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German Pages 137 Year 2006
John Barton Jesaja – Prophet in Jerusalem Eine Einführung zu Themen in Jesaja 1–39 übersetzt und herausgegeben von Christoph Bultmann
Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.
Der Umschlag zeigt den Beginn des Jesajabuchs der sog. Erfurter Bibel 2 um 1300 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preuß. Kulturbesitz, Orientabteilung Ms. Or. Fol. 1212; f 410b)
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Originalausgabe: Isaiah 1-39, T&T Clark Study Guides, © Sheffield Academic Press – 1995 Veröffentlicht mit Genehmigung der Continuum International Publishing Group © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 1716, 37007 Göttingen – 2006 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Umschlaggestaltung: klartext, Göttingen Layout: mm interaktiv, Dortmund Satz: Christoph Bultmann Druck: buch bücher dd ag, Birkach ISBN-13: 978-3-7675-7079-5 ISBN-10: 3-76757-079-3
Inhalt Einleitung .............................................................................................. 7 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Der Prophet und das Prophetenbuch .........................................10 Die Gestalt des Buches................................................................................... 12 Sekundäre Anteile ........................................................................................... 14 Die Eigenart von Jesajas Botschaft und Stil ............................................. 17 Die Komposition von Jesaja 1–39 ............................................................... 19
2 2.1 2.2 2.3 2.4
Jesaja und die Politik in Juda ......................................................24 Die aramäisch-efraimitische Krise............................................................... 26 Der Fall von Samaria...................................................................................... 29 Bündnisse mit den Philistern und den Ägyptern.................................... 30 Die assyrische Krise ........................................................................................ 32
3 3.1 3.2 3.3 3.4
Jesaja und das Thema Ethik........................................................39 Sünde bei Jesaja ............................................................................................... 40 Jesajas ethische Vision: „Alle Sünde kommt aus Stolz“ ........................ 43 Gottes Ordnung ............................................................................................... 50 Die Quellen für Jesajas ethische Lehre...................................................... 52
4 4.1 4.2
Jesaja und das Thema Zukunft ...................................................57 Fünf Typen von Vorhersagen ...................................................................... 58 Eine konsistente Botschaft?........................................................................... 60 1. Unheil ohne jede Bedingung.................................................................... 60 2. Segen ohne jede Bedingung ..................................................................... 61 3. Segen unter Bedingungen ......................................................................... 65 4. Segen jenseits des Unheils......................................................................... 71 5. Segen in der fernen Zukunft .................................................................... 73
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Themen aus Zeiten nach Jesaja ..................................................76 Orakel gegen die Völker (Jesaja 13–23)..................................................... 76 Die Jesaja-Apokalypse (Jesaja 24-27)........................................................... 83 Die „Kleine Apokalypse“ (Jesaja 34-35) ..................................................... 86 Die historischen Kapitel (Jesaja 36–39) ..................................................... 88 Weitere sekundäre Abschnitte ..................................................................... 90 Die Redaktion von Jesaja 1–39 .................................................................... 93
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Jesaja – Prophet in Jerusalem
6 6.1 6.2 6.3 6.4
Lesezugänge zum Jesajabuch......................................................97 Literarische Lesezugänge zu Jesaja............................................................. 98 Kanonische Kritik............................................................................................ 99 Themen in Jesaja 1-39 .................................................................................. 101 Jesaja 1–39 lesen ............................................................................................ 112
Nachwort des Übersetzers ..................................................................115 Literaturverzeichnis ...........................................................................118 Bibelstellenregister .............................................................................131 Autorenregister...................................................................................136
Einleitung Das Jesajabuch gehört zu den schwierigsten Prophetenbüchern des Alten Testaments bzw. der Hebräischen Bibel, aber es ist auch eines der lohnendsten. Als Leser oder Leserin gewinnt man manchmal das Gefühl, man müsse sich seinen Weg durch einen dichten Wald schlagen, bevor man die geringste Aussicht habe, dem Propheten zu begegnen. Die übliche Gestalt der wissenschaftlichen Kommentare bestätigt tendenziell dieses Gefühl: jeder einzelne Vers muss gegen das Licht gehalten, beurteilt und dann zur Seite gelegt werden, bis der rechte Augenblick für ein Gesamturteil über das Buch kommt. Und in einigen Fällen scheint dieser Augenblick nie zu kommen. Die vorliegende Einführung geht dagegen von der Überzeugung aus, dass die Lage nicht ganz so dramatisch ist wie sie scheint. Das Jesajabuch, und schon die ersten 39 Kapitel, die Gegenstand dieses Bandes sind, ist in der Tat sehr komplex. Aber es hat zugleich seinen spezifischen Charakter: es gibt in ihm nur wenige Passagen, die genauso gut von jedem anderen Propheten stammen könnten. Es wurde von verschiedenen Schreibern zusammengefügt, doch ist es alles andere als ein bloßer Papierhaufen oder eine Mischung von Material aus zufällig herumstehenden Dokumentenschachteln. Sein Kern sind die Worte des Jesaja, Sohn des Amoz, einer Gestalt in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Jesaja ist keineswegs eine schattenhafte Figur, vielmehr ist er unter den Denkern des antiken Israel, die man generell nicht unterschätzen darf, einer derjenigen mit schärfstem Verstand. Sein Denken zu rekonstruieren ist aus einem Abstand von nahezu dreitausend Jahren keine leichte, aber auch keine unmögliche Aufgabe. Das biblische Buch, das seinen Namen trägt, erlaubt uns zu beobachten, wie die Themen seiner Lehre in den folgenden Jahrhunderten zugleich ernst genommen, aber auch modifiziert wurden, manchmal auf feinsinnige, manchmal auf drastische Weise. Das Studium des Jesajabuches hat in neuerer Zeit drei Hauptphasen durchlaufen. Zuerst kam die große und befreiende Entdeckung der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts, dass das Buch nicht das Produkt eines einzigen, verwirrten Geistes war, sondern das Produkt einer Mehrzahl von vollkommen klar denkenden Autoren. Mindestens drei „Jesajas“ hatten zu seinem Entstehen beigetragen, deren Werk man in den Kapiteln 1-39 bzw. 40-55 bzw. 56-66 fand. Die weitere Forschung ergab, dass der „Erste Jesaja“ (1-39) für sich genommen wiederum ein zusammengesetztes Werk war und Material enthielt, das den Zeitraum von einigen Jahrhunderten umgreifen dürfte. Die exakte analytische Ausrichtung auf jeden einzelnen Schreiber in seinem eigenen historischen Kontext, die dadurch ermöglicht wurde, ist das bleiben-
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de Vermächtnis der sog. historisch-kritischen Wissenschaft. Ich gehe von der Annahme aus, dass jeder, der sich das Studium des Jesajabuches vornimmt, darüber Bescheid wissen will, auch wenn es heute einige kritische Stimmen dazu gibt. Sobald das einzelne Material identifiziert worden war, aus dem das Buch aufgebaut ist, hat sich das Forschungsinteresse jedoch auf den Prozess verlagert, in dem diese Texte zusammengebracht wurden, und auf die Absichten derer, die sie zusammengebracht haben – die Herausgeber oder „Redaktoren“. Was ein Herausgeber zum Beispiel im 6. Jahrhundert v. Chr. dadurch zu sagen versuchte, dass und wie er jesajanische und nachjesajanische Aussprüche miteinander verband, ist genauso interessant wie die ursprüngliche Botschaft des Propheten selbst. Sofern es tatsächlich einmal eine Neigung dazu gegeben haben sollte, Passagen, die man für „sekundär“ hielt, in den Papierkorb segeln zu lassen, haben Wissenschaftler schon seit den 1950er Jahren ein großes Interesse an diesen nachjesajanischen Sammlern gezeigt, die in vielen Fällen gewichtige Denker und Theologen eigenen Rechtes waren. Sodann haben drittens die Jahrzehnte nach 1970 ein anwachsendes Interesse daran erlebt, das Jesajabuch in der Form zu lesen, wie wir es heute haben, gerade so, wie wir normalerweise literarische Werke lesen. Dabei liegt der Akzent auf der Einheit und Kohärenz, die das Buch trotz seiner komplizierten Entstehungsgeschichte besitzt. Der Impuls zu einer solchen „holistischen“, den Gesamtbestand des Textes erfassenden Leseweise kann ein strikt literaturkritischer sein, oder er kann ein religiöser sein – im Sinne des Arguments, dass die Heilige Schrift eben das ganze Jesajabuch enthalte, nicht seine hypothetischen früheren Bestandteile, und dass es für uns deshalb geboten sei, das Buch als ein Ganzes zu lesen. Es gibt gelegentlich feindselige Töne zwischen den Anhängern einer an der Gesamtheit eines Textes orientierten Leseweise und anderen, die der historischen Kritik verpflichtet sind, und es ist kein Schaden, wenn sich die Leser der vorliegenden Einführung dessen bewusst sind. Doch alle soeben skizzierten Zugänge zum Jesajabuch sind intellektuell ernsthaft, ausgerichtet auf eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Text, und ertragreich an wichtigen Erkenntnissen. Wer in der aktuellen Situation eine Einführung für das Studium des Jesajabuchs schreibt, muss alle diese Zugänge vorstellen und die Leser dazu einladen, ihnen allen mit Aufgeschlossenheit zu begegnen. Das heißt nicht, dass der vorliegende Band ein neutraler Bericht über Jesaja 1-39 wäre, dem jeder zustimmen könnte. Es ist nur natürlich, wenn in ihm meine eigenen wissenschaftlichen Anliegen und Interessen hervortreten,
Einleitung
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sowohl im Inhalt der jeweiligen Kapitel als überhaupt in der Art und der Anordnung, in der der Stoff präsentiert wird. Jedem Kapitel sind einige Vorschläge für die weitere Lektüre beigegeben, die auch für die selbständige Erarbeitung einer Interpretation von einzelnen Texten empfohlen werden. (Die Literaturangaben sind in dieser deutschen Ausgabe in einem Anhang zusammengefasst und um Nachträge erweitert worden. Die Autorennamen im Text sind gegenüber der englischen Originalausgabe unverändert; sie beziehen sich auf die im Anhang genannten Bücher oder Aufsätze und dienen dem Nachweis bestimmter Auffassungen, die erörtert werden. Im Literaturverzeichnis sind auch ausgewählte bibelwissenschaftliche Lexika genannt, die Informationen zu einzelnen Völkernamen oder zu Fachbegriffen bieten. Die Zitate aus dem biblischen Text beruhen in der Regel auf der sog. Einheitsübersetzung von 1980, wobei darauf hingewiesen sei, dass zur Zeit an einer Revision dieser wichtigen neueren Übersetzung gearbeitet wird. Der biblische Gottesname Jahwe wird nur mit den Konsonanten wiedergegeben: Jhwh.)
1 Der Prophet und das Prophetenbuch Der Prophet Jesaja lebte in Jerusalem im 8. Jahrhundert v. Chr, ungefähr zwischen 750 und 700, und trat als Prophet während der Regierung des Jotam, des Ahas und des Hiskija auf – vielleicht auch schon unter Jotams Vorgänger Usija, wie der erste Vers des Jesajabuchs sagt (vgl. dazu J. Milgrom). Das Buch, das seinen Namen trägt, sollte eines der wichtigsten in der Sammlung der Prophetenbücher werden. Im Judentum werden etwa die Hälfte der Lesungen aus den Prophetenschriften in der synagogalen Liturgie aus dem Jesajabuch genommen. Seine Bedeutung im Christentum kann am Neuen Testament abgelesen werden, wo kein anderes Prophetenbuch auch nur annähernd so oft zitiert wird. Für die frühesten Christen stellte es zusammen mit der Genesis und den Psalmen den eigentlichen Kern des Alten Testaments dar. Doch die Frage nach der Beziehung zwischen dem Propheten und seinem Buch ist eine der verzwicktesten Fragen der Bibelwissenschaft. Es gibt allerdings einen so weit reichenden Konsens darüber, dass die Kapitel 40-66 das Werk eines oder mehrerer späterer Propheten sind, dass diese Frage hier nicht erörtert werden wird – der „Zweite“ und „Dritte Jesaja“ (Jesaja 40-55 und 56-66) sind Gegenstand anderer Bände in dieser Reihe (vgl. R. N. Whybray bzw. G. I. Emmerson). Wie es dazu kam, dass diese drei Sammlungen in ein Buch zusammen geführt wurden, und welche „Botschaft“ dieses Buch als ein abgeschlossenes Werk möglicherweise vermittelt, wird jedoch unten in Kapitel 6 erörtert werden, denn dies ist einer der Hauptpunkte in der heutigen Beschäftigung mit dem Jesajabuch. Der Abzug von Kapiteln 40-66 bedeutet jedoch nicht, dass in den Kapiteln 1-39 dann alles glatt liefe. Die überwältigende Mehrheit der Kommentatoren stimmt darin überein, dass keineswegs alles in diesen Kapiteln vom Propheten Jesaja selbst stammen könne, weil es Passagen gibt – und manchmal sehr ausführliche –, die sich auf spätere historische Epochen beziehen als diejenige, in der der Prophet auftrat. Es ist in der Bibelwissenschaft üblich, Abschnitte, die tatsächlich auf den Propheten selbst zurückgehen, „authentisch“ oder „echt“ zu nennen, und solche, die es nicht tun, „nicht authentisch“ oder „sekundär“. Wie wir sehen werden, darf man diese Bezeichnungen nicht so verstehen, als brächten sie ein Werturteil zum Ausdruck; sie stehen nur für historische Hypothesen darüber, wer welche Teile eines prophetischen Buchs geschrieben hat. Doch bei keinem der Propheten ist die Frage der „Authentizität“ so schwierig wie bei Jesaja. Wissenschaftler haben viel Zeit – manche
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mögen sagen, unangemessen viel Zeit – mit dem Versuch verbracht, sie zu beantworten. Bei einer oberflächlichen Betrachtung kann ein Überblick über die Urteile von Kommentatoren zu dieser Frage zur Verzweiflung führen, oder vielleicht zu Verärgerung darüber, dass es so wenig Übereinstimmung gibt. Die zwei Extrempositionen werden recht gut durch die Arbeit von J. H. Hayes und P. Irvine vertreten, die der Meinung sind, dass alles in 1-39 ausser 34-35 und den Erzählungen in 36-39 auf den Propheten Jesaja selbst zurückgehe, und durch den Kommentar von O. Kaiser, dessen Ausgangspunkt die These ist, dass es keinerlei prima facie Grund dafür gebe, irgend etwas im Jesajabuch für „echt“ zu halten, und der in der Tat auch nur ganz wenige Kernpassagen als jesajanisch betrachtet. Dazwischen gibt es jedoch eine Vielzahl von Positionen. Zum Beispiel nimmt R. E. Clements einen großen jesajanischen Kernbestand an und meint, dass dieser in verschiedenen Stadien erweitert wurde, vor allem durch eine größere Redaktion in der Zeit des Joschija (hierin folgt er im großen und ganzen H. Barth). Allerdings betrachtet er Passagen wie zum Beispiel das „messianische“ Orakel in 9,1-6 als authentisch, die ein Kommentator wie Kaiser beinahe selbstverständlich für eine spätere Hinzufügung halten würde. H. Wildberger ist im Vergleich zu dieser Position erheblich konservativer, ohne jedoch wie Hayes und Irvine um jeden Preis den Gedanken zu umsteuern, dass irgend ein Abschnitt sekundär sein könnte. Doch glaubt er zum Beispiel, dass 2,2-4 von Jesaja stamme, ein Fall, wo die meisten Kommentatoren von einer späten Einfügung in das Buch sprechen (der Text begegnet auch in Micha 4,1-4 mit nur geringfügigen Varianten). Dieser Text sowie 9,1-6 sind ziemlich genaue Indikatoren für die Einstellung eines Kommentators zu Fragen der Authentizität. Wer diese Abschnitte für jesajanisch hält, nimmt oft eine eher konservative Haltung ein und ist von dem intuitiven Gefühl beherrscht, dass alles, was in Jesaja 1-39 steht, für jesajanisch gehalten werden sollte, außer wenn es sehr gute Gründe für eine gegenteilige Ansicht gibt. Diejenigen, denen solche Weissagungen als nicht authentisch gelten, betrachten zumeist die jesajanische Herkunft des Inhalts des Jesajabuches als eine offene Frage, die im Einzelfall entschieden werden müsse und ohne dass es ein Vorurteil zugunsten von Authentizität gebe. Dieser Unterschied fällt oft mit einem weiteren zusammen, nämlich dass es für die einen (theologisch gesehen) darauf ankommt, dass Jesaja zumindest bedeutende Teile des Buches geschrieben hat, das seinen Namen trägt, während die anderen ohne eigentliche Fest-
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legung denken, dass es einfach eine interessante Frage sei, ob oder ob nicht er es getan hat. Zum Teil also aus solchen theologischen Gründen, zum Teil aber aufgrund der Vielstimmigkeit, die natürlicherweise jede derart komplexe Analyse prägt, zeigen Kommentatoren erhebliche Meinungsverschiedenheiten bei der Frage der Authentizität. Wahrscheinlich wird jeder, der zum ersten Mal eine kritische Beschäftigung mit Jesaja 1-39 in Angriff nimmt, den Eindruck gewinnen, dass beinahe jeder Vers von einem beliebigen Autor und aus einer beliebigen Zeit stammen könnte. Das ist nicht gerade ermutigend. Doch die Übereinstimmung unter den Kommentatoren ist tatsächlich größer, als man zunächst vermutet. Während es wahrscheinlich keinen einzigen Vers im Jesajabuch gibt, bei dem alle Wissenschaftler derselben Meinung sind, ist das Gesamtbild keineswegs chaotisch. Die meisten Unterschiede betreffen Einzelheiten, und es gibt einen beachtlichen Konsens zu zahlreichen Aspekten des Buchs und seiner Abfassung. Das lässt sich unter vier Überschriften erläutern.
1.1 Die Gestalt des Buches Es gibt einen ziemlich allgemeinen Konsens darüber, wie Jesaja 1-39 am besten in Abschnitte gegliedert werden kann. Bei einigen der prophetischen Bücher liegen die Ansichten der Kommentatoren zu der Frage, wo ein Abschnitt endet und der nächste beginnt, weit auseinander, und nicht weniger auch zu der Frage, wie größere Abschnitte in einzelne Aussprüche aufgelöst werden können. Besonders auffällig ist das zum Beispiel beim Studium von Hosea. Doch im Fall von Jesaja gibt es zumindest im Hinblick auf die größeren Blöcke des Materials einen weitgehenden Konsens, und es gibt sogar noch einen relativ breiten Konsens bezüglich der kleineren Einheiten innerhalb dieser Blöcke. Wie J. T. Willis zeigt, hängt bei dieser Frage einiges davon ab, wie wir einen „Block“ (oder einen „Abschnitt“ oder eine „Perikope“) definieren – je feiner die Unterteilungen, die wir vornehmen, desto mehr Spielraum für Differenzen im Urteil. Solange wir es aber bei groben Strichen bewenden lassen, ist wohl die folgende einfache Gliederung (die sich an die Analyse in R. B. Y. Scotts Kommentar anlehnt) kaum umstritten.
Der Prophet und das Prophetenbuch
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Einführende Sammlung von Aussprüchen aus verschiedenen Epochen
2–12 Aussprüche über Juda und Jerusalem 2–5 Gerichtsworte und Heilsworte 6–8 Die Berufung des Jesaja und seine Prophetenworte in der Zeit der aramäisch-efraimitischen Koalition gegen Juda 9–11 Worte über die Assyrer 12 Ein Psalm zur Feier von Errettung 13–23 Aussprüche gegen fremde Völker 13–14 Worte über Babylon 15–16 Worte über Moab 17 Worte über Damaskus 18–19 Worte über Ägypten 20 Erzählungen über Jesaja und seine Worte mit Bezug auf Ägypten 21 Worte über Babylon 22 Worte aus der Zeit der „Assyrischen Krise“ 23 Worte über Tyrus 24–27 Die „Jesajaapokalypse“ Gerichtsworte und Heilsworte über eine nicht genannte Stadt 28–31 Worte zumeist über die „Assyrische Krise“ 28 Worte über das Geschick von Israel und Juda 29 Worte über das Geschick von Jerusalem 30–31 Worte über das antiassyrische Bündnis mit Ägypten 32–33 Worte über menschliches und göttliches Königtum 34–35 Gerichtsworte für Edom und Heilsworte für Israel 36–39 Erzählungen über Jesaja 36–37 Die Geschichte der „Assyrischen Krise“ 38–39 Ein Bericht über die Krankheit des Hiskija, sein Gebet, und sein Bündnis mit Babylon Einige der Unterteilungen sind im Text deutlich markiert. Zum Beispiel beginnt Kapitel 2 mit einer Überschrift „Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat“. Auch gibt es formale Ähnlichkeiten zwischen den Teilen einiger Abschnitte, wobei Kapitel
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13-23 aus einer Serie von Gedichten besteht, die mit „Ausspruch über ...“ eingeleitet sind, und Aussprüche in Kapitel 28-31 mit „Weh ...!“ anfangen. Außerdem (das ist allerdings ein etwas subjektiveres Urteil) gibt es eine klare stilistische Einheitlichkeit zum Beispiel in den Kapiteln 24-27, durch die diese Kapitel vom Rest des Buches abgesetzt sind. Im Prinzip könnte die vorgeschlagene Unterteilung, oder eine ähnliche, gleichermaßen von einem Leser akzeptiert werden, der glaubte, dass alles in dem Buch von Jesaja stamme, wie von einem Leser, der glaubte, dass nichts von ihm stamme. In der Praxis stellt sie einen anerkannten Rahmen dar, innerhalb dessen wohl überlegte Entscheidungen darüber getroffen werden können, wo authentisches Material zu finden ist.
1.2 Sekundäre Anteile Ohne für irgendeinen Teil des Buches die Möglichkeit auszuschließen, dass es in ihm echte Aussprüche Jesajas geben könnte, besteht doch ein weitgehender Konsens darin, dass einige Abschnitte wohl kaum viel enthalten, was auf den Propheten zurückgeht. (a) Kapitel 24-27 nennt man üblicherweise die Jesajaapokalypse. Der Grund dafür ist, dass man sie für vergleichbar mit jenen „apokalyptischen“ Werken hält, die seit ungefähr der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. Verbreitung fanden. Im biblischen Kanon ist diese Gattung nur durch Daniel und die Johannesoffenbarung vertreten, sowie wohl auch in Abschnitten von Joel und Sacharja. Wenn es stimmt, dass die Apokalyptik erst lange nach der Exilszeit des 6. Jahrhunderts v. Chr. entstand und dass diese Kapitel im Jesajabuch zu dieser Gattung gehören, dann können sie ganz offenkundig nicht von Jesaja selbst stammen. Nicht alle Kommentatoren sind hier einer Meinung, aber es ist eine weithin vertretene Ansicht. (b) Kapitel 36-39 sind nahezu identisch mit 2 Könige 18-20, dem Bericht über die Belagerung Jerusalems durch Sanherib im Jahre 701 v. Chr. (mit Anhängen), obwohl es auch leichte Abweichungen gibt. Wie bei jeder solchen Verdoppelung von Material in der Bibel gibt es mindestens drei mögliche Erklärungen: das Königebuch übernahm Text aus dem Jesajabuch, das Jesajabuch übernahm Text aus dem Königebuch, oder beide übernahmen Text aus einer gemeinsamen Quelle. Die meisten (aber nicht alle) Bibelwissenschaftler sind der Meinung, dass das Jesajabuch diesen Teil aus dem Königebuch übernommen hat, das wahrscheinlich im 6. Jahrhundert v. Chr. geschrieben wurde. Dann ist es klar, dass der Teil nicht auf den Propheten
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selbst zurückgehen kann. In jedem Fall sollte man beachten, dass diese Kapitel von Jesaja in der dritten Person sprechen. Autoren schreiben zwar manchmal über sich selbst in der dritten Person – in Julius Cäsars Bericht über seine Kriege in Gallien, zum Beispiel, heißt es „Cäsar musterte das Heer …, Cäsar brach auf …“ und so weiter. Doch es ist wahrscheinlich einfacher, Kapitel 36-39 als das Werk eines Historikes zu erklären. Natürlich können sie immer noch historisch richtiges Material über Jesaja enthalten, auch wenn sie nicht von ihm stammen. (c) Die Orakel gegen fremde Völker in den Kapiteln 13-23 sind ein ziemliches Sammelsurium von Material, wahrscheinlich aus vielen verschiedenen Epochen. Einige von ihnen scheinen sich ganz deutlich auf Ereignisse aus späteren Zeiten als der Zeit Jesajas zu beziehen. Am deutlichsten ist das im Fall der gegen Babylon gerichteten Orakel (13-14). Zur Zeit Jesajas war Babylon keine größere Macht in der Region: die Bedrohung für die kleinen Staaten in Syrien-Palästina ging von den Assyrern aus, die die Babylonier erst im späten 7. Jahrhundert überwinden und verdrängen sollten. Legt man die Annahme zugrunde, dass die feindlichen Aussprüche gegen Babylonien eine Zeit voraussetzen, in der Babylonien eine Gefahr für Juda darstellte, dann können sie nicht von Jesaja stammen. Nun kann dagegen eingewandt werden, dass die Völker, die die Propheten anklagten, nicht immer die aktuellen Feinde von Juda oder Israel gewesen seien (das ist zum Beispiel richtig im Blick auf die Völkerorakel in Amos 1-2), und dass es ohne weiteres vorstellbar sei, dass Jesaja den Aufstieg Babylons zur Nachfolge von Assyrien als Unterdrücker seines Volkes vorhergesehen haben könnte. Diese Auffassung könnte entweder auf der Basis vertreten werden, dass Jesaja über eine überlegene Kenntnis der militärischen Situation verfügt habe (keineswegs unwahrscheinlich, wenn er ein offizieller königlicher Ratgeber war, wie manche meinen), oder auf der Basis, dass er eine göttliche Offenbarung über die Zukunft empfangen habe, die alles überstieg, was jemand durch natürliche Mittel wissen konnte. Dieses letztere Argument wischt natürlich jede Erwägung von historischen Plausibilitäten beiseite. Legen wir jedoch die Art von Maßstäben an, die wir bei der Datierung anderer antiker Dokumente gebrauchen würden, dann ist es nicht wahrscheinlich, dass die gegen Babylon gerichteten Orakel auf Jesaja zurückgehen. Wenn man die übrigen Kapitel in Jesaja 13-23 auf dieselbe Weise analysiert, dann scheint nur das Material über Ägypten (18-19) einen plausiblen Kontext in der Lebenszeit Jesajas zu finden – und manche halten selbst das für zweifelhaft.
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(d) Kapitel 34-35 stellen einen ziemlich verwirrenden Teil des Buches dar. Viele Kommentatoren behandeln die beiden Kapitel als eine Einheit: ein Orakel gegen die Edomiter, die Feinde Israels, fortgesetzt mit einer Prophetenrede über die ruhmreiche Wiederherstellung Israels selbst. Es gibt jedoch erhebliche stilistische Unterschiede zwischen den beiden Kapiteln. Kapitel 34 spricht von Jhwhs himmlischem Kampf mit den Mächten des Bösen, und dies auf eine Weise, die vielleicht der apokalyptischen Literatur sogar noch näher steht als die Jesajaapokalypse (siehe oben Abschnitt a). Andererseits erinnert Kapitel 35 stark an Jesaja 40-55 – in einem solchen Grade, dass manche meinen, es stamme von Deuterojesaja und sei vielleicht nur künstlich von Jesaja 40 abgetrennt worden, als Kapitel 36-39 in das Buch eingefügt wurden. Die Argumente, die 24-27 in die nachexilische Zeit versetzen, bewirken dasselbe auch bei 34, und die Ähnlichkeit zwischen 35 und Deuterojesaja macht es wahrscheinlich, dass 35 nicht vor dem 6. Jahrhundert entstanden ist. Sollten die beiden Kapitel schon miteinander verbunden gewesen sein, bevor sie Teil des Jesajabuchs wurden, dann könnten sie eine ganz späte Hinzufügung zum Buch sein – noch viel später als Deutero- und Tritojesaja. (e) Kapitel 32-33 sind eine rätselhafte Sammlung und werden von den Kommentatoren ziemlich vernachlässigt. Argumente betreffend die Datierung und die Beurteilung der Authentizität sind hier meist sehr subjektiv gefärbt. Man kann zum Beispiel den Ausspruch gegen die „selbstgefälligen Frauen“ in 32,9-14 mit 3,16-26 (und mit Amos 4,1-3) vergleichen und dann behaupten, dass er sehr gut in die Mitte des 8. Jahrhunderts passe, als Jesaja begann, als Prophet aufzutreten (in den 740er oder 730er Jahren). Zu dieser Zeit fühlten sich die Bewohner Jerusalems noch unbeschwert durch eine assyrische Bedrohung und genossen ihr Leben ohne Gedanken an die Zukunft. Andererseits spricht die Fortsetzung des Wortes in den Versen 15-20 von dem Ausgießen des Geistes Gottes in einer Weise, die wir sonst mit Hoffnungen in der nachexilischen Zeit verbinden (vgl. Joel 3,1-2). Vielleicht ist hier ein echtes Prophetenwort des Jesaja durch die Zufügung einer prophetischen Verheißung über den Geist „aktualisiert“ worden, oder vielleicht ist doch das ganze Kapitel ein später Zusatz. Die Konsequenz solcher Überlegungen ist, dass wir einen kleinen Kern von Passagen behalten, in denen sinnvollerweise die authentische Botschaft des Propheten gesucht werden kann. Dieser Kern besteht im wesentlichen aus Jesaja 1-12 und 28-31, wobei wir mögliche Fragmente von jesajanischem Material in anderen Kapiteln wie 18 oder 32 nicht ausschließen können. Das heißt nicht, dass in diesem Kernbereich alles authentisch ist, sondern nur,
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dass es wahrscheinlich wenig authentisches Material in den sonstigen Buchteilen gibt. Es ist noch einmal zu betonen, dass die Frage der „Authentizität“ nicht in erster Linie eine Frage der Bewertung ist. Es geht hier nicht um ein Urteil über die Qualität des Materials in Jesaja 1-39, so als ob Aussprüche, die nicht als authentisch gelten, in den Papierkorb geworfen würden. Man muss zugeben, dass Kommentatoren manchmal diesen Eindruck erweckt haben, doch hat es in den letzten Jahrzehnten eine massive Gegenbewegung gegen solche Werturteile gegeben. Wir werden uns in Kapitel 6 mit dem neueren Interesse an einer Lektüre von Jesaja 1-39 (oder sogar Jesaja 1-66) als einem einheitlichen Gesamttext beschäftigen, bei dem alle Anteile von gleichem Wert sind. Doch zu sagen, dass die nicht authentischen Teile des Buches wichtig sind, heißt nicht zu sagen, dass sie authentisch sind. Die historische Frage danach, welche Abschnitte auf Jesaja zurückgehen, kann nicht durch ein Nachdenken über die Qualität der einzelnen Abschnitte gelöst werden, vielmehr ist so vorzugehen, dass die Anhaltspunkte untersucht werden, die uns der Text selbst für seinen ursprünglichen Kontext und sein Datum gibt. Es gibt reichlich Spielraum für ein aufrichtiges Nichtwissen in diesen Dingen, und die Tatsache, dass verantwortungsvolle Wissenschaftler wie Kaiser auf der einen Seite und Hayes und Irvine auf der anderen mit ihren Meinungen so weit auseinander liegen, erinnert uns daran, dass wir weit weniger feste Anhaltspunkte haben, als wir uns wünschen würden.
1.3 Die Eigenart von Jesajas Botschaft und Stil Bisher habe ich die „negative“ Seite der Authentizitätsfrage betont. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass vieles in Jesaja 1-39 wahrscheinlich nicht auf den Propheten selbst zurückgeht, weil es die Anliegen einer späteren Zeit widerspiegelt. Es ist aber ebenso wichtig zu betonen, dass kaum ein Kommentator (selbst Kaiser nicht) glaubt, der Bestand an authentischem Material sei so geringfügig, dass wir schlechterdings überhaupt keine wirkliche Kenntnis über Jesaja gewinnen könnten. Zahlreiche Abschnitte, die authentisch sein könnten, weil sie offenbar die Situation im Juda des 8. Jahrhunderts widerspiegeln, weisen zugleich einen charakteristischen Stil und ein zusammenstimmendes Gefüge von Anliegen auf, wodurch es sehr wahrscheinlich wird, dass sie auf eine einzige Quelle zurückgehen; und wenn diese Quelle nicht Jesaja ist, ist schwer zu sagen, wer es sonst sein könnte. Wie sich in den nächs-
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ten drei Kapiteln zeigen wird, ragen unter diesen Anliegen die folgenden drei hervor: 1. das politische Leben Jerusalems, d.h. die politische Linie seiner Könige und ihrer Regierungen, während verschiedener Krisen, die durch die aggressiven Absichten der anderen vorderorientalischen Mächte verursacht wurden; 2. das ethische Verhalten der Bevölkerung in Juda und Jerusalem – in erster Linie, aber nicht nur, der herrschenden Schichten; 3. was die Zukunft dem Land bringen würde, und ob dies von möglichen Änderungen im ethischen Verhalten oder in politischen Entscheidungen abhängig sei. Wichtige, hartnäckige Meinungsverschiedenheiten bestehen unter den Bibelwissenschaftlern im Hinblick auf das dritte genannte Anliegen, und besonders im Hinblick auf die Frage, wie weit Jesaja voraussagte, dass Gott eines Tages eine unerhörte Segensfülle auf das Volk herabregnen lassen werde, – und wenn ja, ob oder ob nicht dies in irgendeinem Grade vom Verhalten des Volkes Gott gegenüber abhängig sei. Texte jedoch in Jesaja 1-39, die in die beiden anderen Kategorien „politische“ oder „ethische“ Prophetie fallen, werden von nahezu allen, die über Jesaja 1-39 schreiben, für authentisch gehalten. Bei einigen Abschnitten mag es eine Unsicherheit im Blick auf das genaue Datum geben, zu dem Jesaja sie gesprochen hat – kaum überraschend bei unserem Abstand zum Propheten! Um andererseits nur ein Kapitel herauszugreifen, Kapitel 5: fast jeder glaubt, dass das „Weinberglied“, eine gewitzte Anklage von sozialen Ungerechtigkeiten in Jerusalem (5,1-7), die „Weherufe“ mit ihrer charakteristischen Deutung der Schwächen der judäischen Gesellschaft (5,8-25), und die Ankündigung, dass das erbarmungslose assyrische Heer eines Tages in Juda einfallen werde (5,26-30), eine echte Dokumentation von Jesajas eigener Botschaft seien. Jesaja tritt uns aus dem Buch als eine derart originelle und unverkennbar selbständige Gestalt entgegen, dass Generationen von kritischen Lesern das als einen reichlichen Ausgleich für den „Verlust“ der nicht authentischen Abschnitte betrachtet haben – zumal nun ja diese Abschnitte keineswegs verloren sind, sondern als das Werk späterer Schreiber oder Propheten gelesen werden können, die unsere Beschäftigung sehr wohl verlohnen dürften.
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1.4 Die Komposition von Jesaja 1–39 Sobald wir einmal soweit möglich entschieden haben, welche Teile von Jesaja 1-39 auf den Propheten selbst zurückgehen und welche sekundär sind, stellt sich nach wie vor die Aufgabe zu klären, wie sie alle miteinander verbunden wurden, um das Buch zu ergeben, das wir heute vor uns haben. Gewiss fehlt auch hier ein genereller Konsens, doch folgen die meisten Wissenschaftler dem einen oder dem anderen von zwei möglichen Modellen und werden sehr wahrscheinlich in beiden etwas Richtiges anerkennen. Prophetenschulen Das erste Modell (das sich in den Arbeiten von D. R. Jones und J. H. Eaton findet) schreibt der Existenz von Schülern des Propheten große Bedeutung zu. Man nimmt weithin an, dass die großen Propheten Schüler gehabt haben müssen, denn sobald wir den Gedanken aufgeben, dass die Propheten selbst geschrieben haben, und stattdessen ihre ursprüngliche Botschaft als eine im wesentlichen mündliche betrachten, brauchen wir eine Erklärung dafür, wie es überhaupt dazu kam, dass ihre Worte erinnert und überliefert wurden. Viele Bibelwissenschaftler meinen, die komplexe Überlieferung der Prophetenbücher, in der immer wieder Schichten von späterem Textmaterial zum ursprünglichen Kern der eigenen Worte der Propheten hinzugefügt wurden, gehe darauf zurück, dass die Anhänger eines Propheten sich zu einer Art von Schule formierten. Sie hätten selbst wiederum Anhänger gehabt, denen sie die Worte des Propheten zusammen mit ihren eigenen Ergänzungen dazu beigebracht hätten. Dieser Prozess wäre dann in aufeinander folgenden Generationen ständig wiederholt worden, bis das Prophetenbuch ein geschichteter Textkomplex geworden sei nicht unähnlich einer archäologischen Ausgrabungsstätte. Alles Material konnte (nicht ohne Grund) beanspruchen, letztlich auf den Propheten selbst zurückzugehen, obwohl das meiste tatsächlich das Werk von mehreren Generationen seiner „Schule“ war. Wir wissen, dass in sehr viel späteren Zeiten die Lehren der Rabbinen auf eine solche Weise überliefert wurden. Lehrer sagten Sprüche, die sie selbst geprägt hatten, „im Namen“ ihres eigenen Lehrers oder von dessen Lehrer, und verknüpften sie mit echten Sprüchen einer anerkannten alten Autorität, bis es nahezu unmöglich wurde, die tatsächliche Zeit und Abfassung eines bestimmten Spruches zu bestimmen. Man kann sich schon vorstellen, dass die prophetischen Bücher auf diese Weise entstanden sind. Jesaja könnte ein besonders gutes Beispiel dafür sein,
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weil im Buch tatsächlich auf „Schüler“ (oder „Jünger“) des Propheten Bezug genommen wird (8,16), denen er eine Sammlung seiner Worte anvertraute, die sie bis zu der Zeit ihrer Erfüllung aufbewahren sollten, damit sich dann die Wahrheit seiner Botschaft erweise. Einer der bedeutendsten Vertreter der These von einer Jesaja-„Schule“ ist J. Vermeylen, dessen gewichtiges Buch zum Thema versucht, die ganze Geschichte der Schule bis ins kleinste Detail nachzuzeichnen. S. Mowinckels traditionsgeschichtlicher Ansatz zielte ebenfalls in diese Richtung, obwohl bei ihm der Kreis der „Tradenten“ eher weiter gefasst war. Die Theorie hat das Verdienst, einen Grund für den komplexen und zusammengesetzten Charakter des Jesajabuchs und generell der prophetischen Bücher angeben zu können; gleichzeitig bietet sie eine Erklärung dafür, dass die Sammlung insgesamt in Verbindung mit dem ursprünglichen, namentlich bekannten Propheten gesehen wurde. Der Schwachpunkt bei der Idee einer Prophetenschule ist ihr außerordentlich hypothetischer Charakter. Abgesehen von dem soeben erwähnten einen Vers bei Jesaja (8,16) beziehen sich die Propheten nie auf irgendwelche „Schüler“. Darüber hinaus kann man sich schwer vorstellen, was für eine Art von sozialer Realität „Schulen“ der Jünger der Propheten in Israel und Juda gehabt haben könnten. Wie und wo hätten ihre Mitglieder gelebt? Waren sie ihrerseits auch „Propheten“ oder waren sie „Laien“? Haben sie das Exil des 6. Jahrhunderts überdauert, und wann kam ihre Arbeit an ein Ende? Befriedigende Antworten auf diese Fragen hat man kaum finden können. Redaktion durch Schreiber Das alternative Modell denkt eher in Begriffen einer Tätigkeit von Schreibern in Israel und Juda. Schreiber hatten die Aufgabe, alle Dokumente abzuschreiben, die eine gewisse Bedeutung für das Land gewonnen hatten. Doch haben sie gelegentlich wohl auch diese Dokumente erweitert, so wie es ihnen richtig schien. Sobald prophetische Bücher auch nur in einer elementaren Form vorhanden waren, waren sie den Schreibern ausgeliefert, die sie abschrieben, und dabei mögen sie durchaus ein Sammelbecken für Ideen geworden sein, die keinen spezifisch prophetischen Ursprung hatten. Bei diesem Modell brauchen wir immer noch eine Erklärung dafür, wie prophetische Bücher überhaupt erstmals zustande kamen, wenn die Propheten selbst nicht schrieben. Von Jeremia wissen wir, dass er einen Sekretär hatte, Baruch (vgl. Jer 36,4), der wohl eher ein Schreiber als ein „Schüler“ des Propheten war. Aber sollen wir folgern: Jeremia hatte einen Schreiber, des-
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halb hatten vielleicht alle Propheten einen? Oder vielmehr: Jeremia sagt uns, dass er einen Sekretär hatte, also war das wahrscheinlich etwas Ungewöhnliches? Hier ist keine Sicherheit zu gewinnen. Wie auch immer prophetische Bücher erstmals zusammen gestellt worden sein mögen, sobald sie einmal da waren, könnten ihr weiterer Ausbau und ihre redaktionelle Gestaltung durchaus in erster Linie durch Schreiber erfolgt sein – als Ausarbeitung eines geschriebenen Textes, nicht als Sammlung von originalen (mündlichen) Prophetenworten. Es war typisch für Schreiber in der Antike, einen Text, den sie abschrieben, zu verändern oder zu erweitern, nicht jedoch, ihn gründlich umzuschreiben, etwa so, wie wir es heute vielleicht bei der Arbeit an einer zweiten oder dritten Auflage eines Buches tun, und diese Gepflogenheit kann recht gut erklären, warum die Anordnung des Textes in den Prophetenbüchern oft sehr kompliziert ist. Wir brauchen keine lange Folge von Schülergenerationen einer prophetischen „Schule“ zu postulieren. Ein solches graduelles Anwachsen des Materials hat W. McKane für das Jeremiabuch treffend beschrieben. Er spricht von einem prophetischen Buch als einer „Sammlung in Rotation“ (rolling corpus) – wie eine Schneekugel, die immer größer wird, indem sie auf ihrer Bahn neues Material aufnimmt und einschließt. Das „Schreiber“-modell für die Erklärung von Jesaja 1-39 wird besonders von P. R. Ackroyd und J. Blenkinsopp bevorzugt. Vor dem Hintergrund einer allgemeiner gefassten Theorie über die Herausgabe, die Revision und die Interpretation von Büchern des Alten Testaments ist es das sinnvollste Modell. M. Fishbane hat eine solche Theorie entwickelt, d.h. eine Darstellung von „innerbiblischer Interpretation“, die zeigt, dass die prophetischen Bücher dieselben Redaktions- und Bearbeitungsprozesse durchlaufen haben wie die Bücher des Pentateuch oder die historischen Bücher. Vielleicht steckt etwas Richtiges in beiden Modellen für die Erklärung der Komposition von Jesaja 1-39. In der Tat scheint es einige kleinere frühe Sammlungen gegeben zu haben – zum Beispiel die sog. Denkschrift in den Kapiteln 6-9 (ein „Memorandum“, vgl. T. Lescow) –, die ihre gegenwärtige Form schon sehr früh gewonnen haben könnten, durch enge Gefährten Jesajas wenn auch nicht durch den Propheten selbst. Zugleich enthalten jedoch alle Teile des Buches Erweiterungen, die wahrscheinlich auf „Schreiber“ zurückzuführen sind. Diese Erweiterungen entstanden im Lauf der Redaktion des Jesajabuchs, genauso wie es bei den sekundären Passagen in den anderen prophetischen Büchern der Fall ist – sie haben keinerlei besonders „jesajanischen“ Charakter. Einige davon bringen das Denken der exilszeitlichen deuteronomistischen „Schule“ zum Ausdruck, die zahlreiche prophetische
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Texte überarbeitet hat und Jesaja nicht näher stand als irgend einem anderen Propheten (vgl. jedoch C. H. W. Brekelmans und L. Perlitt). Die Deuteronomisten waren mit Sicherheit keine „Schüler“ Jesajas, doch gehen die Erzählungen in 36-39 überwiegend auf sie zurück, und ihre Hand kann wahrscheinlich auch noch hinter weiteren Einfügungen gesehen werden. Einige Abschnitte des Buches dürften wohl nicht als Erweiterungen von vorgegebenen Worten Jesajas, sondern als Aussprüche von ganz unabhängigen Propheten entstanden sein: dies könnte etwa auf die gegen Babylon gerichteten Orakel in den Kapiteln 13-14 zutreffen. Solche Aussprüche müssen ihre selbständige, wahrscheinlich von jeglicher jesajanischen Schultradition ganz unabhängige Überlieferung gehabt haben, bis zu dem Zeitpunkt, als ein Schreiber sich dazu entschloss, sie der Schriftrolle mit dem Jesajabuch hinzuzufügen. H. G. M. Williamson hat den Vorschlag entwickelt, der Redaktor, der Jesaja 1-39 zusammenstellte, sei in Wirklichkeit Deuterojesaja gewesen, der Autor von 40-55. Wenn das so ist, dann ist alles Material in 1-39, das mit 4055 verwandt ist, nicht als Schreiberglossen zum Jesajabuch zu betrachten, sondern als vollgültig originale Prophetenworte des Deuterojesaja. Sie gewannen ihre Zuschreibung an Jesaja, als Deuterojesaja sie dem Buch hinzufügte, zu derselben Zeit, als er seine eigenen 16 Kapitel von Prophetenworten an das Buch anhängte. Um das Bild noch etwas komplexer zu machen, sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass es ja in jedem Fall thematische Ähnlichkeiten zwischen 1-39 und 40-55 gibt, und dass der (ansonsten sehr seltene) Titel für Gott, „der Heilige Israels“, beiden Texten (sowie 56-66) gemeinsam ist (vgl. unten Kapitel 6). Nach dem Modell der „Schul“-Theorie könnte Deuterojesaja dann gut als ein entfernter Schüler des Jesaja verstanden werden, der Jesajas Worte kannte, weil sie fast zwei Jahrhunderte hindurch in „jesajanischen“ Kreisen aufbewahrt worden waren. Eine weithin anerkannte Hypothese über Jesaja 1, die zuerst von G. Fohrer vorgeschlagen wurde, kann den komplizierten, doch faszinierenden Verlauf der Buchkomposition illustrieren (eine alternative Erklärung, die ich jedoch für schwächer halte, bietet J. T. Willis). Selbst bei einer oberflächlichen Lektüre von Jesaja 1-2 stellt sich ja die Frage, wie es dazu kommt, dass das Buch scheinbar zweimal anfängt, mit ziemlich ähnlichen „Überschriften“ in 1,1 und 2,1. Fohrer machte den Vorschlag, dass Kapitel 2 ursprünglich der Anfang einer früheren Ausgabe des Jesajabuches gewesen sei – eines Buches, das nicht unbedingt schon alles in 2-39 oder auch nur in 2-12 umfasst habe – und dass Kapitel 1 erst in einem weiteren Stadium hinzugefügt worden sei. Das wäre der Grund dafür, dass eine neue Überschrift notwendig wurde, denn der
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ursprüngliche Anfang des Buches war nun Kapitel 2 geworden. Ganz offenkundig setzt das eine Redaktion des Buches durch Schreiber voraus, die auf einer literarischen, nicht einer mündlichen Ebene erfolgte. Andererseits war Fohrer nicht der Meinung, dass in Kapitel 1 die Prophetenworte selbst von den Schreibern erfunden worden seien. Im Gegenteil hielt er die meisten von ihnen für authentische Aussprüche Jesajas. Die Herausgeber hatten sie in ihre gegenwärtige Ordnung gebracht und sie dann einem vorhandenen „Buch des Jesaja“ vorangestellt, aber sie hatten sie nicht selbst geschrieben. Die Aussprüche sollten als eine sorgfältig getroffene repräsentative Auswahl aus den Worten Jesajas verstanden werden, nicht in einer zeitlichen, sondern in einer thematischen Anordnung, und sie sollten einen kurzen Überblick über die Hauptthemen im Rest des Buches erlauben. So setzt zum Beispiel 1,5-9 die „assyrische Krise“ des Jahres 701 v. Chr. voraus, während der Jerusalem belagert mitten in seinem verwüsteten Umland lag; dagegen stammen 1,10-15 aus einer viel früheren Zeit, als Jerusalem noch einen beträchtlichen Wohlstand genoss – möglicherweise vor 730 v. Chr. Die beiden Aussprüche sind durch das Stichwort „Sodom und Gomorra“ (1,9.10) miteinander verbunden, haben aber jeweils einen sehr unterschiedlichen Ursprung. Wie absichtsvoll die Herausgabe des Buches tatsächlich verlief, ist eine schwierige Frage. In der Vergangenheit haben die meisten Kommentatoren hinter vielen späteren Kapiteln nicht so klare Absichten erkannt wie Fohrer sie in Jesaja 1 gefunden hat. Seit einiger Zeit jedoch (vgl. unten Kapitel 6) hat es einen Umschwung dahin gegeben, 1-39 sehr viel stärker als ein sorgfältig aufgebautes Ganzes zu sehen, das eine zusammenhängende Botschaft vermitteln soll – eine Botschaft, die im übrigen wenig mit den Absichten der ursprünglichen Worte Jesajas zu tun haben mag. Jesajas prophetische Aussprüche sind durch die Art, wie sie angeordnet worden sind, zum Medium eines ziemlich anders gelagerten Gesamtbildes der Grundaussagen prophetischer Rede geworden.
