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German Pages 253 Year 1934
DER PROPHET DER HEIMKEHR (JESAJA
40 — 6 6 )
HERAUSGEGEBEN
VON
PASTOR, DR. T H E O L .
LUDVIG GLAHN
KOPENHAGEN
VOL. I. DIE EINHEIT VON KAP. 40-66 DES BUCHES JESAJA UND
D. T H E O L . H. C., DR. P H I L .
LUDWIG KÖHLER
ORDENTL. PROFESSOR DER THEOLOGIE, ZÜRICH
VOL. II. DAS BUCH JESAJA KAP. 56—66, TEXTKRITISCH UND METRISCH BEHANDELT
KOPENHAGEN L E V I N & MUNKSGAARD
GIESSEN 1934
ALFRED TÖPELMANN
EJNAR MUNKSGAARD
Dr. p h l l . h . c . A . T Ö P E L M A N N
VERLAGSBUCHHANDLUNG
VERLAGSBUCHHANDLUNG
Printed ili Denmurk. Copyright by Ludvig Glahn.
Oednickt bei B i a n c o L u n o A/S, Kopenhagen.
VORWORT
D
ies Werk existiert seit 1928, gedruckt 1929, auf Dänisch, genannt »Hjemkomstprofeten«, Enheden af Jesajabogens Kap. 40—66. Damals fühlte ich mich verpflichtet, ausführlicher über Deuterojesaja in den Kap. 40—55 zu schreiben, besonders über die Frage von dem speziellen Knecht Jahwes, welcher nach meiner Anschauung nur als Einzelpersönlichkeit und zwar als der Messias aufgefasst werden kann, Jahwes Organ für die Lebenserneuerung Israels, und so als Hypothese und Reserve in Jahwes Heilsplan (vgl. in der jetzigen Ausgabe meiner Schrift § 7 S. 124— 127). Natürlich war die exegetische Orientierung über den Inhalt der Kap. 40—55 bewusst kurzgefasst. Jetzt aber ziehe ich sogar vor i n m e d i a s r e s zu gehen, wozu der Paragraph 1 (früher § 7) sich vorzüglich eignet. Der Stoff aus den früheren Paragraphen: 1. Der geschichtliche Hintergrund; 2. Deuterojesajas Lebensverhältnisse; 3. Die Schrift Deuterojesajas; 4. Deuterojesaja in den Kap. 40—48; 5. Deuterojesaja in den Kap. 49—55; und 6. Deuterojesajas Gottesknechtprophezeiungen, — ist so oft und eingehend behandelt worden, dass man es gewiss verantworten kann, ohne diese schwere Rüstung zum V e r g l e i c h s p r o b l e m zwischen den Abschnitten 56—66 und 40—55 zu schreiten. Im Frühjahr 1926 hielt ich mich in Zürich bei Herrn Professor Ludwig Köhler auf. Wir lasen Jesaja 56—66 textkritisch und metrisch durch. Auf meinen Vorschlag, dass er auch diese Kapitel, wie früher in seinem Deuterojesaja 1923 die Kapitel 40—55, herausgeben möchte, antwortete er mit Bejahung und schlug vor, dass wir ein gemeinsames Werk aus den Nachbarländern Deutschlands gegen Norden und Süden herausgeben sollten, was hiermit geschieht. Für die exegetische Auffassung hafte ich allein. Prof. Köhler hat mir sein Manuskript für meine Arbeit an dem Heim-
6 kehrpropheten anvertraut. Sein Scharfblick und die Fähigkeit für gesunde textkritische und metrische Behandlung hatten mich schon in seinem »Deuterojesaja« stark angezogen. Für alles darf ich ihm hier meine herzliche Dankbarkeit ausdrücken. Ich danke Herrn Dr. phil. V. Waschnitius aus Kopenhagen (Wien) für die interessierte und wohlgelungene deutsche Obertragung. Wir haben einige grammatische Ausdrücke in der leicht verständlichen dänischen Nuancierung stehen lassen. In dieser neuen Ausgabe habe ich Rücksicht auch auf die neueste Literatur genommen. Hier kann man von einem erfreulichen Umschwung der Forschung als in Sicht befindlich sprechen. Ich verweise meinerseits auf den Aufsatz »Quelques remarques sur la question du Trito-Esaïe et son état actuel« dans la »Revue d'Histoire et de Philosophie religieuses« 1932 No. 1.
EINIGE TEXTVORSCHLÄGE 43, 14.
Der Text k a n n erstens d u r c h bessere Konsonantenteilung restituiert werden. Man lese das DTP-Q als D^Oö W 1 3 »die Riegel ihres Gefängnisses«, indem das Mem mit verbunden wird. Das (Hab. 3, 17) ist so viel als von Im Schluss des Verses k a n n eine Lesart in G das unmögliche nvOiQ erklären, wo nicht »in Schiffen« ev nÄoiou;, die gewöhnliche Lesart zur Stelle, sondern »in Halseisen« ev xXoiols, von xkoioq, zu lesen ist. Durch schlechte Schreibung ist aus einem p V entstanden, was die Lesung J statt T mit sich gezogen hat. Man lese also ffipW, Variant zu D ^ N . Das D n r i ist auch verdorben, aber schon in G's gewöhnlicher Lesart de&r'jaovrai (gebunden werden) ist die richtige Bedeutung gesichert.
4 8 , 1 6 b. Das verlorene W o r t dürfte (vgl. 6 1 , 1 ) sein, mit I n n als das Mittel: u n d mich gesalbt mit seinem Geist. Siehe S. 23 f. 52, 15.
Das Subjekt ist unzweifelhaft »die vielen Völker«. So a u c h G: &avfiaaovtai. W a s denn mit dem HP im Texte? In so verzweifelter Lage lässt sich m a n c h e s als Ausweg wagen. Möglicherweise sind so die Buchstaben rtt1 eine Ruine von l n o n v erstaunen, Imperfectum von HDPl. Dies ist das stärkste W o r t der Sprache für Erstaunen, über das nie Dagewesene. G's -&av/j,daovrai hat sogar Assonanz a n rtDFI, und graphisch lassen j a die Konsonanten »j t m h« sich aus dem vorliegenden Reste » j . . . z h« wiederherstellen, mit ausgefallenem t u n d Zajin (T) als linker Rest des Buchstabens Mem.
8 58, 7.
Streiche JTQ als ausgefüllte Dittographie des Endes von •On geschriebenen 1021"!.
61, 7.
Dies ist schon längst als va-röq: und Speichel richtig erklärt worden. Was ich noch dazu zu bemerken habe, ist S. 78 zu lesen, nämlich dass auch hier schlechte Schreibung eines p als U vorliegt, so dass (je)rönnu statt röq gelesen wurde. Die Richtigkeit der Erklärung als röq ist also direkt durch den Text bestätigt.
INHALTSVERZEICHNIS Seite
Vorwort Textvorschläge Inhaltsverzeichnis Hinweise und Abkürzungen I. Teil. Kap. 40—55, sowie 56,1—8. In Babylon. § 1. Deuterojesaja als Verheissungsprophet § 2. Deuterojesaja zur Zeit des Aufbruches, 56,1—8
5 7 9 11
13 26
II. Teil. Kapitel 56,9—66. In Jerusalem. §3. Historische Übersicht 40 § 4. Abschnitte in der Gruppe 56,9—66 und deren Zeitbestimmung 53 Abschnitt 1. 56,9—57,21 53 Abschnitt 2. 58—60 61 Abschnitt 3. 61—63, 6 76 Abschnitt 4. 63,7—64,11 88 Abschnitts. Kap. 65 94 Abschnitt 6. Kap. 66 98 III. Teil. Deuterojesaja der Verfasser von Kapitel 40—66. § 5. Die vorliegenden Möglichkeiten § 6. Die literarische Verwandtschaft zwischen Kap. 56,9—66 und Deuterojesaja § 7. Die religiöse Geistesrichtung in Kap. 56,9—66 §8. Die Sprache in Kap. 56—66 §9. Der Stil in Kap. 56—66 §10. Der Prophet der Heimkehr
116 118 122 141 161 178
HINWEISE UND
ABKÜRZUNGEN
Abramowski = Rud. Abramowski: Zum literarischen Problem des Tritojesaja, T. S. K. 1925, 90 ff. Bentzen = Aage Bentzen: Jahves Tjener 1928. Budde = Karl Budde: 1) Das Buch Jesaja Kp. 40—66, in Kautzsch, Die heil. Sehr, des A. T.4 1922. 2) Ebed-Jahwe = Die sogenannten EbedJahwe-Lieder 1900. Buhl = Frants Buhl: Jesaja 2 1912. Causse = A. Causse: 1) Israël et la vision de l'humanité 1924. 2) Les dispersés d'Israël 1929. Delitzsch = Franz Delitzsch: Commentar über das Buch Jesaja 4 1889. Dillmann = A. Dillniann: Der Prophet Jesaja 5 1890. Duhm = Bernhard Duhm: Das Buch Jesaja 3 1914. Ausgabe 1922* nur Neudruck. Elliger = Karl Elliger: 1) Die Einheit des Tritojesaja (Jes. 56—66) 1928. 2) Z. A.W. 1931. Der Prophet Trito-Jesaja, S. 112—141. Feldmann = Franz Feldmann: 1) Der Knecht Gottes in Isaias Kp. 40—55 1907. 2) Komm.: Das Buch Isaias II 1926. Fischer = Johann Fischer: 1) Isaias 40—55 und die Perikopen vom Gottesknecht 1916. 2) Wer ist der Ebed? 1922. G = LXX, griechische Übersetzung. Ges." = Gesenius' Lexikon 16. Ausg. 1915 bei Frants Buhl. Giesebrecht = Fr. Giesebrecht: 1) Beiträge zur Jesajakritik 1890. 2) Knecht = Der Knecht Jahves des Deuterojesaja 1902. Graf = Ernest Graf: De l'unité des chap. XL—LXVI d'Esaïe 1895. Gressmann = Hugo Gressmann: 1) Über die in Jesaja Kap. 56—66 vorausgesetzten geschichtlichen Verhältnisse, 1898. 2) Die literarische Analyse Deuterojesajas (Kp. 40—55), in Z. A. W. 1914 S. 254—297. 3) Der Messias, 1929. Gunkel = Hermann Gunkel: 1) Einleitungen zu H. Schmidt, Die gr. Proph., 1923 (Die Schriften des A. T.). 2) Ein Vorläufer Jesu 1921. Haller = Max Haller: Das Judentum 2 1925 (Die Schriften des A. T.). Hölscher = Gustav Hölscher: Die Propheten 1914. Kittel = Rudolf Kittel: 1) Der Prophet Jesaja' 1898. 2) Geschichte des Volkes Israel 3 Bd. 1. 1927. 3 Bd. 2. 1929. Krüger = F. Hermann Krüger: Essai sur la Théologie d'Esaïe XL—LXVI 1880.
12 Köhler = Ludwig Köhler: 1) Deuterojesaja (Jes. 40—55) stilkritisch untersucht 1923 (Beiheft 37 zur Z. A. W.). 2) Jesaja 56—66. Kritischer Text mit Obersetzungen und Bemerkungen zur Textkritik und Metrik 1926 (Manuskript). König = Eduard König: Das Buch Jesaja 1926. Levy = Beuben Levy: Deutero-Isaiah, a Commentary, 1925. Ley = Julius Ley: Historische Erklärung des zweiten Teils des Jesaja, 40—66, 1893. Littmann = Enno Littmann: Uber die Abfassungszeit des Tritojesaja 1899. Loisy = Alfred Loisy: La consolation d'Israël 1927. Marti = Karl Marti: Das Buch Jesaja 1900. Marty = Jacques Marty: Les chap. 56—66 du livre d'Ésaïe, étude critique 1924. Michelet = Simon Michelet: Fra Profeterne til Jesus Kristus I 1919. Mowinckel = Sigmund Mowinckel: 1) Der Knecht Jahwäs 1921. 2) Die Komposition des deuterojesajanischen Buches (Z. A. W. 1931). Orelli = C. von Orelli: Der Prophet Jesaja 3 1904. Sellin = Ernst Sellin: 1) Studien zur Entstehungsgesch. der jüdischen Gemeinde I u. II 1901. 2) Sellin: N. k. Z. 1930, S. 73—93. 145—173. Skinner = J. Skinner: The Book of the Prophet Isaiah, chapt. XL— LXVI 1922 (The Cambridge Bible). G. A. Smith = George Adam Smith: The Book of Isaiah II (XL—LXVI), New Edition 1927 (frühere Ausgabe 1890). Torrey = Charles C. Torrey: The Second Isaiah, a new interpretation, 1928. Volz = Paul Volz: Jesaja II 1932. Whitehouse = Owen C. Whitehouse: Isaiah XL—LXVI (The Century Bible) 1906.
Einige Autoren schreiben Jesaia, hier überall Jesaja.
I. TEIL. KAP. 40—55, sowie 56,1—8. IN BABYLON. § 1. Deuterojesaja
als
Verheissungsprophet.
D
ie vorexilischen Propheten hatten Jahwes Gericht über Israel verkündigt; und die harte Wirklichkeitssprache der Tatsachen hatte das den meisten so unglaublich erscheinende Urteil an Jerusalem und dem Tempel, an dem Königsgeschlecht und dem Reich bestätigt. Jetzt aber berief Jahwe Boten, um die Erlösung aus allem Elend zu verkünden. Jahwes auserwähltes Werkzeug in dieser n e u e n p r o p h e t i s c h e n V e r k ü n d i g u n g war D e u t e r o j e s a j a . Mitten in Babel, im Weltzentrum, ertönte seine glaubensbegeisterte und aufrichtende Rede, geprägt von der Gewissheit, die sofort in 40,1, der grossen Botschaft von seiner Berufung, zu Worte kommt. Dtj. ist der Evangelist unter den Propheten. Es war nicht mehr die Zeit, gegenüber Israel Drohung, Gericht und Untergang zu verkünden. Dtj. verkündet, was Israel betrifft, ausschliesslich Verheissungen. Gressmann stellt in der »literarischen Analyse« Z.A.W. 1914 fest, dass von den 49 Einheiten oder Aussagen, in welche er die Kap. 40—55 einteilt, 43 direkte Verheissungen enthalten, und dass auch die restlichen 6 Verheissungsmomente haben. Dtj.s Wort kann also in V e r h e i s s u n g e n zusammengefasst werden (Z.A.W. S. 269). Wie eine frische Quelle für alle Dürstenden strömte diese Rede hervor. Ach, hätten die Entführten nur selbst trinken wollen! Aber so versklavt waren sie von dem zweiflerischen und kleinmütigen Geist der Niederlage, dass sie es lange nicht wagten. Was verlieh Dtj. seine Stärke gegenüber dieser Feigherzigkeit und der Macht Babels, die sie einschüchterte? N u r s e i n h o h e r e t h i s c h e r G o t t e s g l a u b e . Dieser war es, von dem das wahre Israel geprägt wurde. Dtj. war daher nicht der erste, der von
14 dem reinen Jahwismus beseelt war; er hatte ihn ererbt von andern Frommen und Propheten. Es fiel aber in sein Los, in der babylonischen Feuerprobe die ganze Kraft dieses ethischen Gottesglaubens anwenden zu sollen. Was von Anbeginn an der Religion Israels ihre ständig wachsende Selbständigkeit verliehen hat, ist das Bewusstsein, dass Gott als der überweltliche Herr der Natur nur durch die Einhaltung der Gebote des Rechts und des moralischen Lebens zufriedengestellt werden kann. Mit ihm konnten sich die naturgebundenen Götter und die Kultur Babels nicht messen1). Aus der Tatsache, dass Dtj. so entschieden Verheissungsprophet ist, zieht Duhm den Schluss, dass die Züchtigungs- und Ermahnungsworte, die an mehreren Stellen die Yerheissungen begleiten, nicht echt sein können. A m stärksten tritt dies gegenüber Kap. 48 hervor, das wir deshalb im folgenden einer näheren Untersuchung unterziehen wollen. Es kann jedoch von vornherein festgestellt werden, dass wir dem gleichen prophetischen Geist, denselben s i t t l i c h - r e l i g i ö s e n M a s s s t ä b e n b e i D t j . begegnen, wie bei den vorexilischen Propheten, was auch Gressmann hervorhebt (268). Dtj. beurteilt daher Israels Sünde in der Vergangenheit auf dieselbe Weise, wie die Propheten des Gerichts. Das Exil ist die Strafe für die frühere Sünde: 40, 2. 1
Paul Dhorme: La religion assvro-bahylonienne 1910, Abschnitt S. 37—60:
La conception da drnn. Ebenso bei J. Hehn:
Die biblische und die babylo-
nische Gottesidee 1913 S. 271—393 » D i e Grundzüge der israel. Religion gegenüber der babylonischen«
mit den Abschnitten
»Der sittliche Monotheismus«.
Nur Jahwe, als derjenige, der in keinem Bild oder Symbol verkörpert werden kann, verlangt » e i n e g l ä u b i g e E r h e b u n g « von seinen Anhängern, die die Verehrer der Naturgottheit nicht braucht (344). »Jahve
allein ist aber auch
d a s V e r d e r b e n für das sündige Israel, weil ein sündiges Volk notwendig im Gegensatz zu ihm steht« (354). »Jahve verkörpert nicht mehr
das nationale
Interesse, sondern die Gerechtigkeit« (359). Anders ist die Entwicklung in Babylonien. Seite an Seite mit den zivilisatorisch-wissenschaftlichen Fortschritten steht die alles verderbende Magie. Vgl. Meissner »Babylonien
und Assyrien«
II
1925; hierin
»Ethik
und Moral« S.
419—438. Auch H. Seeger verfolgt in der Schrift » D i e Triebkräfte des relig. Lebens in Israel und Babylon« (1923) die ausserordentlich verschiedenen Lebenswerte, welche die zwei Religionen dem persönlichen religiösen Leben darbringen konnten: Jahve ergreift den Menschen im i n n e r s t e n W e s e n seiner Persönlichkeit. . . .
in Babylonien ergreift die Gottheit den Menschen nie ganz,
bleibt ihm ihr Wesen verschlossen (122).
darum
15 42, 24a. 24b? 25. 43, 25—28. 44, 22. 50, l b . 51, 17—20. 54, 7. 8. Man konnte wohl auch zu den Weggeführten von denselben tiefen sozialen und persönlichen Sünden sprechen wie zu den früheren Geschlechtern. Aber nicht dies liegt hier vor. Dtj.s leuchtende Zukunftschilderung für Israel war dagegen gebunden an die Entgegennahme der Verheissung des Herrn, die nun mit ihrer ganzen einladenden W ä r m e an ihre Ohren klang. Um diesen Punkt konzentrierte also der Prophet seine Botschaft. Gläubig zuzugreifen, das war die ganze Sache. Aber sie zweifelten, ob Jahwe noch Kraft besitze, ob Israels Gott gross sei oder nicht. Hier war die Bresche, die ausgefüllt werden musste, sie befanden sich in Lebensgefahr. Das Exil stellte Israels R e l i g i o n auf eine harte Probe. »Was war natürlicher, als dass Dtj. in erster Linie zur Frömmigkeit mahnte?. . . W a s der Prophet an seinen Zeitgenossen tadelt, ist in der Hauptsache nur Unmut und Kleinglauben Israels, das den Verheissungen seines Gottes kein Vertrauen entgegenbringt, an seiner Allmacht zweifelt und über seine Wege murrt« (Gressmann 275. 273). Dtj.s Verkündigung geht also nicht auf Drohung und Gericht aus, aber das »zur Frömmigkeit M a h n e n « gehört unauslöslich zu seinem Evangelium. Auch zum richtigen Verständnis d e s E x i l s a l s d e s G e r i c h t e s G o t t e s und nicht als Folge seiner Ohnmacht muss er das Bewusstsein des Volkes erwecken. Dies gehört mit zu dem grossen Rechtsstreit zwischen dem Volke und Jahwe, der parallel läuft mit Jahwes Rechtsstreit gegen die Götter; vgl. Köhler 117f. In diesen Punkten sehen wir also Dtj. als E r m a h n u n g s p r o p h e t , so gut wie irgend ein anderer, aber die Ermahnung steht im Dienste der Verheissungsprophetie. Wir sind hier zu K a p . 4 8 gelangt, bei dem sich Duhms Kritik gegen die Beurteilung von Israels Unglauben wendet, die dieses Kapitel enthält. Die Darlegung in V. 1—11 »ist so unerhört fremdartig, dass ich sie nicht für deuterojesajanisch halten kann.« Hier läge der Eingriff eines Glossators in den Text des Dtj. über die neue Verheissung bezüglich Kyros und die Bestätigung dieser Verheissung durch die älteren, erfüllten Voraussagungen vor. In diesen Text habe der Glossator eine von ihm entbehrte Strafpredigt eingeschoben. Dtj. ist auf diese Weise nur folgendes zuzuschreiben: V. 1 (die vier ersten Wörter). 3. 5a. 6. 7a. 8a. 11 (mit Ausnahme des mittleren Satzes) und darauf 12—16a. 20—21.
16 Der spätere Bearbeiter »urteilt über Israel ganz anders als Dtj. und steht dem Hesechiel und Tritojes. viel näher. Dtj. hat getreu seinem Satz, dass die Sünde vergeben, die Strafe abverdient, die Zeit der Erlösung und der W u n d e r nahe ist, nur Trost, Mitleid, Ermunterung für Israel; wenn er am Volk etwas auszusetzen hat, so ist es nur die Verzagtheit und der Kleinglaube, die Taubheit für die Weissagung, nicht jener bösartige Un- und Aberglaube, der nach diesen Zusätzen Israel kennzeichnen, ja es seit seinem Ursprung gekennzeichnet haben soll« (332). Duhms Meinung hat nicht geringe Zustimmung gefunden, die jedoch abzunehmen scheint. Für das Verständnis des Kap. 48 ist es von Bedeutung, welche A b s i c h t man nach dem vorliegenden Text dem Gesagten unterlegt. Ein gemeinsamer Gedankengang verbindet nach allgemeiner Annahme den Abschnitt, den das Kapitel bildet. V. 1—2 ist eine Anrede an die Judäer, w o b e i zöt (dieses folgende) auf V . 3—11 hinweist. Mit V. 12 w i r d die Anrede w i e d e r aufgenommen, und bis 16a w i r d Babels Fall durch Kyros, den Jahwe ausgesendet hat, vorausgesagt. In V. 16b bis 19 nennt Dtj. in Anschluss daran ([ve-'attä »eben j e t z t « ) seine Ausrüstung mit Jahwes Geist, u m jetzt die Freudenbotschaft zu verkünden, und er schildert all das Glück, das Israel erlangen werde, wenn es Jahwes Gebote befolgt. V . 20—22 Triumphlied mit der Aufforderung, von Babel wegzueilen. Hierauf ein Ermahnungsausruf des Herrn. Es ist allerdings richtig, dass der Abschnitt demnach mit einem starken Züchtigungswort an Israel beginnt, und dass 16b—22 eine eindringliche Ermahnung enthält. A b e r diese Arten von Aussagen sind bei Dtj., w i e Gressmann zeigt, in den Dienst der Verheissungen gestellt. Auch mit den Züchtigungs- und Scheltworten ist es derart gegangen. V o r dem Exil enthielten sie eine Drohung (Drohungs- oder Gerichtswort), aber jetzt ist ihre Aufgabe, — den Verheissungen den W e g zu bahnen. So ist z. B. 45, 9—13 ein Züchtigungswort, das in die Verheissung von Kyros' Kommen ausmündet; 42, 18—25 wiederum ein Züchtigungswort und hierauf in 43,1—7 Jahwes Zusage; weiters 43,22—28 mit 44, 1—5; und 50, 1—2a, das in 50, 2b—3 hymnenhaft schliesst. Das Züchtigungswort ist also viel milder geworden und wendet sich von der Androhung des Unterganges ab. So verhält es sich auch gerade hier im Kap. 48. Das Züchtigungswort V . 1—11 leitet ein und
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soll den Weg freimachen für die Hauptbotschaft von Babels nahe bevorstehendem Fall in 12—22. Um ihre Entgegennahme zu sichern, bricht mitten darin V. 17—19 die Paränese hervor mit der innigen Ermahnung in V. 18, und noch in V. 22 tritt ein warnendes Wort auf; aber die Befreiungsbotschaft ist die Hauptsache, was mit der Erscheinung zusammenstimmt, dass sich die Aussage in V. 20—21 zum Hymnus erhebt. Die Steigerung in Kap. 48 ist also ganz deuterojesajanisch. Die in ihm enthaltene Ermahnung ist nicht Selbstzweck und verdeckt auch nicht die Verheissung. Wenn Duhm mit seinen eingreifenden Ausscheidungen von Dingen, die dem Text Charakter verleihen, wirklich Recht hätte, ob er dann nicht bei Anblick des in jeder Hinsicht unbedeutenden Textes, der übrig bliebe, missmutig ausbrechen müsste: »Ich habe dich geläutert — und ach, es wurde nicht zu Silber!« Die Einleitung zu einer gewichtigen Aussage, die in V. 3—11 folgt, ist zu dem ärmlichen Halbvers »Hör dies, Jakobs Geschlecht!« geworden, statt an Fülle der Aussage zu entsprechen, was in Dtj.s Rhetorik wenig wahrscheinlich ist, wo übrigens auch »Jakob« und »Israel« ständig nebeneinander genannt werden; sein Stil hat in solchen Aufforderungen den volleren Doppelausdruck: 4 1 , 1 . 42,18. 44,1. 4 6 , 3 . 1 2 . 47,8. 49,1. 5 1 , 1 . 4 . 2 1 und in Kap. 48 V. 12. 14. 16. Und von einer eindringlichen Botschaft bleibt nur der wohlbekannte Voraussagungsbeweis in wortreichen Versicherungen und mit Wiederholungen zurück, vgl. V. 5 gegenüber V. 3 und V. 8a gegenüber 6b. 7a; man versteht nicht den Eifer des Propheten, von dem doch V. 6 zeugt, und man vermisst eine ausgelassene Polemik. Im übrigen ist der Text von V. 6 in Unordnung; vielleicht hat Budde recht, wenn er »hazita« (du hattest alles gesehen) liest, und Köhler lässt passend 6b »Aber ihr — müsst ihr dies nicht 'bezeugen'?« den Schlusshalbvers zu V. 3 bilden. Und was steckt wohl hinter dieser Frage? Doch wohl ein Ausweichen von Israels Seite. Endlich die starke Abweisung in V. 11: le-maani, le-maani (»um meiner eigenen Schuld, ja um meiner eigenen Schuld wegen«). Auf wen anderen kann sie sich beziehen als auf Israel, gegen welches also im Zusammenhang starke Anklagen erhoben worden sein können? Duhms magerer Text verrät sich durch Indizien als ein Auszug einer zusammengesetzteren Darstellung. 2
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Hierzu kommt, dass Duhm mit Unrecht in V. 3—11 eine Wiederaufnahme des bekannten Voraussagungsbeweises von 41, 22 und vielen andern Stellen sieht, wo die Gewissheit über den Fall Babels durch die Erfüllung der zahlreichen Voraussagungen der Vergangenheit gestützt wird. Auch in V. 3—11 gibt es ein früher und ein später. Aber es wird nichts erwähnt von einer Nebeneinanderstellung und einem, dem erwähnten gleichenden Zusammenhang der beiden Teile 3—6a und 6b—11. Dennoch lässt Duhm es dieselbe Beweisführung sein, der die Zuhörer durch »Höret dies!« gegenüber gestellt werden. »Danach scheint Dtj., wie öfter, die neue Weissagung von Cyrus und von Babels Untergang in Gegensatz zu früher gegebenen und erfüllten Weissagungen zu setzen, u m auf Grund der letzteren für die erstere Glauben zu fordern.« Dieses »scheint« gewährt einen wertvollen Einblick in eine gewisse Unsicherheit, was Dtj. mit der Erwähnung der Voraussagungen gewollt habe. D i e V e r b i n d u n g ist indessen eine ganz andere. »Höret dies!« nimmt seinen Ausgangspunkt in dem heuchlerischen Eifer der entführten Juden, sich als das eigentliche Israel und als die Anbeter Jahwes, des Gottes Israels, anzusehen und nach Jerusalem, seiner heiligen Stadt genannt zu werden, während sie doch keineswegs in Wahrheit und Aufrichtigkeit dem Namen Jahwes Volk entsprechen. Nun wohl, so h ö r e t d e n n , was ich, Jahwe, euch zu sagen h a b e ! Eben diese Aufforderung, zuzuhören, wird mit kl (denn) in V. 2 begründet (Kittel), u n d dieselbe Begründung liegt schon in dem Partizip ha-niqra'lm V. 1: Ihr, die ihr euch nennt d . h . weil ihr euch nennt, verborgen. Auch Jahwe hat ihnen etwas zu sagen. Was dies ist, umfasst V. 3—11. »Höret dies!« (zöf) heisst es wie in 48, 16. 47, 8. 51, 21 von der blossen, günstigen oder ungünstigen, Mitteilung, während »Höret auf mich!« ('eläj) in 48, 12. 46, 3. 49, 1. 51, 1. 4 eine stärkere Einladung enthält. Für das Verständnis der Dinge, die sie hören sollen, darf V. 9—11 nicht übersehen werden. Hier mündet das scharfe Züchtigungswort in die Verheissung aus, dass Jahwe trotz aller Unwürdigkeit Israels sie um seiner selbstwillen retten wolle, was dann in V. 12— 22 näher ausgeführt wird. Betrachten wir das Bild des sündigen Israel, welches in dem Züchtigungswort gezeichnet wird, näher, scheinen in den Worten von V. 1 »nicht in Wahrheit« und »nicht in Redlichkeit« (sedaqä)
19 die moralischen und sozialen Sünden bei den Exulierten gestreift zu werden; aber wie auch sonst bei Dtj. konzentriert sich auch hier die Züchtigung zu einem religiösen Erweckungsruf, dem schärfsten, den wir in 40—55 kennen. Der Zeitpunkt, wo dies gesagt wird, liegt vermutlich unmittelbar vor dem Kommen der Befreiung. Das Züchtigungswort entspringt der Verwunderung, von der die Beobachtung der Sünde gegen Gottes Willen wohl immer zuerst begleitet ist. Jahwe ist über die Trägheit und den Mangel an Enthusiasmus, womit der Befreiungsbotschaft begegnet wird, erstaunt. Dieselbe Anklage wird auch in dem verwandten 50, 2a erhoben. In Jahwes Überblick über Israel in 48, 3ff. wird naturgemäss der historischen Linie gefolgt: vor dem Exil (3—6a) und jetzt während des Exils (6b—11). Die Aufmerksamkeit ist auf das Verhalten Israels in diesen wechselvollen Zeiten gerichtet. V. 3—6a bespricht die Vergangenheit; m a n sieht hieraus, wie grundlos es ist, mit Duhm dem Verfasser die Meinung zuzuschreiben, dass hier von dem exilischen Israel geredet wird. Die Ausdrücke in 5b »mein Bild«, »mein geschnitztes oder gegossenes Bild« (Jahwebilder) beziehen sich ja doch auf deutlich vorexilische, naivere Zustände. Israels Unlust gegen Jahwe (»dein Nacken, steif wie Eisen«) veranlasste sie, Ausflüchte zu suchen u n d ihren Abgöttern das zuzuschreiben, was nur Jahwe für sie getan hatte (Hos. 2, 14a). Nichts von ihm Kommendes (die Rede seiner Propheten) konnte Eindruck auf sie machen (»deine Stirn wie Kupfer«). Um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, die Ehre ihren Abgöttern zuzuschreiben, wählte Jahwe die Taktik, die Ereignisse lange vor ihrem Eintreffen zu verkünden und dieses Eintreffen zugleich oft plötzlich geschehen zu lassen, wie in einem Nu (V. 3). Wurde aber der Ausweg zu den Götterbildern gesperrt, so hatte ihr Starrsinn sogleich eine andere Ausflucht zur Hand, nämlich dass ihre eigene Klugheit (»ich wusste es« 7b) ihnen das richtige Verständnis f ü r das Kommende verliehen habe. Auch diesem letzten Ausweichen will Jahwe vorbeugen; er hat das Neue, das jetzt kommen wird, zurechtgelegt (V. 6b—8), ohne ihnen eine Andeutung zu geben vor dem Augenblick, wo die Zeit seines Kommens da ist ([lifne jomö lö' Hematäm V. 7, was in 16a wiederaufgenommen wird). Jahwe bricht also auf doppelte Weise die Halsstarrigkeit seines Volkes in ihren v e r s c h i e d e n e n Äusserungsformen. In dem gegenwärtigen exili2*
20 sehen Zeitpunkt ist natürlich der Appel an die Götter ausgeschlossen. Duhm erwähnt »wunderbare Widersprüche« im Text: »Jahve hat seine Weissagungen längst gegeben, um zu verhüten, dass Israel seine Taten »seinem Götzenbild« zuschreibe, und er hat sie nicht früher gegeben, damit Israel nicht sagen könne, es habe es schon alles gewusst«. Wenn wir aber von Widersprüchen sprechen wollen, sind diese nur in den wechselnden Ausflüchten Israels, nicht in Jahwes doppelter Abwehr, zu finden. Treffend bemerkt Budde zu V. 7: »Beachte, dass hier nur von eigenem Wissen die Rede ist, nicht von einem Erfahren durch seine Götzen.« Indem Jahwe von V. 6a an die exilische Zeit seines Volkes vor Augen hat, kulminiert sein züchtigendes Wort. »Ich weiss, du bist ganz treulos« (V. 8). Schon vom Mutterleib an hat sich sein treuloses Wesen gezeigt. Dies spielt vielleicht auf 1. Mos. 25, 26 an, wie Hos. 12,4. Wenn es sich so verhält, wird in unserm Zusammenhange doch an die religiöse Übertretung mit ihrer Unlust und dem Abfall gegenüber Jahwe (po$ea , wie 46, 8) gedacht. Die Schilderung ist hiermit auf dieselbe Höhe wie in V. 4, wo sie einsetzte, gelangt, ja sie übertrifft diesen nun in der vollständigen Verwerfung. In dem Gedankengang V. 3—8 geht V. 4 mit V. 3 zusammen und nennt sofort Israels Starrsinn als Erklärung; hierauf wird in 5—6a V. 3 wiederaufgenommen und weiter entwickelt, und in dem parallelen 6b—8 wird fortgesetzt, beide Male mit dem gleichlautenden »damit du nicht« ( p e n tömar). Hiermit sind wir zu V. 9—11 gelangt, dem Vergleich zwischen dem, was Jahwe mit dem treulosen Volk hätte tun können, und dem, was er seines Namens wegen zu tun beabsichtigt. Diese Verse, 9—11, bilden d a s M i t t e l g l i e d zu V. 12—16a, wo Jahwes verheissungsvoller Plan geoffenbart wird; 16b—22 enthält die Fortsetzung. In V. 9 ist Israel wegen seiner Sündhaftigkeit an der Grenze des Unterganges im Zorn des Herrn gewesen. Er hat seinen Zorn gezügelt und statt dessen sein Volk durch die läuternde Züchtigung des Exils erprobt, wie wenn Silber aus den Schlacken geschmelzt wird; aber ach, es wurde nicht zu Silber, V. 10 ([ve-lö' be-kesef d. i. aber nicht mit Silber als Ergebnis, Ges.16 be von Begleitumstand und Ergebnis). Und doch will Jahwe sein Volk erlösen, aber um s e i n e s e i g e n e n N a m e n s , um seines Ruhmes, um seiner selbst willen,
21 der letzte Ausdruck wirkungsvoll verdoppelt. In V. 11 kann man damit rechnen, dass Seml, mein Name, ausgefallen ist (G. L). »Name« und »Ruhm« (tehillä) in V. 9 entsprechen im Schlussteil der Periode 9—11 »Name« und »Ehre« (kaböd) und das doppelte le-maani, echt dtjesajanische Rhetorik. In der Völkerweit wird Jahwe an Israel erkannt; verstummt in diesem sein Kultus (sein Name und sein Ruhm), da wird er von den triumphierenden Heiden beleidigt und verhöhnt ( 4 2 , 8 . 52, 5). In V. I I a , der den gleichen Bau hat wie 9a und 9b, weist »so« natürlich auf den Gedanken am Schluss von V. 9 »dass ich dich nicht ausrotte« zurück. Durch Einfügung von »semi« in V. 11 kommt der Rhythmus des Verses in Ordnung: 3 + 3 + 3. Auch V. 9, wo wohl das h t m »zähmen« des Textes bewahrt werden muss (Ges. 1 6 ), bietet in seiner Metrik nichts Auffallendes. Er ist zweifüssig: 2 + 2. 2 + 2, ebenso V. 8 (mit betontem l ö ' ) : 2 + 2 . 2 + 2 . 2 + 2. 2 + 2 und 7a: 2 + 2. 2 + 2. Vgl. Levy. Auf V. 3—11 folgt nun Jahwes mächtige Verheissung in 48, 12—16a, auf welche wir in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen wollen. Aber bevor wir zu dem Schlussteil des Abschnittes in V. 16b—22 übergehen, ist es von Interesse, 48,1—16a mit einer verwandten Aussage bei Dtj. zu vergleichen. Das ist die Stelle 43, 22—ii, 5. Auch hier liegt ein Züchtigungswort mit einem verheissungsreichen Schluss vor. Es enthält genau dieselbe Beurteilung von Israels Grundverhältnis zu Gott, auf die wir in 48, 1—11 gestossen sind, und die schon in dem ersten Züchtigungswort 42, 18—25 (mit 43, 1—7) angedeutet ist, wo der Prophet Jahwes Erstaunen über sein blindes und taubes Volk ausspricht. Der Gedanke in 43, 22—28 ist j a klarer Weise der, dass die Erlösung, die der Prophet verkündet, ausschliesslich Gott selbst zu verdanken ist, während Israels Geschichte eine Kette von Sünden war (Buhl). Duhm selbst sagt dasselbe: »Nicht Israel hat um Jahve, sondern Jahve hat um Israel geworben, Israel hat nur immer Schuld auf sich geladen und Jahve damit belastet, sie wieder zu beseitigen.« Das notgezwungene Aufhören der Kultusopfer V. 23. 24a zeigt, dass hier die exilischen Zustände vor Augen stehen, und die von den fehlenden Opfern ausgehende Argumentation will beweisen, dass Jahwe in seinem Heilsentschluss unbeeinflusst ist von Anstrengungen seitens des Volkes. Nach dem Zusammenhang liegt zwischen »ich habe dich nicht
