Arbeit erlauben.
2. Die Entstehungsgeschichte der Fragmente Ebner-Eschenbachs Geschichtsstudien führen zu ausführlichen Notizen, Plänen und Entwürfen. Ein Notizbuch (I.N. 58516), datiert 19. April 1862, enthält neben Eintragungen zu historischen Gestalten und Ereignissen detaillierte Beschreibungen des Landtags zu Grevenbroich, der Besetzung des Düsseldorfer Schlosses durch Marschall Schenkern, der Arretierung Jacobäas, ihrer Anklage durch Sibylla und ihrer Isolierung bis zum Eintreffen der kaiserlichen Kommissare. Am Ende schließt sich ein Plan vom ersten bis zum vierten Akt an. Danach soll der erste Akt in der Herberge zum weißen Roß in Düsseldorf beginnen, wo Bürger sich zu der Notlage im Land, Jacobäas Verschwendung, der Krankheit des Herzogs äußern und ihr Mißtrauen gegenüber dem Kaiser bekunden. Die Ankunft Dietrich von Halls schließt sich an, der von der Gefangenschaft Jacobäas benachrichtigt worden war. Auf dem Schloß erwarten Schenkern und Sibylla die Ankunft der kaiserlichen Kommissare, die die Bewahrung der Stadt und des Schlosses auf Schenkern übertragen sollen. Es folgt die Anklage gegen Jacobäa mit den wichtigsten Anklagepunkten: 1. Herrschsucht und Verschwendung, 2. Hexerei, 3. Verhältnis mit Dietrich von Hall, 4. frühere Beziehung zu Graf Manderscheid. Der zweite Akt spielt anfangs im Zimmer Jacobäas. Die Handlung dreht sich um die Vorbereitung zur Gerichtsverhandlung, die Anklage und die eigentliche Verhandlung. Die Landstände beschließen, Jacobäa der Regentschaft zu entheben und die von ihr getroffenen Entscheidungen rückgängig zu machen. Der dritte Akt enthält die Botschaft des Kaisers an Jacobäa, der ihr die Regentschaft nach dem Tode des Herzogs verspricht, wenn sie im Sinne des Kaisers regiert, die Protestanten unterdrückt und einen Bund mit Spanien eingeht. Jacobäa lehnt dies ab, und Hall schlägt ihr die Flucht vor, worauf sie aber nicht eingeht. Sie will die Entscheidung des Kaisers auf Grund ihrer Rechtfertigung abwarten. Hall wird entdeckt und verlangt, vor Gericht gestellt zu werden. Im vierten Akt drängt Schenkern die Kommissare zu einer Entscheidung. Sie zögern, lassen aber erkennen, daß die Freisprechung Jacobäas zu erwarten sei.
III. Text- und Entstehungsgeschichte
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Ein zweites Notizbuch (I.N. 59306), das nicht datiert ist, enthält historische Eintragungen zu Jacobäa und ihrer Zeit, einige Szenenzusammenfassungen und gegen Ende wiederum Aktentwürfe. Dieses Mal beginnt der erste Akt im Zimmer des Herzogs, das Jacobäas Gefängnis ist. Die Diener entrüsten sich über die Behandlung der Herzogin. Es kommt zu einem Rückblick auf ihr Leben. Dann schließt sich die Gerichtsszene an mit Jacobäas Verhör. Der zweite Akt spielt im Zimmer Sibyllas. Es geht um Jacobäas Schuld und das Bemühen, von ihr ein Geständnis zu erlangen. Im dritten Akt kommt es zu einem Wiedersehen mit Jacobäas früherem Verlobten Manderscheid, der den Entschluß faßt, sie zu retten und sie zu überreden, mit ihm zu entfliehen. Im Gegensatz zu den drei anderen Trauerspielen, gibt es nur spärliche Hinweise zur Entstehung der Jacobäa-Fragmente. Nur ein paar Briefe an Devrient verweisen auf diese Tragödie, und auch in den wenigen Tagebucheintragungen drückt sich EbnerEschenbach dazu recht knapp aus. Sie läßt Devrient Anfang Februar 1863 wissen, daß die zwei ersten Akte der Jacobäa beendet seien, fügt aber entmutigt hinzu: "Die Düsterheit des S t o f f s der nicht einen reinen Charakter bietet, schreckte mich ab, ich gab diese Arbeit auf, und schrieb ein 4 aktiges Schauspiel" (Br 16). Allerdings hat sie die Arbeit im Oktober 1864 wieder aufgenommen (Τ I, 7.10.1864), nur um im Januar 1871 lakonisch mitzuteilen, daß sie Jacobäa aufgegeben habe (Τ II, 30.1.1871). Der Schriftsteller Faust Pachler (1819-1891), mit dem sie darüber wohl konferiert hatte, warnte sie vor dem Stoff, der, "so reizend er sei", doch "noch jeden irre geführt" habe (Τ II, 27.10.1871). Doch im Oktober beschäftigt sie sich erneut mit dem Stück, aber bereits im November ist sie wieder entmutigt, und "die Hoffnung auf ein Gelingen" verwandelt sich in ein "Nicht's" (Τ II, 18.11.1871). Sie gesteht sich schließlich ein: "Aus der Jacobäa wird nichts, der Fleiss reißt sie nicht heraus" ( T U , 19.11.1871). Es lag nicht an ihrer Willenskraft, sondern es war eine Zeit, in der Ebner-Eschenbachs Gesundheit sehr angeschlagen war. Die letzte Tagebucheintragung lautet: "Abends Sephine bei mir, las ihr den l 1 Aufz: der Jacobäa" (Τ II, 19.2.1872). Wie bei Richelieu war es wohl auch bei diesem Werk zum einen die Stoffülle und zum anderen die Aussichtslosigkeit einer Bühnenaufführung, woran Ebner-Eschenbach scheiterte.
3. Handschriftliche Fragmente In der Wiener Stadt- und Landesbibliothek liegen zwei handschriftliche Manuskripte vor. Eine längere Handschrift (H1), die ausgearbeitete Szenen bis zum fünften Akt enthält, und eine kürzere Handschrift (H 2 ), die offenkundig die überarbeitete Fassung der Eingangsszenen der Tragödie bietet. In H' wurde außerdem eine zu Jacobäa gehörende Gerichtsszene mit aufgenommen, die in einem Notizbuch zu Richelieu (I.N.
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58515) gefunden wurde und die nach der Konzeption dieser Handschrift Teil des fünften Aktes wäre.
a. Die Handschrift H1: Jacobäa (I.N. 54500) Die Handschrift H', die auf dem ersten Blatt im Quartformat die Daten 12. Februar 1863, 6. Dezember 1864 und 21. Oktober 1871 trägt, die offensichtlich auf Zeiten der Arbeit an dem Stück verweisen, enthält Auszüge aus historischen Werken, Kurzbeschreibungen wichtiger historischer Ereignisse, Entwürfe, Lebensdaten, Listen der protestantischen und katholischen Parteien, Szenen- und Aktbeschreibungen und schließlich ausgearbeitete Akte und Szenen. Das dritte Doppelblatt trägt den Titel Jacobäa. Trauerspiel in fünf Aufzügen und ein Personen Verzeichnis sowie Ort und Datum des Geschehens: Düsseldorf 1597. Das Personenverzeichnis wurde von der Herausgeberin durch die Personen ergänzt, die nicht verzeichnet sind, aber in den ausgearbeiteten Szenen erscheinen. Diese Namen wurden in eckige Klammern gesetzt. Die ausgearbeiteten Dramenfragmente beginnen mit dem ersten Aufzug, ersten Auftritt auf dem vierten Doppelblatt. Dabei steht der fortlaufende Dramentext auf beiden Seiten des Doppelblattes, aber es schieben sich gelegentlich Akt- und Szenenzusammenfassungen dazwischen, die sich auf die ersten zwei Akte beziehen. Die letzteren wurden in den wiedergegebenen fortlaufenden Dramentext nicht aufgenommen und auch in den Fußnoten nicht aufgeführt. Gelegentliche skizzenhafte Szenenentwürfe, die auch als Varianten nicht sinnvoll in den fortlaufenden Dramentext eingereiht werden konnten, wurden ebenfalls nicht aufgenommen. Tilgungen und Hinzufügungen zum Dramentext sind in dem fortlaufenden Text verzeichnet. Hinzugefügte Textvarianten, die in der Handschrift über oder neben dem Dramentext stehen und eingereiht werden konnten, wurden in einer Fußnote mit einer Erklärung aufgeführt. Wenn im Textverlauf die Numerierung der Szenen nicht folgerichtig erschien, wurde die numerisch richtige Szenenzahl in eckige Klammern gesetzt. Für den Beginn des Trauerspiels gibt es zwei Textvarianten. Bei der ersten Textvariante handelt es sich um eine Szene mit Leuchtenberg und dem Arzt Solenander, in der sie den Krankheitszustand des Herzogs Johann Wilhelm besprechen. Diesem Auftritt schließt sich je eine Szene mit Solenander und Sibylla sowie mit Schenkern und Sibylla an, in denen das Verhalten Jacobäas erörtert wird. Die zweite Variante handelt in der Herberge zum weißen Pferd und ist ein Gespräch unter Bürgern, in dem die Belagerung und Plünderung der Stadt Neuss im Verlauf des Truchsessischen Krieges besprochen und die antikatholische Haltung sowie die Verehrung der Herzogin Jacobäa deutlich wird; letztere wird aber von den auftretenden Soldaten verhöhnt. Die sich anschließende Szene mit Schenkern und Sibylla stellt die Vorgeschichte Jacobäas und deren wachsenden Einfluß dar. Die folgenden Szenen drehen sich um den aus der Kirche kommenden Johann Wilhelm und Jacobäa und stellen die fürsorgliche und
III. Text- und Entstehungsgeschichte
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liebende Haltung der Herzogin gegenüber dem Herzog sowie die Not des Volkes dar. Gegen Ende der vierten (oder dritten) Szene berichtet Hall von der Befreiung der Stadt Neuss. In den sich anschließenden fragmentarischen Szenen, die den ersten Akt beschließen, versucht Schenkern eine Intrige einzufädeln, um die Untreue Jacobäas zu beweisen. Der zweite Akt beginnt mit den aufs Schloß geladenen Vertretern der protestantischen Partei, denen Jacobäa, auch im Namen des Herzogs, den geplanten Landtag zu Grevenbroich ankündigt. Es schließen sich Szenen um Schenkern, seine Beziehungen zu Spanien sowie seine Rolle bei der Erstürmung von Neuss an. Von einem Neusser Bürger wird Schenkern angeklagt, in die Ermordung seines Sohnes verwickelt zu sein. Statt sich zu verteidigen, benutzt Schenkern die Gelegenheit, Jacobäa von der Einberufung des Landtags abzubringen und sie davor zu warnen, den Kaiser herauszufordern. In einer der folgenden Szenen versucht Sibylla, den Jacobäa ergebenen Dietrich von Hall zu überreden, sich vom Hof zu entfernen. Mit dem dritten Akt beginnen die ausgearbeiteten Szenen sehr fragmentarisch und oft skizzenhaft zu werden. Der dritte Akt besteht aus einer kurzen Szene mit Schenkern und den katholischen Kommissaren des Kaisers, in der Schenkern vom Kaiser das Kommando über die Veste Jülich und die Bewahrung der Stadt und des Schlosses Düsseldorf übertragen wird. Die zwei kurzen Szenen des vierten Aktes verweisen auf den Grevenbroicher Landtag und die Festnahme von Hall. Bei dem fünften Akt, der ursprünglich als zweiter Akt bezeichnet wurde, handelt es sich um die Ausarbeitung einer Gerichtsszene, in der Jacobäa angeklagt wird. Diese Szene geht auf drei der Anklagepunkte ein, die Ebner-Eschenbach auch in ihrem Notizbuch vom Jahre 1862 (I.N. 58516) erwähnt. Jacobäa wurde des Ehebruchs mit Dietrich von Hall, der Anwendung von Hexenkünsten zur Verschlimmerung der Geisteskrankheit des Herzogs und des Bruchs des Ehegelöbnisses an Manderscheid angeklagt. Die Szene endet mit der Weigerung, Jacobäa die Zeugen, die gegen sie ausgesagt haben, gegenüberzustellen.
b. Die Handschrift H2: Jacobäa von Bayern (I.N. 60637) Bei der Handschrift (H2) handelt es sich um ein Bruchstück des ersten Aktes im Quartformat, das offensichtlich die überarbeitete zweite Variante des Beginns der Tragödie in H1 darstellt. Es ist die Szene in der Herberge zum weißen Pferd, die weiter ausgeführt ist. Die Blätter im Quartformat stellen eine Reinschrift dar, wobei jeweils die rechte Bogenseite beschriftet ist und die linke keinerlei Hinzufügungen oder Umarbeitungen aufweist. Die Handschrift (H2) trägt den erweiterten Titel Jacobäa von Bayern. Damit wird nicht auf ihre Geburtsherkunft (Baden), sondern auf das Land verwiesen, wo sie als Waise katholisch erzogen wurde. Es waren auch die Verwand-
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Jacobäa
ten in Bayern, die ihre Ehe mit dem Herzog Johann Wilhelm befürworteten und die Verhandlungen führten. Die Handschrift (H2) zeigt viel deutlicher die Beziehungen Schenkerns zu Spanien und seine Beziehung zu Farnese, dem Prinzen von Parma, der die Stadt Neuss erstürmte und plünderte. Die Folgen dieser Plünderung werden in dem Einzelfall des Schmiedes Kunz und seiner Familie verdeutlicht. Der durch die Soldaten des von spanischer Seite unterstützten Schenkern und der dem Herzog und der Herzogin treuen Bürger provozierte Streit wird von Dietrich von Hall geschlichtet. Die letzte Szene dieses Fragments, in der die steigende Macht Jacobäas angesprochen wird, beginnt in einem Zimmer des Schlosses zwischen Schenkern und Sibylla. Es ist unschwer zu erkennen, was Ebner-Eschenbach an dem Jacobäa-Stoff faszinierte. Es handelt sich bei Jacobäa um eine weitere historische Frauengestalt, die in einer kritischen Zeit (Reformation in Maria Stuart in Schottland und Französische Revolution in Marie Roland) - der Gegenreformation - im Mittelpunkt von religiösen und politischen Auseinandersetzungen steht und in diesem Zeitgeschehen eine führende Rolle spielt.