2 Jesaja und die Politik in Juda In der Welt der Antike waren Propheten oft in das politische Leben – und besonders die auswärtige Politik – ihres Landes verwickelt. Dies wird besonders durch altorientalische Texte des zweiten Jahrtausends v. Chr. aus Mari deutlich (vgl. TUAT II, 83-93), wo Propheten den Königen in Kriegszeiten Rat geben und sie vor drohenden kriegerischen Katastrophen warnen. Belege dafür gibt es auch in den Schriften des Alten Testaments, wo Samuel, Elija und andere prophetische Gestalten von Königen um Rat gefragt werden oder Könige ungefragt mit einer Botschaft über bevorstehendes Unheil konfrontieren (vgl. 1Sam 15,1-3; 1Kön 21,20-24; 22,5-28). Eine gute Darstellung des Themas der politischen Prophetie in Israel und im antiken Vorderen Orient gibt N. K. Gottwald. Es überrascht deshalb nicht, wenn von Jesaja berichtet wird, er habe als Berater von zwei Königen von Juda, Ahas und Hiskija, gewirkt (vgl. Jes 7,3-17; 37,2-7.21-35), und wenn seine prophetische Botschaft viel direkt politischen Rat enthält. Dasselbe gilt ein Jahrhundert später von Jeremia. Doch Jesaja scheint zu einem solchen Grad in die auswärtige Politik Judas verwickelt gewesen zu sein, dass einige Bibelwissenschaftler sogar vermutet haben, er sei seinem Berufsstand nach ein königlicher Ratgeber gewesen, der aus einem solchen Umkreis heraus zu einem prophetischen Dienst „berufen“ worden sei so wie Amos aus der Landwirtschaft oder Hosea (wahrscheinlich) aus dem Priesterdienst. Jesaja hat offenbar leichten Zugang zum König gehabt (7,3.10), und der Erzählung in den Kapiteln 36-39 zufolgte befragte der König ihn durch Boten, als die Assyrer in Juda einfielen. Doch der Hauptgrund für die Annahme, dass er eine nicht-prophetische offizielle Rolle am Hof gespielt haben könnte, ist die Ähnlichkeit zwischen seinen Redeformen und einigen seiner Ideen auf der einen Seite, und der „Weisheitstradition“, wie sie beispielhaft im Sprüchebuch (Sprichwörter) vorliegt, auf der anderen. J. Fichtner und J. W. Whedbee vertraten die These, Jesaja sei ein „Weiser“ im technischen Sinn gewesen, d.h. jemand, der seine Bildung in den Schulen des antiken Israel erhalten habe, von denen man weithin annimmt, dass sie offizielle Schreiber für die Arbeit in den Kanzleien der Königshöfe in Jerusalem und Samaria ausgebildet hätten. Wenn Jesaja die herrschenden Schichten von Jerusalem verurteilte und die auswärtige Politik des Landes kommentierte, hätte er also Mitglieder derselben sozialen Klasse kritisiert, der er selbst angehörte. (Anhaltspunkte für „weisheitliches“ Denken lässt sich auch in Jesajas ethischen Grundannahmen finden; sie werden im nächsten Kapitel erörtert.)
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Keineswegs alle Bibelwissenschaftler sehen eine Verbindung zwischen dem Hof und den Weisheitsschulen (wenn es solche Schulen tatsächlich gab), oder zwischen den Schulen und Jesaja – vgl. vor allem die Diskussion bei R. N. Whybray. Die These, dass Jesaja eine offizielle Position am Königshof gehabt habe, ruht also auf schwankendem Grund. Doch wird mit dem Vorschlag zu Recht herausgestellt, wie tief der Prophet in die politischen Ereignisse seiner Zeit verwickelt war. Jesaja lebte in einer Zeit, als die anwachsende Stärke Assyriens, einer Macht im Osten in der Gegend der Flüsse Euphrat und Tigris, zunehmend die Stabilität und Unabhängigkeit der kleinen Staaten in Syrien-Palästina bedrohte. Im 9. Jahrhundert hatten diese Staaten den assyrischen Expansionsdrang ziemlich erfolgreich eingedämmt und im Jahr 853 v. Chr. Salmanassar III. in der Schlacht von Qarqar abgewehrt; Ahab von Israel gehörte damals zu den erfolgreichen Bündnispartnern. In jener Zeit war Assyrien jedoch durch die Notwendigkeit, die Macht von Urartu (biblisch: Ararat) in seinem Norden unter Kontrolle zu halten, überbeansprucht gewesen. Der Niedergang Urartus im 8. Jahrhundert ermöglichte es den Assyrern, ihre Aufmerksamkeit dem Westen zuzuwenden. Das Jahr 745 v. Chr. wird zumeist als der entscheidende Wendepunkt betrachtet, das Jahr, in dem Tiglatpileser III. den assyrischen Thron bestieg und eine Serie von Eroberungen begann, die am Ende die politische Selbständigkeit von Israel und Juda vernichten sollten. Wegen der Erfolge Tiglatpilesers gegen die Aramäer von Damaskus konnte Jerobeam II. von Israel einiges verlorenes Territorium östlich des Jordan zurückgewinnen (vgl. Amos 6,13). Amos, so scheint es, war weitsichtig genug zu realisieren, dass die Schwäche der Aramäer für Israel nur kurzfristig ein Vorteil war und langfristig ein Machtvakuum schaffen würde, das die Assyrer mit Leichtigkeit ausfüllen würden. Jesaja begann zu einer Zeit als Prophet aufzutreten, als die aggressiven Absichten und die militärische Stärke Assyriens nur allzu deutlich geworden waren. Er gab den verschiedenen Königen von Juda seinen Rat, als sie eine komplexe Situation zu bewältigen suchten, die längerfristig für die Völker in Palästina schwerlich etwas Gutes bedeuten würde. Üblicherweise unterscheidet man vier verschiedene Perioden in der Lebenszeit Jesajas, in der die „assyrische Frage“ scharfe Einschnitte in das Leben in Juda bewirkte und von einem Sprecher für den Nationalgott eine Reaktion verlangte. Es ist vergleichsweise leicht, Aussprüche in Jesaja 1-39 zu finden, die jeweils aus einer dieser vier Perioden stammen könnten, obwohl sich volle Sicherheit natürlich nicht gewinnen lässt.
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2.1 Die aramäisch-efraimitische Krise Die aramäisch-efraimitische Krise („syro-efraimitische Krise“) begann durch die ersten Eroberungen Tiglatpilesers, der schon im Jahr 738 Hamat im nördlichen Syrien eroberte (vgl. TUAT I, 370-373) und dann bald auch von den phönizischen Städten sowie von Damaskus, dem führenden aramäischen Staat und direkten Nachbarn des nördlichen Königreichs Israel („Efraim“), Tribut verlangte. Israel hatte bald auch seinerseits Tribut zu zahlen. Tributpflichtigkeit war die schwächste Stufe von Vasallität, die die Assyrer erzwangen, und bedeutete noch keine Invasion oder eine „Eroberung“ im physischen Sinn – es war so etwas wie die Zahlung von Schutzgeld. Die Assyrer konnten auf diese Weise ihren Einfluss und ihre Kontrolle durch die bloße Androhung einer militärischen Invasion ausweiten, ohne Kräfte auf ihre tatsächliche Durchführung verwenden zu müssen. Tributpflichtigkeit hatte auch den Effekt, die nationale Wirtschaft zu schwächen und damit einhergehend die politischen Institutionen, und so das Land zu einer leichteren Beute zu machen, sollte sich der assyrische König zu einem späteren Zeitpunkt zu einer aggressiveren Politik entschließen. In diesem Stadium war Juda noch nicht betroffen. Im Jahr 734 zog Tiglatpileser jedoch weiter in den Westen und terrorisierte die philistäische Pentapolis. Juda fand sich dadurch sowohl von Norden als auch von Westen her bedroht; andererseits konnte Assyrien dadurch etwas überlastet scheinen. Wenigstens kam es dazu, dass sich im Jahr 733 Israel und die Aramäer von Damaskus zu dem Versuch entschlossen, die alten Bündnisse des 9. Jahrhunderts wiederaufleben zu lassen und den Assyrern durch eine aramäischefraimitische Koalition Widerstand entgegenzusetzen. Sie sahen nicht, wie ungeheuer die assyrische Macht angewachsen war und wie schwach sie selbst inzwischen geworden waren. Razon (biblisch: Rezin) von Damaskus und Pekach ben (Sohn des) Remalja von Israel schickten Ahas von Juda, der gerade Jotam auf dem Thron nachgefolgt war, eine „Einladung“ dazu, ihrer Koalition beizutreten. Ihre Absicht war es, Ahas abzusetzen, falls er sich weigerte, und auf den judäischen Thron einen „ben Tabeal“ zu bringen – jemand, dessen eigener Name uns unbekannt ist wie auch sonst alles über ihn (vgl. 2Kön 16,5; Jes 7,1.5-6). Als die beiden nördlichen Truppen Vorbereitungen dafür trafen, gegen Juda zu ziehen, um diesen unklugen Plan auszuführen (Hos 5,8-9 könnte ihre Route beschreiben), entschloss sich Ahas, den Assyrern einen Tribut zu senden, den diese (noch) nicht gefordert hatten, um sie zu überreden, zu seinen Gunsten einzugreifen (vgl. 2Kön 16,7-8). Ob nun zu seinen Gunsten oder nicht, jedenfalls schlugen die Assyrer die Rebellion
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nieder, die sie in keinem Fall hätten übersehen können. Samaria wurde im Jahr 733 besiegt, Damaskus im Jahr 732; beide Ereignisse werden in Jes 17,1-6 vorhergesagt. Juda blieb in Freiheit, doch hatte es nun einmal Tribut gezahlt, und das ist kein umkehrbarer Prozess: eine Forderung der Art „da ihr ja offenbar sowieso in Samaria einfallen wolltet, können wir da bitte unseren Tribut zurückbekommen“ hätte bei Tiglatpileser kein wohlwollendes Ohr gefunden. (Die Existenz einer aramäisch-efraimitischen Koalition ist von R. Bickert infrage gestellt worden, doch der Lauf der Ereignisse in der hier skizzierten Form ist im allgemeinen anerkannt.) Diese Zeit ist der Kontext für Jesaja 7 und 8. Die „Berufung“ des Propheten, wie sie in Jesaja 6 berichtet wird, fand im Todesjahr des Usija statt, wahrscheinlich 741, doch seine ersten politischen Orakel scheinen durch das aramäisch-efraimitische Bündnis hervorgerufen zu sein, nicht lange nach der Thronbesteigung von Usijas Enkel Ahas. (Die hier zugrundegelegte Chronologie ist ungefähr die von S. Herrmann, die auf K. T. Andersen beruht; sie unterscheidet sich jedoch von derjenigen bei R. E. Clements, der Begrich-Jepsen folgt; vgl. die detaillierte Diskussion der Frage bei J. Hughes.) Jesaja macht sich auf, Ahas „am Ende der Wasserleitung des oberen Teiches auf der Walkerfeldstraße“ zu treffen, was vielleicht bedeutet, dass der König die Wasserversorgung der Stadt für den Fall einer Belagerung inspizieren wollte. Jesajas Botschaft an Ahas hat zwei Aspekte. Der erste ist die symbolische Vorhersage durch den Namen seines Sohnes, Schear-Jaschub („ein Rest kehrt um“), die unten in Kapitel 4 diskutiert werden soll. Der zweite ist der Rat, den er dem König gibt; dieser hat eine direkte Bedeutung für die politische Entscheidung, die der König zu treffen hat. Der Rat scheint klar zu sein: Fürchte dich nicht, denn Gott kann sein Volk erretten; unternimm nichts, um eine Niederlage durch die Koalition abzuwehren (v. 4). Doch stellen sich hier zwei Fragen: 1. Was ist die Maßnahme, die Ahas erwägt und vor der Jesaja warnt? Dem König wird gesagt, er solle „sich hüten“ und „ruhig bleiben“; worin würde das Nichtbefolgen dieses Ratschlags bestehen? Wenn Jesajas Zusammentreffen mit Ahas beim Wasserversorgungssystem eine Bedeutung hat, dann könnte es sein, dass der Prophet vor Vorbereitungen für eine Belagerung warnte – setze dein Vertrauen auf Gott, nicht auf Befestigungswerke. Oder er könnte an Vorbereitungen für einen Kriegszug gedacht haben – mach dich nicht bereit, loszuziehen und dem Koalitionsheer entgegenzutreten, sondern bleibe in der Stadt und vertraue auf Gottes Rettung. Beide Vorschläge könnten „utopisch“ genannt werden, ein Wort, das oft im Blick auf die Propheten,
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und gerade im Blick auf Jesaja, gebraucht wurde, seit seine Angemessenheit in den 1930er Jahren unter Exegeten in Deutschland diskutiert worden war (vgl. K. Elliger). Von einem König zu verlangen, seine Stadt nicht zu verteidigen, sondern auf ein übernatürliches Eingreifen zu vertrauen, ist in der Tat „utopisch“ insofern niemand erwarten würde, dass jemand darauf hört. Es könnte dennoch genau das sein, was der Prophet beabsichtigte, denn die Aufforderung, „Glauben“ auf Gott zu richten statt auf menschliche Machtmittel, ist charakteristisch für Jesaja. Es gibt jedoch eine weitere Möglichkeit, und zwar, dass Jesaja sich nicht Ahas’ Vorbereitungen für einen Kriegszug entgegenstellte, auch nicht seinen Plänen für eine Befestigung der Stadt, sondern seiner Absicht, Tribut an Tiglatpileser zu senden. Wenn das der Fall wäre, dann könnte der Rat immer noch auf einem Gegensatz zu Vertrauen auf menschliche Macht beruhen, aber er brauchte nicht utopisch zu sein, da Jesaja sich ausgerechnet haben könnte, dass die Assyrer sowieso eingreifen würden. Jesaja könnte gemeint haben, dass Ahas keinen Grund hätte, etwas anderes zu tun als „ruhig zu bleiben“. Ein kleiner Hinweis darauf, dass es dies sein könnte, was gemeint war, ist Jesajas Rat, Rezin und Pekach nicht zu fürchten. Wenn man ihm gesagt hätte, er solle militärische Vorbereitungen unterlassen, könnte Ahas geantwortet haben, dass er sich vor den zwei Königen nicht fürchte, sondern im Gegenteil angemessene Maßnahmen ergreife, ihnen Widerstand zu leisten. Einen Hilferuf nach Assyrien zu schicken würde dagegen allerdings Furcht beweisen, und genau dieses könnte es sein, was Jesaja ablehnt. 2. Ist aber Jesajas Orakel deshalb eine unbedingte Verheißung, die besagt, dass der König sich nicht zu fürchten brauche, weil Gott seinen Thron bestätigen werde? Jes 8,1-4 könnte eine solche Sicht unterstützen: „Noch bevor das Kind [der Sohn des Propheten, Maher-Schalal-Hasch-Bas] ‚Vater‘ und ‚Mutter‘ sagen lernt, wird man den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria dem König von Assyrien vorantragen.“ Oder ist es eine bedingte Verheißung – was umgekehrt auch bedeutet, eine bedingte Drohung? Jes 7,4 und 7,7-9a legen die erstere Lösung nahe, doch 7,9b, was scheinbar der Höhepunkt des Orakels sein soll, macht einen anderen Eindruck. Der Sinn ist hier: Wenn du nicht bereit bist standhaft zu bleiben, wirst du nicht in deiner Position bestätigt oder erhalten werden. Im Hebräischen liegt hier ein Wortspiel mit zwei Formen der Wurzel ’mn vor (von der auch das Wort „Amen“ abgeleitet ist), die mit Festigkeit oder Beständigkeit zu tun hat – die Jerusalemer Bibel übersetzt, „Aber wenn ihr euch nicht an
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mich haltet, werdet ihr keinen Halt haben“ (nach der deutschen Ausgabe von 1968). So ist das ganze Orakel wahrscheinlich als eine bedingte Verheißung der Rettung gemeint: nur dadurch, dass er sich nicht „fürchtet“, nur dadurch, dass er „ruhig“ ist (vgl. Ps 76,10), wird Ahas Glauben an Jhwh zeigen und so Jhwhs Schutz verdienen. In Angst zu geraten und deshalb Hilfe von den Assyrern zu suchen, ist paradoxerweise der eine sichere Weg dazu, keine Hilfe von der einen wirklichen Quelle von Hilfe zu erhalten – dem Gott Israels. Politische Inaktivität ist so aus Jesajas Blickwinkel ebenso unerlässlich, wie die politische Aktivität, die er verfolgte, dem König unerlässlich schien. (Diese Fragen werden unten in Kapitel 4 weiter erörtert.) Es ist schwer zu entscheiden ob man sagen kann, dass die Ereignisse Jesaja Recht gaben oder nicht. Einerseits haben die Assyrer Juda tatsächlich gerettet, trotz Ahas’ Gleichgültigkeit gegenüber dem Wort des Propheten. Andererseits verlor Juda seine Unabhängigkeit und gewann sie nie wirklich wieder, was man als eine Form der Niederlage betrachten könnte. Jesaja selbst scheint das Ergebnis in diesem Licht gesehen zu haben, so wie auch spätere „Rettungen“ des Volkes.
2.2 Der Fall von Samaria Das Nachspiel der aramäisch-efraimitischen Koalition war desaströs für das Nordreich Israel, das im Effekt zu einer assyrischen Provinz wurde, wobei nur Samaria und sein direktes Umland als ein nominell unabhängiger, aber tributpflichtiger Vasallenstaat übrig blieb. Israel hatte seit langem eine stärkere Neigung zu Aufständen und internem Aufruhr gehabt als sein kleinerer südlicher Nachbar, und in den Jahren, die auf die Niederlage der Koalition folgten, wurde das Königtum dort äußerst instabil. Diese Lage spiegelt sich im Hoseabuch wider (z.B. 6,11-7,7; 8,4). 724 lehnte Samaria sich gegen die assyrische Herrschaft auf, die Stadt wurde belagert und fiel 722 unter Salmanasser V. Juda war an dieser Revolte nicht beteiligt und behielt deshalb seinen Status als Vasall mit eigenen Königtum und eigener Verwaltung. Einige der Aussprüche Jesajas könnten aus dieser Zeit stammen, besonders 9,8-21 (sowie 5,25-30, wahrscheinlich Teil desselben Orakels, vgl. den Kommentar von R. E. Clements) und 28,1-4. Keine der beiden Passagen bezieht sich direkt auf die auswärtige Politik der Zeit, doch beide belegen weitgehend dieselbe Feindschaft gegenüber Vertrauen auf menschliche Aktivitäten statt auf Jhwh, die auch die früheren Orakel an Ahas in Kapiteln 7 und 8
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beherrscht. Die unterworfenen Efraimiten haben ihre Illusionen von Größe nicht verloren: „Ziegelmauern sind gefallen, jetzt bauen wir mit Quadern“ (9,9). Eine ähnliche Selbstzufriedenheit wird in 28,1-4 verurteilt. Wie wir sehen werden, ist dies genau die Art von Haltung, die Jesaja charakteristischerweise verurteilt, wo immer er ihr begegnet.
2.3 Bündnisse mit den Philistern und den Ägyptern In der dritten Phase der Lebenszeit Jesajas war Juda mit Intrigen und Bündnissen beschäftigt, in die die philistäischen Städte und die Ägypter verwickelt waren. Seit etwa 720, wenige Jahre nachdem Samaria gefallen war, erlebte Syrien-Palästina das Aufflackern von Rebellionen gegen die assyrische Oberherrschaft. Es gab Revolten in Hamat, dem ersten Staat, der an die Assyrer gefallen war, und in Gaza, dem von der mesopotamischen Machtbasis am weitesten entfernten Punkt des Großreiches. Die Ägypter sahen für sich selbst einen Vorteil darin, sich hier zu engagieren, aber trotzdem wurde der König von Gaza gefangen gesetzt, und die Revolte verlief sich. In den Jahren 713-711 gab es jedoch einen weiteren ernsthaften Anlauf, Freiheit zu gewinnen, als die Stadt Aschdod versuchte, die Kontrolle der Assyrer über die philistäische Pentapolis zu brechen. Dieses Mal waren die Ägypter unter Schabaka tief verwickelt; auch gab es Verhandlungen mit den weiter östlich gelegenen Staaten Palästinas, Edom und Moab, und Juda war mit Sicherheit Teil des Bündnisses. Nach weithin übereinstimmender Auffassung ist dies der Hintergrund für die Orakel in Jesaja 18 und 19 und zugleich der Kontext für die Geschichte in Kapitel 20 über Jesaja, der nackt und barfuß durch Jerusalem lief. Die Geschichte ist auf das „Jahr, als der Tartan [ein assyrischer Feldherr] nach Aschdod kam“ datiert, das heißt, auf das Jahr 711 – das Jahr, in dem die Assyrer unter Sargon II. schließlich eingriffen, um die Rebellion zu löschen. Die Ereignisse werden in seinen Annalen kurz berichtet – vgl. TUAT I, 378-381. Aschdod wurde vernichtend geschlagen, und die Ägypter lieferten in opportunistischer Kehrtwendung den König von Aschdod, der zu ihnen geflohen war, um Asyl zu finden, an die Assyrer aus. Es gibt jedoch keine Nachrichten über irgendwelche Vergeltungsmaßnahmen gegen Juda, Edom oder Moab. Falls Jesajas symbolische Handlung, die in Kapitel 20 beschrieben wird, Gefangenschaft für seine Landsleute vorhersagen sollte, dann scheint er sich geirrt zu haben, wenigstens nach einem kurzfristigen Maßstab.
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Die meisten Exegeten nehmen an, dass Jesaja 18 durch einen nachexilischen Herausgeber überarbeitet worden sei; O. Kaiser ist sogar der Ansicht, das Kapitel sei insgesamt ein nachexilischer Text. Doch dem breiten Konsens zufolge geht hier Vieles auf Jesaja selbst zurück. Jesaja 18 spiegelt das Kommen und Gehen von Botschaftern zwischen Juda und Ägypten in den Jahren 713-711 wider, und die lebhafte Beschreibung der Ägypter als „hochgewachsen und mit glänzender Haut“ (v. 2) reflektiert wahrscheinlich das Wissen des Propheten darüber, dass die Dynastie, in die Schabaka gehörte, ihren Ursprung im Sudan hatte (die 25. Dynastie, heute als die äthiopische Dynastie bekannt). Das Orakel bezieht sich auf die Sinnlosigkeit dieser ganzen rasenden diplomatischen Aktivität. In einem einprägsamen Bild wird uns Jhwh ruhig auf seinem Thron sitzend gezeigt, alles beobachtend, und den entscheidenden Zeitpunkt abwartend, so wie eine große Katze darauf lauert loszuspringen – oder, so sagt Jesaja, wie ein Winzer darauf wartet, die Lese im Weinberg genau dann zu beginnen, wenn die Trauben zum Abschneiden reif sind. Alles, was von Gott zu sehen ist, ist ein leichtes Flimmern, wie eine Dunstwolke an einem sehr heißen Tag, doch der Dunst verhüllt höchste Anspannung und Bereitschaft loszuschlagen. Genau wie wir in Kapitel 7 die Unnötigkeit und Unweisheit menschlicher politischer Aktivität gesehen haben, so sehen wir hier ihre äußerste Torheit. Sie ist ein albernes, aber gefährliches Spiel, das menschliche Herrscher und ihre Beauftragten spielen, bis zu dem Augenblick, wenn Gott eingreift und es radikal abbricht. Jesaja 19,16-24 besteht aus fünf Orakeln über Jhwhs künftige Absichten mit Ägypten; ihren Höhepunkt haben sie in der außerordentlichen Verheißung, dass eines Tages „Israel der dritte mit Ägypten und Assur“ sein werde (v. 24) – eines der am stärksten „universalistischen“ Orakel im Alten Testament, und wohl auch eines der spätesten. Sehr wenige unter den kritischen Kommentatoren sind der Ansicht, dass irgendetwas in diesem Abschnitt auf Jesaja selbst zurückgehe (vgl. für eine weitere Diskussion unten Kapitel 5). Doch 19,1-15 könnte sehr wohl denselben Hintergrund widerspiegeln wie Kapitel 18, nämlich judäische Verhandlungen mit Ägypten in den Jahren 713711. Ein weiteres Mal werden die sinnlosen Aktivitäten der menschlichen Mitspieler in politischen Vorgängen kontrastiert mit Gottes Fähigkeit, zielgerichtete Aktivität zu entfalten, wenn nötig, und mit Gottes Möglichkeit, die ganze „Weisheit“, für die Ägypten sprichwörtlich bekannt war, in Torheit umzukehren. Jesaja hat während der vierten Krise zu seinen Lebzeiten (siehe im folgenden) über ägyptische „Torheit“ noch mehr zu sagen, und das Orakel könnte aus dieser Zeit stammen, doch könnte seine Stellung zwischen den
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Kapiteln 18 und 20, die beide die dritte Periode betreffen, eine authentische Tradition darüber bewahren, dass es historisch mit diesen beiden zusammengehörte. Jesajas politischer Rat ist wiederum, dass Juda sich auf Gott verlassen solle, nicht auf Menschen, und er deutet das in dem Sinne, dass keine Bündnisse mit Ägypten geschlossen werden sollten. Jesajas Botschaft in dieser Krise ist also völlig konsistent mit seiner Haltung in früheren Zeiten, als es um das Bündnis mit Assyrien ging, das er verurteilte.
2.4 Die assyrische Krise Die letzte Phase von Jesajas „politischer“ Prophetie ist zugleich die komplexeste und meistdiskutierte Phase. Offenbar schien der Herrschaftsantritt Sanheribs in Assyrien im Jahr 705 den Staaten in Palästina eine Schwächung der assyrischen Macht anzukündigen, oder zumindest eine Zeit, in der entschlossene Vasallenstaaten mögliche Spannungen und Ungewissheiten im Zentrum des Imperiums ausnutzen könnten. Zusammen mit den philistäischen Städten Ekron und Aschkelon hielt Hiskijah den Tribut zurück, vielleicht in Absprache mit Babylon, mit dessen Herrscher Marduk-apal-iddin II (in der biblischen Überlieferung Merodach-baladan) er angeblich diplomatischen Verkehr hatte (vgl. Jes 39 = 2Kön 20,12-19). Wiederum war Ägypten stark beteiligt, seine Hilfszusagen wie immer ebenso entscheidend wie wertlos. Sanherib war auf diese Weise mit Rebellion im äußersten Westen und im äußersten Osten seines Reiches konfrontiert. Da er vier Jahre brauchte, bis er der babylonischen Rebellion ein Ende gemacht hatte und seine Aufmerksamkeit derjenigen im Westen zuwenden konnte, hatten die Verbündeten wahrscheinlich den Zeitpunkt für ihr Handeln gut eingeschätzt: Sollte es jemals einen rechten Augenblick für einen Aufstand geben, dann war es dieser. Dennoch war Sanherib 701 schließlich in der Lage, in Juda einzufallen und die Judäer in die üblicherweise so genannte „assyrische Krise“ zu verwickeln. Sie führte zu einer Anzahl von Prophetenworten Jesajas, im großen und ganzen in Übereinstimmung mit seinen Äußerungen in den früheren Perioden. Die Hauptquelle für Jesajas Orakel sind Kapitel 28-31 und 36-38, soweit die Worte, die dort dem Propheten zugeschrieben werden, echt sind; darüber hinaus Kapitel 1, in dem v. 2-9 nach dem Urteil vieler aus dieser letzten Periode der Prophetie Jesajas stammen. Dieser Ausspruch gibt eine sprechende Beschreibung des Zustands von Juda, nachdem Sanheribs Heer eingefallen
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war und Jerusalem als einzig uneroberte Stadt in einem verwüsteten Land übriggelassen hatte: „Euer Land ist verödet, eure Städte sind niedergebrannt. Fremde verzehren vor euren Augen den Ertrag eurer Äcker … Die Tochter Zion steht verlassen da wie eine Hütte im Weinberg, wie eine Wächterhütte im Gurkenfeld … Hätte der Herr der Heere nicht einen Rest für uns übrig gelassen, wir wären wie Sodom geworden, wir glichen Gomorra.“ (1,7-9) Vergleiche damit Sanheribs eigenen Bericht über diesen Feldzug (TUAT I, 388-390): „Hiskia von Juda jedoch, der sich nicht unter mein Joch gebeugt hatte – 46 mächtige ummauerte Städte sowie die zahllosen kleinen Städte ihrer Umgebung belagerte und eroberte ich durch das Anlegen von Belagerungsdämmen, Einsatz von Sturmwiddern ... Ihn selbst schloss ich gleich einem Käfigvogel in Jerusalem, seiner Residenz, ein.“ (vgl. Jes 10,14)
Wie wir gesehen haben, ist Jes 28,1-6 wahrscheinlich ein früheres Orakel über das nördliche Königreich und seinen Fall, und es betrifft eher die gesellschaftliche Moral des Nordens (besonders die gewohnheitsmäßige Trunkenheit seiner Führer) als seine politischen Einstellungen. Doch findet das Kapitel seine Fortsetzung (28,7-13) offenbar mit einem Angriff auf Juda („Sogar diese hier …“), wobei das frühe, gegen Israel gerichtete Orakel auf das südliche Königreich während der assyrischen Krise angewendet wird. Ein ähnlicher Gebrauch des Falls von Nordisrael als eine Warnung für Juda findet sich in Micha 1, und in den langen Reflexionen über die letzten Jahre der beiden Königreiche in 2Kön 17,7-41. Obwohl das gegen Juda gerichtete Orakel auch die Trunkenheit der Führer erwähnt, wird sie nicht so sehr für sich genommen verurteilt, vielmehr wird sie als ein Zeichen ebenso wie eine Ursache der politischen Torheit der herrschenden Schichten aufgefasst. Jesaja betrachtet die Führer als so beduselt, dass sie meinen, sie könnten die überlegene Macht der Assyrer schlagen. Die rätselhaften Worte in v. 10 und 13 („zawlazaw zawlazaw, kawlakaw, kawlakaw, hier ein wenig, da ein wenig“ [Lutherübersetzung]; „sein Gestammel, sein Papperlapapp, sein Geschwätz bald hier, sein Geschwätz bald dort“
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[Einheitsübersetzung]) müssen wahrscheinlich als Gesabber verstanden werden. Die politischen Führer betrachten die Botschaft des Propheten als Unsinn, unmöglich zu entschlüsseln. Oder aber die spielerischen Worte könnten eine Art Gedächtnisstütze sein, möglicherweise für die Abfolge der Buchstaben im Alphabet: zaw la-zaw, qaw la-qaw könnte Teil eines „alphabetischen Merkverses“ sein, da ja die Buchstaben s. ādē und qōf benachbarte Buchstaben des Alphabets sind. Dann zielt die Beschwerde der Führer in v. 9 darauf, dass die Botschaft des Propheten kindisch sei, wie ein Verslein, das man Kindern beibringt, um ihnen zu helfen, die Buchstaben zu lernen, nicht aber ein Rat, den erwachsene Politiker ernst nehmen müssten. Jesajas Drohung ist in Antwort darauf, dass diejenigen, die sich weigern, ihr Alphabet von ihm auf Hebräisch zu lernen, es schon bald in einer fremden Sprache gelehrt werden würden (in Akkadisch, oder vielleicht Aramäisch, der assyrischen Sprache im offiziellen Verkehr in jener Zeit): „(durch Leute) mit stammelnder Lippe und fremder Zunge redet (Gott) künftig zu diesem Volk“ (v. 11). Was war diese Botschaft, die Jesajas Hörer verachtet hatten? Offensichtlich war es weitgehend dieselbe wie in den 730er und 720er Jahren: „So findet ihr Ruhe; gönnt doch den Müden die Rast, hier ist der Ort der Erholung.“ (v. 12) Ruhe, Stille, Gelassenheit – das Gegenteil der hitzigen politischen Aktivität, die (in Jesajas Augen) zu nichts diente. Jes 28,14-22 hat im Kern dieselbe politische Botschaft: „wer glaubt, der braucht nicht zu fliehen“ (v. 16). Der Abschnitt verurteilt wie es scheint das Bündnis mit Ägypten als einen Versuch, ein „Bündnis mit dem Tod“ zu schließen – und Tod ist bekanntlich ein schwieriger Verhandlungspartner. Die einzig wahre Sicherheit kommt von Jhwh, der einen sicheren Felsen in Zion gründet für die, die ihm vertrauen, der aber die verwirft, die es vorziehen, ihre Sicherheit in Ägypten zu suchen. In aufeinandergehäuften Metaphern malt Jesaja ein lebhaftes Bild des Grauens, das seine Hörer erfahren werden, wenn die Assyrer kommen und jede mögliche Sicherheit hinwegschwemmen werden: Hagelsturm, steigende Flutwellen, brausende Flut [philologisch unsicher; so Lutherübersetzung und Einheitsübersetzung, die hier ein anderes Bild bieten als die New Revised Standard Version], zertretende Stiefel; und wenn sie vergeblich Ruhe suchen, ein Bett, das zu kurz ist, und eine Decke, die zu schmal ist, um sich in sie einzuhüllen. Selten vermittelt eine Mischung von Metaphern so wirksam eine Atmosphäre der Angst.
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Orakel gegen das Bündnis mit Ägypten setzen sich in Jesaja 30-31 fort, wiederum mit Spott über die Ägypter und die, die ihnen vertrauen. Ägypten wird „Rahab, die still dasitzt“ genannt – das alte altorientalische Chaosmonster, das sich jetzt in Stein verwandelt hat. Die Bündnisvereinbarungen zehn Jahre vorher hatten erwiesen, wie nutzlos Ägypten als ein Verbündeter war, und es war so dumm wie glaubenslos, Hilfe beim Pharaoh zu suchen. Mit einer weiteren lebhaften kombinierten Metapher vergleicht der Prophet die Sünde, die Juda damit begeht, dass es sich auf Ägypten verlässt, mit einer geneigten Mauer, die kurz davor steht, zusammenzufallen und in ungezählte nutzlose Brocken zu zerbersten, gerade so wie ein Tontopf, der zu Boden geworfen wurde und so vollständig zersprang, dass kein Stück übrig blieb, das groß genug wäre, Wasser damit zu schöpfen (v. 12-14). Der Grund für dieses kommende Unheil wird in v. 15 genannt: „Denn so spricht der Herr, der Heilige Israels, ‚Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.‘ Doch ihr habt nicht gewollt, sondern gesagt, ‚Nein, auf Rossen wollen wir dahinfliegen‘ …“ Die Weigerung, einfach nichts zu tun, ist wiederum die größte Sünde der judäischen Führer. „Umkehr“, šûbāh, ein Wort, das später der Standardbegriff für Reue wurde, meint hier offensichtlich „Abwendung von (militärischer) Aktivität“, oder vielleicht „Hinwendung zu Gott“ (vgl. R. E. Clements S. 248). Fieberhafte Aktivität, im Gegensatz zu Gottes Forderung nach Ruhe, wird ihre angemessene Strafe finden: die schnellen Pferde, die die Leute aus Ägypten erworben haben, werden ihnen nur dabei helfen, schneller aus der Schlacht zu fliehen, die sie verlieren müssen. Ruhiges Vertrauen auf Gott war geboten; stattdessen herrschte ein (in Jesajas Augen arrogantes) Beharren auf menschlicher Weisheit, worauf am Ende Verzweiflung folgen würde und die Erkenntnis, dass es nichts mehr gäbe, worauf man sich verlassen könnte. Jes 31,1-4 wiederholt dasselbe Thema: „Weh denen, die nach Ägypten ziehen, um Hilfe zu finden, und sich auf Pferde verlassen“ (v. 1). Interessanterweise ist der Grund, den Jesaja für seine Verurteilung des Bündnisses mit Ägypten angibt, nicht, dass dies Untreue gegenüber Jhwh bedeute. Andere Propheten sahen die Frage tatsächlich in diesem Licht – Hosea zum Beispiel dürfte durchaus gegen Bündnisse mit fremden Partnern als Versuche polemisiert haben, Hilfe von fremden Göttern zu gewinnen. Doch Jesajas Vorwurf beruht darauf, dass ein Bündnis bedeute, auf menschliche Stärke zu vertrauen statt auf Gottes Macht. So ist es um 701 aus denselben Gründen falsch, die
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Hilfe Ägyptens zu suchen, wie in den 730er Jahren, Hilfe von Assyrien zu suchen. Solche Versuche betrachten menschliche Stärke als göttlicher Stärke überlegen: „Auch der Ägypter ist nur ein Mensch und kein Gott, seine Pferde sind nur Fleisch, nicht Geist.“ (v. 3) Wie weit wurden Jesajas Worte durch die Ereignisse von 701 gerechtfertigt? Zwei Dinge sind eigentlich völlig sicher. Erstens, Jerusalem wurde durch Sanherib nicht erobert. Die assyrischen Truppen zogen ab, ohne die Stadt zu plündern, und ein Orakel in Jes 22,12-14 bezieht sich wahrscheinlich auf die Reaktion der Bevölkerung: „Freude und Frohsinn, Rindertöten und Schafeschlachten, Fleischessen und Weintrinken“. Zweitens aber, die Lage, in der die Stadt hier „gerettet“ wurde, war von solcher Art, dass diese Festlichkeiten (in Clements’ Worten) „den unverzeihlichen Tag von Jerusalems Selbstgefälligkeit“ darstellten. Denn viele andere Städte waren geplündert worden, und Juda sollte nie wieder in einem bedeutenden Maße seine Freiheit wiedergewinnen, abgesehen vielleicht von einer kurzen Zeit unter Joschija im folgenden Jahrhundert. Sollte Jesaja gedacht haben, dass die Stadt im Sturm genommen werden würde, wie es in einigen Orakeln anklingt, dann wurde er durch die Ereignisse widerlegt; doch wenn er dachte, dass Juda damit scheitern würde, neue Freiheit zu gewinnen, dass es von Ägypten im Stich gelassen würde, und dass es für seine Rebellion mit Menschenleben und Wohlstandsverlust einen hohen Preis bezahlen würde, dann wurde er bestätigt. Sanherib verlangte einen hohen Tribut – 300 Talente Silber und 30 Talente Gold, gemäß 2Kön 18,14 – was bedeutete, dass man sogar das Gold von den Tempeltoren abnehmen musste. Ob man das, was Juda und Jerusalem erlebten, eine Errettung oder eine Niederlage nennt, ist weitgehend eine Ansichtssache. Jesaja, wie die anderen Propheten, unterschied sich von seinen Zeitgenossen nicht weniger darin, wie er Ereignisse deutete, als darin, was er im einzelnen als kommende Ereignisse erwartete. Es gibt jedoch ein noch viel schwierigeres historisches Problem bezüglich der assyrischen Krise. Es resultiert aus verblüffenden Widersprüchen und Doppelungen in der biblischen Erzählüberlieferung. Der kurze Bericht über die Ereignisse des Jahres 701 in 2Kön 18,13-18 erscheint nicht in dem parallelen Bericht in Jesaja 36-37, abgesehen von seinem Einleitungsvers („Im vierzehnten Jahr des Königs Hiskija zog Sanherib, der König von Assur, gegen alle befestigten Städte Judas und nahm sie ein“). Dieser kurze Bericht wird im ganzen durch Sanheribs eigene Annalen bestätigt (TUAT I, 388-390). Der Bericht, der sich im Jesajabuch findet, und den es auch im 2. Königebuch
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gibt, ist lang und umständlich. Er hat seinen Höhepunkt in einer wunderhaften Errettung Jerusalems und der Vernichtung des assyrischen Heeres durch das Wirken eines „Engels des Herrn“ (37,36). Der assyrische Hofbeamte, der Rabschake, hält zwei Reden in sehr ähnlichen Worten (36,4-20 und 37,10-13), Hiskija befragt zweimal Jhwh durch Jesaja (37,1-4 und 37,14-20), und Jesaja kündigt zweimal die Rettung der Stadt an (37,5-7 und 37,21-35). Auch gibt es eigentümliche chronologische Probleme mit dem Alter von Tirhaka (der 701 vielleicht zu jung für die Teilnahme an der Expedition war, die in 37,9 erwähnt wird) und dem Datum von Sanheribs Tod, der in 37,38 erwähnt wird, als ob er unmittelbar auf den assyrischen Rückzug von Jerusalem gefolgt sei, der tatsächlich aber erst 681 erfolgte. Es gab einst eine Zeit, in der die historischen Fakten der assyrischen Krise als eine ernsthafte crux der alttestamentlichen Wissenschaft betrachtet wurden und die Anhänger der beiden wichtigsten Positionen eine hitzige Debatte führten. Die eine Auffassung, die inzwischen von der Mehrheit der Bibelwissenschaftler vertreten wird, versteht Jesaja 36-37 als zusammengesetzt aus zwei parallelen Berichten, üblicherweise B 1 (= 36,1-37,9a + 37,37-38) und B 2 (= 37,9b-36) genannt; als Bericht A wird 2Kön 18,13-18 bezeichnet. B 2 wird dabei im wesentlichen als eine gesteigerte Version von B 1 verstanden, in der der Rückzug der Assyrer nicht als die Folge einer Tributzahlung Hiskijas erklärt wird (wie in A), noch auch damit, dass sie sich dringend einem Krieg anderwärts zuwenden mussten (wie in B 1), sondern als das Ergebnis ihrer physischen Vernichtung durch Jhwh. Da B 2 viel später zu datieren ist als die Ereignisse, die der Text zu berichten vorgibt, brauchen dort vorhandene Anachronismen nicht zu verwundern. Diese Erklärung ist von B. S. Childs detailliert ausgearbeitet und dann von R. E. Clements im Rahmen der Theorie einer „joschijanischen Redaktion“ der Jesajaüberlieferung verfeinert und ergänzt worden. Die andere Auffassung war durch J. Bright in allen Einzelheiten verteidigt worden. Zwar wird auch in ihr anerkannt, dass Jesaja 36-37 kein einheitlicher Bericht über die Ereignisse in ihrem Ablauf ist. Doch erklärt diese Theorie die Doppelungen mit dem Argument, dass es zwei assyrische Krisen, zwei Invasionen, zwei Belagerungen Jerusalems und zwei Rettungen gegeben habe. Die eine Krise war die des Jahres 701 und endete mit einem strategischen Rückzug des assyrischen Heeres. Die zweite Krise ereignete sich in den 680er Jahren, gegen Ende einer angenommenen sehr langen Lebenszeit Jesajas; und diese endete mit dem Tod des assyrischen Heeres durch die Pest – hier wie sonst im Alten Testament als Werk eines Engels Jhwhs verstanden.