22 mit Opfern bebürdet« und »aber du hast mich mit deinen Sünden bebürdet« Gleichzeitigkeit vor, es fallen also auch V. 24b u n d 25 in die Zeit des Exils. Aber von hier wendet sich der Gedanke in V. 26—28 zurück zu der vorexilischen Zeit (28) u n d der ganzen Geschichte des Volkes (27), ja bis zu seinem Ursprung im Stammvater J a k o b : schon dein Stammvater sündigte (27). Hier liegt dieselbe Beurteilung vor wie in 48, 8. Schon bei 24b. 25 k a n n an den ganzen sündigen Verlauf gedacht werden, aber als Ausgangspunkt für den ganzen Rückblick werden doch notwendigerweise d i ^ gegenwärtigen, exilischen Sünden des Volkes gewählt. Indes muss m a n auch hier wiederum, wie sonst bei Dtj., an die religiöse Schuld des Volkes, an seine Kleingläubigkeit gegenüber seinem Gott, denken. Die Ausdrücke für die Sünde werden mit peSaeka V. 25, deine Übertretungen, dein Abfall, wie in 48,8, zusammengefasst. Das Fehlen des richtigen Suchens nach Gott war schon in 43, 22a die Sünde der Exulanten. In Kürze besagt 43, 22—28, dass sogar noch im Exil Israel nichts anderes getan habe, als den Herren mit seinen Sünden zu peinigen. Das doppelte 'anokl (Ich, ich allein), womit V. 25 beginnt, entspricht dem doppelten »le-ma'anl« in 48, 11 ja, wahrscheinlich ist auch le-maani in V. 25 selbst zu finden. Der Text des Verses scheint, wenn der Rhythmus 3 + 3 durchgeführt werden soll, überfüllt zu sein. Duhm behält le-ma'anl, aber stricht 25b. Einige wichtige G-Handschriften u n d L haben weder le-ma'ani noch »deine Sünden«. Am wahrscheinlichsten ist Levys Teilung des Verses in 3 + 3 + 3, so dass »der ich deine Übertretungen u m meiner selbst willen austilge« das Mittelglied ist. Hier wird le-ma'anl beibehalten. Nach dem stark betonten 'anoki, 'anok! ist die doppelte Aussage durch ihre Fülle das wahrscheinlichste. Auch hier bei 43, 22—28 folgt nun in 44, 1—5 die Verheissung, die mit dem vorausgehenden durch ve-attä verknüpft ist. 43,22— 44, 5 ist in Form und Inhalt ein Seitenstück zu 48, 1—16a. In diesen Aussagen wird hervorgehoben 1) der widerspenstige u n d sündige Grundzug in der ganzen Geschichte Israels u n d 2), dass das Heil deshalb ausschliesslich Jahwe selbst zu verdanken ist. Dass diese Gedanken mit Hesechiel (z. B. 36, 22ff.) übereinstimmen, hat nichts Auffallendes an sich, da ja Dtj. zu dem exilischen Judentum gehört, das Hesechiel als Lehrmeister gehabt hatte, und er deshalb, wo sich ein Anlass hierzu bot, seine Ge-
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danken an die seines Vorgängers anknüpfen konnte. In seiner Umformung des Messiasbildes ist ja Dtj. auch bestimmt durch seine allertiefste Beobachtung des Gottesverhältnisses Israels, das dieses sogar zu der fürchterlichen Verkennung des Erwählten Gottes bringen könnte. Die Beurteilung Israels als treulos gegen seinen Gott in Kap. 48 ist also dtjesajanisch, hat aber Dtj.s Liebe zu seinem Volk nicht ausgelöscht. Und was Jahwe betrifft, macht sich bei ihm in den Züchtigungsworten wohl tiefes Erstaunen u n d Enttäuschung über das treulose Versagen seines eigensten Volkes, aber nicht Kälte geltend. In Wirklichkeit ist Dtj.s ganze Darstellung des Verhältnisses Jahwes zu Israel, mit den vielen innigen Ausdrücken f ü r seine Liebe, von dem Bewusstsein getragen, dass die Grundlage des Ganzen Jahwes freie Gnade ist, von der ersten Botschaft in 40, 2 an, dass dessen Schuld bezahlt sei. Wo von Jahwes Zorn, der das Urteil des Exils über das sündige Volk herbeiführte, die Rede ist, können die Ausdrücke so schonend sein, dass Jahwe in 54, 7. 8 gleichsam diese traurige Notwendigkeit verdeckt, die jedoch seine ewige Liebe nicht verdunkeln kann. Den Schluss von Kap. 48 bildet 16b—22. Das Züchtigungswort vermildert sich zur Ermahnung. In 16b spricht der Prophet. In V. 7 war gesagt worden, dass jetzt die Zeit f ü r das Kommen des Neuen da sei, und in V. 16a von Jahwe selbst, dass er selbst zu der Zeit von dessen Kommen zur Stelle sein würde. Daran knüpft 16b mit der Bestätigung, dass Jahwe jetzt durch die Aussendung der Prophezeiung zu erkennen gebe, dass die neue Wendung bevorstehe. Dtj. sagt dies ohne persönliche Anmassung, die ihm fern liegt, aber mit der ganzen prophetischen Gewissheit als Jahwes Bote. Wie der Text in V. 16b vorliegt, muss »sein Geist« Objekt sein, ebenso wie »mich«, verbunden mit dem unterordnenden ve »und«, also: inspiriert von Jahwes Geist. Anders würde die Sache sich stellen, wenn ve-rufio das Subjekt eines ausgefallenen Verbs, das zu »mich gesendet« parallel wäre, enthalten könnte. Levy vermutet »mela'ani«: (und sein Geist) hat mich erfüllt, das infolge der Ähnlichkeit mit dem vorausgehenden »'an!« (in sam 'an! V. 16a) ausgefallen sei. Das verwandte 61,1 über Jahwes Geist und über Jahwe »der m i c h g e s a l b t hat«, macht es vielleicht wahrscheinlicher, dass das verlorene Wort »meHafyäni« und ruhö das Mittel gewesen ist (wie
24 bei Am. 6, 6. Ps. 45, 8): und mich gesalbt mit seinem Geist. Durch Hinzufügung dieses Wortes gelangen wir zu dem Rhythmus 3 + 2, der sich auch in den folgenden drei Zeilen bis 18a einschliesslich findet. Nach der Einleitung in 16b folgt in V. 17—19 eine innige Ermahnung, ein Stossseufzer, doch dem Herrn zu gehorchen, wodurch aller Segen kommen würde. Im Zusammenhang ist V. 18a ohne Zweifel ein W u n s c h s a t z mit Hinblick auf die Zukunft: »Ach, hörtest du doch auf meine Gebote!«, und kein Rückblick auf die Vergangenheit »wenn du gehört hättest usw., so wäre dein Zustand glücklicher gewesen, als er jetzt ist«, wie es Duhm auffast. Denn was sollte doch ein solcher Rückblick am Schlüsse unseres Abschnittes nutzen? Duhm nimmt denn auch seine Zuflucht zur Interpolation. Statt der Vokalisation von v j h j als konsekut. Impf, va-jehi durch die Massoreten ist v-lhi für das, von etwas Gedachtem Abhängige zu vokalisieren (Buhl). Mit oder ohne ein verbindendes »ve« in 19b lö'-jikkaret gehört 19b über das ewige Bestehen mit zu dem in 18a durch den Gehorsam Bedingten; in diesem innigen Ermahnungswort, das V. 17—19 darstellt, wird also die entsetzliche Möglichkeit gestreift, dass Gott genötigt wäre, das weggeführte Israel auf ewig verschwinden zu lassen. Duhm bemerkt hierzu, dass »für Dtj. die Sünden des Volkes als für längst vergeben galten, und dass er nur an das Gegenteil der Ausrottung denkt«, was Duhm eine scharfe Antwort von Torrey einbringt. (380). Von der Auslöschung der Sünden der Vergangenheit weiss schon V. 11, aber es liegt auch eine G e g e n w a r t s s ü n d e vor, mit der sowohl dieses Kapitel als Dtj. im ganzen rechnen, wenn nämlich Israel wirklich die rettende Gnade Jahwes, es aus Babel zu befreien, abwiese. Die ganze Aussage V. 17—19 wird von Duhm kassiert, für den aus diesen Versen ein gesetzlicher Geist spricht, der das Kommen der messianischen Herrlichkeit von der Erfüllung der Gesetze durch die Juden abhängig macht. Dieser Ausscheidung der schönen Aussage aus Dtj.s Werk schliessen sich keineswegs alle, die sonst Duhm in den V. 1—11 gefolgt sind, an, so z. B. nicht Köhler. Was ist aber nach dem Zusammenhange mit »deine Gebote« in V. 18a gemeint? In Jahwes Selbstprädikation in V. 17a wird bei den Ausdrücken »dein Goel« (deine Schutzwache, dein Erlöser) und »Israels Heiliger« (der Erhabene, der sich jedoch an Israel und seine Geschichte geknüpft hat) an die Befreiung
25 als das Ziel seiner Absichten mit dem Volke gedacht. Dasselbe Ziel hat die Schilderung von Jahwes Fürsorge in 17b vor Augen. Er belehrt (50, 4. 54, 13) darüber, was frommt (le-ho'Il), so dass man vorwärts kommt und gerettet wird, im Gegensatz zu dem Götzendienst, welcher enttäuscht (44, 9. 10. 47, 12. 57, 12), und er führt sein Volk auf dem richtigen Weg zum Glück. Diese Anweisungen Jahwes sind es, die in 18a seine misvöt, seine Gebote, seine Befehle genannt werden. Sie fallen zusammen mit seinen Verheissungen, auf die zu achten V. 12. 14. 16 immer wieder auffordert. Seine »Befehle« werden sie genannt als »Verheissungen«, welche die F o r d e r u n g seitens des Gebers enthalten, im gläubigen Gehorsam dieses eine Einzige » Z i e h e a u s a u s B a b e l ! « , das gleich darauf in V. 20 ertönt, entgegenzunehmen. Die religiöse Grundforderung ist auch hier wieder, wie immer bei Dtj., das entscheidende. Ethische Bedingtheit bei einer Verheissung, nämlich ihre gläubige Entgegennahme, ist ganz verschieden von nomistischer Leistung und gehört zu dem evangelischen Rechtfertigungsbegriff ohne Verdienst. W i r stossen bei Dtj. auf ähnliche innige Aufforderungen wie in unseren Versen 17—19, z.B. 55,6.7 und 44, 22 »Bekehre dich zu mir, denn ich erlöse dich«, wo die freie Gnade zur Bekehrung lockt. Mit Bezug auf V. 17 kann gesagt werden: »Jahve unterweist sein Volk, die Güter der kommenden Erlösung im Auge zu bewahren« (Feldmann, Komm. 122). Schliesslich wird in 18b. 19 die bevorstehende Herrlichkeit mit den Farben der Hoffnung gemalt: Glück (salöm) wie ein Fluss, Gottes Hilfe (sedaqä) wie die Wogen des Meeres, Nachkommen wie der Sand in Menge, Leibesfrucht wie dessen Sandkörner, und für Israel ewiges Bestehen, eine Schilderung, die den übrigen dtjesajanischen nächstverwandt ist. Was Duhm hier an der für Dtj. charakteristischen Begeisterung vermisst, ist nicht weit ab, in der Fortsetzung V. 20—21 über die nächste Zukunft ist sie da. Die Freimütigkeit siegt, die Worte werden zum Hymnus, alle Wunder der Heimfahrt durch die Wüste werden ausgemalt. V. 12—16a war Jahwes Rede, zur Bestätigung des Planes seiner freien Gnade, worin V. 1—11 ausmündete. V. 16b—22 ist das letzte Stück des Kap. 48, des ganzen Abschnittes. Duhm, der V. 16b—19 ausscheidet, beruft sich auf die Verbindung zwischen V. 20—21 und 12—16a. Sehr wohl, aber das g a n z e
26 16b—22 als Einheit weist dieselbe gute Verbindung mit 12—16a auf. V. 20—21 muss also seine Verbindung nach rückwärts mit der ganzen Einheit teilen. V. 22 »Kein Glück für die Gottlosen« d. s. die gegen Jahwe Widerspenstigen. Durch die Wiederholung des Wortes Salöm (Glück) aus V. 18 wird innerhalb des Kontextes ein wirkungsvoller Kontrast gebildet. Auf dieselbe Weise in 57, 21 gegenüber 57, 19. Seit Duhm wird 48, 22 in der Regel als eine redaktionelle Hinzufügung betrachtet, aus 57, 21 entnommen, u m den Abschluss einer Abschnittsreihe hervorzuheben; dies ist jedoch eine allzu zweifelhafte Annahme. § 2. Deuterojesaja zur Zeit des Aufbruches,
Kap. 56, 1—8.
Mit 56, 1—8 lässt Duhm die jerusalemischen Prophezeiungen beginnen, die sich durch die Kapitel 56—66 erstrecken und von ihm einem »Tritojesaja« aus der Zeit von 460/50 zugeschrieben werden. Hiermit fällt der gemeinsame Ursprung von 56, 1—8 u n d Kap. 55, den m a n herausgefunden zu haben meinte, weg. Wellhausen z. B. bemerkt in Prologomena 3 S. 420, 54, 1—56, 8 sei »gewissermassen eine Predigt über den Text 52, 13—53, 12«. Ähnlich Ewald, Bleek und Kuenen mit Bezug auf die genannten Verbindungen zwischen 56, 1—8 und Kap. 55. Aber dieser Zusammenhang beruhte auf reinen Äusserlichkeiten, wie die Ähnlichkeit zwischen 56, 1 und 55, 6.7 und hängt mit einer literarischen Betrachtungsweise zusammen, die den prophetischen Reden und deren schriftlichen Tradition gegenüber unberechtigt ist. Diese Verbindung bei 56, 1—8 aufzugeben, bedeutet daher keinen Verlust; dieses Stück bildet einen selbständigen A b s c h n i t t . Eine andere Frage ist, ob der Abschnitt deshalb aus dem grossen Zusammenhang mit Kap. 40—55 herausgerissen werden soll. Man könnte ja annehmen, dass dieser Abschnitt noch ein Glied dieser Kette von Prophezeiungen aus Babylon, und zwar das letzte in der Reihe, darstelle. Denn dass wir uns mit 56, 9ff. (von wo sich ein Abschnitt bis 57, 21 erstreckt) nicht mehr in babylonischen Verhältnissen befinden, was besonders Duhm klar nachgewiesen hat, steht ausser Zweifel. 56, 9 hebt die neue Umgebung und den Beginn der jerusalemischen Verhältnisse ganz anders augenfällig hervor, als die Grenze, die Duhm bei 56, 1 zieht. Ist es denn fürs erste so sicher, dass das vorausgehende Stück
27 55, 6—13 einen bewussten literarischen Abschluss von Kap. 40—55 bildet? Duhm geht hiervon aus und entscheidet die Sache durch den Hinweis, dass Jahwes Heimfahrt durch die Wüste zu Beginn von Kap. 40 am Schluss von Kap. 55 wiederaufgenommen werde, also eine »Rückkehr zum Anfang«. Nun ist aber Dtj. wie alle andern Propheten in erster Linie Überbringer einer mündlichen Botschaft, und in dem gesprochenen Wort, wo eine Fortsetzung durch neue Botschaften denkbar ist, liegt kein Anlass zu einem kunstmässigen Abschluss vor. Bei einer literarischen Sammlung ist eine derartige Reflexion möglich, für einen jüdischen Schriftsteller ist sie jedoch weniger naheliegend als für das moderne Ohr. Liegt jedoch eine solche Absicht von Seiten Dtj.s deutlich vor? Der Zusammenhang in 55, 6—13 ist folgender: V. 6—7 enthält eine Ermahnung, wobei von der Nähe des Herrn ausgegangen wird; darauf ergreift in V. 8—9 Gott das Wort zur Bestätigung, dass er wirklich n a h e sei, so fern auch seine Gedanken menschlichen Berechnungen lägen; und in V. 10—13 wird gezeigt, — mit A n w e n d u n g auf Israels Zurückführung, — dass Gott sein gegebenes Wort und seine Verheissungen hält. Hier wird natürlich auf die bekannte Befreiungsbotschaft in 40,1 ff. angespielt, aber das Hauptgewicht liegt auf der Z u v e r l ä s s i g k e i t d e s v o n Gott g e g e b e n e n W o r t e s , und der Sinn des Zusammenhanges ist, Gottes Treue geltend zu machen. Einen in ganz anderem Grade bewussten Rückblick auf das Anfangswort seiner Prophetie bietet Dtj. dagegen in 52, 7—12 über Jahwes Heimkehr, dass er sein Volk tröste, wie es in 40, 1. 5. 9. 10 hiess. Ein Abschlussgepräge in 55, 10—13 (6—13) leuchtet also nicht ein; es könnten, wie nach 52, 7—12, noch andere Aussagen folgen. Duhms Nachweis der »Rückkehr zum Anfang« beginnt aus guten Gründen in Wirklichkeit erst mit 10 f., wo sein Wort »Noch mehr« (nämlich »als in den vorhergehenden Versen wendet sich nun der Prophet zum Anfang seiner Schrift zurück«) völlig in der Luft schwebt. — Dass weiters 56, 1—8 kein Anfangsgepräge aufweist, ist auch kein günstiger Umstand für die Ziehung der Grenze vor 56, 1—8, da sich ausserdem gleich darauf, vor 56,9, ein tiefer Einschnitt zeigt. Vermutlich in dem Gefühl, dass 56,1—8 sich nicht als Beginn einer neuen Prophetenschrift eignet, streift Duhm (390 und an einzelnen andern Stellen) die Möglichkeit, 56—60 und 61—66 umzustellen und 56, 1—8 als von einer unbe-
28 kannten »dritten Hand« geschrieben aufzufassen, die er ohne Zweifel als spät nachexilisch betrachten würde. Da aber diese Nebenbemerkung von Duhm nicht weiter ausgewertet wird, sehen wir von diesem Versuche ab. Wir wenden uns also, nachdem wir gesehen haben, dass 55, 6—13 keine deutlichen Zeichen eines Abschlusses aufweist, sondern offen endet, dem kleinen A b s c h n i t t 5 6, 1—8 selbst zu. Er enthält eine prophetische Belehrung, veranlasst durch bestimmte Fragen der Zeit, ein Gotteswort (eine toräh) über die Aufnahme von Fremden und Verschnittenen in die Gemeinde und deren Teilnahme an ihrem Kultus. Mit einem »So spricht Jahwe« beginnt die Aussage in V. 1—2 mit einer allgemeingiltigen Ermahnung zu einem moralischen und religiösen Lebenswandel, wie er des nahenden Heils würdig sei. In V. 2 wird die Heiligung des Sabbaths hervorgehoben, und »seine Hand vor allem Bösen zu wahren« entspricht la. Die Giltigkeit der Verheissung in V. 2 erstreckt sich nun in V. 3—7 auch auf die fremden Proselyten und die israelitischen Kastraten. Diese beiden Klassen von Menschen fürchteten, von der kommenden Herrlichkeit ausgeschlossen zu sein. Diesen Klarheit und Trost zu bringen, ist der Hauptzweck der ganzen Aussage. Indem die Autorität des Einleitungswortes in V. 4 wiederaufgenommen wird, wird erstens den Verschnittenen bezeugt, dass Jahwe, weit entfernt, sie zu Verstössen, diese seine Anbeter ehren wolle. Den Verschnittenen wird ein bleibendes Mal (eine erhobene Hand) auf dem Mauerring des Tempels zugesagt1), so dass ihr Name und ihre Hingabe an Jahwe im Bewusstsein der ganzen Gemeinde lebendig bliebe, eine grössere und länger andauernde Ehre als die blosse Familienerinnerung. Und den Fremden zweitens will Jahwe vollen Anteil an dem Kultus des neuen Tempels geben. Mit der Autorität ne'üm 'adonäj Jahve, Aussprache meines Herrn Jahwe, wird in V. 8 bestätigt, dass den Völkerschaften neben Israel der Zutritt gewährt werde. — Auf den Sabbath wird in V. 4 und 6 Gewicht gelegt, ebenso auf Gesetzerfüllung in sozialer Gerechtigkeit, worauf in la. 2b. 4b. 6b gezielt wird. Es gilt nun, einen passenden Zeitpunkt für das Hervortreten dieser prophetischen Belehrung zu finden. Vorexilisch und deuterojesajanisch klingt V. l b : »Mein Heil ist daran zu kommen, ') B i l d l i c h gemeint, die Realität ist der unvergängliche und ruhmvolle Name in dem Bewusstsein der ganzen Gemeinde.
29 mein Recht (sedaqä, Gotteshilfe) wird bald geoffenbart werden«, wie in 46, 13. Gegen den vorexilischen Ursprung spricht nicht wesentlich, dass in V. 5 u n d 7 von Tempel, Bethaus, heiligem Berg, Altar und Opfern gesprochen wird, da dies alles proleptisch sein kann, so wie wenn Dtj. vorausgreifend zu Jerusalem spricht, als ob es schon wiederaufgebaut wäre. Die Heimkehrenden konnten nicht daran zweifeln, dass sich Jahwes Tempel bald wieder auf Zion erheben würde. Anders liegt die Sache, wenn Duhms nachexilische Datierung sich auf 56, 8 als Beweis, dass zur Zeit des Abschnittes schon eine Gemeinde von Heimgekehrten in Jerusalem gesammelt war, stützen könnte. Diese Auffassung ist doch unbeweislich, auch ist in V. 1 das Heil zukünftig. W i e man auch V. 8a auffasse, rückwärts- oder vorwärtsweisend, das hat auf diese Frage keinen Einfluss. Das Wort »ne'üm Jahwe« schliesst in der Regel eine vorausgehende Kundmachung ab, weshalb es auch von G als Schlusswort zu V. 6. 7 gezogen wird. Da es aber bisweilen auch als Einleitung vorkommt (Jes. 1, 24. Sach. 12,1. Ps. 110, 1), fassen es Duhm, und ebenso Buhl u. a., hier als einleitend auf für die Aussage 8b: »Noch werde ich sammeln zu ihm, zu seinen Gesammelten«, eine Bekräftigung der Mitnahme auch der Heiden [Völker]. Rhythmisch ist 8b mit vier Hebungen in Ordnung (Köhler), aber die Aussage würde auffallend kurz und undeutlich sein. Deshalb wird man besser bei der gewöhnlichen Beziehung des »ne'um« auf das vorhergehende bleiben. Der Schwerpunkt liegt in der neuen und universalistischen Kunde V. 7, Jahwe wolle auch die Heiden einsammeln. Dies wird mit 8a vergewissert. Das Participium meqabbes, »der die Verstreuten Israels sammelt«, fügt sich als eine zur Zeitlage sehr passende Prädikation Jahwes an. Zum Schluss kommen, für Israel erfreulich und beruhigend die Worte 8b »Noch werde ich sammeln zu ihm, zu seinen Gesammelten«, d. h. neue Scharen von Israeliten. Der futurische Zusammenhanggibt auch dem Schlusspartizipium le-niqbasäv (seine Eingesammelten) f u t u r i s c h e n Sinn: die gesammelt sein w e r d e n (König, mit Hinweis auf Sy. § 338 o.p). Man ist also sprachlich nicht dazu berechtigt, eine Exulantengemeinde in Jerusalem schon zum Zeitpunkt der Aussage vorauszusetzen, was auch Buhls Exegese voll anerkennt. »Wenn ich Israels Verjagte sammle, werde ich andere zu ihnen einsammeln« (Buhl). Ein anderes Hauptargument für seine Ansetzung des Stückes in die Esrazeit findet jedoch Duhm in dessen innerem Geist.
30 Was unsern Abschnitt hervorgerufen hat, »wird aus den Vorgängen zur Zeit Esras und Nehemias klar (Esr. 9, 1 f. Esr. 10. Neh. 9, 2. 10, 30f. 13, 1—3. 23—30)«. Die Proselyten, von denen Kap. 56 spricht, fürchten die exklusive Richtung innerhalb des Judentums. Sie erwarten von dieser Seite scharfe Massnahmen: »Jahwe wird mich sicherlich ausscheiden«. Wenn man sich Duhm anschliesst, muss man, wie Kosters und andere es tun, das Stück vorrücken bis n a c h Esras und Nehemias Tätigkeit, weil die streng ritualistischen Juden erst zu dieser Zeit die Macht gewonnen haben, die Ausschliessung der Fremden zu verlangen (Buhl). Ob jedoch in 56, 1—8 auf so späte Verhältnisse wie die der Esrazeit und später angespielt wird, ist zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt stand eine andere Frage im Vordergrund, nämlich d i e E i n h e i r a t fremder Weiber, die das Judentum um seines Bestandes willen bekämpfen musste. Diese Gefahr kann man bis zur Zeit vor Maleachi verfolgen, sie begann in den obern Klassen der jüdischen Gesellschaft (Esra 9, l f . ) ; möglicherweise vor 500 während der Erschlaffung der Zukunftshoffnungen zu der Zeit des zweiten Tempels. Von diesem Grundschaden ist jedoch in 56, 1—8 keine Spur zu merken, im übrigen ebensowenig im ganzen Tritojesaja. Auch zu der Zeit, wo das Judentum, um sich selbst zu retten, exklusiver wurde, lassen sich doch weitherzigere Stimmen wie im Buch Jonas oder Buch Ruth (wieder »Einheirat«) hören. Den Verfasser von 56, 1—8 in diese Zeit zu versetzen, ist indes an sich unwahrscheinlich und müsste sich auf andere Gründe stützen. Der Sachverhalt ist der entgegengesetzte. Wir finden in dem Stück ein Problem bezüglich der fremden Proselyten vor, das in einem, an Dtj. erinnernden universalistischen Geist aufgefasst wird; der prophetische Verfasser steht jedoch keinem starken und organisierten Widerstand wie in einer bedeutend späteren Zeit gegenüber. Es genügt, an eine Kritik ängstlicher oder pedantischer Art zu denken, wie sie z.B. gegenüber Dtj.s Verkündigung über Kyros unter den Weggeführten zu Worte kam (45, 9—13). Der Verfasser zeigt in seiner Milde auch ein klares Verständnis für die Forderung eines Anschlusses aus vollem Herzen (V. 6). Das ist das Proselytenproblem, aber in einem frühen Stadium. Und es liegt daher nahe, als Zeitpunkt d e n A u f b r u c h v o n B a b y l o n , die Zeit zwischen Kyros' Freiheitsmanifest im Sommer 538 bis zu dem Aufbruch
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im Frühling 537, zu nennen. Damals musste die Proselytenfrage, wie in 56, 1—8, volle Aktualität gewinnen1). Das Judentum hatte, selbst in der Erniedrigung seines Exils, die Macht, heilsuchende Menschen an sich zu ziehen (44, 5). Wie hätte denn die Freigebung und der Befehl König Kyros' zum Wiederaufbau des Tempels und die Begeisterung, welche die Entführten in einem »Gott will es!« vereinte, nicht einen mächtigen Eindruck machen sollen? Es ist wohl kein passenderer Zeitpunkt für die prophetische Belehrung, die 56, 1—8 enthält, zu finden, als in der Situation des Aufbruches. Hierzu kommt aber die Erwähnung der V e r s c h n i t t e n e n , augenscheinlich Israeliten. Diese Verschnittenen, deren sich 56, 3—5 annimmt, sind solche Israeliten, die der grausamen orientalischen Sitte der Entmannung, um als Haremswächter, Sänger u. dgl. am Hof und bei den Vornehmen verwendet zu werden, zum Opfer gefallen waren. Dies geschah bei den Assyriern, bei den Babyloniern und später bei den Persern. Wahrscheinlich hat es unter den weggeführten Juden, wie immer unter den Kriegsgefangenen, viele auf diese Art Misshandelte gegeben. Jes. 39, 7 stellt dies in Aussicht, und Daniel mit seinen Freunden oder Nehemia sind ohne Zweifel unter den Opfern gewesen. Hiemit sind wir wieder bei der Zeit des Aufbruches von Babel, der grossen Wende, wo das Kommen des Zukunftsreiches und die Frage bezüglich ihrer Stellung in der Gemeinde Jerusalems die Verschnittenen ängstigen und trostbedürftig machen musste. Ihr Fragen war aktuell, während die Zeit Esras und später kaum Anlass gehabt zu haben scheint, sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Das Verb hebl' (Hifil von bö', hereingehen, kommen) bedeutet immer »von aussen hineinbringen« (Gen. 43, 17. Dom. 19, 21. Hagg. 1, 6), oft »aus der Ferne bringen« (Jer. 25, 9. Hes. 23, 22. Neh. 1, 9). Duhm schwächt d i e s ohne Beweis ab zu »Zutritt gewähren«. Neben kleineren Einwänden tadelt Duhm auch den wechselnden Rhythmus. Aber auch Dtj. hat oft wechselnde Betonung. In unserm Abschnitt findet man neben den 3 + 3 häufiger 3 + 2 oder 2 + 2, ja schliesslich in 8b einen Halbvers mit 4. Dies ist nichts Auffälliges. Gegen den dtjesajanischen Ursprung führt ' ) Die Mischna (Qiddusin IV) nennt eben unter 10 Arten, die nach Jerusalem von Babel zogen, »Proselyten«, Kittel 1929 S. 338.
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Duhm den prosaischen Stil an. Aber Stil und Inhalt bedingen bis zu einem gewissen Grad einander. Wir haben hier ein Stück mit b e l e h r e n d e m I n h a l t , und ein solcher gibt keine Gelegenheit zu dichterischer Bilderpracht, wie die Verheissungen, Trostworte oder Hymnen. Dasselbe gilt für die Züchtigungsworte (43, 22 ff. 48, 1—11) und die satirischen Schilderungen (44, 12—20), die mit der Belehrung verwandt sind. Dass der Abschnitt ein mehr nüchternes Gepräge hat, liegt also in der Sache selbst. Aber Marty bemerkt mit Recht, dass man hieraus und aus sprachlichen Eigentümlichkeiten keinen entscheidenden Schluss auf die Abfassungszeit ziehen kann (Les chapitres 56—66, 1924, S. 12). Und neben der Belehrung zeigt die Schilderung eine unverkennbare Wärme in dem universalistischen Menschheitsgefühl und der echten Liebe zu Jahwes Gesetz (la). Endlich sind die formellen Stilkennzeichen für Dtj. so günstig, wie nur möglich. Hier haben wir Synonymenreihen in allen Versen, eine Kreuzung (chiastische Gliederstellung) in V. 3a gegenüber V. 6, und 3b gegenüber V. 4, und der dtjesajanische Periodenbau liegt in V. 4—5 und 6—7 vor. Es zeigt sich also, dass die angeführten Gründe nicht für Duhms Zeitansetzung sprechen, und dass für die Abfassung durch Dtj. aus der Schlussituation zur Zeit des Aufbruches Möglichkeit vorliegt. Entscheidend muss jedoch eine Gesamtuntersuchung sein. Kann man erwarten, dass die Aufforderung, Jahwes Gebot (den Pakt) und den Sabbath zu beachten, bei Dtj. zu Worte kommen kann? Diese Frage und alles mit ihr in Verbindung Stehende ist von weitreichender Bedeutung für das richtige Verständnis der »Tritojesaja«-Gruppe im ganzen. Wir geben daher einen Überblick über D e u t e r o j e s a j a s k u l t i s c h e u n d e t h i s c h e S t e l l u n g im Verh ä l t n i s zu H e s e c h i e l . Was Hesechiel für die Entwicklung des Judentums bedeutet hat, ist zur Zeit Gegenstand der Diskussion. Hölscher hat zwischen dem Dichter Hesechiel, dem Verfasser der Visionen über Jerusalem und dessen Bundesgenossen, und andererseits dem viel späteren Bearbeiter und Bahnbrecher für das gesetzlich-ritualistische Judentum, der das Hesechielbuch redigiert und mit seiner
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Theologie geprägt hat, unterschieden 1 ). Wenn man aber von der üblichen Auffassung von Hesechiels grundlegender Bedeutung für das exilische und nachexilische Judentum absehen wollte, müsste m a n eine andere Erklärung für die Tatsache geben, dass in den ersten Jahrzehnten des Exils, trotz der Ereignisse in den Jahren 597 und 586, in Babylonien unter den Entführten eine Konzentration der religiösen Kraft des Judentums eingetreten ist, ohne welche sie nicht hätten standhalten und ihre Existenz durch zwei Menschenalter des Exils bewahren können, sondern dasselbe Schicksal erfahren hätten, wie die entführten Israeliten in Assyrien. Diese Konzentration ist, wie alles dieser Art, das Werk einer bedeutenden Persönlichkeit gewesen, die den W e g zur Selbsterhaltung für das Volk Gottes darin gefunden hat, den Landsleuten ein Sondergepräge zu geben, durch eine kultische Reinheitsforderung, die in der Praxis eingehalten werden und für eine Zeit den Tempel und seine Herrlichkeit ersetzen konnte und gleichzeitig die Sehnsucht nach dessen Erneuerung in Jerusalem und nach der Wiedererhebung des Volkes wach zu erhalten vermochte. Das Judentum, auf das wir in der Zeit des Dtj. treffen, ist zwar unterdrückt und verzagt, hat aber doch ein soziales Band, eine religiöse Organisation, die ein festigendes und bewahrendes Handeln und Tun voraussetzt. Während m a n also die Hesechielfrage diskutiert, wohl ohne Durchführung der Unterscheidung Hölschers, brauchen wir uns unter dem Namen Hesechiels nur an die Lebenswirklichkeit innerhalb des exilischen Judentums zu halten, die v o r D t j . das religiöse Leben und die religiöse Gemeinschaft der Entführten auf die Weise geprägt hat, wie wir es in dem Hesechielbuch finden. Wie hat sich n u n Dtj. selbst zu diesem jüdischen Lebensideal verhalten? Das ist die Frage. Dtj. wurde wahrscheinlich im Zentrum Babyloniens geboren und war umgeben von einem Kreis echt jüdischen Glaubens und Lebens. Der starke Führer solcher Kreise war durch Dezennien eben Hesechiel, unter dessen Einfluss er also in seiner Kindheit und Jugend aufgewachsen ist. Wie Hesechiel zeigt auch Dtj. den ') G. Hölscher: Hesekiel der Dichter und das Buch, 1924. Wesentlich abweisend gegen Hölscher verhält sich R. Kittel in »Geschichte des Volkes Israel« 3. Band I, 1927, S. 144—180, mit Hinweis auf W. Keszler »Die innere Einheitlichkeit des B. Ezechiel« 1926.
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34 entschiedensten Monotheismus und ist von der Überzeugung durchdrungen, dass sich Jahwe seines Volkes erbarmen und es verherrlichen werde. Sie begegnen einander auch in der Forderung nach Absonderung Israels von der Heidenschaft, aber bei Dtj. verbindet sich hiermit die starke Sehnsucht, dass auch die Völkerschaften, ihre Götter, die ihnen nicht helfen können, verwerfend, Jahwe erkennen und sich retten lassen würden ( 4 5 , 2 2 f.). Auch über die Notwendigkeit einer tiefgehenden Erneuerung des Volkes des Herrn selbst finden wir bei beiden Aussprüche, bei Hesechiel in Jahwes Wort über »ein neues Herz und einen neuen Geist in euerm Innern« (Hes. 36, 26. 27), bei Dtj. in der Umbiegung der messianischen Tätigkeit zu einer innern Arbeit durch Jahwes vollkommenen »Knecht«. Wenn Hesechiel Israel u m eine kultische Reinheit und Absonderung sammeln will, ohne die, wie er mit seinem praktischen Blick erkannte, Israels Sonderstellung auf die Dauer unmöglich war, übersieht er in seiner Aufzählung der Lebensregeln doch keineswegs die moralischen Gebote, die zu der Reinheit gehören (Hes. 18, 5—9). Aber die gleiche Liebe zum Gesetz hat auch Dtj., bei dem Jahwe in die Worte ausbricht: »Ach, hörtest du doch auf meine Gebote!« (48, 18), oder sein »Höre auf mich!« zu dem Volk ausspricht, das sich nach der Gerechtigkeit des Lebens »sehnt« ([radaf) (51, 1) und »sein Gesetz in seinem Herzen« trägt (51, 7). Das exilische Israel zeigte noch immer in genügendem Masse dieselben groben Tatsünden und dieselben tiefen Volksschäden, wie die früheren israelitischen Geschlechter, aber es war nicht Dtj.s augenblickliche Aufgabe, hievon zu den Weggeführten zu sprechen. Wir haben gesehen, dass sich die Ermahnung bei ihm in dem r e l i g i ö s e n Erweckungsruf konzentrieren musste. Ist aber Dtj. im Jahre 537 mit nach Jerusalem gezogen, woran zu zweifeln wir keinen Grund haben, da er unmittelbar davor in seiner vollen Kraft steht, so war in dem heimgekehrten Israel unter den sich damals herausbildenden Verhältnissen genügend Anlass, die Forderung nach Gehorsam vor den Gesetzen im sozialen Leben zu betonen. Zu der Liebe zu Jahwes geschriebenem oder ungeschriebenem G e s e t z , wie sie in 56, 1—8 bei der Beantwortung bestimmter praktischer und aktueller Fragen beim Aufbruch zu erkennen ist, muss sich Dtj. mit Freuden haben bekennen können.