Marie von Ebner-Eschenbach und die historische Tragödie
1. Marie von Ebner-Eschenbach als Dramatikerin Denn ob die Dichterin ihr Größtes auch Fernab vollbracht von der Theaterwelt, Hat sie ihr doch im Laufe vieler Jahre Bedeutungsvolle Gaben zugedacht. 1
Nach ihrer eigenen Darstellung in Meine Kinderjahre begann Ebner-Eschenbachs Interesse am Drama und der Geschichte im Alter von elf Jahren mit einem Geschenk der Werke Schillers von ihrer Stiefmutter Xaverine Kolowrat-Krakowsky, der vierten Frau ihres Vaters, und den "Leseorgien" in der Bibliothek ihrer Großmutter Vockel, die u. a. Werke von Shakespeare, Racine, Corneille, Lessing, Goethe und Kleist enthielt. Obwohl sie also Zugang zu einer wohl ausgestatteten Bibliothek hatte, beklagte sie sich über ihre unzulängliche Ausbildung, die im Gegensatz zu dem jungen Lessing, der Griechisch und Latein lernen durfte, solche Fächer nicht vorsah, da sie "ja nur ein Mädchen" (A 114) war. Wenn auch die Gouvernantenerziehung unzureichend war, so hatte ihre adlige Herkunft doch den Vorteil, daß sie vom neunten Lebensjahr an regelmäßig die Theateraufführungen in Wien und vor allem auch im Burgtheater besuchen konnte und dadurch ihre Liebe zum Theater gefördert wurde. Die Aufführungen auf dieser einflußreichsten Bühne in Wien waren allerdings in der Vormärzzeit dem Publikumsgeschmack angepaßt, und Klassiker wurden verhältnismäßig selten aufgeführt, so daß selbst Franz Grillparzer (1791-1872) in seiner Vaterstadt kaum gespielt wurde. Trotzdem war der Einfluß des Theaters auf die junge Marie Dubsky so stark, daß sie mit ersten dramatischen Versuchen in französischer Sprache begann, die im Freundeskreis aufgeführt wurden. Im Alter von dreizehn Jahren setzte sie sich in ihrer jugendlichen Begeisterung das hohe Ziel, "das deutsche Theater zu reformiren" 2 , und mit fünfzehn Jahren wagte sie sich an einen historischen Stoff und begann durch den Einfluß ihres Vetters und späteren Mannes Moriz von EbnerEschenbach, auf Deutsch zu schreiben. Nach den jugendlichen Versuchen beschäftigte sie sich in den fünfziger Jahren ernsthaft mit dem historischen Drama. Beeinflußt durch das klassizistische Drama begann Ebner-Eschenbach ihr dramatisches Schaffen mit der historischen Tragödie. Nach jahrelangem Bemühen und zwei vollendeten sowie zwei Fragment gebliebenen historischen Trauerspielen wandte sie sich Anfang der siebziger Jahre resigniert von dieser Gattung ab.
1
Saar: Prolog zur Marie von Ebner-Eschenbach-Feier im Wiener Hofburgtheater am 13. September 1900, Beilage zum Brief von Saar an Ebner-Eschenbach, 18.9.1900 [I.N. 60855].
2
Bettelheim 1900, S. 23. Vgl. auch Meine Kinderjahre: "In den Briefen meiner treuen Mentorin finde ich einen recht trüben Reflex des Glanzes, in dem ich mich ihr als angehender Shakespeare des 19. Jahrhunderts vorstellte" (A 103).
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Ebner-Eschenbach und die historische Tragödie
Daß Ebner-Eschenbach ihre schriftstellerische Tätigkeit mit der historischen Tragödie begann, ist aus genderspezifischer Sicht ungewöhnlich, denn dieses Drama galt immer noch als 'hohe' und damit als 'männliche' Gattung. Doch teilt sie dieses Interesse u. a. mit ihren Zeitgenossen und Schriftstellerkollegen Paul Heyse und Ferdinand von Saar. Allerdings wird sich Ebner-Eschenbach bald bewußt, daß das Selbstbewußtsein einer Dramatikerin von der für sie nicht selbstverständlichen Teilnahme an der historischen und literarischen Tradition beeinflußt wird. Vielleicht nicht nur ausgelöst durch die Tatsache, daß sie auf Französisch zu schreiben anfing, fühlt Ebner-Eschenbach sich noch Jahre später aus einer weiteren Tradition ausgeschlossen und glaubt, als Österreicherin in der Diaspora zu schreiben und beweisen zu müssen, daß sie zur deutschsprachigen Kultur und Literatur etwas beitragen kann. In einem Brief an Eduard Devrient aus dem Jahre 1866 gesteht sie, daß besonders österreichische Dichter durch ihre Werke bestätigen müssen, "daß wir zu Deutschland gehören, was auch die neue preussische Geographie dagegen einwenden möge. Was wir sind, sind wir durch deutschen Geist geworden, durch deutsche Bildung, und trotzen dem Versuche den man anstellt uns das vergessen zu machen" (Br 21). Aus ihren Tagebüchern und Briefen, in denen sich Ebner-Eschenbach zum Schreiben äußert, wird deutlich, daß sie sich durchaus als ernsthafte Schriftstellerin und Dramatikerin versteht, daß aber das Unverständnis von Seiten ihrer Familie und ihres Standes sie nicht nur an ihrem Talent zweifeln läßt, sondern auch ihre schriftstellerische Tätigkeit erschwert. Sie muß mit sich und ihrem Selbstbewußtsein ringen und ist daher empfänglich f ü r jedwede Ermunterung und Anerkennung. Trotzdem kann sie aber verdientes Lob durchaus von Übertreibung unterscheiden. Die ständigen Selbstzweifel, die durch die dem Schreiben nicht gerade feindliche, es aber auch nicht fördernde Umgebung verstärkt werden, äußern sich sogar in physischem Leiden. Auch klagt Ebner-Eschenbach schon zu Beginn ihrer schriftstellerischen Tätigkeit darüber, daß die gesellschaftlichen Verpflichtungen ihres Standes ihr nicht genügend Zeit zum Schreiben lassen. Diese Klage teilt sie mit bürgerlichen Schriftstellerinnen, wenn auch die zeitraubende Tätigkeit eine andere und standesgebundene ist. Besonders schmerzt es Ebner-Eschenbach, daß die "vielgeliebten Meinen" jede Stunde, die sie mit Schreiben verbringt, als vergeudet ansehen (Τ 1,25.1.1865). Sie muß einerseits um die notwendige Muße zum Schreiben kämpfen, und andererseits wird sie durch die Familie den Vorwürfen ausgesetzt, daß ihre schriftstellerische Tätigkeit sie unglücklich mache, der Familie entfremde und dazu führe, ihre Verpflichtungen gegenüber der Familie zu vernachlässigen (Τ 1,9.1.1867). 3 Selbst ihr Mann Moriz, der anfangs ihre literarischen Bestrebungen unterstützt hatte, sieht durch nachteilige Presseberichte seinen Ruf gefährdet: ' " D u trägst meinen Namen, ich will ihn nicht in solcher Weise verunglimpft sehen'" (Τ I, 16.11.1867). Daraus wird deutlich, daß Ebner-Eschenbach auch als Dramatikerin nicht ihre Unabhängigkeit beanspruchen kann
3
Vgl. auch Τ II, 5.7.1873 und Τ II, 4.3.1877.
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und stets im Kontext der adligen Familie gesehen wird. Es war ihr nicht möglich, sich von der Familie zu emanzipieren, und es gelang ihr auch nicht, ihre schriftstellerische Tätigkeit als ernsthafte Beschäftigung anerkannt zu sehen, was ihr Mann für sich und seine militärische Karriere ganz selbstverständlich in Anspruch nahm. Das macht ein Vergleich deutlich: "In Deiner das heißt: in unserer Familie nimmt es Dir Niemand übel, daß Du Seeminen legen willst, während Du meine armen Theaterstücke am liebsten in die Luft sprengen möchtest" (Τ I, 29.4.1866). Im Gegensatz zu mancher bürgerlichen Schriftstellerin war Schreiben für Ebner-Eschenbach zwar keine finanzielle, aber eine Lebensnotwendigkeit (Τ II, 18.10.1878), und so ist es nicht verwunderlich, daß sie, die ihre Dramen des öfteren als ihre Kinder bezeichnet, die Verwandtschaft "zwischen dem Künstler und seinem Werke" als eine engere ansieht als "die zwischen Mutter und Kind". 4 Wie manch andere Schriftstellerin, die nicht die traditionellen weiblichen Gattungen wählte (so ζ. B. Benedikte Naubert), schrieb Ebner-Eschenbach ihre Dramen anonym oder verwendete das männliche Pseudonym "M. v. Eschenbach", unter dem sie auch ihre historischen Tragödien den Theaterdirektoren einreichte. Sie begründete ihre Anonymität gegenüber Devrient damit, daß sie "rücksichtslos - unbarmherzig beurteilt" werden und keine "Nachsicht erfahren möchte" (Br 10). Ein weiterer Grund war, daß dramatische Werke von Frauen nicht unvoreingenommen beurteilt werden: "Man mag sagen was man will, das grosse Publikum tritt den Frauenleistungen auf künstlerischem Gebiete, (dem der Schauspielkunst ausgenommen) recht befangen entgegen" (Br 11). Schließlich war es Rücksicht auf die Familie, die es nicht verwinden konnte, "einen - blue stocking in der Familie zu haben" (Br 12). Devrient mißversteht Ebner-Eschenbachs Begründung des Pseudonyms und ihr Verlangen nach ehrlicher Kritik, wenn er den Wert, den sie auf Rezensionen legt, als "kleinlich" bezeichnet (Devrient 423). Sie sah ihre Anonymität als ein "Visier", "hinter dem ich so gerne meine Schlachten gefochten hätte" (Br 11). Devrients Reaktion auf das vom Visier befreite Gesicht Ebner-Eschenbachs, als sie ihn in Karlsruhe besuchte, ist bezeichnend. Er ist überrascht, daß sich hinter "diesem männlichen Geiste" (Devrient 393) eine Dichterin verbarg, eine "talentvolle", "bescheidene, gescheite" (Devrient 507) Frau, die aber nicht dem weiblichen Schönheitsideal entsprach: "Ihr Aussehen ist erschreckend häßlich" (Devrient 423).5 Es fragt sich, welche Bedeutung dieser angeblichen Häßlichkeit zugeschrieben werden muß, zumal Ebner-Eschenbach sich nicht scheute, ihm ihr Bild zu schicken (Br 12). Vielleicht mußte die von Devrient in einer 'männlichen' Gattung für so erfolgreich gehaltene Dichterin einfach 'unweiblich' erscheinen: ihr mangelte die typisch weibliche Schönheit.
4
Ebner-Eschenbach: Aphorismen. In: Das Gemeindekind. Novellen. Aphorismen. Hg. v. Johannes Klein. S. 896. Vgl. Τ 1,6.1.1867 und 11.7.1867. Diese fehlende weibliche Schönheit muß für Devrient wichtig gewesen sein, denn er kommt drei Jahre später darauf zurück: "Ihre Häßlichkeit fiel mir wieder a u f ' (Devrient, S. 507).