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Brights Theorie hat gelegentlich auf Vertreter eines stärker konservativen Zugangs zur Bibel eine größere Anziehungskraft ausgeübt als diejenige von Childs, denn anders als diese Theorie hat sie nicht die Konsequenz, dass es im Text Widersprüche gibt. Dennoch verlangt sie ein erhebliches Maß an phantasievoller Rekonstruktion und erzeugt eine Darstellung der historischen Ereignisse, die sich weit davon entfernt, was der biblische Text, so wie er dasteht, zu sagen scheint. Ein Vorzug der Theorie ist es – wie wir sehen werden, wenn wir in Kapitel 4 Jesajas Vorhersagen über die Zukunft diskutieren –, dass sie es erlaubt, alles, was Jesaja vorhergesagt hat, als erfüllt anzusehen. Die Orakel, die Jesaja zugeschrieben werden, enthalten beides, Verheißungen einer wunderbaren Errettung und Androhungen einer Knechtschaft unter den Assyrern, und es ist (mit einiger Erfindungsgabe) möglich, viele der letzteren dem Jahr 701 zuzuweisen und viele der ersteren der Zeit von Brights zweiter Invasion. Es gibt jedoch nicht den geringsten Anhalt in assyrischen Quellen für die Theorie der zwei Invasionen, und nicht viele Bibelwissenschaftler heute vertreten sie noch. Der allgemeine Konsens besagt, dass B 2 eine spätere Fassung von B 1 ist, in der die legendarischen Züge der Erzählung zugenommen haben. Eine Tendenz dazu, ein wunderhaftes göttliches Eingreifen aufzubieten, lässt sich als ein Charakteristikum der jüdischen Geschichtsschreibung, besonders in nachexilischen Werken wie der Chronik, beobachten. Das Bestreben, einen Kontext zu finden, in dem Jesajas Orakel alle als „richtig“ erwiesen werden können, sollte uns nicht dazu bringen, hypothetische Invasionen in Juda zu vervielfältigen. Die Ereignisse zu Jesajas Lebzeiten waren vielgestaltig, da die politischen Loyalitäten des Staates Juda sich wandelten und anpassten, um den Realitäten der assyrischen Großmacht gerecht zu werden. Seine Botschaft jedoch war bemerkenswert einfach und konstant. Sie konzentrierte sich auf ein reines Vertrauen auf Jhwh, das, wie Jesaja glaubte, alle menschlichen Versuche der Selbstverteidigung und Selbstbestimmung ausschließen musste – ob diese die Gestalt von militärischen Vorbereitungen oder die von Hilferufen an eine der Großmächte annahmen.
3 Jesaja und das Thema Ethik Eine der wichtigen Leistungen der Bibelwissenschaft des 19. Jahrhunderts bestand darin, die ethische Lehre der Propheten wieder als ein Zentrum ihrer Anliegen erkennbar zu machen. Die traditionelle christliche Deutung der Propheten hatte deren inspirierte Einblicke in die Zukunft so stark betont, dass der Vorrang moralischer Verurteilungen in ihrer Lehre übersehen zu werden drohte. Kritische Bibelwissenschaftler in Deutschland, besonders J. Wellhausen (1844-1918) und B. Duhm (1847-1928), konnten überzeugend nachweisen, dass das Eintreten für moralisches Handeln ein Herzstück der prophetischen Botschaft war. Der Wandel der Gewichtung wurde gelegentlich in die Formel zusammengefasst, die Propheten seien keine (oder seien nicht einfach nur) Vorhersager, sondern Wegweiser gewesen. Sie sagten nicht (bloß) die Zukunft voraus, vielmehr verbanden sie ihre Voraussagen mit einer Analyse, ja sogar einer Anklage der Gesellschaft ihrer Zeit, indem sie das Versagen der Leute, an die sie sich wandten, feststellten und offenlegten. Das Jesajabuch ist besonders reich an Äußerungen zur moralischen Verfassung der Gesellschaft. Sie umfassen sowohl Verurteilungen einzelner Handlungen als auch auf einer höheren Stufe eine Kritik der Haltungen und Neigungen, aus denen solche Handlungen hervorgehen. Wie wir sehen werden, gibt es eine eindrucksvolle Kohärenz in Jesajas ethischer Lehre, durch die das, was er über die Ordnung der Gesellschaft zu sagen hat, in Einklang steht mit seinen Äußerungen zur auswärtigen Politik (die bereits in Kapitel 2 untersucht wurden) und mit seinen Angriffen auf das kultische Leben in Juda und Jerusalem. In Kapitel 1 haben wir gesehen, dass Fragen nach der „Authentizität“ von Texten im Fall Jesajas höchst komplex sind. Doch wo es um die ethische Lehre geht, ist das Problem weniger schwierig. Die meisten der einschlägigen Aussprüche werden von beinahe allen Kommentatoren Jesaja selbst zugeschrieben. Dabei gibt es nicht immer eine Übereinstimmung im Hinblick auf ihre Datierung. Doch viele Wissenschaftler tendieren dazu, diejenigen Aussprüche früh zu datieren, die gegen die herrschenden Klassen Jerusalems gerichtet sind, besonders wenn sie eine Situation von Wohlstand und Selbstzufriedenheit im Land implizieren – die vor der aramäisch-efraimitischen Krise ziemlich wahrscheinlich ist, aber von da an zunehmend unwahrscheinlich wird. Wenn das richtig ist, dann stammen die meisten Angriffe Jesajas auf die Sünden seines Volkes aus einer Zeit vor seinen politischen Prophetenworten und gehören näher in die Zeit, als Amos eine bemerkenswert ähnliche Polemik gegen die moralische Verfasstheit des nördlichen Königreiches
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richtete. Nach den frühen 730er Jahren verlagerte sich Jesajas Aufmerksamkeit dann von den internen Angelegenheiten der judäischen Gesellschaft zum Feld der Politik und zur Beziehung des Landes mit anderen Ländern – besonders Assyrien.
3.1 Sünde bei Jesaja Dem ethischen Material in Jesaja 1-39 nähert man sich am besten so, dass man die einschlägigen Abschnitte zusammen durchliest, um ein synoptisches Bild davon zu gewinnen, was der Prophet zu dem Thema zu sagen hatte. Die folgenden Abschnitte stellen den Kern dar: 1,2-3.10-17.21-23.29-30 2,6-22 3,1-12.13-15 3,16-4,1 5,8-23 8,19 9,7-20 10,1-4 17,7-11 22,15-19 28,1-22 29,13-14.15-16.20-21 32,9-14 Es gibt natürlich keine völlige Einmütigkeit unter den Kommentatoren über die Bedeutung dieser Aussprüche, noch darüber, wo sie ganz genau anfangen und enden. Doch es ist nicht schwer, eine Liste der Vergehen gegen Gott zu gewinnen, die Jesaja verurteilt; ungefähr so: 1. Unterdrückung von Witwen und Waisen – die für alle schwächeren Mitglieder der Gesellschaft stehen könnten (1,17.21-23; 3,14; 10,1-2); 2. Diebstahl (1,23); 3. Mord (1,21); 4. Unterwanderung der Rechtssprechung durch die Annahme von Bestechung (1,23; 3,9; 5,23; 10,1-2; 29,21); 5. Enteignung von Land, das den Armen gehört (5,8-10); 6. Trunksucht (5,11-17.22; 28,1-13);
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7. ausufernder Luxus und persönlicher Prunk, die Anhäufung von Vermögen und Aufblähung von Ansehen (3,16-4,1; 9,9-12; 22,15-19; 32,914). Dies ergibt ein „Profil“ jener Leute, die Jesaja im Auge hatte (was scheinbar überwiegend die herrschenden Klassen waren), ein Profil, das dem gleicht, was wir im Amosbuch finden. Diejenigen, die Macht haben, missbrauchen diese Macht. Auf der einen Seite unterdrücken sie die Machtlosen, die sich nicht wehren können; auf der anderen Seite nutzen sie für ihre persönliche Selbstverherrlichung all die Gelegenheiten aus, die die Macht ermöglicht. Dies würde sicherlich gut in jene wohlhabenderen Zeiten zu Beginn von Jesajas prophetischer Laufbahn passen, als die guten Tage unter Usija noch nicht eine bloß ferne Erinnerung geworden waren. Doch wir können nicht wirklich sicher sein, dass die führende Elite von Juda ihren gefälligen Lebensstil aufgab, als der Druck von außen auf das Königreich zunahm. Selbst in Bananenrepubliken sind es nicht die Herrscher, die von Bananen leben müssen. Zumindest ein Orakel, dasjenige gegen Schebna (22,15-19), könnte gut aus der Zeit der assyrischen Krise 705-701 stammen. Einige haben darüber spekuliert, ob nicht Schebna im Grunde Hiskijas Außenminister war und seine Verurteilung durch Jesaja als ein Neuling ohne das Recht auf ein Familiengrab in Jerusalem („Wie kommst du dazu und wer bist du denn, dass du dir hier ein Grab aushauen lässt?“) tatsächlich ein dünn verschleierter Widerspruch gegen die Außenpolitik war, die er entwickelt hatte. Schon in dieser Liste begegnen jedoch Ideen, die weiter gehen als die des Amos und auf einer etwas weiter entwickelten Vision der Gesellschaft beruhen. Sie sind offenbar weniger eine instinktive und unreflektierte Reaktion auf Taten, die den Propheten schockierten, als eine Analyse sozialer Übelstände, die auf einem kohärenten Verständnis davon beruhen, wie eine Gesellschaft aussehen sollte. Zum Beispiel ist es fraglos richtig zu sagen, dass Jesaja, wie Amos, zugunsten der Armen und Unterdrückten spricht und ihre Unterdrücker mit einem göttlichen Urteil in Gestalt einer militärischen Eroberung bedroht. Doch die „ideale“ Gesellschaft, an der die gegenwärtige Wirklichkeit gemessen wird, ist nicht eine egalitäre, wie der moderne Leser Jesajas gerne annehmen möchte. Auch ist Jesaja kein politischer Radikaler, der eine Umstrukturierung der sozialen Ordnung verlangte. Das eben erörterte Orakel gegen Schebna ist eine Erinnerung daran, was man bei Jesaja die Haltung eines „Patriziers“ genannt hat. Er war zutiefst gegen soziale Aufsteiger ohne eine lange Familientradition in Jerusalem.
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In Kapitel 3 entwirft Jesaja ein Panorama der „schlimmsten Verhältnisse“ in Juda und Jerusalem, und es ist nicht leicht zu sagen, ob er die Übelstände beschreibt, die zum gegebenen Zeitpunkt die Gesellschaft befallen haben, oder ob er das Bild einer Art von Gesellschaft beschwört, die Gott als eine Strafe über das Volk bringen könnte. (Im Alten Testament nimmt göttliche Bestrafung oft die Form an, Sünder bei ihrer Sünde festzuhalten – die genannte Unterscheidung ist also nicht leicht zu treffen.) Das Schlimmste, was Jesaja sich vorstellen kann, ist eine Gesellschaft, in der geordnete Standesunterschiede zusammengebrochen sind, in der „die Jungen frech sind zu den Alten, die Geringen zu den geachteten Männern“ (v. 5), in der „Kinder Gebieter des Volkes sind und Frauen es beherrschen“ (v. 12 Lutherübersetzung; zu den textkritischen und philologischen Problemen des hebräischen Textes vgl. die Kommentare). In der Tat sind dieses ganze Kapitel und das nächste durch einen verstärkten Angriff auf die Frauen von Jerusalem charakterisiert. Für den Propheten war es scheinbar klar, dass eine von Frauen regierte Gesellschaft keine gute Gesellschaft sein könnte. Natürlich könnte er eine besondere Frau oder einige besondere Frauen im Sinn gehabt haben (vielleicht die Königsmutter?), doch das Ergebnis klingt für moderne Ohren nach allem anderen als der Stimme eines Radikalen. Bei Jesaja geht es um eine konservative Gesellschaft, die weiß, wie die Armen und Hilflosen zu beschützen sind, wahrscheinlich nach dem Prinzip, dass vornehmer Stand verpflichte (noblesse oblige). Aristokraten wissen, wie man Leute fair behandelt, denen, für die Macht etwas neues ist, kann man nicht trauen. Jesajas Verurteilung spezifischer Vergehen ist also gegen einen generelleren Hintergrund zu sehen, d.h. gegen eine bestimmte Vision davon, wie eine Gesellschaft aussehen sollte. Diese Gesellschaft ist eine, die vielleicht niemals in Wirklichkeit existiert hatte, eine Gesellschaft, in der jedermann seinen Platz kannte und in der die Starken ihre Position nicht ausnutzten, um die Schwachen zu misshandeln. Amos und Hosea idealisierten die Zeit der Wanderungen Israels in der Wüste, vor der Ansiedlung im Land (Hos 9,10; Am 5,25). Doch die Tatsache, dass Jesajas ideale Gesellschaft Standesunterschiede kennt, macht es wahrscheinlicher, dass er sich auf das Königreich Davids zurückbezieht statt auf die „mosaische“ Epoche. Damit könnte gut zusammenpassen, dass Jesaja sich offenbar nie auf irgendwelche historischen Ereignisse vor der Zeit Davids bezieht (vgl. 28,21, mit einem möglichen Bezug auf 2Sam 5,17-25; zu 9,3 vgl. unten Kapitel 4); und in Jes 1,26 ist die Ankündigung, „Ich will dir wieder Richter geben wie am Anfang und Ratsherrn wie
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zu Beginn“, an Jerusalem gerichtet, nicht an Israel, and bezieht sich vermutlich auf die frühen Tage der Stadt unter David.
3.2 Jesajas ethische Vision: „Alle Sünde kommt aus Stolz“ Jesajas ethische Anklagen sind noch in einem anderen Sinne breiter angelegt. Wie bei kaum einem anderen Propheten erfahren wir bei Jesaja etwas über die zugrundeliegenden Haltungen oder Bewusstseinszustände derjenigen, die verurteilt werden. Die „Weherufe“ in 5,8-23 (+ 10,1-4) enthalten einige ganz direkte Anklagen von sozialem Fehlverhalten: „Weh euch, die ihr Haus an Haus reiht und Feld an Feld fügt“ (v. 8); „Weh euch, die ihr schon früh am Morgen hinter dem Bier her seid …“ (v. 11). Doch eingeschlossen sind auch „jene, die sagen: ‚Was er tun will, das tue er schnell; er soll sich beeilen, damit wir es sehen …‘“ (v. 19) – wahrscheinlich ist dabei an diejenigen gedacht, die die Warnungen des Propheten verspotten (vgl. 28,9-10); „jene, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen“ (v. 20); und „jene, die in ihren eigenen Augen weise sind und sich selbst für klug halten“ (v. 21). Gott verspotten, seine eigene Weisheit behaupten, sich frei dazu fühlen, die allgemeinen moralischen Werte zu verkehren, nichts davon ist ein spezifisches Vergehen in der Art wie sich zu betrinken oder Bestechung anzunehmen. Hier handelt es sich um grundlegendere Haltungen oder Persönlichkeitsmerkmale, die Leute zu den spezifischen Sünden bereit machen, die der Prophet verurteilt. Kommentatoren haben seit langem schon beobachtet, dass Jesaja einen umfassenderen, weniger fragmentierten Zugang zum Problem menschlicher Sünde bietet als die anderen Propheten, und haben nach einem einheitsstiftenden Thema gesucht. Der beste Vorschlag für ein solches Thema ist vielleicht Stolz. Walter Eichrodt spricht von „Menschenstolz und Selbstüberhebung“ und von der „Ehrfurchtslosigkeit“ der Menschen, „mit der sie in Wort und Tat der göttlichen Majestät trotzen. … Luthers Satz: omne peccatum est superbia, alle Sünde ist Hochmut, trifft genau die Überzeugung Jesajas.“ (W. Eichrodt, Der Heilige in Israel, 1960, S. 56; mit einem Diktum Luthers aus dem Scholion zu Psalm 78,9 von 1513/16: WA 55/2, S. 545). Die wesentliche Sünde all der Leute, die Jesaja verurteilt, ist, dass sie sich selbst überheben. Dies gilt gleichermaßen von denen, die die bewährten Autoritäten zu verdrängen und die Macht zu übernehmen versuchen (3,1-15), wie von denen, die ihre eigene Weisheit der Weisheit Jhwhs vorziehen (5,21), von denen, die ihren Besitz auf Kosten der Armen zu vergrößern suchen (5,8), wie von den Frauen
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von Jerusalem, die vor allem an ihrem Erscheinungsbild interessiert sind (3,16-4,1 – selbst wenn 3,18-23 nicht authentisch ist, wäre die höhnischerhabene Aufzählung von Glänzendem und Glitzerndem gewiss auf Jesajas volle, sei es denn frauenfeindliche Zustimmung gestoßen), und von Schebna, wenn er mit seinem in den Fels gehauenen Grab prahlte und ein Bedeutungsgefühl zeigte, das dem Propheten verhasst war, den keiner beachtete. Eine elementare Konzentration auf Stolz hilft auch dabei, Passagen zu erklären, die andernfalls verwirrend bleiben, zum Beispiel 2,12-19, Jesajas Version des Themas „der Tag Jhwhs“, in der Gericht „über alles Stolze und Erhabene, über alles Hohe und Hochragende“ proklamiert wird (v. 12, „hochragend“ gemäß der griechischen Übersetzungstradition gegen „niedrig“ im hebräischen Text; Lutherübersetzung und Einheitsübersetzung beruhen hier auf einer anderen textkritischen und philologischen Entscheidung als die New Revised Standard Version). Alles, was „hoch“ ist, einschließlich gänzlich unschuldiger Bäume, Berge, Hügel und Türme, soll niedrig gemacht werden. Am ehesten wird das verständlich, wenn wir diese natürlichen Höhen als Metaphern für die „Hochgemutheit“ von Menschen verstehen, die gleichfalls niedrig gemacht (vgl. v. 11) und gedemütigt werden sollen. Tatsächlich sind wohl die „Menschen“, um die es geht, nicht alle Menschen im Allgemeinen, sondern Israel und/oder Juda, deren Führer durch ihr unmoralisches Verhalten genau diese Eigenschaft überwältigenden Stolzes manifestieren. Stolz oder Hochmut sind in Jesajas Augen auch ein Zeichen von Dummheit oder „Torheit“ (něbālāh), da Menschen, die stolz sind, die Welt in Verkehrung aller Dinge betrachten und sich dabei selbst an die Stelle Gottes versetzen. Dummheit wird, wie wir schon gesehen haben, in 5,21 angegriffen: diejenigen, die „in ihren eigenen Augen weise“ sind, sind einfach dumm in Gottes Augen. Eine ähnliche Verurteilung begegnet zu Beginn des Buches in 1,2-3: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“ Der Vergleich von Menschen mit Haustieren, der für die Tiere vorteilhaft ausfällt, hat eine lange Geschichte und lässt sich in einem ägyptischen Weisheitstext finden, wo ein Lehrer einem Schüler erklärt: „… Du hörst einfach nicht zu, wenn ich rede. Dein Herz ist unbeweglicher als ein Monument von 100 Ellen Höhe und 10 in der Breite, das fertig ist zum Aufladen. … Wie gewöhnlich wird man die Kuh dieses Jahr holen und sie wird
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beizeiten pflügen. Sie entwickelt Folgsamkeit gegenüber dem Viehhirten, einzig Reden bleibt sie schuldig. Wenn Pferde von der Weide geholt werden, vergessen sie ihre Mütter. Eingespannt gehen sie auf und ab mit beliebigem Auftrag seiner Majestät … Sie werden wie die, die sie geboren haben, wenn sie im Stall stehen, und wirklich alles tun aus Furcht vor Hieben. Aber mit welchem Stock ich dich auch schlage, du gehorchst nicht.“ (Papyrus Lansing; TUAT Erg.-Lfg. 2001, 109-142: 127)
Auch in Jes 1,2-3 erfahren wir wieder nicht, was genau Israel falsch gemacht hat, doch wir erfahren, dass das zusammengenommen „Torheit“ ausmacht – eine selbstverschuldete Unaufmerksamkeit für die Wahrheit. Wie Robert Lowth (1710-1787) es in seinem großen Jesajakommentar von 1778 ausgedrückt hat, sind diese Verse eine „Ausführung der groben Fühllosigkeit ungehorsamer Juden, durch Vergleichung derselben mit den dummsten aller Thiere, die doch nicht so fühllos seyn, als sie“ (übersetzt von J. B. Koppe, Bd. 2, 1780, S. 10). Sobald wir einmal anfangen, in Begriffen von Stolz und Selbstbehauptung als dem Wesen menschlicher Sünde zu denken, könnte es gelingen, ein paar weitere Fäden in dem komplexen Gewebe von Jesajas Prophetenworten zusammenzufassen. Opferkult Wie andere Propheten weiß Jesaja in gewissem Umfang etwas über den Opferkult zu sagen, der in Jerusalem praktiziert wurde. Es gibt ein paar Hinweise darauf, dass Hiskija eine systematische Reinigung der Aktivitäten im Tempel vornahm (vgl. 2Kön 18,4), und wenn die Rede des Rabschake in Jes 36,7 (= 2Kön 18,22) in irgendeinem Sinne eine historische Basis hat, dann könnte Hiskija wie sein späterer Nachfolger Joschija versucht haben, den judäischen Opferkult in Jerusalem zu zentralisieren. Wie immer das gewesen sein mag, Jesaja erwähnt an keiner Stelle die Religionspolitik Hiskijas, noch deutet er jemals an, dass irgendwelche der kultischen Ritualvollzüge zu seiner Zeit für Jhwh im mindesten akzeptabel seien; sie werden alle vorbehaltlos verurteilt, genau so wie bei Amos, Hosea und Micha. Doch das, was nicht gesagt wird, ist so interessant wie das, was gesagt wird. Bei Hosea, einem Zeitgenossen Jesajas, und bei Jeremia im folgenden Jahrhundert, liegt das Gewicht darauf, dass es Apostasie bedeute, an einem Kult teilzunehmen, in dem andere Götter verehrt werden – Baal, Aschera oder mesopotamische Gottheiten. Auch Jesaja erwähnt das, siehe dafür 1,2930 (wahrscheinlich auf „Fruchtbarkeits“-kulte bezogen), 2,6-22 und 8,19 (über
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Nekromantie oder Weissagung im Namen anderer Götter als Jhwh), 17,7-8 und 31,6-7. Bei einigen dieser Passagen ist die Authentizität fraglich. Alle aber zeigen einen deutlichen Unterschied zu den vergleichbaren Aussprüchen in den anderen Prophetenbüchern darin, dass sie die Verehrung fremder Götter nicht so sehr als Verweigerung von Loyalität gegenüber Jhwh verurteilen als vielmehr als eine Verehrung von etwas, „was menschliche Hände gemacht haben“. Wir sehen hier den Anfang einer Linie, die zu einer stehenden Tradition im Judentum werden sollte, nach der fremde Götter zuerst mit den Bildwerken identifiziert werden, die in ihrem Kult Verwendung finden, und dann als „Götzen“ beschrieben, als Haufen von Holz oder Stein, machtlos wenn es darum geht, ihren Verehrern zu helfen. Diese Tradition beginnt ernsthaft bei Deutero-Jesaja (z.B. Jes 44,9-20), und entwickelt sich in Texten wie dem Brief Jeremias [ein nur auf Griechisch überlieferter Text; in der Einheitsübersetzung als Baruch 6 gezählt] und Bel und der Drache [ein nur auf Griechisch überlieferter Zusatz zum Danielbuch; in der Einheitsübersetzung als Daniel 14 gezählt]; doch im Kern ist sie schon bei Jesaja zu greifen: Sie verehren „das Machwerk ihrer Hände“, „das, was ihre Finger gemacht haben“ (vgl. 17,8) – es ist kein großer Schritt von hier zu dem Götzentischler in Jesaja 44, der sein Essen auf der einen Hälfte eines Holzklotzes kocht und dann den „Gott“ anbetet, den er aus der anderen Hälfte macht. All dies ist in unserem gegenwärtigen Zusammenhang wichtig, weil es bedeutet, dass „Götzenverehrung“ oder die Befragung anderer Götter oder anderer übernatürlicher Wesen durch Jesaja dem Denkmodell von Dummheit oder Torheit oder vielmehr Selbstbehauptung und Stolz angeglichen wurde – denn zu verehren, was man selbst gemacht hat, könnte nach äußerster Demut aussehen, was aber ist es eigentlich anderes, als sein eigenes Gesicht im Spiegel zu verehren? Ein großer Teil des rituellen Kultes in Jerusalem war jedoch ganz offenkundig nicht anderen Göttern gewidmet, sondern Jhwh. Jesaja steht in der Tradition des Amos, wenn er selbst diesen genuin jahwistischen Kult als nicht besser ansieht als den Kult für andere Götter. Und dies wieder aus demselben Grund. Die Leute, die Jhwh Opfer darbringen, tun dies, um sich selbst zu gefallen. (Eine gute Diskussion dieses Themas findet sich bei H. W. Hertzberg.) Amos hatte das schon ungefähr so gesagt – „denn so gefällt es euch“ (4,5) – und Jesaja setzt diese Tradition fort. Jes 1,11 sagt, dass Jhwh kein Verlangen nach Opfern hat (vgl. Ps 50,12-13); sie sind für ihn eine Last, keine Freude.
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Sie bedeuten nicht eine Ehre, die Jhwh vonseiten des Volkes erwiesen würde, sondern sind einfach ein Mittel, mit dem das Volk sich selbst bei Laune hält. Dies ist eine sinnvolle Auffassung in einem übergreifenden Rahmen, in dem alle Sünde in gewisser Weise so gedeutet wird, als sei sie selbstbezogen und selbstsüchtig – allerdings sieht sie aus einer heutigen Perspektive eher unplausibel aus, da sich für uns das Wort „Opfer“ mit der Assoziation verbindet, dass man durch Verzicht etwas hergibt. Man sollte sich jedoch daran erinnern, dass Opfer im antiken Israel und Juda „Feste“ in einem säkularen wie in einem religiösen Sinn waren, und der Gedanke, dass Leute Opferfeste zelebrierten, weil sie die Feiern genossen, dürfte den Zeitgenossen Jesajas nicht so schwer verständlich vorgekommen sein wie uns. Fallweise glich ein Opferfest nicht so sehr der Abendandacht in Londons St. Pauls-Kathedrale als vielmehr einer Büroparty zu Weihnachten. Politische Bündnisse Wenn sich Jesajas Verurteilungen von kultischem Ritual, ob jahwistisch oder nicht-jahwistisch, in dem übergreifenden Zusammenhang seiner Polemik gegen Stolz und Selbstzufriedenheit verstehen lassen, dann ist es kein großer Schritt dahin, seine politische Botschaft in demselben Licht zu sehen. Eines der befremdlichen Merkmale seines entschlossenen Einsatzes für Neutralität und Abseitsstehen im Politischen besteht darin, dass er als eine Ablehnung von Versuchen zur Selbsthilfe präsentiert wird. Uns scheint es so, als ob Juda seine eigene Schwäche eingestanden habe, als es sich hilfesuchend zuerst an Assyrien, dann an Ägypten wandte. Doch Jesaja spricht davon als Selbstbehauptung. Für ihn ist es gleichbedeutend mit einer Verweigerung von Vertrauen auf Jhwh, mit einer Versteifung darauf, als Land die eigenen kleinlichen Berechnungen zu verfolgen. Das Bündnis mit Ägypten, das in 31,1-3 verurteilt wird, ist deshalb falsch, weil es bedeutet, eher auf menschliche Stärke zu vertrauen als auf Gottes Kraft – „auch der Ägypter ist nur ein Mensch und kein Gott“ (v. 3) – und dadurch das Menschliche dem Göttlichen vorzuziehen, das Geschöpf dem Schöpfer. Das ist im Kern derselbe Hochmut, der auch die Verehrung von Götzen hervorbringt oder die Verachtung der Rechte anderer. Aus dieser Perspektive gesehen bedeuten „Ruhe“ und „Stille“ nicht nur politische Untätigkeit und Neutralität, sondern auch eine Anerkennung der Majestät Gottes. Was von den Menschen erwartet wird, ist im Grunde genommen nur, dass sie Gott Raum lassen, in dem er wirken kann, und nicht versuchen, ihn zu einem bestimmten Tun zu zwingen. Einige stär-
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ker theologische Implikationen davon werden unten in Kapitel 6 erörtert werden. Aussprüche gegen fremde Völker Bisher haben wir uns nur mit Jesajas Angriffen auf Juda und Israel beschäftigt. Doch gibt es einige Prophetensprüche, die von den meisten Kommentatoren als echt anerkannt werden, in denen er andere Völker verurteilt. Obwohl sie offensichtlich nicht Teil seiner „Sozialethik“ sind, können sie an dieser Stelle besprochen werden, weil auch sie sich gut in das Bild einfügen, das allmählich seine Konturen gewinnt. In den Aussprüchen, die allgemein als authentisch gelten, geht es nur um zwei weitere Völker: Ägypten (Jes 1819) und Assyrien (Jes 10,5-19). Die Ägypter werden wegen ihrer Torheit verurteilt (19,11-15), gerade so wie die Judäer, mit denen sie verbündet waren (s.o. Kapitel 2). Interessanter noch ist das Prophetenwort gegen Assyrien in Jes 10. Naturgemäß würden wir erwarten, dass ein Orakel gegen Judas wichtigsten Feind die Assyrer deshalb verurteilen würde, weil sie sich gegen Jhwhs erwähltes Volk wendeten, so etwa nach dem Prinzip, dass jeder Feind von Jhwhs Volk notwendigerweise auch ein Feind Jhwhs sei. Tatsächlich aber ist das Orakel in Jes 10 erheblich schwieriger. Die Assyrer werden nicht dafür verurteilt, dass sie versuchen, Juda zu unterwerfen. Im Gegenteil, dies wird als ein Auftrag gedeutet, den Jhwh selbst ihnen erteilt habe: „Gegen ein ruchloses Volk schicke ich ihn, auf die Nation, der ich zürne, lasse ich ihn los, damit er Beute erbeutet und raubt wie ein Räuber, sie zertritt wie den Staub auf den Straßen.“ (10,6) Die Idee, dass Jhwh ein fremdes Volk, die Assyrer, gegen sein eigenes Volk gebrauchen könnte, galt lange Zeit als außerordentlich originell, und Jesaja wurden die ersten Anzeichen für einen monotheistischen Glauben zugeschrieben, dem zufolge der eine und einzige Gott die Aktionen aller Völker, auch der größten, kontrolliere. Doch die Wahrheit ist schlichter. Im antiken Vorderen Orient war es nicht ungewöhnlich, dass ein Nationalgott sein Volk mithilfe eines anderen Volkes bestrafte. Das klassische Beispiel hierfür ist die Inschrift der Moabstele aus dem 9. Jahrhundert v. Chr., in der es heißt, dass Kamosch von Moab über sein Land zornig gewesen sei und es deshalb Israel erlaubt habe, das Land zu besetzen: „Omri war König von Israel. Er unter-
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drückte Moab lange Zeit; denn Kamosch zürnte seinem Lande.“ (TUAT I, 646-650: 647). Die besonders feine Nuance in Jesajas Ausspruch über die Assyrer liegt nicht in der Aussage, dass sie durch Jhwh gegen Israel gesandt worden seien, sondern darin, dass ihr Auftrag eine bestimmte Frist gehabt habe, und dass sie selbst nun, weil sie diese überschritten hätten, dem Gericht verfallen seien: „Doch Assur stellt es sich nicht so vor, sein Herz plant es anders, er hat nur Vernichtung im Sinn, die Ausrottung nicht weniger Völker.“ (10,7) Sanherib muss seinerseits zu gegebener Zeit erniedrigt werden, weil er zu sich selbst sagt: „‚Das alles habe ich mit meiner starken Hand und mit meiner Weisheit vollbracht; denn ich bin klug.‘“ (10,13) Damit geraten wir wieder in ein bekanntes jesajanisches Themengebiet und sind nicht überrascht, wenn der Prophet im Fortgang in rhetorische Fragen wie diese ausbricht: „Prahlt denn die Axt gegenüber dem, der mit ihr hackt, oder brüstet die Säge sich vor dem, der mit ihr sägt?“ (10,15) Die Assyrer haben nicht dadurch gesündigt, dass sie sich aufgemacht haben, Juda zu erobern; das ist vielmehr genau das, was Jhwh von ihnen gewollt hat. Doch haben sie dadurch gesündigt, dass sie nicht die göttliche Hand hinter ihrer militärischen Expedition erkannt und dass sie ihre Erfolge ihrer eigenen Stärke zugeschrieben haben. In anderen Worten, sie haben gesündigt, indem sie ziemlich genauso dachten, wie die judäischen Herrscher. Die Formel „alle Sünde wurzelt in Stolz“ kann uns deshalb wiederum gut als eine Zusammenfassung der ethischen Kritik Jesajas dienen, nicht nur im Hinblick auf Israel und Juda, sondern auch im Hinblick auf die Assyrer. Kritiker halten dem manchmal entgegen, es sei absurd, dass Jesaja denken konnte, die Assyrer hätten wissen sollen, dass sie nur ein Instrument in Jhwhs Händen seien. Dieser Einwand ist in der Tat vernünftig. Doch wenigstens sagt Jesaja nicht, dass die Assyrer eine Offenbarung von Gott empfangen hätten, die ihnen gesagt hätte, dass sie nur seine Instrumente seien. Er setzt eine allgemeinere Idee voraus, nämlich die Idee, dass Menschen überhaupt nur Instrumente in der Hand Gottes/der Götter seien, was (zumindest im Prinzip) viele Herrscher des antiken Vorderen Orients akzeptiert haben könnten, wenn auch vielleicht nur als Lippenbekenntnis.
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3.3 Gottes Ordnung So gibt es also einen beträchtlichen Grad von Kohärenz in Jesajas Botschaft sowohl im politischen wie im ethischen Bereich. In beiden Fällen ist die Vorstellung zentral, dass Jhwh, der Gott Israels, auch der Herrscher der Welt sei und rechtmäßig den höchsten Platz über allem, was er geschaffen hat, einnehme. Das Wesen allen moralischen Handelns ist das Zusammenwirken bei der Erhaltung der geordneten Struktur, die unter Gottes Leitung in der Welt vorherrscht; und der Grundton des ganzen Systems ist Ordnung. Die Aufgabe für Individuen wie für Völker besteht darin, sich der Rolle, die ihnen angewiesen ist, zu beugen und jede Herausforderung Gottes zu vermeiden. H. H. Schmid hat auf überzeugende Weise dargelegt, dass die üblichen prophetischen Begriffe mišpāt. und s. ědāqāh (die man gemeinhin als „Recht“ und „Gerechtigkeit“ übersetzt – siehe z.B. Jes 5,7 [in der Einheitsübersetzung hier „Rechtsspruch“ und „Gerechtigkeit“]) im Hebräischen die Äquivalente zu den Begriffen sind, die verschiedene Kulturen des antiken Vorderen Orients für „kosmische Ordnung“ hatten, d.h. für eine Idee, die sowohl religiöse als auch ethische Elemente miteinander verband. Diese Idee ist am besten in ihrer ägyptischen Form bekannt, ma‘at, was sowohl die Ordnung meint, die dem Universum innewohnt, als auch eine Göttin. Die Aufgabe eines Königs war es, ma‘at aufrechtzuerhalten, sowohl durch moralisch richtiges Handeln – im Gericht gerecht verfahren, das Wohlergehen des Landes erhalten – als auch durch Sorgfalt bei der Darbringung von Opfern und der Veranstaltung der Zeremonien, die die Götter verlangten. Wenn Jesaja von der Notwendigkeit von Recht und Gerechtigkeit spricht, dann schwingen in seinen Worten Untertöne einer solchen Weise, die Welt zu sehen, mit, d.h. als ein System, dessen Ordnung durch gerechtes und richtiges Verhalten erhalten werden muss. Gerechtigkeit gilt so als eine kosmische Wirklichkeit und nicht nur, wie es die meisten Menschen heute sehen, als eine Wirklichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen. Ihre Vernachlässigung kann in einem buchstäblichen Sinn erd-erschütternd sein (vgl. Jes 24,4-5). Sünde beginnt ihren Aufstieg mit der Nichtbeachtung dieser allumfassenden Ordnung. Deren erster und sichtbarster Ausdruck kann als Torheit, Nichtwissen oder Perversität beschrieben werden (vgl. 29,15-16 hapkěkem, „O eure Verkehrtheit!“ [H. Wildberger] oder „Weh euch, die ihr alles verdreht.“ [Einheitsübersetzung]). Während die Natur und die Tierwelt die gebührende Ordnung instinktgemäß zu beachten scheinen, lassen Menschen sie unbeachtet. Torheit führt sodann zu einer Nichtbeachtung der gesellschaftlichen Ordnungen, die Gottes Ordnung der geschaffenen Welt wider-
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spiegeln sollten. Das Ergebnis ist eine Verwirrung in der Gesellschaft, bei der die, die Macht haben, keinen Respekt mehr vor den Ansprüchen und Bedürfnissen anderer empfinden – besonders derjenigen, die ihrerseits keine Macht haben und keine rechtlichen Mittel, ihren Ansprüchen Geltung zu verschaffen. Die praktischen Auswirkungen sind die Vergehen gegen die soziale Ordnung, die der Prophet hervorhebt: Diebstahl, Mord, Bestechung und Bestechlichkeit, Unterdrückung von Waisen und Witwen, Aneignung von Land. Torheit bringt auch Stolz und Hochmut hervor, die Fremde wie Israeliten, Hochstehende wie Geringe erfassen. Zu ihren derberen Ausdrucksformen gehört die Prahlerei, die mit zuviel Alkoholkonsum einhergeht; doch ziehen sie auch Zynismus im Hinblick auf moralische Werte nach sich, und die Verspottung Gottes. Stolz verführt Leute dazu, Selbststilisierung und Selbstverherrlichung zu genießen. Bei Hiskijas Minister Schebna bringt er die Sucht nach Statussymbolen hervor, bei dem assyrischen König den Glauben, dass er selbst, nicht Gott, die Quelle seiner Siege sei. In der politischen Sphäre führt Torheit zu einer Fehleinschätzung darin, wo für das bedrohte Königreich Juda echte Sicherheit liegt. Im religiösen Bereich führt sie zur Anbetung von „Götzen“, hinter der in Wahrheit die Verehrung seiner selbst liegt, und zu einer Abhängigkeit vom System ritueller Opfer, die in Wahrheit genauso selbstbezogen ist, wie „fromm“ auch immer sie in der Theorie aussehen mag. Für Jesaja hat eine Gesellschaft, die durch ihre Vernachlässigung von Ordnung und Gerechtigkeit im Inneren und durch ihre Verfolgung von Eigeninteresse ihren Zusammenbruch herbeiführt und sich dann dadurch zu schützen sucht, dass sie attraktive und wohltuende religiöse Riten erfindet und dass sie sich auf bloß menschliche Mächte als Hilfe verlässt, jeglichen Anhalt an der Realität verloren und verhält sich, als wandle sie im Schlaf. Gott kann zu einem solchen Volk nicht mehr durchdringen, dessen Verfassung am besten in zwei der schlagendsten Bilder Jesajas zusammengefasst wird: dem Bild des Trunkenboldes in 28,7-8, der durch sein Erbrochenes stelzt und der, je deutlicher man zu ihm spricht, desto selbstgewisser alle Warnungen als kindisches Gestammel ausschlägt; und dem Bild des geradezu kafkaesk versiegelten Buchs in 29,11-12, das die Gelehrten nicht lesen können, weil es versiegelt ist, und die Ungelehrten nicht, weil sie sowieso nicht lesen können. Das unerträgliche Gefühl der Frustration, das solche Perversität bei den Propheten auslöst, erreicht seinen Höhepunkt bei Jeremia, der (wie manche meinen) das Exil im 6. Jahrhundert geradezu begrüßte, weil es, wie hart auch immer, nach
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zwei langen Jahrhunderten von Besinnungslosigkeit eine Rückkehr in die Realität bedeutete; wir können indessen eine ähnliche Frustration schon bei Jesaja spüren.