35 Zu der Lebensform der Exilierten in Babylonien hat auch J a h w e s K u l t u s gehört. Dieser ergibt sich ja geradezu von selbst und gehört mit zu seinem Gesetz. Von der überlieferten Frömmigkeit war all dies, was nur im Tempel ausgeführt werden konnte, nach dessen Untergang unmöglich gemacht. Aber man dachte daran und hoffte auf die zukünftige Erneuerung. Was ist über Dtj.s Stellung zu dem kultischen Leben festzustellen, hatte es irgendwelches Interesse für ihn? Wir können ihn ja selbst befragen. Hesechiels Reinheitsforderung kommt vor, in 52, 1: »Du heilige Stadt, niemals mehr sollst du betreten werden von Unbeschnittenen und Unreinen«, oder 52, 11: »Zieh aus von da (von Babel), berühre nichts Unreines, waschet euch, ihr, die ihr die Gefässe des Herrn traget!« Und Jahwe lässt sich 43, 23 durch Brandopfer und Schlachtopfer ehren und von seinem Volk mit Kalmus und dem Fett der Schlachtopfer erquicken, 4 3 , 2 4 . Jahwes Lichtglanz (kaböd), der in Hes. 9—11 von seinem Tempel gewichen war, kehrt Jes. 40, 5 und 52, 8 eschatologisch zu dem Tempel (44, 28) und seinen heiligen 'Pforten' 43, 28 (sa'are, Duhm) zurück; ihm gehören die Priester und Leviten 52, 11, ihm die heilige Stadt, 52, 1. 48, 2. Er duldet nicht, dass sein Kultus verschwindet 48, 9—11, er nennt so oft Jakob-Israel »seinen Knecht«, sein Volk, durch welches er verehrt wird 1 ). Auch seine Gebote (misvöt) in 48, 18 enthalten Kultus, und der Sühnungsgedanke bei 'aiäm, das Schuldopfer in 53, 10, ist vielleicht Dtj.s merkwürdigste Berührung mit dem Kultus 2 ). Dtj., der grosse Einsame und Originale, ist also keineswegs über Jahwes Kultus erhaben. Babel und das Land der Heiden waren unrein (52, 11). Bei den echten Landflüchtigen war die Sehnsucht nach Jerusalem und dem Tempel des Herrn auf Zion wie ein aufgedämmter Strom (Ps. 137, 1—6). Bei Dtj. selbst zeugt hievon der Name »Zion« für die Gemeinde der Entführten (49, 14). Über Dtj.s Geistigkeit herrscht ja kein Zweifel. Sie steht mit Bezug auf den Tempel und die Verehrung von Menschenhänden auf der Höhe des Prophetenwortes 66, 1. 2. Dtj. sagt dasselbe 40, 16: »Der Libanon verschlägt nicht als Brennholz und seine Tiere nicht als Opfer«. Und doch gilt noch heute, dass »La fondation d'un culte et la ') Israel is the Servant of Jehovah as His worshipper. Skinner LVII. ') P. Volz »Die biblischen Altertümer« 1914, 142 f.
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36 fondation d'une religion sont u n e s e u l e et m ê m e c h o s e « 1 ) . Denn Kultus ist an sich nicht Veräusserlichung, und Gehorsam vor dem Gesetz nicht Selbstgerechtigkeit, sondern sie sind Stationen auf dem Wege zu dem Vollkommenen. Dtj. denkt sich stets die Religion an das Volk als solches geknüpft, wie Duhm in einem andern Zusammenhang bemerkt (318). Hiermit muss ein Kultus verbunden sein. Durch die erzwungene Landflüchtigkeit sollte Israel in Wirklichkeit einen Fortschritt machen und zwischen der materiellen Form und dem geistigen Inhalt seiner Religion unterscheiden lernen. Der Tempeldienst wurde eine Zeitlang für sie suspendiert. Inzwischen sollten sie auf fremden Boden zu einem geistigeren Verständnis Gottes und seiner Pläne mit der gesamten Menschheit heranwachsen, um dann wieder zu einer Nation zu werden und diese geistigen Schätze zu bewahren bis zur Fülle der Zeiten. »They have been separated from ritual in order to cultivate a more spiritual religion, but it is to this that a r e s t o r a t i o n to r i t u a l is promised as a reward« (G. A. Smith, 46. 47). Keine Kluft trennte Dtj. von den von Hesechiel gehüteten Lebensformen und der Organisation des Judentums 2 ).
Dtj. ist gross genug, um im Judentum seiner Zeit voll mitleben zu können. Aber alles Unechte, dem dieses verfallen konnte, ist ihm ein Greuel. Heuchlerische Frömmigkeit duldet er nicht (48, 1 f.), auch nicht einen lohngierigen Gesetzesdienst ( 5 1 , 7 ) . Wenn sich etwas derartiges in 56, 1—8 fände, könnte das Stück unmöglich von Dtj. sein. Wer aber solches hier herauslesen will, begeht ein grosses Unrecht gegen den Verfasser. Beiläufig bemerkt, stellt auch das spätere, unzweifelhaft partikularistische Judentum seit Esras Organisation keineswegs eine derartige Unechtheit dar. Es konnte doch das Spätjudentum zu religiösem und moralischem Fortschritt erziehen. Was nun 56, 1—8 betrifft, so hat dieses Stück sein Sondergepräge, sowohl durch seinen universalistischen Geist wie durch seine Unmittelbarkeit im ') Ch. Hauter in Strasbourg, in R. Wills »Le culte« 1925, 22. s ) Vgl. über die innere Verbundenheit von Gesinnung, Gehorsam und Kultus bei Dtj. die vorzügliche Darstellung bei Krüger in § 4 »Les obligations du peuple élu« (79—87).
37 ganzen. Es redet aus einer früheren Zeit heraus, lang vor Duhms Esraperiode. Es enthält zwei Gelegenheitsaussagen zu aktueller Belehrung, nur in V. 1—2 eingeleitet durch eine allgemeine Lehre für das übrige Israel. Die Worte in V. 1 spielen mit der Doppelbedeutung von sedaqä: das menschliche Gerechtigkeitsleben und Jahwes Gerechtigkeitseingriff. V. l a : »Wahret das Recht und übt Gerechtigkeit!«, l b : »denn mein Heil ist daran zu kommen, und meine Gerechtigkeit wird bald geoffenbart werden«. »Werkgerechtigkeit« sagt Duhm und strengt sich mirabile dictu an, die kultischen Forderungen in den wohlbekannten Ausdruck »Jahwes sedaqä« hineinzupressen. Das Verhältnis ist nicht so, dass l a die Voraussetzung und lb die Folge ist, sondern g e r a d e u m g e k e h r t . Das Heil kommt nach Jahwes Bestimmung allein, ohne menschliche Leistung oder einen Ratgeber; nur für die Individuen ist es bedingt, nämlich von ihrer wahren Empfänglichkeit, die sich durch ihr Leben äussert. Sehr oft wird bei Dtj. von dem Volk als einer Einheit gesprochen, und in diesem Falle ist Jahwes Erwählung unbedingt; wenn sich aber die Einheit in Individuen auflöst, wie in den Ermahnungen, zeigt sich die Durchführung des Heils an den Einzelnen durch das Verhältnis eines jeden zu diesem bedingt. Ein solcher Fall liegt in 56, 1—8 vor, was natürlich nicht übersehen werden darf. Zu dem Unmittelbaren gehört, dass der Gehorsam des erlösten Volkes gegen Jahwe, der es auserwählt hat, ruhig vorausgesetzt wird; anders in 44, 22. 48, 18, wo die grösste Spannung herrscht. »Das Recht zu wahren und Gerechtigkeit zu üben«, die Forderung, die V. 1 stellt, miSpät und sedaqä, deutet gleich darauf hin, dass Jahwes Ermahnung hier die T u g e n d e n des s o z i a l e n L e b e n s vor Augen hat. In V. 2, dessen Beginn mit 'asre (Glücklich der, welcher . . .) ihm eine gewisse Selbständigkeit verleiht, so dass die demonstrativen Ausdrücke nicht zurück-, sondern auf 2b vorwärtsweisen, werden die Einhaltung des Sabbaths und die Unverletzlichkeit des sozialen Lebens, wie in V. 1, aber negativ, »seine Hand zu wahren vor allem Bösen«, d. i. Gewalttat, Unterdrückung, Ungerechtigkeit im Urteil u. dgl. (vgl. 58,4ff. 59, lff.), hervorgehoben. Sowohl der Sabbath als die Bruderliebe im sozialen Leben gehören zu Jahwes Pakt (berif), der in V. 4 und V. 6 (Rhythmus 3 + 3 + 2, Köhler) genannt wird und das Gebot des Herrn im ganzen darstellt (vgl. misvöt in 48, 18 und
38 berlt in Ps. 103, 18). Bei berit an die Beschneidung zu denken, wie Duhm 393, ist nicht wahrscheinlich, da bei den israelitischen Verschnittenen kein Anlass ist, dieser längst vollzogenen Handlung zu. gedenken; V. 4b »zu wählen, was mein Wille ist« weist ebenfalls auf die sittliche Wahl gegenüber dem Gesetz hin. Dagegen spricht der Ausdruck »die sich Jahwe anschliessen«, gebraucht von den Fremden in V. 3 und 6, dafür, dass hier gemeint wird, dass sie sich der Beschneidung unterzogen haben. Der Redner stellt hier einige allgemeine Grundforderungen für d a s s o z i a l e L e b e n der Juden auf. Er legt auch keine schwere gesetzliche Last den Fremden auf, »die sich Jahwe angeschlossen haben«, sondern nur diese selbstverständlichen Forderungen, natürlich in der jüdischen Form und in dem festen Jahweglauben. Aber zu den G r u n d f o r d e r u n g e n für die Gesellschaft, die er vor Augen hat, rechnet er »meine Sabbathe zu halten« (V. 4) und »sich zu scheuen, meinen Sabbath zu verletzen« (V. 2. 6). Hierdurch rückt d e r S a b b a t h auf einen Platz, der unter den moralischen Gesellschaftsgeboten beim ersten Blick überrascht. Man greift daher zur Interpolation, entweder wie Torrey von 2—6, oder wie Eiliger von V. 3—8. Aber eine solche Amputation kostet fast dem ganzen Stück das Leben. Die Aussage über den Sabbath ist so nahe mit 58, 13—14 verwandt, dass dieselben Forscher auch diese Zeilen als Interpolation eines Redaktors preisgeben. Dies alles jedoch mit Unrecht. Wir werden bei Kap. 58 näher auf 58, 13—14 eingehen, das zu einer Parenthese zwischen dem gewaltigen Ausgangspunkt in 58, 1 und dem Donner des Gerichts in 59, lff. gehört. Zwischen dem Fasten und der Sabbathsenthaltsamkeit herrscht eine nahe Ideenassoziation, aber von diesen beiden Dingen hat doch der richtige Sabbath das Herz des Verfassers. Das grosse Interesse des Verfassers für den Sabbath ist dadurch zu erklären, dass auch dieser e i n e s o z i a l e A n g e l e g e n h e i t , e i n e G e m e i n d e a n g e l e g e n h e i t , ist, die im Exil zu einer der tragenden Kräfte in dem Gemeinschaftsleben herangewachsen war. Als endexilischer Abschnitt gewährt 56,1—8 einen Einblick in die jüdische Erziehung zum Gesetz während des Exils und der damit zusammenhängenden starken Betonung der Sabbathsheiligung 1 ). Gesetzessprache und Gesetzesausdrücke ') Man lese z. B. Mowinckels »Ezra« 81—85. Auch bei Kittel »Geschichte« 3. Bd. 125 f. 200 f. stark hervorgehoben.
39 wie in dem späteren Levitikus oder im Deuteronomium und bei Hesechiel, von denen man Spuren auch in 56, 1—8 findet, wurden offenbar bei den Entführten und bei Dtj. gebraucht, wenn von solchen Lebensformen die Rede war, wie diejenigen, über die unser Abschnitt belehrt. Der Sabbath als der Hauptpunkt im exilischen Leben wird j a in Hesechiel 20, 12. 22, 8 stark hervorgehoben. Er ist, wie gesagt wurde, »Israels praktisches Glaubensbekenntnis« geworden 1 ). Man muss annehmen, dass Dtj. oft in den Sabbathsversammlungen gesprochen hat 2 ). Die Hervorhebung des Sabbaths passt in die Situation des Aufbruches mit Jerusalem vor Augen; er hat j a wohl auch im Exil für seine Einhaltung kämpfen müssen. Und 58, 13—14 zeigt, dass der damalige prophetische Führer auch bezüglich des Sabbaths das Echte von dem Unechten zu unterscheiden versteht, was man sicher auch dem Propheten in 56, 1—8 zutrauen kann; sie scheinen geradezu dieselbe Person zu sein. Der Eindruck, den der Leser gleich zu Beginn von V. 1 von Sprache und Stil, von Jahwes jeSuä und Jahwes sedaqä, erhält, ist so charakteristisch, dass man sagen muss: »So schreibt nur Dtj.« Da auch die exilischen Voraussetzungen stimmen, und auch die unbestechliche Echtheit des Verfassers in allem, was das Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk angeht, einleuchtet, ist die Frage über die Autorenschaft mit » D e u t e r o j e s a j a s e l b s t , z u r Z e i t d e s A u f b r u c h e s « zu beantworten. A n m e r k u n g . Aus dem gemeinsamen Ausdruck lö' jikkaret in 56, 5 »ein ewiger Name, der niemals verschwindet« und in 55, 13 »ein Name für Jahwe, eine ewige Erinnerung, die niemals verschwindet« kann kein Schluss gezogen werden. Zwischen den beiden Stellen ist keine innere bewusste Verbindung zu ziehen; dies wäre durchaus gesucht. Der Ausdruck scheint nur eine allgemein gebräuchliche Formulierung zu sein (1 Kön. 2,4. 8, 25. 9, 5. Jes. 48, 19. Jer. 33, 17. 18. 35, 19), zu vergleichen mit »'en massll« (niemand, der rettet) in Jes. 42, 22. 43, 13. Ps. 7, 3. 50, 22. 71, 11. ' ) A. Bentzen »Den israelitiske Sabbats Oprindelse og Historie« 1923, 69. *) Vgl. Kuenen »Historisch-critisch Onderzoek« II. 1889, 137.
II. TEIL. KAPITEL 56,9—66. IN JERUSALEM.
M
§ 3.
Historischer
Überblick.
it 56, 9ff. haben wir eine natürliche Grenze erreicht, wo ein neuer Abschnitt beginnt. Duhm hat selber ein Gefühl hiervon, indem er sagt: »56, 9—57, 13 fängt ganz vom Frischen an, ohne im geringsten auf 56, 1—8 Rücksicht zu nehmen.« Wir sind nicht länger in Babylonien, sondern in Palästina, in Jerusalem. Die Heimkehr, u m welche sich alles in 40—55 drehte, und die in 56, 1—8 vor der Tür stand, ist vollzogen, eine jüdische Gesellschaft auf eigenem Boden gebildet, aber die Verhältnisse sind sowohl nach aussen wie nach innen schwierig. Eine tiefe Enttäuschung und schwerer Schaden wurde den Zurückgekehrten von den Menschen verursacht, die in Kap. 57, 3ff. und später in Kap. 65. 66 geschildert werden. Sie werden von dem Propheten, der hier das Wort führt, mit grosser Entrüstung genannt. Ihr Kultus ist, wie der vorexilische in Palästina, von Abgötterei durchtränkt. Sie weisen das wahre Judentum ab, das sie zu gewinnen versucht hat; sie verhöhnen die Heimgekehrten 57, 4. Mit Bezug auf 66, 5 könnte m a n glauben, dass auch hier das Verhältnis zwischen diesen Feindlichgesinnten und den Heimgekehrten behandelt wird: eure Brüder, die euch hassen; aber die Zurückgekehrten sind hier auszuschliessen, worüber näheres bei Kap. 65. 66. D u h m s Verdienst ist der Nachweis, dass die Feinde in Kap. 57, 3 ff. und wiederum in Kap. 65. 66 die Sa m a r i t a n e r sind. Die Errichtung der Provinz J u d a durch den Perserkönig konnte von deren Führer nicht verhindert werden, um so verhasster war sie ihnen. Der Widerstand gegen die heimgekehrten Juden gegenüber der persischen Oberregierung ist durch die Hände der Samaritaner gegangen, die wir z. B. in Ezra 4, 1—5
41 treffen. Buhl hat jedoch mit Recht Gewicht darauf gelegt, — was bei Duhm mehr zurücktritt, — dass man vor allem mit der u r sprünglich jüdischen, aber halbheidnischen Bevölkerung von J u d ä a und den a n g r e n z e n d e n Gegenden, den Heimatjuden oder Palästinensern rechnen müsse, die auch weiterhin von Samaria religiös beeinflusst wurden. Mit dieser benachbarten Bevölkerung mussten die heimgekehrten Juden beständig in nahe Berührung kommen, und an diese müssen wir in den genannten Kapiteln, und an andern Stellen als Hintergrund, besonders denken. Die Erkenntnis, mit wem die Heimgekehrten in Berührung stehen, gibt noch keine Entscheidung über den Zeitpunkt, sodass man ungefähr eo ipso an die Esrazeit oder deren Nähe denken müsste, in welcher Duhm das Ganze datiert. Für Duhm stammt indessen die g a n z e Kapitelreihe 56—66 aus dieser Zeit und von demselben Verfasser, den er » T r i t o j e s a j a « nennt. Es macht sich wirklich an vielen Stellen ohne Zweifel ein gemeinsamer Zug geltend. Duhm fasst den Verfasser als einen Epigonen aus Dtj.s Schule auf, hebt aber meist die starke Einwirkung von Hesechiel auf ihn hervor. Die Einheit des Verfassers, an der Duhm als der allein natürlichen mit Entschiedenheit festhielt, hat allerdings teilweise Anschluss gefunden; aber allgemeiner ist es doch gewesen, entweder die Sache auf sich beruhen zu lassen oder lieber 56—66 in eine Gruppe von verschiedenen Autoren, jedoch im wesentlichen aus derselben Zeit, in welcher Duhm den einen »Tritojesaja« ansetzte, aufzulösen. So z. B. unter den Kommentatoren Kittel und Buhl. Wenn man in der Zersplitterung der Abfassungszeit der Stücke so weit geht, wie z. B. Marty und Abramowski unter den Neuesten (der letztere in Th. St. u. Kr. 1925), von Budde (in Die heil. Sehr, des A.T. 4 1922) ganz zu schweigen, mit Zwischenräumen von mehreren Jahrhunderten, muss natürlich eine Behandlung vom Gesichtspunkt der Einheit ganz aufgegeben werden. Wenn man jedoch in der literarischen Einheitsfrage Duhm recht gibt oder, wenn auch mit mehreren prophetischen Verfassern, doch im wesentlichen mit derselben Zeitperiode rechnet, erleichtert sich in vielen Fällen die Argumentation durch 56, 9—66, aber die Gruppe muss dennoch Abschnitt für Abschnitt vorgenommen werden. Die lang entbehrte, voll rationelle Behandlung dieser ganzen wichtigen Einheitsfrage
42 ist in neuester Zeit von Karl Elliger in Kittels Beiträgen, »Die Einheit des Tritojesaja (Jes. 56—66)«, 1928, aufgenommen worden. Durch literarische Analyse, sprachlich-stilistische Vergleichung und Untersuchung des zeitgeschichtlichen Hintergrundes wird das Resultat erzielt, dass »Jes. 56—66, abgesehen von einigen Zusätzen, aus der Hand e i n e s Verfassers« stammt (S. 1). Die hier vorliegende Schrift, die sich in § 4 für die in 56, 9—66 mitgeteilten Reden u m einen bestimmten frühnachexilischen Zeitpunkt konzentriert, gelangt bezüglich der Einheit der Gruppe zu demselben Ergebnis. Soviel zur vorläufigen Orientierung über die Verhältnisse, denen der Leser in 56, 9—66, wo wir unsern Ausgangspunkt nehmen, begegnet. Wir wenden uns nun zu den literarischen Zeugnissen, die sonst die Rückkehr und die nachexilische Zeit bis gegen Esra beleuchten. D a s B u c h E s r a 1—6 in der Erzählung des Chronisten berichtet von der Rückwanderung und der Zeit bis zur Einweihung des Tempels. Dann folgt die Tätigkeit Esras u n d Nehemias in Esra 7—10 und Neh. 1—13. Aber dieses letztere Gebiet und die hierhergehörigen, in jüngster Zeit stark diskutierten Probleme fallen später als der Abschnitt der nachexilischen Zeit, mit dem Duhms Ansetzung des »Tritojesaja« rechnet, nämlich 460/50, wenn er auch oft etwas weiter schweift. Wir sehen daher ab von Kennett, der in »The Composition of the Book of Isaiah« (1910) sowohl 56—66 als 49—55 und einen grossen Teil von 40—48 im zweiten Jahrhundert vor Chr. ansetzt, ausgehend von einer Fragmenten-Methode, gegen die sich Skinner XXXII—XXXIII wendet. Esra 1 setzt mit der Erzählung ein, dass der Perserkönig Kyros in dem ersten J a h r seiner Herrschaft über Babel eine Kundmachung erlies, die den Juden die Erlaubnis gab, nach Jerusalem zurückzukehren und den Tempel wiederaufzubauen. Wir befinden uns also im Jahre 538, näher bestimmt im Sommer dieses Jahres, da die Kundmachung nach 6, 2 in Ahmetä (Ekbatana), der Hauptstadt Mediens im Gebirge und Sommerresidenz der persischen Könige, ausgestellt war. Der Aufbruch der Juden machte Vorbereitungen nötig und konnte erst nach Verlauf des Winters durchgeführt werden. D a s J a h r d e r H e i m k e h r i s t d a h e r 5 3 7 . Dass die Reise im Frühling, im Monate Nisan, ange-
43 treten wurde, wird durch 3 Esr. 5, 6 bestätigt, vgl. Esra 7, 9. Die goldenen und silbernen Tempelgefässe lies Kyros durch seinen Schatzmeister Mithridates an S e s b a s s a r , Judas Fürsten, nasV (1, 8) oder Statthalter, pebäh (5, 14), übergeben. Judäa wurde also als besondere Unterprovinz unter dem Satrapen für Syrien und Palästina eingerichtet (vgl. Mowinckel Nehemia, 164). Sesbassars Verhältnis zu dem Davididen Serubabel (Zerubbabel), dem Enkel des Königs Jechonja, ist unklar. Für den Chronisten scheinen sie identisch zu sein (2, 2. 3, 2. 8. 4, 2). In Esra 2, 1—67 wird ein Verzeichnis über die mit Serubabel und dem Hohepriester Josua (Jehosüa', Jesüa') Heimgekehrten gegeben. Die Gesamtsumme der jüdischen Rückwanderer (»die ganze Gemeinde«) betrug 42,360 (V. 64), was mit den parallelen Listen in Neh. 7 und 3 Esra 5 übereinstimmt. Da die Addition der Zahlen über das männliche Geschlecht — nach 3 Esra 5, 41 vom 12. Jahr an — eine bedeutend geringere Zahl ergibt (Esra 2: 29,818; Neh. 7: 31,089; 3 Esra 5: 30,143), muss »die ganze Gemeinde« in V. 64 auch die jüdischen Frauen umschliessen, was dadurch bekräftigt wird, dass in dem folgenden V. 65 in den Abteilungen »Sklaven und Sänger« auch Sklavinnen und Sängerinnen in der Gesamtsumme dieser Abteilungen miteinbefasst sind. Kinder sind in den 42,360 nicht mitgerechnet. Die mächtige Zahl zeigt, in wie hohem Grade Dtj.s Arbeit schliesslich alle Hindernisse überwunden hat. Die Leitung des Heimmarsches durch 12, in 2, 2 genannte, Oberhäupter deutet auch auf den Willen hin, dass jetzt die Erneuerung von ganz Israel vollzogen werden sollte. Gleich nach der Rückkehr ging man mit Eifer an d i e Ern e u e r u n g d e s Kultus. Hierzu fühlte man umso grösseren Drang, als man die drohende Haltung der örtlichen Machthaber gegenüber diesen Juden, die mit königlicher Erlaubnis sich aufs neue organisieren wollten (3, 3), zu spüren bekam. Man baute d e n B r a n d o p f e r a l t a r auf seinem früheren Platz, und schon am 1. Tag des 7. Monats begann der Brandopferdienst für Jahwe auf dem Tempelplatz. In demselben Monat wurde das Laubhüttenfest gefeiert (3, 1—6). Hierauf wurde Material zum Wiederaufbau des Tempels gesammelt, und im F r ü h l i n g 5 3 6 (2. Monat) w u r d e der G r u n d s t e i n zu d e m T e m p e l g e b ä u d e gelegt, unter dem gewaltigen Jubel der Volksschar; doch mischte
44 sich mit diesem das Schluchzen der Greise, die die Herrlichkeit des vorigen Tempels gekannt hatten (3, 7—13). Aber dieses Ereignis entzündete den r e l i g i ö s e n K a m p f g e g e n d i e H e i m g e k e h r t e n , worüber 4, 1—5 berichtet. Man k a n n hier ein Zusammenarbeiten der samaritanischen Führer und der lokalen Landesbevölkerung in der Umgebung Jerusalems beobachten. Sie erhoben den Anspruch, ebenso gute Jahweverehrer zu sein wie die Juden und das Recht zu haben, am Tempelbau mitzuwirken. Da dies notwendigerweise von den Juden abgeschlagen wurde, die sich auch auf Kyros beriefen, brachte, wie es V. 4.5 heisst, »die Bevölkerung des Landes J u d a s Volk dahin, den Mut zu verlieren, u n d schreckte sie von dem Weiterbau ab«, ja sie verstanden es sogar, die Heimgekehrten bei dem König zu verdächtigen und ihre Pläne zum Stranden zu bringen, bis zu Darius' Regierungsantritt. Ohne zeitlichen Zusammenhang mit dem Zusammenstoss anlässlich des Tempelbaues berichtet 4, 6—23 von andern Feindseligkeiten gegen die Juden v o n d e r s e l b e n S e i t e unter den Königen Xerxes und Artaxerxes I. und von der Verhinderung der Bautätigkeit an Jerusalems Stadtmauer. Erst 4,24 k n ü p f t wieder an 4, 1—5 an, und in Kap. 5 und 6 wird der Bericht über die V o l l e n d u n g d e s T e m p e l s ab 520 unter dem Perserkönig Darius Hystaspis und über seine Einweihung in dessen sechstem Regierungsjahr, 515, fortgesetzt. Damit schliesst der Bericht bis zu Esra und seine Heimreise in dem siebenten Regierungsjahr Artaxerxes' I. 458 (Esra 7 ff.). — Eine willkommene Hilfe zum Verständnis der Zeit um 520 bieten H a g g a i s u n d S a c h a r j a s (1—8) P r o p h e z e i u n g e n . Bei M a l e a c h i u m 470—460 erhalten wir einen kleinen Einblick in die abwärtsführende Entwicklung sonst unbekannter Jahrzehnte. Auf zwei Hauptpunkte, 1) die Heimkehr der Juden aus Babel, mit den Jahren 537 und 536, und 2) die Wiederaufführung des Tempelgebäudes, 520 und die folgenden Jahre, fällt also Licht aus dem Buche Esra 1—6. Der Chronist hat offenbar schriftliche Berichte vor Augen gehabt. So das Verzeichnis in 2, 1—67 oder die Schilderung der Feindseligkeiten, teils gegen den Aufbau des Tempels, teils gegen den Bau der Stadtmauer Jerusalems, Kap. 4—6. Dieser letztgenannte Bericht ist der Hauptsache nach aramäisch geschrieben (4, 8—6, 18). Aber auch in Kap. 1 und 3 u. s. f., wo sich die Stilisierung durch den Chronisten nach seinen
45
eigenen Zeitverhältnissen auf harmlose Weise geltend macht, z.B. in der Kundmachung des Kyros Kap. 1, ist schriftliche Überlieferung zu spüren. Die freiere Formulierung der Worte des Kyros ist mit einem, der Hauptsache nach richtigen Inhalt verbunden (vgl. 6, 1 ff.) ; u n d die Nennung des Mithridates V. 8 zeigt dasselbe. Züge, wie das Schluchzen der Greise in 3, 12, Esarhaddon in 4, 2, der Anschluss der von den Heiden Ausgesonderten in 6, 21 — können nicht erdichtet sein. Kosters hat, angeregt durch Maurice Vernes' Schriften, in »Het herstel van Israël« (1893) die Glaubwürdigkeit der Berichte scharf angegriffen und geleugnet, dass überhaupt eine Rückwanderung vor Esra stattgefunden hat. Der Tempelbau von 520 unter Josüa und Serubabel sei nämlich nicht von Exulanten, sondern von den palästinensischen Heimatjuden, die von nicht im Exil Gewesenen abstammten, ausgeführt worden. Es k a m keine Gola mit Sesbassar ; die lange Liste über die mit Serubabel Heimgekehrten in Esra 2 sei ein Verzeichnis über die Judäer aus dem Jahr 400 oder etwas später, u . s . w . Gegen Kosters' Leugnung der jüdischen Rückwanderung unter Kyros sprach sich Wellhausen aus, und Ed. Meyer verteidigte in seinem Werke »Die Entstehung des Judentums« (1896) in glänzender Weise den Wert der aram. Dokumente u n d die Zugehörigkeit der Liste im 2. Kap. zu der Rückwanderung unter Kyros. Der historische Wert des Berichtes über die Heimkehr wurde weiters von Sellin in »Die Restauration der jüdischen Gemeinde« (1901), von Bertholet in seinem Kommentar »Esra und Neh.« 1902, von Steuernagels »Einleitung« 1912 und von Buhl in den verschiedenen Ausgaben seiner Geschichte des jüdischen Volkes, zuletzt 19226, ebenso Kittels Geschichte 1929 vertreten. In seinen Schriften über »Nehemia« u n d »Ezra«, beide 1916, als Studien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde, bezweifelt Mowinckel nicht, dass das Judentum, das in Jerusalem über die altertümliche, »paganische« Richtung siegte, im Exil entstanden sei (Neh. 164ff.), und dass Kyros die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Tempels gegeben habe (Neh. 183 Anm.). Aber die Zahl der Gola in Jerusalem zu Serubabels Zeit, 520, schlägt Mowinckel nur als sehr gering an, und die Liste über die Heimgekehrten ist in seinen Augen jünger als Nehemia. Hölscher ist in »Die heilige Sehr, des A. T. 1 « 1922 vollständig mit der Kritik des Chronisten beschäftigt. Wohltuend nüchtern sind A. Bentzens
46 Studien in Teol. Tidsskr. I. II. IV., Kopenhagen, 1920 und 1923, über »Ezra-Nehemia«, »Ezrakildens Slutning« und »De aramaiske Dokumenter i Ezra«. Zu den Ereignissen der Periode werden sowohl die Heimkehrerlaubnis durch Kyros als der frühe Beginn des Tempelbaus und seine spätere Vollendung unter der Statthalterschaft Serubabels gerechnet. Dagegen ist es nach Meinung des Verfassers noch nicht recht geglückt, den Wert der Liste in Esra 2 und Neh. 7 klarzulegen. Eine Heimkehr unter Kyros wird also anerkannt. Aber man ist nur allzu sehr geneigt, sie gegen alle innere Wahrscheinlichkeit und gegen die jüdische Überlieferung möglichst einzuschränken. Sie ist ein mächtiger Strom gewesen, aber man macht aus ihr den kleinsten Bach. Nach Anführung von Gegengründen gegen Kosters' Leugnung bringt es Mowinckel über sich, sich mit folgendem zu begnügen: »Besonders viele hundert Menschen können es nicht gewesen sein« (Neh. 183 unten). Man gelangt zu solchen Ansetzungen der Zahl der im Jahre 537 Heimgekehrten, indem man von der unrichtigen Voraussetzung einer kleinen Anzahl in den Jahren 597 und 586 Entführte ausgeht. So Mowinckel, Neh. 162 f. und 44. Er baut seine Ansetzung darauf auf, dass sich die Gesamtzahl der Exilierten in Jer. 52, 28—30 nur auf 4,600 Seelen beläuft. Benutzt man dies als Ausgangspunkt, können natürlich nicht 43,000 zurückkehren. Die angeführte Stelle von Jer. 52 ist indes zu unklar. Sicherere Zahlen enthält 2 Kön. 24, 15. 17. mit 7,000 Waffenfähigen ausser 1,000 Handwerkern, wozu wohl noch die 3,023 Judäer der Landbevölkerung in Jer. 52 kommen. Das bedeutet, dass 597 etwa 11,000 Mann weggeführt wurden. Hierzu kommt nach 2 Kön. 25, 11 die gründlich durchgeführte Entführung der Bevölkerung Jerusalems im Jahre 586, sicher eine reichlich ebenso grosse Anzahl, nach Kittels Schätzung etwa weitere 15,000 Mann. In Kittels »Geschichte« 3. Bd. 1927, S. 53—62 gelangt die eingehende Untersuchung zu dem Resultat, dass bei den beiden Wegführungen in runden Zahlen 50—70,000 Seelen (hiervon über 25,000 Männer) in das babylonische Exil wanderten. Man muss daher mit grösseren Dimensionen rechnen als in der Ansetzung von Mowinckel, sowohl was die Zahl der Entführten als die der Heimgekehrten betrifft. Dann ist auch die Zahl der Liste in Esra 2 (Neh. 7) von vornherein nicht unwahr-
47 scheinlich, und ebensowenig ihre Gültigkeit bezüglich der Aufgezählten. Unter den Familiennamen enthält sie eine Reihe Namen, die älter sind als die Zeit Esra-Nehemias. Das Priestergeschlecht ha-QoS in Esra 2, 61 ist zu Nehemias Zeit zur Anerkennung gelangt (Esra 8, 33. Neh. 3, 4. 21). Auch das Verzeichnis über die vielen Reittiere in Esra 2, 66 kann man nicht unbeachtet lassen. Der Bericht in Neh. 7, 5 kann in seiner Kürze nur so aufgefasst werden, dass Nehemia durch den Fund des alten Verzeichnisses der Ausarbeitung einer neuen Liste enthoben wurde. Es wurde daher in das Buch Nehemia die Liste aus Esra 2, die Nehemia benutzte, eingefügt, und der Redaktor übernahm gleichzeitig auch die chronistischen Zeilen Esra 2, 68—70 1 ). Die Überzeugung, dass die Heimkehr unter Kyros umfassend und gut geglückt war, wird weiters durch die Tatsache bestärkt, dass die triumphierenden Voraussagungen des D e u t e r o j e s a j a erhalten geblieben sind. Dies wäre, wie Buhl bemerkt, unerklärlich, wenn die Wirklichkeit ihnen keineswegs entsprochen hätte. Für die Grösse des Erlebnisses zeugt doch wohl Ps. 126. Die gewichtigsten sprachlichen Gründe sprechen dafür, V. 1—3 als einen Rückblick auf den Jubel beim Aufhören des Exils aufzufassen. »Als Jahwe Zions Schicksal wendete, waren wir wie im Traume.« Der Dichter versetzt sich, von den dtjesajanischen Verheissungen geleitet, in die Stimmung, die damals das Volk erfüllte. (Buhl »Psalmerne« 1918. R. Kittel 1929 S. 482, auch »Die Psalmen« 1914). Die Schilderung, z.B. der Aufbruch der Völkerschaften, dass Jahwe eine Grosstat an Israel geübt habe, ist zu konkret, als dass sie die präteritalen Verben zu einem prophetischen Perfektum machen könnte. Was damals, als Jahwe sein gefangenes Volk heimführte, geschehen ist, steht vor der Erinnerung als ein Wunder. E i n g r o s s a r t i g e s E r e i g n i s , w i e ein W u n d e r , w a r die H e i m k e h r . Man sollte diese Wirklichkeit mehr hervorheben und sich nicht einer wenig zufriedenstellenden Halbheit über die Ausführung der Heimwanderung hingeben. Sie ist für Juden und Heiden ein imponierendes Schauspiel gewesen. Eine Bestätigung hierfür ist der weitere Gang der Ereignisse, wo sich die Heim') Für die Wertschätzung des Berichts in Esra 1—6 vgl. besonders Kittels »Geschichte 3. Band« 1929: Die Heimkehr, Die neue Gemeinde, auch § 58 u. § 59.