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Daß Ebner-Eschenbach sich zuerst der dramatischen Kunst zuwandte und erst später der novellistischen, wurde gelegentlich als "Irrweg" 6 gedeutet, wie auch von Gabriele Reuter, die meint, daß "die junge Baronin Ebner einen falschen Weg einschlägt, um zum ersehnten Ziel zu gelangen. Den Weg über die Bühne!" (Reuter, S. 23). Sie begründet es damit, daß Ebner-Eschenbachs Begabung eine epische und keine dramatische sei: Es fehlte Marie Ebner für das Drama die stürmende, rücksichtslose Leidenschaft - es fehlte ihr auch die Erkenntnis für die düstere und wilde Schönheit der Schuld. Sie besass nicht die wollüstige und waghalsige Freude an den finstern Abgründen, den verheerenden Gewittern des Schicksals. (Reuter, S. 28-29)
Ebner-Eschenbach geht in ihren historischen Tragödien von einer anderen dramatischen Konzeption und einem anderen Geschichtsverständnis aus. Die Schriftstellerin Ingeborg Drewitz (1923-1986), die auch als Dramatikerin begann, ist in einem Aufsatz aus dem Jahre 1955 auf die differierende "Frauendramatik" eingegangen und hat sie damit begründet, daß die Frau nicht nach dem Aufdecken von Spannungen und Spaltungen dränge, was die Funktion des Dramas sei, sondern deren Verstehen und Ausgleich: Sie [die Frau] ist praktisch nicht in der Lage, die Schuld als etwas Fremdes vom Menschen zu lösen; sie verurteilt nicht, sie versucht zu verstehen. Sie reißt die Abgründe zwischen Göttern und Menschen, zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen und zwischen den Weltordnungen nicht auf, ohne nicht zugleich an die Überbrückung zu glauben. Eben deshalb weicht die Frau vor dem aktuellen politischen Konflikt im Drama zurück, die ihr ein gerechtes Auswägen der Spannungen versagt. Daß sie diese Möglichkeit, die der historische Stoff für das Drama bietet, noch nicht ausgenutzt hat, [...] ist daher eher aus der Politisierung der modernen Dramatik als aus spezifisch fraulicher Abneigung gegen das Drama erklärlich. (Drewitz, S. 153)
Wenn man Drewitz' Analyse der "Frauendramatik" akzeptiert und davon ausgeht, daß sie auf die historischen Tragödien von Ebner-Eschenbach zutrifft, wird auch die zwiespältige Haltung erklärlich, mit der besonders männliche Autoren auf ihr dramatisches Werk reagierten. Obwohl Ferdinand von Saar ihre "große Gestaltungskraft" in Marie Roland lobt, empfiehlt er ihr, diese von nun an nicht mehr "an so rein politische Stoffe, wie die Geschichte der franz. Revolution eine ist", zu wenden: Acht weibliche Conflickte, die sich vor einem historischen Hintergrund abheben, vielleicht auch das sociale Drama, dies scheint mir Ihrem ganzen Wesen nach, das Feld zu sein, auf welchem Sie Vortreffliches, noch nie Dagewesenes leisten könnten - gerade darum, weil Sie eine Frau sind! (Br45).
Das Zwiespältige in der Beurteilung der Frauendramen zeigt sich auch, wenn wiederholt lobend von dem "Männlichen" 7 in Ebner-Eschenbachs Erzählwerk gesprochen 6
7
Klein, S. 963. Rossbacher, S. 369. Vgl. auch Gustav Frenssen an Ebner-Eschenbach, 23.12.1901 (Br 28).
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wird, aber dieser Zug in ihrem Drama vermißt wird. So fehle, wie Alexander von Weilen feststellt, besonders ihrer Tragödie "die Hand des Mannes, welche allein die Gewalt fordernde Form zu beherrschen vermag" (Weilen, S. 709). Allerdings war Devrient von dem "männlichen Geiste" (Devrient, S. 393), der sich hinter dem Pseudonym verbarg, beeindruckt. Ebner-Eschenbach wurde am 13. September 1900 im Wiener Hofburgtheater gefeiert, aber die Lobreden galten trotz des Ortes eher der siebzigjährigen Erzählerin als der Dramatikerin. Auch in der Rede anläßlich der Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Wien, in der sie "die erste deutsche Schriftstellerin, nicht bloß in Oesterreich, sondern auch in Deutschland" genannt wurde, ging man von ihrem novellistischen Werk aus. Dieses Schicksal teilt sie mit ihrem Schriftstellerkollegen Paul Heyse, der in einem Brief an Ebner-Eschenbach gesteht: "auch ich habe von früh an mich um dramatische Pläne bekümmert und muß es nun aber eben leiden, daß man mich einen Novellisten nennt" (Br 34). Vielleicht ist darüber, wie schon Heyse hoffte, das letzte Wort noch nicht gesprochen.
2. Die zeitgenössische Bühne und die historische Tragödie Mit ihren historischen Tragödien wagte sich Ebner-Eschenbach in einen traditionell männlichen Bereich, und zwar auf zweifache Weise: Das Drama und besonders die historische Tragödie galt als 'männliche' Gattung. Außerdem ist das Drama für seine Verwirklichung an eine andere, männlich dominierte Institution gebunden, das Theater. Ohne Bühne wird das Drama nicht Wirklichkeit, und so verwarf auch der damalige Generalintendant der beiden Wiener Hoftheater Friedrich Halm sogenannte "Buchdramen": '"Ein Stück, das nicht aufführbar ist - ein todtgebornes Kind'" (Τ I, 6.1.1867). Das Theater ist aber für eine Dramatikerin kein selbstverständliches Forum, zu dem sie ohne weiteres Zugang hat, wie Silvia Bovenschen deutlich macht: Zu dieser Institution, ihren Gesetzen, ihren Apparaturen, zu den Menschen, die dort agieren, führte jedoch kein Weg vom bürgerlichen Alltag der Frauen. Das Drama stellt Anforderungen an die künstlerische Produktivität, die die Frauen auf Grund ihrer Ausbildung, ihrer Kenntnisse, der ihnen abverlangten Lebensformen und der über sie verhängten moralischen Normen nicht einlösen konnten. Dies gilt in hohem Maße noch für das 19. und 20. Jahrhundert, und auch in unserer Zeit beschäftigen sich die Schriftstellerinnen außerordentlich selten mit dem Drama. (Bovenschen, S.116-17)
Zwar stammte Ebner-Eschenbach nicht aus dem "bürgerlichen Alltag" und kannte sogar Theaterdirektoren und -Intendanten wie Friedrich Halm und Heinrich Laube sowie berühmte Schauspielerinnen und Schauspieler, aber trotzdem war die Bühne für sie als Dramatikerin ein schwer umkämpfter und nie ganz eroberter Bereich, wobei ihr
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adliger Stand eher hindernd als hilfreich wirkte. Johanna Franul von Weißenthurn (1772-1847) und Charlotte Birch-Pfeiffer (1800-1868) waren mit ihren Stücken erfolgreicher auf der Bühne, was allerdings darin begründet liegt, daß sie bereits bekannte Schauspielerinnen waren und sich nicht der 'hohen' historischen Tragödie widmeten wie Ebner-Eschenbach. Den andauernden schweren Kampf um ihre dramatische Tätigkeit drückt eine Tagebucheintragung aus dem Jahre 1866 aus: Nach dem Theater hatten wir eine lange Beredung über meine unglückliche Schriftstellerei. Warum muß ich gerade auf Drama etwas leisten wollen? Lieber Gedichte Romane. Wenn ich Moriz versprechen könnte, daß ich keine Theaterstücke mehr schreiben will, alles wäre gut. Aber kann ich? (T 1,27.1.1866).
Nach der Revolution von 1848/49 setzte sich in Wien eine liberale Theaterpolitik durch, was in der Ernennung Laubes zum künstlerischen Direktor des Burgtheaters zum Ausdruck kam (Reichard, S. 100). Es wurden Stücke mit gesellschafts- und sozialkritischen Themen aufgeführt. Trotzdem waren die liberalen Tendenzen, die schon gegen Ende der sechziger Jahre wieder zurückgenommen wurden, durch Rücksichten auf das Publikum und die Bühnenwirksamkeit eingeschränkt. Ebner-Eschenbach war sich dieser Situation durchaus bewußt. Sie kannte die Vorliebe des Publikums für das französische Lustspiel und wußte, wie sie in einem Brief an Devrient schrieb, daß das "ernste Drama" Anfang der sechziger Jahre vom Burgtheater fast ausgeschlossen war: "ein neuer Dichter der hier mit einem Trauerspiel auftritt, nimmt den Kampf mit 3 mächtigen Widersachern auf: Der Direktion, dem Publikum und der Kritik. Seit einer Reihe von Jahren fielen alle gebrachten Tragödien, nur mit Variationen" durch (Br 13). Burgtheaterdirektoren und ihre Starschauspieler nannte Ebner-Eschenbach einmal spöttisch "Capriznickeln" (Kindermann, S. 14), und Rezensenten glaubten nicht scharf genug tadeln zu können, "wenn der Dichter den sie beurteilen nicht aus ihrer Clique hervor gegangen" ist, so daß "Halm, Hebbel u. A. täglich ihren schonungslosen Angriffen ausgesetzt sind" (Br 12). Aber nicht nur neue Dramatiker taten sich schwer am Burgtheater, sondern auch Grillparzer, so daß "im vergangenen Winter, das herrliche Vorspiel zur Libussa vor leeren Bänken gespielt wurde" (Br 13). Neben dramenspezifischen Schwierigkeiten sah sich also der Dramatiker auch theaterpolitischen Zwängen ausgesetzt. Und so stellte sich Ebner-Eschenbach ernsthaft die Frage, ob sie schreiben solle, was auf dem Burgtheater aufgeführt werden könne, um Zugang zu dieser ersehnten und einflußreichen kulturellen Institution zu finden (Br 14), denn sie war sich dessen bewußt, daß Stoffe wie Richelieu und Jacobäa in Wien unaufführbar sein würden: Die vollkommen fertigen Pläne zweier Trauerspiele liegen vor mir, die ich jede Stunde auszuarbeiten anfangen könnte. Nun schliessen jedoch die Stoffe beider, dieselben von dem Burgtheater aus; die Stücke würden fertig sein, und ich nicht die geringste Hoffnung haben, sie spielen zu sehen. (Br 13)
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Devrient riet ihr entschieden davon ab, bei ihren dramatischen Stoffen Rücksicht auf das Burgtheater zu nehmen (Br 16). Marie von Ebner-Eschenbach hatte sich von Anfang an das Ziel gesetzt, die "eine grosse Klippe" zu übersteigen: "Die Aufführung eines meiner Stücke in Wien" (Br 12). Maria Stuart in Schottland wurde zwar in Karlsruhe sowie Danzig und Marie Roland in Weimar mit Erfolg aufgeführt, aber das Burgtheater blieb ihr für ihre historischen Tragödien verschlossen. Obwohl Halm "Anlage", "Durchführung" und "Charakterzeichnung" in ihrem Erstlingsdrama lobte, riet er ihr doch, für das nächste Stück "einen kleineren, weniger vielgestaltigen S t o f f ' (Br 29) zu wählen, um damit auf der Bühne wirken zu können. Daß Maria Stuart in Schottland in Wien nicht gespielt wurde, lag, wie Reichard betont, an der Situation des Burgtheaters und dem Theaterkonzept Laubes, der "zeitgenössischen Geschichtsdramen" abgeneigt war und sie "abfällig als Architekturstücke bezeichnete" (Reichard, S. 98),8 Wie sehr eine Dramatikerin von der Theaterpolitik abhängig war und ihr auch zum Opfer fallen konnte, zeigt ein Kommentar in einem Brief von Kleinert: Schließlich kommt noch hinzu, daß gerade in Karlsruhe unter Eduard Devrient Ihre "Maria" eine so begeisterte Aufnahme gefunden, der in der gesamten Theaterwelt, seiner Engherzigkeit, seiner Pedanterie und seiner Präceptoren-Weise wegen durchaus nicht beliebt ist, und von ihm empfohlene und aufgeführte Werke, lieber von Anderen gar nicht berücksichtigt werden; welche von mir eben ausgesprochene Behauptung er aufs Neue durch die fast lächerliche Zurückweisung des Gounod'schen Faust dokumentirt hat. (Br 36)
Theaterpolitik sollte auch der Grund sein, warum Ebner-Eschenbach mit ihrer Marie Roland am Burgtheater scheiterte. Die Tragödie fiel dem Zwist zwischen Halm und Laube zum Opfer. Als Halm im Jahre 1867 als Generalintendant des Burgtheaters eingesetzt wurde, trat Laube als künstlerischer Direktor zurück, da seine Vollmachten eingeschränkt werden sollten. Ebner-Eschenbach, die sich in dieser Auseinandersetzung auf die Seite Laubes gestellt hatte, war sich dessen bewußt, daß damit eine Aufführung ihrer Marie Roland unmöglich geworden war. Halm war zwar von dem Stück beeindruckt, hielt es aber für eine Inszenierung auf dem Burgtheater nicht für geeignet, obwohl er "Laube's Vorschlag dasselbe zur Aufführung zu bringen, respectire" (Br 31, 32). Das Revolutionsthema und die Erwähnung Marie Antoinettes schlossen es vom Burgtheater aus.
g Vgl. Τ I, 19.4.1863: "Herr Kleinert nimmt mir jede Hoffnung auf die Aufführung der Maria Stuart im Burgtheater. Er schreibt: 'Der Director des Burgtheaters führet ein gar absolutes Regiment Uber Dichter, Schauspieler und Kritiker. Er wird ein Stück nicht bringen, das er verpönt und erst neulich in öffentlichen Blättern angegriffen hat.*" Devrient kommentiert dazu in seinem Tagebuch vom 7.10. 1861: "Ich beendete den Artikel über Eschenbachs Maria Stuart, mit um so lebhafterem Anteil, als ein Brief von ihm mitteilte, wie abweisend oder gleichgültig sich alle Theater zu seinem Stück verhalten. Es ist die elendeste Wirtschaft bei unseren Bühnen" (Devrient, S. 389).