3.4 Die Quellen für Jesajas ethische Lehre Wie innovativ war Jesajas ethische Botschaft? Im Einzelnen sagte Jesaja wahrscheinlich nichts über das moralische Leben seines Volkes, was nicht auch vorher schon ausgesprochen worden war. Drei mögliche Quellen für seine Ideen lassen sich relativ leicht identifizieren: Die Tradition der politischen Prophetie Jesaja war nicht der erste Prophet in Israel überhaupt, und nicht einmal der erste „unabhängige“ Prophet. Amos ging ihm wahrscheinlich ungefähr zwanzig Jahre voraus, und Hosea und Micha waren seine Zeitgenossen. Es gab bestimmte Themen, die alle diese Propheten beschäftigten, auch wenn sie im Hinblick darauf keinen breiteren ethischen Konsens in Israel vertreten haben mögen. Am auffälligsten ist das Empfinden, der eigene Nationalgott nehme einen so tiefgreifenden Anteil am politischen Leben, zumal der Außenpolitik seines Volkes, dass es für die Führer des Volkes gleichsam eine tödliche Sünde sei, sich dem entgegenzustellen, was er vorhabe. Es gab zweifellos eine lange prophetische Tradition, die von der göttlichen Anteilnahme am politischen Geschehen sprach – wir sehen das bereits in den Geschichten über Elija in 1Kön 17-21 und in der Erzählung von 1Kön 22, nach der Ahab vierhundert Propheten konsultierte. Jesaja tat nichts Innovatives, als er von einem religiösen Standpunkt aus die auswärtigen Angelegenheiten seines Volkes kommentierte und die Auffassung vertrat, dass sie eine ethische Dimension hätten. Dennoch hat seine Botschaft einige unverwechselbare Merkmale, wie z.B. die starke Betonung von „Stillsein“, das wir als einen Verzicht auf politisches Parteiergreifen umschreiben können, der unter Berufung auf eine völlige Hingabe an Gott statt an irdische Mächte erklärt wird. Rechtstraditionen Die sozialen Lehren der Propheten verdanken nach allgemeiner Einschätzung eine ganze Menge den Rechtstraditionen Israels, und Jesaja macht hier keine Ausnahme. Während in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Autoren, die
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über die Propheten schrieben, dazu tendierten, sie geradezu als die Entdecker der ethischen Forderung darzustellen, wurde in der Folgezeit argumentiert, dass viele der spezifischen moralischen Normen, auf die die Propheten sich beziehen, bereits in den verschiedenen Gesetzbüchern des Alten Testaments zu finden seien. Sie konfrontierten das Volk nicht mit zuvor unbekannten moralischen Forderungen, sondern riefen die Leute zu den moralischen Maßstäben zurück, die sie längst gut genug kennen sollten. Das sog. Bundesbuch in Exodus 21-23 könnte hinter vielenVerweisen Jesajas auf Ethisches stehen. So erklärt Ex 22,20-26 zum Beispiel die Verantwortung von Richtern und Herrschern für die Armen, die Witwen und die Waisen – damit wäre Jes 1,16-17 und 10,1-4 zu vergleichen –, während Ex 23,6-8 Bestechung und Bestechlichkeit verurteilt – damit vergleiche man Jes 1,23 und 5,23. Darüber hinaus gibt es gewisse Prinzipien, die Jesaja offenbar als allgemein anerkannt betrachtet, die zwar nicht Teil eines bestimmten überlieferten Gesetzbuches sind, aber doch scheinbar eine rechtliche oder quasi-rechtliche Tradition hinter sich zu haben scheinen. Wo Jesaja diejenigen verurteilt, die „Haus an Haus reihen und Feld an Feld fügen“ (5,8), nimmt er offenbar an, dass es irgendwie in sich selbst unrecht sei, Land von anderen zu übernehmen – es wird hier ja nicht gesagt, dass eine solche Enteignung nicht mit Bezahlung verbunden war, obwohl natürlich echter Diebstahl gemeint sein könnte. Jesajas Polemik gegen die Reichen hat wahrscheinlich dieselbe Basis wie die Erzählung in 1Kön 21 von Nabot und seinem Weinberg. Dort bietet Ahab Nabot eine Entschädigung in Geld für sein Land – er hat nicht die Absicht, es einfach zu stehlen – und dennoch weist Nabot das Angebot mit den Worten zurück, „der Herr bewahre mich davor, dass ich dir das Erbe meiner Väter überlasse“ (21,3). Die Verurteilung Ahabs resultiert am Ende daraus, dass er (bzw. Isebel) auf der Grundlage einer falschen Anschuldigung ein Todesurteil an Nabot vollstrecken lässt, so dass danach sein ganzes Eigentum an die Krone fällt. Doch die Grundannahme im Hintergrund der Erzählung ist, dass von niemandem erwartet werden könne, seinen ererbten Familienbesitz aufzugeben, nicht einmal für den König. Die Unveräußerlichkeit des Landbesitzes der Familie war offenkundig ein Prinzip mit geradezu rechtlicher Bindungskraft. Die rechtlichen Wurzeln der moralischen Maßstäbe bei den Propheten sind gründlich erforscht worden, und eine gute Diskussion der Frage findet sich in den Aufsätzen von A. Phillips und H.-J. Kraus. Die Abhängigkeit der Propheten von der Rechtsüberlieferung kann auch so verstanden werden, als
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bedeute sie, dass die Propheten der Theologie eines Bundes zwischen Jhwh und Israel verpflichtet gewesen seien, mit den Gesetzen als Bedingungen des Bundes. Diese Position wird von R. E. Clements in seinem Buch Prophecy and Covenant vertreten. W. Eichrodt ging noch weiter und argumentierte, dass Jesajas Gebrauch bestimmter Metaphern für Jhwh – „Vater“ oder sogar „der Heilige“ – belegten, dass er die Bundestradition als gegebene Grundlage angesehen habe. Doch sind in jüngerer Zeit Bibelwissenschaftler etwas vorsichtiger damit geworden, solche Folgerungen zu ziehen. Der Grund dafür sind zum Teil die Argumente von L. Perlitt und anderen, wonach die Bundestheologie jünger ist als die Propheten des 8. Jahrhunderts, und zum Teil ist es die gewandelte Auffassung, wonach ein Gebrauch der Gesetze nicht notwendig auch den Gebrauch des theoretischen Rahmens impliziert, den bestimmte Schreiber des Alten Testaments um sie herum gelegt haben. Wir können die Zehn Gebote in Ex 20,2-17 für wichtig halten ohne uns die Erzählung in Exodus 20 darüber, wie sie offenbart wurden, zu eigen zu machen. In gleicher Weise könnten die Propheten die Gesetze in Exodus 21-23 anerkannt und zitiert haben, ohne sie als die Bedingungen eines Bundes zwischen Jhwh und Israel betrachtet zu haben. Zur Orientierung über das Studium der Bundesvorstellung in der Bibelwissenschaft vgl. E. W. Nicholsons Buch God and his People. Die Weisheitstradition Einige Wissenschaftler haben die These vorgeschlagen, die prophetische Ethik schulde vieles der Weisheitstradition. Dies wäre gerade im Fall Jesajas sehr wahrscheinlich, wenn er denn tatsächlich in „weisheitlichen Schulhäusern“ ausgebildet und/oder als ein königlicher Ratgeber angestellt war. Jesaja gebraucht manchmal Redeformen, die in der weisheitlichen Lehrtradition beheimatet sind, wie etwa das Sprichwort (z.B. 3,10-11 – dies könnte indessen ein späterer Zusatz sein) oder das ausgeführte weisheitliche Gedicht über Gewerbe (über den Landbau in 28,23-29, vgl. hierzu J. W. Whedbee). Doch auch davon abgesehen bezieht Jesaja sich zweifellos auf ethische Normen, die mehr in der Weisheitskultur als in der Rechtskultur beheimatet waren. Eine spezifische „Sünde“, die Jesaja verurteilt, die aber nirgendwo im Gesetz erwähnt wird, ist Trunkenheit (5,11-12; 5,22; 28,1-8). Sie ist ein Standardthema weisheitlicher Schreiber: siehe Spr 20,1; 21,17; 23,19-21 und 31,4-5. Haltungen wie Stolz und Hochmut, die im innersten Kreis dessen liegen, was Jesaja bei seinen Zeitgenossen zu verurteilen findet, kommen naturgemäß
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schwerlich in Gesetzessammlungen vor – nur eine Gesellschaft mit einer Orwellschen Gedankenpolizei könnte über Derartiges Gesetze erlassen. Doch die weisheitlichen Schreiber sind in erster Linie mit genau solchen Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigt – siehe Spr 21,4; 30,11-14; auch 13,10. Jesajas Verurteilung derer, die „in ihren eigenen Augen weise sind“ (5,21), wird zwar manchmal als ein Angriff auf „die Weisen“ überhaupt gedeutet, ist tatsächlich aber ein Zitat von einem Weisheitslehrer selbst – siehe Spr 3,7. Wichtiger noch, viele der ethischen Normen Jesajas, die man in der Rechtsüberlieferung nachweisen kann, begegnen auch in der Weisheitsüberlieferung. Die Verpflichtung, sich um die Armen zu sorgen, zum Beispiel, oder das Übel einer Verurteilung Unschuldiger sind gewöhnliche Themen der Weisheit, so wie es auch die Verurteilung von Bestechung ist. Selbst Jesajas Gegnerschaft zum kultischen Opferritual hat Parallelen in der Weisheitsüberlieferung: „Gerechtigkeit üben und Recht ist dem Herrn lieber als Schlachtopfer.“ (Spr 21,3). Die Theorie, der zufolge Jesaja für seine ethischen Einsichten von der Weisheitskultur abhängig war, ist deshalb stärker als eine Erklärung in Begriffen der Rechtstradition, denn sie kann einen größeren Teil seiner Lehre erklären. Obwohl das so ist, beschränkt man sich wahrscheinlich sicherer darauf zu sagen, dass Jesaja Erbe verschiedener Traditionen von ethischer Unterweisung gewesen sei, als dass man eine ausschließliche Quelle seiner ethischen Ideen nachzuweisen versucht. Von allem, was im Recht wie in der Weisheit gelehrt wurde, könnte man sagen, es habe „in der Luft gelegen“ – die Erwartung wäre berechtigt gewesen, dass die Leute davon Kenntnis gehabt hätten, ohne dass sie notwendigerweise auch gewusst hätten, wie sie diese Kenntnis erlangt hatten. Genauso geht es ja mit ethischer Überlieferung in unserer eigenen Gesellschaft. Nur selten können Leute ihre ethischen Überzeugungen auf eine identifizierbare Quelle zurückführen. Und selbst wenn sie glauben es zu können, haben sie damit nicht immer Recht. Christen heute glauben zum Beispiel oft, dass die moralischen Werte, die ihnen teuer und wert sind, ein spezifisches Element der christlichen Tradition seien. Doch in vielen Fällen können sie in zahlreichen religiösen und nicht-religiösen Kulturen gefunden werden: Ehrlichkeit schätzen, Hass auf andere vermeiden, sich um die Armen und Bedürftigen sorgen, um nur drei Beispiele zu nennen, sind gemeinsame Ideale vieler Religionen, antiker und zeitgenössischer, östlicher und westlicher, und ebenso vielfältiger nicht-religiöser humanistischer Richtungen. Ziemlich dasselbe lässt sich über die Werte sagen, die Jesaja vertritt. Sie lassen sich nicht nur in verschiedenen Zweigen der Tradition Israels – wie
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Recht und Weisheit – nachweisen; sie begegnen auch in zahlreichen Texten außerhalb Israels. Die Verpflichtung von Herrschern, die Rechte derer zu schützen, die sich nicht für ihre eigenen Rechte einsetzen können (typischerweise „Witwen und Waisen“), ist ein Gemeinplatz in zahlreichen antiken Kulturen des Vorderen Orients – vgl. die Diskussion der Frage bei L. Epzstein. Wenn wir gesagt haben, dass die meisten konkreten Details der ethischen Vision Jesajas in früheren Quellen gefunden werden können, haben wir damit nicht gesagt, dass diese Vision unoriginell sei. Die oben analysierte Synthese, nach der alle moralischen Pflichten von der göttlich gegebenen Ordnung der Welt abzuleiten sind und mit der Anerkennung Gottes als des Höchsten beginnen, hat sonst im Alten Testament keine Parallelen. Obwohl es keine „Moralphilosophie“, die den Namen wirklich verdiente, in der antiken hebräischen Kultur gibt, gewinnt Jesaja das Profil eines Denkers mit einem starken Zug zur Ausbildung eines kohärenten und konsistenten Verständnisses von Ethik, lange vor allen anderen Denkern Israels, die uns bekannt sind. Das charakteristischste Kennzeichen seines Systems ist wahrscheinlich die Ableitung aller Pflicht von der Pflicht, sich Gott unterzuordnen. Dies könnte durchaus in Begriffen der eigenen Erfahrung des Propheten zu erklären sein. Die meisten Kommentatoren betrachten Jes 6 als einen Bericht über die „Berufung“ Jesajas oder seine prophetische Beauftragung, der die älteste Überlieferung seiner Aussprüche, die sog. Denkschrift (Memoire) in Jes 6-8, einleitet. Diese Berufung hat die Form einer visionären Schau Jhwhs in seinem himmlischen Thronsaal (vgl. 1Kön 22,19), die der Prophet als eine überwältigende Wahrnehmung der Erhabenheit des heiligen Gottes erfährt, der Sündhaftigkeit oder „Unreinheit“ der Menschheit insgesamt und des Volkes von Juda und Jerusalem im besonderen. Vielleicht hat dieser Gegensatz zwischen der göttlichen und der menschlichen Sphäre Jesaja nie mehr losgelassen und ihn dazu gezwungen, Sünde überhaupt ihrem Wesen nach als die Selbstbehauptung von schwächlichen Geschöpfen im Gegenüber zu ihrem erhabenen Schöpfer zu verstehen. Es ergäbe einen sinnvollen Gedankenzusammenhang, wenn es so gewesen wäre, doch können wir nicht wirklich wissen, dass es so war.
4 Jesaja und das Thema Zukunft Alltagssprachlich ist ein Prophet jemand, der die Zukunft vorhersagt. Doch Bibelwissenschaftler vertreten zu Recht die Ansicht, dass dieses Modell nur zu einem unzureichenden Verständnis der großen Propheten Israels führe. Gerade Jesaja befasste sich intensiv mit dem politischen Leben seines Volkes und mit dessen moralischer Verfassung und war zweifellos bei weitem mehr als ein bloßer Hellseher mit übernatürlicher Einsicht in die Zukunft. Doch es bleibt wahr, dass Jesaja und alle übrigen Propheten glaubten, besser als ihre Zeitgenossen zu wissen, was die Zukunft bringen würde. Vorhersagen nehmen einen zentralen Platz in ihrer Botschaft ein. Die moderne Bibelwissenschaft hat den Aspekt prophetischer Vorhersagen nicht wirklich insgesamt infrage gestellt; vielmehr hat sie die Aufmerksamkeit auf die Frage nach der unmittelbaren Nähe der Ereignisse, die die Propheten vorhersagten, fokussiert. Es ist ganz offensichtlich, dass Jesaja von der Zukunft gesprochen hat, in dem Sinne, dass er seinen Hörern sagte, was für Ereignisse sie sehr bald erwarten könnten, was die unmittelbaren Folgen ihres gegenwärtigen Tuns sein würden; so verstanden wird niemand bestreiten, dass er sich mit der Zukunft beschäftigte. Was weniger sicher ist – und was viele Bibelwissenschaftler in den vergangenen hundert und mehr Jahren infrage gestellt haben –, ist, ob er auch über die entferntere Zukunft gesprochen hat, wie es zum Beispiel vorausgesetzt wird, wenn man sein Buch als eine Sammlung „messianischer“ Prophezeiungen betrachtet. Doch Skepsis in dieser Hinsicht sollte nicht zu der extremen Schlussfolgerung verleiten, Jesaja habe überhaupt nicht über die Zukunft gesprochen. Bei keiner Interpretationsaufgabe beim Studium von Jesaja kann man dem Problem der Authentizität der Aussprüche entrinnen. Das ist inzwischen ein wohlbekannter Gesichtspunkt. Doch wo es um die Orakel über die Zukunft geht, entstehen es zwei besondere Schwierigkeiten. Erstens, Entscheidungen über die mögliche Authentizität betreffen Entscheidungen über die Bedeutung einzelner Texte, und sind wiederum umgekehrt von solchen Entscheidungen betroffen. So mag ein Kommentator denken, dass alle Vorhersagen über die entfernte Zukunft sekundär seien, während ein anderer sie für authentisch hält. Wenn beide zum Beispiel in der Auffassung zusammentreffen, dass Jes 9,1-6 vom künftigen Messias handelt, dann wird der erstere den Ausspruch für sekundär, der letztere für echt halten. So weit, so gut. Doch könnte es auch sein, dass sie keine Übereinstimmung darin erzielen, was der Ausspruch bedeutet. Der erstere könnte denken, dass er keineswegs messianisch sei, sondern (zum Beispiel) sich auf die
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Geburt des Hiskija beziehe (dies ist eine traditionsreiche jüdische Deutung), und in dem Fall könnte er mit dem letzteren darin übereinstimmen, dass er authentisch sei, doch aus sehr anderen Gründen. (Ähnliche Probleme gibt es dabei, den Anfang und das Ende eines Prophetenspruchs zu identifizieren. Besteht zum Beispiel Jes 29,1-8 aus zwei widersprüchlichen Orakeln, von denen deshalb mindestens eines wohl kaum authentisch ist, oder ist es ein einheitliches Orakel, das für Jerusalem eine Niederlage voraussagt, auf die ein Sieg folgen werde? Welche der beiden alternativen Möglichkeiten wir vorziehen, hängt in der Regel von einer vorgängigen Vorstellung davon ab, was aller Wahrscheinlichkeit nach die Botschaft Jesajas gewesen ist – und woher gewinnen wir diese, wenn nicht durch andere Entscheidungen über genau diese Art von Fragen?) Bei solchen Kontroversen ist die Gefahr einer Zirkularität im Argumentieren so groß, dass es schwieriger als sonst ist, Zutrauen zu den Entscheidungen von Kommentatoren zu empfinden, und wir könnten den Verdacht hegen, dass es einfach keine hinreichende Grundlage für sie gibt. Zweitens, es ist nicht so, als ob Jesaja 1-39 Orakel enthielte, die einfach sagten, „X wird passieren“. Einige von Jesajas Vorhersagen werden als solche vorgetragen, die unter der Bedingung eines bestimmten Tuns seiner Hörer stehen, andere als frei von jeder Bedingung; einige sprechen von göttlichem Gericht, andere von göttlichem Segen; einige sehen die Möglichkeit voraus, ein Unheil abzuwenden, andere sagen eine Wiederherstellung nach einer Niederlage voraus – und noch andere hoffen auf die Rettung eines „Restes“. Wenn wir Prophetensprüche beiseite lassen, bei denen der historische Kontext eine jesajanische Autorschaft sehr unwahrscheinlich macht (z.B. antibabylonische Passagen wie Jes 13), sehen wir uns immer noch einem breiten Spektrum von Vorhersagen gegenüber und verfügen über wenige, wenn überhaupt einige Kriterien, anhand derer wir entscheiden könnten, welche tatsächlich von Jesaja ausgesprochen wurden.
4.1 Fünf Typen von Vorhersagen Wenn wir jedoch wissen möchten, was Jesaja über die Zukunft gesagt hat, gibt es keine andere Möglichkeit als nach einem Weg durch dieses Labyrinth zu suchen. Damit diese Aufgabe ein bisschen besser zu bewältigen ist, können wir Jesajas Aussprüche über die Zukunft unter fünf weitgefasste Rubriken gruppieren:
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1. Aussprüche, die eine sichere Niederlage oder sicheres Unheil für Juda voraussagen: 2,6-21; 3,1-5; 3,6-8; 3,13-17; 3,24-4,1; 5,1-7; 5,8-30; 6,9-13; 7,17; 7,18-25; 8,5-8; 8,11-15; 8,21-22; 10,1-4; 10,22-23; 10,28-34; 18,1-6; 20,1-6; 22,1-8; 22,12-14; 28,1-22; 29,1-4; 29,13-16; 30,1-17; 31,1-3. 2. Aussprüche, die eine sichere Errettung voraussagen (ausdrücklich oder implizit): 7,10-16(?); 8,1-4; 8,9-10; 9,7-11; 10,24-27a; 17,1-6; 29,5-8; 30,2933; 31,4-9; 37,6-7; 37,22-35. 3. Aussprüche, die eine Errettung unter gewissen Bedingungen voraussagen: 1,10-17; 1,18-20; 7,7-9; 30,15. 4. Aussprüche, die eine Wiederherstellung nach der Zerstörung voraussagen, oder die Reinigung des Volkes durch ein Unheil, oder die Wiederherstellung eines Restes, der vor der allgemeinen Zerstörung gerettet wird: 1,24-27; 4,2-4; 10,5-19; 10,20-21; 30,18; 30,19-26. 5. Aussprüche über die entfernte Zukunft: 2,2-4; 8,23; 9,1-6(?); 11,1-9; 11,10; 11,11; 11,12-16. (Kategorie 4 klingt kompliziert, doch fasst sie alle Aussprüche zusammen, nach denen eine kommende Zerstörung als sicher betrachtet wird, aber in irgendeiner Form eine Wiederherstellung auf sie folgen wird.) Wie können wir von diesen Listen aus weiter gehen, um eine gewisse Vorstellung davon zu bekommen, was der Prophet Jesaja selbst möglicherweise über die Zukunft Judas gesagt hat? Von vornherein sind dabei zwei Vorbehalte anzumelden. Der erste ist, dass bei jeder Rekonstruktion fast unausweichlich die Annahme zugrundegelegt werden muss, dass es etwas gibt, was wir „die Botschaft Jesajas“ nennen können – in anderen Worten, dass Jesaja ein konsistenter Denker war, der etwas Unverwechselbares und in sich Stimmiges zu sagen hatte, nicht jemand, der sich immer wieder selbst widersprach. Es ist nun allerdings unmöglich, dies wirklich zu wissen, genauso wie es ja unmöglich ist sicher zu sein, dass auch nur ein einziges Wort in Jesaja 1-39 auf den Propheten selbst zurückgeht. Doch aus solchen Gründen sich von der Erforschung seiner Prophetensprüche abschrecken zu lassen, wäre ein verzweifelter Ratschlag. Wir werden das Kriterium der Konsistenz als ein wichtiges Instrument für die Rekonstruktion der Zukunftserwartung bei Jesaja benutzen, auch wenn wir nicht beweisen können, dass das gerechtfertigt ist; dasselbe tun übrigens fast alle Kommentatoren. Ein zweiter und vielleicht noch ernsterer Vorbehalt ist, dass wir nicht annehmen sollten, Jesaja habe während jeder der politischen Krisen zu seinen Lebzeiten dasselbe gesagt. Tatsächlich wird das „Bauerngleichnis“ (28,23-29) manchmal als Jesajas Rechtfertigung dafür interpretiert, dass er das nicht tat.
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(J. W. Whedbee bietet eine gute Argumentation dafür, während G. Fohrer meint, das Gleichnis sei Jesajas Versuch, seine eigene, oft wechselnde Botschaft vor einer skeptischen Hörerschaft zu rechtfertigen.) Gerade so wie ein Bauer jeweils seine Arbeitsweise ändert, um der Jahreszeit und der Getreideart gerecht zu werden, so passt sich Jhwhs Plan an wechselnde Bedingungen an. Deshalb kann Jhwh, obwohl er tatsächlich konsistent und weise ist („wunderbar in seinem Rat und überragend in seiner Weisheit“ [so nach der New Revised Standard Version; in der Einheitsübersetzung: „sein Rat ist wunderbar, er schenkt großen Erfolg“; zu den philologischen Fragen vgl. die Kommentare]), nicht durch frühere Handlungsmuster eingeschränkt werden. Man muss damit rechnen, dass er frei auf die Ereignisse reagiert. Es gibt daher keinen Grund, warum Gott (Jesaja zufolge) nicht versprochen haben sollte, das Volk vor der aramäisch-efraimitischen Koalition zu retten, dann aber dreißig Jahre später angedroht haben sollte, sie an Sanherib auszuliefern. J. Brights Lösung für das historische Problem der assyrischen Krise führt das zu seinem logischen Endpunkt weiter (vgl. Kapitel 2). Es gibt zwar, so argumentiert er, Orakel, die eine Niederlage gegenüber den Assyrern vorhersagen, und andere, die eine Errettung vor ihnen voraussehen. Doch gebe es dazwischen keinen Widerspruch, denn die ersteren gehörten in den Zusammenhang der ersten assyrischen Invasion im Jahr 701, die letzteren in den der zweiten im Jahr 687. Alles, was man dazu sagen kann, ist, dass, wenn Bright im Hinblick auf die zwei Invasionen Recht hat, dann in der Tat beide Typen von Orakel Jesaja zugeschrieben werden könnten. Es wäre indessen weniger klug zu behaupten, dass das Vorhandensein der beiden Typen an sich schon Brights Theorie unterstützte.
4.2 Eine konsistente Botschaft? Jeder der fünf Typen von Vorhersagen, die oben identifiziert wurden, muss nun untersucht werden um zu sehen, ob trotz der skizzierten Schwierigkeiten eine konsistente Botschaft aus ihnen gewonnen werden kann. 1. Unheil ohne jede Bedingung Wenn wir annehmen, dass Jesajas Botschaft durchgängig zumindest eine Art generelle Konsistenz hatte, dann ist die erste Beobachtung, die man an den soeben vorgestellten Listen machen kann, das große Übergewicht von unbedingten Vorhersagen von Katastrophen. Es scheint, dass Jesaja bei jeder der
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politischen Krisen, die er erlebte, eine Niederlage des Volkes voraussah. Es wäre unmöglich, all diejenigen Aussprüche, die ein „Wehe“ voraussagen, zu streichen, ohne Jesaja 1-39 zu einem Trümmerhaufen zu machen. Nur wenige Kommentatoren stellen infrage, dass Jesaja Unheil für Juda prophezeite – in manchen Fällen (wie wir in Kapitel 2 gesehen haben) mit einer Härte, die am Ende nicht durch die Ereignisse gerechtfertigt wurde. So scheint 29,1-4, wenn wir vorerst einmal annehmen, dass es ursprünglich gegenüber 29,5-8 selbständig war, zu sagen, dass Jerusalem bis auf den Grund eingeebnet werden würde („dann sollst du erniedrigt werden und von der Erde her reden, und aus dem Staube mit deiner Rede murmeln“ [v. 4; Lutherübersetzung]). Ohne Zweifel hat Jerusalem durch die Assyrer nichts erlebt, was dem entsprechen würde. 2. Segen ohne jede Bedingung Viel schwieriger ist die Frage, ob auch die bedingungslosen Verheißungen authentisch sind. Seit dem Aufkommen der modernen Bibelwissenschaft haben sie regelmäßig unter Verdacht gestanden, denn es ist so leicht, sich Gründe vorzustellen, warum spätere Herausgeber der Prophetenbücher sie erfunden haben sollten. In der Zeit des Neuen Testaments war die Annahme weit verbreitet, dass die Propheten künftige Segensgüter für Israel vorausgesehen hätten. Schon Ben Sira (Jesus Sirach) sagt, „Ferner die Zwölf Propheten: Ihre Gebeine mögen von ihrer Stätte emporsprossen. Sie brachten Heilung für Jakobs Volk und halfen ihm durch zuverlässige Hoffnung.“ (Sir 49,10). Über Jesaja schreibt er (48,24), „mit großer Geisteskraft schaute er die Zukunft und tröstete die Trauernden in Zion“ – offensichtlich mit einem Bezug auf Jes 61,2, einem Wort, das ganz natürlich als ein Ausspruch Jesajas galt und als eine gute Zusammenfassung der Absicht behandelt wurde, die hinter den Prophezeiungen Jesajas stand. Es ist nur zu wahrscheinlich, dass jeder Herausgeber, der die Aufgabe der Propheten in diesem Licht sah, ihnen Orakel der Hoffnung und des Segens zugeschrieben haben könnte. Die Einstellungen gegenüber den scheinbar bedingungslosen Worten der Hoffnung sind eine schöne Illustration dafür, wie schwer man zuversichtlich darin sein kann, dass unsere Interpretation des Propheten richtig ist. Die Sicht, nach der solche Worte in den meisten Fällen sekundär sind, war unter den kritischen Wissenschaftlern aufs Ganze gesehen die vorherrschende Sicht, doch hat sie das Problem der Authentizität nicht gelöst, weil die Wissenschaftler keinen Konsens darin erzielen können, welche Worte tatsächlich
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bedingungslos sind. All die scheinbar schlichten Vorhersagen einer Errettung im Zusammenhang der assyrischen Krise wurden von den meisten älteren Kommentatoren als redaktionelle Zusätze behandelt und werden so auch noch von H. Barth behandelt, für den sie zu einer „joschijanischen Redaktion“ gehören. Doch G. Fohrer, der mit gleicher Sicherheit annahm, dass die bedingungslosen Verheißungen inauthentisch sein müssten, verteidigte die Auffassung, dass nun diese Verheißungen genau genommen nicht bedingungslos seien – vielmehr gebe es implizite Bedingungen. Dies ist bitter und verwirrend für jeden, der zu entdecken hofft, dass Jesaja in Wirklichkeit ein Prophet des „Trostes“ war: die hoffnungsvollen Worte werden vor jenen Kritikern gerettet, die sie als sekundär betrachten möchten, doch der Preis dafür ist eine Interpretation, nach der sie nicht mehr besonders hoffnungsvoll klingen! (Siehe hierzu auch W. Dietrichs Jesaja und die Politik, und die Rezension von R. E. Clements.) Es kann nicht bewiesen werden, dass die bedingungslosen Vorhersagen guter Entwicklungen alle sekundär sind, obwohl die voranstehenden Darlegungen deutlich machen, dass es schwer wäre, ihre Echtheit zu beweisen. Von den oben aufgezählten Texten würden 10,24-27a und 30,29-33 weithin als ziemlich späte Ergänzungen betrachtet werden – O. Kaiser zufolge aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr., obwohl R. E. Clements argumentiert, dass sie nicht später als aus der Zeit Joschijas sein können, wenn man den Namen „Assyrer“ in buchstäblichem Sinn versteht. Sie weisen einige Merkmale von „Midrasch“ auf – der Erläuterung von Passagen der schriftlichen Überlieferung durch weitere Ausführungen zu ihnen. In anderen Worten, sie sind wahrscheinlich spätere Weiterentwicklungen von jesajanischen Themen. Jes 9,7-11 ist implizit ein Orakel über bedingungslosen Segen für Juda, weil es den Zusammenbruch von Aram und Efraim voraussagt – d.h. der aramäischefraimitischen Koalition; 17,1-6 kommt mit derselben Implikation. Diese beiden Aussprüche passen gut zu Jesajas Botschaft, dass Juda von der Koalition nichts zu befürchten habe; wir werden darauf zurückkommen. Jes 7,16 wird weiter unten behandelt. Jes 8,1-4 und 8,9-10 implizieren fraglos eine uneingeschränkte Errettung Judas, doch werde ich weiter unten zeigen, dass ihre Gegenüberstellung mit 8,5-8 ernst genommen werden sollte. Damit bleiben vier bedingungslose Hoffnungsworte übrig, diejenigen, die meistens im Mittelpunkt der Diskussion gestanden haben. Alle vier spiegeln scheinbar die assyrische Krise von 701 wider, und drei von ihnen haben die „Unverletzlichkeit des Zion“ zum Thema (37,6-7 erwähnt den Zion nicht):
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„Wie wenn ein Hungriger träumt, dass er isst, dann aber aufwacht und immer noch hungrig ist, … so wird es dem Haufen all der Völker gehen, die gegen den Berg Zion in den Krieg ziehen.“ (29,8) „… so ist der Herr der Heere, wenn er herabsteigt, um auf dem Gipfel des Berges Zion, auf seiner Anhöhe, zu kämpfen. Wie ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln wird der Herr der Heere Jerusalem schützen …“ (31,4-5) „Dich verachtet, dich verspottet die Jungfrau, die Tochter Zion. … Ich ziehe dir einen Ring durch die Nase und lege dir einen Zaum in das Maul. Auf dem Weg, auf dem du herankamst, treibe ich dich wieder zurück.“ (37,22.29) Dieses Thema begegnet auch in den Psalmen – siehe besonders Psalm 46-48 –, und Kommentatoren haben das früher als einen klaren Hinweis darauf betrachtet, dass die Autoren dieser Psalmen mit Jesajas Lehre vertraut waren. Jesaja, so glaubte man, hatte prophezeit, dass Zion, Jhwhs heilige Stadt, niemals von Unheil betroffen sein würde; er erhielt durch die Ereignisse Recht, als das assyrische Heer außerhalb der Stadt vernichtet wurde (Jes 37,36-37); und Zions Unverletzlichkeit für feindliche Angriffe wurde entsprechend zu einer anerkannten Lehre in Israels Theologie und fand einen Platz in den Psalmen. In neuerer Zeit ist es stattdessen üblicher geworden zu argumentieren, dass die Tradition von Zions Unverletzlichkeit der Zeit Jesajas bereits vorausliege und möglicherweise sogar ein alter jebusitischer Glaube hinsichtlich Jerusalems gewesen sei, der nach der Eroberung der Stadt durch David in judäisches Glaubensgut überging. Es gibt parallele Glaubensmotive in anderen Traditionen des antiken Vorderen Orients und des antiken Mittelmeerraums über die Unantastbarkeit einer Hauptstadt. Der assyrische Fehlschlag mit der versuchten Eroberung Jerusalems (ob auf spektakuläre Weise durch eine Pest verursacht, oder prosaischer durch politische Ereignisse) wurde als eine Bewährung der Tradition empfunden. Sie stand deshalb bis ins 6. Jahrhundert in Blüte, als die Zerstörung der Stadt und das Exil ihr endgültig ein Ende machten. Mit der Voraussage, dass die Stadt keinen Schaden nehmen würde,
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machte Jesaja sich demnach einfach eine bereits vorhandene Tradition zueigen, begründete aber nichts Neues. Doch keine dieser beiden möglichen Perspektiven auf das Motiv der Unverletzlichkeit Zions löst das Problem der Authentizität der Aussprüche, die wir untersuchen. Es scheint keinen vernünftigen Zweifel daran zu geben, dass Jesaja über die Unverletzlichkeit Zions sprach, ob oder ob nicht er dabei von einer langen Tradition der Reflexion darüber abhängig war. Doch glaubte er selbst daran? Ein Ausspruch, der hier wichtig sein könnte, wurde bereits oben in Kapitel 2 erörtert: Jes 22,12-14. Er bietet scheinbar einen Kommentar zu der verbreiteten Reaktion auf die Tatsache, dass Jerusalem im Jahr 701 nicht fiel. Während die Leute insgesamt dies als eine wunderhafte göttliche Errettung betrachten und darauf reagieren, indem sie große Freudenfeiern vorbereiten, wird Jhwh so gezeichnet, als sage er, dass diese Reaktion eine tödliche Sünde sei: „‚Diese Schuld wird euch bis zu eurem Tod nicht vergeben,‘ spricht Gott, der Herr der Heere.“ (22,14). Was die Leute als einen großen Sieg deuteten, oder wenigstens als eine große Errettung, betrachtete Jesaja als ein Desaster. Beide Deutungen sind aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten verständlich. In Begriffen der nüchternen Realität war der Unterschied zwischen einer Tributzahlung an einen Feind, der daraufhin abzieht, und einer Erfahrung der Eroberung und Plünderung der eigenen Stadt ungeheuer – bei weitem genug, um zu erklären, warum die Einwohner Jerusalems überschwänglich froh waren. Sie hatten die Goldbeschläge der Tempeltore eingebüßt, aber die Stadt selbst war unversehrt, niemand war getötet oder vergewaltigt oder misshandelt worden. Aus Jesajas theologischem Blickwinkel war das eine Ergebnis kaum besser als das andere; so oder so war Jerusalem nicht länger unabhängig, und die Assyrer würden wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zeit zurückkommen. Es geht hier nicht darum zu fragen, wessen Deutung „richtig“ war, sondern darum zu bemerken, dass der zitierte Ausspruch einen Propheten zeigt, den Theorien über die „Unverletzlichkeit“ ziemlich kalt ließen. Die Stadt war nicht gewaltsam eingenommen worden, doch für ihn war es gerade so, als wäre es geschehen. Dies könnte die Annahme nahelegen, dass die Zionstradition, die bis zum Exil andauerte (vgl. Klgl 2,15), von Seiten Jesajas keine Ermutigung erfuhr. Und wenn das so ist, dann fällt es schwer, 29,5-8; 31,4-9 und 37,22-35 als authentisch zu betrachten. Vielmehr scheinen die Texte entweder spätere Zusätze zu sein, die Jesaja einen Glauben an die Sicherheit Zions zuschreiben, den er nicht teilte, oder Zitate früherer „Zion-Orakel“, die überhaupt nicht von Jesaja stammen – oder die
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allenfalls seine Zitate von Verheißungen sind, die er nicht glaubte und die er abweisen wollte. Seit Mitte der 1970er Jahre ist das Pendel wieder zurückgeschwungen. R. E. Clements, der darin H. Barth folgt, nimmt an, dass die Zionstradition (die in Wahrheit in erster Linie Teil der Traditionen über David und seine Dynastie sei) nicht aus einer Zeit vor Jesaja stamme. Sie ist – so wie es die ältere Theorie dargestellt hatte – von der „Errettung“ Jerusalems im Jahr 701 abzuleiten. Sie stellt die Folgerung dar, die die man aus der Nicht-Einnahme der Stadt zog, und diese war eine desaströse Folgerung. Der Glaube, dass die Stadt niemals an einen Feind fallen könne, hatte äußerst schädliche Folgen im nächsten Jahrhundert, indem sie das Volk zu einem aussichtslosen Widerstand gegen die Babylonier ermutigte. Ob oder ob nicht Jesaja damals gesagt hat, dass Jerusalem am Ende nicht den Assyrern zufallen würde; er wollte mit Sicherheit nicht sagen, dass so etwas niemals geschehen könnte. Selbst wenn diese Prophetensprüche authentisch sind, können sie nicht das Gewicht tragen, das spätere Generationen ihnen aufluden. Jesaja glaubte nicht, dass Jhwh Jerusalem einen Blankoscheck ausgestellt hatte, sondern nur, dass er der Stadt bei dieser besonderen Gelegenheit aus der Klemme helfen würde. Diese Interpretation von Jesajas unbedingten hoffnungsvollen Aussprüchen lässt die Frage offen, ob sie tatsächlich auf den Propheten zurückgehen. Doch selbst wenn sie es tun, scheinen sie weit weniger dramatisch und weitreichend zu sein, als sie es gemäß einer konventionellen Leseweise für das Buch wären. Im Hinblick auf die große Zahl von unheilschweren Prophetenworten im Buch fällt es nicht leicht sich vorzustellen, dass Jesaja im Jahr 701 einfach seine lebenslange düstere Sicht von Judas Zukunftsaussichten aufgab und entweder der erste Vertreter oder der bereitwillige Verkünder einer Theorie wurde, dass der Zion über eine unbegrenzte Garantie für Wohlstand und Sicherheit verfüge. Und wenn er tatsächlich eine Versicherung abgab, dass die Stadt nicht fallen würde – dieses Mal – dann beeilte er sich darauf zu bestehen, dass ihr Entrinnen kein Sieg war, sondern der Beginn eines Abstiegs in die Vasallität. 3. Segen unter Bedingungen Die bedingten Verheißungen in Jesaja 1-39 sind nicht zahlreich, doch könnten sie durchaus eine zentrale Bedeutung für das Verständnis der Botschaft Jesajas haben. Jes 7,7-9 ist Jesajas Wort an Ahas während des aramäischefraimitischen Krieges. Jes 1,10-17 und 1,18-20 (wenn es richtig ist, die beiden
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Texte so abzugrenzen) könnten aus nahezu jeder Epoche stammen, da sie mit sozialen, nicht politischen Angelegenheiten zu tun haben; oft werden sie der Zeit vor der aramäisch-efraimitischen Koalition zugeschrieben. Der erste Ausspruch deutet implizit an, dass dem Volk, wenn es sich ändert, vergeben werden könne, der zweite sagt das explizit: „wenn ihr bereit seid zu hören, sollt ihr den Ertrag des Landes genießen“ (1,19). Jes 30,15 bezieht sich deutlich auf die assyrische Krise, weil es in einem Orakel steht, das das Bündnis mit Ägypten verurteilt. Jesajas Botschaft während des aramäisch-efraimitischen Krieges lässt sich nicht leicht in den Fokus bringen. Wir haben schon oben festgestellt, dass die Orakel in Jesaja 8 (v. 1-4 und v. 9-10) Verheißungen sind, denen keine Bedingungen hinzugefügt werden. Sie sprechen von dem sicheren Sturz der Koalition. Doch auf der anderen Seite begegnen sie jetzt neben 8,5-8, das anscheinend ein Orakel über bedingungsloses Unheil ist. Hier läuft die Argumentation so: Da Juda Rezin und Pekach ben Remalja, „gefürchtet“ hat, statt Jhwh zu vertrauen (der durch die sanft strömenden Wasser des Schiloach symbolisiert wird), wird die assyrische Invasion des nördlichen Königreiches Israel nach Juda überschwappen mit einer Flutwelle wie die Wasser des Eufrat („der Fluss“). Es gibt keinen wirklichen Grund, die Authentizität beider Botschaften infrage zu stellen, außer die offenkundige Unvereinbarkeit zwischen ihnen. Genau an diesem Punkt könnte die bedingte Verheißung in 7,7-9 eine Lösung anbieten. Jesaja hat im praktischen Auftreten nicht einfach den Lauf der Ereignisse vorhergesagt, sondern den König und seine Ratgeber vor die Herausforderung gestellt, einen besonderen Weg des Handelns – oder eher des Nicht-Handelns – zu wählen. Er konfrontiert mit einem einfachen entweder/ oder. Vertrauen in Jhwh wird zu Sicherheit führen, ein Hilferuf an die Assyrer zur Unterwerfung durch sie. Die aramäisch-efraimitische Koalition wird sowieso durch die Assyrer vernichtet werden – das ist nicht, worum es geht; was von Ahas’ Entscheidung abhängt ist nicht, ob die Koalition nach Juda einfallen wird, sondern ob die Assyrer es tun werden. Den historischen Hintergrund für dieses alles haben wir in Kapitel 2 betrachtet. Das Herzstück dessen, was Jesaja zu sagen hat, ist das Prophetenwort in 7,7-9, das am Ende einen Haken hat: „Das kommt nicht zustande, das wird nicht geschehen. Denn das Haupt von Aram ist [nur] Damaskus und das Haupt von Damaskus ist [nur] Rezin. …
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Das Haupt von Efraim ist [nur] Samaria und das Haupt von Samaria ist [nur] der Sohn Remaljas. Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“ (7,7-9) Anlass zur Furcht gibt nicht der Feind, sondern die Furcht vor ihm! Denn die wird zu einem Hilferuf nach Assyrien führen, und der wiederum wird zu einem Verlust der eigenen Unabhängigkeit und in letzter Instanz zur Vasallität führen. So ist Jesajas Botschaft notwendigerweise eine bedingte Verheißung – was dasselbe besagt wie dass sie eine bedingte Drohung ist. Das Element einer Drohung ist am deutlichsten in der Anwesenheit von Jesajas Sohn Schear-Jaschub an der Wasserleitung des oberen Teiches (7,3) zu erkennen. Beide Söhne Jesajas haben zweideutige Namen. Maher-SchalalHasch-Bas (8,1.3) bedeutet, „Schnelle Beute – Rascher Raub“, in anderen Worten, „die militärische Niederlage kommt bald“. Doch erfahren wir nicht, ob das eine gute oder schlechte Nachricht ist. Es steht uns frei, sie als eine gute Nachricht für Juda aufzufassen, weil das dahinstürmende Heer (der Assyrer) schon bald Aram und Efraim den Rest geben wird (8,4). Doch könnten wir sie natürlich auch als eine Prophezeiung auffassen, dass dasselbe assyrische Heer nach Juda einfallen wird, und so wird sie in 8,5-8 gedeutet: es geht um Juda, für das das Ende schnell kommen wird. Die eine oder die andere der beiden Interpretationen könnte eine spätere Ergänzung sein, doch wenn Jesajas Vorhersage eine bedingte Vorhersage war, dann steht es uns frei, beide als authentisch zu betrachten: dies waren die Optionen, zwischen denen Ahas wählen musste. So auch bei Schear-Jaschub. Der Name bedeutet, „ein Rest kehrt um“, und der genaue Bedeutungsgehalt von „Umkehr“ ist nicht klar: aus einer Schlacht zurückkehren, zu Jhwh zurückkehren, weiterexistieren – dies sind alles mögliche Wiedergaben des Sinns. Die grundlegendere Zweideutigkeit liegt jedoch in dem Problem, wie wir den Satz betonen sollen. Bedeutet er „ein Rest wird zurückkehren“, d.h. „Notlagen mögen bevorstehen, doch ist nicht alles verloren“; oder „ein Rest wird zurückkehren“, d.h. „nur eine Handvoll Überlebender wird zurückbleiben“? Dass jede der beiden Bedeutungen möglich ist, wird auf schlagende Weise durch 10,20-23 erwiesen, einen Text, der allgemein als sekundär gilt; hier behandeln v. 20-21 die Existenz eines Restes als eine sehr gute Nachricht – „Ein Rest kehrt um zum starken Gott, ein Rest von Jakob“; während v. 22-23 ihn als eine schreckliche Nachricht behandeln – „Israel, wenn auch dein Volk so zahlreich ist wie der Sand am Meer – nur ein Rest von ihnen kehrt um“. Wie bei Maher-Schalal-Hasch-Bas können wir bei
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Schear-Jaschub die Zweideutigkeit als absichtsvoll angelegt verstehen. Der König hat die Macht, durch seine eigene Handlungsweise die Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die Nachricht gut oder schlecht ist. Allerdings ist die Zweideutigkeit im Fall des Namens Schear-Jaschub nicht ganz so groß, weil schon überhaupt die Idee eines „Restes“ irgendeine Art von Unheil voraussetzt (vgl. Amos 5,3). Es kann einen Rest des Volkes nur dann und erst dann geben, wenn die meisten zugrundegegangen oder jedenfalls irgendwie für Gottes Pläne unwichtig geworden sind. Aussprüche über einen Rest sind potentiell hoffnungsvoll, nachdem das Unheil eingetreten ist: sie weisen auf neue Anfänge hin. Doch sind sie nicht erwünscht in Zeiten, wo generell die Hoffnung und die Erwartung besteht, dass das Unheil sowieso abgewendet werden könne. Indem Jesaja für die Begegnung mit Ahas seinen bedeutungsschwer benannten Sohn mit sich nahm, übermittelte er mit Sicherheit eine Warnung: Wenn du nicht auf meine Worte hörst, wird von Juda nichts als Splitter und Scherben übrigbleiben; „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“ Jesaja hat so dem König in der Zeit der aramäisch-efraimitischen Koalition offenbar eine Wahl gelassen. Sowohl seine Verheißungen als auch seine Drohungen hängen von dem Ausgang des Entscheidungsprozesses ab. Im Prinzip gilt dasselbe auch von der Zeit der assyrischen Krise. In ihr hat Jesaja wiederum den Rat gegeben, kein Bündnis zu suchen. 30,15 ist die klassische Formulierung seines Rates: „Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.“ Doch hier ist zu bemerken wichtig, dass diese bedingte Verheißung sich jetzt mitten in einem Ausspruch findet, der nicht auf eine Entscheidung vorausblickt, die der König und das Volk noch zu treffen hätten, sondern auf eine Chance zurückblickt, die sie nicht genutzt haben: „Denn so spricht der Herr, der Heilige Israels: ‚Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.‘ Doch ihr habt nicht gewollt, sondern gesagt: ‚Nein, auf Rossen wollen wir dahinfliegen.‘ Darum sollt ihr jetzt fliehen. Ihr habt gesagt: ‚Auf Rennpferden wollen wir reiten.‘ Darum rennen die Verfolger euch nach.“ (30,15-16)
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So verweist die Verheißung von Sicherheit aufgrund von „Stille“ auf eine Handlungsweise, die bereits verworfen wurde. Errettung war theoretisch eine Möglichkeit gewesen, doch hatte sie von Optionen abgehangen, die das Volk bereits zurückgewiesen hatte. Logisch gesehen liegt fraglos eine bedingte Verheißung in den Worten, doch zu dem Zeitpunkt, zu dem Jesaja sie ausspricht, ist ihm bereits bewusst, dass die Bedingungen nicht erfüllt wurden. Wenn wir das festhalten und uns nun den beiden bedingten Verheißungen in Jesaja 1 zuwenden, können wir uns fragen, ob selbst diese so hoffnungsvoll sind, wie sie aussehen. Jes 1,16-17 ermahnt die Hörer zweifellos, ihre Wege zu ändern, und muss logischerweise die Implikation haben, dass es einen Sinn hätte, das zu tun: Jhwh würde es bemerken und nicht das volle Maß seiner Strafe auferlegen. Jes 1,18-20 bietet ganz direkt eine Wahl zwischen gutem Handeln, das zu Segen führt („dann sollt ihr den Ertrag des Landes genießen“), und schlechtem Handeln, das zu Strafe führt („dann werdet ihr vom Schwert gefressen“ – wir könnten den Gegensatz noch deutlicher machen durch die Übersetzung „dann wird das Schwert euch fressen“). Einige Kommentatoren sind der Ansicht, dass das Angebot von Vergebung in v. 18 so weit aus Jesajas Unheilsbotschaft herausfällt, dass wir es als eine rhetorische Frage betrachten sollten – „Wo eure Sünden ja rot wie Scharlach sind, sollen sie weiß werden wie Schnee?“. Andere schlagen die Deutung vor, dass der Prophet hier die Forderungen des Volkes in einem hypothetischen Prozess zitiere, der bei der Wendung, „kommt her, wir wollen sehen, wer von uns Recht hat,“ – d.h. so viel wie: lasst uns vor Gericht ziehen –, vorgestellt werde, etwa so: „‚eure Sünden sind rot wie Scharlach, doch sie sollen weiß wie Schnee werden‘ – ist es das, was ihr vorschlagt?“. Doch sind das ziemlich verzweifelte interpretatorische Anläufe, denn die Verse wirken nicht dunkel und unklar. Sie scheinen vor eine echte Wahl zu stellen. Was wir uns im Licht von 30,15 fragen können, ist, inwieweit Jesaja diese Wahlmöglichkeit als eine solche ansah, die noch offen war. War es vielleicht eine, auf die die Antwort inzwischen schon von vornherein feststand, wie bei 30,15? Das könnte davon abhängen, zu welchem Zeitpunkt in Jesajas Wirken die Worte gesprochen wurden. Wenn sie aus seiner frühen Zeit stammen, kann man sie sich leichter als eine echte Aufforderung vorstellen, als wenn sie aus den letzten Jahren seines Lebens stammen, in denen er zu der Ansicht gelangt war, dass Juda bereits mehr als genug Gelegenheiten zur Buße gehabt und sie alle verschwendet habe. Die Entscheidungen der Kommentatoren hinsichtlich dieser Fragen hängen zum Teil von ihrer Antwort auf die generelle Frage ab: „haben die Pro-
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pheten Buße gepredigt?“ – wie sie umgekehrt zum Teil auch ihre Antwort auf diese Frage mitbestimmen. Die meisten Leser der Bibel nehmen es wahrscheinlich als gegeben an, dass die Propheten dazu gesandt waren, Israel zu Gott zurückzurufen, indem sie versuchten, das Volk dazu zu bringen, seine Wege zu ändern. Es gibt jedoch eine starke Denktradition bei einigen deutschen Alttestamentlern (vgl. W. H. Schmidt und A. V. Hunter), die den Akzent darauf legt, dass die Propheten, zumindest im 8. Jahrhundert, eher die Aufgabe hatten, das kommende Gericht Gottes zu erläutern und zu rechtfertigen, als die Aufgabe, die Menschen dazu zu bringen, so zu handeln, dass sie es noch abwenden würden. Dieser Interpretation zufolge sind selbst scheinbar unkomplizierte ethische Mahnungen wie 1,16-17 oder 1,19-20 nicht recht das, was sie zu sein scheinen, denn sie sind eigentlich Aussagen darüber, was die Menschen hätten tun müssen, um das Unheil abzuwenden, was sie zu der Zeit, als der Prophet sprach, tatsächlich aber schon zu tun verweigert hatten. Dies widerspricht der natürlichen Annahme, dass ein Prophet sich kaum die Mühe gemacht hätte, prophetisch zu reden, wenn die Chance für Buße schon verpasst war. Auf der anderen Seite passt es gut zu einer weiteren, ebenfalls in der deutschen Bibelwissenschaft verbreiteten Annahme, nämlich dass viel eher die Gewissheit eines kommenden Gerichts als die ethische Analyse der Gesellschaft der Ausgangspunkt für die Botschaft war, die die Propheten ihrem Selbstverständnis nach von Gott empfangen hatten. Und es steht im Einklang mit dem, was für den heutigen Leser wohl überhaupt das Rätselhafteste bei Jesaja ist, den Versen, die dem Bericht über seine „Berufung“ in Kap. 6 folgen: „Da sagte er: Geh und sag diesem Volk: ‚Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen. Sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen.‘ Verhärte das Herz dieses Volkes, verstopf ihm die Ohren, verkleb ihm die Augen, damit es mit seinen Augen nicht sieht und mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt und sich nicht bekehrt und nicht geheilt wird.“ (6,9-10) Fern davon also, dass Jesajas Auftrag darin bestünde, seine Hörer dazu zu bewegen, Buße zu tun, wird ihm hier gesagt, dass er darin bestehe, sie daran zu hindern, Buße zu tun, – darin, ihr „Herz zu verhärten“ und sie mit ihren Sünden festzusetzen, so dass Gottes Vergebung unmöglich wird. Dies könnte
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eine rückblickende Deutung sein, in der Jesaja auf seine gänzlich erfolglosen Versuche zurückblickte, einen Wandel des Herzens in der ethischen wie auch in der politischen Sphäre zu bewirken, und verbittert darüber reflektierte, dass die ganze Zeit über die Unansprechbarkeit des Volkes von Gott selbst beabsichtigt gewesen sein müsse (vgl. R. E. Clements) – oder sogar, dass Jhwh ihn absichtsvoll getäuscht haben müsse, etwa so wie Jeremia es ein gutes Jahrhundert später behaupten sollte (vgl. Jer 20,7). Doch Jesaja stützt an keiner Stelle unsere Annahme, seine Sendung hätte „hilfreich“ sein sollen, indem er das Volk zum Gehorsam gegenüber Gott beredete. Es könnte durchaus sein, dass wir diese Verse sehr ernst nehmen sollten als einen Hinweis darauf, dass er meinte, seine Aufgabe bestünde darin, den grundlegenden Irrtum in der Lebensweise des Volkes aufzuzeigen, nicht damit sie sie änderten, sondern damit sie für das, was sie getan hatten, keine Entschuldigung hätten, damit sie von Gott rechtmäßig bestraft werden könnten, ohne behaupten zu können, dass Gott sie ungerecht behandle. Das ist eine harte und wenig ansprechende Weise, Jesaja zu verstehen. Doch die Propheten waren befremdliche Gestalten, die oft nicht leicht in ein Modell hineinpassen, das wir an sie herantragen. 4. Segen jenseits des Unheils Zu sagen, dass Jesaja keine realistische Möglichkeit voraussah, das Unheil abzuwenden (oder im besten Fall nur eine hypothetische), bedeutet nicht an sich schon, dass er nicht eine Hoffnung jenseits des Unheils gesehen haben könnte. Im Prinzip sind Prophetenworte, die über die Niederlage hinausblicken – eine Niederlage, die schon als sicher dargestellt wird, – recht gut mit bedingungslosen Unheilsworten vereinbar. Quer zu ihnen liegen jene Passagen, die die Erwartung ausdrücken, dass das Unheil sich abwenden lasse. Doch sind Passagen über „Hoffnung jenseits des Unheils“ nicht wirklich zahlreich. Die bereits erörterte Interpretation des Namens Schear-Jaschub macht es wahrscheinlich, dass „Rest“ für Jesaja eher ein negatives Konzept – „ein paar Übriggebliebene“ – war als in irgendeinem Sinne eine Verheißung. Im Einklang damit behandeln die Kommentatoren normalerweise Jes 6,11-13 als Worte, die eine nahezu vollständige Zerstörung des Volkes voraussagen: selbst wenn „ein Zehntel“ in ihm übrig bleibt, wird es nicht besser sein als der nutzlose Baumstumpf, der stehenbleibt, wenn ein Baum gefällt wird, und wie solch ein Baumstumpf wird es zu gegebener Zeit selbst zerstört werden. Es war ein späterer Herausgeber, der die Glosse hinzufügte, „ihr Stumpf ist
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heiliger Same“ (v. 13), und dadurch die perspektivlosen Überlebenden der Zerstörung des Volkes uminterpretierte in den „heiligen Samen“, den Kern eines wiedererweckten Volkes. Diese Revision erfolgte wahrscheinlich während oder nach der Exilszeit des 6. Jahrhunderts. Eine Anzahl von „Rest“- oder „Wiederherstellungs“-orakeln scheinen vergleichbare sekundäre Ergänzungen von Jesajas Prophetenworten zu sein; unter den neueren Kommentatoren betrachtet R. Kilian hier jedes einzelne als nachexilisch. Jes 10,20-21 ist bereits erwähnt worden. Wie 6,13c scheint der Text vorauszusetzen, dass der Sprecher jenseits des Unheils steht und sich schon auf eine neue Gemeinschaft freuen kann, die ihr Zentrum in dem „Rest“ hat. Jes 4,2-4 wird fast allgemein als sekundär betrachtet (wie die meisten Orakel in den Prophentenbüchern, die mit der Wendung „an jenem Tag“ beginnen), und auch dieser Ausspruch arbeitet mit der Vorstellung von „den Entronnenen“, von „dem Rest von Zion und wer in Jerusalem noch übrig ist“. Es ist eine geradezu midrasch-artige Passage, die sich aus der Bildwelt der Wolkensäule und der Feuersäule in Exodus 13,21-22 speist. Dasjenige dieser Orakel, das sich vielleicht am wenigsten leicht als nichtjesajanisch behandeln lässt, ist 1,24-27. Es spricht vom kommenden Gericht über Jerusalem als einem läuternden oder reinigenden Gericht, vergleichbar dem Schmelzen von Edelmetall. Es schwächt nicht die Gewalt des Unheils ab, das erwartet wird, doch anders als viele andere Prophetensprüche in Jesaja betrachtet es das Unheil nicht als endgültig. Die Niederlage ist das Mittel, das Jhwh auf seinem Weg dahin gebraucht, ein positives Ziel für Israel zu erreichen. Die Zerstörung von Jerusalem wird letztendlich ein Schritt auf der Bahn zu seiner Wiederherstellung sein, wenn Jerusalem wieder „wie am Anfang“ sein wird, was vielleicht bedeutet, „wie in der Zeit Davids“. Dies ist in unserer Diskussion der erste Prophetenspruch, der Jhwhs Plan als einen zweistufigen auffasst (erst Zerstörung, dann Wiederherstellung), wobei beide Stufen von Anfang an beabsichtigt und angekündigt waren. Dieselbe Idee ist in 10,5-19 zu finden. Hier wird es den Assyrern erlaubt, dem Volk Jhwhs Leid zuzufügen, doch werden sie ihrerseits wiederum für ihren Hochmut bestraft werden, und Israel wird die Assyrer selbst zu einem „Rest“ machen (v. 12), deutlich im negativen Sinne. Jes 30,18, ein Fragment, könnte ähnlich eine Erwartung ausdrücken, dass Jhwh auf die rechte Zeit dafür wartet, sein zerstörtes Volk wiederherzustellen; und 30,19-26 zeichnet eine Vorstellung von erneuertem Erbarmen, das jenen entgegengebracht wird, die in Jerusalem überleben, wobei fast alle Kommentatoren meinen, dass der Text sich der Hand eines späteren Schreibers verdanke.