48 gekehrten in der Kraftentfaltung des Jahres 520 nicht bloss als eine Schar, sondern an Menge und Geschlossenheit als ein Volk erwiesen. Von grossem Interesse für die Zeitansetzung in Kap. 56, 9—66 sind die Mitteilungen, die in der Erzählung des Esrabuches über den f r ü h e i n s e t z e n d e n r e l i g i ö s e n W i d e r s t a n d d e r P a l ä s t i n e n s e r gegen die zurückgekehrten Juden gemacht werden 1 ). Dieser Widerstand erwacht sofort mit ihrer Ankunft und der Errichtung des Brandopferaltars (Esra 3, 3). Von dem Augenblick an, wo man Kyros' Kundmachung erfuhr, — und wahrscheinlich in der Provinz Samaria-Judäa mit einem Gemisch von Entsetzen und Empörung entgegennahm —, war die Situation vermutlich zum Angriff zugespitzt. Und als die Heimgekehrten sofort ihre Gedanken auf das Heiligtum konzentrierten u n d den Altar auf dem Tempelplatz errichteten, so dass m a n erkennen konnte, dass sich die Heimgekehrten nicht beugen würden, und als diese im zweiten Jahr den Grundstein zum Tempel legten, da brach auch seitens der Hintangesetzten, deren heuchlerische Bruderschaft nicht anerkannt wurde, sofort der Angriff los. Es gelang den Gegnern, durch längere Zeit die Bautätigkeit der heimgekehrten Juden zu lähmen; deren Kraft war gebrochen und die Gegner waren stark und wachsam. Bis 520 triumphierten die Feinde der Juden. Ihr neuer Versuch, die Aufführung des Tempels zu verhindern, strandete indessen endgültig an dem gerechten Eingreifen des Königs Darius, wovon Esra 5. 6 berichtet. Einen Einblick in diesen Gegenstand gewährt auch Haggai 2, 10—14 vom Ende des Jahres 520. Nach der sehr wahrscheinlich klingenden Erklärung Rothsteins 2 ) sind »dieses Volk« heidnisch gesinnte Gegner der Juden, die Palästinenser und ihre Genossen, deren anmassende Annäherungen wieder abgewiesen werden. Sie müssen bei einem Teil der Zurückgekehrten Anknüpfungsmöglichkeiten gehabt haben. »Den Priestern schärft nun Haggai mit seinen Fragen das Gewissen« (38). Man würde aber sehr fehl gehen, wenn m a n glaubte, es wäre von dieser »Bevölkerung des Landes« seit 537 auf dem jüdischen Brandopferaltar geopfert worden. Mit oder ohne Tempel sind sich die rechtgläubigen Juden von dem Tag der Heimkehr an über die Stellung klar gewesen: keine Opfergemeinschaft mit den Unreinen. Selbst in den Jahren ') Vgl. Kittel 1929, S. 442 f. ) Rothstein »Juden und Samaritaner« 1908, 31—41.
s
49 des Missmutes und der Schlaffheit vor Haggais Auftreten wurde doch die Kultusstätte unverletzt erhalten. Der Widerstand in Esra 3, 3. 4, 1—5 und Kap. 5. 6 sind nur Stadien derselben Entwicklung. Es verhält sich keineswegs so, dass die Feindschaft der Samaritanischgesinnten erst mit dem Jahre 520 begonnen hätte. Auch nicht, dass die Juden erst so spät den Tempel zu bauen anfingen. Auf die Grundsteinlegung 536 spielt ja auch der aram. Bericht in 5, 16 an. Die Grundsteinlegung in Hag. 2, 18 ist die n e u e Grundlegung1) nach dem langen Stillstand seit dem zweiten Jahr der Heimkehr (vgl. über »Grundlegung« selbst einen Zusammenhang wie 2 Chron. 24,27 über die »Grundlegung« von Gottes Tempel durch König Joas). Diese neue »Grundlegung« verlegt Sellin wohl mit Recht auf den 24. Tag des sechsten Monats von 520 (Hag. 1, 15); aus 2,1 ist zu ersehen, dass die Bauarbeit am 21. Tag des siebenten Monats in vollem Gang war. Ausdrücklich davon zu sprechen, was 16.17 Jahre früher geschehen war, hatte Haggai in seinen kurzen Aussagen keinen Anlasz (vgl. Sellin »Das Zwölfprophetenbuch« 1922, 404 f. 397).
Nach diesem Blick auf den zeitlichen Rahmen, von 537 bis gegen 450, wollen wir innerhalb dieser Periode die Zeitpunkte festzustellen versuchen, wo sich die nachexilischen Prophezeiungen 56, 9—66, entweder als Einheit oder als loser verbundene Gruppe von Prophezeiungen, am besten einfügen lassen. Es kommen hier d r e i Z e i t p u n k t e in Betracht. Wir beginnen mit D u h m s Z e i t a n s e t z u n g , also von rückwärts, da er mit der Zeit kurz vor Esra-Nehemia rechnet. Auf die umstrittene Chronologie des Wirkens dieser beiden Führer braucht in diesem Zusammenhange nicht eingegangen zu werden. Bezüglich Duhm kann jedoch nicht geleugnet werden, dass seine Grenze vor der »Esraperiode« nicht immer eingehalten wird, sondern dass er verschiedene der verstreuten Argumente aus den bekannten Zeitverhältnissen dieser Periode schöpft. Wir bezeichnen kurz Duhms Zeitansetzung als Standpunkt A um 460. Zur Beleuchtung der Verhältnisse kann uns d a s E s r a b u c h 4, 6—23 dienen, wo einige wenige Aufklärungen über die Juden ') Tatsächlich eine Wiederaufnahme, Kittel 1929, S. 440 f. 4
50 und ihre Feinde unter Xerxes (485—465) und Artaxerxes (465— 424) gegeben werden. V. 6 enthält eine kurze Notiz über eine Anklageschrift gegen die Juden zu B e g i n n von Xerxes' Regierung 1 ). Man hat vermutet, dass die Namen der Ankläger die im V. 7 genannten seien, wohin sie durch eine Verschiebung geraten wären. Da König Darius Hystaspis während seiner langen Regierung vermutlich seine freundliche Gesinnung gegen die Juden bewahrt hat, können deren Feinde die Thronbesteigung seines Sohnes als einen günstigen Zeitpunkt für ihre Pläne betrachtet haben. Wessen können sie die Juden angeklagt haben? Der Tempel war j a schon längst gebaut, aber ohne eine Mauer um Jerusalem konnten die Frommen unter den Juden nichts gegen die Einmischung ihrer Feinde und gegen die auflösende Einheirat fremder Weiber tun. Wenn sich nun ein Teil der Juden zusammengeschlossen hat, um die Mauer zu bauen, haben sich die genannten Feinde wohl bald in Bewegung gesetzt, um davon zu berichten und von der Schlechtigkeit der Juden zu erzählen. Das zweite Schreiben wird in V. 7 eingeleitet, die Absender sind Rehum, Simsai u. m. a. (V. 8. 9). Es ist an König Artaxerxes gerichtet, nicht gleich zu Beginn seiner Regierung, sondern erst einige Jahre später. Das Schreiben handelt wieder von der Mauer. Die Frommen in Jerusalem haben Helfer bekommen in einer Schar von Landsleuten, die von Babylonien kamen, und diese haben die Mauern aufgeführt, ohne indes mit dem Wiederaufbau fertiggeworden zu sein. Die Klage führte zu dem Ergebnis, dass sich der König überreden liess, und dass die Feinde der Juden die Arbeit mit Gewalt zur Einstellung brachten. Auf dieses traurige Erlebnis spielt vermutlich Neh. 1, 3 an. In V. 12 (»von dir emporgezogen«) wird sehr wahrscheinlich an Esras Karawane gedacht, die in diesem Falle also in die Zeit vor Nehemia fällt. Für unsern Zweck ist aus diesen Dingen nur das zu entnehmen, dass die Zeit des Standpunktes A für die Gemeinde der Heimgekehrten in Jerusalem sehr drückend war. In E s r a b u c h 7—10 wird die verweltlichende Macht der ungesetzlichen Mischehen innerhalb der jüdischen Gesellschaft aufs schärfste hervorgehoben. Mit dem B u c h e N e h e m i a haben wir das Jahr 445 und ') Stimmt sehr gut mit Xerxes' Anwesenheit in der Nähe Jerusalems auf dem Wege nach Ägypten und von dort zurück 485 und 484. Vgl. Kittel 1929, S. 485.
51 seine Heldentat der Wiedererrichtung der Mauer in 52 Tagen erreicht. Lehrreich ist das Kapitel 5 über die Not des Volkes — Pfändungen, Steuern und Hunger — und Nehemias kräftiges und aufopferungsvolles Eingreifen. Diese Dinge werden von Duhm sehr ausgenutzt. Wir hören wieder von den Mischehen und den Übertretungen des Sabbaths, sowie von Nehemias energischem Ausschliessen der Fremden. Endlich ist M a l e a c h i von ungefähr 470/60 eine Quelle aus der Zeit unmittelbar vor Duhms Tritojesaja. Hier hören wir von den Pflichtverletzungen der Priester, den schlechten Opfertieren zu Jahwes Schmach, von Scheidungen und Ehen mit heidnischen Frauen, von der Unterdrückung der Taglöhner, Witwen, Vaterlosen und Fremden u. s. f., und von dem skeptischen Geist des »Was kann es nützen?« und der damit verbundenen Schlaffheit. Trotz des sehr spärlichen literarischen Stoffes für eine Zusammenstellung mit der Tritojesajagruppe vom Standpunkt A im eigentlichen Sinne herrscht doch zweifellos eine gewisse Gemeinschaft in der gedrückten Stimmung. Nach beiden Seiten ist die Feindschaft der Samaritaner zu merken. Von sozialem Missverhältnis und sozialer Not sind ebenfalls gemeinsame Züge zu finden. Übertretungen des Sabbaths, wie sie 58, 13 (vgl. 58, l f f . ) kennt, hat es ebenfalls zur Zeit des Standpunktes A gegeben. Auf diese Übereinstimmungen ist indes nur wenig Gewicht zu legen, da es sich hier um Dinge handelt, die in der g a n z e n Zeitperiode beobachtet werden können. Wir haben gesehen, wie schnell sich der samaritanisch-judäische Widerstand erhob, und ihm folgten Enttäuschung und Lähmung. Die Heimgekehrten brachten, wie Esra 2, 64—67 zeigt, tiefe s o z i a l e U n t e r s c h i e d e im Besitz mit, die bald von den gewöhnlichen Schwierigkeiten der jüdischen Gesellschaft begleitet wurden; mancher trübe Tag kam hierüber (Hag. 1, 5 ff.). Und es ist, was die Beurteilung von A angeht, unerklärlich, dass man i n d e r T r i t o j e s a j a g r u p p e n i r g e n d s a u c h nur die g e r i n g s t e S p u r des E i n d r i n g e n s v o n M i s c h e h e n finden kann, während sie die Zeit des Standpunktes A prägen, so dass die genannten Quellen ständig zu dieser Treulosigkeit und diesem Unglück zurückkehren. Weiters gibt es Stellen im Tritojesaja, die zeigen, dass d e r T e m p e l n i c h t b e s t e h t (60, 13. 63, 18. 19. 64, 10. 11. 4*
52 66, 1). Im ganzen fehlt dem Standpunkt A innere Festigkeit und Geschlossenheit. Deshalb haben auch verschiedene Forscher, unbefriedigt durch A, nach einem früheren Zeitpunkt gesucht, wo also vor allem die Eheverhältnisse noch nicht in Auflösung waren. Wir haben jedoch Jahrzehnte hindurch fast keinen Haltpunkt für dieses Suchen, da die Zeit von Maleachi aufwärts bis zur Vollendung des Tempels 515 im Dunkel liegt. Esra 4, 6 könnte darauf deuten, dass sich zu Beginn von Xerxes' Regierung sowohl die innern als die äussern Verhältnisse verschlechterten. Man gewinnt aus Maleachi Kap. 2 und dessen skeptischer Entgegnung: »Wo ist der Gott des Gerichtes?« (2, 17) den Eindruck einer vorausgegangenen längeren Niedergangsperiode. Und sowohl Mal. 2, 8 wie Esra 9, 2 nennen Priester und Oberste als diejenigen, von denen das Ärgernis ausgegangen sei und sich dann ausgebreitet habe. Dies kann sich auf die Zeit bis gegen 515 beziehen, wo der Tempel vollendet, aber die Erwartungen auf eine Erfüllung der Verheissungen wieder bitter enttäuscht wurden. Man könnte sich daher als Standpunkt B die Zeit von 500 zurück zu 515 und vielleicht noch einige Jahre früher denken. Diese Ansicht vertritt Michelet in »Fra Profeterne til Jesus Kristus« I, 117, der es für das wahrscheinlichste hält, dass die Prophetenworte Jes. 56—66 vom Ende des 6. und vielleicht vom Beginn des 5. Jahrhunderts stammen und von verschiedenen Verfassern herrühren. Auch Oettli äussert in der »Gesch. Israels« 1905, dass die jüngern Bestandteile von Jes. 40—66 sicher nicht erst dem 5. Jahrhundert, »sondern eher den letzten zwei Jahrzehnten des sechsten« zugehören (467). Zu Standpunkt B muss auch Elliger »Die Einheit des Tritojesaja« (56—66) 1928 gerechnet werden, der am meisten durchgearbeitete Vorschlag in dieser Beziehung. Als Thesis stellt er auf: »Die Entstehungszeit ist das Ende des 6. Jahrhunderts« (S. 1). Die Reihenfolge der Stücke S. 116f. konzentriert sich im wesentlichen um 515. Einzelne Stücke können sogar den Verfasser dazu veranlassen, mit dem »letzten Viertel des 6. Jahrhunderts« zu rechnen (112). — Dass man sich im Tritojesaja in dem längeren Zeitraum vor Maleachi befindet, dafür besitzen wir ein Zeugnis in 63, 1—6, wo Jahwes Gericht über Edom als ein Glied einer allgemeinen Züchtigung der Heiden prophetisch verkündigt wird. Dagegen hören wir in Mal. 1, 3 von einer e i n g e t r o f f e n e n fürchterlichen Katastrophe,
53 die über die E d o m i t e r , die bittern und höhnischen Feinde der Juden, hereingebrochen sei, vermutlich ein vernichtender Krieg mit Plünderung des Landes. Für den Glauben der Juden an Jahwes Vorsehung ist dies ein einzelner Lichtblick in einer dunkeln Zeit gewesen. Buhl denkt hierbei in »Gesch. der Edomiter« 1893, 79, in Anschluss an Wellhausen, an Einfälle nabatäischer Araber in Edom, die schliesslich die Edomiter aus ihrem Bergland Se'ir verdrängten. Derselben Ansicht ist Sellin. Aber für eine nähere Zeitbestimmung kommt man hiermit nicht weit. Der Standpunkt B, besonders in Elligers Formulierung, kann vielleicht einigermassen gelten, was den Punkt der Ehen angeht, stimmt aber nicht mit den angeführten Stellen über den Tempel. Der richtige Standpunkt muss also 1) die Signatur »eine Rückgangsperiode« mit gedrückten Verhältnissen haben, 2) zeitlich den »fremden Ehen« und 3) der Vollendung des Tempels vorausgehen. Kann man einen solchen Zeitpunkt finden? Gewiss. Ein Fortschritt tritt mit dem Auftreten Haggais 520 und S a c h a r j a s (1—8) von 520—518 ein. Daran schliesst sich E s r a b u c h 5. 6 über die Fürsorge des Perserkönigs Darius für die Juden. Übrig bleibt jedoch noch E s r a b u c h 1—4, 5 mit den glücklichen Ereignissen in den Jahren 538 und 537 und hierauf mit dem vernichtenden Erlebnis 536, wo der Tempelbau plötzlich gehindert wurde. Nach den lichten Verheissungen die erste gefährliche Enttäuschung. Die Heimgekehrten heissen nun »die Trauernden in Zion« (57, 19. 60, 20. 61, 2. 3. 66, 10), 'abellm. Man sorgt, wie über einen Toten. Altar und Tempelplatz besitzt man, und der Kultus ist nicht eingestellt, aber schmerzlich wird Jahwes Tempel vermisst. Ob wohl nicht die Tritojesajagruppe eben hier ihr Flussbett habe? Einige Jahre können vergangen sein vor den letzten Abschnitten, die unmittelbar folgenden Jahre nach dem Schmerzensjahr 536. Wir nennen diese Auffassung, den Standpunkt C um 530. § i.
Abschnitte in der Gruppe 56, 9—66 und ihre
Datierung.
A b s c h n i t t 1. 5 6 , 9 — 5 7 , 2 1 . Das erste Stück dieses Abschnitts umfasst 56, 9—57, 2. Mit Locktönen werden in V. 9 alle Raubtiere (die heidnischen Völker in bewusstem Anschluss an Jer. 12, 9) herbeigerufen, um die un-
54 beschützte Herde zu zerreissen, deren Hirten ihre Pflicht versäumen und keine Gefahr sehen, sondern sich der Ruchlosigkeit hingeben (V. 10—12), während die Gerechten u m k o m m e n (57, 1—2). V. 9 enthält ein U r t e i l über die Sünden Jerusalems, die hierauf in einem Gesamtüberblick geschildert werden, in welchem sich der Richter, das ist Jahwe, Rechenschaft darüber ablegt, dass das Urteil unabwendbar ist. Es ist der S c h l u s s a k t einer Gerichtsverhandlung (vgl. Köhler § 85 h: Die urteilende Schlussfolgerung), nicht nur die allerdings hiermit verwandte Drohrede, wie wir sie in dem folgenden Stück 57, 3—13 finden. Zum richtigen Verständnis des Zusammenhanges in den nächstfolgenden Kapiteln ist es notwendig, sich diese Stellung von V. 9 klar zu machen. V. 10 ff. wird der Zustand Jerusalems geschildert. Die blinden Späher (die geistigen Führer) sind Propheten und Priester. Sie sind die Hirtenhunde, aber stumme, schlafende und zugleich gierige Hunde. In V. I I b erwartet m a n die Fortsetzung der Bilder von der »Herde« und den »Hunden« durch die Erwähnung der Hirten selbst, der Könige und der Mächtigen in der Landesregierung, die hier ruchlos, habgierig und ohne Fürsorge sind. Die Ausdrücke »seinem eigenen Weg folgen«, »nach eigenem Vorteil jagen«, die sich nur auf Personen beziehen (53, 6), zeigen denn auch, dass hier nicht mehr von den Hirtenhunden die Rede ist. Aber die Hirten sind wohl auch in I I b genannt, wo m a n den Text durch Teilung der Konsonantenreihe auf eine etwas andere Weise lesen k a n n : ve-hem hä-rolm und d a n n ra'lm als Haplographie, also: und die Hirten s e l b s t sind schlecht. Die Haplographie wurde von Budde erkannt, wodurch auch der Rhythmus (3 + 2) in Ordnung gekommen ist. Zu Gunsten von Dillmanns Teilung von h m h (hemmäh, diese) zu hem hä k a n n Neh. 10, 38 ve-hem ha-levijjlm angeführt werden. Strenggenommen sollten in diesem Falle die »Hirten« im vorausgehenden genannt sein, aber bei 56, I I b k a n n gesagt werden, dass der Zusammenhang selbst durch die bildliche Rede von der »Herde« und den »Hirtenhunden« schon eine Ankündigung der »Hirten« enthält. Köhler begnügt sich mit der Einfügung von gam statt »hem«: Auch die Hirten sind schlecht. V. 12 bringt als Illustration zu ihrem Schwelgen ein Trinklied (Gunkel »Die isr. Literatur« 1906, 100). Dass rätselhafte Schlusswort in V. 11 »mi-qasehu« (»in seiner ganzen Ausdehnung«) rettet Torrey
55 durch Umstellung zu me-haqisö, »so bald er erwacht«, sagt er (fortgesetzt in V. 12): » K o m m e t , ich schaffe W e i n u . s . w . « . 57, 1—2 gehört noch zu der Schilderung der ruchlosen Zustände: der schmähliche T o d der Rechtschaffenen durch die Macht der Bosheit. Die Frommen sind dem Egoismus lästig und werden durch ein ungerechtes Gerichtsverfahren, was wohl die »Bosheit« bedeutet, aus dem W e g e geschafft. A u f w e l c h e n Z e i t r a u m w e i s t a l l d i e s h i n ? Der Inhalt gibt die Antwort: in die Zeit König Jojakims und Verwandtschaftliches hin. Duhms Versuch, 56, 9 ff. in eine Zustandschilderung von ca. 460 hineinzupressen, ist unmöglich, selbst wenn man die Esra-Nehemiazeit hinzurechnet. Der jüdische Staat, den wir in 56, 9 ff. vorfinden, ist mehr als eine Provinz des persischen Reiches. Er ist selbst e i n R e i c h , dessen verwahrloster Zustand »alle Raubtiere des Feldes« herbeiruft, um es zu zerstören, wie in Jer. 12, 9. Und die gedrückten Verhältnisse v o r der Esraperiode (und zugleich auch in dieser) sind etwas ganz anderes als die vollständige Verderbnis und Schamlosigkeit, die 56, 9 ff. beschreibt. Der Standpunkt A ist hier unmöglich. W a s ist hier also zu tun? Von vorexilischer Abfassung kann keine Rede sein wegen der Beeinflussung durch Jeremia und i m nächsten Stück, mit dem es 57, 3 verbindet, durch Hesechiel. Dies weist entschieden auf n a c h e x i l i s c h e n U r s p r u n g . A b e r als Zustandschilderung passt weder 460, 500 oder 530. Dagegen passt die Verderbtheit u n m i t t e l b a r v o r dem Exil; damals sah es in Jerusalem so aus. Durch seine Schilderung will der nachexilische Verfasser seine Landsleute etwas lehren, was sie selbst und Jahwe, ihren Gott, betraf, die richtige Antwort auf die Frage, w a r u m d a s E x i l k a m , dass es nicht die Folge v o n Jahwes Ohnmacht, sondern nur der Sünden des Volkes war. Mit derselben Frage, derselben Anklage hatte auch Dtj. in Kap. 40—55 bei den Exilierten zu kämpfen (vgl. § 1) und hatte ihnen die gleiche Antwort gegeben wie jetzt hier. In dem grossen Rechtsstreit zwischen Israel und Gott (Köhler 117 f . ) wurden die Heimgekehrten durch dasselbe Rätsel gequält, das sich nur der reuigen Selbsterkenntnis erschloss. In dem Zusammenhang, den, wie wir sehen werden, 56, 9—57, 21 unzweifelhaft bildet, ist 56, 9— 57, 2 nur das erste Glied. Es spricht in dem Rückblick klar v o n dem K o m m e n des Exils. Dieses war Jahwes notwendiges Gericht.
56 »L'auteur appelle le peuple à la repentance en montrant les conséquences désastreuses du péché« (Krüger IX). Im dritten Stücke (57, 14 ff.) wird ausgeführt, mit welch mitleidsvoller Zartheit Jahwe seine Handlungsweise erklärt. 57, 3—13 folgt nun als das zweite Stück des Abschnittes und ist durch ve-attém, »Aber ihr«, mit dem Gerichtswort über das vormalige Jerusalem in 56, 9—57, 2 verknüpft. Ein ve-'attém kann den Gegensatz ausdrücken (65, 11. 13. 14), aber auch nur einen Übergang (43, 12. 44, 8. 48, 6); der Zusammenhang muss dies entscheiden. Hier betont es nur den Übergang und ist dasselbe wie »Auch ihr« oder »Ihr nicht weniger«. Dass man bei den laubreichen Bäumen auf den Bergen, bei den Tälern, Klüften und ragenden Felsen nicht in Babylonien, sondern in Palästina ist, kann nicht zweifelhaft sein. Zu wem wird aber hier gesprochen? In 56,9—57,2 sprach Jahwe zu dem heimgekehrten Volk über die Gründe, warum er Jerusalem verurteilen und sein Volk in Landflüchtigkeit führen musste. Jetzt wendet er sich an a n d e r e und spricht mit grosser Empörung zu diesen anderen, bei denen Götzendienst und andere Abscheulichkeiten im Schwange sind, und die doch Anspruch darauf erheben, Jahwes Verehrer zu sein (V. 11). Mit ihrer Mischreligion, voll von Unzucht, sind sie in Jahwes Augen »Söhne eines Hurenweibes« (V. 3) und werden von V. 6 an in dem Bilde eines Hurenweibes gegenüber Jahwe, ihrem Eheherren, zusammengefasst. Sie hatten ihr Gewissen ihm gegenüber durch die Auffassung eingeschläfert, dass man auf ihn keine Rücksicht zu nehmen brauche (»ich bin ja stumm und blind« V. 11). Die Bevölkerung, die hier so geschildert wird, kann nur die u m w o h n e n d e h a l b j ü d i s c h e L a n d e s b e v ö l k e r u n g sein, die sich den heimgekehrten rechtgläubigen Juden gegenüber so spöttisch und feindselig gezeigt hatte (V. 4). Duhm verweist besonders auf die Samaritaner, mit denen sie in Wirklichkeit in Verbindung standen, und von denen sie beeinflusst wurden. Esra 4, 1—5 zeigt ja auch deutlich ein enges Zusammenarbeiten mit den Samaritanern. Aber in der Rede 57, 3—13 ist in erster Linie an die erwähnte einheimische Landesbevölkerung zu denken. Dagegen ist es ausgeschlossen, wie Elliger (83 f.), die Heimgekehrten mit in das Volk einzubeziehen, das in seiner Treulosigkeit und Unreinheit von Jahwe mit dem Untergang bedroht wird (V. 12. 13a).
57
Auch das Drohungswort 57, 3—13 hat seine Form von dem Rechtsstreit, wobei Jahwe der Ankläger ist, und seine Züchtigungsrede führt diesen Menschen gegenüber zu der Drohung mit dem Untergange. Schon V. 6 bringt eine Ankündigung hiervon mit den Worten »Sollte ich mich darein finden!«, ein ironischer Ausruf, ob Jahwe aus Dank für ihr eifriges Opfern in den Tälern und auf den Bergen seine Drohungen zurücknehmen wolle. Das Versmass, im ganzen Stück 3 + 2, kommt in Ordnung, wenn m a n den Ausruf an den Schluss von V. 7 versetzt und hier »zebah« als Dittographie auslässt (Köhler). V. 12 f. verkündet ihnen schliesslich Jahwes schonungsloses Gericht wegen ihrer Abgötterei. »Aber I c h (mit va als Gegensatz vor 'anl, Buhl nach G) werde vorlegen deine Gerechtigkeit (deine Tugend), und was deine Werke (deine Götterbilder wie 41, 29) vermögen« ist Ironie. Den Jahwedienst mit dem Götzendienst zu vereinen, ist das Gegenteil von Gerechtigkeit. Dieselbe Mischung wie hier ist auch in 66, 3 zu finden. Erst mit V. 14 wechselt das Versmass von 3 + 2. V. 13b gehört also noch zu 57, 3—13. Hieraus lässt sich die interessante Erscheinung feststellen, dass der Verfasser bei all seiner Empörung über die Heidnischgesinnten unter diesen nicht diejenigen vergisst, die sich von Jahwe und seinem Volk angezogen fühlen: »Wer aber an mich glaubt, soll das Land erben und erhält meinen heiligen Berg (oder das Bergland wie 65, 25) zu Eigen«. Hier schimmert dieselbe Milde hindurch wie in dem verwandten 65, 8—10. 57, Ii—21 ist das dritte Stück. Dies wird als etwas Besonderes markiert durch seinen neuen und abwechselnden Rhythmus, zweihebig in V.14.15a (2 + 2.2 + 2.4.2 + 2), u m hierauf in Jahwes Aussage zu 3 + 3 in 15b. 16.17.18a überzugehen und mit überwiegend 2 + 2 (und 4) zu schliessen. Vor allem aber durch seinen Inhalt, in welchem Trost und Verheissung ebenso stark hervortreten wie in 57, 3—13 Empörung und Drohung. Wieder spricht J a h w e zu seinem eigenen Volk, den Heimgekehrten, die er in 56, 9—57, 2 über sein Gericht über das vorexilische Jerusalem belehrt hatte. Dort hielt er sein Mitleid über die Trauer der Heimgekehrten zurück, jetzt strömt es über, wie in 54, 7.8. Unser Stück setzt zu grossartig u n d kräftig ein, u m an 13b angeknüpft werden zu können (das eine Minderheit von Jahwe-
58 Suchern innerhalb des »Nicht-Volkes«, v o n d e m 57, 3—13 spricht, betrifft).
Dagegen ist das Stück in h o h e m Grade in Verbindung mit der a k t u e l l e n S i t u a t i o n , die den Hintergrund zu 57, 3—13 bildet, u n d d e m in dieser Situation liegenden Anlass, die Rechtgläubigen zur klaren Erkenntnis zu bringen, dass das Exil J a h w e s Gericht war. 57, 14—21 stammt deshalb zweifellos von demselben Verfasser, wie die beiden vorausgehenden Glieder, u n d bildet den Abschluss des Abschnittes. Die Verheissung hebt deutlich Sprache u n d -Stil auf ein höheres Niveau, w o d u r c h sie Ähnlichkeit mit Dtj. gewinnen. Die aktuelle Situation ist von einer grossen T r a u e r u m Zion geprägt. Sie sind zerknirscht u n d niedergebeugt u n d t r a u e r n wie über einen Toten ('abellm). Nach d e m Zusamm e n h a n g ist hier nicht die T r a u e r über die Sünde gemeint, sondern ein Leiden äusserer Art, das ihr Gemüt verdüstert. Dass sie reuevoll mit den Sünden der Väter gebrochen h a b e n , gehört zu den Voraussetzungen zu J a h w e s Rede, wird aber nicht ausd r ü c k l i c h erwähnt. Ihre T r a u e r , von der hier gesprochen wird, hat augenscheinlich einen Z u s a m m e n h a n g mit etwas Bestimmten, das ihre abtrünnigen Nachbaren dazu veranlasst, sie zu verspotten und zu verhöhnen (V. 4). Es muss diesen geglückt sein, die Pläne der gesetzestreuen J u d e n in einem wichtigen P u n k t zu verhindern. Die T r a u e r der Trostlosen spricht d a f ü r , dass dies die zentrale Freude der J u d e n betraf, mit anderen Worten mit d e m Tempel zusammenhing. S i e h a b e n d e n W i e d e r a u f b a u des Tempels zum Stehen gebracht. (Esra 4, 1 ff.)!
Aber sie k e n n e n nicht ihn, dessen Volk sie verspotten. Er ergreift n u n das Wort u n d tröstet sein Volk. Ausserhalb des Metrums wird in V. 14 mit ve-'amär begonnen, derselben mystischen Stimme, wie in 40, 3. 6, also: Man sagt, es heisst. Dies leitet ja geradezu eine W i e d e r a u f n a h m e d e r V e r h e i s s u n g v o n 40, 3 ein: »Bahnet, bahnet, ebnet d e n Weg; n e h m t fort jedes Hindernis aus d e m Weg meines Volkes!« J a h w e s gegebenes Wort steht fest. Dort w u r d e der T r i u m p h z u g J a h w e s a n der Spitze seines Volkes d u r c h die Wüste geschildert. Hier heisst es der »Weg meines Volkes« ohne nähere Schilderung. Auch nicht in 62, 10—12. Es sind seit 40, 3 Dinge geschehen, die den W o r t l a u t der Verheissung verändern. Die Z u r ü c k f ü h r u n g i m
59 Jahre 537 ist geschehen. Es lebt schon ein heimgekehrtes Volk auf Zion. Der Ton liegt deshalb weniger auf Jahwes »Kommen«, mehr auf der Rettung Zions, der Vollendung des Heilswerkes (62, 11). Doch kann es auch noch von Jahwe heissen »Ich komme« (Sach. 2, 14. 8, 3), mit Bezug auf Jahwes fortgesetztes Wirken. Aber dennoch ist die grosse Aussage von 40, 3 etwas Besonderes, das sich derart nicht wiederholt; die andern Stellen enthalten nur einen Nachglanz hiervon. Für die Durchführung dieser seiner Verheissung setzt nun in V. 15 Jahwe sein Wort ein in all seiner göttlichen Majestät. Denn er, der in der Hoheit und Heiligkeit des Himmels wie in seinem Tempel wohnt (die Schilderung des Verfassers erinnert an die Vision Jesajas Kap. 6), wird auch lebenspendend bei den Zerknirschten und Niedergebeugten w o h n e n . In der konkreten Situation, wo Feinde den Bau des Tempels gehindert haben, bringt Jahwe den trauernden Seinen den doppelten Trost: 1) dass er, der erhabene Gott, auch ohne Tempel in der Mitte seines Volkes weile, und 2) dass er alle Hindernisse gegen die Erbauung seines irdischen Tempels wegzuräumen wissen und bei den Zerknirschten und Niedergebeugten w o h n e n werde. Welch eine Botschaft in ihrer Not, voll von Kraft und erzieherischer Weisheit! In V. 16—19 wird die Verheissung durchgeführt. Seinem eigenen Wesen getreu, will Jahwe nicht ewig zürnen, sondern Heilung bringen, ein Heil, das in den Dankliedern seines Volkes wiederklingen wird. In V. 17 muss die Lesart von G ßgaxv n »eine kurze Zeit«, die richtige sein, und das »besa'« (unredlicher Gewinn) des Grundtextes, ein Begriff, der im Zusammenhange zu eng ist, eine Verschreibung von »rega'« sein (Buhl u. a.), vgl. 54, 7. Nach dem Ausdruck »nahe« in V. 19 muss das Volk zum Teil in der Heimat sein, also nachexilische Zeit. Die Gedankenreihe in den zwei zusammengehörigen Teilen, 56, 9—57, 2 und 57, 14—19, wo zu der treuen Gemeinde gesprochen wird, kann folgendermassen zusammengestellt werden: V. 17. 18a. 56, 9—57, 2. 18b. 16. 15. 14. 19. Es ergibt sich die Frage, was die Drohung oder Warnung am Schlüsse von V.20—21 besagen will. Sie hat ihre eigene Abschlussformel: »sagt mein Gott«. Sie ist durch salöm (Glück, Frieden) in V. 21 mit salöm, salöm in V. 19 (wie in 48, 22 gegenüber 48, 18) verbunden. Wer kann mit den reSaim, den Gottlosen und Abgefallenen, die zu
60 Grunde gehen, gemeint sein? Es könnte scheinen, dass es die Menschen sind, gegen die 5 7 , 3 — 1 3 gerichtet ist. Aber in 55,7 wird von resa'Im innerhalb Israels selbst, der Gemeinde der Entführten, gesprochen. Und im Abschnitt Kap. 58—60, der mit 56, 9 — 5 7 , 2 1 e i n e n Zusammenhang bildet, entspricht 59,1—8, worauf 58, 1 anspielt, durchaus. Sie verleugnen den Herrn in ihren Handlungen durch den Mangel an Brüderlichkeit (59,13). An solche ist schon 57, 20—21 eine W a r n u n g .
Von den drei Standpunkten fällt A gleich beim ersten Glied des Abschnittes weg. Es kann sich unmöglich um eine Zustandsschilderung, geltend für die Zeit um 460 (oder später), handeln, wie es nach Duhm der Fall sein soll. Man kann wohl mit Sicherheit behaupten, dass die Zustände unter den Juden zu diesem Zeitpunkt nicht derart entartet waren. Und die Drohung mit dem Untergange, also einem neuen Exil oder dergleichen, hat kein Prophet nach der Heimkehr aussprechen können. Der Widerstand der Palästinenser und Samaritaner weist auch nicht auf A allein hin, sondern ist schon bei B und C zu finden. Von einer Behinderung des Mauernbaues hört man in der Zeit vor Esra nichts Bestimmtes, ausser vielleicht zu Beginn von Xerxes' Regierung (Esra 4, 6). Der Abschnitt enthält keine Andeutung diesbezüglich. Dagegen wird die heftige Bitterkeit des Propheten in dem zweiten Stück hinreichend erklärt, wenn man hier auf ein so schmerzliches Erlebnis für die Heimgekehrten, wie die kürzlich stattgefundene Verhinderung des Tempelbaues, zurückblicken kann. Diese Wunde musste nach der Natur der Sache am stärksten zu Beginn bluten. Das dritte Stück wird daher ein lebhafter Ausdruck der Situation C sein, während die Trauer bezüglich des Tempels bei B erloschen war, ganz zu schweigen von dem späten A. Ein Zeichen für eine frühe Zeitpunkt im Verhältnisse zu der palästinensischen Landesbevölkerung ist der erwähnte V. 13b, wo die Hand den Gottesfürchtigen unter diesen entgegengestreckt wird, was für die Zeit C spricht, wo der Gegensatz noch nicht so sehr erstarrt war, wie zu den späteren Zeitpunkten. Elliger setzt die Stücke zwischen 500 und 515 an, wobei das letzte ver-
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mutlich das älteste ist; aber dagegen spricht die Autoreneinheit des ganzen Abschnitts und die nachgewiesene Situation. Standpunkt B lässt unerklärt, weshalb sie wie über einen Toten trauern. Auf das Verhältnis zu Dtj. in der Zitierung der Aussage von 40, 3 in V. 14 wollen wir hier noch nicht näher eingehen, sondern nur bemerken, dass die »Umbiegung« von Dtj.s Worten, worin hier und an andern Stellen Duhms Erklärung besteht, wohl eine der schwächsten Stützen seines Standpunktes ist. All dies könnte ja Dtj.s Aufrechterhaltung seiner Verheissung unter den Verhältnissen der Zeit C sein. Das Resultat ist also, dass n u r C f ü r d e n A b s c h n i t t 5 6,9— 57, 21 G e n ü g e l e i s t e t . A b s c h n i t t 2. 5 8 — 6 0 . Die Frage ist: W e s h a l b l ä s s t d i e H e i l s t a t d e s H e r r n a u f s i c h w a r t e n ? Auch dieser Abschnitt zerfällt in drei Teile: 58. 59 und 60. Kap. 58, erster Teil. V. 1 gebietet Jahwe dem Propheten, ohne Vorbehalt seinem Volke dessen Sünden zu verkünden. Er soll aus voller Kehle rufen, mit schallender Stimme, wie die hellen Kriegstrompeten1). Den Anlass zu einer solchen Anrede teilt sofort V. 2 mit: sie glauben sich berechtigt, Fragen an Gott zu stellen, als ob er zu wenig Rücksicht nähme auf ihre kultischen Anstrengungen, ihm Genüge zu leisten. Deshalb soll sie der Prophet ihrer Selbstgerechtigkeit entreissen und ihnen laut ihre Sünden vorhalten, die die wahre Ursache dazu bilden, dass sich Gott fern hält. Es ist klar, dass »meine Wege« mit »Gesetz und Recht« am Schluss von V. 2 identisch ist. Sie fragen selbstzufrieden, was Jahwe noch über das, was sie tun, hinaus verlangen wolle, und verlangen »Gottes Annäherung« qirbät 'elohlm, sein Kommen zum Gericht über Israels Feinde (beide Momente). Aber wo bleibt der schallende Ruf? Wo werden im folgenden »meinem Volk sein Verbrechen und Jakobs Geschlecht seine ') Those, who have never heard an angry Oriental speak, have no idea of what power of denunciation lies in the human throat . . . It is to lift the voice like a trumpet, — an instrument, which, with whatever variety of music its upper notes may indulge our ears, never suffers its main tone of authority to drop, never slacks its imperative appeal to the wills of the hearers (G. A. Smith 447 f.).