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Bereits im Sommer 1867 hatte Laube Marie Roland zur Aufführung angenommen und begonnen, das Trauerspiel für das Burgtheater einzurichten. In einem Artikel in der Neuen Freien Presse vom 10. März 1868 nimmt Laube Stellung zur Situation am Burgtheater. Er lobt das Wiener Publikum als ein interessiertes, teilnehmendes und aufmerksames, aber er wirft der neuen Intendanz vor, sich "bereitwillig politischen Bedenklichkeiten" zu unterwerfen und "unschlüssig" zu sein, was zur Folge habe, daß "die Maßstäbe sinken", den Vorstellungen "die frühere Sicherheit, Präcision und Elasticität" fehle und "das Schauspiel in eine bedeutungslose Abendunterhaltung" verwandelt werde. Er beklagt, daß drei neue deutsche Originalstücke, darunter auch Marie Roland, abgewiesen worden seien: Das dritte deutsche Stück, welches die General-Intendanz perhorrescirt, ist "Marie Roland" von Eschenbach. Ich habe es schon im vorigen Spätsommer angenommen und der obersten Direction zur Bewilligung ausführlich empfohlen. Es spielt allerdings in der französischen Revolutionszeit, denn Marie Roland ist die Heldin der Gironde. Aber sind denn fünfundsiebzig Jahre nicht Zwischenraum genug für historische Weihe? Und ist es nicht an der Zeit, hoftheatralische Vorurtheile für gewisse historische Perioden endlich abzustreifen? 9
Die Folge war, daß Marie Roland Ebner-Eschenbachs letzte vollendete historische Tragödie blieb. Zwar kam es zu erfolgreichen Aufführungen anderer ihrer Stücke am Burgtheater, wie Die Veilchen, Doktor Ritter, Ohne Liebe und Am Ende, und am neu gegründeten Wiener Stadttheater mit Das Waldfräulein und Untröstlich, aber ihre historischen Tragödien wurden nicht wieder aufgeführt. Daß aber ein Drama von der Bühne abhängig ist, dessen war sich Ebner-Eschenbach bewußt. Schon 1862 stellte sie an Devrient die Frage: "kann jemals ein dramatischer Dichter werden, wer seine Gestalten nicht auf der Bühne Fleisch und Blut gewinnen sah?" (Br 13). Offensichtlich führte ihre Antwort dazu, daß Ebner-Eschenbach die historische Tragödie aufgab.
9 Laube: Dramaturgische Berichte. Burgtheater. In: Neue Freie Presse Nr. 1267, Wien, Dienstag, 10. März 1868,o. S.
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3. Anhang: Ausgewählte Briefe zu den Dramen Die hier ausgewählten und abgedruckten Originalbriefe geben einen Einblick in Ebner-Eschenbachs dramatische Tätigkeit und ihre Auseinandersetzung mit Theaterdirektoren und Schriftstellerkollegen. Es wird dabei die Numerierung der Briefe in der Bibliographie I . e . übernommen.
B r 2 (I.N. 56592) M a r i e von E b n e r - E s c h e n b a c h an Eduard Devrient, 10. S e p t e m b e r 1860 Hochverehrter Herr Doktor! Wenn dieser Brief, nur schlecht auszudrücken vermag, was, während ich ihn schreibe, mein Herz pochen, und meine Wangen glühen macht, - so verzeihen Sie! Ihnen schreibt, ein von Freude und Stolz trunkener Mensch, der seine Worte nicht wägt, und in dem Augenblicke für nichts Sinn hat als für das lebendigste Gefühl der Güte die Sie ihm bezeigten, und seines glühenden Dankes dafür. Nur eine peinigende Empfindung mischt sich in diesen Sturm von nie gekanntem Jubel: Die quälendste Ungeduld, Ihnen bald den Beweis zu liefern daß die unschätzbare Ermunterung die Sie mir gewährten, gute Früchte trug, daß Ihre Teilnahme, einen ernst und ehrlich Strebenden, gefördert, erhoben - begeistert hat. Immer kommt mir vor, wenn ich Ihren Brief lese, mein Verdienst stehe in keinem Verhältnisse zu meinem Glücke, und ich glaube die Zeit nicht erwarten zu können, in welcher mir's vergönnt sein wird, das Vertrauen zu rechtfertigen, womit Sie mich beehren. - Und wie Ihr Lob mit demütigem Stolze, so erfüllt mich Ihr Tadel mit neidischer Bewunderung. Was ich während der Arbeit, wie einen Druck auf das Ganze empfand, ohne die Ursache entdecken zu können die ihn hervorbrachte, Sie haben es auf den ersten Blick erkannt: es ist Murray's Allwissenheit und Allgegenwart, die alle übrigen Personen, fast zu Nebenpersonen macht. Jetzt fühle ich und beklage den Fehler um so mehr, als es zu spät, ihn zu verbessern. Dies thun, hiesse ein neues Stück schreiben. Als einen schlechten Mann hab' ich Murray geschildert, weil ich ihn dafür halte; nicht mit vollen Ehren, zog er sich aus dem Prozesse, in welchen er nach Darnley's Tod verwickelt worden, sein Einverständniß mit England ist erwiesen - er war Rebell, und nicht einmal ein ehrlicher, denn Maria hatte mehr durch die Feindschaft zu leiden die er ihr verbarg, als durch die, welche er ihr o f f e n zeigte. Er b e k ä m p f t e seine Wohlthäterinn, so lange sie herrschte, - das war schlecht - er beleidigte sie, als Maria, ein hülfloses Weib, in der Gefangenschaft schmachtete - das war niedrig. So haße und verachte ich diesen Charakter, daß mir war, als könnt' ich ihn gar nicht schlecht genug darstellen. Das erklärt meinen Irrthum - daß es ihn nicht entschuldigt, weiß ich jetzt, nur zu gut, für meine Zufriedenheit mit der Maria Stuart.
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Was sie selbst anbetrifft, die unglückliche Königin, so folgt' ich meiner innersten Überzeugung, indem ich den Mord an Darnley völlig ohne ihre Mitwisserschaft, vollziehen ließ. In ihren Briefen an Bothwell, (den schwersten anklagenden Zeugnissen, die ihre Feinde gegen sie vorbringen konnten) spricht sie verächtlich von dem verächtlichen Gemal, sie haßt ihn, und wünscht seinen Tod - daß sie ihn herbeigeführt, vermochten auch ihre wüthendsten Gegner nicht zu beweisen - nicht einmal, daß sie ihn geahnt. - Dürft' ich sie eines Verbrechens zeihen an welches ich nicht glaubte? Könnt' ich's denn? — Maria's tragische Schuld schien mir in der krassen Vernachlässigung ihrer Herrscherpflichten zu liegen, in der strafbaren Gleichgültigkeit gegen ihr Volk, in der wahnsinnigen Liebes-Leidenschaft, die zuerst alles Gute in ihr, und dann: sie selbst, zu Grunde richtet. Die Fehler im Baue der Sätze, welche Sie mit so vielem Rechte rügen, mein hochverehrter Herr! sind bereits zum Theile entfernt. In der Besorgniß, mit gewöhnlicher Autorenblindheit, Einiges übersehen zu haben, sandte ich, das von mir ausgebesserte Exemplar, zu 2ten, strengsten Prüfung an einen Bekannten. In wenigen Tagen erhalten es Euer Hoch wohlgeboren, und ich erlaube mir zugleich, ein Exemplar für die Darstellerin der Maria beizufügen. Ich wäre der Künstlerin tief verpflichtet, die alle Übergänge in dieser Rolle aesthetisch zu vermitteln, und den wohlthuenden Hauch schöner Harmonie über das Ganze zu verbreiten wüßte. Und nun, mein hochverehrter Herr! bleibt mir nur noch die heisse und dringende Bitte auszusprechen: Erhalten Sie meinen ferneren Bestrebungen, das ehrenvolle Wohlwollen das mich glücklich macht, unter dessen segensreichem Einflüsse ich wirken werde mit bester Kraft, mit begeistertem Eifer, und treuestem Fleisse. Wenn die Stimme nicht lügt die jetzt so laut und trostvoll in mir spricht, so steigt auch mir dereinst der Tag des herrlichsten Sieges auf: der eigenen Zufriedenheit mit dem Vollbrachten. - Dann will ich dankend des Augenblicks gedenken, in welchem ich die erste Weihe des edlen, grossen Meisters erhielt, an den ich diese Worte richte, und nie vergessen daß sie es war, die mir gab was ich bisher, sehr zum Nachtheile meiner Leistungen entbehrte: Vertrauen auf mich selbst, Hoffnung auf die Zukunft. Empfangen Sie den Ausdruck unbegrenzter Hochachtung mit der ich bin Hochverehrter Herr Doktor! Ihr dankbarer und ergebenster M. Eschenbach Zdislawitz den 10. Sept. [1]860
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Br 6 (I.N. 56596) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 5. Oktober 1861 Wien den 5. 10. [1]861 Hochverehrter Herr Doctor! Seien Sie bedankt und gesegnet für Ihren gestern erhaltenen Brief! Ach glauben Sie mir nur - ich will keinen grösseren Erfolg - spreche gar keinen grösseren an, als der für mich in der Empfindung liegt daß Männer wie Sie an mein Talent glauben, ihm eine Zukunft versprechen. - Wie soll ich Frau Lange danken daß sie die schwierige Hauptrolle meines Stücks, an deren tausend Klippen jede halbe Künstlerin scheitern müßte, so durchführt wie ich's aus Ihrem Briefe sehe?! ... Aber vor Allem wie soll ich Ihnen danken? Mir ist das Herz so voll, so voll - Sie wissen nicht welche Wohlthat Sie mir durch Annahme und Aufführung meines Stück's erwiesen haben. Sehen Sie hochverehrter Herr - es hat vor Ihnen Niemand, und nach Ihnen Niemand die Maria mit einem ermunternden Wort begrüßt. Ihr Brief vom vorigen September, die Hoffnung auf die Aufführung in Carlsruhe, waren durch ein langes Jahr, die edlen aber einzigen Stützen meines Mut's. Von Berlin kam das Stück zurück, von München, hier ward es abgewiesen, aus Dresden, Hamburg, Frankfurt erhielt ich, trotz wiederholter Anfragen, nicht einmal eine Antwort. Ein kleiner Lichtblick war einmal ein freundlich anerkennender Brief von Dir. Lasker in Breslau und Dir. Dingelstedt. Von Hannover schrieb man, die Maria sei angenommen (vergangenen Winter) aber führte sie nicht auf. Begreifen Sie daß ich mir dachte: Dein Stück ist nichts wert - und Dein Talent ist auch nichts wert? - Hier hieß es: "Sie müssen andere Stoffe wälen - Stoffe einfachster Art. Sie müssen ein Stück in Prosa schreiben." - So hab' ich jetzt hochverehrter Herr Doctor ein solches geschrieben - gestern als Ihr Brief angekommen war, setzt' ich jubelnd und glückselig die letzten Worte desselben auf das Papier. Das Stück heißt: Die Schauspielerin, und behandelt den Conflikt zwischen dem Leben und der Kunst. Die letzte Feile will ich noch anlegen, und dann das Manuskript an Sie schicken. Dann entscheiden Sie was geändert werden soll - und da ich hoffe dem Kind meines Geistes nicht blind gegenüber zu stehen, so werde ich ihm seine Fehler abgewöhnen, sobald mir nur die Augen recht geöffnet werden. Mit der dankbarsten Verehrung Euer Hochwolgeboren ergebenster Diener Eschenbach
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Br 7 (I.N. 56597) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 7. Oktober 1861 Wien den 7. 10. [1]861 Hochverehrter Herr Doctor! Sie handeln edel an mir - und wenn ich Ihnen nicht ganz sagen kann wie ich's empfinde, so ist's - weil ich's zu tief empfinde. Sobald mein neues Stück abgeschrieben und Ihnen zugesandt sein wird, gehe ich an die Umarbeitung des dritten Aktes der Maria. In der Stimmung in welcher ich mich jetzt befinde, muß sie gelingen. Es wäre für diesen unseligen dritten Akt schon etwas gewonnen, wenn man die Handlung darin vereinfachte, die Schlüssel Geschichte ausmerzte, und noch eine Scene einschöbe zwischen Bothwell's Entschluß den König zu tödten, und der Ausführung des Verbrechens. Wie diese Aufgabe zu lösen, ist mir jetzt freilich noch nicht klar, nur das scheint mir gewiß daß sie überhaupt lösbar ist. Ich habe mir erlaubt, einige Worte des Dankes an die herrliche Frau Lange zu richten und hoffe daß sie diese Freiheit entschuldigen wird. Ach daß ich der Vorstellung nicht beiwohnen konnte - was hätte sich daraus lernen lassen! Sehr verpflichtet wäre ich Ihnen, hochverehrter Herr! wenn Sie mir ein eingerichtetes Exemplar der Maria, zuschicken lassen wollten. Es würde mir von grossem Nutzen sein. Die Dauer des Stückes hat mich erschreckt - für Wien würde sie genügen, es lebensunfähig zu machen. - Gottlob aber daß es doch ein deutsches Publikum gibt welches länger als zwei Stunden, athmen kann im Hause der Kunst. Ich schliesse Hochverehrter Herr Doktor — j e d e s Wort Ihrer Briefe bleibt mir für alle Zeit eingeprägt, und ich danke Ihnen für jedes. Bewahren Sie immer Ihr unschätzbares Wohlwollen Ihrem ergebensten Diener Eschenbach