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Zwei authentische Prophetenworte (1,24-27 und 10,5-19) ergeben keine sehr feste Basis dafür, von einem göttlichen Plan für die Zukunft im Denken Jesajas zu sprechen, doch sollte eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden. Obwohl Jesajas Botschaft im wesentlichen eine unheilschwere Botschaft gewesen zu sein scheint, war er nicht im Grundsatz darauf festgelegt, Unheilsorakel auszusprechen, sondern darauf zu übermitteln, was er als Jhwhs Wort für einen gegebenen Zeitpunkt ansah. Es gibt keinen Grund, warum er nicht über das Unheil, dessen Kommen er für gewiss hielt, hinausgeblickt und eine hellere Zukunft für die Überlebenden und deren Nachkommen vorausgesehen haben sollte. 5. Segen in der fernen Zukunft Es bleibt abschließend die Handvoll Orakel innerhalb der „authentischen“ Teile von Jesaja 1-39, die Segnungen über das Volk in einer Zukunft voraussagen, die von der Zeit des Propheten weit entfernt liegt. Es fällt schwer, diese Aussprüche auf irgendeine Weise mit der übrigen Botschaft Jesajas zu verbinden. Verteidigt man ihre Authentizität, dann bedeutet das, dass die Lehre des Propheten sowohl Visionen vollendeter Harmonie und großen Wohlstandes in der Zukunft als auch eine direkte Auseinandersetzung mit der Gesellschaft seiner Zeit umfasste, aber keinerlei Verbindung zwischen beidem herstellte. Warum nicht? Alternativ können diese Aussprüche so verstanden werden, als bezögen sie sich überhaupt nicht auf die ferne Zukunft. Zum Beispiel könnte das königliche Kind, das „geboren“ werden soll (vielleicht ein Bezug auf eine Inthronisation, die als eine Neugeburt verstanden wird), in 9,1-6 dahingehend gedeutet werden, dass es Hiskija oder einen anderen wirklichen König in Juda meint (vgl. R. E. Clements, der argumentiert, dass auch der einleitende Vers 8,23b sich auf sehr spezifische Gegebenheiten des 8. Jahrhunderts beziehe, wie etwa die Teilung des nördlichen Königreiches Israel durch die Assyrer). Selbst das „Reis aus dem Baumstumpf Isais“ in 11,1, ein Bild, das so klingt, als setze es den voraufgehenden Zusammenbruch der davidischen Dynastie voraus und müsse sich deshalb auf einen „idealen“ künftigen König beziehen, könnte als eine Bezugnahme auf ein zeitgenössisches Königskind gesehen werden. Unter den neueren Autoren machen sich sowohl H. Wildberger als auch H. Barth diese Deutung zueigen und betrachten das Orakel deshalb als authentisch jesajanisch. Der weitgehende Konsens darin, dass solche Passagen sekundär seien, sollte also nicht unkritisch akzeptiert werden. Doch im allgemeinen ist es schwer zu sehen, wie sie in eine
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Gesamtbotschaft hineinpassen, die wir auf irgend plausible Weise mit Jesaja verbinden können. Das berühmteste „messianische“ Orakel in Jesaja 1-39 ist die „Immanuel“Prophezeiung in 7,10-17. In seinem historischen Kontext (der aramäischefraimitischen Krise) bietet das Prophetenwort dem König Ahas ein „Zeichen“ dafür an, dass Jhwh Vertrauen verdient und nicht durch die Glaubenslosigkeit der Führer Judas „ermüdet“ (Einheitsübersetzung: „belästigt“) werden soll; das muss bedeuten, dass es ursprünglich in gewisser Weise einen zeitgenössischen Bezug hatte. Die Geburt eines Kindes im Abstand von einigen Jahrhunderten zur eigenen Gegenwart könnte für gar nichts als Zeichen dienen. Doch wer ist dann die „junge Frau“ (in Matthäus 1,23 als „Jungfrau“ umgedeutet), die ein Kind bekommen wird? Seit dem Aufkommen der historischen Bibelwissenschaft gibt es die zwei Vorschläge, entweder die Frau des Ahas – so dass es sich hier um eine Prophezeiung der Geburt des Hiskija handelte – oder die eigene Frau des Propheten (vgl. 8,3). Doch fehlt ein wirklicher Anhalt für die eine wie für die andere Deutung, und wir könnten sogar die banale Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass Jesaja meinte, „die junge Frau dort drüben“, und damit auf jemanden wies, der zufällig vorbeikam. Befremdlich ist auch das Hin und Her zwischen guten und schlechten Nachrichten. Die Tatsache, dass Ahas sich in Ungehorsam geweigert hat, nach einem Zeichen zu fragen, würde uns Anlass geben zu erwarten, dass das Zeichen, das gegeben wird, Unheil vorausbedeute, doch das ist nicht der Fall: 7,14-16 scheint ein Entrinnen aus der Bedrohung durch die aramäischefraimitische Koalition vorauszusagen. Dagegen sagt 7,17 eine assyrische Invasion in Juda voraus. Die Orakel, die danach in 7,18-25 folgen, sind alle Voraussagen von Zerstörung. Sie werden jedoch weithin als nicht authentisch betrachtet. Die Vorhersagen der Propheten über die Zukunft können als ihre Eschatologie bezeichnet werden, obwohl manche Wissenschaftler diesen Begriff für die Art von „Geschichtsplan“ reservieren, die man in späteren apokalyptischen Werken findet, wo lange Abschnitte des Geschichtsverlaufs als von Gott im Voraus vorherbestimmt betrachtet werden. Der Begriff kann aber ganz einleuchtend auf beide Weisen gebraucht werden. Wenn wir ihn in dem Sinn gebrauchen, dass er sich auf jenen „Komplex der Lehre“ beziehe, „der der Überzeugung der Propheten entsprang, dass Jhwh, der lebendige Gott, dabei war, eine neue Aktion in der Geschichte in Beziehung zu seinem Volk und zur Vollendung seines Zwecks zu beginnen“ (E. W. Heaton, The Hebrew Kingdoms, S. 59), dann hatte Jesaja zweifellos eine Eschatologie. Dies gilt
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besonders in dem Fall, dass die Orakel, die von einer Wiederherstellung jenseits des Gerichts sprechen, authentisch sind, denn dann hat die Rede von einem göttlichen „Plan“ offenkundig einen guten Sinn. Wenn wir jedoch mit einer Eschatologie einen detaillierten mehrstufigen Geschichtsplan meinen, der nicht notwendigerweise überhaupt eine Verbindung zu Ereignissen in der Gegenwart hat, in der der Prophet spricht, dann ist es wahrscheinlich anachronistisch, den Begriff bei Jesaja anzuwenden. B. Albrektson hat überzeugend dargelegt, dass Jesaja, obwohl er oft von Jhwhs Plan im Sinn von Jhwhs Absicht, also dem, was Jhwh zu tun beschlossen hat, spreche, er niemals in Begriffen einer im Voraus festgelegten Folge von Ereignissen denke, die Jhwh dann in die Tat umsetze, sozusagen in Begriffen einer Musterzeichnung für sein Handeln. Demnach ist „der Plan, der für die ganze Erde beschlossen ist,“ in 14,26 – wobei 14,24-27 ein von 10,13-19 abgetrenntes Stück sein könnte – das, „was Jhwh beschlossen hat mit der ganzen Erde zu tun“. Es meint nicht (oder nicht notwendig) „den umfassenden Plan für die ganze Erde, den Jhwh vor langer Zeit aufgestellt hat“. Man kann mit guten Gründen annehmen, dass wir auf eine solche Idee zum ersten Mal bei Deuterojesaja stoßen. Was sich nicht bezweifeln lässt, ist, dass Jesaja 1-39 in seiner jetzigen Gesamtgestalt eine Eschatologie im starken Sinne des Begriffes aufweist. Sie entstand durch die Zufügung von Passagen wie 11,1-9 und der anderen Orakel, die wir soeben erörtert haben, zusammen mit Textblöcken wie Kap. 2427. In seiner heutigen Gestalt ist das Buch ebenso sehr eine eschatologische Prophezeiung wie jede spätere Apokalypse.
5 Themen aus Zeiten nach Jesaja Texte in einem Prophetenbuch, von denen man meint, dass sie nicht auf den Propheten zurückgehen, dessen Namen das Buch trägt, mit Bezeichnungen wie „sekundär“ oder „nicht authentisch“ zu belegen, ist eine wissenschaftliche Konvention gewesen, die man in letzter Zeit weitgehend aufgegeben hat. Grund dafür ist das verbreitete Gefühl, solche Bezeichnungen führten die Leser leicht dazu, diese Abschnitte für weniger wichtig oder weniger „inspiriert“ zu halten als die Worte des Propheten selbst. Ich habe meinerseits im vorliegenden Band diese Bezeichnungen unbefangen als das bequemste Mittel dafür gebraucht anzuzeigen, dass einzelne Aussprüche mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf Jesaja zurückgehen. Damit war jedoch nicht die Absicht verbunden anzudeuten, dass Passagen, die in diesem historischen Sinne „sekundär“ sind, unabweisbar auch von geringerem inhaltlichen Wert seien. In diesem Kapitel werden wir einige der nicht-jesajanischen Abschnitte in Jesaja 1-39 untersuchen und auch etwas detaillierter, als es in Kapitel 1 möglich war, die Komposition oder die Redaktion des Buches erörtern.
5.1 Orakel gegen die Völker (Jesaja 13–23) Einige der prophetischen Bücher enthalten einen Abschnitt, in dem eine Anzahl fremder Völker angeklagt und ihr Sturz vorausgesagt wird. Das ist bereits bei dem frühesten der Propheten, bei Amos (1,3-2,3), der Fall, und die Tradition setzt sich bei Jeremia (46-51) und Ezechiel (25-32) fort. In Anbetracht der politischen Bewegtheit der Prophetie Israels von den frühen Zeiten an kann das nicht überraschen. Das prophetische Wort wurde offensichtlich als eine mächtige Waffe in den Händen der Könige betrachtet, und es könnte eine der wesentlichen Funktionen der Propheten gewesen sein, den Zusammenbruch der Feinde ihres Landes vorherzusagen – und dadurch zu helfen, ihn zu bewirken. Die Geschichte über Bileam in Numeri 22-24 setzt voraus, dass ein Prophet normalerweise von einem König zu diesem Zweck angestellt werden konnte: die ganze Pointe der Geschichte liegt darin, dass Bileam aus der Rolle fällt, indem er sich weigert, „zu verwünschen, wen Jhwh nicht verwünscht hat“ (Num 23,8). Wenn wir uns jedoch vor Augen halten, wie viele der „klassischen“ Propheten Israels gegen ihr eigenes Volk statt gegen dessen Feinde auftraten, dann überrascht es bei genauerem Nachdenken doch, dass in ihren Büchern „Orakel gegen die Völker“ begegnen. Bei Amos können sie als Teil einer rhetori-
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schen Technik gedeutet werden. Amos redet mit großer Geste gegen die umgebenden Völker als ob er ein normaler Prophet wäre, ausschließlich (oder wenigstens in erster Linie) um seine Hörer mit einem falschen Gefühl von Sicherheit einzulullen, so dass er dann in 2,6-12 plötzlich auf Israel selbst losgehen kann. Doch dazu gibt es keine echte Parallele in den Fremdvölkerorakeln der späteren Propheten. Sie machen immer wieder den Eindruck, dass sie „geradezu“ gehört sein wollen und keine ironische Absicht verfolgen. Dieser Sachverhalt, zusammen mit ihrem manchmal ziemlich platten und standardisierten Ton, hat die Kommentatoren seit langem zu der Annahme geführt, dass die meisten von ihnen tatsächlich „sekundär“ in den Büchern sind, in denen sie heute stehen. Zuweilen könnte man meinen, dass prophetische Äußerungen gegen fremde Völker aus einem gemeinschaftlichen „Reservoir“ von solchen Orakeln genommen seien. Jesaja enthält ein langatmiges Orakel über die Moabiter (15-16), das Jeremia 48 sehr nahe steht (vergleiche besonders Jes 16,6-11 mit Jer 48,29-38) – gerade so wie Jes 2,2-4 mehr oder weniger mit Micha 4,1-4 identisch ist. Auffälliger noch ist es, dass, obwohl die meisten der genannten Völker zu einer oder anderer Zeit Feinde von Israel waren, sie es nicht alle zur gleichen Zeit waren. So gewinnt man den Eindruck, dass es sich hier um ziemlich stilisierte Sammlungen von Aussprüchen handelt. Jeder für sich könnte seinen Ursprung in einer spezifischen Krise zwischen Israel und dem jeweils genannten Volk gehabt haben. Doch zusammengenommen sind sie eher eine Deklaration von Jhwhs Autorität über die ganze Erde, als dass sie eigentliche „Kriegsorakel“ wären. Und es lässt sich nicht ausschließen, dass einige von Anfang an künstlich waren, geschrieben, um einen „Zyklus“ von Fremdvölkerorakeln zu vervollständigen, und zwar zu einer Zeit, in der Israel keineswegs in einer feindlichen Beziehung zu dem jeweiligen Volk stand. Doch müssen wir sorgfältig differenzieren. Viele Bibelwissenschaftler würden die Meinung vertreten, dass Zyklen von „Fremdvölkerorakeln“ im allgemeinen mit einem „authentischen“ Kern begonnen hätten, um den herum im Laufe der Zeit weiteres Material angeordnet worden sei. Dies sagt man oft bei Amos’ Aussprüchen, wo diejenigen gegen Tyrus (1,9-10) und Edom (1,11-12) weithin für Zusätze zu einer Sammlung gehalten werden, die ansonsten tatsächlich von den Lippen des Propheten stamme. Vergleichbar urteilt man über die Sammlung von Fremdvölkerorakeln im Jesajabuch, Jes 13-23. Wir haben bereits einige Passagen aus diesem Abschnitt vor dem Hintergrund der eigenen Zeit Jesajas erörtert – zum Beispiel 17,1-6 mit seinem möglichen Bezug auf die aramäisch-efraimitische Koalition, und 22,12-14, einen Text,
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den man zumeist als einen Kommentar zu den Ereignissen des Jahres 701 v. Chr. liest. Das Material in diesem Abschnitt ist so unterschiedlich im Charakter, dass es schwer fällt, hier Elemente einer planvollen Ganzheit zu sehen. Das bedeutet nicht, dass es heute nicht als ein kohärenter Textzusammenhang gelesen werden könnte, denn die Herkunft eines Textes bindet ja nicht notwendig seine späteren Leser: zu dieser Frage siehe das folgende Kapitel 6. Über Babylon (Jesaja 13 und 14) Es gibt eine ausführliche Studie zu diesen beiden Kapiteln, die die Annahme jesajanischer Autorschaft aufrecht erhält (S. Erlandsson), doch sind die meisten Kommentatoren der Meinung, dass Prophezeiungen über einen unmittelbar bevorstehenden Fall Babylons die späte Exilszeit (um 540 v. Chr.) als frühesten Entstehungszeitpunkt voraussetzen. Danach wäre der Autor dieser Aussprüche ein Zeitgenosse Deuterojesajas. Wir könnten auf ein Entstehungsdatum in der Zeit Jesajas nur durch die Annahme kommen, dass die Babylonier hier noch nicht die expansive Großmacht des 6. Jahrhunderts sind, sondern der assyrische Vasall, der im 8. Jahrhundert gegen seinen Oberherrn revoltierte (722-720 und 705-702). Kapitel 13 scheint jedoch, besonders wenn wir es mit dem folgenden Kapitel verbinden, von dem Fall eines mächtigen Reiches, nicht von der Bestrafung eines rebellischen Vasallen zu sprechen. Jesaja 13,9-16 scheint die Niederlage Babylons so sehr auszuweiten, dass das Bild von einer Art Weltgericht am „Tag Jhwhs“ entsteht, und zwar auf eine Weise, wie man es sonst in „apokalyptischen“ Werken und normalerweise nicht vor dem 3. Jahrhundert v. Chr. antrifft (für Jes 13,10 vgl. Joel 2,10). „Babylon“ wurde relativ bald zu einer Chiffre für jede böse und unterdrückerische Macht – anfänglich vielleicht durch die Prophetenworte Deuterojesajas (Jes 46-47), doch sicherlich auch durch das Orakel, um das es hier geht. Deshalb können antibabylonische Passagen, obwohl sie nicht älter sein können als das Ende der Exilszeit, ohne weiteres später sein. Schließlich ist ja auch die Johannesoffenbarung eine lange anti-„babylonische“ Prophezeiung – nur dass hier Babylon für Rom steht (siehe Offb 17-18 und vgl. 1Petr 5,13). Jesaja 14 enthält ein ziemlich langes „Spottlied“ über den Fall des Königs von Babylon (v. 4b-20), das auf einem mythologischen Text über den Sturz eines der Götter vom Himmel beruhen muss: v. 12 ist im übrigen der Ursprung der christlichen Vorstellung vom Sturz des Satans (lucifer im Lateinischen = „Morgenstern“). Der babylonische König wird als jemand dargestellt, der sich einen der Götter zum Vorbild nimmt und dann das traurige Ge-
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schick dieses Gottes teilt. (Etwas Ähnliches wird in Ezechiel 28,2b-19 vom König von Tyrus gesagt, auch hier unter Verwendung mythologischer Themen.) Doch dem Lied voraus gehen zwei Verse (14,1-2), die gut von Deuterojesaja stammen könnten und die die Wiederherstellung Israels in seinem eigenen Land, die Versklavung der Eroberer Israels und (ein neues Thema) den Anschluss von Konvertiten zum Judentum vorhersagen. Jes 14,24-27 wiederum könnte jesajanisch sein (und ist bereits oben in Kapitel 4 besprochen worden). Das Kapitel endet mit einem Aussprüch über die Philister (v. 28-32), möglicherweise wie die Ereignisse von Kapitel 20 aus der dritten Phase des Auftretens Jesajas (um 713-711 v. Chr.). Über Moab (Jesaja 15-16) In 15,1-16,5 treffen wir auf Äußerungen, die in Fremdvölkerorakeln sehr ungewöhnlich sind, denn der Sprecher hat hier offenbar Mitleid mit dem Ergehen der Moabiter. Jes 16,3-5 scheint sogar darauf zu drängen, dass Flüchtlinge aus Moab Zuflucht in Juda erhalten und unter den Schutz des judäischen Königs gestellt werden sollen. Hier handelt es sich deshalb nicht um ein Orakel gegen ein fremdes Volk, sondern um eine Klage um das Volk. Nur in 16,6-7 wird der Ton der Genugtuung über den Fall der Moabiter angeschlagen; 16,8-11 setzt das Klagelied fort, eines der erschütterndsten im ganzen Alten Testament. Moab wird als ein (schwächerer) Verbündeter von Juda behandelt, in keiner Weise jedoch als ein Feind. Kommentatoren haben an der Aufgabe verzweifelt, diese Gedichte zu datieren. Extreme Vorschläge waren, dass sie erst aus der Zeit der Makkabäer stammten (B. Duhm) oder dass sie noch aus der Zeit Jerobeams II. stammten (W. Rudolph) – d.h. aus einer Zeit noch vor dem Auftreten Jesajas. Jes 16,4-5 impliziert wahrscheinlich, dass die davidische Dynastie an ihr Ende gekommen ist: „Ist der Unterdrücker beseitigt, der Verfolger vernichtet und sind die Eroberer aus dem Land verschwunden, dann wird durch (Gottes) Huld ein Thron errichtet; darauf sitzt im Zelt Davids ein zuverlässiger Richter, der das Recht sucht und die Gerechtigkeit fördert.“ Wenn das so ist, kann das Gedicht nicht früher als 587 v. Chr. sein, und Rudolph muss falsch liegen. Doch alles Weitere ist kaum mehr als pures Raten.
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Über Damaskus (Jesaja 17) Das mit hinreichender Plausibilität als authentisch geltende Orakel (17,1-6) ist erweitert worden, möglicherweise sogar erst in hellenistischer Zeit (nach dem 4. Jahrhundert v. Chr.), wobei es sich um Fragmente handelt, die verschiedene Formen von „Abgötterei“ verurteilen, nicht zuletzt (in v. 10) „Gärten für Adonis“, die in einem Fruchtbarkeitskult eine Rolle spielten (vgl. jedoch auch 1,29-30, Verse, die jesajanisch sein könnten). Über Ägypten (Jesaja 18 und 19) Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Kernbestand in diesen Kapiteln aus Aussprüchen von Jesaja selbst besteht, der sich über die Bündnisse ereiferte, in die Hiskija für mehr als ein volles Jahrzehnt verwickelt war, bis hin zur assyrischen Krise von 701 v. Chr. „Äthiopien“ muss dann für „Ägypten“ unter der Herrschaft eines äthiopischen (in Wirklichkeit sudanesischen) Königs stehen, es sei denn (vgl. R. E. Clements), dass unter dem weiten Schirm einer ägyptisch-palästinischen Verschwörung tatsächlich auch die Äthiopier in Verhandlungen mit Juda standen. Am Ende von Jesaja 19 finden sich indessen fünf erstaunliche Orakel, die mit Sicherheit nicht von dem Propheten stammen können. Sie beginnen nicht nur formelhaft mit „An jenem Tag“, was zumeist als ein klares Zeichen für nachexilische, eschatologische Prophetie verstanden wird, sondern sie reflektieren auch nachexilische Beziehungen zwischen Israel und Ägypten, wo es damals eine beachtliche jüdische Gemeinschaft gab. Auch zielt die Gesamttendenz der Aussprüche nicht auf eine Niederlage Ägyptens, sondern auf Heil für Ägypten, und zwar in einer Größenordnung, die in den Prophetenbüchern sonst keine Parallele hat. Wahrscheinlich setzt der Text die Existenz von ägyptischen Proselyten voraus, die mit dem jüdischen Tempel in Elephantine verbunden waren, über den wir aufgrund von aramäischen Papyri einiges wissen, die bei einer Ausgrabung dort gefunden wurden (vgl. TUAT I, 254-258 sowie die Ausgaben von A. E. Cowley und B. Porten). Daraus würde sich für die Worte ein Datum etwa im 4. Jahrhundert ergeben. Die abschließende Vision von Ägypten, Assyrien und Israel als den drei großen Mächten in der Welt – mit Israel an dritter Stelle! – ist beispiellos. Die Erzählung über Jesaja selbst als ein Zeichen für das bevorstehende Exil (Jes 20) ist oben in Kapitel 2 besprochen worden; sie fällt ganz aus dem Rahmen der Fremdvölkerorakel.
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Über die Wüste am Meer (Jesaja 21) Das Kapitel ist berühmt für seine Worte und seinen rhythmischen Fluss: „Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?“; „Gefallen ist Babel, gefallen“; und höchst geheimnisvoll, „und ein Löwe rief“ (v. 8 – leider ist allerdings „Löwe“ [’arjēh] wohl ein Textfehler für ein weniger spannendes „Wächter“ [haro’eh]). Doch ist es nicht für seine Botschaft berühmt, die äußerst dunkel ist (als detaillierte Studien dazu vgl. R. B. Y. Scott und A. Macintosh). Es ist nicht auszuschließen, dass es sich auf den „Fall“ Babylons in der Zeit Jesajas bezieht (siehe oben im Abschnitt zu Jes 13-14), doch ist es eher wahrscheinlich, dass wir es hier wie bei anderen antibabylonischen Orakeln mit einem Prophetenwort aus der späten Exilszeit zu tun haben – wiederum aus der Zeit Deuterojesajas, vgl. Jes 46-47. Verse 1-10 beschreiben offenbar den Aufruhr der Gefühle, den der Prophet erfährt, während er auf die Kunde vom Fall Babylons wartet. Das Kapitel endet in v. 11-17 mit drei kurzen Orakeln über Arabien (d.h. die drei Bezirke von Duma, Tema und Kedar [die Einheitsübersetzung korrigiert Edom aus Duma]). Vielleicht wurden sie mit dem Babylonorakel von v. 1-10 verbunden, weil sie aus einer Zeit stammen, als Juda und Arabien gleichermaßen unter der Herrschaft der Babylonier litten – wiederum könnte dies das 6. Jahrhundert sein. Doch lässt sich solchen kleinen Fragmenten nur sehr wenig entnehmen. Über das Tal der Vision (Jesaja 22) In diesem Kapitel gibt es wohl wieder einen jesajanischen Kern aus dem Zusammenhang der assyrischen Krise, wie oben in Kapitel 2 erörtert; doch auch verschiedene Zusätze dazu. Besonders interessant ist v. 8b-11, eine Einfügung in Prosa (in einigen Übersetzungen als poetischer Text dargestellt). Sie könnte sich auf Vorsichtsmaßnahmen zur Zeit der aramäischefraimitischen Koalition beziehen, so dass wir sie mit der Inspektion der Wasserversorgung durch Ahas, wie sie wohl in Jes 7,4 im Blick ist, in Verbindung bringen könnten. Doch R. E. Clements kommentiert zu Recht, „Diese Verse setzen den Fall von Jerusalem voraus, nicht seine Errettung.“ (S. 182). Sie sind schwerlich ein selbständiges Orakel, eher ein editorischer Zusatz, der bewusst eine Parallele zwischen der Rettung Jerusalems im Jahr 701, die zum Glauben an die Unverwundbarkeit der Stadt geführt hatte, und Jhwhs Verzicht auf ihre Verteidigung im Jahr 587 herstellt. Auf gut jesajanische Art führt er dieses Versäumnis auf die Vernachlässigung Jhwhs durch das Volk
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zurück, das Jhwhs Pläne und Absichten nicht beachtet, seine eigene Klugheit höher geschätzt und auf seine eigene Fähigkeit vertraut hatte, die Stadt zu befestigen. Dieser Herausgeber war nicht Jesaja, aber er hatte ihn verstanden. Über Tyrus (Jesaja 23) Orakel gegen Tyrus begegnen auch bei Ezechiel (26-28). Tyrus wurde durch Nebukadnezzar von 585-573 belagert, so dass Ezechiel ein zeitgenössischer Beobachter der Leiden von Tyrus war, das indessen nicht erobert wurde (vgl. Ez 29,17-20). Es hat den Anschein, als gehöre Jes 23,13 in diese Zeit und interpretiere das voraufgehende Tyrusorakel (v. 1-12) um, indem festgestellt wird, dass das Orakel sich eigentlich auf die Eroberung von Tyrus durch die Babylonier, nicht die Assyrer, beziehe. (Der Vers stammt wohl direkt aus den Jahren der Belagerung von Tyrus, weil er davon ausgeht, dass sie erfolgreich sein werde, was jedoch nicht der Fall war.) Dies wiederum verlangt die logische Folgerung, dass das ursprüngliche Orakel früher ist als aus den 580er Jahren und eine frühere Belagerung reflektiert, bei der der Feind tatsächlich Assyrien war. Sanherib führte Angriffe auf Phönizien in den Jahren 705-701 als Teil derselben Reihe von Eroberungszügen, die ihn auch vor die Tore Jerusalems brachten; und Asarhaddon zerstörte Sidon im Jahr 678. Die Verse 1-12 könnten also vorexilisch sein und könnten sogar von Jesaja stammen, obwohl das Orakel wenig Ähnlichkeit mit irgendwelchen anderen authentischen Aussprüchen zeigt. Die Verse 14-18 sind spätere Ausmalungen. Rückblick auf Jesaja 13-23 Zwei deutliche Tendenzen in Jesaja 13-23 sind (a) die systematische Zusammenstellung von Aussprüchen nach inhaltlichen Kriterien, aber ohne Rücksicht auf chronologische Aspekte, und (b) ein Drang zu glossieren, zu kommentieren und zu aktualisieren. Das Ergebnis ist, dass ein Material sehr einheitlich wirkt, das eigentlich sehr unterschiedlich ist; allerdings um den Preis, dass jetzt alles in einem weichen, sogar verschwommenen Bild erscheint. Am Ende steht ein Text, der zwar schnelle Antworten auf eine Frage wie diese bereithält, „Was ist das Wort des Herrn über stolze und aufrührerische Völker?“, der uns aber nicht entgegen kommt, wenn wir herausfinden wollen, was Jesaja etwa bei einer spezifischen Gelegenheit über eine bestimmte Schlacht gesagt hat, und ob er Recht hatte. Kritische Bibelwissenschaft, wie kritische Geschichtsschreibung insgesamt, geht darauf aus, genau solche
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Dinge zu entdecken, die die Autoren uns nicht wissen lassen wollen; und wenn man den Charakter des biblischen Textes in Rechnung stellt, ist sie darin sogar bemerkenswert erfolgreich gewesen. Doch wenn wir die Redaktionsgeschichte eines Buches wie Jesaja erforschen, dann wird uns bald deutlich, warum es so viel leichter ist, Fragen nach einer allgemein gefassten theologischen Botschaft zu stellen. Es ist deshalb leichter, weil es das ist, wozu uns die Herausgeber bringen wollen. Sie korrigierten den Text, sie reduzierten seine spezifischen Bezüge, und sie verallgemeinerten ihn bis zu dem Punkt, an dem wir eigentlich überhaupt nicht mehr danach fragen können, ob oder ob nicht seine Voraussagen oder Warnungen „zutreffend“ waren.