62 Sünden« verkündet? Darnach wird mit Recht gefragt, z.B. auch von Duhm. »Le ton fléchit au point de convenir mal au style parlé«, sagt Marty. V. 3ff. biegt ab zu einer Sonderfrage, der Fastenfrömmigkeit, und mündet von V. 8 an in eine verlockende Schilderung des Kommens von Jahwes Segen aus, die auch die Schlussworte über den Sabbath in V. 13—14 durchtränkt. Aber diese Abbiegung des Rufes ist nur scheinbar. Die Kraft des Züchtigungswortes war nur aufgespart und bricht in Kap. 59, 1—8 hervor, wo »sie aus voller Kehle angerufen werden«, dass selbst die Taubsten es hören müssen. Wie mit Geisseihieben erfahren sie hier ihre Vergehen und Sünden. 58, 2 enthält also nicht den Inhalt des aufgetragenen Rufes, sondern den Anlass zu diesem. V. 1—2 veranschaulicht ihre religiöse Oberflächlichkeit, indem auf ihr Fasten eingegangen wird, dass sie sich so sehr als Verdienst anrechnen. Aus V. 3a können wir schliessen, dass der Ausgangspunkt für den ganzen Abschnitt, der mit Kap. 58 beginnt, e i n e A n f r a g e d e r J u d e n war, ob denn Jahwe ihr Fasten für nichts achte. »Warum fasten wir, wenn du es nicht siehst?« Gemeint sind vermutlich dieselben freiwilligen Fasttage anlässlich von Jerusalems Fall, die im parallelen Sach. 7 und 8 erwähnt werden: im 10. Monat der Beginn der Belagerung, im 4. die Eroberung der Stadt, im 5. ihre Zerstörung und im 7. Gedaljas Ermordung. Mit diesen Trauertagen haben sie im Exil begonnen und nach der Heimkehr fortgesetzt, aber wie lange soll dies dauern? In V. 3—5 weist Jahwe ihr äusserliches Fasten ab, wenn sie die Stille der Festtage geldgierig zu Gewinn und zu Quälereien ihrer Schuldner missbrauchen. V. 6—7 enthält die positive Antwort, dass ohne Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber den Elenden ihr Fasten in Jahwes Augen wertlos ist. Es heisst in V. 3 : »Alle eure »'asseblm« zwingt ihr«. Die Übersetzung des unbekannten Wortes mit »Gesinde« oder »Taglöhner« bringt keine Klarheit. Das Richtige wurde von Köhler gefunden, der von der Wiedergabe in G ausging, v7to%eÎQioi = die, welche in ihrer Macht sind, d i e S c h u l d n e r ; ebenso Schleussner zu dieser Stelle: VTÎO%EÎQIOI sunt h. 1. debitores, gleicherweise in der Vulgata : omnes debitores vestros. Eine richtige Ahnung haben auch Klostermann und Duhm. Das ursprünglich ' b t wurde graphisch verändert zu 's b, hieraus 'assebekém, das 'obetekém, euere Schuldner,
63 Partizip von 'abat, leihen gegen Pfand (Deut. 15, 6; in Hifil ausleihen) verdrängt hat. »Alle e u r e S c h u l d n e r m a h n t i h r « . Das Wort »alle« wird hierdurch verständlich. Nun wird der ganze Zusammenhang klar. An den Fasttagen verwendeten sie die Zeit, u m Geld bei armen Landsleuten einzutreiben, sie stritten mit ihnen, schlugen sie und zerrten sie ins Gefängnis, beraubten sie u m Brot, Kleidung und Heim, zeigten höhnend auf sie mit Fingern und drohten ihnen unter Flüchen (V. 4a. 6. 7. 9b. 10a). All dies, heisst es von V. 8 an, müssen sie aufgeben und an den barmherzigen Willen des Herrn denken; dann wird er ihr Heil nicht verzögern, sondern ihr Gebet erhören, die Finsternis wird zu Licht werden, sie werden grünen wie ein wasserreicher Hain mit immer rinnendem Wasser, und die öden Bauplätze werden aufs neue bebaut werden (8—12). Köhler liest in V. 11: dein Leib (me'eka statt mimme-kä V. 12) ein Quellort von Wassern 1 ). Mit einer Verheissung über die genaue und willige Einhaltung des Sabbaths schliesst dieser erste Teil (13—14). Neben die barmherzige Nächstenliebe wird also die Heiligung des Sabbaths gestellt. Der Sabbath war im Exil zum Mittelpunkt des jüdischen Gottesdienstes geworden und steht als solcher und durch seine volle Hingabe an das Gottesverhältnis für den Verfasser viel höher als die Fasttage. Er hat das formalistische Fasten bekämpft, denn die blosse Äusserlichkeit ist Jahwe ein Greuel; aber gegen das Fasten an und für sich hat er sich nicht ausgesprochen. Er benutzt die Gelegenheit, so k a n n m a n mit Hinblick auf V. 13—14 sagen, u m die Übung der allernächsten Gottesfurcht in dem ganzen Gemeinschaftsleben Israels, den Sabbath, Jahwes »heiligen Tag« hervorzuheben (V. 13), aber unterscheidet, wie bei dem Fasten, zwischen einer leeren, äusserlichen Disziplin und dem Sabbath als einer »Lust«. Verschiedene jüngere Forscher, darunter Duhm, betrachten V. 13—14 als einen fremden Einschub, was man mit Skinner und Marty für nicht genügend begründet ansehen muss. Mit der zeitlichen Bestimmung von Kap. 58 müssen wir wegen des Zusammenhanges mit 59 warten, bis das Ganze überschaut werden kann. Kap. 59, der zweite Teil des Abschnitts, bringt also die Hauptanklage. Von Kap. 58, mit der Parenthese in V. 3—14, bis ins *) Festschrift für Marti 1925, 177.
64 Kap. 59 hinein liegt eine Züchtigungspredigt vor, aber ihr Ziel ist Aufrichtung. Trotz der Sünden des Volkes will der Herr Zion Heil bringen. In V. 1—2 kehrt der Herr den Spiess gegen Israel. Wenn das Heil ausbleibt, geschieht dies nicht aus Ohnmacht u n d Gleichgültigkeit bei Jahwe, vielmehr bilden ihre eigenen S ü n d e n eine Zwischenwand zwischen ihnen und ihm. Der Prophet beweist dies, indem er in der Schilderung V. 3—8, die in V. 12—15a wiederaufgenommen wird, ihre Versündigungen a u f d e m G e b i e t e d e s s o z i a l e n L e b e n s darstellt. Eigenliebe herrscht, die Lüge besitzt die Macht (V. 3. 4. 5. List 6. 8. Winkelwege 13.14). Die Wahrheit ist gestrauchelt (14), Gewalttätigkeit u n d Plünderung gibt es im Überfluss (6. 7. 14. 15a), unschuldiges Blut wird vergossen (3. 7), Treue sucht m a n vergebens (15a), und man vertraut auf Falschheit (4). Dagegen einzugreifen, wird durch die Verderbtheit der Gerichte hoffnungslos gemacht, bei denen die schlechten Kräfte ihren Schlupfwinkel haben, was den Hintergrund für den grössten Teil der Schilderung bildet, wo bei dem Zustand der sozialen Verhältnisse verweilt wird. Aber nach der Anklage in dem ersten Stück, V. 1—8, tritt nun im Stück V. 9—15a eine vollständige Wendung ein, es kommt d a s r e u m ü t i g e S ü n d e n b e k e n n t n i s d e s V o l k e s . Der Prophet hat bisher als Ankläger gesprochen, aber dies schliesst nicht aus, dass er jetzt der Wortführer bei der Reue des Volkes ist. Elliger (17 f.) will ihn von seinem Volke trennen, aber sagt schliesslich doch: »In 59, 9 f. redet eben ein Prophet«. In V. 9—11 wird unter abwechselnden Bildern ihre vergebliche Sehnsucht nach dem Kommen des Heils geschildert. Hierauf folgt das Sündenbekenntnis in V. 12 mit kräftiger Hervorhebung des Bussmotives in einer Reihe absoluter Infinitive in V. 13 als Apposition zu V. 12: w i r f i e l e n a b u n d v e r l e u g n e t e n d e n H e r r n u n d w i c h e n v o n u n s e r m Gott. Dann kehrt in 14—15a die Schilderung zurück zu den ungerechten Urteilen, die den Inhalt der Anklage im ersten Stück bildeten. Die Beobachtung, dass in V. 13a der Abfall von der sozialen Moral als Abfall von Jahwe, als eine Verleugnung der Autorität Jahwes erkannt wird, ist für uns von grosser Bedeutung. Das dritte Stück umfasst V. 15b—20 (21). Der Rhythmus in 15b bietet keine Schwierigkeit, sondern ist 2 + 2 + 2. Hierauf wieder 3 + 3 wie im vorausgehenden. Dagegen erhebt sich die
65 Frage nach der Zusammenfügung von V. 15b—20 mit V. 9—15a. Die konsekutiven Imperfekta in 15b, 16, 17 sind anscheinend Vergangenheit, aber in V. 18 tritt Gegenwart ein, so dass es schwierig erscheint, die Stücke 9 ff. und 15b ff. im Zusammenhang zu lesen. Einige durchhauen den Knoten, indem sie 15b ff. als selbständiges Stück betrachten, dessen Anfang fehlt, aber da müsste auch der Schluss von 9 ff. ausgelassen sein, da das Ganze nicht ohne eine Verheissung an das reumütige Volk enden kann. Desshalb ist es ohne Zweifel das richtigere, dass alles in Kap. 59, 1—20 zusammengehört (vgl. Eiliger 19, ebenso Buhl u. a.). D e r G e d a n k e n g a n g des ganzen Kapitels ist der, dass der Herr trotz der Sünden des Volkes schliesslich Zion das Heil bringen wird, und deshalb gehört das letzte Stück, das von dieser Zukunft redet, notwendiger Weise mit hierzu. Kap. 59 kann nicht mit der Bekehrung des Volkes allein schliessen, sondern muss wie Kap. 58 das Kommen des Heils verkünden. Die konsekutiven Imperfekta in 15b—17 gehören der Vergangenheit nur als Vora u s s e t z u n g für die Zukunft an, die von V. 18a angemeldet wird. Sie sind Glieder des Kommenden: Nachdem Jahwe mit seinen eigenen Augen gesehen, legt er seine Kriegswaffen an und greift ein mit seinem mächtigen Arm. Es ist weiters klar, dass Zions Heil nicht nur etwas ist, was Israels inneres Leben betrifft, sondern auch dessen Stellung nach aussen angeht, die ehrenvolle Genugtuung für das unterdrückte Volk unter den heidnischen Völkerschaften. Hiervon muss die Schilderung im Schlussstück Botschaft bringen, und dieses eschatologische Kolorit prägt denn auch V. 16—20, so dass man nicht irre gehen kann. In V. 18 wird die Züchtigung der Heiden als eine gerechte Strafe für ihre Verbrechen dargestellt (Buhl). Der Satz »er vergilt den Gestaden ('ijjim) ihre Taten« fehlt in G, aber findet sich in dem hebr. Text und passt jedenfalls ganz zu der folgenden Schilderung, wie die Heidenwelt den Namen des Herrn fürchtet. Der Rhythmus in V. 18 ist 3 + 3 mit einer Halbzeile zu 3. Durch eine Umstellung in V. 18, erste Zeile, wird bei Köhler der schwierige Text in eine bessere Form gebracht. Duhms Erklärung von V. 15b ff., dass die Ausführungen die abgefallenen und die falschen Brüder beträfen, ist verfehlt. Der Horizont ist eschatologisch geworden. Die einzige wirkliche Schwierigkeit für den Zusammenhang der Stücke entfällt, wenn man es in der Über5
66 Setzung von 15b unterlässt, »es« als Objekt von »sah« einzuschieben, sondern raäh in absoluter Funktion stehen lässt (Ps. 10, 11), also: »Und Jahwe sah zu und es missfiel s e i n e m A u g e , dass kein Recht war, er sah, dass es keines gab, entsetzte sich darüber, dass niemand auftrat« (15b, 16). Dies ist kein Rückblick auf die Verderbtheit, die das zweite Stück in der Selbstanklage der Reuigen fertigbehandelt hat. Die drei Ausdrücke über Jahwes Sehen weisen deshalb hin auf e i n a n d e r e s G e b i e t : die Völkerschaften, wo man erwarten musste, dass irgendeiner — wie früher Kyros — zu Israels Verteidigung auftreten würde, aber nein, kein Helfer! So versunken sind die Völkerschaften in Gottvergessenheit, und jetzt kann ihr Urteil nicht mehr ausgesetzt werden, Jahwe rüstet sich und wirft sich auf sie als der mächtige Krieger, wie ein drängender Strom, wenn ihn der Sturm, Jahwes Odem, vorwärtstreibt (19b). Vgl. 63, 3. 5: Mein eigener Arm war mein einziger Helfer! (59, 16). Die gleichlautenden Worte deuten auf feststehende Ausdrucksweisen aus der prophetischen Überlieferung über das eschatologische Weltgericht. Das Subjekt zu »kommt« in 19b kann entweder Jahwe oder »sein Name« d. i. seine Offenbarung, sein, parallel hierzu »seine Herrlichkeit«, d. i. sein Lichtglanz, kaböd. In Jes. 30, 27, das wohl die Grundstelle ist, geht » N a m e « in Jahwe selbst über (die persönlichen Ausdrücke), in gleicher Weise wohl auch natürlicher in 59, 19. In V. 20 wirkt das Bild des Stromes jedenfalls nicht mehr. Jetzt heisst es in V. 20: »Aber f ü r Z i o n kommt er als Erlöser, und für die in Jakob, die sich von der Übertretung abwenden«. Dem hebr. Text ist infolge seines klaren Gegensatzes zu den vorausgehenden Ausführungen über die Heiden durchaus den Vorzug vor G (und Rom. 11, 26) zu geben, wenn auch G und Targ. auf Umwegen wohl zu demselben Sinn gelangen. Nach dem gewichtigen V. 20 mit dem Rhythmus 3 + 3 kommt (ausserhalb des Rhythmus) die Bekräftigung des Inhalts: Ne'üm Jahve, dies ist Jahwes Aussage. In G fehlt dies (vielleicht ausgelassen wegen des wiederholten »sagt Jahwe« in V. 21), hat aber den hebr. Text und die innere Wahrscheinlichkeit für sich. Hiermit schliesst wirkungsvoll dieses letzte Stück des Kapitels 59. — V. 21. Eine Aussage über Jahwes ewige Gnade für das erlöste Israel. Der Vers ist in Prosa und in der Form mit der Gesetzesschrift P. verwandt. Er wird von mehreren Forschern mit
67 Recht als Hinzufügung aufgefasst, in liturgischer Anpassung des Textes. Kapitel 60 ist der dritte Teil des Abschnittes. Es ist von vornherein merkwürdig, dass 59, 15b—20, eine hochgestimmte Schilderung, nur in einem einzigen Vers (20) die positive Seite der Zukunft, das Heil für Israels Volk, wobei zu verweilen der Prophet sich doch beständig sehnt, behandelt. Welche jubelnde Freude durchströmt doch nicht die Beschreibung desselben Verfassers in V. 58, 8—14. Wenn die dünne Zwischenwand in 59, 21 entfernt ist, sieht man von dem isolierten V. 20 in das wunderbare Lichtmeer, das sich im Kap. 60 ausbreitet. Wenn d i e s e s Kapitel dem Vers 20 als gesetzmässiges Eigentum zugehört, wird der ärmliche, aber edle Vers plötzlich der reichste Erbe. Und für eine solche Wirklichkeit ist dem Vers ein gutes Pfand gegeben durch die Nennung von Jahwes kaböd-Glanz in V. 19, jenem grossen eschatologischen Hauptgedanken des Dtj. in Kap. 40, 5, der sich auch bei unserem Verfasser, wer immer er auch sei, in 5 8 , 8 und unmittelbar vorher in 59,19 gezeigt hat, in Verbindung mit dem zweiten charakteristischen Ausdruck »Jahwes Arm«, wie in 40, 10 auch hier in 59, 16. Die ganze kommende Schilderung beherrschend, wird sofort in 60, 1. 2 wiederholt das eschatologischen kaböd, Jahwes Lichtglanz, genannt, und abwechselnd damit das schnell entstehende, mächtige Tageslicht des Orients ('ör, das Licht). Hierauf malt Kap. 60 die nahe Herrlichkeit des neuen Jerusalem. Ist die Annahme richtig, dass Kap. 60 direkt 59, 15b—20 fortsetzt und daher die Schlusspartie des Abschnittes ausmacht, muss m a n auch andere Verbindungskennzeichen erwarten. Besonders kommt dabei ausser 59, 20 der Aufschwung in 58, 8 ff. in Betracht in Verbindung mit dem Gegensatz zu den Zuständen, von denen 59,1—15a gesprochen hat. Bei der Untersuchung der Schilderung in Kap. 60 werden wir daher auf die möglichen Übereinstimmungen achten. Kap. 60: Zions grosses Glück. Der Übergang von Zion als Stadt zu Zion als Mutter ist ja leicht zu verstehen (gleiches Geschlecht) und ist wohlbekannt (49, 14 ff.). Hier wechselt das Bild verschiedene Male, schön geschildert bei G. A. Smith 464ff., bis von V. 10 ab »Stadt« die Oberhand besitzt. Ohne strenge Einteilung wickelt sich der Inhalt in deutlich erkennbaren Grup5*
68 peil ab, die ein geschlossenes Ganzes bilden 1 ). Der Prophet schreibt aus vollem Herzen. Welch mächtige Einleitung in V. 1—3, Kunst und Unmittelbarkeit verbindend! Der Prophet ruft Zion, das im nächtlichen Dunkel versunken liegt, dass sie eilends aufstehen solle, denn »dein Licht kommt«, bricht in einem Nu herein und vertreibt die Finsternis. Dieses Licht, das allein über Zion aufgeht, ist J a h w e u n d s e i n e H e r r l i c h k e i t , das einzige wirkliche Licht. Die Heidenwelt liegt dagegen im Dunkel. Die Völker der Erde und ihre Fürsten kommen daher in Bewegung und eilen nach Jerusalem und zu Israels Gott. — Gleichlautend finden wir kaböd in 60, 1. 2. 59, 19. 58, 8; die prophetischen Perfekta bä' (kommt) in 60, 1. 59, 2 0 ; L i c h t u n d F i n s t e r n i s abwechselnd in 60, 1. 2. 59, 9b. 10. 58, 8.10, zarah (aufgehen) in 60, 1. 2 und V. 3 (Glanz). 58, 10. V. 4—9 schildert den Zustrom nach Zion, sowohl zu Lande wie zu Wasser. Schon V. 3 sagte ihn voraus. Zion wird aufgefordert zu sehen, wer da kommt: alle ihre Kinder, die verstreuten Israeliten (der ganze V. 4), geführt und getragen von den Völkern. Zions Kinder werden zuerst und vor allem genannt. Aber zu gleicher Zeit ('äz, da) sieht sie verwundert und mit strahlender Freude, wie auch die Schätze des Meeres und die Reichtümer der Völker freiwillig zu ihr gebracht werden (V. 5). All dies, was Jerusalem seitens der Völker zugute kommt, sind Opfergaben an Israels Gott, der sein Volk verherrlicht. Der Gesichtspunkt des Propheten ist die Verherrlichung des Tempels und des Gottesdienstes (6b. 7. 9. 13). Reichtum wird das gemeinsame öffentliche Leben prägen statt der ärmlichen Verhältnisse. J a h w e s E h r e bildet den Haupteindruck der Besprechung des Zustromes dieser Reichtümer durch den Verfasser. Erst in V. 17 bei der Schilderung der wunderbaren Verwandlung von allen Dingen auf Zion, wo Salomons Reichtümer in Schatten treten werden, wird nicht mehr an das genannte besondere Ziel gedacht. In V. 6—7 und 8—9 wird V. 5 spezialisiert: zuerst wird der Karawanen der Sabäer und der Herden der Nomadenvölker gedacht, der Blick ist gegen Süden und Osten gerichtet; dann sieht man nach Westen zu den fernen Küstenländern und auf die stolzen Tarsisschiffe, die sich nähern, wie schwimmende Wolken und heimfliegende Tauben. Sie werden von Israels ' ) Elliger, 20 ff.
69 heiligem Gott angezogen. Wie V. 9a dasteht, »Denn auf mich warten die fernen Gestade«, ist er eine Wiederaufnahme von 42,4. 51,5 über die religiöse Sehnsucht; solche Anknüpfungen an Dtj. gibt es in dem Kapitel mehrere, z. B. V. 4 an 49,18. Der Text in V. 9 wird von G und den andern Übersetzungen gestützt und passt in den Zusammenhang, indem er den Eifer der Küstenländer, ihre Schiffe auszusenden, begründet. Die Bereitwilligkeit, Jahwe zu dienen, wird auch V. 6 und 7 hervorgehoben und für die fremden Gestade selbst noch einmal am Schluss von V. 9. Der Verfasser verweilt hierbei in seiner Freude ein wenig, bevor er die Schilderung des Kommens der Fahrzeuge mit den Tarsisschiffern an der Spitze fortsetzt. Duhms Änderung in: »Ja, mir sammeln sich die Seefahrer« (sijjlm), oder besser Buhl: kele 'ijjlm (»Das sind Schiffe, die schnell kommen«), ist also nicht notwendig und wirkt ein wenig prosaisch, da die Bilder der Dichtersprache in V. 8 am besten in Frageform o h n e Erklärung stehen; auch durch ein-nur stillschweigend vorausgesetztes »Das sind Schiffe« haben die Worte »An der Spitze Tarsisschiffe« dieselbe Verknüpfung, wie sie die Erklärung geben würde. — Von Übereinstimmungen zwischen den Kap. 60 und den vorausgehenden Teilen kann » N a m e « von Jahwe selber, 60, 9 zu 59, 19, angeführt werden. Von nun an verweilt der Verfasser bei Z i o n s e l b s t , teils, in V. 10—16, bei der Stadt und dem Tempel, teils, in V. 17—22, bei den innern Verhältnissen und dem Glückzustand der Einwohner. In V. 10—11 (12 ist unecht, auch in seinem Geist) wird der Maliern, die noch immer vermisst werden, und ihrer Tore gedacht. Jetzt bauen die Völker Jerusalems Mauern, u n d Könige stehen dieser dienenden Arbeit vor. Die Reichtümer strömen herbei. V. 13 spricht vom Tempel. Hier ist der Blick nach dem Norden gerichtet, der vierten Weltgegend. Das beste Bauholz, der Waldschmuck des Libanon, Cypressen, Ulmen und Serbinbäume (eine Cedernart), sollen gebracht werden, damit der »Fussschemel Jahwes«, der Tempel, verherrlicht werde. Der Tempel ist noch nicht gebaut. Zion selbst wird nun, V. 14 ff., die Freude aller Völker und wird »die Milch der Völker eintrinken und an den Brüsten der Könige saugen«, wie das für uns wenig schmackhafte Bild in V. 16 besagt. — Zur Verbindung mit Kap. 58. 59
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k ö n n e n auch hier einige Einzelheiten angeführt werden. Von den M a u e r n der Stadt hören wir 60, 10.18. 58, 12; Z i o n in 60, 14 als »Jahwes Stadt«, »das Zion des Heiligen Israels« erinnert inhaltlich an 59, 20; J a h w e i n d e r H ö h e , der T e m p e l n u r als die Stelle seiner Füsse, 60, 13 zu 58, 4; bedeutungsvoll ist go'el, dein Erlöser, 60, 16 zu 59, 20; u n d dein moSia, dein Retter, 60, 16 u n d vgl. 59, 17 jesu'ä, Heil. V. 17—22 schildert also schliesslich den ganzen verwandelten Zustand i m Volke Jahwes. Dieser zeigt sich 17a schon in J e r u salems äusserer Pracht u n d dem Reichtum ohne Gleichen, die Salomons Glanzzeit (1 Kön. 10, 17) weit überstrahlen. Der Rhythmus in 17 ist 2 + 2 . 2 + 2 u n d geht d a n n über in 3 + 3 . 3 + 3. D u h m streicht die Zeile von d e m Holz u n d Stein, k a u m mit Grund (ebenfalls A n k n ü p f u n g an 1 Kön. a. a. O.). Der Verfasser hat Geschmack f ü r ein wenig breitere rhetorische Ausmalung u n d vermeidet magere Schematisierung. Kittel u n d Köhler finden nichts einzuwenden. Mit V. 17b geht die Beschreibung auf die idealen sozialen Verhältnisse über. »Ruhe« (salöm) ist die Obrigkeit u n d »Gerechtigkeit« (sedaqä) der Herrscher. Mit allen Gewalttaten u n d Ungerechtigkeiten ist es im ganzen L a n d e vorbei, »Heil« (jesu'ä) ist die Stadtmauer, u n d »Lobgesang« (tehillä) ihre Tore d u r c h J a h w e s schirmende Macht. Weiter heisst es in 19—20, dass J a h w e selbst ihr Licht f ü r ewig ist. So wird der Beginn der Schilderung mit J a h w e s Lichtglanz, der übrigens m e h r ist als ein blosses Bild, wiederaufgenommen. Zions Trauertage sind u m . Denn alle Volksgenossen sind jetzt gerecht, Sünde ist nicht mehr zu finden, u n d sie besitzen f ü r ewig das L a n d (vgl. 57, 13). Als J a h w e s mit eigener H a n d angelegte Anpflanzung wird Israel üppig zur Verherrlichung des H e r r n in den Augen der Völkerwelt (21—22a). All dies, w a s diese Prophezeiung verkündet hat, wird J a h w e beschleunigen u n d erfüllen, w e n n es a n der Zeit ist (22b). — In diesem letzten Stück ist die Verbindung mit 58. 59 reichhaltig. Die Personifikation von » R u h e « (salöm) u n d »Ger e c h t i g k e i t « (sedaqä) entspricht 59, 14 mit »Recht« (mispät) u n d »Gerechtigkeit« (sedaqä), vgl. 59, 9 oder ähnliche Begriffe in 59, 8; besondere Übereinstimmung in 60, 18 » G e w a l t « u n d » U n f r i e d e « (söd va-seber) mit 59, 7, u n d ebenso 60,18 » G e w a l t t a t « ( h a m ä s ) mit 59, 6; s e d a q ä i m m e r wieder 60, 17.21
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(saddiqlm). 5 9 , 4 (sedeq). 9.14.16.17. 5 8 , 2 ; H e i l (jesuä) 60, 18. 59, 11.17. 57, 1 (Verbum); das Heil als L i c h t 60,19.20 zu 59,9. 5 8 , 8 . 1 0 . — Die Kennzeichen der Gemeinschaft mit Kap. 58, 59 sind so zahlreich und zum Teil geradezu beabsichtigt (besonders gegenüber 59, 1—15a), dass man die Frage nach der Zusammengehörigkeit bejahend beantworten muss. Kap. 60 g e h ö r t zu d e n v o r a u s g e h e n d e n K a p i t e l n 58 u n d 59 a l s e i n e m g e m e i n s a m e n G a n z e n , d a s in K a p . 60 i n der e s c h a t o l o g i s c h e n H o f f n u n g a u s m ü n d e t .
Zeitbestimmung des Abschnittes 58—60. Dass die Juden zum Teil wieder in Jerusalem sind, kann nicht bezweifelt werden. Die Heimwanderungsbilder in 5 8 , 8 . 1 1 sind eben nur Bilder. Die Zurückgekehrten fühlen sich noch wie halb im Exil, aber alles geht in Jerusalem vor sich, z. B. die Behandlung der Schuldner in Kap. 58. Alles zeigt jedoch Jerusalem in einem bedauernswerten Zustand. Gott scheint fern zu sein (58, 2), es wird an seiner Kraft und seinem Willen, zu helfen, gezweifelt (59, 1). Jerusalem fehlen seine Mauern, seine schützende Wehr (60,10.11. 60,18). Kap. 58,12 spricht von den »uralten Schutthaufen« und den »Grundmauern, die von Geschlecht zu Geschlecht dagelegen haben«, und dem Beinamen, den die Gemeinde bekommen solle, »Mauerbruchausbesserin« (von pères, Bresche, von einer Belagerung herrührend). Hier muss auf Jerusalems Mauer, die von den Chaldäern zerstört worden war (Jer. 39,8) 1 ), angespielt sein. Die Mauer in Neh. 1, 3 kann nur mit Esra 4 , 1 2 . 1 3 . 2 3 zusammengestellt werden und kommt für die Rede von den »uralten« Ruinen bei unserm Verfasser nicht in Betracht. Die sozialen Verhältnisse mit den verschuldeten Landsleuten und den harten jüdischen Gläubigern, mit all der Armut und dem Elend sind traurig (58, 3 ff.). Die Darstellung der Rechtsverhältnisse in 59, 3—8.13—15a ist, wie wir sehen werden, nicht ganz als eine Gegenwartsschilderung aufzufassen, sondern hat, trotz ihrer zweifellosen Verbindung mit der Gegenwart, vorexilische Färbung. Es werden Opferungen und Kultus vorausgesetzt (60, 7), ') Am Schluss des Verses liest Torrey »netusot« (Jer. 33,4): abgebrochene Gebäude.
72 ob aber die Kultusstätte noch mehr ist als Altar u n d Tempelplatz, ist eine Frage (vgl. 60, 13). Für Standpunkt A u m 460 wird Übereinstimmung mit der Schilderung der Notleidenden in Neh. 5, lff. angeführt. Damals herrschte geradezu Hungersnot, Söhne und Töchter mussten f ü r Getreide in Pfand gegeben werden, ebenso Felder, Weingärten und Häuser. Geld musste geliehen werden, u m die königlichen Steuern zu bezahlen. Das sind jedoch weit ärgere Zeiten als die in 5 8 , 4 . 6 . 7 . 9 . 1 0 erwähnten. Aber der Vergleich hat auch an sich wenig zu bedeuten, weil der g a n z e Zeitraum nach der Rückkehr teilweise analoge Fragen auf der Tagesordnung hatte, die Zeitpunkte B und C vermutlich ebenfalls, vgl. Hag. 1, 5 ff. Man könnte jedoch behaupten, dass Neh. 5, l f f . den Höhepunkt darstellt. Die Enttäuschung über das Ausbleiben des Heils geht auch weit zurück, besonders in der ersten Generation, als der Tempelbau verhindert wurde. Hier passt die ergreifende Klage 59,9—11 am besten hinein. Für die Zeitbestimmung muss m a n Anknüpfungspunkte besonders in dem, was über die Mauer und den Tempel gesagt wird, suchen. Die S t a d t m a u e r J e r u s a l e m s war zur Zeit des Standpunktes A das grosse Bedürfnis, den Tempel hatte m a n längst. Auch in B und C wurde nach den Mauern geseufzt. Man gewinnt durch die Trostrede Sacharjas in 2, 9, wo Jahwe seiner Stadt verspricht, dass er selbst ihre Mauer, »eine Feuermauer« rund u m sie, sein wolle, einen Einblick in diese Verhältnisse. Sogar v o r der Heimkehr wurde von Dtj. von dieser Wehr Jerusalems gesprochen: »Deine Mauern«, sagt Jahwe zu Zion, »stehen beständig vor meinem Angesicht« (49, 16, vgl. 51, 3. 52, 9. 54,11.12). In dem nachexilischen 5 8 , 1 2 mit den Ausdrücken »uralt« und »von Geschlecht zu Geschlecht« bezüglich der öden Grundmauern sieht Duhm einen Beweis für die späte Zeit. Aber dies heisst, all zuviel aus den hyperbolischen Ausdrücken zu schliessen, die sich 61, 4 wiederholen u n d k a u m mehr bedeuten als 49, 19 u. dgl. Trauer und Sehnsucht können wohl zwei Generationen als eine »Ewigkeit« ansehen. Jahwe selbst sagt in 42, 14 von dem Zeitraum des Exils: »Geschwiegen habe ich eine Ewigkeit« (mfoläm). Oder er wechselt den Ausdruck und nennt die Zeit des Exils »einen Augenblick« (54, 7, vgl. 57, 17. 60, 10). Wenn Jerusalem in 60, 15 »verlassen« genannt wird, ist es, wie
73 Elliger (89) bemerkt, doch zweifelhaft, ob sich dies u m die Mitte des 5. Jahrhunderts sagen liess, wogegen es besser in die früheren Stadien passt. Von den nationalen Trauertagen, mit denen auch Duhm in Kap. 58 rechnet, muss wohl dasselbe angenommen werden (vgl. Sach. 8, 19). Von besonderer Bedeutung gegen die Datierung auf die Zeit A ist der Umstand, dass aus 60, 13 hervorgeht, dass d e r T e m p e l n i c h t g e b a u t ist. Sowohl die Mauern und der Tempel fehlen und werden 60, 10—16 in der Schilderung der Dinge, denen jetzt in dem neuen Zustand Jerusalems abgeholfen werden soll, in die erste Reihe gestellt. Nach den Mauern mit ihren Toren (V. 10.11) erwarten die Zuhörer sofort bei den Worten »Libanons Pracht« eine Botschaft über den Tempel (V. 13). Man versteht ohne Erklärung, dass jetzt B a u h o l z vom Libanon, »die kostbaren Bauhölzer des Libanon« (Duhm), nach Zion kommen. Sie sollen »die Stätte meines Heiligtums (meine heilige Stätte, G, mit demselben Sinn) schmücken, und die Stätte, auf die ich trete, werde ich ehren.« Das ist der Tempel. Die Stadt ist schon genannt (dich). »Die Stätte meiner Füsse« bezeichnet den Tempel als einen Schemel (Ps. 132, 7. Hes. 43, 7), indem der Tempel (oder die Arche, 1 Chron. 28, 2) die Stelle ist, wo der Herr von seinem Hochsitz mit den Füssen die Erde berührt. Auch Ps. 99,5 ist »der Schemel seiner Füsse« der Tempel, der den Berg heiligt (V. 9). Was ist nun mit der herrlichen Botschaft über diese Gabe gemeint? Nichts anderes als d e r B a u v o n J a h w e s T e m p e l , wie in Haggai 1 , 8 : »Ziehet hinauf in die Berge und 'holet' Bauholz und bauet dann den Tempel!« Bei dem Ausdruck pe'er, schmücken, oder, übertragen, ehren und verherrlichen (60,7.9. 55, 5), k a n n nur ein Pedant an irgend ein Plankenwerk denken, an dem sich k a u m ein Dichter entflammen könnte. Hier ist vielmehr an die Hauptsache gedacht, den Tempel selbst und seine W i e d e r e r b a u u n g . Schmücken heisst aus dem besten Holze b a u e n . Duhm kommt an einer andern Stelle demselben Resultat n a h e : »Die kostbaren Bauhölzer des Libanon kommen, u m Jahwes Tempel auszuschmücken; dieser ist längst vorhanden, aber bis jetzt ein ärmlicher Notbau gewesen«. Notbau? Eine interimistische Kokolithkirche als Tempel in Jerusalem zur Zeit von A? Oder ein Tempel, der weder unfertig (seit 515) oder im Verfall war? Und wenn dies der Fall war, dann bedarf es der
74 Erklärung, wie m a n es sich im Jahre 460 dachte, Vorräte von »Balken« aus dem Libanon anzuwenden, um das guterhaltene Gebäude zu » s c h m ü c k e n « . Duhm wagt es nicht, die Bedeutung, den nachexilischen Tempel »umbauen«, anzuerkennen, und endet damit, das Angeführte zu dem »Tempel mit dem ganzen heiligen Bezirk, vielleicht der ganzen Stadt« werden zu lassen. Durch V. 13 werden die Verhältnisse in V. 7 über Nebajots Widder entschieden, die Jahwe mit Wohlbehagen auf seinem Altar zur Verherrlichung »meines heiligen Hauses« entgegennimmt. Die Erwähnung des Tempels ist also hier proleptisch. Zur Zeit ist eine Kultusstätte auf dem Tempelplatz, aber noch kein Tempel. Standpunkt B nach 515 ist also auch nicht möglich, u n d Elligers Versuch, die Stelle in die Jahre 519—515 zu verlegen, wo der Bau des Tempels schon im Gange war, und nur die Vollendung ausstand (88), ist zu sehr bei den Haaren herbeigezogen und hat die Parallele zwischen den Mauern und dem Tempel V. 10.11 und 13 gegen sich. Hag. 1, 8 lautete auch nicht auf Libanon und die Gabe der Fremden, sondern auf Judas Berge (Neh. 2, 8. 8, 15) und die eigene Arbeit. Gegen Duhms Standpunkt spricht weiter der stets entscheidende Umstand, dass Kap. 58—60 gar nicht von der E i n h e i r a t f r e m d e r W e i b e r spricht, die zu A's Zeit die jüdische Gesellschaft zu untergraben drohte. Schon u m das J a h r 500 oder sogar noch früher hat sich sicher diese Niedergangserscheinung gezeigt (vgl. Mal. 2, lOff. Esra 9, 1.2). Bei Sacharja 520 ff. hören wir noch nichts davon, obwohl m a n erwarten müsste, dass dies im Falle des Vorhandenseins in 7, 9 über die sozialen Sünden erwähnt würde. S a c h a r j a s P r o p h e z e i u n g i n K a p . 7. 8. vom Dezember 518 ist auch im ganzen ein Zeugnis dafür, dass Kap. 58—60 in ein früheres Stadium gehört. Hier sind dieselben ethischen Forderungen wie in 58. 59. 60, 17.18.21: Wahrhaftigkeit im Rechtsleben, Milde den Schuldnern und Rechtschaffenheit den Wehrlosen gegenüber. Ein Problem für jede Zeitbestimmung, sowohl A, B als C, ist d i e B e s c h r e i b u n g d e r s o z i a l e n S ü n d e n i n 5 9 , 1—15a. Wir haben schon bei 56,9 — 57,2 diese Frage berührt. Dort handelte es sich u m die vorexilische Gesellschaft in ihrer Schluss-
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periode, reif zum Gericht, die den Heimgekehrten als Jahwes Zuhörern geschildert wurde. Hier in Kap. 59 verhält es sich auf dieselbe Weise in V. 1—8 (die Anklage) und in 12—15a (die reuige Selbstanklage). S i e e r k e n n e n jetzt, d a s s d a s G e r i c h t d e s E x i l s m i t R e c h t ü b e r s i e g e k o m m e n ist. Und hiermit scheidet sie Jahwe aus dem Gericht aus und lässt das Heil für Zion aufgehen. Das Bestehen des jüdischen Staates in der Zeit vor dem Exil ist vorausgesetzt, z. B. in Vers 3 ff. Eine Macht über Leben und Tod wie in dieser Stelle hatten sie jedenfalls in Babylonien nicht; die Schilderung in V. 14.15a wird kaum von 57,1 übertroffen, wo wir in die bösen Tage in Jerusalem vor dem Exil zurückgeführt werden. Bei der Beschreibung 59,1—15a muss man auch mit dem Bewusstsein des solidarischen Zusammenhanges rechnen, das mit dem Gedanken, dass das Volk als solches Subjekt der Religion ist, eng verknüpft erscheint. Aber die Schilderung ist, alles in allem genommen, m e h r e i n f r e i e r e s Gemälde eines Propheten als eine Photographie sein e r e i g e n e n Zeit. Ein Bild der letztgenannten Art haben wir d a g e g e n in dem Eingehen d e s K a p i t e l s 5 8 auf ihre Unbarmherzigkeit und Härte, verbunden mit dem Mangel an Mitleid und Brudersinn gegen »dein eigenes Fleisch und Blut« (58,7), ihre eigenen jüdischen Landsleute. Die Ermahnung in Sach. 8,16f. zeigt, dass die düstere Schilderung in 59, 3 ff. auch teilweise Verknüpfung mit der Zeit B und C hatte. Für den Standpunkt A fehlt wieder jede Möglichkeit. Sogar eine frühe Zeitansetzung nach B, wie die Elligers, hat 60, 13 gegen sich. Gegen C ist nichts einzuwenden. Auch 59, 16 — dass niemand für Jahwes unterdrücktes Volk eingegriffen hat — kann in den Jahren unmittelbar nach der Verhinderung des Tempelbaues (536) zu seinem Recht kommen, obwohl Kyros noch lebte (gestorben 529); denn Esra 4, 5 zeigt, dass die Feinde der Juden mit ihren Verdächtigungen der Juden auch Kyros' Ohr gewannen. Aber noch ein Umstand spricht schliesslich für C allein, nämlich d i e a u g e n f ä l l i g e Ü b e r e i n s t i m m u n g ged a n k l i c h e r u n d s p r a c h l i c h e r Art z w i s c h e n 5 8 — 6 0 u n d d e m S t ü c k 5 7 , 1 4 — 2 1 a u s der Zeit C. Diese Gemeinsamkeit ist innerhalb 58 ff. vor allem in der Gotteserkenntnis und den Verheissungen 58, 8 ff. und 60, 17 ff. zu suchen. Die vier Prädikate Gottes in 57, 15a, »der Hohe
76 u n d der Erhabene, der Ewigwohnende u n d der Heilige« durchsetzen die folgenden Stellen von 15b bis 19 1 ). Und in denselben Gedanken lebt der Verfasser von 58—60. Darauf stösst der Leser besonders d u r c h die Wiederholung des Wortes qadöS, Israels H e i l i g e r 60, 9.14 gegenüber 57, 15, d a r a n schliessen sich d a s H o h e , 58, 4, u n d der Gegensatz d a s N i e d r i g e , 60, 13 (die Stätte meiner Füsse), vgl. 57, 15 »aber auch bei d e m Zermalmten«, also auf der E r d e in Jerusalem. Er schlug es in seinem Z o r n , 60, 10 zu 57, 16.17, u n d v e r b a r g s i c h , 59, 2 zu 57, 17, aber e r b a r m t s i c h in seiner Gnade, 60, 10 zu 57, 16 (geht nicht ewig ins Gericht). Er sah die W e g e s e i n e s A b f a l l s , wo k e i n F r i e d e (salöm, Glück) war, 59, 13a. 59, 8 u n d nochmals 57, 17.18, aber schenkt jetzt die F ü l l e d e s F r i e d e n s , 60,17.18 zu 57, 19, sowohl denen in der Ferne, die jetzt zurückgeholt werden, 60, 4 . 9 zu 57, 19, als denen a u f Z i o n , 59, 20. 60, 14b, d e m »nahe bei uns« in 57, 19 entspricht. Der Herr beendet ihre T r a u e r t a g e , 6 0 , 2 0 zu 5 7 , 1 9 , h e i l t sie, 5 8 , 8 zu 5 7 , 1 7 , 1 8 , u n d f ü h r t sie, 58, 11 vgl. 57, 18. Das ganze L a n d wird d e m Volk des Herrn gegeben, 58, 14. 60, 18.21 vgl. 57, 13. All dies widerfährt d e n v o n d e r S ü n d e B e k e h r t e n , 59, 20, aber die Gottlosen h a b e n keinen Frieden 57, 21. D e r A b s c h n i t t , d e r m i t K a p . 58 b e g i n n t , r e i c h t 1) b i s e i n s c h l i e s s l i c h K a p i t e l 6 0 u n d g e h ö r t 2 ) i n d i e s e l b e U m g e b u n g w i e 5 6 , 9 — 5 7 , 2 1 , i n d i e Z e i t C.