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Br 10 (I.N. 56600) Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 6. N o v e m b e r 1861 Wien den 6. 11. [1]861 Hochverehrter Herr Doktor! Ach Sie haben ja Recht! Alles - alles seh' ich ein was Sie mir über Die Schauspielerin sagen. Ein dunkles Gefül davon, verfolgte mich während der ganzen Arbeit. Wenn Sie mir das Stück zurück schicken, so mache ich ein grosses Kreuz darüber, und - und ich wünschte ich könnte sagen: mir soll sein, als hätt' ich's nie geschrieben. Gewiß aber kommt es nicht aus meiner verschlossenen Lade. In meinem Leben war ich noch nicht so beschämt wie heute. Niemand hat mir so unsäglich viel Gutes erwiesen wie Sie - Niemandem möcht' ich so danken durch den Beweis daß sein Wohlwollen nicht verschwendet wird, und nun - wie habe ich Ihre gute Meinung so schlecht gerechtfertigt! Hochverehrter Herr Doktor! - Ich will nicht ruhen noch rasten, bis sie wieder hergestellt ist. Geben Sie mich nur nicht auf - was Fleiß und ein eiserner Wille thun können, um etwas Tüchtigeres zu Stande zu bringen, werd' ich thun. Vielleicht bin ich schon mit meiner nächsten Arbeit glücklicher, den Stoff den ich jetzt gewält, ist Cinq-Mars Laufbahn und Ende am Hofe Ludwig XIII. Sagen Sie mir, wenn ich inständig bitten darf, ob dieser Gegenstand Ihnen dankbar scheint. Mit dem 3' Akte der Maria hoffe ich heute fertig zu werden. Mögen Sie damit zufrieden sein! An Herrn Mar schreibe ich noch in dieser Stunde, und lasse ihm durch H. Michaelson 2 Expl. des Stückes zusenden. Der 3'Akt wird wohl nachgedruckt werden müssen. Dank Ihnen, Ihnen ganz allein, wird ja vielleicht die Maria noch an mehreren Theatern gegeben werden. Sie fragen mich aufrichtig wer ich bin, hochverehrter Herr! so muß ich Ihnen aufrichtig antworten. Ich bin wirklich nur eine arme Frau, die Frau des guten, wackeren Obristlieutnants, an welchen Sie alle Ihre Briefe richten. Sagen Sie das Niemandem ich flehe darum! und Sie selbst, wenn es möglich ist - vergessen Sie's. Weil ich rücksichtslos - unbarmherzig beurteilt sein will, weil ich um keinen Preis der Welt, Nachsicht erfahren möchte, hab' ich dem edlen und ritterlichen Devrient nicht sagen dürfen, daß seine Urtheile, über die Arbeiten einer Frau gefällt wurden. Und so beschwör ich denn: schonen Sie mich auch jetzt nicht. Der die Kunst liebt, für sie lebt und stirbt wie ich der muß es vertragen können seine liebsten Hoffnungen scheitern zu sehen wenn sie dem hohen Ideale nicht entsprechen das seine Sache fordert. Also keine Rücksichten Hochverehrter Herr! Sie sind der klassische - ich darf sagen: unsterbliche Schriftsteller, der grosse Künstler - ich bin der unbedeutende Anfänger.
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So stehen wir einander gegenüber. Erlauben Sie mir denn auch ferner mich zu nennen: Ihren Verehrer, Ihren dankbaren Schüler Eschenbach
Br 11 (I.N. 56601) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 14. Dezember 1861 Wien den 14. 12. [1]861 Hochverehrter Herr Doktor! Mit einer wahren Bestürzung erfüllt mich die Nachricht, daß Sie den 31 Akt der Maria nicht erhalten haben. Der Verlust des Manuskriptes wäre freilich kein grosser, aber mehr als ich's sagen kann verdrießt mich der Gedanke, daß Sie mich der unverzeihlichsten Nachlässigkeit schuldig halten mußten. Von hier aus wurde das Heftchen (am 2'd. M. aufgegeben,) am 3"früh abgesendet, das Recepisse habe ich in Händen. Gestern ließ ich ein Quästionsschreiben ausfertigen und meiner Sendung nachschicken, wenn dieselbe also nicht verloren gegangen, erhalten Sie den 31 Act in den nächsten Tagen, ist er aber verloren, so sende ich alsbald eine 2' Abschrift. Recht traurig bin ich daß mein Incognito, so bald verrathen wurde. Man mag sagen was man will, das grosse Publikum tritt den Frauenleistungen auf künstlerischem Gebiete, (dem der Schauspielkunst ausgenommen) recht befangen entgegen. Kann es auch anders sein? - Ja - ist es nicht gut daß es so ist? - Die Seelenkämpfe, inneren Widersprüche, all der Sturm und Drang aus dem jedes Kunstwerk geboren wird, sind, im Frauengemüthe durchgemacht, keine Sympatie erwecken, den Erscheinungen. Wenn indessen die Anonymität durchaus nicht mehr aufrecht zu halten ist, so muß ich mich in das Unabänderliche fügen, und das Visier aufschlagen hinter dem ich so gerne meine Schlachten gefochten hätte. Ihnen hochverehrter und bester Herr Doktor will ich keinerlei Zwang und Verpflichtung auflegen - ziehen Sie es vor, den Fragenden die Wahrheit über mich zu sagen, so thuen Sie es. Bei meinem nächsten Stücke, bei'm Cinq-Mars werde ich mich besser in Acht nehmen, ein anderes Pseudonym wälen und ausser Ihnen und meinen Allernächsten, auf die ich bauen darf, soll Niemand von dem Verfasser wissen. Mit Liebe und Begeisterung beginne ich nun die neue Arbeit, glücklich daß Sie den Stoff gut heissen. Richelieu's Charakter übt eine so gewaltige Anziehung auf mich, daß sich's nicht beschreiben läßt mit welchem Eifer ich mich in dessen Studium versenke. Man schaudert vor dem Manne wie vor einem Teufel und betet ihn darauf wieder an wie eine Gottheit. - Wie steht er am Schlüsse seiner Laufbahn dem Cinq-Mars gegenüber dem er sagen kann: "Ja - ich habe mit eiserner Strenge regiert,
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ich habe im Blute gewatet, ich habe meine Seele mit Lüge und Heuchelei befleckt aber alles was ich gethan, habe ich für Frankreich gethan - Du dienst Deinem eigenen Ehrgeiz, Du kannst mein Nachfolger nicht sein." Wenn mich an dem gewälten Stoffe etwas erschreckt, so ist es seine Fülle. Nebst den 3 Hauptfiguren stehen Anna v. Oestreich, Maria von Gonzaga, de Thou und Pater Josef so groß da, daß es schwer sein wird sie ganz zu zeichnen ohne den gegebenen Raum zu überladen. Denken und Dichten kann ich dieses Stück, ob ich es auch Machen kann, muß die Folge lehren. Und nun eine Frage und eine Bitte, hochverehrter Herr! - Die erste lautet: Waren Sie nicht vor ungefähr 10 Jahren, im Winter, in Wien, und besuchten des Vormittags Louise Neumann? und fanden dort eine sehr unscheinbare kleine Person die voll Ehrfurcht und Bewunderung zu Ihnen hinauf blickte, als sie den ehrenreichen Namen: Devrient hörte? - Im Falle Sie diese Frage mit Ja beantworten, sind wir einander schon einmal im Leben begegnet. Die Bitte lautet: Entschuldigen Sie daß ich es wage eine kleine Photografie von mir in diesen Brief einzuschliessen, und wenn Sie eine wertlose Gabe, mit einer unschätzbaren erwiedern wollen, so erweisen Sie mir die Ehre und die Freude, mir Ihre Photografie für die meinige zu schicken. Ich entschuldige mich nicht wegen der Länge dieses Briefes, sonst wird er noch länger, sondern eile zum Schlüsse und empfehle mich Ihrem Wohlwollen und Ihrer Güte, als Ihre dankbare Marie Ebner
Br 12 (I.N. 56602) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 19. Januar 1862 Wien den 19. 1. [1]862 Hochverehrter, bester Herr! Ihre Rache wird sein wie Sie selbst sind - edel. Erfüllen Sie nur auch getreulich Ihre Drohung - nie ward eine weniger furchtbare ausgesprochen. Unter den Bildern derer die ich am Höchsten halte, soll Ihr theures und verehrtes Bild eingereiht werden. Wenn Ihnen hingegen nun das Geringste daran liegt mein Gesicht zu sehen ( - ich will Ihnen's im Vertrauen sagen: s'ist ein recht garstiges Gesicht,) so sollen Sie es sehen.
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In den nächsten Tagen werde ich mich ein 2,es Mal photografiren lassen - mit offenem Visier, und Sie bekommen dann sogleich das erste Exemplar dieser neuen Auflage. Und nicht nur als Marie Ebner, auch als Eschenbach will ich den Leuten fortan ehrlich und offen in das Gesicht sehen. Glauben Sie mir, es war nicht feige Angst vor direktem Tadel, was mich in dem Gedanken mich laut zu meinem Werke zu bekennen, einen gewissen Schrecken finden ließ, sondern vor allem Andern, die Rücksicht für die Meinen. Es hat die ganze Vortrefflichkeit ihrer Herzen, ihre ganze Liebe für mich dazu gehört, um sie endlich die Thatsache verschmerzen zu machen, einen - blue stocking in der Familie zu haben. Nun ist aber die Zeit der schlimmsten Kämpfe hinter uns, das fait accompli wird respektirt. Ihr Interesse für meine Bestrebungen adelt dieselben in den Augen Vieler, die ihnen sonst keine Berechtigung zugestehen wollten. Ich kann es nie genug wiederholen: Ihnen dank ich unsägliches Gute! Eine grosse Klippe habe ich noch zu übersteigen. Die Aufführung eines meiner Stücke in Wien. Unsere Rezensenten glauben nie genug scharf tadeln zu können wenn der Dichter den sie beurteilen nicht aus ihrer Clique hervor gegangen. Sigmund Schlesinger, Alex Bergen werden von ihnen in alle Himmel gehoben, während Halm, Hebbel u. A. täglich ihren schonungslosen Angriffen ausgesetzt sind. Wenn nun dieselben einmal gegen mich werden gerichtet sein, so wird mein Mann, werden meine Brüder, sich dadurch verletzt fühlen, und gerne hätte ich ihnen die nicht die Wonnen geistigen Schaffens kennen, die Schmerzen desselben erspart. Ein kleiner Trost wäre für sie der Gedanke gewesen, daß Niemand der den Eschenbach trifft die - Marie Ebner meint. Darum wäre mir's wichtig gewesen das Incognito zu bewahren - gewiß: nicht mir, sondern der Meinigen zu Liebe. Mit dem größten Interesse erfüllt mich die Nachricht daß Sie Tieck's Blaubart zur Aufführung bringen. Welches Riesenwerk haben Sie da unternommen! Die Bearbeitung eines solchen Stückes für die Bühne dünkt mich eine schwierigere Aufgabe als die, ein neues Stück zu schreiben. Ich habe vor einigen Monaten die Tieck'schen Dramen zum ersten Male gelesen, und mich darin nicht zurecht finden können. Zur Übung, um daraus zu lernen, versuchte ich's im Kopfe den dramatischen Kern aus den vielen Schalen in denen er wie eine Zwiebel eingehüllt ist, herauszuschälen, und es war mir nicht möglich etwas Greifbares zu gewinnen; nicht eine feste Gestalt die einen tüchtigen Kopf hat und auf zwei Beinen ruht. Überall ein Mangel. Trat ein Fuß fest auf, so baumelte ganz gewiß der andere. Sie sind aber der Zauberer dem die Geister sich fügen, den Meister und Herrn erkennend. Könnt' ich doch nach Karlsruhe fliegen und die Freude mitgeniessen Sie einen neuen Triumpf feiern zu sehen, das deutsche Theater sich einer neuen Eroberung freuen! Wenn ich nicht irre ist der Blaubart ausser durch Immermann in Düsseldorf niemals auf die Bühne gebracht worden?