5.2 Die Jesaja-Apokalypse (Jesaja 24-27) Es ist seit langem üblich, Jesaja 24-27 als „die Jesaja- (oder jesajanische) Apokalypse“ zu bezeichnen. Die Gründe dafür sind schlicht. Die Kapitel enthalten eine Sicht der Zukunft, die eine universale, nicht einfach nur eine nationale oder auch internationale Reichweite hat (z.B. 24,21; 25,7-8); und sie blicken auf Machterweise Gottes in der kosmischen nicht weniger als in der politischen Sphäre voraus – „die Schleusen hoch droben werden geöffnet, die Fundamente der Erde werden erschüttert“ (24,18b). Beide Aspekte verbinden wir mit der sog. „apokalyptischen“ Literatur wie Daniel, Henoch oder der Johannesoffenbarung. Die Kapitel haben eine hinreichend große Zahl an stilistischen Gemeinsamkeiten und sind hinreichend deutlich von den vorangehenden und nachfolgenden Orakeln abgegrenzt, um es den Kommentatoren nahezulegen, sie als eine zusammenhängende Einheit zu betrachten. Doch der Wechsel zwischen Prosa und Dichtung, und das Fehlen jeglicher logischer Gedankenstruktur führen dazu, dass heute nur noch wenige J. Lindbloms Überzeugung teilen würden, dass es sich um eine absichtsvolle freie Komposition handle. Zwar folgte auch G. Fohrer dieser Linie und schloss sich Lindblom nicht zuletzt darin an, dass er den Text als eine liturgische Komposition betrachtete (Lindblom nannte ihn eine „Kantate“). Doch neuere Kommentatoren (O. Kaiser, H. Wildberger, J. Vermeylen) verstehen ihn als einen eher brüchigen Text und sind skeptisch hinsichtlich der vorgeschlagenen liturgischen Herkunft. Wie üblich gibt es eine große Vielfalt von Theorien über die Ursprünge dieser Apokalypse. Interessanterweise betreffen die Unterschiede jedoch nicht nur das Datum und den Kontext ihrer Abfassung. Darüber gehen die Meinungen in der Tat weit auseinander, wobei O. Kaiser auf den Spuren B. Duhms
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ein Datum in der Makkabäerzeit postuliert (so dass die Sammlung ungefähr gleichzeitig mit Daniel ist), während andere sie auf das Ende der Exilszeit datieren und dabei die Stadt, von deren Fall 25,1-5 spricht, auf Babylon deuten – wir erhalten so einen weiteren Abschnitt in Jesaja 1-39 aus der Zeit Deuterojesajas. Doch gibt es darüber hinaus auch Unterschiede im wissenschaftlichen Urteil darüber, ob das Werk bereits ein abgeschlossenes Ganzes darstellte, das dann als solches dem werdenden Jesajabuch hinzugefügt wurde, oder ob zumindest ein gewisser Anteil des Textes im Hinblick auf seine jetzige Stellung im Buch geschrieben wurde. Die meisten Kommentatoren meinen, dass ein kleines ursprüngliches Kernstück tatsächlich einmal selbständig existierte. H. Wildberger identifiziert dieses „Grundwerk“ in 24,1-6; 24,14-20 und 26,7-21. Diese Passagen sind nach ihm ein Produkt der frühen nachexilischen Zeit, als das kürzlich wiedererstandene „Israel“ – Jerusalem und Teile des ehemaligen Territoriums von Juda – unter persischer Oberhoheit stand. Das Dokument bewahrte eine Vision von Gottes Gericht über die Welt und von seiner letztendlichen Überwindung der Gewalt des Leidens und des Todes, doch es zielte nie auf eine bestimmte Stadt oder ein bestimmtes Volk und war auch nie eine Prophezeiung eines unmittelbar bevorstehenden Ereignisses. Wie andere „protoapokalyptische“ Werke (Joel, Sacharja 9-14) war es bemüht, Zeiten und Orte ganz unbestimmt zu halten, und war mehr darauf ausgerichtet, allgemein zu versichern, dass die Königsherrschaft Gottes eines Tages auf Erden und im Himmel sichtbare Wirklichkeit werden würde. Die umfangreichen Zusätze jedoch, die die jetzt vorliegenden vier Kapitel ergeben haben, können durchaus mit der Einfügung des Werkes in das Jesajabuch zusammenhängen. Dadurch würde sich erklären, warum es in vielen Fällen Anspielungen auf Themen der Prophetie Jesajas gibt. Die auffälligste findet sich in 27,2-5, wo das „Weinberglied“ (5,1-7) umgekehrt wird: während Jesaja im 8. Jahrhundert Juda als einen unfruchtbaren Weinberg gezeichnet hatte, der nichts als „saure Beeren“ produzierte, ist der Weinberg, der für das neue Israel steht, jetzt eine solche reine Pracht, dass Jhwh geradezu wünscht, er hätte etwas für ihn zu tun! Israel ist wieder Gottes Spitzenbesitz geworden. Einige Kommentatoren (z.B. R. E. Clements) vertreten nun nicht nur die Meinung, die Jesajaapokalypse sei im wesentlichen eine wohlbedachte Ergänzung zum Jesajabuch, sondern behaupten auch, sie sei speziell für ihre jetzige Stellung im Buch, nämlich im Anschluss an die Völkerorakel in den Kapiteln 13-23, entworfen worden. Die Herausgeber, die die Apokalypse hinzufügten, hätten geglaubt, dass der entscheidende Augenblick in der Weltgeschichte
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nahe bevorstand, in dem Israels Geschick sich zu guter Letzt wenden würde und alle widerstrebenden Mächte ihre Machtlosigkeit erfahren würden. Die „Orakel“, die sie in 24-27 hinzufügten, sollten immer schon im Zusammenhang mit den früheren (insgesamt als jesajanisch geltenden) Prophezeiungen in 1-23 gelesen werden. Aus einer modernen hermeneutischen Perspektive, nicht bloß vom Standpunkt der historischen Exegese aus gesehen ist das eine wichtige Idee. Für frühere Kommentatoren galt es als selbstverständlich, dass die Jesajaapokalypse ursprünglich ein in sich abgeschlossenes Werk war – Lindbloms „Kantaten“-theorie zum Beispiel hat keinen Sinn, wenn nicht diese Hypothese zugrunde gelegt wird. Der Trend in Studien zu Jesaja geht inzwischen jedoch in die gegenläufige Richtung. Wissenschaftler neigen heute eher nicht zu der Annahme, dass das nicht-jesajanische Material im Buch (weitgehend) das Werk von älteren „Autoren“ sei, im Prinzip so selbständigen Gestalten wie Jesaja selbst. Stattdessen nehmen sie oft an, dass solches Material aus der Feder derselben Leute geflossen sei, die sei es für die endgültige, sei es für eine noch vorläufige Ausgabe des Jesajabuchs verantwortlich waren. Dieser Sicht zufolge ergänzten viele der Redaktoren des Jesajabuches die Worte Jesajas nicht durch vorgegebene Werke. Sie schrieben selbst weitere ergänzende Abschnitte – obwohl diese Abschnitte zugegebenermaßen in manchen Fällen einen Kern einschlossen, den die Redaktoren nicht selbst erfunden hatten, wie im Fall von 24-27. In der Pentateuchforschung unterscheidet man sorgsam zwischen „Quellen“-theorien, nach denen ein Redaktor bereits vorhandenes Material mit geringfügigen Veränderungen zusammenwebte, und „Ergänzungs“-theorien, bei denen die Redaktoren als kreativere Gestalten gelten, die dort, wo es ihnen geboten schien, ihre eigenen ergänzenden Texte schrieben. In der Prophetenforschung wird dieser Unterschied oft nicht ganz so deutlich wahrgenommen, obwohl es hilfreich wäre, wenn es geschähe. In jedem Fall geht der Trend gegenwärtig in Richtung von „Ergänzungs“-theorien über die Entwicklung der prophetischen Bücher, und dafür ist die laufende Diskussion über die Jesajaapokalypse ein gutes Beispiel. Wenn die Kapitel 24-27 einen früh-nachexilischen Kern haben, aber in ihrer jetzigen Gestalt auf eine spätere Redaktion zurückgehen als diejenige, die 13-23 zu 1-12 hinzugefügt hat, dann stammen sie wahrscheinlich aus einer weit fortgeschrittenen Zeit in der persischen Epoche – aus dem späten 5. oder dem frühen 4. Jahrhundert. Die Jesajaapokalypse zeigt viele charakteristische Züge des jüdischen eschatologischen Denkens. Dazu gehört Jhwhs künftige Herrschaft über die ganze Welt, der Zusammenbruch aller feindlichen Mäch-
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te, die Hilflosigkeit der jüdischen Gemeinschaft, die nur auf das Handeln Gottes warten kann, Jhwhs Macht selbst über den Bereich der Toten (vgl. 25,8; 26,19 – obwohl dies wiederum noch spätere Zusätze sein könnten), die Teilhabe des gesamten Kosmos am letzten göttlichen Drama, und die Sammlung aller Verstreuten Israels – die Vision, mit der dieser Teil endet (27,13): „An jenem Tag wird man das große Widderhorn blasen, dann kommen die Verirrten aus Assur nach Hause und die in Ägypten Verstreuten kehren zurück; sie fallen vor dem Herrn in Jerusalem nieder, auf dem heiligen Berg.“
5.3 Die „Kleine Apokalypse“ (Jesaja 34-35) Der dritte größere Block von nicht-jesajanischen Orakeln in 1-39 besteht aus den Kapiteln 34 und 35. Jesaja 34 ist eine grausige Prophezeiung von Gericht über Edom (v. 5-17), die in gewisser Weise an das antibabylonische Orakel in Jesaja 13 erinnert (vgl. 34,11 mit 13,21-22). Sie wird jedoch mit einem Wort eingeleitet, das außerhalb seines Kontexts sofort als eine „apokalyptische“ Vorhersage interpretiert würde (v. 1-4); nach ihm werden alle Völker gerichtet (v. 2) und der Himmel „rollt sich wie eine Buchrolle zusammen, sein ganzes Heer welkt dahin“ (v. 4a). Daher der Name „Kleine Apokalypse“ – klein, weil kürzer als 24-27, doch ebenso apokalyptisch. Die „universalen“ und die „edomitischen“ Teile des Kapitels kann man jedoch nicht als ursprünglich unabhängig voneinander betrachten: Gericht über Edom ist der greifbare Ertrag der vorhergesagten kosmischen Aufwallungen, die die Wahrheit zur Darstellung bringen, dass Gottes Gericht über die Edomiter im Himmel festgeschrieben ist. Die Zerstörung der Himmel ist nicht „wörtlich“ gemeint – wenn es anders wäre, dann gäbe es kaum eine Zeit „von Generation zu Generation“, in der der Falke und das Stachelschwein [philologisch unsicher; Einheitsübersetzung: „Dohlen und Eulen“] in den Ruinen Edoms hausen könnten (v. 10-11). Im Gegensatz dazu blickt das nächste Kapitel voraus auf die paradiesische Erneuerung der Wüste, wahrscheinlich der judäischen Wüste, und auf die Rückkehr aller Zerstreuten Israels zum Zion. Die Kapitel lassen sich leicht als zwei Seiten derselben Medaille lesen: Jhwhs Gericht über die Völker bedeutet Wohlergehen für Israel. Das Wüstenthema haben beide Kapitel gemein. Edom wird eine Wüste, doch die Wüste Israels kommt zum Blühen; Edoms Wasserströme verwandeln sich in Pech (34,9), doch für Israel wird selbst der glühende Sand zum Teich (35,6-7). Die Kommentatoren nehmen deshalb fast
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einstimmig an, dass die beiden Kapitel eine Einheit bilden, eine Art Diptychon. Dies wird durch Überlegungen zur Datierung untermauert. In der Exilszeit und danach kommt es zu einer Welle von Anti-Edom Orakeln, wahrscheinlich aufgrund einer edomitischen Beteiligung an der Eroberung Jerusalems im Jahr 587 v. Chr. – dargestellt in Obadja 11-14, vgl. Klgl 4,21. Jesaja 34 kann schwerlich früher sein. (Vor dem Exil wird Edom/Esau als ein „Bruder“ von Israel/Jakob verstanden.) Auch Jesaja 35 kann nicht vorexilisch sein. In Ton und Stil zeigt es eine außerordentliche Ähnlichkeit mit Jesaja 40-55. Man kann sich leicht eine Ausgabe von Jesaja ohne 36-39 (die Erzählungen über Jesaja und Hiskija) vorstellen, und dann würde Jesaja 35 direkt zu Jesaja 40 überleiten. Es ist ein nützliches Experiment zu fragen, ob wir in dem Fall jemals zu dem Schluss gekommen wären, dass Jesaja 35 auf einen anderen Autor als Deuterojesaja zurückgehe. Jedenfalls würde es gewiss keinen starken Kontrast darstellen. So wie die Dinge liegen betrachten Kommentatoren das Kapitel jedoch normalerweise als „deutero-deuterojesajanisch“, nicht viel anders als Jesaja 56-66: die Arbeit eines Schülers, in großer zeitlicher Nähe, aber wahrscheinlich bereits zurück in Juda statt wie Deuterojesaja selbst noch in Babylon in Erwartung der Rückkehr. Es ist zu beachten, dass Jes 35,10 ein Zitat von Jes 51,11 ist – was bedeutet, dass der Autor von Jesaja 35 das Werk Deuterojesajas kannte und also zu einer späteren Zeit schrieb. R. E. Clements behauptet noch weitergehend, dass der Vers hier verwendet werde, um die Rückkehr der ganzen jüdischen Diaspora vorherzusagen, während Deuterojesaja nur an die Exilierten in Babylon dachte. Wenn das so ist, dann stützt die Beobachtung ein späteres Datum für Jesaja 35; man muss jedoch festhalten, dass der letztere Punkt nicht fraglos richtig ist, denn auch Deuterojesaja spricht von der Rückkehr derer aus dem Norden, Süden, Osten und Westen (Jes 43,5-7). Doch bei Abwägung der Wahrscheinlichkeiten mag sich ein knappes Plus dafür ergeben, Jesaja 35 als eine Bildung auf der Grundlage des Werkes von Deuterojesaja zu sehen und nicht als ein Teil desselben. Die beiden Kapitel ergeben also einen guten Sinn als Texte aus derselben Zeit und vermitteln mit gleicher Lebhaftigkeit und Kunstfertigkeit Bilder von Katastrophe und Wiederherstellung. Ohne das Gegenteil beweisen zu können, bin ich jedoch nicht völlig davon überzeugt, dass sie als ein Paar geschrieben wurden. Obwohl die Exilszeit das früheste wahrscheinliche Datum für Jesaja 34 ist, lässt sich schwer erhärten, dass das Kapitel nicht auch später, sogar viel später geschrieben sein könnte. Die ausgewachsene apokalyptische Vorstellungswelt wäre spielend mit einem späteren Datum vereinbar. Wichti-
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ger noch ist folgendes: während Jesaja 35 so stark nach Deuterojesaja klingt, dass es sogar von ihm stammen könnte, scheint mir Jesaja 34 überhaupt nicht nach ihm zu klingen, noch auch nach Tritojesaja. Sobald die beiden Kapitel einmal einander gegenüber gestellt sind, fallen die oben gezeigten Parallelen sicherlich auf, aber man kann sich schwer vorstellen, dass, wenn sie einander nicht gegenüber gestellt wären, jemand allein aufgrund der mutmaßlichen Ähnlichkeiten vorschlagen würde, sie zusammenzuordnen. Vielleicht bin ich damit zu skeptisch im Blick auf die Einheit dieser Kapitel. Dem Leser wird inzwischen ja klar sein, dass der Konsens in der neueren Jesajaforschung in Richtung Einheit der Kapitel geht. Die Forschung versucht natürlich nicht, eine insgesamt jesajanische Autorschaft zu verteidigen, wie ein älterer Konservativismus es tat. Doch ist sie aufmerksam auf alle Anzeichen für kapitelübergreifende Zusammenhänge und neigt dazu, die Vorstellung abzulehnen, dass die Komposition des Buches in gewisser Weise ein Zufall war. Ich will nicht sagen, dass das ein Irrweg ist, doch will ich sicherstellen, dass wer sich mit dem Jesajabuch beschäftigt nicht allzu rasch seine Einheit als gegeben annimmt. Was auch immer der Ursprung der „Kleinen Apokalypse“ gewesen sein mag, ihr Beitrag zu den Kapiteln 1-39 insgesamt liegt darin, die Aufmerksamkeit auf Israels eschatologische Hoffnung zu lenken. Die Bestrafung der Völker und die Sammlung der Verstreuten sind zwei Hauptaspekte der Zukunft, auf die die Juden der nachexilischen Zeit ausschauten und hofften. Es mag gut sein, dass die Redaktoren, die diese Orakel hierher stellten, versuchten (wie im Fall von 24-27), Jesajas Botschaft zu verallgemeinern und ihr eine Gültigkeit für ihre eigene Zeit, vielleicht für alle Zeiten zu geben. Die Kleine Apokalypse schafft ferner einen Übergang zu den Heilsorakeln Deuterojesajas und ermutigt die Leser dadurch, das Jesajabuch als ein nahtloses Ganzes zu sehen (was es nicht ist).
5.4 Die historischen Kapitel (Jesaja 36–39) In Kapitel 1 oben habe ich die möglichen Erklärungsmodelle für die Herkunft dieser Kapitel erwähnt, die auf weite Strecken den Bericht über die „assyrische Krise“ in 2Kön 18-19 verdoppeln. Im Prinzip könnte sie der Redaktor des Jesajabuches aus dem Königebuch kopiert haben, der Redaktor des Königebuches könnte sie aus dem Jesajabuch kopiert haben, oder beide könnten sie aus einer gemeinsamen Quelle übernommen haben. Über die verschiedenen Optionen hat es eine langatmige und komplizierte wissen-
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schaftliche Debatte gegeben, die etwa in den Büchern von R. E. Clements, K. A. D. Smelik und F. J. Gonçalves verfolgt werden kann. Wie auch immer diese Frage entschieden wird, so muss sich doch jeder, der die Redaktionsgeschichte von Jesaja 1-39 studiert, fragen, mit welcher Absicht der Herausgeber diese Kapitel gerade an diese Stelle stellte. Wenn wir Kapitel 35 so verstehen, dass es ursprünglich direkt zu Deuterojesaja überleiten sollte (siehe oben), dann hat diese spätere redaktionelle Entscheidung die Wirkung der voraufgehenden verdorben. Andererseits haben 36-39 zusammengenommen die interessante Wirkung, nicht nur die wunderhafte Errettung Jerusalems nachzuzeichnen, sondern auch die Selbstsicherheit, zu der sie am Ende führte – sie machte Hiskija dazu bereit, seine geheimen Schatzkammern für die Gesandten aus Babylon zu öffnen (Kap. 39). Genau das war für den Autor der erste folgenschwere Schritt auf dem Weg, der Hiskijas Nachfahren wenig mehr als ein Jahrhundert später in ihr Exil nach Babylon führen sollte. Im direkt anschließenden Kapitel des Jesajabuchs (Kap. 40) ist Babylon dann der Ort, wo wir den Propheten und seine Hörer in der Hoffnung auf eine Errettung durch Gott finden. Die Kapitel stellen somit ein Brücke zwischen dem „Ersten“ und dem „Zweiten“ Jesaja dar. Die vorgeschlagene Deutung hat einen leicht subversiven Nebenaspekt. Eines der Argumente, das kritische Bibelwissenschaftler in jener Zeit gebrauchten, als um die Existenz von mehr als einem „Jesaja“ noch gestritten wurde, war das Argument, dass 40-55 mit den Exilierten in Babylon zu tun hatte und deshalb nicht von Jesaja, dem Sohn des Amoz, stammen könne: es gebe einen klaren Bruch zwischen 1-39 und 40-55. Konservative Wissenschaftler wandten dagegen zumeist ein, der Bruch werde dadurch künstlich geschaffen, dass man 36-39 nicht beachte. Würden diese Kapitel aber als ein fortlaufender Teil des ganzen Werkes mitgelesen, dann werde der Übergang von Juda nach Babylon in der Erzählung vorbereitet. Vorbereitet also auch in Jesajas Kopf: sobald er einmal die furchtbaren Implikationen von Hiskijas Leichtfertigkeit im Umgang mit den babylonischen Gesandten verstanden hatte, sah er das Exil voraus, zu dem sie zuletzt führen würde, und verkündete dann Aussprüche über die letztendliche Befreiung aus dem Exil. Aus vielen Gründen fanden die meisten Wissenschaftler das nicht überzeugend. Soweit jedoch die Annahme eines Deuterojesaja auf der Wahrnehmung eines Bruchs zwischen 1-39 und 40-55 beruhte, hat es den Anschein als werde sie durch unsere Ausführungen über die ziemlich glatte redaktionelle Verbindung an dieser Stelle unterminiert. Redaktionskritik kann ein gefährlicher Verbündeter sein.
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Selbst wenn wir (wie die meisten Bibelwissenschaftler) davon überzeugt bleiben, dass es tatsächlich zwei (oder drei) „Jesajas“ gegeben hat, können wir viel aus den Beobachtungen dazu lernen, wie der Herausgeber die assyrische Krise mit der babylonischen zusammengeschmolzen hat, ungeachtet der Lücke von gut hundert Jahren. Für die Herausgeber der prophetischen Bücher war Chronologie nicht besonders wichtig. Worauf es viel mehr ankam, war das Muster des Handelns Gottes, das alle historischen Ereignisse offenbarten. Mag Gottes Gerechtigkeit rasch kommen, so dass sie den Sünder im Augenblick seiner Sünde trifft, oder langsam, wie sie Hiskijas Sünde erst bei seinen Kindern und Enkeln vergalt – kommen würde sie in jedem Fall. Und mag seine Gnade schneller kommen als erwartet, oder mag sie sich um Generationen verzögern, ihr letztendliches Eintreffen sollte jedoch nie in Zweifel gezogen werden. Für uns sieht es wohl so aus, dass die unvorhersehbare Variation in der Geschwindigkeit, mit der es kommt, Gottes Handeln ziemlich unzuverlässig macht, und darin liegt ein Problem. Doch für die Redaktoren der Prophetenbücher war solche Variation eine Kleinigkeit, solange nur das leitende Muster unveränderlich blieb. Auf der Grundlage ist der Übergang von Jesaja 39 zu Jesaja 40 viel glatter als er auf heutige Leser wirkt.
5.5 Weitere sekundäre Abschnitte Es ist unmöglich, hier jeden nicht-jesajanischen Abschnitt in Jesaja 1-39 zu kommentieren, doch einige sollen noch notiert werden. Jesaja 12 Das Kapitel dient als ein doxologischer Abschluss für Jesaja 1-11, und wir sind wiederum mit den beiden bekannten Möglichkeiten konfrontiert: ist es ein Psalm, der bereits selbständig existierte, vielleicht sogar im Gottesdienst gebraucht wurde, oder ist es eine redaktionelle Komposition, die es nie außerhalb ihres jetzigen Kontexts gab? R. E. Clements zieht die letztere Erklärung vor, und viele weitere Kommentatoren würden dem zustimmen. Der Text kann sogar als eine planvolle Fortsetzung von 11,12-16 gesehen werden, einer weiteren Verheißung der Rückkehr der Verstreuten und der Wiederherstellung der Herrschaft Israels über sein Land. Daran könnte sich ganz natürlich ein Dankpsalm anschließen. H. G. M. Williamson hat vorgeschlagen, dass 11,12-16 dazu diene, Kapitel 611 abzurunden, genauso wie 5,26-30 Kapitel 1-5 abrunde (zu beachten ist,
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dass beide mit dem Bild von Jhwh beginnen, der „ein Zeichen aufstellt“). Jes 5,26-30 lädt uns dazu ein, Jesaja 1-5 als eine Androhung von Jhwhs Gericht zu verstehen, Jes 11,12-16 behandelt Jesaja 6-11 als eine Verheißung von Heil nach dem Gericht. Jes 12,1 fasst dann beides zusammen: „Ich danke dir, Herr. Du hast mir gezürnt, doch dein Zorn hat sich gewendet und du hast mich getröstet.“ Der Redaktor ermutigt uns also dazu, Jesajas Botschaft als eine Botschaft des Gerichts zu lesen, auf das Heil folgt – und nicht eines ohne das andere. Andererseits ließe sich Jesaja 12 als eine Zusammensetzung von zwei kleineren Psalmen (v. 1-2 und v. 4-6) verstehen, die dem Redaktor passend schienen, die er aber nicht erfand. Vers 3 („Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils.“) könnte auf einen liturgischen Kontext wenigstens für den zweiten Psalm hinweisen. Das charakteristisch jesajanische „der Heilige Israels“ begegnet jedoch in diesem zweiten Abschnitt, und es ist sehr selten in allen anderen Psalmen, die wir kennen. „Meine Stärke und mein Lied ist der Herr“, ist demgegenüber ein Echo von Ex 15,2 und Ps 118,14. Im ganzen ist es wahrscheinlich richtiger, alle diese Abschnitte als Texte zu verstehen, die speziell für ihren jetzigen Ort verfasst wurden, doch ist die Lage bei Jesaja 12 weniger eindeutig als bei den Aussprüchen in 5,25-30 und 11,12-16. In jedem Fall wird deutlich, dass 1-12 so angeordnet worden sind, dass sie einen Wechsel von Strafe und Segen für Israel darstellen, wobei Segen das letzte Wort ist. Und dies stimmt damit zusammen, was wir auch in anderen Teilen von Jesaja 1-39 beobachten konnten. Jesaja 32-33 Die Kapitel bestehen aus einer Vielzahl von Aussprüchen, wahrscheinlich aus verschiedenen Zeiten. Jes 32,9-14 könnte mit seinem Thema der Selbstgefälligkeit der Frauen von Jerusalem vielleicht authentisch sein, vgl. 3,16-26. Doch das Folgende, mit seiner Verheißung des Ausgießens von Gottes Geist, gehört mit Sicherheit frühestens in die persische Zeit, wie Joel 3,1-2. Vielleicht bilden v. 9-20 einen zusammenhängenden Prophetenspruch; in dem Fall sprechen sie in mittlerweile vertrauter Weise von einer Abfolge von Gericht und Heil. Der erste Teil von Kapitel 32, v. 1-8, lässt sich als die Ankündigung eines künftigen Königs lesen, entweder in einem realistischen oder in einem „messianischen“ Sinne; in letzterem Fall würde man dem Text allgemein ein nach-
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exilisches Datum geben. Doch wenn wir zu v. 6 kommen, finden wir, dass er zu allgemeinen, eher zeitlosen Kommentaren über den „Toren“ übergegangen ist, die an die Sprichwörter (Proverbia) erinnern. Es könnte sein, dass sogar schon die ersten Verse in einem solchen Sinn verstanden werden sollen – indem man v. 1 zum Beispiel übersetzt, „Ein König regiert durch Gerechtigkeit, und Fürsten herrschen, wie es recht ist“, und sie als eine Beschreibung des idealen Königs und seiner Herrschaft liest (vgl. Weish 1,1-5). So eine kleine Abhandlung über gute königliche Herrschaft könnte aus fast jeder Zeit stammen. Für H. Barth gehört der Abschnitt zur „joschijanischen Redaktion“ von Jesaja 1-39. Prophetenworte über Unheil, das durch verschiedene Könige Judas bewirkt wird (28-31), schließen danach mit der Vorstellung eines idealen Königs. Barth meint, dass auch der Rest des Kapitels zu demselben redaktionellen Stadium gehöre und die Vision des vollkommenen Königs zu einer Vision des erneuerten Königtums ausweite. Wenn wir sicher sein könnten, dass das Kapitel einmal der Abschluss einer besonderen Sammlung war, dann könnten wir zugeben, dass es diese Funktion sehr gut erfüllt; wie R. E. Clements sagt, „es stellt einen sehr schönen und passenden Abschluss für die Botschaft Jesajas dar und richtet den Blick auf die Zukunft als eine Zeit des Friedens, der Sicherheit und eines allgemeinen Wohlergehens“. Doch muss das eine Spekulation bleiben. Ohne Frage hat der Stil des Kapitels keine echte Entsprechung in Jesaja 1-39, ausgenommen das nachfolgende Kapitel. Dieses Kapitel, Jesaja 33, ist ebenfalls ziemlich komplex. Auch hier hat v. 14-16 einen „weisheitlichen“ Klang, so wie 32,1-8, und v. 17-22 zeigt ein einprägsames Bild von Zion nach der Wiederherstellung, wahrscheinlich in Anlehnung an Jes 54,1-3. Es beruhigt zu erfahren, dass „kein Schiff mit Rudern“ (wahrscheinlich ist ein Kriegsschiff gemeint) am neuen Jerusalem vorbeiziehen werde, aber es verblüfft, dies wie eine unerwartete Entdeckung zu lesen (v. 21; Einheitsübersetzung: „keine Ruderboote“). Im ganzen sieht der Abschnitt nachexilisch aus, doch lässt sich gegen O. Kaisers Datierung in die Makkabäerzeit wie bei allen solchen sehr späten Datierungen einwenden, dass nach dem Zeugnis von Sirach (Sir 48,22-25) in der Makkabäerzeit das Jesajabuch bereits als ein abgeschlossenes Gesamtwerk vorlag. (Dagegen lässt sich allerdings darauf verweisen, dass wir nicht wissen, ob Sirachs Jesajabuch genau das enthielt, was in dem Buch, wie wir es heute kennen, steht.) Ein exilszeitliches Datum (wie Barth vorschlägt) ist attraktiv; der Text wäre so ein weiterer Teil von Jesaja 1-39, der Deuterojesaja zeitlich nicht fern steht. Im übrigen könnte er, darin der Apokalypse in 24-27 vergleichbar, auf älteren Worten Jesajas beruhen und diese umkehren: zum Beispiel kann man 33,19
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(„das Volk mit der dunklen, unverständlichen Sprache“) mit 28,11 („[durch Leute] mit stammelnder Lippe und fremder Zunge“) vergleichen. Das Kapitel im ganzen wird oft als eine „prophetische Liturgie“ betrachtet, die ein Klagelied (v. 7-9), eine Tora-Liturgie (v. 14-16) und ein Heilsorakel (v. 17-24) enthalte. Allerdings sind nur wenige Kommentatoren der Meinung, dass das Material tatsächlich liturgisch verwendet wurde. Vielmehr hat der Redaktor von Jesaja 1-39 diesen rein literarischen Abschnitt nach einem liturgischen Modell geformt. Ich selbst neige dazu zu glauben, dass jeder Versuch herauszufinden, wann und warum er in das Buch eingesetzt wurde, und welche frühere Sammlung er möglicherweise einmal abschloss, ein wohl hoffnungsloses Unterfangen ist. Doch eine befriedigende und überzeugende Lösung wäre natürlich sehr zu begrüßen.
5.6 Die Redaktion von Jesaja 1–39 Wenn die Bibelwissenschaft des 19. Jahrhunderts gelegentlich den Eindruck hervorrief, das Jesajabuch sei praktisch eine zufällige Sammlung von Prophetenworten ohne jede Gemeinsamkeiten, so ist in neuerer Zeit das Pendel in die Gegenrichtung geschwungen. Die meisten Bibelwissenschaftler sind mittlerweile der Meinung, dass Jesaja 1-39, ja sogar das Jesajabuch insgesamt, ein sorgfältig ausgearbeitetes Ganzes sei. Obwohl einige der nicht-jesajanischen Abschnitte in einem ersten Stadium selbständige anonyme Orakel gewesen sein mögen, seien doch, nachdem sie einmal Jesaja zugeschrieben worden seien, ihre Einordnung in den Kontext und ihr genauer Wortlaut (dies wird wenigstens behauptet) sehr sorgfältig bedacht worden. Und nur vergleichsweise wenige der sekundären Aussprüche hätten eine selbständige Vorgeschichte gehabt: viele von ihnen, meint man heute, sind das Werk von Redaktoren und wurden dazu geschrieben, genau die Wirkung zu erzielen, die sie heute haben. Viele wurden geschrieben, um die Stoßrichtung des älteren Materials zu ändern, indem sie die in ihm enthaltenen Gerichtsworte durch die Hinzufügung von Prophezeiungen künftigen Heils relativierten, oder indem sie Jesajas Worte über Juda in der Zeit des Ahas zu Aussagen über die Menschheit insgesamt generalisierten. Im Gesamtergebnis entstand ein Buch, das sehr viel lockerer in den besonderen Umständen des 8. Jahrhunderts verwurzelt ist und offener ist für einen stetigen Gebrauch und Wiedergebrauch in den wechselnden Umständen welcher Epoche auch immer. Ich habe immer wieder eine gewisse Zurückhaltung anklingen lassen und dazu gemahnt, dass wir nicht die Möglichkeit übersehen sollten, dass einige
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Worte, oder ihre Stellung im Buch, gerade so viel dem Zufall wie einer planmäßigen Redaktion verdanken. Dennoch hat die neuere Bibelwissenschaft tatsächlich unser Bild dieses komplexesten aller Prophetenbücher nachhaltig verändert, und die Redaktionskritik hat uns gelehrt, dass es trotz seiner Komplexität ein kohärentes Buch ist. Im letzten Kapitel werden wir uns mit einigen neueren „Lesezugängen“ (readings) zu Jesaja 1-39 beschäftigen. Wie wir sehen werden, herrscht heute oft das Gefühl, dass eine Lektüre der „Endgestalt“ (final form) des Jesajabuches größeren Respekt für den Text beweise als der „fragmentierende“ Zugang der älteren kritischen Wissenschaft. Mag das so sein oder nicht, in jedem Fall ist die historische Wissenschaft dazu verpflichtet, die jetzige Gestalt von Jesaja 1-39 zu bedenken. Der Grund dafür ist nicht so sehr, dass der Text in dieser Gestalt heute vorliegt und einen berechtigten Anspruch an unser interpretatorisches Können stellt – der Gesichtspunkt, der heute üblicherweise zugunsten für eine Sicht der Bibel „als Literatur“ geltend gemacht wird –, sondern vielmehr, dass der Text diejenige Version von Jesaja 1-39 ist, die historisch gesehen zu der Zeit vorlag, als sie zum Abschluss gebracht wurde – wann auch immer das genau war. Wenn wir uns dafür interessieren, was Jesaja sagte, oder was die Autoren von späteren Abschnitten wie 24-27 oder 13-23 schrieben, dann ist es auch sinnvoll, dass wir uns dafür interessieren, was die für die Endgestalt verantwortlichen Redaktoren zu vermitteln suchten. In seiner Studie The Book Called Isaiah stellt H. G. M. Williamson eine Theorie über die Redaktion von Jesaja 1-55 vor, die die zahlreichen komplizierten Hypothesen in der Diskussion über dieses komplexe Buch stark vereinfacht. Während er akzeptiert, dass das Buch viel Material aus unterschiedlichen Zeiten enthält, schlägt er vor, als denjenigen, der es zusammenfügte, die Gestalt zu betrachten, die wir Deuterojesaja nennen. Es habe nie ein „Buch Deuterojesaja“ gegeben – d.h. Kapitel 40-55 hätten zu keiner Zeit als ein selbständiges Werk existiert. Stattdessen habe ein Prophet, der in der Exilszeit lebte, das vorhandene Jesajabuch herausgegeben und erweitert und ihm sechzehn weitere Kapitel, die heutigen Kapitel 40-55, hinzugefügt. Ein großer Teil des editorischen Materials in 1-39 dient also der Absicht, Jesajas Worten, so könnte man sagen, eine „deuterojesajanische“ Interpretation zu geben. Zusammengenommen ist Jesaja 1-55 danach ein Werk der Exilszeit, mit dem sein Herausgeber beabsichtigte, sowohl durch die Revisionen älterer Prophetenworte als auch durch die Präsentation von neuen, eine einheitliche Botschaft über Gottes Bestrafung seines ungehorsamen Volkes und über Gottes künftige Wiederherstellung des Volkes zu vermitteln. Und diese Zeit der
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Wiederherstellung, so glaubte Deuterojesaja, stand nun kurz bevor. Williamson schreibt, Ich habe im Verlauf dieses Buches hauptsächlich drei Vorschläge zu begründen gesucht, nämlich (1) dass Deuterojesaja ganz besonders durch die literarische Hinterlassenschaft Jesajas von Jerusalem beeinflusst war …, (2) dass er das frühere Werk in gewissem Sinne als ein Buch betrachtete, das bis auf die Zeit versiegelt war, in der das Gericht vorübergegangen und der Tag des Heils herbeigekommen sein würde, der Tag, den er selbst anzukündigen glaubte …, und (3) dass er, um seine Botschaft in eine Beziehung zu den früheren und ununterbrochenen Wegen Gottes mit Israel zu setzen, eine Version der früheren Prophezeiungen mit seinen eigenen verband und so herausgab, dass er dadurch die beiden Teile des Werkes zusammenknüpfte. (The Book Called Isaiah, S. 240f.)
Der erste dieser drei Punkte ist nicht weniger wichtig als die anderen beiden, um die Implikationen von Williamsons Theorie zu verstehen. Es ist nicht so, dass Deuterojesaja eine beliebige Sammlung alter Prophezeiungen vornahm, ihnen seine eigenen Worte hinzufügte und ihnen dadurch einen fremden Sinn aufzwang. Deuterojesajas eigene prophetische Botschaft war ganz entscheidend von den Worten Jesajas von Jerusalem abhängig, und sie hat viele Themen mit dieser Gestalt des 8. Jahrhunderts gemeinsam. Indem er seine eigenen Worte denen des Jesaja hinzufügte, versuchte er nicht, Jesajas Botschaft zu einem Abklatsch seiner eigenen zu verdrehen, sondern sie zu aktualisieren und durch die Kombination seiner eigenen Botschaft mit derjenigen seines Vorgängers ein harmonisches Ganzes zu schaffen. Es handelt sich hier um eine wohl durchdachte redaktionsgeschichtliche Theorie, die (neben anderen Vorzügen) das Verdienst hat, sowohl Kontinuität als auch Diskontinuität innerhalb des Jesajabuchs zu erklären. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, dass einige Wissenschaftler heute einen „holistischen“, Ganzheit suchenden Lesezugang zu Jesaja anmahnen, ohne Rücksicht auf die mutmaßliche Schichtung des Buches, die historische Kritiker mit minutiöser Genauigkeit erforscht haben. Williamsons Hypothese stellt eine elegante Brücke zwischen solchen Lektüren der „Endgestalt“ und einem Interesse an dem historischen Wachstum des Buches dar. Im Gegensatz zu denen, die das Buch nur in Einzelstücken lesen wollen, möchte er 1-55 als einen einheitlichen Zusammenhang mit einer kohärenten „Botschaft“ verstehen. Andererseits sind für ihn die Einheit und Kohärenz dieser Kapitel nicht etwas, was wir, die heutigen Leser, einfach beschließen, den Kapiteln aufzudrücken. Zu dem Zeitpunkt, als 1-55 zuerst als ein Ganzes entstand, waren diese Kapitel einheitlich und kohärent, nämlich durch die wohlüberleg-
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te Absicht jenes Propheten, den wir Deuterojesaja nennen. Zumindest in diesem Fall ist die heute übliche Unterscheidung zwischen einer „historisch“ und einer „literarisch“ orientierten Lektüre der Texte – die erstere mit einem Interesse an Details der Entstehungsgeschichte der Texte, die letztere mit einem Interesse nur am abgeschlossenen Endprodukt – ganz offenkundig eine grobe Vereinfachung. Durch weitere Studien zur Redaktionsgeschichte der anderen Prophetenbücher sollte es künftig möglich werden, eine sehr viel breitere Darstellung der Entwicklung des jüdischen theologischen Denkens, besonders hinsichtlich der Eschatologie, in der Epoche des Zweiten Tempels zu geben. Wenn die Bücher, die den vorexilischen Propheten zugeschrieben werden, auf eine reflektierte und methodische Weise zusammengefügt wurden statt so zufällig, wie es einige frühere Bibelwissenschaftler annahmen, dann dokumentieren sie in ihrer heutigen Gestalt gut das religiöse Denken der Zeit, in der sie entstanden, genauso gut wie die authentischen Worte des mit Namen bekannten Propheten das Denken seiner Zeit dokumentieren. Wenn die endgültige Ausgabe von Jesaja 1-39, wie O. Kaiser meint, das Werk der makkabäischen Zeit (des frühen zweiten Jahrhunderts) war, dann sollten wir sie im Vergleich mit dem Danielbuch lesen; wenn sie aus der mittleren Perserzeit (etwa dem späten fünften oder frühen vierten Jahrhundert) stammt, dann müssen wir sie neben die Chronik, Esra und Nehemia stellen; und wenn Williamson Recht hat und diese Kapitel von Deuterojesaja sorgfältig überarbeitet und ergänzt wurden, dann sollten sie im Kontext von dessen Werk und der anderen reichen theologischen Werke, die in der Exilszeit entstanden, gelesen werden. „Exegese der Endgestalt“ hat eine wichtige historische Aufgabe vor sich, ungeachtet der Frage, wie es ihr auf dem literaturwissenschaftlichen Feld ergeht.
6 Lesezugänge zum Jesajabuch Lange Zeit war es ungewöhnlich, die Anregung zu geben, dass Jesaja 1-39 als eine Einheit zu lesen sei, geschweige denn, dass das Buch insgesamt so gelesen werden solle. Wohl haben das diejenigen empfohlen, die die „kritische“ Bibelwissenschaft ablehnen, denn in ihrer Sicht ist ja das Buch Jesaja in Wirklichkeit das Werk des Propheten Jesaja, Sohn des Amoz. Doch erst in den letzten Jahren haben auch kritische Wissenschaftler angefangen, sich für die Endgestalt (wie man zumeist sagt) des Buches zu interessieren. Da die vorliegende Studie sich auf Jesaja 1-39 bezieht, werde ich nicht viel über Versuche sagen, die Kapitel 40-66 wieder in das Buch zu integrieren; doch es liegt auf der Hand, dass das genannte Interesse nicht beim Schluss von Kapitel 39 abbricht. Manche der aktuellen Theorien über die Endgestalt („final form“) können jedoch auch auf das „halb-fertige“ Dokument, Kapitel 1-39, angewendet werden. In jedem Fall gilt die Unterteilung zwischen 1-39 und 40-66 nahezu bei allen als die schärfste im ganzen Buch. In Kapitel 1 haben wir verschiedene Theorien darüber betrachtet, wie das Jesajabuch seine heutige Form erhalten hat. Im wesentlichen scheinen zwei Modelle gebraucht zu werden: eine Schule von Jesajaschülern, die die Worte des Propheten über einen Zeitraum von Jahren oder sogar Jahrhunderten bearbeiten und ergänzen (Eaton, Jones, Mowinckel, Vermeylen); oder Gruppen von Schreibern, die die Prophetenbücher ungefähr auf dieselbe Weise herausgeben wie sie die Bücher der Tora oder generell andere ältere Werke herausgaben (Fishbane, Fohrer). Im letzten Kapitel haben wir etwas genauer einige Theorien über die Komposition von verschiedenen nachjesajanischen Abschnitten studiert und gesehen, dass es gewisse Anhaltspunkte für eine Ausgabe von „Jesaja“ im 6. Jahrhundert, in der Zeit Deuterojesajas (um 540 v. Chr.), gibt. H. G. M. Williamson hat eine detaillierte Untersuchung dieses Redaktionsstadiums vorgelegt. Schon im 7. Jahrhundert hatte es der Theorie von H. Barth zufolge eine joschijazeitliche Redaktion gegeben. Beide Redaktionen im 7. bzw. im 6. Jahrhundert haben anscheinend einzelne Züge von beiden eben genannten Modellen getragen. Ohne eine Übermittlung durch Schüler des Propheten ist schwer zu sehen, wie Jesajas Aussprüche für eine redaktionelle Bearbeitung hätten verfügbar sein können. Und doch beruhte der Redaktionsprozess selbst auf der Kenntnis einer schriftlichen Gestalt des Textes, und es kam bei ihm sehr viel auf exakte sprachliche Nuancen und die Anordnung der Aussprüche an – die weitgehend so angeordnet sind, dass Voraussagen von Heil und Unheil miteinander
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abwechseln. Wenn Williamson Recht hat, fällt zum Beispiel Kap. 1-12 in zwei Hälften, von denen die erste (1-5) auf eine Katastrophe blickt, die zweite (6-11) auf eine Wiederherstellung, und Kap. 12 bildet einen doxologischen Abschluß zum Ganzen. Letztlich sind die beiden Modelle also nicht unvereinbar, denn die Schreiber, die Jesaja herausgaben, sahen sich wohl seinen Worten und der Erinnerung an ihn verpflichtet, und die Schüler, die sie zuerst überlieferten, müssen fähig gewesen sein zu schreiben (es sei denn, wir machten uns eine Sicht zu eigen, die ganz auf eine mündliche Tradition setzt).
6.1 Literarische Lesezugänge zu Jesaja Die heutige Diskussion über die Redaktionsgeschichte des Jesajabuches nimmt weithin eine größere Kontinuität an zwischen dem Propheten und dem Buch, das seinen Namen trägt, als es die kritischen Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts taten, die oft die negative Feststellung betonten, dass dieser oder jener Abschnitt nicht von dem Propheten selbst stammen könne. Insofern ist die ältere scharfe Unterscheidung zwischen „kritischer“ und „vorkritischer“ Wissenschaft aufgeweicht worden. Spätere Stadien im Wachstum des Buches, so würde man nach wie vor betonen, sind in ihrer Botschaft sehr verschieden von allem, was Jesaja selbst gesagt hätte, aber dennoch verbleiben sie in einer wahrnehmbaren Kontinuität mit seinen eigenen Worten und Ideen. Es ist wichtig zu sehen, dass Kommentatoren, die sehr schnell bereit sind, bedeutende Kapitel in Jesaja 1-39 als nicht authentisch zu behandeln, möglicherweise zugleich eine hohe Meinung von solcher Kontinuität haben. J. Vermeylen beispielsweise betrachtet ausgedehnte Abschnitte von Jesaja 1-39 als sekundär – einschließlich selbst solcher „Kernbestand“-Aussprüche wie dem Weinberglied (5,1-7). Dennoch ist er zugleich davon überzeugt, dass die Gesamtbotschaft von Jesaja 1-39 vieles von den Themen der eigenen Verkündigung des Propheten behalten hat. Schon Jesaja selbst, wie dann das nach ihm benannte Buch, suchte ein Gleichgewicht zwischen einer Vorahnung des unvermeidlichen Zusammenbruchs von Juda und dem Glauben, dass Jhwhs Fürsorge für sein Volk kein Ende kenne und sich zuletzt durchsetzen werde. Dieses Paradox von Gericht und Gnade durchdringt noch das ganze Buch in seiner Endgestalt und ist der Grund für seine befremdlichen Stimmungswandel von Verzweiflung zu Freude, die in Kap. 12 oder in Kap. 34-35 stärksten Ausdruck finden.
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Diese Weise, das Buch als ein vollendetes Ganzes zu betrachten, nennt man vielleicht am besten „literarisch“ (literary), nämlich darin, dass sie versucht, Jesaja nicht als ein Dokument aus der Vergangenheit zu lesen, voll von Umschreibungen und Einfügungen, sondern als ein literarisches Werk – etwa so wie wir Romane oder Theaterstücke lesen, deren Einheit wir dabei ja als gegeben ansehen. Ein solcher Lesezugang mag durchaus das Vorhandensein von dissonanten Elementen im Jesajabuch ernst nehmen und ohne Einschränkungen die Folgerung daraus zugeben, dass das Buch nicht als ein einheitlich Ganzes, verfasst durch einen Propheten, entstanden sein kann. Doch die verschiedenartigen Materialien, aus denen das Werk zusammengefügt ist, sind trotz allem in einer solchen Weise zusammengezogen worden, dass das Buch, das sich daraus ergibt, weit mehr ist als eine Sammlung von Fragmenten – das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile. Dadurch, dass man auf die leisen Töne des Textes achtet, wird es möglich, und erstrebenswert, das Jesajabuch als eine Einheit zu lesen. Zusammengenommen, und mit Rücksicht auf die Anordnung, die die Redaktoren ihnen gegeben haben, haben alle Aussprüche, die dem Jesaja zugeschrieben werden, ihren Sinn: Sie ergeben ein Buch, nicht bloß eine Mappe voll von groben Entwürfen und gesammelten Schnipseln.
6.2 Kanonische Kritik Dieses literarische Interesse am Jesajabuch als einem abgeschlossenen Ganzen kommt gerade zu einer Zeit auf, in der andere Wissenschaftler aus ganz anderen Gründen einheitliche Lesezugänge für biblische Bücher zu befördern suchen. Seit den 1970er Jahren haben einige Bibelwissenschaftler theologische, weniger literarische, Gründe geltend gemacht, warum Jesaja (oder jedes andere Buch der Bibel) als ein Ganzes gelesen werden sollte, statt zerlegt und aufgesplittert zu werden. Diese Denkbewegung wird im allgemeinen als „kanonische Kritik“ (canonical criticism) bezeichnet. Der Name ist ziemlich irreführend, weil er zwei verschiedene methodische Programme vereint, dasjenige von B. S. Childs und dasjenige von J. A. Sanders. Stark vereinfachend kann man sagen, dass Childs stärker mit der „kanonischen Gestalt“ (canonical form) von Texten der Schrift beschäftigt ist, das heißt, mit der Gestalt, die sie zu dem Zeitpunkt hatten, als Juden und Christen sie als „kanonisch“ anerkannten. Sanders’ Interesse richtet sich mehr auf den Prozess, durch den sich diese kanonische Gestalt herausbildete. Zahlreiche Bibelwissenschaftler stehen jedoch unter dem Einfluss sowohl von Childs als auch von Sanders, und es
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wäre ihnen wichtig, sowohl dem Jesajabuch in der Gestalt, in der wir es heute haben, als auch dem Prozess, durch den es entstand, einen hohen Wert zuzuschreiben. Darüber hinaus hat ein Interesse an der Bibel als Buch der Kirche bzw. der Synagoge für viele die Bedeutung der traditionellen jüdischen und christlichen Interpretation wieder frei gelegt (vgl. die Diskussion dieser Frage bei J. F. A. Sawyer, From Moses to Patmos). Gelegentlich wird heute behauptet, dass ein „kanonischer“ Zugang all die Unbill umkehren könne, die dem jüdischen und christlichen Gebrauch der Heiligen Schrift angeblich durch die historisch-kritische Methode widerfahren ist, während er erlaube, diese Methode in ihrer eigenen begrenzten Sphäre unvermindert als gültig anzuerkennen. Mag das so stimmen oder nicht, solch steiler Anspruch bestätigt, dass die Lektüre des Jesajabuchs als eine Einheit fest auf der Tagesordnung der Wissenschaft heute steht. Was „bedeutet“ Jesaja (oder Jesaja 1-39), wenn es in einer einheitstiftenden Weise gelesen wird? E. W. Conrads Buch Reading Isaiah von 1991 macht den interessanten Vorschlag, dass der Schlüssel zum Jesajabuch wie es heute vorliegt sein Bezug auf die Zukunft sei. Wie gering auch immer der Stellenwert der messianischen Hoffnungen in der ursprünglichen Botschaft des Propheten Jesaja gewesen sei, so wie das Buch vorliegt ist es eindeutig auf die Zukunft hin ausgerichtet: Das Jesajabuch (Kap. 1-66) stellt den Kontext und die Veranlassung dafür da, ein anderes Buch zu lesen, das Buch der Vision Jesajas (Kap. 6-39). Das Buch ist so aufgebaut, dass es einen gegenwartsbezogenen Kontext als den Rahmen (Kap. 1-5 und 40-66) für die Rezeption der alten Vision Jesajas (Kap. 6-39) vorgibt … Die Vision Jesajas war ein fremder Text in ihrer Ursprungszeit, weil sie in ihrer eigenen Zeit ein Buch war, das für eine andere Zeit geschrieben wurde, für eine zukünftige Zeit. Erst nach der Zeit des Jesaja konnte die Vision Jesajas mit Verständnis gelesen werden. (Reading Isaiah, S. 155f.)