A b s c h n i t t 3. 6 1 — 6 3 , 6. Dieser Abschnitt, der d u r c h 61, 1—3 als P r o g r a m m deutlich zu einer Einheit zusammengefasst ist, hat nicht n u r in 61. 62 Ähnlichkeit mit 60, sondern auch in 63, 1—6 mit 59, 15 b—20. Das ganze Stück 61—63, 6 ist eine Parallele zu 59, 15b—60, 22, jedoch in umgekehrter Reihenfolge, so dass Jahwes T r i u m p h ü b e r die Feinde, mit d e m die Schilderung der Z u k u n f t an jener Stelle beginnt, in dem neuen Abschnitt den Abschluss bildet. Kap. 61 ist f ü r sich ein Ganzes. Kap. 62 schliesst sich in verschiedenen kleinen Stücken ebenfalls zu einem Ganzen von einem ') Krüger S. 23 : En effet, le Dieu haut et élevé consent à être avec l'homme contrit et humble d'esprit; le Dieu éternel ne veut pas garder une éternelle colère; le Dieu saint, irrité par les péchés d'Israël, veut guérir et consoler.
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Gepräge zusammen, und schliesslich erweist sich das stark markierte 63, 1—6 doch als der dritte Teil des Zusammenhanges. Kap. 61, 1—11 erster Teil. Der Sprecher führt sich selbst als Herold des kommenden Heils ein. Es ist der Prophet selber, was noch näher ausgeführt werden wird. Er weiss sich von Jahwe dazu ausgerüstet, die Befreiung des trauernden Israel in Verbindung mit einer neuen Ordnung der Dinge, einem »Gnadenjahr seitens Jahwe«, aber einem »Tag der Rache« über seine Feinde 1 ) zu verkünden (1—3). Nach den dichterischen Ausdrücken des Verses 3 über diese Verwandlung geht er über zu der Beschreibung der kommenden Herrlichkeit Israels, wo sich alles verändert hat. Die Ausländer dienen ihm als dem Volk, das der Herr gesegnet hat (4—9). Daran schliesst sich die jubelnde Lobpreisung Gottes durch sein erlöstes Volk, ein Hymnus als Abschluss des Stückes, weil Jahwe das Volk zur festlichen Freude über die Erlösung geführt hat, die ebenso sicher wie ein Frühling vor den Augen aller Völker hervorspriessen wird (10—11). Nach der Aussage über einen ewigen Pakt schliesst V. 9 die gewichtige Botschaft mit der Hervorhebung der Bewunderung des auserwählten Israel durch die Völker. Ein Zeichen für den Abschluss ist, wie Elliger bemerkt, das Fehlen des Parallelismus membrorum in 9b. Dass sich die überströmende Freude darauf in dem Danklied 10—11 äussert, ist schön und natürlich (Gunkel, Elliger). Duhm, Cheyne u. a. finden, dass V. 10 den Zusammenhang unterbricht; sie lassen daher die Hymne aus und knüpfen V. 11 unmittelbar an V. 9. Da aber V. 9 den Abschluss darstellt, scheint dieser Vorschlag in der Luft zu schweben. Man kann wohl Israels Freude in V. 9 über die Anerkennung durch die Völker verstehen, aber dasselbe sowohl in 9 als 11 unmittelbar nebeneinander zu wiederholen, ist, auch ästhetisch, zuviel des Guten. An V. 10 schliesst sich dagegen V. 11 auf ganz natürliche Weise an: die Freude über die Bekleidung mit den Gewändern des Heils und der Gerechtigkeit (V. 10) wird in V. 11 mit einem neuen und zukunftsverheissenden Bild wiederaufgenommen 2 ). ') Torrey übersetzt »requital« und b e m e r k t : »Vengeance« is not an adequate rendering of nägäm, either here or in 35, 4. 63, 4, and other similar passages. Notice the parallel words in the Hebrew text, and the renderings of the ancient translators. ' ) Vgl. Cramer Z . A . W . 1907, 8 6 : V. 11 zeigt » w a s für ein herrliches Gut diese Hechtsanweisung [die in V. 10 erwähnte] ist.«
78 Zu V. 7 eine kleine textkritische Bemerkung. Man liest mit Recht boStäm und (darnach) kl: »Weil »sie Scham erhielten« in doppeltem Masse« und dann in den Buchstaben j m v ein Substantiv, das kelimmä (Spott) entspricht, deshalb nicht jagön (Kummer), sondern va-röq: und Speichel, wie 50, 6 (Klostermann, Marti). Die Richtigkeit hiervon wird jedoch direkt durch den Text bestätigt, indem durch schlechte Schreibung eines p als "0 ein r n v entstanden ist, das (je)ronnu statt r q (röq) gelesen wurde. Die Frage, wer in V. 1 f. spricht, ob der Prophet selbst oder der aus 42, 1 ff. bekannte »Knecht Gottes«, der nach langer Unterbrechung vielleicht noch einmal das Wort ergreift, wird mehr und mehr in dem zweifellos richtigen Sinne beantwortet, dass es der P r o p h e t ist, der von sich selbst und seiner Aufgabe spricht. So schon Targum und später die meisten andern Kommentatoren, während andere sich für den »Knecht« entscheiden, z.B. unter den Jüngern Delitzsch, Driver, Orelli und zum Teil G. A. Smith 1 ). Die Anwendung der Stelle durch Jesus in Luk. 4, 18 f. enthält keinen entscheidenden Beweis für diese Personalfrage, sondern bezieht sich nur auf die Wahrheit des prophetischen Ideals, das er hier als seine Aufgabe vorgezeichnet sieht. Bezüglich der Übereinstimmung mit 42, 1 ff. ergibt sich, dass der Verfasser die Prophezeiung in 42, 7 über die Gefangenen und Blinden kennt. Die Salbung mit Jahwes Geist jedoch hat ihre Parallele in 48, 16b (siehe dort) und nicht in 42, lb, das auf einen anderen Weg führt (mispät). Und der Zweck ist, die Elenden und Trauernden zu t r ö s t e n , was seine Verbindung in 57, 15b. 19 findet. Die Übereinstimmung zwischen 61,1 ff. und 42,1 ff. ist sehr begrenzt. Weder in der Rede selbst, noch als Bemerkung wird in Kap. 61 »Jahwes Knecht« genannt, wogegen in allen »Gottesknechtprophezeiungen« der Knecht genannt wird (bei 50, 4—9 vgl. V. 10). Der Knecht sagt nicht »unser« Gott, wie 61, 2, sondern »mein« Gott 49, 4.5. Von den Leiden des Knechts, die schon die erste Gottesknechtprophezeiung ahnen lässt (42, la. 4a), ist hier keine Rede. Der Knecht weiss sich zu seiner Aufgabe mit Jahwes Geist ausgerüstet, wie auch der Prophet, aber i h r e ') In Hastings' »Dictionary« 1889, Artikel »Isaiah«, heisst es: . . . there is one more picture of the Servant 61,1 ff. — In »The Book of Isaiah« Vol. II 1927, 472 f. zieht Smith »den Propheten« vor.
79 A u f g a b e n s i n d n i c h t d i e s e l b e n . Der Prophet überbringt eine Botschaft; deshalb Verben wie bisser (V. 1), qara ( l b . 2a) und niham (2b, vgl. 40, 1), die auf den Knecht nicht angewendet werden; von 61, 4 an setzt die Mitteilung sich in einer ganz ähnlichen Verkündigung fort, wie sie der Prophet sonst bringt (z. B. 60, 1 ff.), nicht wie in den Gottesknechtprophezeiungen mit der Rede Gottes. Von dem tiefen religiös-moralischen Einfluss (mispät, 42, 3) auf Israel wird in 61, 1—3 nicht gesprochen. Die helfende und tröstende Tat gegenüber den »zermalmten Herzen« (d. h. den Trauernden 57, 15.18.19), den »Gefangenen« und den »Geblendeten« (vielleicht sanverim Gen. 19, 11. 2 Kön. 6, 18, statt »'asurim«, Köhler mit Hinweis auf TvcpXolq bei G) führt der Prophet d u r c h d i e F r e u d e n b o t s c h a f t v o n d e r B e f r e i u n g selbst aus. Dass der »Knecht Jahwes« in diese Befreiung eingreifen und ihr Führer sein werde, wird nicht angedeutet. J a h w e s e l b s t wird es tun (V. 2. 3), vergleiche, dass in 51, 4. 5 die Aufgabe des Knechts direkt auf Jahwe übertragen wird. Auf das richtige Verständnis dieser tatsächlichen Änderung werden wir in § 7 zurückkommen. Dass der Prophet in 61,1 — wer immer er nun sei —, sich selbst erwähnt, wie Dtj. in dem zweifellos echten 48, 16b, ist wahrscheinlich durch die Bedürfnisse der Zeit, die Gedrücktheit und den Zweifel bei seinen Zuhörern zu erklären. In den Zusammenhängen dieser Kapitel tritt dies noch hervor. Der gesamte Inhalt in 61, 1. 61, 10 (Wortführer des Volkes). 62, 1. 62, 6c. 7 ist die Rede des P r o p h e t e n . Er ist eine Stimme, welche »ruft« (61, 2, vgl. 40, 6). Die Zeitumstände, auf die wir hier hingedeutet haben, bestehen in den Erlebnissen, deren Entwicklung wir in den Abschnitten, die — nach unsern bisherigen Resultaten — von demselben nachexilischen Propheten stammen, verfolgen können. Es geht eine aufwärtssteigende Linie durch die Botschaften in 57, 14 ff., 58, 8 ff. und 60, 1—22, in welch letzterem Abschnitt der Himmel hoch und klar ist. Die Trauertage sind zu Ende: 60, 20. Wenn m a n voraussetzt, dass auch Kap. 61, 62 und wahrscheinlich ebenso 63, 7—64, 11 noch von demselben Verfasser stammen, liegt das Verhältnis zwischen 61 und 60 derart, dass der Himmel in 61 noch schön ist, der Prophet seiner Sache gewiss (V. 1) und voll Jubel (V. 10 f.); aber es wird immer wieder auffallend viel von »Traurigen« und »Mutlosen« (rüah kehäh), von
80 »Elenden« und »Zermalmten« gesprochen, und für »Trauer und Trauertracht« haben wir am Schluss von V. 2 und zu Beginn von V. 3 mindestens drei Ausdrücke. Deshalb setzt der Prophet so stark mit der Berufung auf seine Sendung und Ausrüstung ein. Er spricht dabei zu seinem eigenen Herzen. Wolken beginnen aufzutauchen. In Kap. 62 ist die Lage noch ungefähr die gleiche, aber die Wolken werden dichter; hier spricht der Prophet im stürmischen Gebet zu Gott für Jerusalem (V. 1. 6. 7). In Kap. 63,7—64,11 herrscht Unwetter; er ist in Angst, ob der Herr überhaupt eingreifen w i l l ( 6 3 , 1 5 . 1 9 . 6 4 , 6 . 8 . 1 1 ) . Die absteigende Linie ist deutlich; es muss gekämpft werden. Kap. 62, der zweite Teil des Abschnitts. Kap. 61 wurde mit dem Hymnus in V. 10—11 abgeschlossen. Jetzt wird in Kap. 62 selbständig, aber in einem verwandten Zusammenhang fortgesetzt. Jahwes Eingreifen sich vor Augen haltend, verkündet der Prophet Jerusalems Glanzzeit, sein Name wird sich wundervoll erneuen, und Zion selbst wie die funkelnde Königskrone werden, die Jahwe, sein Gott, in seiner Hand hält und betrachtet (1—3). Hier spricht wieder in V. 1 der Prophet — nicht Jahwe. Das Verbum haSäh, schweigen, kann von Jahwe gebraucht werden, wenn er den Dingen, ohne einzugreifen, ihren Lauf lässt (42, 14), oder wenn man glaubt, dass er so handle (57, 11. 64, 11). Wenn Jahwe seine Untätigkeit abbrechen will, geschieht dies nicht durch eine Reflexion wie hier, sondern durch sein Handeln; durch das K o m m e n des Heils bricht er — faktisch — sein Schweigen. Wenn Jahwe spräche, stünde, wie Buhl bemerkt, nicht »bis sein Recht aufgeht« jese", sondern Hifil 'osf, »bis ich es aufgehen lasse«. V. 1—3 ist die Einleitung zu der Verheissung in V. 4—5: Jerusalem als Jahwes Gemahlin. Der Rhythmus, in 1—3 und noch in 4a 3 + 3 (Köhler), geht in 4b—9 in 3 + 2 über, mit einer Halbzeile zu 3 am Schluss von V. 7. Statt des unnatürlichen Bildes in 5a, dass deine (Zions) »Söhne« dich heiraten, wie im Texte (mit Stütze in G), lesen Duhm u. a. mit Vokaländerung bonäjik (oder bonek) »dein Erbauer«, nämlich Gott. Aber der Gedanke an Gott als Zions Baumeister (54, 11) liegt diesem Zusammenhang zu fern. Dagegen könnte Buhls Vorschlag, »'elohäjik«, dein Gott, aus der nächsten Zeile, deren Schluss metrisch überfüllt ist, herüberzunehmen,
81 vielleicht die Schwierigkeit lösen, also: W i e der Jüngling eine Jungfrau, heiratet 'dein Gott' dich. Oder man könnte mit Köhler das genannte »bonäjik« (statt der Vokalisierung des Textes banäjik) lesen, aber als Mehrzahl: dich freien deine Erbauer. Dies knüpft an V. 4, was Stadt und Land betrifft, gut an. Mit V. 1—5 betrachten z. B. Skinner und Marty das erste Stück als abgeschlossen, worauf V. 6—9 als zweites Stück folgt. Aber wegen der Verbindung mit V. 1 ist es besser, V. 6. 7 mitzurechnen, und schliesslich gleitet V. 8. 9 mit Jahwes Eid, der Land und Stadt betrifft, wie in V. 4 und 5, mit in den Zusammenhang. Das erste Stück von Kap. 62 wird also von V. 1—9 gebildet, nämlich V. 1—3 als Einleitung und V. 4—9 die Verheissung, die beständig Stadt und Land betrifft. — V. 6, a.b kann (Elliger) als ein kurzes Jahwewort aufgefasst werden, wenn es heisst: »Ich gebe, Jerusalem, deine Mauern in den Schutz der Wächter«, denn es ist Jahwes Sache, derartiges zu beschicken. Diese Somerlm haben etwas, was die Mauern angeht, unaufhörlich zu überwachen, dass Jahwe die gefallenen Mauern wiederaufbauen wolle. Die schützende Mauer Jerusalems existiert also zur Zeit nicht. Sie sollen, wie es weiter heisst, nicht müde werden, Jahwe Tag und Nacht daran zu erinnern. An diese Wächter wendet sich also der Prophet in 6c und 7. Wenn auch der, Jahwes Ausspruch in 49, 16 (Deine Mauern sind beständig vor meinen Augen) entsprechende Gedanke in 62, 6a.b dadurch ausgedrückt werden könnte, dass man Jahwe sowohl Subjekt als Objekt in dieser Sache sein lässt, ist es auch denkbar, dass der Prophet selber in seiner stürmischen Fürbitte für das zerstörte Jerusalem (vgl. V. 1) die Wächter herausruft, weil er weiss, dass dies mit Jahwes eigenem Gedanken für sein Volk übereinstimmt. Jüdische Kommentatoren u. a. haben bei den »Wächtern« an eine Engelwacht gedacht, was wohl möglich ist, vielleicht als ein dreister bildlicher Ausdruck für das eigene Gebet des Propheten. Als eine Aufmunterung für die ausdauernde Fürbitte in V. 6.7 folgt in V. 8.9 eine Aussage, bestätigt durch den Schwur des Herrn bei seinem rechten, mächtigen Arm. Die Stärke des Ausdrucks zeigt, dass hier nicht von vereinzelten Plünderungen und Räubereien in der nachexilischen Zeit des Standpunktes A die Rede ist, wofür Duhm mit Mühe Beweise sucht, sondern allein von dem E x i l , wie in Klag. 5. 1 ff., dasselbe grosse »Nie wieder!« 6
82 wie in 52, 1, von dem, was sich niemals mehr wiederholen soll. In V. 9 ist »meine heiligen Vorhöfe« ebenso proleptisch wie »mein Tempel« und »meine Mauern« in 56, 5. Nun folgt in einem besonderen kleinen Stück V. 10—12 eine Wiederaufnahme der Botschaft von 40, 1—11 über die Heimkehr der Landflüchtigen nach Zion. Die Aussage passt in den Zusammenhang des im vorausgehenden von Zion Gesagten. Der ganze Text in 62, 10—12 hat Parallelen in Dtj.' Verheissungen, aber derart, dass die neuzeitlichen Kommentatoren mit Recht auch hier die nachexilische Situation konstatieren. Während es in den exilischen Stellen 48, 20. 52, 11 heisst »Zieh aus!« (se'u), nämlich aus Babel, heisst es in 62, 10 nur 'ibrü: »Geh durch die T o r e ! « Dies können die Tore J e r u s a l e m s sein. Die schon heimgekehrten Bewohner Jerusalems sollen hinauseilen, um den Zurückkehrenden den Weg zu ebnen. Durch Errichtung von Signalen sollen sie den Heiden, welche die Verstreuten zurückbringen, den Weg zeigen. Vgl. 49, 18. 22. 60, 4. 9. Die Israeliten kommen also von allen Weltgegenden, es sind nicht nur die in Babel Zurückgebliebenen. Die ganze Masse des »Volkes« kommt. Jerusalems »Tore« und »Mauern« wie auch die »Vorhöfe des Tempels« in V. 9 werden zu diesem Zeitpunkt nur in der Hoffnung besessen. Die ganze Aufforderung hat ihre nächste Parallele in dem gleichfalls nachexilischen 57, 14. V. 10 setzt rhythmisch mit 3 + 2 . 3 + 2 . 3 fort. In V. 11 spricht J a h w e zu allen Völkern der Erde. So sehr liegt dies J a h w e am Herzen, dass er selbst ( J a h w e vorangestellt) die Botschaft zur Kenntnis der Völker bringt. Diese Botschaft betrifft seinen Befehl, Zion zu verkünden: »Siehe, dein Heil k o m m t ! « In diese Verkündigung ist auch die Aussage von 40, 10 aufgenommen, jedoch mit dem abstrakten »dein Heil« statt des persönlichen »Jahwe kommt«. Die erste Erfüllung ist schon geschehen. Deshalb wird auch 40, 10a über Jahwes Arm nicht wieder aufgenommen. V. 12 bringt die Wirkung von Jahwes Kundmachung: Zion und sein Volk werden jetzt von der ganzen Welt verstanden und anerkannt. Kap. 63, 1—6 ist der dritte Teil des Abschnittes. Als Gegenstück zu Israels Heil wird hier J a h w e s s c h l i e s s l i c h e r T r i u m p h über die Feinde seines Reichs geschildert. E s ist die Ausführung des »Tages der Rache« in 61, 2 wie in einer
83 Vision (Gunkel XLIII f.). Diese verläuft in Frage und Antwort (V. 1), was sich wiederholt (2—6), grossartig in Bau und Poesie. Der Prophet sieht, wie sich aus der Richtung von Edom eine einsame Gestalt Jerusalem nähert, in hochroten Kleidern und in machtvoller Majestät. Verwundert fragt der Prophet, wer dieser sein könne. Die Antwort des Kommenden zeigt, dass es Jahwe ist: »Ich bin es, 'prächtig gekleidet' (hadür, wie im vorausgehenden) in Gerechtigkeit und mächtig zu helfen« (V. 1). Der Prophet fragt weiter, weshalb die Kleider des Herrn so rot seien wie die eines Winzers. Jahwe antwortet, dass er eben ein Winzer sei. »Denn nach dem Tage der Rache sehnte sich mein Herz«, damit das Jahr seiner Erlösung seinem leidenden Volk aufgehen könnte. Er war erstaunt gewesen, dass keines der Völker ihm beigestanden war. Jetzt hat er die Weinpresse allein getreten, sein Grimm hat ihm dabei geholfen, er hat die Völker in seinem Zorn zerstampft, so dass ihr Blut seine Kleider bespritzte, und ihr Lebenssaft zur Erde strömte (V. 2—6). In V. 4 folgt, nachdem die Hülle der Einleitung abgesponnen ist, die eigentliche B o t s c h a f t , das in 61, 2 erwähnte Kommen des Tages der Rache. Die Schilderung ist in V. 3 und 6 universell, also e s c h a t o l o g i s c h . Die Züchtigung der gottvergessenden Heiden ist die Voraussetzung für die Errichtung des Reiches Gottes. Nach dem Wortlaut des Textes in V. 1 wird Edom als der Ort genannt, von dem Jahwe nach Jerusalem zurückkehrt, u n d wo sich das Blutbad des Gerichts konzentriert hat. Wenn die gleich zu erwähnende Lesart Lagardes mehr als eine Kuriosität wäre, fällt zwar die besondere Erwähnung von Edom weg, aber der eschatologische Charakter wird nicht verändert. Diese Frage ist also von untergeordnetem Interesse. Buhl, der neben Duhm, Marti u. a. Lagardes Vorschlag aufgenommen hat, bemerkt mit Recht, dass die Bedeutung des Abschnittes gleich bleibt, auch wenn m a n der gewöhnlichen Lesart folgt, indem »Edom« d a n n als Vertreter der Völkerwelt auftritt. Lagardes bekannte Textänderung läuft darauf hinaus, die erste Zeile ohne die Namen Edom und Bosrä (die Hauptstadt der Edomiter), folgendermassen zu lesen: »Wer ist dieser, der »so rot« kommt (me-'oddäm), die Kleider röter als »ein Kelter-Treter« (miboser)?« Aber obwohl sich dies durch Vokaländerung tun lässt, spricht doch gegen diese Änderung der Umstand, dass »böser« 6*
84 nicht Keltertreter, sondern Traubenpflücker bedeutet, was in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Unterschied bedeutet. Weiters, dass die Namen Edom und Bosrä die eine so natürliche Zusammenstellung darstellen, sowohl von G als von Jes. 34, 6 gestützt werden. Der Text enthält ein Wortspiel zwischen Edom und däm (Blut) und 'adöm (rot), und ebenso zwischen Bosrä und böser (Traubenpflücker), was bei Lagardes Überführung in einfache Prosa verloren geht. Durch die Nennung von »Edom«, dem Todfeind Jerusalems in der Stunde der Not, und von »Bosrä«, der weinreichen Stadt, deutet der Witz des Dichters schon das Bild des Keltertreters an, das er gleich bei der Schilderung von Jahwes Gericht über die feindlichen Völker, an deren Spitze Edom gestellt werden kann, verwendet 1 ). Wir befinden uns also in der nachexilischen Zeit, ohne dass die Schilderung eine bestimmte zeitgeschichtliche Katastrophe berührt; alles liegt in der Zukunft, sowohl für Edom als für die übrige Völkerwelt. An die Verheerung Edoms durch die Araber, auf die Mal. 1, 2. 3 vielleicht hindeutet, kann hier nicht gedacht sein, u. a. weil dort eben »eines der Völker« eingegriffen hat (V. 3. 5). In die Zeit A kann man also das Stück nicht ansetzen. Infolge der Verbindung mit Kap. 61. 62 muss auch die Zeitanzetzung dieselbe sein wie in diesen Kapiteln. Einer frühen Ansetzung steht nichts im Wege. Auch in 63, 3. 5 ist, wie in 59, 16 mit Jahwes Klage, dass sich ihm niemand zur Verfügung stellt, das frühe C, die Lebenszeit Kyros' (gestorben 529), nicht ausgeschlossen. In ihm hatte Jahwe ein Werkzeug nach seinem Herzen zur Züchtigung Babels und zur Befreiung Israels gehabt, aber Kyros' Verhältnis zu den heimgekehrten Juden kühlte sich ab (Esra 4, 5). In den Jahren nach dem grossen Umschlag 536 trat bald der Zustand ein, dass sich bei »den sorglosen Heiden« nichts zugunsten des leidenden Israel rührte, wie Sacharja 519 von der Weltlage sagt. Und Kyros' spätere Jahre waren religiös gesehen nicht anders. Ein sehnsuchtsvoll wartender Prophet musste schon damals sagen: Kein Helfer. ') The textual changes are slight, but Cheyne shewed the sounder judgement in rejecting the emendations (so Kittel, Gressmann, Littmann and Whitehouse), ist das Urteil eines Engländers, Skinner 215. Vgl. Wade, G. A. Smith, Torrey. — Über das Verhältnis zwischen Edom und J u d a von Nebukadnesars Zeit ab siehe Buhl »Geschichte der Edomiter« 1893, 70 ff.
85 Wir wollen n u n den gesamten Abschnitt 61—63, 6 bezüglich der Z e i t b e s t i m m u n g und seiner engen Verbindung mit dem Vorausgehenden untersuchen. Die Heimgekehrten sind — diese Situation dürfen wir voraussetzen — mutlos und fühlen sich so, als wäre das Exil noch nicht vorbei. Jerusalem u n d die Städte liegen zum grossen Teil in Ruinen (61, 4), aber die Schmach des Exils ist doch u m (61, 7. 8). Sie selbst sind noch tief niedergebeugt (61, 1—3). Jerusalem entbehrt noch schmerzlich seine schützende Mauern (62, 6. 7). Es fühlt sich einsam und von den Menschen verlassen (62, 12). Hier ist nichts, was den Standp u n k t A wahrscheinlich machen könnte, ja, Edoms zuversichtlicher Zustand weist zurück nach B oder C. Die lange, öde Zeit des Exils ist überstanden (61, 4 vgl. 58, 12), aber Stadt und Land tragen noch überall die Zeichen der Zerstörung. Die enge Verwandtschaft zwischen den Kapiteln 60. 61 und 62 wird von allen Seiten anerkannt. »Ein kleines Buch für sich«, sagt z. B. Budde, »bilden die Kapitel 60—62«. »Dass die drei Kapitel denselben Verfasser haben, darf m a n als so gut wie sicher bezeichnen« (Budde 703, vgl. 707). Sehr richtig bemerkt Budde, dass Kap. 60 »das zuversichtlichste, überschwänglichste Stück«, und dass in 61 der Klang weniger hell, »der Jubel zum Trost geworden« ist. »In Kap. 62 vollends bricht sich die Ungeduld Bahn, und der Tröster wird Jahwe gegenüber geradezu zum Mahner.« 59, 15b—20 und das verwandte 63, 1—6 will Budde dagegen einem späteren Verfasser zuschreiben und betrachtet sie als ein Stück mit 59, 15b ff. als Beginn und, durch den Einschub des »kleinen Buches« 60—62 hiervon getrennt, 63, 1 ff. als Schluss. Dies ist unmöglich, weil 63, 1 ff. in 61, 2 verankert ist, und weil 59, 15b ff. seinerseits die eschatologische Schilderung von Zion innerhalb des Ganzen, Kap. 58—60, einleitet. Dagegen k a n n mit Recht hervorgehoben werden, dass 59, 15b ff. u n d 63, 1—6 parallel sind, sie literarisch zu vereinigen, ist dagegen gekünstelt. Budde findet den handgreiflichen Einheitsbeweis in 63, 5 gegenüber 59, 16. Aber diese Wiederholung schliesst eher die l i t e r a r i s c h e Einheit aus, die Budde anstrebt, wogegen man an sich wohl denken kann, dass derselbe Verfasser dasselbe Wort noch einmal in einer späteren Verbindung gebraucht. Die Rüstung des Kriegers in 59 und die an und für sich nicht merkwürdige Kleidung des Keltertreters können ja
86 dichterisch in gar keine Verbindung gesetzt werden. Nicht die beiden äussersten Stücke, 59, 15 ff. und 63, 1 ff., sondern die zwei in sich geschlossenen Abschnitte, 59, 15b—60, 22 einerseits und 61—63, 6 andererseits, können einander gegenübergestellt werden, jeder den »Tag der Rache« als Glied in Israels Heil enthaltend. Jahwes Triumph über die Heiden war für die alttest. Eschatologie an sich eine Verheissung, kein bedauerlicher Nebenumstand bei Zions Heil. G e d a n k e n u n d A u s d r ü c k e im e i n z e l n e n bekräftigen den Eindruck einer engen Verwandtschaft mit dem vorausgehenden Abschnitt in Kap. 58—60. Die P e r s ö n l i c h k e i t des P r o p h e t e n , voll von heiliger Kraft, in 6 1 , 1 . 2 . 1 0 . 6 2 , 1 . 6 . 7 , entspricht dem Verkündiger, dem wir in 6 0 , 1 . 2 . 58,1 begegnen. Z i o n s k o m m e n d e H e r r l i c h k e i t in Kap. 61 und 62 entspricht Kap. 60 und verwandten Aussagen in 5 8 , 8 ff. 57, 14 ff. Für Z i o n s m u t l o s e n Z u s t a n d werden in 61, 1—3 Bilder gebraucht, denen besonders 57,15b. 18.19 genau entspricht: trauernde ('abellm) in beiden Reihen, auch 60, 2 0 ; zerbrochene — oder zermalmte; verbinden — oder heilen; rüah kehäh (Mutlosigkeit) — sefal rüah (niedergebeugt); Asche 61, 3 — Sack und Asche 58, 5; dazu das Bild von der verlassenen Hausfrau, auf das wir bei 62, 4 gegenüber 60, 15 zurückkommen. Das Bild von dem Freiheits- oder Jobeljahr (Lev. 25, 10) für die Gefangenen, das sich in senät-rasön, Gnadenjahr, 61, 2 findet und schon in dem Ausdruck »die Gefangenen« zu spüren ist, hat in den andern Verheissungen allerdings nichts direkt Entsprechendes, ein Anklang von B e f r e i u n g ist jedoch in den gemeinsamen Ausdrücken für Heil jesa und jeSuä und Gerechtigkeit sedaqä und sideq in 61, 10.11b. 62, 1.2a. 11. 63, 1 gegenüber 60,16. 59,17 (und Stellen, wo das verwandte mispät (Genugtuung, Eingreifen) neben sedaqä gebraucht wird: 59, 9. 11). Auch die Verheissung von Jahwes R a c h e ( n ä q ä m ) an seinen Feinden, die oft zugleich die Unterdrücker seines Volkes sind, ist gemeinsam: 61, 2. 6 3 , 4 gegenüber 5 9 , 1 7 ; ebenso sein m ä c h t i g e r A r m 6 2 , 8 . 63, 5 gegenüber 59, 16, vgl. den Ausdruck »der Starke Jakobs« in 60, 16. Auch J a h w e a l s go'el, Israels Beschützer und Erlöser, finden wir beiderseits: in 62, 12 »ge'ule Jahve«, die Erlösten des Herrn, und 63, 4 »mein Erlösungsjahr« (vgl. Buhl), gleichbedeutend mit Gnadenjahr in 61, 2 gegenüber 60, 16. 59, 20.