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Mein Brief wird zu lang und ich muß schliessen. Erhalten Sie mir Ihr unschätzbares Wohlwollen, hochverehrter Herr Doctor. Der Himmel segne Sie für alles Gute was Sie mir erweisen, das ist das ewige alte Lied Ihrer treuen und dankbaren M. Ebner
Br 16 (I.N. 56606) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 8. Februar 1863
Den 8. 2. [1]863 Hochverehrter Herr Doktor! Wie kann ich die Überraschung, die Freude schildern, mit der mich Ihre eben erhaltenen Zeilen erfüllen? Es gibt keine Worte - dafür nicht. Sie haben mich nicht vergessen, verzweifeln nicht an mir! Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich's gewagt zu denken, daß meine Maria als Mitkonkurentin [sie] um den Schillerpreis nur genannt werden könnte. Und nun wollen Sie, aus eigenem, freiem, großmütigem Antriebe, ein Wort für sie sprechen?! Ach was kann ich thun, um Ihnen zu danken? - ein drückendes Gefül innerer Ohnmacht ist das Einzige was diese glückliche Stunde trübt. - Glauben Sie nur nicht daß ich Einen Tag meiner Verpflichtungen gegen Sie nicht gedachte! Auf Ihren Rat, jeder Rücksicht auf das Burgtheater mich entschlagend, arbeitete ich ohne nur an die Möglichkeit einer Aufführung meiner Stücke in Wien zu denken. Das Lustspiel bedarf noch einer Veränderung, deren Notwendigkeit ich fühle, die ich aber auch nicht recht in's Werk zu setzen weiß. Die zwei ersten Akte der Jacobäa sind fertig, weiter kam ich nicht. Die Düsterheit des S t o f f s der nicht einen reinen Charakter bietet, schreckte mich ab, ich gab diese Arbeit auf, und schrieb ein 4 aktiges Schauspiel, von dem ich nichts zu sagen weiß, als daß sich's spielend leicht, beinahe von selbst gemacht. Die letzte Hand ist aber auch daran nicht angelegt, denn der Cinq-Mars, der sich einmal nicht unterdrücken läßt, wächst kräftig heran, und nimmt mein Interesse, in so viel glühenderem Grade in Anspruch, als das Raspeln und Feilen, an einem beinahe fertigem bürgerlichem Theaterstücke, das auch Jemand Anderer hätte machen können, in dem meine Seele nicht lebt, und mein Herz nicht klopft! - Seit einem Jahre war's meine Hoffnung und meine Freude zu denken, was Sie sagen werden, wenn ich Ihnen auf Einmal drei Stücke schicke. Der Cinq-Mars - ich wage es mir einzubilden - wird Ihnen direkt an das Herz fliegen - aber die zwei anderen? Für sie zittere ich vor dem Urteile des Meisters, des hochverehrten und geliebten Meisters.
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Kürzlich erhielt ich einen Brief Herrn Kleineres aus Altona, er will dort meine Maria zu seinem Benefice spielen. Es that mir weh - zwischen den Zeilen seiner äusserst freundlichen Zuschrift, die Andeutung heraus zu lesen, er befände sich in gedrückten Verhältnissen. Jeden Tag und jede Stunde, sehnt er sich nach der Kunstanstalt zurück, an deren Spitze Edouard Devrient steht. Wie viel hat mir mein Mann von Ihnen erzälen müssen, hochverehrter Herr Doktor! Wie erquickend war ihm die Stunde, die er in Ihrer Nähe verlebte. Er empfielt sich angelegentlichst Ihrer gütigen Erinnerung. Nun aber endlich, zur Beantwortung der in Ihrem Briefe an mich gestellten Aufforderung, Exemplare der Maria Stuart, an Sie zu senden. Unter Einem schreibe ich deßhalb an H. Michaelson, der die ganze Auflage bei sich hat. Den umgearbeiteten 3' Akt, lasse ich sogleich in mehreren Exemplaren abschreiben. Finden Sie es aber besser, das Stück neu drucken zu lassen, mit den Veränderungen, so bitte ich nur um ein Wort darüber, in 2 - 3 Wochen wäre auch das geschehn. Seien Sie bedankt, seien Sie gesegnet! Darf ich inständigst bitten, Herrn Schütz meine besten Empfelungen vermitteln zu wollen? Ihnen aber noch bessere als die Besten! Hochverehrtester Herr Doctor! Ihre dankbare M. Ebner
Br 18 (I.N. 56608) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 12. März 1863 Den 12. 3 . 6 3 Hochverehrter Herr Doktor! Untröstlich macht es mich, daß Ihr Brief, den ich mit so grosser Sehnsucht und Ungeduld erwartet hatte, verloren gegangen. Jede Zeile die Sie an mich richten ist mir von unschätzbarem Werthe - ich finde in dem Wieder und Wiederlesen derselben meine Freude, meinen Stolz, sehr oft, meinen Trost, und meine Erhebung. Wenn mich manchmal der Mut gänzlich verlassen will, auf der einst mit so viel Liebe und Begeisterung eingeschlagenen Bahn, weiter zu wandeln, nehme ich Ihre Briefe zur Hand, und der edle Geist, der aus ihnen so mild und gütig zu mir spricht, hat noch nie verfehlt seine segensreiche Wirkung auf mich auszuüben. - So kann mir aber auch nichts Schlimmeres geschehn als an diesem meinem theuerstem Eigenthum beschädigt zu werden. Darf ich Sie, hochverehrter Herr Doktor dringend bitten, in Zukunft, die Briefe die Sie gütigst an mich richten wollen, unter meiner Adresse aufgeben zu lassen.
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Ich füge dieselbe unten bei. Sehr glücklich wäre ich, bis l te ° August, meine letzten Arbeiten an Sie senden zu können. Das Schauspiel ist bis auf kleine retouchen, fertig. Die Hauptperson in diesem Stücke, ist eine alte Frau. Frau Rettich will darin im Juli in Berlin an dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater gastiren. - Das Lustspiel muß umgearbeitet werden. Mein Mann theilte mir mit, wie bedenklich und schwierig Sie die Aufgabe fänden die ich mir damit gestellt, ich gab ihm darauf das Kleine Unrecht zu lesen, und sein Urteil, fiel absprechend aus. Baron Münch (Halm) meint hingegen, das Stück brauche nur zu 3 Akten (es ist jetzt 5 aktig) zusammengezogen zu werden, um gut und wirksam zu sein. Der Cinq-Mars ist so weit gediehn, daß ich mit Bestimmtheit glaube sagen zu dürfen, er werde in drei Monaten ganz fertig sein. Diese Arbeit macht mir nur Freude, und ich eile absichtlich nicht damit an's Ende zu kommen, denn die Stunden die ich jetzt am Hofe Ludwig's XIII. verlebe, werden mir mir [sie] nicht so leicht ersetzt werden können. In längstens 14 Tagen, erhalten Sie, hochverehrter Herr Doktor, die gedruckten Exemplare des 3!en Akts der Maria. Vielleicht fasse ich mir den Mut, auch eine Abschrift des Schauspiels Die Heimkehr hinzuzufügen. Mein Mann empfielt sich dringend Ihrem freundlichen Andenken. Er hat mir sein Wort gegeben, mich, im Falle der Cinq-Mars in Carlsruhe zur Darstellung angenommen würde, dahin zu führen - ich kann mir aber gar nicht denken daß mir eine solche Freude beschieden sein könnte. Voll Unglauben an meinen Stern zweifle ich, je das Glück zu erleben Sie von Angesicht zu Angesicht zu sehn, Ihnen mit lebendigem Wort danken zu können. Und vielleicht, soll ich mir's gar nicht wünschen - wenn ich heut vor Ihnen stünde, brächt' ich wahrscheinlich kein einziges Wort heraus. - So ist's schon besser, ich schreibe Ihnen, daß ich lebe und sterbe als Ihre dankbare Marie E.
Br 21 (I.N. 56612) Marie von Ebner-Eschenbach an Eduard Devrient, 27. September 1866 Zdisslawitz, 27. Sept. 66 Bester, vereintester Herr Doctor! Einige Tage bin ich nun als eine sehr traurige Person umhergegangen - ich weiß mir mit der Roland nicht zu helfen. Soll meine Heldin in den Zeiten ihres Glanzes und ihrer Schuld gezeichnet werden, so muß das Stück viel früher anfangen, der Stoff wächst massenhaft an, es ist kaum möglich ihn in einem 5 aktigen Stück zu verarbeiten.
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Nun stelle ich eine Frage an Sie, bester Herr Doctor - : wie wär's wenn ich ein Vorspiel in einem Akte zu dem Drama schreibe? - Es würde die Ereignisse des 14tn Jänner's 1793 schildern, Marieen's Mitschuld an der Verurtheilung des Königs, ihre Verachtung seiner Familie, und aller seiner Anhänger. Den Gang der Revolution bis dahin, der Einfluß den die Roland auf denselben genommen, könnte klar auseinandergelegt werden, ebenso die Stellung der Parteien zu einander, und jene Frankreich's zum Auslande. Es schlösse mit dem Siegestaumel der Republikaner. Im Stücke selbst, würden uns dann, Girondisten und Jacobiner schon als Bekannte entgegen treten. Marien hielte ich, besonders in den 1' Acten, schroffer und hochmütiger, brauchte aber nicht die ganze Composition umzumodeln. - Können Sie sich mit diesem Vorschlage einverstanden erklären, bester und vereintester Herr Doctor, so werde ich allsogleich an die Arbeit gehn, und denke dieselbe in 4 Wochen, leicht zu Stande bringen zu können. Für Ihren herrlichen Brief, für jedes gute und freundliche Wort welches Sie mir darin sagen: den allerwärmsten Dank! - Freilich gilt es jetzt für Jeden der unsere gesegnete deutsche Sprache spricht und schreibt, vor allem aber für den, der in ihr dichtet, sein möglichst Bestes zu leisten, wir Oesterreicherer [sie] besonders müssen es durch unsere Werke bethätigen daß wir zu Deutschland gehören, was auch die neue preussische Geographie dagegen einwenden möge. Was wir sind, sind wir durch deutschen Geist geworden, durch deutsche Bildung, und trotzen dem Versuche den man anstellt uns das vergessen zu machen. Ich bin jetzt auf dem Lande bei meinen Eltern, und erwarte täglich die Rückkehr meines Mannes aus Pola, Ihre gütige Erinnerung wird ihn gewiß herzlich erfreuen. Darf ich Sie bitten, mich freundlich dem liebenswürdigen Ehepaar Lange, und Ihrer verehrten Tochter zu nennen. Der Cinq-Mars ist am Umarbeiten zu Grunde gegangen - die 3,e und letzte Version dieses unglücklichen Stückes ist bis zum 5' Akte beendet. Wenn ich etwas Courage hätte, so würde ich Ihnen ein 4 aktiges Conversationsstück senden, das ich im vorigen Sommer schrieb - aber ich habe schon alles Zutrauen zu mir selbst und meiner Dichterei verloren. Leben Sie wohl innigst verehrter Herr Doctor! Es empfielt sich Ihrer gütigen Erinnerung Ihre ergebenste M. Ebner
Br 39 (I.N. 60745) Rudolf Lange an Marie von Ebner-Eschenbach, 30. Juli 1866 Gnädige Frau! Nach unserer Verabredung habe ich Ihr Werk, nachdem wir es gelesen, Herrn Direktor Devrient überschickt, der während der ganzen Ferienzeit in Baden-Baden zur Erholung sich aufhielt. Devrient ist jetzt erst nach Karlsruhe zurückgekehrt, und haben wir uns erst jetzt über Ihre Marie Roland aussprechen können. Dieser Umstand und