Möglicherweise ist hierbei der Gedanke impliziert, dass es eigentlich ein Fehler der kritischen Wissenschaft war, so viel Zeit auf die Verortung Jesajas in seiner eigenen Zeit zu verwenden, wo es doch das Ziel der Endgestalt des Buches ist, seine Aussprüche in die Zukunft zu versetzen und sie als solche zu erkennen, die für Leser einer weit späteren Zeit gemeint waren! Ob dies nun so ist oder nicht, es gibt gute Gründe für Conrads Vorstellung, dass die Gemeinschaft, die das Jesajabuch produzierte und kanonisierte, den Propheten als jemanden sah, der absichtlich dunkle Orakel gesprochen hatte (vgl. 6,9-10; 29,10-12), die keinen Bezugspunkt in ihrer Zeit hatten, sondern für eine zu-
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künftige Zeit aufbewahrt werden sollten, in der sie ihre Erfüllung finden würden – vgl. Dan 9,2.24; 10,14; und dazu mein Buch Oracles of God. Childs’ Urteil über die Bedeutung des Jesajabuches als ein abgeschlossener Text unterstreicht weit weniger seine Anwendung auf eine bestimmte zukünftige Zeit, die „Zeit der Erlösung“, und viel stärker seine allgemeine Anwendbarkeit. Zum Beispiel soll das Zusammenmischen von Aussprüchen aus vielen verschiedenen Epochen – der assyrischen, der babylonischen, der persischen – dazu dienen, sie alle aus ihrem Kontext zu lösen. Der Leser soll allgemeine theologische Belehrung aus den Aussprüchen gewinnen, eine Belehrung, die weder zeitgebunden noch kulturspezifisch ist. Indem sie Aussprüche über Kyros (in den Kapiteln 40-55) mit Aussprüchen über die Assyrer (in den Kapiteln 1-39) verbanden, wollten die Herausgeber (bzw. diejenigen, die die kanonische Form fixierten) das Interesse eines Lesers sowohl von Kyros als auch von Sanherib ablenken und auf den allgemeinen Gedanken von angemaßter menschlicher, im Gegensatz zu wirklicher göttlicher Macht hinlenken. Man könnte sagen, dass in Childs’ Interpretation die Prophetie des Jesaja sich in etwas verwandelt, was der Weisheitsliteratur nicht unähnlich ist – Einsicht in die Situation des Menschen, die in jedem Zeitalter gleichermaßen anwendbar ist. Jedenfalls kann ein Vergleich von Childs’ Leseweise mit der von Conrad nur dazu helfen hervorzuheben, wie unterschiedlich die Schlußfolgerungen sind, zu denen zwei Interpreten gelangen können, die sich beide auf die Endgestalt des Textes als die angemessene Grundlage der Exegese verpflichtet haben.
6.3 Themen in Jesaja 1-39 Selbst wenn wir es vorziehen, uns nicht auf diese absichtlich einheitstiftenden Lesezugänge (unitary readings) zu verpflichten, ist es dennoch möglich, eine Anzahl von Themen zu identifizieren, die sich durch Jesaja 1-39 hindurchziehen und zumindest teilweise den Eindruck einer Einheitlichkeit erklären, den das Buch selbst bei flüchtiger Lektüre erweckt. Die Tatsache, dass diese Themen sowohl im „authentischen“ als auch im „sekundären“ Material vorkommen, mag zu einem gewissen Grade die Vorstellung von einer „Schule“ Jesajas unterstützen – die sekundären Zusätze stehen zumeist nicht in enger thematischer Nähe beispielsweise zu Jeremia oder Ezechiel. Aus historischkritischer Perspektive erfahren die Themen jedoch in den sekundären Passagen oft eine ziemlich andere Behandlung im Vergleich dazu, wie sie in den Aussprüchen des Jesaja selbst behandelt werden. Die folgenden Ausführun-
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gen werden deshalb eine Unterstützung bieten sowohl für Theorien über eine kohärente Redaktion von Jesaja 1-39 als auch für eine Analyse, die die Schichtung und komplexe Kompositionsgeschichte des Buches betont. Es gibt keinen Grund, warum ein Leser des Jesajabuches nicht beides für richtig halten sollte. Der Heilige Israels Da es ja eines der Kennzeichen des Alten Testaments ist, dass alle Literatur, die es enthält, religiös ist, kann es kaum überraschen, dass jeder Faden und jede Schicht in Jesaja 1-39 mit Gott zu tun hat. Gott wird jedoch keineswegs in allen Büchern des Alten Testaments in genau derselben Weise verstanden, und auffällig ist, dass es eindeutig ein „jesajanisches“ Bild von Gott zu geben scheint, das in gewisser Weise alle Unterscheidungen von Quellen des Buches unterläuft. Die meisten Leser werden den Ausdruck „der Heilige Israels“ bemerken, doch werden sie sich wahrscheinlich nicht im Klaren darüber sein, wie sehr er gerade für Jesaja spezifisch ist. Der Ausdruck begegnet zwölfmal in 1-39 und elfmal in 40-55 (nur zweimal in 56-66), sonst aber kaum irgendwo im Alten Testament. Seiner Form nach entspricht er einigen seltenen Gottesbezeichnungen in der Genesis: der Schrecken Isaaks, der Starke Jakobs (vgl. Gen 31,42; 49,24). Von diesen Bezeichnungen hat man oft gemeint, dass sie sehr alt seien, ursprünglich vielleicht die Namen von verschiedenen Stammesgottheiten. Möglicherweise gilt dasselbe von dem Namen „der Heilige Israels“, und es könnte ein bloßer Zufall sein, dass der Name fast ausschließlich im Jesajabuch erhalten ist. Doch sollte es Zufall sein, wäre es ein eigentümlicher Umstand, dass Jesaja eines von nur zwei Prophetenbüchern ist (das andere ist Ezechiel), in dem die Heiligkeit Gottes am stärksten betont wird; und dass Jesajas Berufungsvision in Kap. 6 vom Thema der Heiligkeit Jhwhs bestimmt ist. Die Seraphim beschreiben Gott als „heilig, heilig, heilig“; der Prophet reagiert mit der Erinnerung der Unreinheit des Juda seiner Zeit, ihn selbst eingeschlossen. Was auch immer die ursprüngliche Bedeutung von qādôš, „heilig“, gewesen sein mag, Jesaja 6 gebraucht das Wort als einen Begriff, der die Erhabenheit Jhwhs über der geschaffenen Welt einschließt und seine vollkommene „Reinheit“ – seine Verabscheuung jeder Art von Verunreinigung, sei sie rituell oder moralisch. Schuld und Verdorbenheit bedeuten nach 1,4 eine „Verschmähung des Heiligen Israels“, gerade so wie die Ablehnung der Botschaft seiner Propheten nach 30,11. Gottes Heiligkeit bekundet sich in seiner gerechten Verurteilung von Sünde (5,16).
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So scheint das Wesen der Heiligkeit für Jesaja in der Überlegenheit Gottes über allem bestanden zu haben, verbunden mit seiner vollkommenen Freiheit von Beeinträchtigung durch alles Unreine oder Sündige: absolute Macht und absolute Reinheit. Wir haben schon gesehen, wie wichtig für Jesaja der erhabene Charakter Jhwhs war, des Herrn der Welt, den herauszufordern kein Sterblicher sich anmaßen sollte. Deshalb spielte Stolz eine so zentrale Rolle in seinem Verständnis der Sünde des Menschen. Heiligkeit, so wie Jesaja den Begriff gebraucht, passt exakt in dieses Konzept von der Natur Gottes. Es ist also zwar möglich, aber doch nicht wahrscheinlich, dass der Titel „der Heilige Israels“ nur zufällig in seinen Aussprüchen statt in denen anderer Propheten begegnet. Dies wiederum macht das proportional sogar noch häufigere Vorkommen des Titels in 40-55 ziemlich bemerkenswert, und kann durchaus die Ansicht unterstützen, der zufolge zwischen 1-39 und 40-55 eine mehr als nur punktuelle Verbindung besteht. Tatsächlich scheint nicht nur der Begriff, sondern auch die zugrundeliegende theologische Vorstellung beiden Sammlungen gemeinsam zu sein. Die Erhabenheit des Gottes Israels, im Gegensatz zu den „Götzen“, die andere Völker verehren, wird von Deuterojesaja stark betont: „Mit wem wollt ihr mich vergleichen? Wem sollte ich ähnlich sein?, spricht der Heilige“ (Jes 40,25). Und Gottes Heiligkeit schließt ein, dass seine Verehrer von allem frei sein müssen, was sie verunreinigen würde (52,11). Deuterojesaja scheint eine eindeutig „jesajanische“ Sicht von Gott zu haben – verständlicherweise, wenn er in gewissem Sinn ein Schüler des Propheten aus dem 8. Jahrhundert oder zumindest stark von ihm beeinflusst war, wie H. G. M. Williamson behauptet. Williamsons Hypothese, dass Deuterojesaja Kap. 1-39 herausgab, macht natürlich auch die umgekehrte Annahme möglich – dass nämlich Heiligkeit ein Begriff aus dem Wortschatz Deuterojesajas sei, wenig überraschend bei einem Zeitgenossen des Ezechiel, und dass seine Vorrangstellung in den Aussprüchen Jesajas auf die Herausgebertätigkeit Deuterojesajas zurückgehe. Doch die zentrale Stellung des Themas in Jesaja 6, die das Verständnis des Propheten von seinem Auftrag und von dem, der ihn berufen hat, vom ersten Augenblick an prägt, lässt es richtiger scheinen anzunehmen, dass hier tatsächlich eine Vorstellung begegnet, die wir Jesaja selbst verdanken. Das bedeutet nicht, dass jeder Beleg für diese Vorstellung in 1-39 „authentisch“ ist. Auffälligerweise schließt der Psalm in Kap. 12, „Jauchzt und jubelt, ihr Bewohner von Zion; denn groß ist in eurer Mitte der Heilige Israels“ (12,6). 1-12 also, eine der größeren früheren Sammlungen im Buch, endet mit diesem charakteristischen jesajanischen Thema. Der Ton
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liegt darauf, dass die künftige Wiederherstellung Israels ein Ausdruck der Erhabenheit Jhwhs, des Heiligen, sein werde, ein Gesichtspunkt, dem Jesaja, Deuterojesaja und die meisten anderen, die zu dem Buch beigetragen haben, mit Sicherheit zugestimmt hätten (vgl. auch 29,19). Die Folgerung lässt sich kaum umgehen, dass gewollt oder ungewollt das Jesajabuch durch das regulative Thema der Heiligkeit Gottes zu einer Einheit gebracht wurde. Eine sorgfältige Lektüre muss sowohl den verschiedenen Nuancierungen, die das Konzept in den verschiedenen Kontexten und Epochen der Komposition des Buches erfahren hat, als auch der bemerkenswerten Einheit, die es dem Buch verleiht, gerecht werden. Es ist keineswegs verwunderlich, dass viele Leser es als ein ziemlich einheitliches Werk wahrnehmen, trotz all seiner Komplexität. Israel Soweit haben wir die Frage gestellt, was uns der Titel „der Heilige Israels“ über das Verständnis von Gott im Jesajabuch erkennen lässt. Doch das Wort „Israel“ selbst ist nicht weniger interessant. Offenbar war „Israel“ historisch gesehen der Name des nördlichen Königreiches mit seiner Hauptstadt Samaria. Jesaja aber gebraucht das Wort kaum jemals in diesem Sinn: wenn das nördliche Königreich erwähnt wird, wird es normalerweise „Efraim“ genannt (7,2.8-9; 9,8.20; 11,12-13; 17,3; 28,1.3; eine ungewöhnliche Verwendung von „Israel“ für das nördliche Reich findet sich in 9,7). „Israel“ (gelegentlich auch „Jakob“) scheint bei Jesaja normalerweise eine religiöse Bezeichnung zu sein, die ungefähr etwas meint wie „das Volk Jhwhs“. Aus diesem Grund kann es, für uns verwirrend, in Aussprüchen gebraucht werden, die an Juda, das südliche Königreich, gerichtet sind (z.B. 1,3; 5,7), oder an beide Königreiche, die dabei als zwei Teile von Jhwhs „Volk“ verstanden werden (z.B. „die beiden Häuser [Reiche] Israels“ in 8,14). Obwohl Jesaja die realen politischen Gegebenheiten in Palästina scharf im Blick hat, betrachtet er dennoch die politischen Umstände seiner Zeit in keiner Weise als einen Indikator für die wahre Beziehung zwischen Jhwh und dieser besonderen Teilmenge der Menschheit. „Israel“ umfasst im Prinzip das nördliche Königreich so gut wie Juda, selbst wenn dieses Königreich schon zugrunde gegangen ist (im Jahr 721); andererseits, wenn Juda allein, oder sogar (wie im Jahr 701) nur Jerusalem unversehrt geblieben ist, dann betreffen alle Forderungen, die Jhwh an „Israel“ stellt, eben diese Stadt, sei sie auch nur ein noch so kleines Fragment des ganzen Volkes.
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Zu „Israel“ zu gehören bedeutet also nicht eine bloß politische Identität; es bedeutet, zu einer Gruppe von Menschen zu gehören, die durch ihre Beziehung zu Jhwh konstituiert ist und eine besondere Verantwortung vor ihm hat. Nirgendwo ist das so klar zu sehen wie im Weinberglied (5,1-7): Das Haus Israel ist Jhwhs wertgeschätzter Weinberg und müsste im Gegenzug zu der Fürsorge, die er reichlich auf ihn verwendet hat, „gute Trauben“ bringen – dies eine Metapher für Recht und Gerechtigkeit. Oder, in einem anderen Bild gesagt (1,2), Israel ist wie eine Familie von Söhnen, die ihr Vater, Jhwh, groß gezogen hat, und die ungehorsam und undankbar geworden sind. Diese Vorstellung davon, was „Israel“ zu sein bedeutet, ist modernen Bibellesern so vertraut, dass wir meist übersehen, wie seltsam sie ist. Namen von Nationen können sich ja tatsächlich in Metaphern für die Eigenschaften verwandeln, die diese Nationen wie man meint exemplarisch darstellen. „England wird es immer geben“ heißt nicht, dass England im buchstäblichen Sinn niemals zu existieren aufhören werde (für den Gedanken müssen wir „Rule, Britannia“ zitieren), sondern dass die Quintessenz des Englischen irgendwie unzerstörbar sei. Wo immer Kricket gespielt wird, Bier warm getrunken, und Regen frisch gemähten Rasen durchtränkt, überlebt England. Doch mag man bezweifeln, dass diese Vorstellung tatsächlich fortbestehen würde, wenn es England in einem physischen Sinn nicht mehr gäbe. Der Begriff „Israel“ hat demgegenüber seinen ursprünglichen und unkomplizierten politischen Gebrauch weit überdauert. Viele Jahrhunderte hindurch, von der römischen Zerstörung Jerusalems im 1. Jahrhundert n. Chr. bis zur Gründung des heutigen Staates Israel, bezog er sich auf Juden – Jhwhs Volk – ungeachtet der Tatsache, dass sie keine einheitliche politische Identität hatten. Jesaja steht am Anfang dieser Entwicklung, und obwohl er den Begriff nicht sehr oft benutzt, ist es doch wichtig zu sehen, was für weitreichende Implikationen mit seinem Gebrauch bei Jesaja gegeben sind. Heißt das, dass dieser Gebrauch des Begriffs „Israel“ die Vorstellung von einem Bund zwischen Gott und Israel impliziert? Jesaja gebraucht an keiner Stelle das Wort běrît, die technische Bezeichnung für einen Bundesschluss. Wenn wir jedoch den Bund in dem Sinne verstehen, dass es eine besondere Beziehung gibt zwischen Jhwh und der Gruppe / dem Volk / der Nation, die sich Israel oder Jakob oder Efraim sowie Juda nannte, und dass diese Beziehung gegenseitige Verpflichtungen einschloss, dann war die Vorstellung selbst zweifellos da, auch wenn es der Begriff nicht war. Wir sollten uns jedoch davor hüten, zu weitgehende Folgerungen daraus zu ziehen. Jesaja zeigt wenig Interesse an dem, was Alttestamentler die „Heilsgeschichte“ Israels nennen,
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so wie sie im Pentateuch erzählt wird. An keiner Stelle erwähnt er die Gesetzgebung am Sinai, noch spricht er vom Exodus, von Mose, oder von der Besiedlung des Verheißenen Landes. Sein Konzept von „Israel“ umgreift in der Theorie zwar alle Nachkommen Jakobs, in der Praxis denkt er normalerweise aber an Jerusalem, seine Einwohner und seine Traditionen, als den Fokalpunkt, auf den sich Jhwhs Aufmerksamkeit im 8. Jahrhundert richtet. Wir können deshalb nicht wissen, ob er an einen „Bund“ im Sinne des Begriffes in Exodus oder Deuteronomium dachte. Vielleicht war es viel eher so, dass diejenigen, die die offizielle Darstellung der Geschichte des Volkes formulierten, ihre Ideen von Jesaja und weiteren ähnlichen Lehrern bezogen, als umgekehrt. Die Nachfolger Jesajas, die so vieles zu 1-39 beigetragen haben, fassten seinen Gebrauch von „Israel“ – an dem sie festhielten – gewiss so auf, dass er die Vorstellung von einem Bund einschloss und damit zugleich auch die von der heiligen Geschichte. Nach 27,13 sollen die Israeliten aus Mesopotamien und Ägypten in einem neuen Exodus zusammengebracht werden, fast genau wie der Exodus, den Deuterojesaja vorhersagte (52,11-12). Der Berg Zion und seine Bewohner sollen durch eine „Wolke bei Tag“ und eine „Feuerflamme bei Nacht“ beschützt werden (4,5), genau wie das Volk, das unter der Führung des Mose aus Ägypten auszog (Ex 13,21-22). Gottes Gesetz soll kundgetan werden, nicht nur für Israel, sondern für alle Nationen, von Jerusalem aus (2,3). Zumindest in der sog. Jesajaapokalypse (24-27) wird das Wort „Bund“ ausdrücklich verwendet, wenn auch vielleicht mit Bezug auf einen „kosmischen Bund“ und nicht allein auf den am Sinai geschlossenen Bund (24,5; vgl. R. Murray). Und „Israel“ ist deutlich ein idealisiertes „Volk Gottes“, noch viel mehr als in den authentischen Aussprüchen Jesajas, und es kann sich nicht nur in Palästina ausbreiten, sondern überall in der Welt: „In künftigen Tagen schlägt Jakob wieder Wurzel, Israel blüht und gedeiht, dass sie den Erdkreis mit Früchten erfüllen.“ (27,6; Einheitsübersetzung: „… und der Erdkreis füllt sich mit Früchten“). Dies erinnert wiederum an Themen bei Deuterojesaja (54,1-3; 55,5), und mag die Theorie stützen, der zufolge 1-39 in der Zeit Deuterojesajas herausgegeben wurde, wenn nicht sogar direkt von ihm selbst. Es gibt also eine konsistente Vorstellung von „Israel“, die verschiedene Schichten in Jesaja 1-39 durchzieht und dazu beiträgt, das Buch zusammenzubinden. Wir könnten sagen, dass Jesaja und das Buch, das jetzt seinen Namen trägt, folgendes gemeinsam haben: (a) den Glauben an eine besondere Berufung „Israels“, (b) die Bestürzung darüber, dass es scheinbar nur zu einem so geringen Grad die Verpflichtungen akzeptiert hat, die mit dieser
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Berufung einhergehen, und dennoch auch (c) eine (mehr oder weniger) zuversichtliche Hoffnung, dass Gott treu zu seiner Seite der Beziehung stehen und das Volk zuletzt zu einem größeren Wohlergehen bringen werde, als sie es je zuvor kannten. Die Einzelheiten bei diesem Akkord von Überzeugungen veränderten sich während der langen Zeit, in der Jesaja 1-39 anwuchs, doch die Grundzüge blieben bemerkenswert konstant. König und Messias Jesaja ist das wichtigste von allen Prophetenbüchern für die Christen gewesen, die „messianische“ Weissagungen suchten – nicht nur das „Immanuel“Orakel in 7,10-14, sondern auch das „es ist uns ein Kind geboren“ in 9,1-6, das „Reis aus dem Baumstumpf Isais“ in 11,1-9 und die ausdrucksstarke Passage in 33,17-22 mit ihrem Beginn „deine Augen werden den König in seiner Schönheit erblicken“. Die Beziehung solcher Weissagungen auf Jesus ist schon immer von den Juden infrage gestellt worden, und in neueren Zeiten von vielen kritischen Wissenschaftlern, indem sie zwei Fragen stellten: (1) sind diese Passagen wirklich messianisch? und (2) wenn sie es sind, können wir wissen, dass sie sich auf Jesus Christus beziehen? Die zweite Frage zu beantworten würde die Grenzen des vorliegenden Buches überschreiten. Doch die erste kann uns sehr schön auf den Entwicklungsgang verweisen, durch den die Botschaft Jesajas durch die Hinzufügung von späterem Material schrittweise angepasst und ausgeweitet wurde, um ein Buch zu ergeben, das auch in diesem Bereich den heutigen Leser mit einer überraschend einheitlichen Botschaft konfrontiert. Der Messias, soweit geht der allgemeine Konsens, wurde im Judentum der Zeit des Zweiten Tempels als ein König aus der Linie Davids verstanden. Das davidische Königtum hatte mit der Exilierung von Jojachin, dem letzten legitimen König von Juda, im Jahr 598 v. Chr. geendet. Als einige Juden in den 530er Jahren aus Babylonien zurückkehrten, gab es manche kurzlebige Hoffnungen darauf, dass es noch einmal einen König geben würde. Manche dieser Hoffnungen hatten sich wohl auf den Statthalter Serubbabel gerichtet (Esra 5,1-2; Hag 2,20-23; Sach 4,1-10), der (obwohl er von den Persern ernannt war) der Enkel Jojachins war und deshalb einen vertretbaren Anspruch geltend machen konnte. Tatsächlich haben diese Hoffnungen jedoch zu nichts geführt, und erst im 2. Jahrhundert v. Chr. gab es wiederum „Könige“ in Israel, die Hasmonäer – doch waren sie Könige nur in einem begrenzten Sinn. Abgelöst von der Aussicht auf eine realistische Erfüllung wurde die
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Hoffnung auf einen König umgewandelt in die Hoffnung auf einen Befreier, den Gott selbst auf eine mehr oder weniger wunderhafte Weise senden würde. Doch die Verbindung des Messias mit dem Königtum geriet nie in Vergessenheit. Die Aussprüche des Jesaja – soweit sie im allgemeinen als authentisch gelten – zeigen, dass er in einer engeren Verbindung mit den Königen von Juda stand als jeder andere Prophet, abgesehen vielleicht von Jeremia. Ob er wirklich, wie einige meinen, berufsständisch ein königlicher Ratgeber war oder nicht, so hatte er doch leichten Zugang zum König und konnte ihn direkt ansprechen (7,1-17; vgl. Kap. 37 und 39). Deshalb wäre es nicht verwunderlich, wenn er Prophezeiungen über den König und das Königshaus gesprochen hätte – vielleicht über zukünftige Könige ebenso wie über den gerade regierenden König. Wenn man 9,1-6 als eine Verherrlichung des gegenwärtigen Königs versteht (etwa bei seiner Krönung, die als eine symbolische neue Geburt dargestellt würde) oder als die Vorhersage der Geburt eines Thronfolgers, dann gibt es keinen Grund, warum nicht Jesaja der Autor des Ausspruchs sein sollte. Wenn man die Verse als messianisch in einem strengeren Sinne liest, dann ergibt sich ein Problem: hätte der Prophet das Kommen einer Gestalt, die die Linie Davids wiederherstellen würde, zu einer Zeit vorhergesagt, als diese Linie noch ungebrochen war und im Besitz ihrer königlichen Residenzstadt Jerusalem? Das Problem ist analog zu dem Problem der „Hoffnung für einen Rest“Orakel. Auf die Wiederherstellung eines Restes zu hoffen ist sinnvoll, wenn eine Katastrophe bereits eingetreten ist und nichts außer einem Rest übrig geblieben ist, aber es scheint unangemessen verwinkelt, wenn die Nation ja sowieso in Blüte steht. Ebenso steht es mit den „messianischen“ Verheißungen: logischerweise müssten wir sagen, dass Jesaja zuerst den Zusammenbruch, und dann die wunderbare Wiederherstellung der Dynastie Davids vorhersagte. Seine Hörer hätten dann wohl eine ziemlich zweideutige Botschaft aufzunehmen gehabt, aber offenbar doch keine unmögliche. Wenn nun natürlich 9,1-6 später als Jesaja ist und aus einer Zeit stammt, als die Dynastie tatsächlich gefallen war – aus der Exilszeit zum Beispiel – dann kann man den Ausspruch als messianisch verstehen; obwohl es auch dann immer noch besser sein könnte, ihn als einen realistischen Ausdruck jener Hoffnungen zu betrachten, die sich auf Serubbabel richteten, oder einen anderen wirklichen Nachkommen Davids. Wie auch immer man solche Passagen deuten mag, klar ist, dass sie einen Anteil von Material in Jesaja 1-39 ausmachen, den man „königlich/messia-
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nisch“ nennen kann. Sie sprechen von Königen in einem Maße, wie es bei den Propheten sonst nahezu ohne Parallele ist. Das Jesajabuch handelt von der Königsstadt, Jerusalem oder „Zion“, von Juda, dem Herrschaftsgebiet, über das Davids Nachfolger herrschten, und von den Königen selbst, seien sie wirklich oder erhofft. Das umfangreiche Material über die „Unverletzlichkeit des Zion“, das wir bereits besprochen haben (vgl. Kapitel 4), lässt sich auch in einer Verbindung zu dem Thema „Königtum“ sehen (vgl. R. E. Clements und H. Barth). Zion ist die Stadt, die David erobert und zu seinem persönlichen Besitz gemacht hatte, und ihre Sicherheit und die des Königs waren eng miteinander verbunden (vgl. Ps 89, wo der König und die Stadt miteinander zu verschmelzen scheinen). Das Doppelthema des Königtums und der Stadt Zion tritt ebenso deutlich aus nach-jesajanischen Schichten in 1-39 hervor wie aus den authentischen Aussprüchen Jesajas selbst. Es wird umso auffälliger durch die Abwesenheit, gleichfalls in fast allen Textschichten, von Themen, die als die typischeren oder zentraleren Themen des Alten Testaments gelten könnten, Exodus, Mose, Gesetz und Bund. Obwohl ein paar spätere Zusätze Exodusthemen einführen (siehe oben), verlagern sie doch nicht den Schwerpunkt des Buches weg von seiner einzigartigen Betonung des „königlichen Zion“. Zion ist auch ein wirklich wichtiges Thema Deuterojesajas, wodurch H. G. M. Williamsons Theorie, dass dieser der Herausgeber von Jesaja 1-39 gewesen sei, weiteres Gewicht gewinnen könnte. Doch findet sich in 40-55 fast überhaupt nichts über den König (nur 55,3), und bei diesem Thema gibt es eine geringere Kontinuität zwischen den zwei großen Textblöcken von 1-39 und 40-55. Sehr auffällig ist dagegen die hervorstechende Stellung des Königsthemas in 32-33, wo der künftige König mit wunderhafter Fruchtbarkeit (32,15-20) und Sicherheit (33,17-22) in einer Weise verknüpft wird, die man treffend „messianisch“ nennen kann. Zion, wo der König lebt, wird in der Zukunft ein vollkommen sicherer Zufluchtsort werden, nicht länger fremden Truppen ausgeliefert. In den Worten von 14,32: „Was gibt man den Gesandten der Völker zur Antwort? ‚Der Herr hat Zion gegründet, die Armen seines Volkes finden dort ihre Zuflucht.‘“ Wenn wir Jesaja 1-39 als ein Ganzes lesen, erscheint dies als ein Hauptthema des Werks. Glaube Ein Kernelement von Jesajas politischem Rat an die Könige von Juda war die Unerlässlichkeit von Glauben, ’ěmûnāh – Vertrauen auf Gott, Beständigkeit in
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der Treue zu ihm, und die Weigerung, den Feinden den Gefallen zu tun und sich vor ihnen zu fürchten. Diese ziemlich schwierigen Ideen haben wir oben in Kapitel 2 ein wenig aufgeschlüsselt. Dabei hat sich gezeigt, dass „Glaube“ von Jesaja als die angemessenste Art und Weise der Antwort auf einen Gott verstanden wird, der selbst uneingeschränkt verlässlich und vollkommen vertrauenswürdig ist, dessen Zuwendung zu seinem Volk, obwohl absolut, aber nicht ausgenutzt werden darf. Wie wir gesehen haben, ist „Glaube“ in der politischen Sphäre deckungsgleich mit jenen Tugenden, die Jesaja in Fragen der Sozialethik anerkennt (vgl. Kapitel 3): Respekt vor denen, die Autorität haben, Vermeidung von Selbstbehauptung und Stolz, Widerstand gegenüber der Versuchung, seine eigenen Gesetze aufzustellen. Dies ist ein höchst charakteristischer Aspekt von Jesajas Botschaft, der bei ihm weitaus gründlicher durchdacht ist als die ethischen Kategorien, die die anderen Propheten gebrauchen. Wenn wir damit anfangen, „Jesaja zu lesen“, entdecken wir auch auf diesem Feld eine deutliche Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Buchteilen. Zum Beispiel ist 30,15-17 eine klassische Darstellung des Themas Glauben bei Jesaja von Jerusalem: „Denn so spricht der Herr, Gott, der Heilige Israels: ‚Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.‘ Doch ihr habt nicht gewollt, sondern gesagt: ‚Nein, auf Rossen wollen wir dahinfliegen.‘ Darum sollt ihr jetzt fliehen … … bis das, was von euch übrig ist, aussieht, wie ein Fahnenmast auf dem Gipfel eines Berges, wie ein Feldzeichen auf dem Hügel.“ Dies ist ganz offenkundig eine Drohung: der Mangel an Vertrauen auf Gott, stattdessen die Suche nach einem Bündnis mit Ägypten, hat das Volk zum Untergang verurteilt oder im besten Fall zu einer ernsten Niederlage. In v. 18 hat dann jedoch ein späterer Herausgeber einen Ton von Hoffnung hinzugefügt: „Darum wartet der Herr darauf, euch seine Gnade zu zeigen, darum erhebt er sich, um euch sein Erbarmen zu schenken. Denn der Herr ist ein Gott des Rechtes; wohl denen, die auf ihn warten.“
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Hier finden wir im wesentlichen dieselben Themen. Jhwh wartet geduldig auf den richtigen Zeitpunkt dafür, Israel wiederherzustellen (gerade so wie er in 18,4 auf den richtigen Zeitpunkt wartete, loszuschlagen). Dass er seine Erhabenheit zur Geltung bringt, ist keine Drohung, sondern das sicherste Zeichen der Hoffnung: der erhabene Gott ist der Gott, der retten kann. Und die angemessene Antwort für Juda besteht darin, seinerseits zu warten – nicht die Ereignisse überstürzt zu beschleunigen, sondern auf Gottes gute Zeit zu harren. R. E. Clements hat wahrscheinlich Recht, wenn er dies als einen exilszeitlichen Zusatz betrachtet, der dem leeren Raum des Exils eine positive Bedeutung als eine Zeit gibt, in der man darauf wartet, dass Gott handelt (vgl. Klgl 3,25-30). Aber der Herausgeber, der diesen Zusatz hinzufügte, war in einem außerordentlichen Grade „jesajanisch“ gesinnt. Dasselbe gilt von anderen sekundären Passagen. Jesaja 32-33 – wie wir gesehen haben, dürften auch diese Kapitel aus der Exilszeit stammen – gebrauchen in ähnlicher Weise Jesajas Themen von Vertrauen und Geduld dazu, die Leser zu ermutigen, die gegenwärtigen Nöte in der Gewissheit zu ertragen, dass Gott am Ende eingreifen werde, um sie zu retten: „Herr, hab mit uns Erbarmen; denn wir hoffen auf dich.“ (33,2). Die von Gott ernannten Herrscher werden dann sein „wie ein Zufluchtsort vor dem Sturm, wie ein schützendes Dach beim Gewitter, wie Wassergräben an einem dürren Ort, wie der Schatten eines mächtigen Felsens im trockenen Land“ (32,2). Gott selbst wird dafür sorgen, dass sein Volk den Frieden und die Sicherheit genießt, von denen diese einnehmenden Bilder sprechen. Wenn „der Geist aus der Höhe ausgegossen“ sein wird, dann „wohnt in der Wüste das Recht, weilt die Gerechtigkeit in den Gärten. Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit [Stille und Vertrauen] für immer. Mein Volk wird an einer Stätte des Friedens wohnen, in sicheren Wohnungen, an stillen und ruhigen Plätzen.“ (32,15-18) Als Jesaja zu den Herrschern von Juda sagte, „nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft“ (30,15; im hebräischen Text und der New Revised Standard Version sind die Entsprechungen zwischen 30,15 und 32,17 deutlicher als in der Einheitsübersetzung), sprach er über politisches und militärisches Handeln. Doch heutige Bibelleser machen sich seine Worte oft als eine Aufforderung zu persönlichem Vertrauen auf den Gott zu eigen, bei dem man sich darauf verlassen kann, dass er alle
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erhält, die sich in seine Hand geben. Das Jesajabuch in der Gestalt, die es heute hat, scheint bereits seine Worte in derselben Weise behandelt zu haben – vielleicht noch nicht als einen Aspekt von persönlicher Spiritualität, aber sicher so, dass sie auf das Leben des Volkes Gottes im ganzen anwendbar sind. Der Gott Jesajas ist ein Gott, der nur für die zugänglich ist, die ihn nach seinen eigenen Maßstäben anerkennen und alle Initiative ihm überlassen, und das Buch, das nach Jesaja benannt ist, wendet diese Einsicht in einem weiten Spektrum verschiedener Kontexte an. Sogar die Jesajaapokalypse (24-27), die sonst im ganzen weiter als die meisten übrigen Zufügungen von den Themen des Propheten selbst entfernt steht, bestätigt dies durch ein Beispiel: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich [vertraut] auf dich. Verlasst euch stets auf den Herrn; denn der Herr ist ein ewiger Fels.“ (26,3-4; v. 3 nach der Lutherübersetzung). Weiter noch, die gesamte Anordnung des Buches zeigt ein regelmäßiges Muster von göttlichem Handeln, nach dem auf Gottes Bestrafung des Volkes durch eine militärische Niederlage regelmäßig eine Wiederherstellung folgt; dadurch ermutigt es zu geduldigem Ausharren in der sicheren Hoffnung auf eine Befreiung am Ende. Dieses grundlegend mitschwingende Thema bringt Jesaja 1-39 noch einmal in eine nahe Beziehung zu 40-55, wo wir lesen: „Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim“ (54,7). Auch wenn die Kapitel nicht leicht als eine Einheit gelesen werden können, sind Jesaja 1-55 (und vielleicht auch 56-66) mehr als eine bloße Anthologie. Das meiste Material hat einen erkennbar „jesajanischen“ Charakter, und Glaube, Verlässlichkeit, Vertrauen, Geduld, Ausharren sowie eine Art von Passivität sind als Themen immer wieder in die Kapitel eingeflochten, gleichermaßen in authentischen und sekundären Aussprüchen.
6.4 Jesaja 1–39 lesen Lässt sich Jesaja 1-39 lesen? Einer der Impulse, die Wissenschaftler dazu gebracht haben, diese Kapitel mit solcher Sorgfalt zu analysieren – die echten Aussprüche des Jesaja, Sohn des Amoz, aus den zahllosen unübersichtlichen Zusätzen späterer Herausgeber auszusieben – war das Gefühl, dass 1-39 so, wie wir es vorfinden, eigentlich „unlesbar“ sei. Damit ist nicht gemeint, dass das Buch schwierig zu lesen sei (so wie wir manchmal sagen, dass ein Roman, den wir gerade ausgelesen haben, „nicht besonders lesbar“ gewesen sei), auch
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nicht etwa, dass es in buchstäblichem Sinne reines Gefasel sei. Jesaja 1-39 als unlesbar zu bezeichnen meint, dass es keinen Zusammenhang aufweist, dass es keinen Gesamteindruck hinterlässt, dass wir den Faden verlieren oder zu der Vermutung kommen, dass es keinen Faden zu verlieren gebe. Zwar gibt es viele zusammenhängende, „lesbare“, Sammlungen innerhalb von 1-39, aber das Werk als ganzes ergibt keinen Sinn. Bis vor wenigen Jahren haben diejenigen, die dieses pessimistische Urteil zurückgewiesen haben, dies zumeist im Namen einer konservativen Verpflichtung auf die jesajanische Abfassung von 1-39 (oder sogar 1-66) getan. Das Buch, so behaupteten sie, gehe insgesamt auf einen Autor zurück, so dass es offenkundig einen Gesamtsinn ergeben müsse; der Fehler liege bei der Art der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit auf Jesajas Botschaft, nicht in der Botschaft selbst. Solche Verteidiger einer vollständigen Einheit des Jesajabuches gibt es nach wie vor, doch sind es heute eher wenige. Diejenigen, die heute Jesaja 1-39 als „lesbar“ betrachten, tun es normalerweise nicht, weil sie das kritische Urteil infrage stellten, dass 1-39 das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses sei, sondern weil sie meinen, dass dieser Prozess bei weitem nicht so zufällig verlaufen sei, wie frühere Wissenschaftler konstatierten – oder weil sie glauben, dass allemal das abgeschlossene Produkt bei weitem nicht so chaotisch sei, wie man einstmals angenommen hatte. So oder so wird 1-39 als ein nachvollziehbares Werk erkennbar, dessen gesamthafte „Botschaft“ zu suchen nicht sinnlos ist. Im vorliegenden Kapitel habe ich versucht, dieser neueren Akzentverlagerung in der Wissenschaft gerecht zu werden, indem ich einige Themen herausgearbeitet habe, die das Jesajabuch so, wie wir es haben, charakterisieren, und auch indem ich der Kompositionsgestalt des Buches und den Implikationen dieser Gestalt eine gewisse Aufmerksamkeit widmete. Ich habe mich jedoch nicht so weitgehend einer „ganzheitlichen“ (holistic) Zugangsweise zugewandt, dass ich das Interesse an der Geschichte der Entwicklung des Buches verloren hätte; und ich habe zu zeigen versucht, wie einige Themen, die im abgeschlossenen Buch hervorstechen, trotz verschiedenster Modifikationen tatsächlich auf das Denken Jesajas selbst zurückgehen. Neuere Lesezugänge zum Jesajabuch erinnern uns daran – und die Zeit dafür ist reif –, dass das Buch jetzt vorliegt, in unserer Gegenwart, nicht nur in der Welt der Antike, und dass wir ein Recht dazu haben, unsere eigenen Fragen an es zu richten. Auch werden wir daran erinnert, dass als ein historischer Gegenstand das Buch wahrscheinlich ein Werk aus der Zeit des Zweiten Tempels ist, dem 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr., nicht aus dem Jahrhundert Jesajas, dem
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8. Jahrhundert. Dennoch ist es nach wie vor möglich, die Erkenntnis zur Geltung zu bringen, dass einige der Worte, die die nachexilischen Sammler ordneten und herausgaben, tatsächlich im 8. Jahrhundert ihren Ursprung hatten; und es ist möglich, sich für den Verstand zu interessieren, dem sie entsprangen, für einen der klarsten und originellsten Denker im antiken Israel: Jesaja.
Nachwort des Übersetzers Zwischen den Überblickswerken zur Einführung in das Alte Testament oder die Hebräische Bibel, die jeweils kurze Kapitel zum Buch Jesaja enthalten, und den Kommentaren für das Studium philologischer, historischer und interpretatorischer Fragen der einzelnen Textabschnitte des Jesajabuches fehlt es an Werken, die zusammenfassende Darstellungen zu zentralen Themen dieses Prophetenbuches und zu methodischen Grundsätzen für seine Erschließung bieten. Der Band von John Barton zu Jesaja 1-39 scheint für das Jesajabuch diese Lücke in geradezu idealer Weise zu füllen. Die Übersetzung des Bandes soll es Studierenden und einem weiteren Leserkreis ermöglichen, den ersten Teil (Kap. 1-39) des in der jüdischen wie der christlichen Rezeptionstradition am höchsten geschätzten Prophetenbuches im Alten Testament bzw. der Hebräischen Bibel genau kennenzulernen und einen Zugang zur wissenschaftlichen Exegese der biblischen Schriften zu gewinnen. John Barton ist Bibelwissenschaftler an der Universität Oxford (Oriel and Laing Professor of the Interpretation of Holy Scripture). Der Abfassung der Einführung zu Jesaja 1-39, die zuerst 1995 in der Reihe „Old Testament Guides“ der Britischen Vereinigung für die Alttestamentliche Wissenschaft erschien, gingen wichtige Studien zur Frage der Ethik bei den Propheten, besonders Amos und Jesaja, voraus (jetzt gesammelt in: Understanding Old Testament Ethics: Approaches and Explorations, Louisville 2003). Eine weitere einschlägige Untersuchung behandelte die Stellung der Prophetenbücher im Prozess der Ausbildung des biblischen Kanons und die Deutungen der Propheten und ihrer Lehrautorität, die sich in jüdischen und christlichen Quellen bis etwa zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. nachweisen lassen (Oracles of God: Perceptions of Ancient Prophecy in Israel after the Exile, London 1986). Von Arbeiten zur Prophetie, die im Anschluss an die vorliegende Darstellung von Themen des Jesajabuches entstanden sind, sei hier nur der Kommentar zu Joel und Obadja genannt (Joel and Obadiah: A Commentary, Louisville 2001). Aufschlussreich für methodische und hermeneutische Fragen der alttestamentlichen Wissenschaft ist Bartons Analyse neuerer literaturwissenschaftlich oder kanontheoretisch orientierter Programme: Reading the Old Testament: Method in Biblical Study (1. Aufl. London 1984; 2. Aufl. London 1996). Eine Weiterführung der Diskussion in Beiträgen verschiedener Autoren findet sich z.B. in dem von Barton herausgegebenen Cambridge Companion to Biblical Interpretation (Cambridge 1998). Als Herausgeber hat sich Barton wiederholt auch dafür eingesetzt, die biblische Welt, und besonders die biblische Gedanken- und Glaubenswelt, für Studierende und weitere Leserkreise zugänglich
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zu machen; so wurde der Oxford Bible Commentary, ein großer einbändiger Kommentar über alle biblische Schriften, von ihm zusammen mit John Muddiman koordiniert und herausgegeben (Oxford 2001); ebenso war er Herausgeber des vielseitigen Sammelwerkes The Biblical World (London 2002). Die historische Betrachtung und hermeneutische Erkundung biblischer Schriften ist eine unabweisbare und unabschließbare Aufgabe für alle, die einen direkten Zugang zur Glaubenserfahrung und Glaubensgewissheit der zahlreichen Autoren suchen, deren im Laufe vieler Jahrhunderte entstandene Aussprüche und Kompositionen im Kanon der biblischen Schriften miteinander verbunden sind. Der erste Teil des Jesajabuches (Kap. 1-39) beruht auf einzelnen Worten des Jesaja von Jerusalem, der im späten 8. Jahrhundert v. Chr. auftrat und – so Barton – zu den bedeutendsten Denkern des antiken Israel überhaupt gehörte. Das Buch ist in seiner Endgestalt eine literarische Komposition, die das durch Jesaja beeinflusste und durch jeweils eigene historische Erfahrung gebrochene theologische Denken vieler Generationen dokumentiert und sicher nicht vor dem 4. Jahrhundert v. Chr. abgeschlossen war. Die vorliegende Untersuchung zentraler Themen bei Jesaja und den späteren Schreibern, die in kommentierenden oder weiter ausgreifenden ergänzenden Texten zum Ausbau der Jesajatradition beitrugen, soll zu einem selbständigen Verständnis der Texte hinführen, das dann durch den Gebrauch wissenschaftlicher Kommentare vertieft werden kann. Eine Besonderheit des Bandes ist die methodisch bewusste Verbindung von Analyse und Lektüre, die ihren Höhepunkt im Schlusskapitel zu der Frage findet, „Lässt sich Jesaja 1-39 lesen?“. Die Verantwortung für den Übersetzungstext liegt beim Übersetzer, der auch die Auswahl von Titeln für die Ergänzung der Literaturangaben getroffen hat. In der Übersetzung wird abweichend von der in der englischen Vorlage befolgten Konvention das gegen Juda gerichtete Bündnis zwischen Rezin von Damaskus und Pekach von Samaria nicht als „syrisch-efraimitische“, sondern als „aramäisch-efraimitische“ Koalition bezeichnet, da in der revidierten Lutherübersetzung sowie in der Einheitsübersetzung im Text von Jes 7 nicht mehr „Syrien“, sondern „Aram“ zur Bezeichnung des entsprechenden Territoriums verwendet wird. Insgesamt wurde von einer Revision des Textes abgesehen, obwohl der neuere Trend, Jesaja in der Rolle eines „Heilspropheten“ zu sehen, weitere Überprüfung verlangt. Wichtige Kriterien dafür finden sich besonders in den Kapiteln 2-4 des vorliegenden Bandes, die den Lesern und Leserinnen eine differenzierte und kritische Beurteilung des Begriffs der Heilsprophetie ermöglichen werden.
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Der Übersetzer dankt John Barton für seine Einwilligung zu dem Vorhaben und sein Einverständnis mit der Übersetzung. Autor und Übersetzer danken Reinhilde Ruprecht für die Ermöglichung der Publikation des Bandes in der neuen Edition Ruprecht. Der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz sei für die Genehmigung der Verwendung einer Abbildung des Anfangs des Jesajabuches in einer hebräischen Bibelhandschrift aus der Zeit um 1300 für den Einband gedankt. Erfurt, im August 2006 Christoph Bultmann
Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis dokumentiert die Angaben zur Sekundärliteratur, die im englischen Original am Ende jedes Kapitels genannt sind. Bibliographische Ergänzungen sind in eckige Klammern gesetzt. Ergänzende Literaturhinweise folgen am Ende des Literaturverzeichnisses. In den Angaben zu den einzelnen Kapiteln finden sich jeweils die Titel, auf die im fortlaufenden Text nur mit dem Namen des Autors verwiesen wird. Die Anordnung der Titel im Original ist beibehalten, d.h. die Titel sind nicht alphabetisch, sondern nach thematischen Gesichtspunkten geordnet und fallweise mit kurzen orientierenden Bemerkungen versehen. Mit * sind Titel markiert, die sich als einführende Lektüre besonders eignen.