87 Israel ist eine P f l a n z u n g J a h w e s 61, 3—60, 21 (in enger Verbindung). Von dem E w i g e n u n d S i c h e r e n ist beiderseits oft die Rede: 61, 8. 61, 7. 61, 3 (immergrüne). 62, 8—60, 15. 18. 19. 20. 21. 58, 11. 57, 15. Das Bild vom L i c h t , in 58, 8 ff. 59, 9 ff. 60, 1 ff. 19 f. so beliebt, dominiert hier nicht so sehr, aber findet sich ganz ähnlich in 62, 1 und ist in 61, 1 im Bewusstsein des Verfassers. In 57, 14 ff. ist es nicht angewandet. Die Heimgekehrten werden d i e u r a l t e n T r ü m m e r bauen, und Glück wird ihnen zuteil werden. Davon wird gleichlautend in 61, 4 und 58, 12 gesprochen. Wie 62, 6. 7 zeigt, wird vor allem an Zions Mauern gedacht. Von der D i e n s t b a r k e i t d e r V ö l k e r s c h a f t e n u n d i h r e r K ö n i g e strömt Kap. 60 in V.4—9 und 10—16 über. Eine Nachlese bringt Kap. 61, 5. 6. 9. I I b und 62, 2. 12. Die Fremden, die sich in 60, 10. 11 zu Mitarbeitern und Handwerkern beim Bau von Jerusalems Mauern für Jahwes Volk machten, arbeiten in 61, 5 auch freiwillig als Feldarbeiter u n d Winzer für Israel und zu Ehren Jahwes. Der Zusammenhang des Folgenden lässt V. 5 dahin verstehen, dass es den Völkern d a r u m zu tun sei, sich als Israels Freunde zu zeigen statt wie früher als seine Feinde. V. 5 f. bedeutet jedoch nicht, dass sich der Verfasser denkt, die Israeliten sollten nicht mehr arbeiten und sich n u r damit beschäftigen, von religiösen Dingen zu sprechen, wie es Duhm ausmalt; in 65, 21. 22 beschäftigen sie sich ja wie andere Menschen mit den gewöhnlichen irdischen Angelegenheiten. Einen kultverdienstlichen Gedankengang aus V. 5 f. herauszulesen, ist im übrigen ganz verfehlt und widerspricht der bekannten vollen Wahrheitsforderung des Verfassers im Verhältnis zu Jahwe. Hierüber sei auf Elliger S. 91 verwiesen. Dass J a h w e b e s t i m m t , wird sowohl 62, 2 als 60, 22 hervorgehoben. Zion als d i e v e r l a s s e n e G a t t i n , 'azubä, wird aufs neue J a h w e s G e m a h l i n , beulä: 62, 4. 5—60, 15 (vgl. 54, 6). In 60, 15 wird auch gesprochen von »gescheut vom Verkehr der Menschen« wie in 62, 12 (Nifal), aber in 'azubä und senu'ä, »verlassen« und »verhasst« (vernachlässigt) ist stillschweigend »von Gott« vorausgesetzt, also das Bild von der Hausfrau. D i e b e i d e n S c h i l d e r u n g e n v o n J a h w e als Keltertreter in 63, 1 ff. und als Krieger in 59, 15b ff. sind voll von gemeinsamen Ausdrücken: J a h w e s V e r w u n d e r u n g 63, 3a. 5 und 59, 16, gleichlautend; s e i n A r m als seine einzige Zuflucht 63, 5 und
88 59, 16; eine Reihe Ausdrücke wie M a j e s t ä t , K r a f t , Z o r n , G r i m m , R a c h e in 63, 2. 3. 4. 5. 6 und 59, 15b. 17. 18 (60, 16 »Jakobs Gewaltiger« und 61, 8 die Superlative »lieben« und »hassen«); und sedaqä sowie hoiia gegenüber sedaqä sowie jesu'ä in 59, 17. — Zu der Geschlossenheit des Abschnittes im ganzen gehört auch die ständige Berührung mit Dtj. und die gemeinsame Eigenart in 62, 10—12 und 57, 14 gegenüber der G r u n d v e r h e i s s u n g v o n K a p . 4 0 , 3 ff. Die Abschnitte 61—63, 6 und 58—60 gehören also eng zusammen, Kap. 61—63, 6 ist w i e d e r u m d e r Z e i t C z u z u r e c h nen. A b s c h n i t t 4. 63, 7—64, 11. Gebet u m das E i n g r e i f e n des Herrn. Ein Klagegebet, wobei der Prophet der Wortführer seines Volkes ist. Es gliedert sich in zwei Teile: 63, 7—Ii und 63, 15— 6k, 11. Die Klage beginnt, wie so oft im A.T., mit einem dankbaren Rückblick auf Jahwes Gnadenwerke in den Tagen der Vorzeit, wo seine Liebe zu seinem Volke noch keine Enttäuschung erlitten hatte. Er hob sie auf und trug sie alle Tage der Vorzeit, bis sie selbst durch ihre Widerspenstigkeit das Glück seiner Güte verscherzten (V. 7—10). In dem verdienten Missgeschick (dem Exil), von dem ihr Glück abgelöst wurde, gedachten sie sehnsuchtsvoll der Zeit des Moses unter der wunderbaren Führung des Herrn, u n d wie er sich seinen berühmten Namen erwarb (V. 11—14). Mit einer Anrufung des Herrn am Schluss von V. 14 geht das Gebet jetzt über zu seinem Hauptstück, dem eigentlichen Klagegebet in 63,15—64,11, das bewegt in drei Wendungen, V. 15—19a, 19b—64, 6 und 64,7—11, abläuft. Bei Erkenntnis der Sünde des Volkes (V. 17. 64, 5. 6) bestürmt der Prophet in abwechselnden Erwägungen Jahwe, ihren Gott und Vater, einzugreifen und durch neue Wundertaten sein Volk aus dessen hilflosem Zustand zu erretten. Im Rhythmus ist der Übergang zwischen den beiden Stücken an dem vorherrschenden 3 + 2 in 63, 7—14 (in 14b 3 + 3, Köhler), dagegen 3 + 3 von 63, 15 ff. an (etwas mit 2 + 2 gemischt) zu erkennen, was Duhms Verbindung von V. 15. 16 mit dem Vorausgehenden widerlegt. V. I I a ist ein einzelner Dreier: »Da dachte sein Volk an die
89 alten Tage« (Köhler), »Mose« eine an und für sich richtige Glosse. Eine Änderung in die erste Person, »da dachte ich«, gesagt von dem Dichter, dessen Frage dann im folgenden angeführt wird (Elliger), ist nicht notwendig; nach dem Rückblick des Volkes folgt z u m S c h l u s s in 1 4 b der Übergang zur ersten Person mit der persönlichen Bitte des Dichters an Jahwe. Man könnte annehmen, dass dieser eigentümliche Abschnitt wegen 64, 9. 10, wornach auch der Text in 63, 18 verstanden werden muss, aus dem Exil stammt, wo der Tempel niedergebrannt und Jerusalem und die andern Städte Judas öde und wüst waren. Dies tut noch Budde, der diese Stelle in die Zeit 586—538 verlegt. Dann aber müsste das Gebet darauf hinauslaufen, von Babel heimkehren zu können. Aber nicht hiervon wird gesprochen, sondern von Jahwes Ausbleiben, das sie zur Verzweiflung bringt. Das »Wir«, in dessen Namen der Prophet klagt, ist die Gemeinde Zions. D i e a u s d e m E x i l H e i m g e k e h r t e n sind in so weit wieder sein Volk (sein eigenes Volk 63, 17) mit der Einheit, die ihnen in der Zerstreuung versagt war. Sie sind in 64, 8. 9 ein Ganzes, ein 'am (Volk) und haben Jerusalem und die andern wüsten Städte vor ihren Augen. Aber wie kann sich Jahwe darein finden, dass sein Heiligtum, ihr heiliger und herrlicher Tempel, entheiligt und in Ruinen liegen bleibt? Sie sind ein Volk ohne Herrscher, sie vermissen Jahwes erkennbare Nähe, und das Ziel des Gebetes ist, Jahwe dazu zu bewegen, in seiner ganzen Macht herabzusteigen und nicht länger sein Antlitz vor ihnen zu verhüllen, sondern sich väterlich für sie zu interessieren und zu ihnen zurückzukehren. Durch das beständige Ausbleiben der Gnade des Herrn ist ihr Zustand ganz schlaff und verhärtet geworden. Sie fühlen sich wie unter »einem ewigen Zorn« (64, 4 mit Dillmann, der Text ist allerdings unsicher) und werden hierdurch immer tiefer in Sündhaftigkeit getrieben, wie wiederholt, in 63, 17 und 64, 4b ff., hervorgehoben wird. Die Klage schliesst mit dem Hinweis, dass sie ohne Tempel die Lobpreisung ihrer Väter auf der heiligen Stätte nicht wiederaufzunehmen vermöchten (64, 10). Innerhalb der nachexilischen Periode muss jedoch der Zeitpunkt für 63, 7—64, 11 zu deren B e g i n n gesucht werden. Als Voraussetzung hat man die Katastrophe des Tempelbrandes 586 (2. Kön. 25, 9). Hierüber werden wir durch die Erwähnung der
90 t o t a l e n Zerstörung des Tempels in 64, 10 und durch 63, 18 orientiert. Deshalb stimmen auch viele von den jüngern Kommentatoren in der Zeit 538—520 überein, z. B. Gressmann und Littmann, Skinner, Whitehouse, Marty und jetzt Elliger. V. 18 in Kap. 63 ist offenbar von 64, 10 aus zu verstehen. In V. 18b heisst es: unsere Feinde haben deinen Tempel niedergestampft (öosesu). In 18a war der Text unverständlich, bis Bredenkamp die Buchstaben 1 m als das Klagewort lam-mäh, weshalb, deutete, und Marti hierauf die ganze Reihe 1 m s'r als lam-mäh si'aru (reSaim qod&eka) = Warum haben Gottlose (Heiden) dein Heiligtum verhöhnt?, las 1 ). Also die Entheiligung des Tempels durch dieselbe Zerstörung wie in 64, 10. Die Lesung si'aru muss dem sa'adu bei Condamin und Buhl vorgezogen werden, weil letzteres das gravitätische »schreiten, betreten« bedeutet. Elliger, der auch sa r adu hat, fügt vorsichtig hinzu: wenn das »sie zerstampften« heissen kann. Eine derart verzweifelte Klage, wie sie die ganze jüdische Gemeinde durch den Mund des Propheten vorbringt, scheint auf einen ganz bestimmten Anlass zurückzuführen zu sein. Und der Schmerz wird von allen so brennend gefühlt, dass an ein eben durchgemachtes Erlebnis, das ihre Hoffnung und ihr Glück zermalmte, gedacht werden muss. Elliger hat das Gefühl, der Verfasser selbst sei »vielleicht eben zurückgekehrt« (98). Die Gültigkeit dieses Ausspruchs könnte vielleicht auf a l l e Teilnehmer dieser Volksklage ausgedehnt werden. Mit andern Worten: Es ist d a s U n g l ü c k v o n 536, als es den Feinden Israels gelang, die Fortsetzung des Wiederaufbaues von Jahwes Tempel zu verhindern. Da schien die Zukunft ganz hoffnungslos gestrandet zu sein, wie wenn Strandung »zum blauen Lehmboden« geht. Kein menschlicher Helfer zeigte sich (Esra 4, 4. 5). Nirgends ist wohl D u h m s Grundfehler in der Zeitansetzung der Kap. 56—66 so augenfällig wie hier. Um bei seinem Tritojesaja aus der Mitte des 5. Jahrhunderts bleiben zu können, gibt Duhm zu 64, 10 die Erklärung, dass Serubabels Tempel, ') Ebenso Torrey (464): I had myself made this emendation before noticing that it had been made by Marti. The verb here conjectured is known in late Hebrew and Aramaic and is especially common in Syriac. The prophet refers here, in the usual manner, to the destruction of Solomon's temple. »Profanation« exactly as in Ezek. 25, 3.
91 der längst bestand, dem Verfasser kein Ersatz für das zerstörte Salomonische Heiligtum zu sein deuchte, dessen Vernichtung deshalb hier so heiss beweint wird. Aber sowohl V. 9 als V. 10 sind, jeder für sich und beide zusammen, eine G e g e n w a r t s s c h i l d e r u n g , die zu Tritojesajas Zeit längst in jeder Beziehung veraltet war. Die Ruinen, von denen in V. 9 und 10 gesprochen wird, gab es nicht mehr. Wie sollte jemand sich selbst und das ganze Volk zu einer solchen Klage bringen, wie wir sie hier hören? Kap. 64, 10 betrifft also allem Anscheine nach den Untergang des Salomonischen Tempels. Dies wird auch von Duhm und von Kosters, dessen Auffassung mit der Duhms naheverwandt ist, bestätigt. Andere Zerstörungen des jüdischen Tempels sind auch nicht bekannt. Die makkabäische Zeit und die Entheiligung durch Antiochus Epiphanes führte ja nur im Jahre 165 zu einer Reinigung des bestehenden Tempels. Mehr Aufmerksamkeit hat die Annahme Kuenens und Cramers erregt, die zum Teil von Kittel und Buhl gestützt wird. Sie läuft darauf hinaus, dass die Samaritaner zugleich mit der Niederreissung der in Neh. 1, 3 erwähnten Ringmauerbauten in Jerusalem, kurz vor Nehemias Ankunft, auch den Tempel zerstört hätten. Hierüber wird jedoch nirgends etwas berichtet. Wie hätte dies in Neh. 1, 3 unerwähnt bleiben können? Von einer solchen, den Tempel betreffenden Begebenheit mitten im 5. Jahrhundert ist daher abzusehen. Die Mauer, von der gesprochen wird, findet augenscheinlich in Esra 4, 12. 23 ihre Erklärung. Von Plünderungen des Tempels hören wir bei gewissen Gelegenheiten, so die durch Antiochus 1. Makk. 1, 21 ff. 4, 38, was jedoch ganz etwas anderes ist als ein völliger Untergang. Auf diesen späten Zeitpunkt will Marti ohne Grund 64, 9—11 ansetzen, während er in 63, 18 nur feindselige Verhöhnungen des Serubabelschen Tempels zur Zeit des »Tritojesaja« sieht, eine ganz willkürliche Unterscheidung, die von bosesü, sie haben deinen Tempel n i e d e r g e s t a m p f t , wiederlegt wird (Elliger). Eine weitere, aber wenig wahrscheinliche Hypothese hat Cheyne aufgestellt. Er nimmt an, dass der jüdische Tempel bei dem jüdischen Aufstand unter Artaxerxes III. (359— 338) zerstört worden sei, wo Josephus berichtet, dass viele Juden nach Hyrkanien deportiert wurden, und der Heide Bagoses in den Tempel eindrang. Auf dieses Ereignis bezieht Cheyne 63,7—
92 64, 11 und bringt hiermit Ps. 74 und 79 in Verbindung. Diese Psalmen können sich möglicherweise auf die genannte Bedrängnis beziehen, aber auch dann genügen die Andeutungen nicht, um mit einer vollständigen Zerstörung und Niederreissung des Tempels zu rechnen. Der Hauptsache nach handelt es sich wiederum um eine rohe Plünderung desselben (vgl. Gunkel »Die Psalmen«), Im Buche Jesaja ist die Zerstörung total, der Tempel niedergebrannt und ein Schutthaufen geworden (64,10). Jerusalem ist es ebenso ergangen, auch den Städten J u d a s (64, 9). In V. 10 muss »unsere teuern Stätten« heilige Lokalitäten im Tempel bedeuten, aber viele Hss. haben die Einzahl, mahmäd, von dem Tempel selbst, vgl. Hes. 24, 21. 25. So übersetzt Köhler mit metrischer Auslassung von »kol«: »Es ward zum Feuerbrand, unser K l e i n o d zur Öde«. — Mit Recht charakterisiert Budde alle diese Versuche, zu dem Ereignis 586 einen Doppelgänger zu finden, von dem uns jedoch nicht die geringste Nachricht bewahrt ist, als verfehlt. Der Ton in dem Gebet 63, 7—64, 11 ist mit dem der Klagelieder verwandt. Besonders erinnert er an Klag. 5, 20—22. Die Verwandtschaft mit diesen exilischen Gebeten ist ja nichts Auffallendes, da auch 63, 7 ff. einen gleichen Zweck und wahrscheinlich ebenso liturgischen Ursprung hat wie diese. Da das Gebet in der Gruppe 56, 9—66 kein Seitenstück hat, ist leicht zu verstehen, dass es eine gewisse Selbständigkeit besitzt. Obschon es aber unter diesen Umständen nicht zu direkten Wiederaufnahmen von Aussagen des Dtj. kommt, wie so oft sonst, passt das Gebet doch inhaltlich gut in den Zusammenhang, und in den G e d a n k e n u n d A u s d r ü c k e n beweist der Abschnitt zur Genüge seine Verwandtschaft mit dem vorausgehenden. Die Vergleichung muss vor allem die Gedanken über Gottes Erhabenheit, seine augenblickliche Ferne, die Sehnsucht nach seinem Eingreifen und vielleicht die Selbsterkenntnis der Klagenden in dem Gebete berücksichtigen. Schon in 63, 7 erinnert tehillöt Jahve, die Lobpreisung der glorreichen Werke Jahwes, an 60, 6; auch ke-'al (Präp. »entsprechend«) 6 3 , 7 an 5 9 , 1 8 ; moSia', Erlöser, 6 3 , 8 : 6 0 , 1 6 ; ga'al, erlösen, 6 3 , 9 . 1 6 : 60,16. 59,20, Jahwes wundertätiger Arm 63, 12: 63,5. 62,8. 59,16. G o t t e s E r h a b e n h e i t , s e i n e h e i l i g e u n d h e r r l i c h e W o h n u n g i m H i m m e l 63, 15. 19
93 entspricht 57, 15, der Hohe und Erhabene, der Ewigthronende, dessen Name H e i l i g e r ist. Das Prädikat »heilig« für alles, was von dem erhabenen Gott stammt oder ihm angehört, prägt die Sprache des Gebets: 6 3 , 1 0 . 1 1 . 1 5 . 1 8 . 6 4 , 9 . 1 0 . In dieser seiner Erhabenheit hat er m i t t e n i n s e i n e m V o l k e w e i l e n w o l l e n , und er selbst hat sie aus ihrer Bedrängnis befreit, sie aufgehoben und getragen wie seine Kinder in allen Tagen der Vorzeit 63, 9 (wo das 15, er selbst, von 17 Hss. sicher vorgezogen werden muss). Sie haben seit der Zeit des Moses den Eifer (qin'ä) und die Allmacht des Herrn erfahren, seinen bewegten Sinn und sein Mitleid, 63, 15, u n d seine väterliche Fürsorge 63, 16. 64, 7 — vgl. »Israels Heiliger« 60, 9. 14, was ausdrückt, dass er trotz seiner Unzugänglichkeit sich zu seinem Volk bekennt, — und 57, 17 (qin'ä). 57, 15b. 16. Jetzt hat aber Jahwe im Z o r n , 6 4 , 4 . 8 : 60,10. 5 7 , 1 7 , s e i n A n t l i t z v e r h ü l l t , 6 4 , 6 : 5 9 , 2 . 57,17, er s c h w e i g t 6 4 , 1 1 : 57,11, und h ö r t n i c h t 6 2 , 6 . 7 : 5 9 , 2 . Der Verbindung zwischen dem U n g l ü c k d e s V o l k e s u n d s e i n e r S ü n d e in 63, 10 entspricht 59, 9 ff. und an beiden Stellen fasst sich der Prophet mit seinem Volk zusammen, »wir« in 63,17. 64, 4b ff.: 5 9 , 1 2 . 1 3 ; sie welken u n d werden vom W i n d weggefegt, 64, 5: 57, 13. Nur eine neue Theophanie, eine e s c h a t o l o g i s c h e O f f e n b a r u n g der Macht Jahwes über die Natur u n d über die Feinde k a n n das gequälte Volk retten, 63, 15. 63, 19b. 64, 1 ff. Hier begegnet sich das Gebet mit 59, 15b ff., zum Gericht über Jahwes F e i n d e , 64,1: 59,18, so dass die Völker den N a m e n , den sich Jahwe erwirbt, 64,1: 59, 19, f ü r c h t e n , 64, 1: 59, 19. Der eigenartige Abschnitt 63,7—64,11 zeigt sich also durch viele charakteristische Gedanken und Ausdrücke mit den andern Abschnitten, die aus den frühnachexilischen Verhältnissen stammen, verknüpft. Diese Verhältnisse haben wahrscheinlich einen Busstag gezeitigt, dessen L i t u r g i e wir in diesem Gebet besitzen dürften (Cheyne in Introduction, 1895, Skinner, Marty). Skinner schliesst seine Übersicht mit der Äusserung: »But on the whole the best Solution seems to be the one suggested above, — that the prayer was composed soon after the Return from Babylon, and that its continued use as a liturgy caused it to be incorporated in this later post-exilic prophecy.« — Der Zusammenhang mit dem Vorausgehenden, das konkrete Gepräge des Klagegebets,
94 sowie die Schilderung in 64, 9. 10. 63, 18, sprechen entschieden für die S i t u a t i o n C. Der Standpunkt A ist unmöglich. B, das den Serubabelschen Tempel hat, k a n n auch nicht in Betracht kommen. Elliger nähert sich in seiner Ansetzung zwischen 538 und 519 (S. 116) sehr dem Standpunkt C als Möglichkeit, hält sich jedoch »möglichst nahe an die Zeit der Erbauung des zweiten Tempels« (S. 99). A b s c h n i t t 5. K a p . 65. J a h w e s F e i n d e u n d K n e c h t e I. Kap. 65 und 66 haben in Inhalt u n d Berührungspunkten so viel gemeinsam, dass sie ein besonderes Ganzes bilden. Man könnte sie also als e i n e n Abschnitt betrachten. Da jedoch jedes Kapitel seinen eigenen Ausgangspunkt u n d seinen geschlossenen Gedankenkreis hat, ist es doch vorzuziehen, sie als zwei engverwandte aktuelle Verheissungsbotschaften aus derselben ernsten Krisenzeit aufzufassen. Kap. 65 ist also nach einer ganz andern Richtung orientiert als der unmittelbar vorausgehende Klageabschnitt. Deshalb liegt von vornherein kein Grund vor, in Kap. 65 die Beantwortung der Frage in 64, 11 zu suchen, wo eben die Angst ohne Antwort ausklingen muss. Es ist weiters, wie Duhm, Buhl und jüngst Abramowski (S. 114), auch Volz (S. 281) gezeigt haben, ganz unmöglich, in 65 1 ff. eine Antwort auf das Gebet in 63, 7 ff. zu finden. Man hört in dem ersten Stück unseres Kapitels von Jahwes Einladungen an das w i d e r s p e n s t i g e V o l k , das ihn unaufhörlich durch schändlichen Kultus und Aberglauben beleidigt, und dem er deshalb mit der Vergeltung seines flammenden Zornes droht (V. 1—7). Die Schilderung enthält keinen Zug, der von den Verhältnissen in Palästina ableitet, und schon der Ausdruck »in meine offenen Augen« (V. 3) spricht dafür, dass sich diese Menschen in der Nähe des Tempelberges befinden. Es handelt sich u m dieselbe unreine, heimatjüdische Landesbevölkerung wie in 57, 3—13. Man bekommt in diesem Kapitel u n d in 66, 3. 17 einen Einblick in ihren verbotenen Kultus, V. 3—5. In 65, 11 werden die Götter Gad (Gott des Glückes) und Menl (Schicksalsgott) genannt. Gad (vgl. Baethgens »Beiträge« 76—80) wurde in vielen Gebieten Vorderasiens, in Syrien, Phönikien, Hauran, Philistäa u n d in Palästina selbst (Stadtnamen in Josua 11, 17. 15, 37) verehrt.
95 Weniger Spuren hat Menl hinterlassen, aber die Göttin Manät bei den vormohammedanischen Arabern gehört wohl zu dieser Gottheit. Dagegen sind Gad und Meni bei den Babyloniern nicht nachgewiesen. Beeinflussung seitens der samaritanischen Mischreligion ist höchst wahrscheinlich, der politische Einfluss der Samaritaner wird in Esra 4, 1 ff. erwähnt. In den Kap. 65. 66 ist offenbar von der Landesbevölkerung jüdischer Abstammung in J u d ä a u n d den angrenzenden Gegenden die Rede. Das freundschaftliche Angebot der rechtgläubigen Juden auf Wiederaufn a h m e in das reine Judentum (65, 1 f.) k a n n ja n u r an diese Bevölkerung gerichtet sein. Mit V. 8 beginnt ein neues Stück, das zweite, das vermutlich (in zwei Abteilungen) bis zu V. 16 reicht. Durch ein Bild von der Weinernte — wo eine Traube schlechte Beeren haben kann, so dass m a n schon daran ist, sie wegzuwerfen, aber daran gehindert wird, weil ein anderer der Anwesenden bemerkt, dass die Traube neben den schlechten auch gute Beeren hat, — spricht der Herr aus, dass er nicht seine Knechte zusammen mit den Widerspenstigen vernichten wolle. Von diesem Wort fällt Licht über den ganzen Gedankengang in Kap. 65. 66, indem also i n n e r h a l b der L a n d e s b e v ö l k e r u n g , u n d zwar in dieser allein, ein Gegensatz zwischen Abgefallenen u n d J a h w e s u c h e n d e n besteht, der hier in Betracht k o m m t . Dies ist merkwürdigerweise von den Kommentatoren noch nicht genügend beachtet worden, so dass auch die heimgekehrten Juden in den Gedankengang miteinbezogen werden, als das Israel, das Jahwe schonen will. Die Heimgekehrten oder die Gola sind nicht der eine Teil und die Abgefallenen der andere als zwei Gegensätze; alles in diesem Zusammenhange bezieht sich n u r a u f d i e P a l ä s t i n e n s e r . Der Prophet hat i n V. 1—7 also n i c h t ein Wort an Israel als Volk oder an die Heimgekehrten in Jerusalem, die für ihn mit Israel zusammenfallen, gesprochen. Elliger hat die Vermischung in diesem Punkte nicht vermeiden können (102 oben), ebenso wenig wie in 57, 3 ff. D e r Z w e c k d e r K a p . 65. 66 kommt auf diesem Wege zu seinem Recht, nämlich, diese Frommen, die mit Hilfe der zurückgekehrten Juden das wahre Judentum wiedergefunden haben u n d sich jetzt von der unreinen Gemeinschaft mit ihren Landsleuten loszumachen beginnen, zu verteidigen und zu trösten. Diesen Knechten ist zu-
96 zuschreiben, dass Jahwe die ganze entartete Landesbevölkerung noch nicht vertilgt. Die Traube ist also nicht ganz Israel mit Einschluss der Heimgekehrten, sondern nur die ganze Landesbevölkerung jüdischen Stammes. In der Fortsetzung V. 9. 10 sagt Jahwe von diesen seinen Knechten (den guten Beeren), dass sie vollständig in sein Volk aufgenommen werden sollen. »Aus Jakob lasse ich hervorgehen ein Geschlecht, und aus Juda den Besitzer meiner Berge. Meine Auserwählten sollen 'meine Stadt' besitzen und meine Knechte dort wohnen«. Die Verheissung über den Besitz des Landes an dieselben Frommen finden wir schon in 57, 13b. Die Einheimischen aus Jakobs und Judas Stamm verschmelzen mit dem heimgekehrten Volk, dem ein entsprechendes Zukunftsglück oft zugesagt wird: 58, 14. 60, 18. 21. 61, 7. 65, 25. Zu joreS in der Bedeutung »Erbe, Besitzer« vergleiche Jer. 49, 1. In V. 9b muss mit G jireiü allein gelesen werden und darnach mit Köhler, vgl. Marti, behirdj'iri (meine Stadt), wogegen im hebr. Text das letztgenannte Wort infolge des gleichlautenden Ausganges von dem vorausgehenden verschlungen wird. Dort, in Jahwes eigener Stadt, sollen diese Frommen, die getröstet werden, das Bürgerrecht wie die Eigenen des Herrn erhalten. Aus der Bezeichnung »dort« in V. 9 kann, da ja Jahwe spricht, kein Schluss darauf gezogen werden, dass der Verfasser sich nicht selbst in Palästina befindet, ebensowenig wie in V. 20. »Auserwählte« in V. 9 und noch einmal in V. 15 zeigt ihre volle Aufnahme in Jahwes Liebe und in sein Volk (41, 8). In dem neuen Jerusalem wird jedoch in V. 22 keine besondere Gruppe innerhalb »meiner Auserwählten« unterschieden. V. 10 liest G statt ha-sarön (Saron) EV TÖJ ÖQV/LIW, ha-jesimön, das wüste Land, was vielleicht mit Feldmann vorzuziehen ist, da das viehreiche Tiefland von Saron im Westen nicht erst zur Weide zu werden braucht, sondern es schon ist. Duhms Auslassung von 10b wegen des Metrums ist unberechtigt; metrisch ist der Vers ein isolierter Dreier, was oft vorkommt. Dieselben Gottesfürchtigen werden hier »die, die mich suchen« (vgl. V. 1) genannt und stehen in gewolltem Gegensatz zu »Ihr, die Ihr den Herrn verlasset« in V. 11, deren fürchterliches Schicksal in V. 12 geschildert wird. Nach V. 8—12, wo ebenso wie in V. 1—7 meist der Rhythmus 3 + 3 herrscht, tritt in V. 13 der Rhythmus 3 + 2 ein, der sich
97 in V. 14 (3 + 2.2 + 2.3) fortsetzt und hierauf in V. 15 und 16 mit einem alternierenden, aber verwandten Metrum von Zweiern u n d Dreiern abwechselt. Der Rhythmuswechsel in Verbindung mit der neuen Einleitung »Sagt Jahwe der Herr« zeigt, dass wir in V. 13—16 eine neue Abteilung des Stückes vor uns haben, also 8—12 und jetzt 13—16. Viele betrachten V. 13—25 als das dritte Stück. Lässt man jedoch den Inhalt entscheiden, empfiehlt es sich mit Dillmann, V. 8—16 und darauf als drittes Stück V. 17—25 zusammenzufassen. Vgl. 45, 18—25, das, obwohl es durch »denn« an das Vorausgehende geknüpft ist, doch ein Stück für sich darstellt (Buhl). In der Abteilung V. 13—15 mit dem dazugehörigen V. 16 wird die Schilderung der Freuden der Knechte und der Qualen der Widerspenstigen fortgesetzt und erreicht in V. 15 den Höhepunkt, indem der schreckliche Tod der Gottlosen zu einem Fluchwort für die Folgezeit wird. Die Zukunft der Auserwählten ist dagegen so wunderbar, dass sie sich in einem Namen abprägt, den ihnen Jahwe gibt (vgl. 62,2). Jahwe, der für ewig die frühere Bedrängnis überwunden hat, wird von nun an in seinem Volke »Gott der Treue« genannt. Die Massoreten vokalisieren dies als »Gott des Amen«, der Gott, der seinen Verheissungen das Amen folgen lässt, was für diesen Zeitpunkt vielleicht zu gekünstelt ist. Die meisten Jüngeren vokalisieren 'oraen (Jes. 25, 1) oder ziehen 'emfin (Deut. 32,20), also »Gott der Treue«, vor. Das dritte Stück bestätigt die Wahrheit von 16c. Nach der Darstellung des Gerichts über die Gottlosen konzentriert sich V. 17—25 u m die Verheissung von dem Glück der Gläubigen und die S c h i l d e r u n g d e r n e u e n W e l t o r d n u n g , die Jahwe erschafft. Dass ein Untergang vorausgeht, ist nicht gemeint, sondern das eschatologische Heil kommt mit einer Wiedergeburt des Lebens für Jerusalem und Jahwes Volk, wobei Streit und Mühe auf Erden von Harmonie abgelöst werden, die sich in V. 25 bis auf die vernunftlosen Geschöpfe verbreitet. Die rhythmische Skandierung von V. 17—25 macht von V. 20 an bedeutende Schwierigkeiten, wenn man aber mit abwechselndem Versmass und prosaisierenden Einschubwörtern rechnet, k a n n sie wahrscheinlich durchgeführt werden, wie bei Köhler. In V. 20 z. B. kommt die Ordnung durch Auslassung der überflüssigen »'aser« u n d »sanäh« und des zweiten »ben-meäh 7
98 sanäh« zu stände, wodurch der Rhythmus 3 + 3 entsteht. Das richtige Verständnis des Inhalts hat Buhl erschlossen, indem er ha-höt€ nicht als »Sünder«, sondern gleich »derjenige, der nicht sein Ziel erreicht« auffasst 1 ). Der Verfasser steht mit seinem ganzen Herzen zu Jahwe und Zion. Das gibt seiner eschatologischen Schilderung Wärme und Schwung. Im Grunde ist Kap. 65 e i n V e r h e i s s u n g s k a p i t e l . Der P r o p h e t s p r i c h t zu d e n J a h w e s u c h e r n i n n e r h a l b der L a n d e s b e v ö l k e r u n g ; diese will er stärken und aufrichten. Die Entartung und das Gericht der Abgefallenen zu schildern, ist nicht sein Ziel, sondern nur ein Mittel für die Aufgabe, die ihm in Bezug auf die Bevölkerung Judäas zugefallen ist, nämlich die Aufrichtigen zu gewinnen und ihnen von Jahwe und dem vollen Anteil zu verheissen, den er ihnen an dem Heil und der Verherrlichung seines Volkes Israel gewähren wird.
A b s c h n i t t 6. Kap. 66. J a h w e s F e i n d e u n d K n e c h t e II. Die Situation ist die gleiche wie in Kap. 65. Eine halbheidnische und feindlichgesinnte Partei widersetzt sich Jahwes Willen und erhebt doch Anspruch darauf, zu seinen Anbetern zu gehören. Sie werden in V. 1—4 abgewiesen. Es ist dieselbe Landesbevölkerung, und innerhalb dieser wird wieder zwischen den Abgefallenen, die die Mehrheit bilden, und Jahwes demütigen, rechtgesinnten Knechten unterschieden (vgl. V. 14). Diesen wird V. 5—17 geschildert, wie wundervoll Jahwe in Jerusalem sein Heil durchführen wird, während die Gottlosen in dem Zorn seines vergeltenden Gerichtes vertilgt werden. In V. 18—24 folgt ein eschatologischer Ausblick auf die Offenbarung von Jahwes Herrlichkeit vor allen Völkern, mit Jerusalem als dem Mittelpunkt für seine Anbetung, wohin die ganze Welt eilt. Das erste Stück bildet also V. 1—4. Als der überirdische Gott 1 Vgl. hierüber Köhler in dem textkritisch-metrischen Anhang: »weder Klostermann, noch Duhm, Marti, Budde noch Haller haben ND1PI verstanden, n u r Duhm a h n t das Richtige: b e i B u h l s t e h t s e i t l a n g e m z u l e s e n , dass das Wort nicht den »Sünder« bezeichnet, sondern den, der die volle Lebensdauer »verfehlt, nicht erreicht«. — Auch Skinner ist durch Buhl und Ehrlich darauf aufmerksam geworden. Jetzt auch bei G. A. Smith und Torrey.
99 weist Jahwe den Plan gewisser Menschen ab, ihm einen Tempel zu bauen (1—2a) und unterscheidet in Verbindung hiermit zwischen zweierlei Menschen: den Demütigen und Niedergebeugten, die sich in Ehrfurcht an sein Wort halten, und an denen er sein Wohlgefallen hat, und den Abgefallenen mit ihrer falschen Behauptung, auch Jahwe zu verehren (2b—4). Die Aussage über Gottes Majestät hat also wie zu erwarten, einen praktischen Anlass und ist nicht nur theoretisch. Die Abgewiesenen werden durch die vier Doppelaussagen in V. 3 und in Jahwes Drohung gegen sie V. 4 charakterisiert. Die vier gleichgebauten Aussagen werden von vielen als Subjekt und Objekt mit stillschweigend vorausgesetztem »gleichwie« aufgefasst, ein Urteil enthaltend, nämlich dass jeder, der Jahwe einen Ochsen zum Opfer bringt, in seinen Augen wie einer ist, der einen Menschen schlachtet, oder jeder der ein Schaf opfert, ebenso abscheulich wie der, welcher für das Opfer einem Hund den Hals bricht, u. s. w. Aber diese an sich übertriebene Behauptung, die weit über die wohlbekannte Polemik der Propheten gegen die Opfer der Gottlosen (Jes. 1, 11 ff. Ps. 50, 8 ff., u. s. w.) hinausgeht, wird u. a. durch die Schlusszeile in V. 3 mit dem konkreten »diese« widerlegt, wodurch die in den vorausgehenden Sätzen Genannten als solche bestimmt werden, die an ihren Abscheulichkeiten Wohlgefallen finden. In den Doppelaussagen ist daher das zweite Glied Apposition zum ersten, so dass die Vereinigung der beiden Handlungen ausgedrückt wird: derselbe, der das reine Opfer opfert, bringt auch die abscheulichen und verbotenen Opfer dar; sie versuchen also das Unvereinbare zu vereinen. Wie könnte Jahwe eine solche Verehrung entgegennehmen! Er wird sie übel behandeln und Schrecken über sie bringen, was mit den ganz gleichen Worten motiviert wird wie in 65, 12. Hieraus ist klar zu ersehen, dass es sich in 2b—4 wiederum um d i e e i n h e i m i s c h e L a n d e s b e v ö l k e r u n g wie in Kap. 65 h a n d e l t , die in zwei v e r s c h i e d e n e geistige R i c h t u n g e n geteilt ist, die gottesfürchtigen Jahwesucher und die unreine Menge der Abgefallenen. Auch in Kap. 66 wird keineswegs an die heimgekehrte rechtgläubige Gola gedacht. Die Rede ist an die Frommen in der Landesbevölkerung gerichtet. Das Verhältnis der Abgefallenen zu diesen ist, wie aus V. 5 zu ersehen, aufs äusserste gespannt.
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100 Die Aussage in 66, 1—2a über Jahwes Unendlichkeit, die ihn darüber emporhebt, eines Tempels zu benötigen, steht in derselben Linie wie Stellen wie 57, 15 und 40, 12 ff., vgl. 1. Kön. 8, 27, schliesst aber ebensowenig wie diese die Anerkennung eines irdischen Tempelkultes im richtigen Geiste aus. Weder bei Dtj. noch in der Gruppe 56, 9—66 hätte eine übergeistige Polemik Stützpunkte gefunden. Und der Zusammenhang mit Jahwes Abweisung jener Tempelbauer, denen er »nicht zusehen will« (V. 2), verweist uns deutlich von den abstrakten Belehrungen an die konkreten Verhältnisse. Der Eifer dieser Menschen, Jahwes Tempel zu bauen, macht nicht den Eindruck, dass sie vor Sehnsucht verschmachten; ihr Denken k a n n ebenso gut heuchlerisch sein, mit einem ganz andern Motiv für ihr Begehren. Wir wenden uns daher der Frage zu, welche konkrete Situation in den nachexilischen Verhältnissen zugrundegelegt werden kann. D u h m s E r k l ä r u n g ist, dass wir hier von Schismatikern, d. h. Samaritanern, hören, die an irgendeiner, noch nicht feststehenden Stelle in Samaria einen Konkurrenztempel für Jahwe zu bauen gedenken. Aber Jahwe weist eine solche Verehrung ab, er lässt sich nur an Stellen verehren, die er selbst auswählt (Deut. 12), d. i. auf Zion. Ohne Erlaubnis durch eine Offenbarung Jahwes ist ihre Absicht »frevelhaft, ein dort betriebener Kultus der ärgste Greuel«. Diese Verschiebung, dass man das Problem in eine äusserliche Legalitätsfrage verwandelt, k a n n durch ein Fragewort in l b nicht entschieden werden, selbst wenn man, wie Duhm, 'ej-zeh mit »wo«, statt mit »welcher Art« oder »welches«, was dessen Grundbedeutung ist (»welches« zwischen mehreren wählend, Buhl zu 50, 1), also »what manner of house« (Torrey), übersetzt. Womit können sie bauen, wenn Jahwe selbst Himmel und Erde besitzt, ist der Sinn. Sagt man »wo«, muss das Verbum betont werden: W o ist ?, d . h . : Es wird nicht dazukommen, dass er entsteht 1 ). »Dies Alles«, nämlich Himmel und Erde, »habe ich mit meiner eigenen Hand hervorgebracht« (V. 2) wird bei Duhm durch eine Metamorphose zu: Tempel und Kultus in Jerusalem und hinreichende Offenbarung. V. 3 bedeutet dann, dass derjenige, der an einer selbst gewählten Stelle einen Ochsen schlachtet, in Jahwes Augen zu einem Totschläger wird. 1 Vgl. König: W i e beschaffen ist [infolgedessen] das Haus, das Ihr mir bauen sollt . . . ?