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die Befürchtung es dürfte ein Brief in dieser kriegerischen Zeit nicht an Sie gelangen, hielt uns ab an Sie zu schreiben, ebenso Devrient, der auch jetzt noch nicht in der ruhigen Stimmung ist, um Änderungen, wollte schreiben Vorschläge zu Änderungen einer dichterischen Arbeit machen zu können, die, wie alle Ihre Arbeiten, hier ganze Aufmerksamkeit erweckt hat. Und deswegen, gnädige Frau, verzeihen Sie, daß wir erst jetzt für die freundliche Übersendung Ihrer Marie Roland bestens danken. Devrient, wie wir, hier für Ihre neueste Dichtung sehr eingenommen, nur beklage ich nur [sie], daß wir nicht gemeinschaftlich besprechen können, was wir anders, oder was wir noch hinzugefügt wünschen. Sie waren sehr glücklich in der Wahl des Stoffes, der Character des Danton und vermutlich der ganze 5. Act sind Ihnen schon jetzt ganz außerordentlich gelungen, dennoch glaube ich würde es dem Stücke zum größten Vortheil gereichen, wenn es Ihnen gelänge, die politische Lage Frankreichs noch klarer dem Zuschauer vorzuführen, ihn mehr von den staatlichen Verhältnissen erst zu unterrichten, als diess bei ihm als bekannt vorauszusetzen. Man hat nicht nur gebildete Leute im Theater, und der Ungebildete verlangt, wohl mit Recht, belehrt zu werden. Ich weiß nicht, ob Devrient in dieser Beziehung meiner Ansicht ist, aber das möchte ich behaupten, ihn damit mir gleich denkend zu finden, daß die Marie Roland, die die Hauptfigur des Stückes sein soll, noch mehr hervortreten müsse; unser Interesse für sie muß noch lebhafter erweckt, was von Ihnen in einigen Scenen schon herrlich gedacht, aber bis jetzt nur angedeutet ist, muß noch mehr, ausgeführt werden, Marie Roland muß mehr Gestalt gewinnen, der politische Charakter mit seinen Vorzügen und Schwächen noch klarer, noch größer wirken; wir müssen in den 4 ersten Acten, das an uns vorübergehen sehen, wessen sich Marie im 5. Acte anklagt. Die Schuld, an der sie untergeht, ist noch nicht groß genug, ist noch nicht ganz herausgearbeitet. Es sind Lücken im Stück, die ausgefüllt werden müssen, damit manche Scenen natürlicher, ich will damit sagen begreiflicher, nothwendiger erscheinen, wie die Scene im 2. oder 3. Acte ζ. B. zwischen Marie und ihrem Gatten, in welcher dieser seine junge Frau von allen Herzensverpflichtungen gegen ihn entläßt. Diese Frau, die ja so schön gedacht und durchgeführt ist, das Verhältniß zwischen Mann und Frau muß noch bestimmter vorbereitet werden. O, meine hochgeehrte, gnädige Frau, seien Sie nicht ungehalten, daß ich so spreche, so hart spreche, aber ich folge nur dem Eindrucke, den Ihr Werk auf uns gemacht, und der Ihnen unumwunden mitzutheilen Sie ja so freundlich waren uns zu erlauben. - Sobald Devrient, der sich Ihnen bestens empfiehlt und vielmals dankt, nur etwas ruhiger geworden ist, denn die politischen Zustände scheinen ihn, und wozu in der Welt wohl nicht, sehr in Anspruch zu nehmen, wird er sich erlauben Ihnen einige Vorschläge zu Änderungen zu machen, und bin ich gewiß, daß wir noch in der nächsten Saison Marie Roland über diese Bühne gehen sehen. -
Gnädige Frau, indem ich nochmals bitte, daß Sie meine gewiß ganz unmaßgebliche Meinung, und die Rücksichtslosigkeit, mit der ich dieselbe ausgesprochen habe, nicht übel deuten, erlaube ich mir noch anzufragen, und meine liebe Johanna thut das eben-
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falls, ob der furchtbare Krieg nicht auch schonungslos in Ihre werthe Familie eingegriffen hat? Jetzt sind unsere Ferien zu Ende und denken wir in der nächsten Woche unsere Vorstellungen wieder beginnen zu lassen. Devrient hat mir die besten Grüße für Sie aufgetragen. Meine liebe Frau empfiehlt sich Ihnen aufs Angelegentlichste. Ich habe die sehr große und starke Verehrung und Hochachtung ergebenst Rudolf Lange Carlsruhe, d. 30. Juli 1866
Br 45 (Br I.N. 49997) Ferdinand von Saar an Marie von Ebner-Eschenbach, 27. April 1867 Gnädigste Gräfin! Eine eigene Verkettung der Umstände wollte es, daß ich Sie zu meinem tiefsten Leidwesen vor meiner Abreise nach Krummau in Böhmen, zu welcher ich mich, Verhältnisse halber, wohl entschließen mußte, nicht mehr sehen durfte. Ich erlaube mir daher, Ihnen noch in der zwölften Stunde einige Worte über die "Marie Roland" zu schreiben. Ich hatte mich sehr darüber gefreut, mit Ihnen über das Stück persönlich und eingehend zu sprechen; denn im lebendigen Verkehre und unmittelbaren Austausch der Gedanken versteht man sich besser und die Discussion wird eine wahrhaft befruchtende. Nun, ich muß mir jetzt daran genügen lassen, in einigen Hauptzügen darzustellen, welchen Eindruck Ihr Stück auf mich hervorgebracht. Ich kann nur sagen, daß es mich ungemein gefesselt hat; gefesselt nicht nur durch das interessante Colorit der damaligen Zeit - welches Ihnen namentlich in der großen Convent-Scene bewunderungswürdig gelungen ist, sondern auch durch die edle sittliche Hoheit, mit welcher Sie die Heldin gezeichnet haben. Auch die Sprache ist herrlich, und beurkundet in ihrer einfachen, gedrängten, plastischen Schönheit einen außerordentlichen Fortschritt gegen jene in der Stuart. Jedennoch konnte ich von Ihrem Trauerspiele nicht gänzlich befriedigt werden. Es machte mir trotz vieler Schönheiten den Eindruck einer Conclusion ohne Prämissen - das Vorleben der Roland, die Art, auf welche Sie zu dem ungeheuren Einfluß auf ihre Partei gelangt, der Antheil den sie in den vorhergehenden politischen Ereignissen gehabt, die treibende Kraft, die sie zur Befreiung der Ehe und zur Verurtheilung der Königin ausübt; dieses alles ist zu wenig berührt, zu wenig eindringlich und überzeugend hingestellt, so daß man ohne genaue DefcnTkenntniß der Revolutionsgeschichte, die Beziehungen nur schwer auffaßt. Ich gebe indeß zu, daß bei der Darstellung, wo uns doch alles lebensvoll entgegentritt, dieser Mangel weniger empfunden werden wird. Sie müssen
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im ersten Akte noch ein paar "Drucker" anbringen, dann zweifle ich nicht, daß das Stück sehr gefallen wird. Die geniale Art, mit welcher Sie in wenigen Strichen Danton, Robespierre u. Marat gezeichnet haben, zeigt [sie] von großer Gestaltungskraft, die Sie, ich sage es offen, nicht mehr an so rein politische Stoffe, wie die Geschichte der franz. Revolution eine ist, setzen sollten. Acht weibliche Conflickte, die sich vor einem historischen Hintergrund abheben, vielleicht auch das sociale Drama, dies scheint mir, Ihrem ganzen Wesen nach, das Feld zu sein, auf welchem Sie Vortreffliches, noch nie Dagewesenes leisten könnten - gerade darum, weil Sie eine Frau sind!
Ich muß schließen. Ich bin so troublirt, abgespannt von Abschiedsvisiten und vom Ordnen aller jener Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten, die mit einer Abreise verknüpft sind. Ich hoffe viel von diesem Sommer. Möge auch Ihnen, gnädigste Gräfin, Ihre "Pariserfahrt" erfreuend und förderlich sein. Mit dem innigsten Danke für die tiefe edle Theilnahme an meinem Streben, verbleibe ich Ihnen das Beste wünschend, gnädige Gräfin, Ihr aufrichtig ergebener Ferdinand von Saar Wien, 27. April 1867 P. S. Ich bitte für diesmal die Flüchtigkeit meiner Schriftzüge zu verzeihen, ich bin gar zu bedrängt von allen Seiten. Vielleicht darf ich mir nach Ihrer Rückkehr von Paris die Freiheit nehmen, Ihnen von Krummau aus, wo ich, je nach Umständen, vielleicht den ganzen Sommer zubringen werde, einen "gesammelten" Brief zu schreiben.
Bibliographie
1. Q u e l l e n a. Textzeugen der historischen Tragödien Druckschriften: E1
Maria Stuart in Schottland. Schauspiel in fünf Aufzügen von M. v. Eschenbach. Als Manuscript gedruckt. Wien: Druck von Ludwig Mayer
E2
Maria Stuart in Schottland.
1860.
Dritter Aufzug. Als Manuscript gedruckt. S.
1-12.
Ε
Marie Roland. Trauerspiel in fünf Aufzügen von M. von Eschenbach. Als Manuscript gedruckt. Wien: Druck von J. B. Wallishausser's k. k. Hoftheater-Druckerei 1867. Marie Roland. Trauerspiel in fünf Aufzügen von M. von Eschenbach. Druckfassung mit eigenhändigen Änderungen von Heinrich Laube [WSLB I.N. 60644].
Handschriften (Wiener Stadt- und Landesbibliothek): H1
H2
Maria Stuart in Schottland. Schauspiel in fünf Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript als Druckvorlage für E 1 . Erste Fassung, mit eigenhändigem Motto [I.N. 54469]. Maria Stuart in Schottland. Trauerspiel in fünf Aufzügen von M. von Eschenbach. Eigenhändiges Manuskript. Zweite Fassung [I.N. 54470],
Η
Marie Roland. [I.N. 54484],
H'
Richelieu's Ende. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript. Fragment, vierter und fünfter Aufzug fehlen [I.N. 60652]. Richelieu. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript. Fünfter Aufzug fehlt [I.N. 60651], Richelieu's Ende. Drei Varianten zum ersten und vierten Aufzug [I.N. 61299/1/2/3],
H2 H3
H1 H2
Trauerspiel in fünf Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript
Jacobäa. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Datiert Wien 12. Februar 1863. Eigenhändige Entwürfe [I.N. 54500]. Jacobäa von Bayern. Eigenhändiges Manuskript. Fragment, Bruchstück des ersten Aufzugs [I.N. 60637].
Bibliographie
828 Notizbücher zu den Dramen:
Studien- und Skizzenheft zu Maria Stuart, eigenhändiges Manuskript [I.N. 59299]. Otto Ludwig: Kritik meiner Maria Stuart (Schluß), eigenhändige Abschrift, dem Drama angeschlossen, 9 Bl. [I.N. 54470]. Notizbuch mit Skizzen zu Marie Roland, eigenhändiges Manuskript [I.N. 60437], Notizen zu Richelieu, eigenhändiges Manuskript [I.N. 58515], Studienblatt zu Richelieu's Ende, eigenhändiges Manuskript [I.N. 61300], Notizbuch mit Studien zu Jacobäa. Römische Kinder, eigenhändiges Manuskript [I.N. 59306], Plan zu Jacobäa, eigenhändiges Manuskript [I.N. 58516]. Jacobäa. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript. Enthält neben Entwürfen zu dem Drama auch Notizen und Pläne [I.N. 54500],
b. Sonstige Dramen von Marie von Ebner-Eschenbach Druckschriften: Am Ende. Scene in einem Aufzug von Marie von Ebner-Eschenbach. Berlin: Verlag der Theater-Buchhandlung Eduard Bloch [1897]. Doctor Ritter. Dramatisches Gedicht in einem Aufzuge von M. v. Eschenbach. Als Manuscript gedruckt. Wien: Im Verlage von F. Reitmann. Druck von E. Jasper 1869. Doctor Ritter. Dramatisches Gedicht in einem Aufzuge von Marie Baronin EbnerEschenbach. Wien: Verlag der Wallishausser'sehen k. k. Hof-Buchhandlung Adolph W. Künast 1872. Doctor Ritter. Dramatisches Gedicht in einem Aufzuge von Marie Baronin EbnerEschenbach. Wien: Verlag von L. Rosner 1872. Ein Sportsmann. Dialogisierte Novelle. In: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte. Bd. 94, Heft 565 vom Oktober 1903, S. 79-82. Genesen. Dialogisierte Novelle. In: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte. Bd. 94 , Heft 559 vom April 1903, S. 43-50. Ihre Schwester. Dialogisierte Novelle. In: Deutsche Rundschau 117 (1903), S. 321-329. Männertreue. Lustspiel in vier Aufzügen. Nach einer Novelle des Bandello. Als Manuskript gedruckt. Wien: Druck und Verlag von J. B. Wallishausser's k. k. Hoftheater-Druckerei 1874. Nachdruck in: Der Merker 3 (1912), S. 25-29, 72-74, 103-110, 143-148. Ohne Liebe. Dialogisierte Novelle. In: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte. Bd. 64, Heft 384 vom September 1888, S. 759-772.