Abkürzungen ABD CR.BS EvTh Int JBL JSOT JTS OTS SJT ThLZ TUAT VT WA ZAW
Anchor Bible Dictionary Currents in Research: Biblical Studies Evangelische Theologie Interpretation Journal of Biblical Literature Journal for the Study of the Old Testament Journal of Theological Studies Oudtestamentische Studien Scottish Journal of Theology Theologische Literaturzeitung Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Vetus Testamentum Weimarer Ausgabe der Werke Luthers Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft
Bibelwissenschaftliche Lexika *Reclams Bibellexikon (hg. v. K. Koch u.a.; 7. Aufl., Stuttgart 2004). *Calwer Bibellexikon (hg. v. O. Betz u.a.; 2 Bde., Stuttgart 2003). Neues Bibel-Lexikon (hg. v. M. Görg und B. Lang; 3 Bde., Düsseldorf und Zürich 1991-2001).
Literaturverzeichnis
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Literaturangaben zur Einleitung Allgemeine Einführungen zu den Prophetenbüchern: *J. Blenkinsopp, A History of Prophecy in Israel: From the Settlement in the Land to the Hellenistic Period (London 1984); zu Jesaja bes. 106-118; das beste neuere Werk zur Prophetie insgesamt [deutsche Übersetzung der 2. Aufl. 1996: Geschichte der Prophetie in Israel (Stuttgart 1998), bes. 104-117]. E. W. Heaton, The Old Testament Prophets (London 21977 [1. Aufl. 1958]); weiterhin eine nützliche Einführung in das Thema. *J. F. A. Sawyer, Prophecy and the Prophets of the Old Testament (Oxford 1987; 2. Aufl. unter dem Titel: Prophecy and the Biblical Prophets, 1993); ein lesbarer, aktueller Überblick. *J. Lindblom, Prophecy in Ancient Israel (Oxford 1962); veraltet, aber weiterhin nützlich, besonders im Hinblick auf die Komposition der prophetischen Bücher. G. von Rad, Old Testament Theology, II (Edinburgh 1965) [deutsches Original: Theologie des Alten Testaments, II (München 1960, 4. rev. Aufl. 1965 u.ö.)]. W. McKane, „Prophecy and the Prophetic Literature“, in: Tradition and Interpretation (hg. v. G. W. Anderson; Oxford 1979), 163-188. Israel’s Prophetic Tradition: Essays in Honour of Peter R. Ackroyd (hg. v. R. Coggins, A. Phillips und M. Knibb; Cambridge 1982). Allgemeine Studien zu Jesaja: A. G. Auld, „Poetry, Prophecy, Hermeneutic: Recent Studies in Isaiah“, SJT 33 (1980), 567-581. M. A. Sweeney, „The Book of Isaiah in Recent Research“, CR.BS 1 (1993), 141-162. The Book of Isaiah (hg. v. J. Vermeylen; Leuven 1989); eine Sammlung von Aufsätzen zu Jesaja. R. Kilian, Jesaja 1-39 (Darmstadt 1983). Kommentare auf Englisch: *R. E. Clements, Isaiah 1-39 (London 1980); wahrscheinlich der nützlichste neuere Kommentar auf der Grundlage des englischen Textes, ausgewogen und klar. O. Kaiser, Isaiah 1-12; Isaiah 13-39 (London 1972 bzw. 1974; die 2. Aufl. 1983 von Isaiah 1-12 durchgreifend revidiert); ein nützlicher Kommentar von mittlerem Umfang, von Skepsis in der Frage geprägt, ob sich irgendwelche eigenen Worte Jesajas in Jes 1-39 finden lassen [deutsches Original: Der Prophet Jesaja: Kapitel 1-12 (Göttingen 1960); Der Prophet Jesaja: Kapitel 13-39 (Göttingen 1973); die Neubearbeitung von Bd. 1: Das Buch des Propheten Jesaja: Kapitel 1-12 (Göttingen 1981)]. H. Wildberger, Isaiah 1-12: A Commentary (Minneapolis 1991); die anderen beiden Bände von Wildbergers Kommentar liegen noch nicht in Übersetzung vor [engl. Übersetzung fortgesetzt 1997, 2002; deutsches Original: s.u.]. *R. B. Y. Scott, „The Book of Isaiah, 1-39“, in: The Interpreter’s Bible, V (Nashville 1956), 149-381.
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G. B. Gray, Isaiah I-XXVII (Edinburgh 1912); noch immer ein klassischer Kommentar mit vielen nützlichen, detailreichen Informationen. Gray konnte den Kommentar über die übrigen Kapitel nicht mehr zum Abschluss bringen. *A. S. Herbert, The Book of the Prophet Isaiah 1-39 (Cambridge 1973); ein guter, schlichter Kommentar. Kommentare auf Deutsch: H. Wildberger, Jesaja 1-12; Jesaja 13-27; Jesaja 28-39 (Neukirchen-Vluyn 1965-72, 197478, 1978-82). B. Duhm, Das Buch Jesaja (Göttingen 1892 [Nachdruck 1922]); historisch wahrscheinlich der bedeutendste Kommentar zu Jesaja.
Literaturangaben zu Kapitel 1 Zu Fragen betreffend Datierung und Authentizität in Jesaja 1-39 findet sich die „maximalistische“ Sicht (nach der nahezu alles von Jesaja selbst stammt) in: *J. H. Hayes und S. A. Irvine, Isaiah the Eighth-Century Prophet: His Times and his Preaching (Nashville 1987). Die „minimalistische“ Sicht wird repräsentiert von: O. Kaiser, Isaiah 1-12 (London 1972; 2., durchgreifend revidierte Aufl. 1983); Isaiah 1339 (London: 1974) [deutsches Original: Der Prophet Jesaja: Kapitel 1-12 (Göttingen 1960 u.ö.); Der Prophet Jesaja: Kapitel 13-39 (Göttingen 1973 u.ö.); die Neubearbeitung von Bd. 1: Das Buch des Propheten Jesaja: Kapitel 1-12 (Göttingen 1981)]. Dazwischen liegen: *R. E. Clements, Isaiah 1-39 (London 1980). H. Wildberger, Jesaja 1-12 (Neukirchen-Vluyn 1965-72), engl. Übers. Isaiah 1-12: A Commentary (Minneapolis 1991); Jesaja 13-27 (Neukirchen-Vluyn 1974-78) [engl. Übers. 1997]; und Jesaja 28-39 (Neukirchen-Vluyn 1978-82) [engl. Übers. 2002]. Zur Gesamtgestalt von Jesaja 1-39 vgl.: *R. B. Y. Scott, „The Book of Isaiah, 1-39“, in: The Interpreter’s Bible, V (Nashville 1956), 149-381. J. T. Willis, „The First Pericope in the Book of Isaiah“, in: VT 34 (1984), 63-77. Zur Frage der Identifikation von sekundärem Material siehe die Diskussion bei Scott und Kaiser, sowie die Literaturangaben unten zu Kapitel 5. Für die Theorie einer „Prophetenschule“ über den Ursprung von Jesaja 1-39 vgl.: D. R. Jones, „The Traditio of the Oracles of Isaiah of Jerusalem“, in: ZAW 67 (1955), 226-246. *J. H. Eaton, „The Origin of the Book of Isaiah“, in: VT 9 (1959), 138-157. S. Mowinckel, Prophecy and Tradition (Oslo 1946).
Literaturverzeichnis
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Für Theorien über die Herausgabe durch Schreiber vgl.: *P. R. Ackroyd, „Isaiah 1-12: Presentation of a Prophet“, in: Congress Volume Göttingen 1977 (Leiden 1978), 16-48. J. Blenkinsopp, „Fragments of Ancient Exegesis in an Isaiah Poem (Jes 2,6-22)“, in: ZAW 93 (1981), 51-62. M. Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel (Oxford 1985). Für die weitere Diskussion über Theorien zur Komposition vgl.: H. G. M. Williamson, The Book Called Isaiah: Deutero-Isaiah’s Role in Composition and Redaction (Oxford 1994); vgl. dazu die weitere Diskussion unten in Kapitel 5. Weitere in Kapitel 1 genannte Arbeiten: [R. N. Whybray, The Second Isaiah (Sheffield 1983).] [G. I. Emmerson, Isaiah 56-66 (Sheffield 1992).] J. Milgrom, „Did Isaiah Prophesy during the Reign of Uzziah?“, in: VT 14 (1964), 164-182. J. Vermeylen, Du prophète Isaïe à l’apocalyptique (2 Bde., Paris 1977); eine detailreiche Ausarbeitung der „Prophetenschulhypothese“ – vgl. auch die Besprechung von R. Coggins in JSOT 13 (1979), 74-75. T. Lescow, „Jesajas Denkschrift aus der Zeit des syrisch-ephraimitischen Krieges“, in: ZAW 85 (1973), 315-331; über den Ursprung von Jesaja 6-9. [C. H. W. Brekelmans, „Deuteronomistic Influence in Isaiah 1-12“, in: The Book of Isaiah (hg. v. J. Vermeylen; Leuven 1989), 167-176; eine Auseinandersetzung mit der These einer „deuteronomistischen“ Redaktion des Jesajabuches.] L. Perlitt, „Jesaja und die Deuteronomisten“, in: V. Fritz, K. F. Pohlmann und H.-C. Schmitt (Hgg.), Prophet und Prophetenbuch: Festschrift für Otto Kaiser zum 65. Geburtstag (Berlin 1989), 133-149; diskutiert die Frage eines „deuteronomistischen“ Einflusses auf die Herausgabe des Jesajabuches [auch in: ders., DeuteronomiumStudien (Tübingen 1994), 157-171]. G. Fohrer, „Jesaja 1 als Zusammenfassung der Verkündigung Jesajas“, in: ZAW 74 (1962), 251-268; betrachtet Jesaja 1 als eine Zusammenfassung von Jesajas Lehre [auch in: ders., Studien zur alttestamentlichen Prophetie. 1949-1965 (Berlin 1967), 148-166]. W. McKane, A Critical and Exegetical Commentary on Jeremiah, I (Edinburgh 1986).
Literaturangaben zu Kapitel 2 Zu den politischen Aspekten der Prophetie vgl.: *N. K. Gottwald, All the Kingdoms of the Earth: Israelite Prophecy and International Relations in the Ancient Near East (New York 1964). *J. Blenkinsopp, A History of Prophecy in Israel: From the Settlement in the Land to the Hellenistic Period (London 1984), 38-79 [deutsche Übersetzung der 2. Aufl. 1996: Geschichte der Prophetie in Israel (Stuttgart 1998), 37-67].
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Jesaja – Prophet in Jerusalem
Zu Jesaja als einem „Weisen“ oder einem königlichen Ratgeber vgl.: J. W. Whedbee, Isaiah and Wisdom (New York 1971). R. T. Anderson, „Was Isaiah a Scribe?“, in: JBL 79 (1960), 57-58. R. N. Whybray, The Intellectual Tradition in Ancient Israel (Berlin 1974). Für den historischen Hintergrund des Auftretens Jesajas vgl.: *S. Herrmann, A History of Israel in Old Testament Times (London 1975), 227-262 [deutsches Original: Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit (München 1973, 2 1980), 282-320]. J. H. Hayes und J. M. Miller, Israelite and Judean History (London 1977), 415-434. S. Irvine, Isaiah, Ahaz, and the Syro-Ephraimitic Crisis (Atlanta 1990). *R. E. Clements, Isaiah and the Deliverance of Jerusalem: A Study of the Interpretation of Prophecy in the Old Testament (Sheffield 1980). B. S. Childs, Isaiah and the Assyrian Crisis (London 1967). R. E. Clements, „The Prophecies of Isaiah to Hezekiah concerning Sennacherib: 2Kgs 19.21-34//Isa 37.22-35“, in: Prophetie und geschichtliche Wirklichkeit im alten Israel (Festschrift Siegfried Herrmann; hg. v. R. Liwak und S. Wagner; Stuttgart 1991), 65-78 [auch in: ders., Old Testament Prophecy: From Oracles to Canon (Louisville 1996), 35-48]. 2 *J. Bright, A History of Israel (London 1972). Zur Chronologie der Israelitischen und Judäischen Geschichte vgl.: J. Hughes, Secrets of the Times: Myth and History in Biblical Chronology (Sheffield 1990), bes. 159-232. Die Folgen der Assyrischen Kriegszüge im 8. Jahrhundert für Israels Nachbarn werden erörtert bei: J. R. Bartlett, „The Moabites and Edomites“, in: Peoples of Old Testament Times (hg. v. D. J. Wiseman; Oxford 1973), 229-258. Weitere in Kapitel 2 genannte oder empfehlenswerte Arbeiten: R. Bickert, „König Ahas und der Prophet Jesaja: Ein Beitrag zum Problem des syrischephraimitischen Krieges“, in: ZAW 99 (1987), 361-384; stellt die Existenz einer syrisch-efraimitischen Koalition in Frage. J. Fichtner, „Jesaja unter den Weisen“, in: ThLZ 74 (1949), 75-80, nachgedruckt in: Gottes Weisheit: Gesammelte Studien zum Alten Testament (hg. v. K. Fricke; Stuttgart, 1965), 18-26; hat als erster vorgeschlagen, dass Jesaja ein „Weiser“ war. [K. Elliger, „Prophet und Politik“ , in: ZAW 53 (1935), 3-22; auch in: ders., Kleine Schriften zum Alten Testament (hg. v. H. Gese und O. Kaiser; München 1966), 119140.] H. Donner, Israel unter den Völkern: Die Stellung der klassischen Propheten des 8. Jahrhunderts v. Chr. zur Aussenpolitik der Könige von Israel und Juda (Leiden, 1964); eine klassische Studie der politischen Themen bei den Propheten des 8. Jahrhunderts.
Literaturverzeichnis
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W. Dietrich, Jesaja und die Politik (München, 1976); behandelt Jesajas Beteiligung am politischen Leben.
Literaturangaben zu Kapitel 3 Über das Studium der Propheten seit dem 19. Jahrhundert vgl.: *J. Blenkinsopp, A History of Prophecy in Israel: From the Settlement in the Land to the Hellenistic Period (London 1984), 26-38 [deutsche Übersetzung der 2. Aufl. 1996: Geschichte der Prophetie in Israel (Stuttgart 1998), 22-37]. Zur Ethik bei den Propheten vgl.: *C. J. Wright, Living as the People of God: The Relevance of Old Testament Ethics (Leicester 1983). *J. Barton, „Ethics in Isaiah of Jerusalem“, in: JTS NS 32 (1981), 1-18 [auch in: ders., Understanding Old Testament Ethics: Approaches and Explorations (Louisville 2003), 130-144]; einige Sätze aus diesem Artikel sind in Kapitel 3 wiederverwendet worden. Zu sozialer Gerechtigkeit in Israel und seiner Umgebung vgl.: *L. Epzstein, Social Justice in the Ancient Near East and the People of the Bible (London 1986). Zur Vorstellung einer göttlichen Ordnung vgl.: J. Barton, „Natural Law and Poetic Justice in the Old Testament“, in: JTS NS 30 (1979), 1-14 [auch in: ders., Understanding Old Testament Ethics: Approaches and Explorations (Louisville 2003), 32-44]. Für die Quellen von Jesajas Ethik vgl.: A. Phillips, „Prophecy and Law“, in: Israel’s Prophetic Tradition: Essays in Honour of Peter R. Ackroyd (hg. v. R. Coggins, A. Phillips und M. Knibb; Cambridge 1982), 217-232. *N. W. Porteous, „The Basis of the Ethical Teaching of the Prophets“, in: Studies in Old Testament Prophecy: Presented to Theodore H. Robinson (hg. v. H. H. Rowley; Edinburgh 1950), 143-156; auch in: ders., Living the Mystery: Collected Essays (Oxford 1967), 47-60. R. E. Clements, Prophecy and Tradition (Oxford 1975). W. Eichrodt, „Prophet and Covenant: Observations on the Exegesis of Isaiah“, in: Proclamation and Presence: Essays in Honour of Gwynne Henton Davies (hg. v. J. I. Durham und J. R. Porter; London 1970), 167-188. J. W. Whedbee, Isaiah and Wisdom (New York 1971). Zur Bedeutung des Bundes für die prophetische Ethik vgl.: *R. E. Clements, Prophecy and Covenant (London 1965). E. W. Nicholson, God and his People (Oxford 1986).
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Jesaja – Prophet in Jerusalem
Deutschsprachige Arbeiten, auf die Bezug genommen wurde: W. Eichrodt, Der Heilige in Israel: Jesaja 1-12 (Stuttgart 1960). H. W. Hertzberg, „Die prophetische Kritik am Kult“, in: ThLZ 75 (1950), 219-226 [auch in: ders., Beiträge zur Traditionsgeschichte und Theologie des Alten Testaments (Göttingen 1962), 81-90]; zur prophetischen Kritik von kultischem Gottesdienst. H. H. Schmid, Gerechtigkeit als Weltordnung: Hintergrund und Geschichte des alttestamentlichen Gerechtigkeitsbegriffes (Tübingen 1968); eine klassische Studie der Idee einer kosmischen moralischen Ordnung im israelitischen und anderem altorientalischen Denken. H.-J. Kraus, „Die prophetische Botschaft gegen das soziale Unrecht Israels“, in: EvTh 7 (1955), 295-307 [auch in: ders., Biblisch-theologische Aufsätze (Neukirchen-Vluyn 1972), 120-133]; eine wichtige Untersuchung der prophetischen Verurteilung von sozialer Ungerechtigkeit. A. Alt, „Der Anteil des Königtums an der sozialen Entwicklung in den Reichen Israel und Juda“, in: Kleine Schriften, III (München 1959), 348-372; zum Bodenrecht in vorexilischer Zeit. L. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament (Neukirchen-Vluyn 1969).
Literaturangaben zu Kapitel 4 Zur Frage der Konsistenz in Jesajas Voraussagen vgl.: J. W. Whedbee, Isaiah and Wisdom (New York 1971). Für die Sicht, dass hoffnungsvolle Orakel späte Hinzufügungen seien, vgl. *R. E. Clements, Isaiah 1-39 (London 1980). Zu der Frage, ob die Propheten Buße gepredigt haben, vgl.: A. Vanlier Hunter, Seek the Lord! A Study of the Meaning and Function of the Exhortations in Amos, Hosea, Isaiah, Micah, and Zephaniah (Baltimore 1982). Zu Jhwh’s „Plan“ bei Jesaja vgl.: B. Albrektson, History and the Gods: An Essay on the Idea of Historical Events as Divine Manifestations in the Ancient Near East and in Israel (Lund 1967). *E. W. Heaton, The Hebrew Kingdoms (Oxford 1968). Weitere in Kapitel 4 genannte Arbeiten: H. Barth, Die Jesaja-Worte in der Josiazeit (Neukirchen-Vluyn 1977); eine Studie der Redaktion der Aussprüche Jesajas in der Zeit Joschijas im 7. Jahrhundert; vertritt die These, dass die hoffnungsvollen Voraussagen im allgemeinen sekundär seien; weitgehend von Clements übernommen. R. Kilian, Jesaja (Würzburg 1986-[94]); der neueste größere Kommentar, noch im Erscheinen; nimmt an, dass die meisten hoffnungsvollen Abschnitte sekundär seien.
Literaturverzeichnis
125
G. Fohrer, „Wandlungen Jesajas“, in: Festschrift für Wilhelm Eilers (hg. v. G. Wiessner; Wiesbaden 1967), 58-71 [auch in: ders., Studien zu alttestamentlichen Texten und Themen. 1966-1972 (Berlin 1981), 11-23]; arbeitet mit der Hypothese, dass Jesaja von Zeit zu Zeit seine Meinung über das Geschick Judas geändert haben könnte, aber dass er wenig Hoffnung für die Errettung des Volkes hatte. W. Dietrich, Jesaja und die Politik (München, 1976); bietet einen Überblick über Meinungen zu der Frage, ob Jesajas Verheißungen bedingt oder unbedingt waren, optimistisch oder pessimistisch; besprochen von R. E. Clements in VT 29 (1979), 365366. W. H. Schmidt, Zukunftsgewissheit und Gegenwartskritik: Grundzüge prophetischer Verkündigung (Neukirchen-Vluyn 1973); vertritt die These, dass die Propheten keine Buße predigten.
Literaturangaben zu Kapitel 5 Zu den Orakeln gegen die Völker vgl.: O. Kaiser, Isaiah 13-39 (London 1974) [deutsches Original: Der Prophet Jesaja: Kapitel 13-39 (Göttingen 1973)]. S. Erlandsson, The Burden of Babylon: A Study of Isaiah 13.2-14.23 (Lund 1970). R. B. Y. Scott, „Isaiah XXI.1-10: The Inside of a Prophet’s Mind“, in: VT 2 (1952), 278282. A. Macintosh, Isaiah XXI: A Palimpsest (Cambridge 1980). Zur Jesajaapokalypse vgl. Kaiser (s.o.). Zu Jesaja 36-39 vgl.: *R. E. Clements, Isaiah and the Deliverance of Jerusalem: A Study of the Interpretation of Prophecy in the Old Testament (Sheffield 1980). R. E. Clements, „The Prophecies of Isaiah and the Fall of Jerusalem in 587 BC“, in: VT 30 (1980), 421-436. K. A. D. Smelik, „Distortion of Old Testament Prophecy: The Purpose of Isaiah XXXVI and XXXVII“, in: OTS 24 (1986), 70-93. C. R. Seitz, Zion’s Final Destiny: The Development of the Book of Isaiah – A Reassessment of Isaiah 36-39 (Minneapolis 1991). Zu Jesaja 32-33 vgl.: J. J. M. Roberts, „Isaiah 33: An Isaianic Elaboration of the Zion Tradition“, in: The Word of the Lord Shall Go Forth: Essays in Honor of David Noel Freedman (hg. v. C. L. Meyers und M. O’Connor; Winona Lake 1983), 15-25. Zur Überarbeitung alter Prophezeiungen in neuen Situationen vgl.: *R. P. Carroll, When Prophecy Failed: Reactions and Responses to Failure in the Old Testament Prophetic Tradition (London 1979).
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Jesaja – Prophet in Jerusalem
Zur Redaktion von Jesaja vgl.: R. E. Clements, „Beyond Tradition History: Deutero-Isaianic Development of First Isaiah’s Themes“, in: JSOT 31 (1985), 45-113 [auch in: ders., Old Testament Prophecy: From Oracles to Canon (Louisville 1996), 78-92]. *R. E. Clements, „The Unity of the Book of Isaiah“, in: Int 36 (1982), 117-129 [auch in: ders., Old Testament Prophecy: From Oracles to Canon (Louisville 1996), 93-104]. H. G. M. Williamson, The Book Called Isaiah: Deutero-Isaiah’s Role in Composition and Redaction (Oxford 1994). M. A. Sweeney, Isaiah 1-4 and the Post-Exilic Understanding of the Isaianic Tradition (Berlin 1988). Weitere in Kapitel 5 genannte Arbeiten: J. Vermeylen, Du prophète Isaïe à l’apocalyptique (2 Bde.; Paris, 1977). G. Fohrer, Das Buch Jesaja (3 Bde.; Stuttgart 1962-64). J. Lindblom, Die Jesaja-Apokalypse: Jes 24-27 (Lund 1938); eine klassische Studie der Jesajaapokalypse. H. Barth, Die Jesaja-Worte in der Josiazeit (Neukirchen-Vluyn 1977); vertritt die These einer umfangreicheren Bearbeitung von Jesajas Orakeln in der Regierungszeit Joschijas. M. L. Henry, Glaubenskrise und Glaubensbewährung in den Dichtungen der Jesajaapokalypse (Stuttgart 1967); schlägt für Jesaja 24-27 ein Datum in der frühen nachexilischen Zeit vor. O. H. Steck, Bereitete Heimkehr: Jesaja 35 als redaktionelle Brücke zwischen dem Ersten und dem Zweiten Jesaja (Stuttgart 1985); betrachtet Jesaja 35 als dazu geschrieben, 1-34 und 40-55, die bereits als eigenständige Werke existierten, zu verbinden. J. Vermeylen, „L’unité du livre d’Isaïe“, in: The Book of Isaiah (hg. v. J. Vermeylen; Leuven 1989), 11-53. F. J. Gonçalves, L’expédition de Sennachérib en Palestine dans la littérature hébraïque ancienne (Paris 1986); eine detaillierte Untersuchung von Jesaja 36-39 und den Parallelen in 2 Könige. A. E. Cowley, Aramaic Papyri of the Fifth Century BC (Oxford 1923); bietet Quellen über Jüdisches Leben in Ägypten. [B. Porten, The Elephantine Papyri in English: Three Millennia of Cross-cultural Continuity and Change (Leiden 1996), 74-276.]
Literaturangaben zu Kapitel 6 Zu vereinheitlichender oder ganzheitlicher Lektüre biblischer Bücher vgl.: B. S. Childs, Introduction to the Old Testament as Scripture (Philadelphia 1979). J. A. Sanders, Torah and Canon (Philadelphia 1972). J. A. Sanders, From Sacred Story to Sacred Text (Philadelphia 1987).
Literaturverzeichnis
127
*J. F. A. Sawyer, From Moses to Patmos: New Perspectives in Old Testament Study (London 1977). R. Alter und F. Kermode (Hg.), The Literary Guide to the Bible (London 1987); der Beitrag zu Jesaja ist von L. Alonso Schökel, 165-183. Zu ganzheitlicher Lektüre von Jesaja vgl.: E. W. Conrad, Reading Isaiah (Minneapolis 1991). D. Carr, „Reading for Unity in Isaiah“, in: JSOT 57 (1993), 61-80. J. D. W. Watts, Isaiah 1-33 und Isaiah 34-66 (Waco, TX: 1985 und 1987). W. L. Holladay, Isaiah, Scroll of a Prophetic Heritage (Grand Rapids 1978). J. C. Exum, „Isaiah 28-32: A Literary Approach“, in: Society of Biblical Literature: Seminar Papers 1979 (Bd. 2; Missoula, MT: 1979), 123-151. C. R. Seitz, „Isaiah 1-66: Making Sense of the Whole“, in: Reading and Preaching the Book of Isaiah (hg. v. C. R. Seitz; Philadelphia 1988). *W. Brueggemann, „Unity and Dynamic in the Isaiah Tradition“, in: JSOT 29 (1984), 89-107. R. Rendtorff, „The Book of Isaiah: A Complex Unity: Synchronic and Diachronic Reading“, in: Society of Biblical Literature: Seminar Papers 1991 (Atlanta 1991), 820 [auch in: ders., Der Text in seiner Endgestalt: Schritte auf dem Weg zu einer Theologie des Alten Testaments (Neukirchen-Vluyn 2001), 126-138]. D. G. Johnson, From Chaos to Restoration: An Integrative Reading of Isaiah 24-27 (Sheffield 1988). M. A. Sweeney, „The Book of Isaiah in Recent Research“, in: CR.BS 1 (1993), 141-162. Zur Frage, wie die Propheten in späteren Zeiten gelesen wurden, vgl.: J. Barton, Oracles of God: Perceptions of Ancient Prophecy in Israel after the Exile (London 1986), 141-265. M. A. Sweeney, Isaiah 1-4 and the Post-Exilic Understanding of the Isaianic Tradition (Berlin 1988). Für den Titel „der Heilige Israels“ vgl.: *D. P. Wright, „Holiness“, in: ABD, III, 237-249. Für „Israel“ vgl.: *L. L. Hoppe, „Israel, History of, Monarchic Period“, in: ABD, III, 558-567. Für König, Messias und Zion vgl.: *M. de Jonge, „Messiah“, ABD, IV, 777-788. A. Laato, Who is Immanuel? The Rise and Foundering of Isaiah’s Messianic Expectations (Åbo 1988). *J. D. Levenson, „Zion Traditions“, in: ABD, VI, 1098-1102. Für „Glauben“ vgl.: *J. P. Healey, „Faith (Old Testament)“, in: ABD, II, 744-749. Weiter in Kapitel 6 genannt: R. Murray, The Cosmic Covenant (London 1992), bes. 14-26.
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Jesaja – Prophet in Jerusalem
Ergänzungen zum Literaturverzeichnis (Auswahl) Neben den Berichten über neuere Forschungsliteratur, die in den Literaturangaben zur Einleitung genannt sind (Auld: 1980; Kilian: 1983; Sweeney: 1993), kann auf zwei weiterführende Berichte verwiesen werden: U. Becker, „Jesajaforschung (1-39)“, in: ThR 64 (1999), 1-37, 117-152. P. Höffken, Jesaja: Der Stand der theologischen Diskussion (Darmstadt 2004); behandelt Jes 1-66 und enthält eine umfassende Bibliographie. Neben dem Überblick über die Prophetie des Alten Testaments, der in den Literaturangaben zur Einleitung genannt ist (Blenkinsopp: 1984), kann auf einige neuere Einführungen (sowie die deutsche Übersetzung dieses Überblickes) verwiesen werden: *J. Blenkinsopp, Geschichte der Prophetie in Israel: Von den Anfängen bis zum hellenistischen Zeitalter (Stuttgart 1998). J. Blenkinsopp, Sage, Priest, Prophet: Religious and Intellectual Leadership in Ancient Israel (Louisville 1995); entwirft ein Modell für die soziologische Beschreibung der religiösen Spezialisten. A. Rofé, Introduction to the Prophetic Literature (Sheffield 1997; hebr. Original: Jerusalem 1992). *R. G. Kratz, Die Propheten Israels (München 2003). *E. Zenger u.a., „Die Bücher der Prophetie“, in: E. Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament (5. Aufl., Stuttgart 2004), 417-586. *K. Schmid, „Hintere Propheten (Nebiim)“, in: J. C. Gertz (Hg.), Grundinformation Altes Testament (Göttingen 2006), 303-401. Neben den grundlegenden Kommentaren zu Jesaja 1-39, die in den Literaturangaben zur Einleitung genannt sind (Clements: 1980; Wildberger: 1972/1978/1982; Kaiser: I, 1960, revidiert 1981; II, 1973) kann auf einige neuere Kommentare verwiesen werden: W. A. M. Beuken, Jesaja 1-12 (Freiburg 2003); der wichtigste neuere Kommentar zu Jes 1-12 auf Deutsch, mit guter Diskussion der Interpretationsmöglichkeiten und abgewogenem Urteil, aus einem niederländischen Manuskript übersetzt von U. Berges. W. A. M. Beuken, Isaiah: Chapters 28-39 (Leuven 2000). J. Blenkinsopp, Isaiah 1-39 (New York 2000); im Umfang dem mehrfach genannten Kommentar von R. E. Clements (1980) vergleichbar. M. A. Sweeney, Isaiah 1-39 (Grand Rapids 1996); ein Kommentar in der Reihe „The Forms of the Old Testament Literature“ mit starker Betonung form- und gattungskritischer Fragen. B. S. Childs, Isaiah (Louisville 2001); ein Kommentar zu Jes 1-66 mit ausgesprochenem Interesse am Gesamtzusammenhang des Buches. Vgl. auch die auslegungsgeschichtliche Untersuchung B. S. Childs, The Struggle to Understand Isaiah as Christian Scripture (Grand Rapids 2004); eine Analyse der Jesajaauslegung in der Tradition der christlichen Kirche von der Antike bis in die Moderne.
Literaturverzeichnis
129
H. G. M. Williamson, Isaiah 1-5: A Critical and Exegetical Commentary (London 2006); der erste Band eines dreibändigen Kommentars zu Jes 1-27. Neuere kurze Kommentierungen von Jesaja im Zusammenhang von Kommentierungen aller biblischer Bücher: *P. Höffken, Das Buch Jesaja: Kapitel 1-39 (Stuttgart 1993); ein kleiner, insgesamt gut orientierender Kommentar, vergleichbar dem in den Literaturangaben zu Kapitel 4 genannten Kommentar von R. Kilian, Jesaja 1-12 (Würzburg 1986), Jesaja 13-39 (Würzburg 1994). *G. M. Tucker, „Isaiah 1-39“, in: The New Interpreter’s Bible, Bd. 6 (Nashville 2001), S. 25-306; vergleichbar der in den Literaturangaben zur Einleitung genannten Kommentierung durch R. B. Y. Scott (1956). *R. Coggins, „Isaiah“, in: The Oxford Bible Commentary, hg. v. J. Barton und J. Muddiman (Oxford 2001), 433-486. *M. Barker, „Isaiah“, in: Eerdmans Commentary on the Bible, hg. v. J. D. G. Dunn und J. W. Rogerson (Grand Rapids 2003), 489-542. Neuere Studien zur Frage nach der ältesten Jesajaüberlieferung, bes. in Jes 6-8, und ihrer heilsprophetischen Bedeutung: J. Barthel, Prophetenwort und Geschichte: Die Jesajaüberlieferung in Jes 6-8 und 28-31 (Tübingen 1997); schätzt die Möglichkeit, einen breiten älteren Textbestand zu identifizieren, eher optimistisch ein. U. Becker, Jesaja – von der Botschaft zum Buch (Göttingen 1997); schätzt die Möglichkeit, einen breiten älteren Textbestand zu identifizieren, eher skeptisch ein, aber betont den heilsprophetischen Charakter der älteren Texte. H.-J. Stipp, „Vom Heil zum Gericht: Die Selbstinterpretation Jesajas in der Denkschrift“, in: Gottes Wege suchend: Beiträge zum Verständnis der Bibel und ihrer Botschaft, hg. v. F. Sedlmeier (Würzburg 2003), 323-354; erklärt die sog. Denkschrift aus Jesajas ernüchternden Erfahrungen mit seiner Heilsprophetie. F. Hartenstein, Die Unzugänglichkeit Gottes im Heiligtum: Jesaja 6 und der Wohnort JHWHs in der Jerusalemer Kulttradition (Neukirchen-Vluyn 1997); bietet eine umfassende Analyse der Tempeltheologie im Hintergrund von Jes 6. H. Liss, Die unerhörte Prophetie: Kommunikative Strukturen prophetischer Rede im Buch Yesha‘yahu (Leipzig 2003); eine Studie zu Texten in Jes 6-8 u.a. mit kommunikationstheoretischer Akzentsetzung. Th. Wagner, Gottes Herrschaft: Eine Analyse der Denkschrift: Jes 6,1 - 9,6 (Leiden 2006); versucht eine Synthese kritischer Argumente in der Analyse des Textes. Vgl. auch die Diskussion von M. Köckert / U. Becker / J. Barthel, „Das Problem des historischen Jesaja“, in: Prophetie in Israel, hg. v. I. Fischer, K. Schmid und H. G. M. Williamson (Münster 2003), 105-135.
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Jesaja – Prophet in Jerusalem
Neuere Studien zur Komposition des Jesajabuches: E. Blum, Jesajas prophetisches Testament, in: ZAW 108 (1996), 547-568; ZAW 109 (1997), 12-29; untersucht Jes 1,21-11,5 als eine Ringkomposition um die sog. Denkschrift in Jes 6,1-8,18. U. Berges, Das Buch Jesaja: Komposition und Endgestalt (Freiburg 1998); untersucht Jes 1-66 als ein Buch der Zionstheologie. Neuere Studien zur Frage der Ethik in der frühen Prophetenüberlieferung: A. Davies, Double standards in Isaiah: Re-evaluating prophetic ethics and divine justice (Leiden 2000). J. J. Nurmi, Die Ethik unter dem Druck des Alltags: Die Impulse der gesellschaftlichen Änderungen und Situationen zu der sozialkritischen Prophetie in Juda im 8. Jh. v. Chr. (Åbo 2004).
Für weitere Literaturangaben zu einzelnen Texten und Themen sei auf die genannten Literaturberichte und die jeweiligen Literaturangaben in den neueren Kommentaren verwiesen.
Bibelstellenregister Genesis 31,42 49,24 Exodus 13,21-22 15,2 20,2-17 21-23 22,20-26 23,6-8 Numeri 22-24 23,8 1Samuel 15,1-3 2Samuel 5,17-25 1Könige 17-21 21 21,20-24 22 22,5-28 22,19 2Könige 16,5 16,7-8 17,7-41 18-19 18-20 18,4 18,13-18 18,14 18,22 20,12-19 Esra 5,1-2 Psalmen 46-48 50,12-13 76,10
102 102 72, 106 91 54 53, 54 53 53 76 76 24 42 52 53 24 52 24 56 26 26 33 88 14 45 36, 37 36 45 32 107 63 46 29
78,9 89 118,14 Sprichwörter 3,7 13,10 20,1 21,3 21,4 21,17 23,19-21 30,11-14 31,4-5 Weisheit 1,1-5 Sirach 48,22-25 48,24 49,10 Jesaja 1-66 1-55 1-23 1-12 1-5 1-2 1 1,1 1,2-9 1,2-3 1,2 1,3 1,4 1,5-9 1,7-9 1,9.10 1,10-17 1,10-15 1,11 1,16-20 1,16-17
43 109 91 54 54 54 55 54 54 54 54 54 92 92 61 61 17, 100, 113 94, 95, 112 85 16, 85, 91, 98, 103 90, 91, 98, 100 22 13, 22, 23, 32 22 32 40, 44, 45 105 104 102 23 33 23 40, 59, 65 23 46 69 53, 69, 70
132
Jesaja – Prophet in Jerusalem
1,17 1,18-20 1,21-23 1,23 1,24-27 1,26 1,29-30 2-39 2-12 2-5 2 2,1 2,2-4 2,3 2,6-22 2,6-21 2,12-19 3 3,1-15 3,1-12 3,1-5 3,6-8 3,9 3,10-11 3,13-17 3,14 3,16-4,1 3,16-26 3,18-23 3,24-4,1 4,1-4 4,2-4 4,5 5 5,1-7 5,7 5,8-30 5,8-25 5,8-23 5,8-10 5,8 5,11-17.22 5,11-12
40 59, 65, 66, 69, 70 40 40, 53 59, 72 42 40, 45, 80 22 13, 22 13 13, 22 22 59, 77 106 40, 45 59 44 41-42 43 40 59 59 40 54 40, 59 40 41, 44 16, 91 44 59 11 59, 72 106 18 18, 59, 84, 98, 105 50, 104 59 18 40, 43 40 43, 53 40 54
5,16 5,21 5,22 5,23 5,25-30 5,26-30 6-39 6-11 6-9 6-8 6 6,4 6,9-13 6,9-10 6,11-13 7 7,1-17 7,1.5-6 7,2.8-9 7,3-17 7,3 7,4 7,7-9 7,10-17 7,10-16 7,10-14 7,14-16 7,16 7,17 7,18-25 8 8,1-4 8,3 8,5-8 8,9-10 8,11-15 8,14 8,16 8,19 8,21-22 8,23 8,23b 9-11
102 43, 44, 55 54 40, 53 29, 91 18, 90, 91 100 90, 91, 98 21 13, 56 27, 56, 70, 102 27 59 70, 100 71 27, 29, 31 108 26 104 24 67 28, 81 28, 59, 65-67 74 59 107 74 62 59, 74 59, 74 27, 29, 66 28, 59, 62, 66-67 74 59, 62, 66-67 59, 62, 66 59 104 20 40, 45 59 59 73 13
Bibelstellenregister
9,1-6 11, 57, 59, 73, 107, 108 9,3 42 9,7 104 9,7-20 40 9,7-11 59, 62 9,8-21 29 9,8.20 104 9,9-12 41 9,9 30 10 48 10,1-4 40, 43, 53, 59 10,1-2 40 10,5-19 48-49, 59, 72 10,12 72 10,13-19 75 10,14 33 10,20-23 67 10,20-21 59, 67, 72 10,22-23 59, 67 10,24-27a 59, 62 10,28-34 59 11,1-9 59, 75, 107 11,1 73 11,10 59 11,11 59 11,12-16 59, 90, 91 11,12-13 104 12 13, 90-91, 98, 103 12,6 103 13-23 13, 14, 15, 76-83, 84, 85, 94 13-14 13, 15, 22, 78-79, 81 13 58, 78 13,21-22 86 14,24-27 75, 79 14,26 75 14,32 109 15-20 16 15-16 13, 79 16 22 16,6-11 77 17 13, 80 17,1-6 27, 59, 62, 77, 80 17,3 104
133
17,7-11 40 17,7-8 46 17,8 46 17,10 80 18-19 13, 15, 30-31, 48, 80 18 16, 30, 31, 80 18,1-6 59 18,4 111 19,11-15 48 20 13, 30, 32, 79, 80 20,1-6 59 21 13, 81 21,3 53 22 13, 81 22,1-8 59 22,12-14 36, 59, 64, 77 22,14 64 22,15-19 41 23 13, 82 24-27 13, 14, 16, 75, 83-86, 88, 92, 94, 106, 112 24,4-5 50 24,5 106 25,8 86 26,3-4 112 26,19 86 27,6 106 27,13 86, 106 28-31 13, 14, 32, 92 28,1-22 40, 59 28,1-13 40 28,1-8 54 28,1-6 33 28,1-4 29, 30 28,1.3 104 28,7-13 33 28,7-8 51 28,9-10 43 28,10.13 33 28,11 34, 93 28,12 34 28,14-22 34 28,21 42
134
Jesaja – Prophet in Jerusalem
28,23-29 29,1-8 29,1-4 29,5-8 29,8 29,10-12 29,11-12 29,13-14 29,13-16 29,15-16 29,19 29,20-21 30-31 30,1-17 30,11 30,15-17 30,15-16 30,15 30,18 30,19-26 30,29-33 31,1-4 31,1-3 31,4-9 31,4-5 31,6-7 32-33 32 32,2 32,9-14 32,15-18 32,15-20 33,2 33,17-22 34-35 34 35 36-39 88-90 36-38 36-37 36,7 37
54, 59 58 59, 61 59, 61, 64 63 100 51 40 59 40, 50 104 40 35 59 102 110 68 59, 66, 68, 69, 111 59, 72, 110 59, 72 59, 62 35 47, 59 59, 64 63 46 13, 16, 91-93, 109, 111 16 111 16, 40, 91 111 109 111 92, 107, 109 11, 13, 16, 86-88, 98 16, 86, 87 16, 86, 87, 89, 125 11, 13-16, 22, 24, 87, 32 13, 36, 37 45 108
37,2-7 24 37,6-7 59, 62 37,21-35 24 37,22.29 63 37,22-35 59, 64 37,36-37 63 38-39 13 39 32, 89, 108 40-66 10, 97, 100 40-55 7, 10, 16, 22, 87, 89, 94, 101, 102, 103, 109, 112 40 16, 87, 89 40,25 103 43,5-7 87 44 46 44,9-20 46 46-47 78, 81 51,11 87 52,11-12 106 52,11 103 54,1-3 92, 106 54,7 112 55,3 109 55,5 106 56-66 7, 10, 22, 87, 102, 112 61,2 61 Jeremia 20,7 71 36,4 20 46-51 76 48 77 48,29-38 77 Klagelieder 2,15 64 3,25-30 111 4,21 87 Baruch 6 46 Ezechiel 25-32 76 26-28 82 28,2b-19 79 29,17-20 82
Bibelstellenregister
Daniel 9,2 9,24 10,14 14 Hosea 5,8-9 6,11-7,7 8,4 9,10 Joel 1 2,10 3,1-2 Amos 1-2 1,3-2,3 1,9-10 1,11-12 2,6-12 4,1-3
100 101 101 46 26 29 29 42 84 78 16, 91 15 76 77 77 77 16
4,5 5,3 5,25 6,13 Obadja 11-14 Micha 1 4,1-4 Haggai 2,20-23 Sacharja 4,1-10 9-14 Matthäus 1,23 1Petrus 5,13 Offenbarung des Johannes 17-18
135
46 68 42 25 87 33 77 107 107 84 74 78 78
Autorenregister Ackroyd, P. R. 21 Albrektson, B. 75 Andersen, K. T. 27 Barth, H. 11, 62, 65, 73, 92, 97, 109 Barton, J. 100 Begrich, J. 27 Bickert, R. 27 Blenkinsopp, J. 21 Brekelmans, C. H. W. 22 Bright, J. 37, 38, 60 Childs, B. S. 37, 38, 99, 100 Clements, R. E. 11, 27, 29, 35, 36, 37, 54, 62, 65, 71, 73, 80, 81, 84, 87, 89, 90, 92, 109, 111 Conrad, E. W. 100 Cowley, A. E. 80 Dietrich, W. 62 Duhm, B. 39, 79, 83 Eaton, J. H. 19, 97 Eichrodt, W. 43, 54 Elliger, K. 28 Emmerson, G. L. 10 Epzstein, L. 56 Erlandsson, S. 78 Fichtner, J. 24 Fishbane, M. 21, 97 Fohrer, G. 22, 23, 60, 62, 83, 97 Gonçalves, F. J. 89 Gottwald, N. K. 24 Hayes, J. H. 11, 17 Heaton, E. W. 74 Herrmann, S. 27 Hertzberg, H. W. 46 Hughes, J. 27 Hunter, A. V. 70
Irvine, P. 11, 17 Jepsen, A. 27 Jones, D. R. 19, 97 Kaiser, O. 11, 17, 31, 62, 83, 92, 96 Kilian, R. 72 Koppe, J. B. 45 Kraus, H.-J. 53 Lescow, T. 21 Lindblom, J. 83, 85 Lowth, R. 45 Luther, M. 43 Macintosh, A. 81 McKane, W. 21 Milgrom, J. 10 Mowinckel, S. 20, 97 Murray, R. 106 Nicholson, E. W. 54 Perlitt, L. 22, 54 Phillips, A. 53 Porten, B. 80 Rudolph, W. 79 Sanders, J. A. 99 Sawyer, J. F. A. 100 Schmid, H. H. 50 Schmidt, W. H. 70 Scott, R. B. Y. 12, 81 Smelik, K. A. D. 89 Vermeylen, J. 20, 83, 97, 98 Wellhausen, J. 39 Whedbee, J. W. 24, 54, 60 Whybray, R. N. 10, 25 Wildberger, H. 11, 50, 73, 83, 84 Williamson, H. G. M. 22, 90, 9498, 103, 109 Willis, J. T. 12, 22