Bibliographie
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Ohne Liebe. Lustspiel in 1 Akt von Marie von Ebner-Eschenbach. Bühnenbearbeitung für das Residenztheater in Berlin. Berlin: Eduard Blochs Theater Buchhandlung 1891. Die Veilchen. Lustspiel in einem Aufzuge von M. von Eschenbach. Als Manuskript gedruckt. Wien: Druck von J. B. Wallishausser 1862. Die Veilchen. Lustspiel in einem Aufzuge von M. von Eschenbach. Wien: Verlag der Wallishausser'sehen Buchhandlung 1877. Das Waldfräulein. Lustspiel in drei Aufzügen. Erstdruck nach der Handschrift der Marie von Ebner-Eschenbach. Hg. v. Karl Gladt. Wien: Belvedere Verlag Wilhelm Meissel 1969. Das Waldfräulein. Lustspiel in drei Aufzügen. In: Marie von Ebner-Eschenbach. Aphorismen, Erzählungen, Theater. Hg. v. Roman Rocek, Graz, Wien: Böhlau Verlag 1988. S. 485-574. Zwei Frauen. Dialogisierte Novelle. In: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte. Bd. 94, Heft 562 vom Juli 1903, S. 497-501.
Sammelausgaben: Letzte Chancen: Vier Einakter von Marie von Ebner-Eschenbach. Hg. v. Susanne Kord. London: The Modern Humanities Research Association 2005. [Enthält: Ohne Liebe, Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, Genesen, Am Ende]. Der Nachlaß der Marie von Ebner-Eschenbach. Hg. v. Heinz Rieder. Wien: Agathonverlag 1947. [Enthält folgende dramatische Stücke: Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, Ein Sportsmann, Genesen, Zwei Frauen]. Macht des Weibes: Zwei historische Tragödien von Marie von Ebner-Eschenbach. Hg. v. Susanne Kord. London: The Modern Humanities Research Association 2005. [Enthält: Maria Stuart in Schottland (mit dem alten dritten Aufzug), Marie Roland].
Handschriften: Das Bekenntnis. Handschriftliches Manuskript eines Lustspiels [I.N. 60646]. Es wandelt Niemand ungestraft unter Palmen (1900). Dramatisches Sprichwort. Eigenhändiges Manuskript [I.N. 60638], Das Geständnis. Drama in vier Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript (Uraufführung Prag 1967) [Sammlung ZPH 1283], Mutter und Braut (1863). Schauspiel in vier Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript (Umarbeitung des früheren Stückes Die Heimkehr) [I.N. 54498], Die Schauspielerin (1861). Drama in drei Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript [Sammlung ZPH 1283],
Bibliographie
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Die Selbstsüchtigen. Lustspiel in drei Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript (früherer Titel Die Egoisten) [I.N. 54497,1.N. 60639], Das Waldfräulein (1873). Lustspiel in drei Aufzügen. Eigenhändiges Manuskript [I.N. 54485], Das Waldfräulein. Lustspiel in drei Aufzügen. Handschriftliches Manuskript [Sammlung ZPH 1283], [ο. T.] Eigenhändiges Manuskript. Fragment eines Schauspiels (beginnend: Werners Arbeitszimmer, undatiert) [I.N. 60645].
c. Briefe von und an Marie von Ebner-Eschenbach Gedruckte Briefsammlungen: Kindermann, Heinz (Hg.): Briefwechsel zwischen Ferdinand von Saar und Marie von Ebner-Eschenbach. Wien: Wiener Bibliophilen-Gesellschaft 1957. [Kindermann] Originalbriefe von und an Marie von Ebner-Eschenbach (Br = Briefe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, MvEE = Marie von Ebner-Eschenbach). Die mit * gekennzeichneten Briefe sind in Marie von Ebner-Eschenbach und die historische Tragödie 3. (S. 809 ff.) abgedruckt: Br 1 Br 2* Br 3 Br 4 Br 5 Br 6* Br 7* Br 8 Br 9 Br 10* Br 11* Br 12* Br 13 Br 14 Br 15 Br 16* Br 17 Br 18 * Br 19 Br 20
MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard MvEE an Eduard
Devrient, Klosterbruck 28.7.1860 [I.N. 56591] Devrient, Zdislawitz 10.9.1860 [I.N. 56592] Devrient, Zdislawitz 19.9.1860 [I.N. 56593] Devrient, Franzensbad 30.7.1861 [I.N. 56594] Devrient, Wien 30.9.1861 [I.N. 56595] Devrient, Wien 5.10.1861 [I.N. 56596] Devrient, Wien 7.10.1861 [I.N. 56597] Devrient, Wien 22.10.1861 [I.N. 56598] Devrient, Wien 3.11.1861 [I.N. 56599] Devrient, Wien 6.11.1861 [I.N. 56600] Devrient, Wien 14.12.1861 [I.N. 56601] Devrient, Wien 19.1.1862 [I.N. 56602] Devrient, Wien 23.3.1862 [I.N. 56603] Devrient, Wien 5.4.1862 [I.N. 56604] Devrient, 2.5.1862 [I.N. 56605] Devrient, 8.2.1863 [I.N. 56606] Devrient, Wien 2.3.1863 [I.N. 56607] Devrient, 12.3.1863 [I .N. 56608] Devrient, 3.4.1863 [I.N. 56609] Devrient, Wien 10.12.1863 [I.N. 56611]
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Bibliographie
Br 21* Br 22 Br 23 Br 24 Br 25 Br 26 Br 27 Br 28 Br 29 Br 30 Br 31 Br 32 Br 33 Br 34 Br 35 Br 36 Br 37 Br 38 Br 39* Br 40 Br 41 Br 42 Br 43 Br 44 Br 45* Br 46 Br 47 Br 48
MvEE an Eduard Devrient, Zdislawitz 27.9.1866 [I.N. 56612] MvEE an Eduard Devrient, Wien 27.1.1867 [I.N. 56613] MvEE an Eduard Devrient, Kissingen 7.7.1867 [I.N. 56615] MvEE an Eduard Devrient, Wien 12.11.1867 [I.N. 56614] Eduard Devrient an MvEE, Karlsruhe 4.5.1861 [I.N. 56637] Eduard Devrient an MvEE, Karlsruhe 2.7.1867 [I.N. 56390] Franz von Dingelstedt an MvEE, Weimar 12.12.1860 [I.N. 56638] Gustav Frenssen an MvEE, Hemme in Holstein 23.12.1901 [I.N. 56414] Friedrich Halm an MvEE, Wien 2.11.1860 [I.N. 56634] Friedrich Halm an MvEE, 22.2.1863 [I.N. 56468] Friedrich Halm an MvEE, 8.11.1865 [I.N. 56241] Friedrich Halm an MvEE, 25.1.1868 [I.N. 56239] Friedrich Halm an MvEE, 14.5.1870 [I.N. 56235] Paul Heyse an MvEE, München 24.12.1883 [I.N. 56262] H. Kleinen an MvEE, Altona 30.1.1863 [I.N. 56639] H. Kleinen an MvEE, Altona 30.3.1863 [I.N. 56640] Η. Kleinen an MvEE, Danzig 7.2.1867 [I .N. 56641 ] H. Kleinen an MvEE, Danzig 21.4.1867 [I.N. 60738] Rudolf Lange an MvEE, Karlsruhe 30.7.1866 [I.N. 60745] Rudolf Lange an MvEE, Karlsruhe 29.8.1866 [I.N. 60746] Heinrich Laube an MvEE, Wien 1.3.1867 [I.N. 60739] August von Loen an MvEE, Weimar 30.11.1867 [I.N. 60785] August von Loen an MvEE, Weimar 3.11.1868 [I.N. 60784] August von Loen an MvEE, Weimar 30.1.1869 [I.N. 56654] Ferdinand von Saar an MvEE, Wien 27.4.1867 [I.N. 49997] Ferdinand von Saar an MvEE [o. D.] [I.N. 49992] Ferdinand von Saar an MvEE, Wien-Döbling 18.9.1900 [I.N. 60855] Anna Versing-Hauptmann an MvEE, 5.12.1867 [I.N. 60802]
d. Tagebücher und autobiographische Schriften Marie von Ebner-Eschenbach: Ebner-Eschenbach, Marie von: Autobiographische Schriften I. Meine Kinderjahre. Aus meinen Kinder- und Lehrjahren. Kritisch herausgegeben und gedeutet von Christa-Maria Schmidt. Bd. IV. Tübingen: Max Niemeyer 1989. [A] Ebner-Eschenbach, Marie von: Tagebücher I - V I . Bd. I—II herausgegeben und kommentiert von Karl Konrad Polheim. Bd. III—VI herausgegeben und kommentiert von Karl Konrad Polheim und Norbert Gabriel. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1989-1997. [T]
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Eduard Devrient. Aus seinen Tagebüchern. Hg. v. Rolf Kabel. Bd. II: Karlsruhe 1852-1870. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1964. [Devrient]
e. Rezensionen, Ankündigungen und Berichte in Zeitungen Maria Stuart in Schottland: Badische Landeszeitung Nr. 235 vom 6.10.1861, Nr. 236 vom 8.10.1861, Nr. 237 vom 9.10.1861. Karlsruher Tageblatt vom 4.10.1861. Karlsruher Zeitung Nr. 234 vom 4.10.1861. Marie Roland: Großherzogliches Hoftheater. In: Weimarische Zeitung Nr. 264, Sonntag, 8. November 1868. Burgtheater in Wien: Laube, Heinrich: Dramaturgische Berichte. In: Neue Freie Presse Nr. 1267, Wien, Dienstag, den 10.3.1868.
f. Sonstige Primärliteratur Otto Ludwigs Gesammelte Schriften. Bd. IV: Dramatische Fragmente. Herausgegeben von Erich Schmidt. Leipzig: Fr. Wilh. Grunow 1891. S. 27-32. [Ludwig IV] Bd. V: Studien und kritische Schriften. Herausgegeben von Adolf Stern. Erster Teil. Leipzig: Fr. Wilh. Grunow 1891. S. 374-406. [Ludwig V] Ranke, Leopold von: Maria Stuart und ihre Zeit. Berlin: Verlag Die Heimbücherei 1942. Saar, Ferdinand von: Sämtliche Werke in 12 Bänden. Bd. 12: Tragik des Lebens Auswahl aus der nichtdichterischen Prosa - Bibliographie - Register. Herausgegeben von Jakob Minor. Leipzig: Max Hesses Verlag 1908. [Saar]
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Bibliographie
2. Sekundärliteratur Alkemade, Mechthild: Die Lebens- und Weltanschauung der Freifrau Marie von Ebner-Eschenbach. Graz, Würzburg: Wächter-Verlag 1935. Benesch, Kurt: Die Frau mit den hundert Schicksalen. Das Leben der Marie von Ebner-Eschenbach. Wien, München: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst 1966. Bettelheim, Anton: Marie von Ebner-Eschenbach. Biographische Blätter. Berlin: Gebrüder Paetel 1900. Marie von Ebner-Eschenbach's Wirken und Vermächtnis. Leipzig: Quelle & Meyer 1920. Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979. Bramkamp, Agatha C.: Marie von Ebner-Eschenbach. The Author, Her Time, and Her Critics. Bonn: Bouvier 1990. Brinker-Gabler, Gisela (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen. Bd. II: 19. und 20. Jahrhundert. München: C. H. Beck 1988. Colvin, Sarah: Disturbing Bodies: Mary Stuart and Marilyn Monroe in Plays by Liz Lochhead, Marie von Ebner-Eschenbach and Gerlind Reinshagen. In: Forum for Modern Language Studies 35.3 (1999), S. 251-260. 'Ein Bildungmittel ohnegleichen': Marie von Ebner-Eschenbach and the Theatre. In: Laura Martin (Hg.): Harmony in Discord. German Women Writers in the Eighteenth and Nineteenth Centuries. Oxford: Peter Lang 2001. S. 161-182. Women and German Drama. Playwrights and Their Texts, 1860-1945. Rochester, NY: Camden House 2003. Drewitz, Ingeborg: Wege zur Frauendramatik. In: Neue deutsche Hefte 14.2 (1955), S. 152-155. Felbinger, Elisabeth: Marie von Ebner-Eschenbachs dramatische Arbeiten. Diss. phil. Wien 1947. [Masch.-Schr.] Giesing, Michaela: Verhältnisse und Verhinderungen: deutschsprachige Dramatikerinnen um die Jahrhundertwende. In: Hiltrud Gnüg, Renate Möhrmann (Hgg.): Frauen, Literatur, Geschichte: Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart: Metzler 1999. S. 261-278. Gladt, Karl: Kindliche Begeisterung und Theaterleidenschaft. In: Das Waldfräulein. Lustspiel in drei Aufzügen. Erstdruck nach der Handschrift der Marie von EbnerEschenbach. Eingel. und hg. v. Karl Gladt. Wien: Belvedere Verlag Wilhelm Meissel 1969. S. 11-55. Gruschka, Sigrid: Die Briefe Marie von Ebner-Eschenbach an Faust Pachler. In: Österreich in Geschichte und Literatur 48.1 (2004), S. 59-80. Harriman, Helga H.: Marie von Ebner-Eschenbach in Feminist Perspective. In: Modem Austrian Literature 18.1 (1985), S. 27-38.
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