101 Hierzu ist nun zu sagen, dass wir nichts davon wissen, was die Samaritaner gedacht haben, dass es aber ganz unwahrscheinlich ist, dass eine derartige Absicht früher als n a c h ihrer Ausschliessung aus Jerusalem durch Nehemias Mauernbau 445 bei ihnen aufkommen konnte. Es war ihnen j a gelungen, das Judentum in Jerusalem selbst durch eheliche Verbindungen mit der höheren Geistlichkeit und andern jüdischen Notabein zu untergraben, und sie brauchten daher nicht Zions Tempel zu fürchten. Doch ist, was Duhm zu der Stelle über die Weintraube (65, 8) von einer »Verquickung der Gola mit der alten Bevölkerung« schreibt, sicher in einem hauptsächlichen Punkte verfehlt. Denn wie bedroht die jüdische Nationalität auch allmählich im Laufe des 5. Jahrhunderts wurde, kann man sich doch nicht vorstellen, dass die Samaritaner oder die Abgefallenen in der Landesbevölkerung jemals hätten die Macht erringen können, in den jüdischen Kultus einzubrechen. Altar und Tempelplatz mussten sie nach wiederholten Abweisungen 536 und 520 ungestört lassen. Die Vollendung des Tempels 520—515 schob jedem Synkretismus in dem zentralen Punkt einen Riegel vor. Wenn in 66, 5 von » E u e r n B r ü d e r n , die euch hassen« gesprochen wird, enthält dies bei näherer Betrachtung keine Anerkennung einer Bruderschaft der heimgekehrten rechtgläubigen Juden mit der ungläubigen Landesbevölkerung in J u d ä a , geschweige denn mit den Samaritanern, sondern bezeichnet nur die unleugbare äussere Landsmannschaft zwischen den beiden Klassen i n n e r h a l b der palästinensischen Juden (die Weintraube). Zu dem Plane eines Jahwetempels in dem eigenen Gebiete der Samaritaner war kein Anlass, bis er als eine A b w e h r m a s s n a h m e nach der Ausschliessung der Samaritaner aus Jerusalem auftauchte. Zur Zeit des »Tritojesaja« vor Esra-Nehemia war es noch nicht so weit gekommen, im Gegenteil. Aber ausserdem spricht gegen Duhm noch der gewiss entscheidende Gesichtspunkt, der durch unsere ganze Gruppe bestätigt wird, dass die Datierung um 460— 450 zu spät ist; die ganze Problemstellung verweist auf ein viel früheres Moment in den Erlebnissen der Heimgekehrten, auf die e r s t e n S t a d i e n der unvermeidlichen religiösen Kämpfe. Zu diesen passen sowohl Kap. 65 als 66, 1—4, wo sich die äussere Form des Gegensatzes bei den Samaritanern und ihren Geistesgenossen noch nicht derart gefestigt hatte, wie es die praktische
102 Notwendigkeit nach dem Kultussieg der Juden und der Wiedererrichtung des Tempels verlangte. Wir sind in den genannten Kapiteln eher noch in der Periode der Überrumplungen, der Zeit der Bedrängnis, wo Altar und Tempelplatz, aber ohne Tempelgebäude, die einzige Zuflucht der wahren jüdischen Gemeinde war. Der Zusammenstoss von 536 zittert noch in den Worten des Propheten nach. D i e S i t u a t i o n i n Kap. 66, 1—4 ist aus Esra 4, 1—5 durchaus zu verstehen. Das zweite Stück, V. 5—17. Die Erkenntnis, dass die Frommen, von denen in V. 2b und wiederum in V. 5 gesprochen wird, ein Teil der Landesbevölkerung sind, erhält hier l i t e r a t u r k r i t i s c h e B e d e u t u n g . Die literarische Einheit keines Kapitels in dieser ganzen Gruppe ist so umstritten und unsicher wie die unseres Kapitels. Mit wie grossem Recht, ist jedoch eine andere Frage. Eine Reihe Forscher suchen die direkte Fortsetzung von V. 5 in V. 17 (einschliesslich einiger Worte von V. 18) und betrachten V. 6—16 und 18—22 als ein selbständiges Stück. Da der Rhythmus 3 + 2 zu Beginn von V. 5 auch in V. 6 ff. stark hervortritt, hält es Buhl mit Recht nicht für ratsam, V. 5 von der Fortsetzung abzutrennen, und fasst mit Duhm und Marti V. 5—11 als einen kleinen Abschnitt auf, der gegenüber dem Spotte der Ungläubigen die Zuversicht auf das nahe Kommen des Heils und der Abstrafung der heidnischen Mächte hervorhebt (Buhl 744). V. 12—17 mit den Einund Ausleitungen. »So spricht Jahwe« führt nur in äusserlicher Beziehung etwas Neues ein, denn der Inhalt des Vorausgehenden wird f o r t g e s e t z t . Bezüglich V. 17 hält es Buhl für wahrscheinlich, dass er ursprünglich mit V. 1—4 als dessen Fortsetzung zusammengehört habe, V. 12—17 (16) schliesst sich also bei diesen Kommentatoren eng an das Vorausgehende an. Man kann also sagen, dass das Stück 5—17, geteilt in zwei Unterabteilungen, 5—11 und 12—17 (16), zusammengehört. Der Rhythmus 3 + 3 wechselt augenscheinlich stark mit 3 + 2 und 2 + 2 oder 2 + 2 + 2 (15a) ab, besonders dreihebig kann man ihn, wie Duhm es tut, nicht nennen. Das Resultat ist, dass 5—17 (16) sowohl mit 1—4 zusammengehört als an sich ein Ganzes bildet. Es handelt sich um eine T r o s t b o t s c h a f t für dieselben frommen Kreise innerhalb der Landesbevölkerung, die Jahwe Jerusalems wunderbare Herrlichkeit und die Strafe und den Untergang der
103 jetzigen Feinde erleben lassen will. Da seine Knechte (V. 14) in V. 5 als diejenigen charakterisiert werden, die sein Wort mit Ehrfurcht lieben, wie in V. 2b (Esra 9, 4. 10, 3), fällt auch Licht über den sonst gleichsam losgerissenen V. 17 von denselben heidnischgesinnten Menschen wie in V. 3 und 65, 4, und die Erklärung lautet, dass V. 17 durchaus zu dem Strafgericht mitdazugehört, da es dem Verfasser besonders am Herzen liegen muss, dass diese Verfolger der Aufrichtigen von Gottes Gericht getroffen werden. Alttestamentische Frömmigkeit kann nach ihrer Begrenzung dieses Zuges nicht entbehren. V. 17 s t e h t a l s o l i t e r a r i s c h a n s e i n e m P l a t z , als ein kräftiger Abschluss der Botschaft, die von V. 5 an den treuen Jahwedienern palästinensischer Herkunft gebracht wird. Das Stück 5—17 zeugt von der Gabe dieses Propheten, zu überzeugen und zu begeistern. Es kann zu V. 5 nichts dem Gedankengang des Propheten Fernerliegendes gesagt werden als Duhms Bemerkung S. 452, der Verfasser »erkennt sie (die Samaritaner) als Brüder der Gola an, aber sie hassen diese«. Man kann ruhig behaupten, dass die heimgekehrten Judäer nicht dieser Meinung waren. Die »Gehassten« und »Verfolgten« sind Landsleute gegenüber Landsleuten. Ein zwischen ihnen schon b e s t e h e n d e s soziales Band wird jetzt zerrissen. Sie wohnen Haus an Haus bei einander, in denselben Städten und Dörfern. Gegen die eigenen Genossen, die sich jetzt dem wahren Judentum, das sie aus Glauben und Leben der Heimgekehrten verstehen gelernt haben, anschliessen, erbittert sich die Mehrheit und lässt dieses Gefühl in dem Spott gegen die Einbildung dieser elenden Fremden und ihr Gerede von Jahwes Herrlichkeit zu Worte kommen: »Lasset Jahwe 'sich in seiner Herrlichkeit (seinem Lichtglanz) zeigen', so dass wir es sehen können!«; aber auch in Gewalttätigkeit gegen die, die den Worten seines Propheten lauschen, und in der Ausstossung aus dem landsmannschaftlichen Verhältnis, in welchem sie sich bisher befunden haben. Der Ausdruck menäddekem, die, die euch Verstössen, Piel niddä (im Talmud »exkommunizieren«), deutet auf das nahe landsmannschaftliche Verhältnis der beiden Parteien, nicht aber auf die Gola und die Samaritaner sowie deren Gesinnungsgenossen hin. Kaum hat der Prophet in V. 5 zuendegesprochen, als plötz-
104 lieh in V. 6 Jahwes Kommen zu hören ist. »Horch, Getöse aus der Stadt, Lärm aus dem Tempel! Horch, Jahwe lässt Vergeltung seine Feinde treffen!« Bevor dies jedoch in 14b ff. näher ausgeführt wird, wendet sich der Blick auf die wunderbare Erneuerung des niedergebeugten Zion. Stilistisch kommt dieser Übergang zu 7 ff. plötzlich, wie in V. 3, aber der Stil ist sehr lebendig geworden und setzt stillschweigend Zwischengedanken voraus, hier zwischen 6 und 7 die Bewegung unter den Völkern, hervorgerufen durch Jahwes Gericht über die Welt. Zu dem z u k ü n f t i g e n Zeitpunkt, von dem V. 6 spricht, werden Stadt und Tempel wieder Jahwes Residenz und Wohnung sein. V. 6 ist das eschatologische Gericht in der Offenbarung von Jahwes Lichtglanz. Die Situation entspricht genau 59, 18. 19 gegenüber 59, 20 (mit 60, 1 ff.). Ebenso zukünftige Ereignisse und Zustände stehen hier in 66, 6 und 7 ff. vor den Augen des Sehers. Wie es im Augenblick mit Jerusalem und dem Tempel aussieht, ist eine andere Sache. Nach dem leicht verständlichen Grundgedanken, dass Gott seine Pläne nicht unausgeführt lässt, kann in der Weise gesprochen werden, als ob sie in der gegebenen Zukunftssituation längst existierten. Die Schlussfolgerung so vieler jüngerer Forscher aus V. 6, dass Jerusalem und der Tempel z u r Z e i t d e s P r o p h e t e n wiederaufgebaut seien, ist daher übereilt 1 ). Dies kann nur der Zusammenhang entscheiden. Und dieser zeigt klar, dass wir hier wieder das früh-nachexilische Bild der Stadt und des Tempels in Ruinen vor uns haben. Zions Zustand ist nämlich t r a u r i g . Der Prophet bringt die Freudenbotschaft einer trauernden Gemeinde in Zion. V. 7—9 wird die Stadt plötzlich mit allen ihren verstreuten Kindern bevölkert, und V. 10—11 werden Zions Freunde aufgefordert, sich über dessen Glück zu freuen. Hier heisst es in 10b: »Freuet euch laut mit ihm, i h r a l l e , d i e i h r ü b e r es t r a u e r t « , ha-mifabbelim, Hitpael von »'abal«, trauern. Es wird besonders von der Trauer über einen Toten angewendet (2. Chr. 35, 24). Diese Trauernden, 'abellm, finden wir in dieser Gruppe immer wieder: 57, 18. 60, 20. 61, 2. 3, neben verwandten Ausdrücken wie »Zermalmte«, »Zerbrochene«, »Elende«. Die Trauer geht so tief, dass sie nur durch erneuernde Tat seitens Jahwes (barä', 57, 19. 1 Auch Elliger gibt zu (Z. A . W . 1931 S. 133): . . . in der Gegenwart wohnt Jahwe noch nicht im Tempel, wohl aber wenn die Heilszeit anbricht.
105 65, 17) behoben werden k a n n , womit auch die Schilderung in 66, 7—9 verwandt ist. Dasselbe Wort, »'abele sijjön« gebraucht Sirach 48, 24 von den Entführten in Babel. Worüber wird an diesen nachexilischen Stellen getrauert? J e d e r Abschnitt in der Gruppe 56, 9—66 gibt die Antwort, dieselbe Antwort: J a h w e s Tempel wüst, unsere heilige Stadt ohne die W e h r der Mauern, unsere Kinder verstreut, unsere Feinde triumphierend! Dies ist die Situation von 536 und den folgenden J a h r e n . So sieht es also zur Zeit des Propheten a u s : ohne Tempel und ohne wiedererstandene Stadt. Aber die Trauer wird durch J a h w e s Treue in Freude verwandelt werden. Da der Prophet in V. 5 sein Botschaftswort so nachdrücklich an die Jahwesucher der Landesbevölkerung richtet, sind es vermutlich in V. 10 diese J a h w e treuen, die er dazu auffordert, an der Freude Jerusalems teilzunehmen. Derart fällt Licht darauf, was eigentlich gemeint ist, wenn sie in V. 2 » d i e E l e n d e n « und » d i e Z e r m a l m t e n « genannt werden, und zugleich ihrer Ehrfurcht und Sehnsucht nach J a h w e s Wort gedacht wird. Es wird von ihnen gesprochen, wie sonst von Zions eigenen Kindern; denn sie t r a u e r n m i t : Zions Schmerz ist ihr Schmerz, Zions Trost ihr Trost. Die neue Unterabteilung in V. 12—17 setzt die Schilderung fort. Wie der breite Fluss in seiner Fülle strömt der Reichtum der Völker nach Zion. In 12b ist die Lesart von G vorzuziehen: Und »ihre Sprösslinge« werden auf der Hüfte getragen werden. J a , J a h w e selbst ('anokl) wird sie trösten, wie eine Mutter ihr betrübtes Kind tröstet ( 1 3 ) . Die Worte »und in Jerusalem werdet ihr getröstet werden« werden von Duhm ausgelassen, sie finden sich aber auch in G und enthalten die bedeutungsvolle Hinzufügung, dass sie in ihrer Heimat getröstet werden, dieser Heimat, um die sie so sehr getrauert haben (Kittel). Der Rhythmus ist 3 + 3 + 2. Köhler versetzt dies in V. 14. Der gewichtige Inhalt spricht dafür, es als Abschluss in V. 13 stehen zu lassen (Feldm a n n , Torrey). Nachdem von V. 7 an bei Jerusalems Glück verweilt worden war, wendet sich die Rede jetzt wieder dem Untergang von J a h w e s Feinden zu, durch Feuer und Schwert des Gerichts ( 1 5 . 16), eine Wiederaufnahme von V. 6. Wie »alles Fleisch« V. 16 zeigt, handelt es sich um das Weltgericht. Die Worte »und viele werden die vom Herrn geschlagenen« sind ein abschliessender Dreier und vollständig echt. V. 17 folgt, wie
106 nachgewiesen, ganz dem Zusammenhang entsprechend; gerade der Untergang dieser Jahweverächter kann nicht unerwähnt bleiben. Zwei Worte vom Beginn des V. 18 gehören noch zu V. 17, der so schliesst: (Ihre Werke und all ihr Trachten) vergehen zusammen, sind Jahwes Worte. Das dritte Stück, V. 18—2i, verkündet als Abschluss nach dem Gericht Jahwes Anbetung durch die ganze Welt. Die Durchführung des Metrums ist sicher auch hier, wie in 65, 20 ff., möglich, in dem Rhythmus 3 + 3, variierend mit 2 + 2 + 2 oder 2 + 2 , Köhler. Die Völkernamen in V. 19 und wohl auch die Transportmittel in V. 20 sind wahrscheinlich ausmalende Hinzufügungen, häufige Prosaisierungen mit Akkusativzeichen können beseitigt werden. Wie öfters stehen die vier »spricht Jahwe« oder »ist Jahwes Aussage« ausserhalb des Metrums. — V. 18 lautet also in seinem vereinfachten Text (siehe V. 17) und mit dem Partizip bä' (G eQxo/uai): »Aber Ich ('anokl) 'komme', um zu sammeln | alle Völkerschaften und Mundarten, | und sie werden kommen und meinen Lichtglanz sehen«. | Dies wird in V. 19 fortgesetzt: »Und ich vollziehe ein Wunder an ihnen | und sende von ihnen Entronnene | zu den Völkern 'und' (G) den fernen Gestaden, | die nicht gehört haben meinen Ruhm (Namen: G) | und nicht gesehen meinen Lichtglanz, | damit sie verkündigen meinen Lichtglanz unter den Völkern.« Das Wort peletlm, »Verschonte«, »Entronnene«, wie in Kap. 45, 20, zeigt, dass es ein strafendes und entsetzendes Wunder ist. V. 15 f. gibt uns eine Vorstellung davon, an welche Art von Wunder gedacht werden kann, vgl. 64, 1 (verzehrendes Feuer). Die Angriffe der Feinde sind gegen den Tempel und Jerusalem gerichtet, V. 6. Die Stelle in unserm V. 18 f. ist eine Parallele zu bekannten eschatologischen Schilderungen, wo sich die Völker, verblendet, ohne Jahwes Macht zu achten, in der Nähe von Jerusalem zu einem Angriff sammeln, und an der Stelle ihrer Untat plötzlich den Tod finden (Joel 4, 2 ff. Seph. 3, 8. Mich. 4, 11. Hes. 38. 39). Das Stück V. 18—24 bezieht sich übrigens auf d a s s e l b e G e r i c h t wie V. 6 und 15 ff. Der Schluss von V. 19 verheisst die Bekehrung ferner Heidenvölker durch jene Entronnenen, die die unwiderstehliche Macht von Jahwes Lichtglanz im Gericht erfahren haben. Das Wort »alle« in V. 18 darf also nicht gepresst werden, es gibt noch
107 andere, ferner wohnende Völker als diese zahlreichen. Durch die Botschaft über Jahwe werden die Völker, die bisher noch nichts von ihm gehört haben, von Eifer und Fürsorge für die Verstreuten Israels, die sich bei ihnen befinden, ergriffen und bringen auch diese fernsten Israeliten heim nach Jerusalem. Das Subjekt in »bringen« ist, wie Buhl gegen Duhm geltend macht, naturgemäss nicht peletim, sondern — in Analogie mit allen ähnlichen Verheissungen (z. B. V. 12) — die Völker selbst, die jetzt, durch eine leichte Subjektsverschiebung, gestützt auf »bä-gojlm« am Schluss von V. 19, in den Vordergrund treten. Durch die Hervorhebung von »eure Brüder« will der Prophet die Juden gegen diese fremden Völkerschaften mild stimmen, die Liebe gegen Israel zeigen und die zum Glauben an Jahwe gelangt sind, den sie ehren wollen. Sie bringen ihm als eine wohlgefällige Opfergabe, als eine minkä, diese Verstreuten seines Volkes. Der Prophet betont durch das eingeschobene »spricht Jahwe« die Gewissheit von dessen Wohlgefallen an dem Empfang der Gaben, und er fügt weiters einen Vergleich mit den Aufzügen hinzu, wo die Israeliten selbst dem Herrn Opfergaben in »reinen Gefässen« zu seinem Hause brachten. Durch die behutsame Hervorhebung aller schönen Seiten in dem Verhalten dieser bekehrten Heiden will der Prophet offenbar bei seinen israelitischen Zuhörern das richtige Verständnis dafür hervorlocken, dass solche Heiden »gereinigt« sind für den Dienst des Herrn, brauchbare reine Gefässe. So hat er — jeder Satz ein Argument — die dreiste Botschaft vorbereitet, die er von Jahwe vernommen und jetzt in V. 21 ausspricht. Sie läuft darauf hinaus, dass diese frommen Überbringer sogar nicht davon ausgeschlossen sind, Priester Jahwes zu werden. Diese unerhörte, in aller Kürze vorgebrachte Aussage wird wiederum durch ein »spricht Jahwe« gestützt. Also: Auch bekehrte Heiden in Zukunft Jahwes Priester! Durch das Wort gam werden sie mit den Stammesjuden in eine Reihe gestellt 1 ). Der Ausdruck »nehme von ihnen« oder »unter ihnen« besagt, dass Jahwe nicht an alle zur Verwendung als Priester denkt, sondern nur an einige nach seiner freien Wahl. Diese Beruhigung gibt Jahwe gern den besonders konservativen Gemütern unter seinen Zuhörern. Aber in »auswählen« 1 Vgl. die schwedische Bibelausgabe von 1917: Och jämväl sädana skall jag taga tili mina präster, tili mina leviter, säger HERREN.
108 liegt auch für sie und für alle ein Wink, wer denn am besten die Bedürfnisse seines Volkes und seines Reiches kennt und seine freien Bestimmungen trifft. All dies ist sowohl mit Schonung als Autorität gesagt und wird durch »spricht Jahwe« abgeschlossen. Die meisten Kommentatoren fassen die Botschaft auf die genannte Weise auf, so dass me-hem, »von ihnen«, auf die Völkerschaften verweist, die ihre Opfergaben zu Jahwe bringen und in V. 20 erwähnt werden. So Gesenius, Ewald, Delitzsch, Cheyne, Orelli, Bredenkamp, Dillmann, Reuss, Baudissin, Skinner und Feldmann. Aber viele andere, darunter Duhm, beziehen me-hem nicht auf die heimführenden Heiden, sondern auf die heimgebrachten Israeliten. Auf dieser Seite stehen Grotius, Hitzig, Knobel, H. Schultz, Duhm, Marti, Kittel 1 ), Buhl, Whitehouse, Marty, König (im Komm.). Man behauptet, dass der Gedanke an unter früheren Heiden ausgewählte Priester u. s. f. zu unmöglich sei, »eine ganz unüberlegte Behauptung« ( D u h m ) ; für diese gibt 56, 6. 7 die äusserste Grenze an. Aber V. 21 will etwas Ausserordentliches, bisher noch Unerhörtes bringen, nicht das Selbstverständliche. Welch mattes Gotteswort, zu erzählen, falls sich unter den neuen Heimkehrern einige von priesterlich-levitischen Geschlecht befänden, sollten sie — nachdem sie nach so langer Abwesenheit »ihre priesterlichen Funktionen erst gelernt hätten« (Duhm) — nicht von der Aufnahme in Jahwes Priesterschaft ausgeschlossen sein. Auch 61, 5. 6 vermag nicht die richtige Auffassung von 66, 21 zu bestimmen, da die dienenden Handlungen der Heiden in 61, 5 nicht das letzte Wort zu sein brauchen, das von ihnen gesagt wird. Und wie schwach wird nicht 66, 21 in Duhms und anderer Auffassung, dass auch e i n i g e der bisher in der Ferne verstreuten Juden Jahwes Priester werden könnten, — wenn es schon 61, 6 hiess, dass alle Heimgekehrten »Jahwes Priester« genannt werden sollten. Auch unter der Voraussetzung, dass hier nicht die offizielle Priesterstellung gemeint ist, ist 61, 6 für 66, 21 lästig, wenn hier bei aller feierlichen Kraft nur etwas so Kleines und Selbstverständliches gesagt wird wie bei Duhm. Es wirkt doch gekünstelt, so viel von den eigenen Betrachtungen in den Text hineinzukonstruieren wie z. B. in Duhms Erklärung zu »auch von ihnen«, dass schon aus den »früher Heimgekehrten« Priester 1
Kittel jetzt in Gesch. 1929 S. 565: einzelne bekehrten Heiden.
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im engeren Sinne des Wortes ausgewählt wurden, und dass die jetzt Heimkehrenden dieses Prärogativ nicht verlieren sollen, sondern dass Jahwe auch aus ihrer Mitte sich ebenbürtige Priester auswählen wolle. Um diese Mitteilung zu machen, bedurfte es nicht der sorgfältigen Vorbereitung in V. 20, der in feiner Weise die Botschaft einleitet, dass diese Überbringer der jüdischen Diaspora als Opfergabe von dem Herrn die Erlaubnis erhalten, ihm auch weiterhin Opfergaben in seinem Dienste zu bringen. Wir müssen daher Skinner recht geben, dass »the emphasis of the statement is perhaps better explained by the bolder conception«. Endlich ist die Begründung in V. 22 kein Beweis für die Duhm'sche Auffassung, da die Verbindung von V. 22 über V. 21 zu V. 20 geknüpft ist, worauf wir noch zurückkommen. Zu V. 21 gehört die textkritische Schwierigkeit bei den Worten la-kohanlm, la-levijjim. Durch die Lesung le-le mit dem Artikel als la-, la, sowohl im massoretischen Text als im Targum, biegt die gewöhnliche jüdische Erklärung die Botschaft von den Heiden (me-hem) dahin um, dass Jahwe einen Teil von ihnen für den Hilfsdienst der Priester, der Leviten, auswählt. Andere jüdische Kommentatoren haben jedoch erkannt, dass der Artikel nicht hinzuzusetzen sei, sondern dass hier wirklich gesagt wird, dass die Heiden Jahwes Priester würden. Man muss also le-kohanim lesen, wie G kr)^o[iai ieQeig. Insoweit ist die Sache klar. Das danebenstehende la-levjjlm ähnelt sehr einer späteren moderierenden Glosse zu der massoretischen Lesart: nämlich wenigstens zu den Leviten (König 1 ). Viele Handschriften u n d die alten Übersetzungen wie Targ. G und Vulg. lesen ein »ve« zwischen den Wörtern, was dann heissen würde: Priester und Leviten. Diese Teilung in zwei Klassen stammt von Hesechiel, dessen Terminologie bei einem Propheten kurz nach der Rückkehr nicht auffallend wäre. Wird dagegen »zu den Leviten« ausgelassen, wird der Rhythmus in V. 21 zu einem Dreier, wie am Schluss von V. 24. In einer neuen dritten Aussage in V. 22 wird Israels Geschlecht und Namen ein ebenso ewiges Bestehen zugesagt wie der neuen Weltordnung, die Gott schaffen will (vgl. 65, 17). Durch dieses Versprechen wird die Gewissheit der Rückkehr der verstreuten Israeliten in der V. 19. 20 erwähnten Weise begründet. Die Ver1
Auch Volz mit G " .
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bindung geht also, über V. 21 hinweg, zu V. 20. Indirekt dient auch V. 21 zur Verherrlichung von Israel, insoweit die höchste Belohnung der früheren Heiden durch Jahwe in der Aufnahme in den Rahmen Israels besteht. Direkt aber verhält sich V. 22 zu V. 19. 20. Die kurze Aussage V. 21 ist als ein Seitengedanke zu der Hauptaussage behandelt, und es ist dem Propheten sicher d a r u m zu tun, das Ärgernis darüber abzuwehren, indem er augenblicklich nicht bei den Konsequensen der neuen Wendung verweilt, sondern umsomehr Jahwes Treue und Fürsorge für Israel hervorhebt. Es folgt noch eine Aussage, die vierte und letzte, in V. 23—24, über das Leben auf der neuen Erde und d i e A n b e t u n g J a h w e s v o n S e i t e n d e r g a n z e n M e n s c h h e i t . Es ist das Reich Gottes in seiner Ewigkeit, in den Formen noch an die zeitgeschichtliche jüdische Begrenzung gebunden. Diese Schlussverse mit Duhm u. a. von Kapitel 66, mit dem sie Ausdrücke und Gedanken gemeinsam haben, loszureissen, liegt kein Grund vor. Duhm findet in ihnen auch kein rechtes Metrum. Aber der poetisierende Klang, den auch er erkennt, rührt in Wirklichkeit von der Fortsetzung des Rhythmus in abwechselnden Betonungen, wie so oft, her. Bei Köhler hat V. 23 den Rhythmus 3 + 3. 2 + 2 (ohne »'amar Jahve«). V. 24 hat 2 + 2 + 2. 2 + 2 und 3. Bei Kittel ebenso (er rechnet jedoch in 23b »'amar Jahwe« mit u n d erhält 3 + 3). — V. 23 ist ein Gemälde des grossartigen Schauspiels der ganzen u m Gott gesammelten Menschheit. Die Form ist noch jüdisch. »Jeden Monat am Neumondstage u n d jede Woche am Sabbath werden alle Menschen kommen u n d sich vor meinem Antlitz niederwerfen«, spricht Jahwe. Der Umfang des Ausdruckes »alles Fleisch« wird durch den Zusammenhang bestimmt. Es k a n n daher für Israel allein gelten, z. B. Joel 3, 1. Aber hier ist, wie in V. 16 und V. 24, der Zusammenhang universell; entscheidend ist allerdings das Verb jabö', »wird kommen«, vgl. Sach. 14, 16. Duhm sieht keine Möglichkeit, für die ganze Menschheit Platz zu bekommen, »gemeint sind die Juden u n d auch von ihnen offenbar nur die Bewohner von Jerusalem und Umgebung«. So können sie wohl alle untergebracht werden. Aber der Seher hat Phantasie, die fröhlich an den unnötigen Bekümmerungen vorbeiflattert. Im übrigen ist die Hervorhebung des Sabbaths ein Zeichen für die Zusammengehörigkeit mit der
111 Gruppe 56, 9—66 (58, 13 ff.)- V. 24 wird noch ein Blick auf die Abgefallenen in der Landesbevölkerung geworfen, pose'Im, »Missetäter«, dieselben wie in V. 5. Wiederum ein Zeugnis für die Integrität der Schlussverse. Diese sind Worte aus dem Eliaskampf des Propheten gegen den Abfall in Palästina. Die gefallenen Feinde liegen in greulicher Auflösung ohne Grabesfrieden, erschlagen vor Jerusalem und seinem Heiligtum, die sie zerstören wollten. Obwohl ihre Strafe verdient war, ist der Anblick hiervon doch »ein Grauen für alles Fleisch«. Das Goldkorn in diesem ernsten Worte ist: Jahwes Triumph. Diesem Propheten den scharfen V. 24 und damit V. 23 abzusprechen, hat keine innere Wahrscheinlichkeit für sich. Der Ausdruck deraön, Abscheu, der zufälliger Weise nur hier und in dem späten Dan. 12, 2 vorkommt, ist seiner Abstammung nach kein junges Wort; die Nominalbildung von der Form kittälön ist uralt, z. B. 'Ajjälön in Josua 10, 12. Aber man kann mit Freude Gewicht darauf legen, dass V. 23 mit der allgemeinen Anbetung des wahren Gottes die H a u p t a u s s a g e ist und hierzu durch »spricht der Herr« gestempelt wird. V. 24 hat auch seinen Inhalt, ist aber mehr der eigenen Reflexion des Glaubens zuzuweisen. Vgl. die Betrachtung bei G. A. Smith S. 510 ff. Kap. 65 und 66 sind Zwillingsabschnitte, die sich an die Jahwegläubigen innerhalb der unreinen Landesbevölkerung wenden. Augenfällige Berührungspunkte im einzelnen sind 65, 1 f. 12 zu 6 6 , 4 und 65, 3 ff. 11 zu 6 6 , 3 . 1 7 . Vergleichen wir sie zum Schluss unter einem mit den vorausgehenden Abschnitten, wird sowohl ihr eigenes Sondergepräge wie die Zusammengehörigkeit von 56, 9—66 als e i n e r Gruppe aus derselben Zeit und von demselben Verfasser bestätigt. Der besondere Charakter von 65. 66 hängt mit dem G e g e n s t a n d , d e n sie b e h a n d e l n , zusammen. In der Beschreibung der Entartung und des Gerichtes der Abgefallenen mischen sich Kraft und Entrüstung mit Ironie, der hohe Flug der Begeisterung jedoch kann hier nicht erwartet werden, und Stil und Sprache nähern sich der Prosa. Nur wo sich die Kritik an einer einzelnen Stelle zum Pathos erhebt, steigt auch die Darstellung zur Erhabenheit (66, 1. 2). Der Inhalt setzt sein Gepräge auf die Form der Rede; Drohungen und Belehrungen wirken nüchtern. Dies wiederholt sich 57, 3—13, das Kap. 6 5 , 6 6 nächstverwandte Stück. Ebenso bei Dtj. in dem
112
Züchtigungswort 43, 22 ff. 48, 1 ff., Ironie 44, 9—20 und Drohungen 43, 14; wenn sich die Ironie konzentriert, kann sie zum Spottlied emporsteigen, Kap. 47. Die sprachliche Tracht von Zurechtweisungen ist aber meist schlicht. Das für Kap. 65, 66 und die vorausgehenden Abschnitte Gemeinsame muss in d e n v e r h e i s s e n d e n P a r t i e n , also in 65, 8—10. 17—25. 66, 7—14. 18—24, gesucht werden. Man findet hier einen verwandten warmen Ton in der Aufmunterung und die Fähigkeit, den Inhalt der Rede mit wohlgewählten Bildern auszuschmücken. Z. B. die Weintraube, 65, 8; das Alter des Baumes 65, 22; die Erlösungsbilder 66, 7 ff. und Zions Mutterglück, 66, 11; auch das gewinnende Bild von den Opfergaben, 66, 20. Nirgends spricht etwas gegen die Annahme desselben Verfassers wie in den andern Abschnitten. Weiters haben wir eine Reihe von direkten B e r ü h r u n g e n in d e m G e d a n k e n k r e i s . Die hohe und echte G o t t e s a u f f a s s u n g 66, 1. 2 begegnet sich mit 57, 15. 63, 15. 19b. 58, 6. 7. Ein tiefes E r b a r m e n über die Elenden findet sich sowohl in 66, 2b. 5. 66, 13 (wie eine Mutter) als in 57, 15b. 61, 1. Das Erbarmen vergisst nicht der Aufrichtigen in der Landesbevölkerung 65, 8, wie in 57, 13, und wartet langmütig auf die Widerspenstigen 65, 1.2. Es erstreckt sich in grossartiger Milde auf die Heiden und ehrt sie 66, 21. Jahwe f ü h r t d a s H e i l d u r c h , er k o m m t in seiner Majestät 66, 15. 18, wie 59, 15b ff. 59, 20. 60, 1. 62, 11. Bezeichnend für die Gemeinschaft ist die Erwähnung von J a h w e s L i c h t g l a n z ([kaböd), der zu Zion zurückkehrt, der grosse Grundgedanke bei Dtj. (40, 5), der jetzt hervortritt, sowohl in 58, 8. 59, 19. 60, 1. 2 als in 66. 5. 18. 19. Mit diesem Eingreifen steht eine N e u s c h ö p f u n g in Verbindung 65, 17. 18. 66, 22, deren Spuren auch in 57, 19 und in der wunderbaren Verwandlung des Alls 60, 17 ff. zu finden sind. Das G l ü c k seines Volkes oder seiner Knechte in dieser ganzen Erneuerung hallt überall in 65, 8—25 wider, vgl. 66, 14. Jahwe selbst jubelt über Jerusalem und freut sich an seinem Volk 65, 19, vgl. 62, 5. In der Schilderung seiner Lust zur Gebetserhörung wetteifern 58, 9 und 65, 24. Gemeinsam sind die Ausdrücke » m e i n Volk« (65, 10. 19. 22, wie 57, 14. 62, 11) oder »die, die mich suchen« (65, 10, verglichen mit »sich auf mich verlassen« in 57, 13). Die, die sein Volk bilden, sind im einzelnen s e i n e K n e c h t e 63, 17,
113 aber in 65. 66 ist der Ausdruck »meine Knechte« in nuancierter Bedeutung für die Jahwetreuen in der Landesbevölkerung, die denselben Sinn haben wie Jahwes heimgekehrtes Volk, und daher schliesslich mit diesem eins werden (65, 9. 10, vgl. 57, 13), angewendet. Gemeinsam für die ganze Gruppe und die Schlussabschnitte ist die oft wiederholte Rede von dem Besitz »des Landes« oder »meines Berglandes«: 6 5 , 9 . 1 6 . 2 5 zu 57,13. 58, 14. 60, 18. 21. 61, 7, vgl. 65, 9 zu 58, 14 (Jakob). Die Lieblingsaussagen von den G a b e n d e r V ö l k e r u n d i h r e r L i e b e zu I s r a e l als Gottes Volk fehlen auch in den Schlussstücken nicht: 66, 12. 20 zu 60, 4 ff. 61, 5. 6. 9. 62, 10. Die beiden Schlussabschnitte sind durchzogen von der kräftigen Rede über d a s G e r i c h t v o n G o t t e s Z o r n ü b e r d i e A b g e f a l l e n e n u n d G ö t z e n d i e n e r : 65,5b—7.11—12.13— 15. 66, 3b—4. 6. 15—17. 19a. 24. Hier sind die besonderen Verhältnisse zu beachten, dass man hier überall den Heidnischgesinnten der Landesbevölkerung Aug in Aug auf heiligem Boden gegenübersteht. Denselben besonderen Verhältnissen, aber in kleinerem Umfang, begegnen wir auch voran, in 57, 3—13 und dem Gericht 57, 6b. 12. 13. Die Erwähnung dieser palästinensischen Verhältnisse ist nur ein G l i e d in d e m g r o s s e n e s c h a t o l o g i s c h e n G e r i c h t , welches die Heidenschaft und die Gottvergessenheit in der ganzen Welt trifft, und das 59, 15b— 19 und 63, 1—6 und ebenso auch in 65. 66 behandelt wird. »Feuer« in 65, 5. 66, 15. 16 hat seine Entsprechung in dem eschatologischen »Feuer verzehre deine Feinde!« 64, 1, und Jahwes Schwert von 66, 16 gleichfalls in 59, 16. 17 und in 63, 4. 5 (Arm des Kriegers). Die Übereinstimmung in der ganzen Gruppe ist also wieder so gross, dass das Sondergepräge von 65. 66 keineswegs zu einem andern Verfasser oder einem andern Zeitraum führt. Das Ringen in der Landesbevölkerung gehört nicht in die späte Zeit von A, sondern vielmehr in die Kämpfe der e r s t e n G e n e r a t i o n um die Sicherung des wahren Judentums gegen die herabgesunkene Mischreligion. Selbst unter der Sorge und dem Missgeschick nach der Verhinderung des Tempelbaues hatte das echte Judentum doch eine missionierende Kraft, die auf viele Mitglieder der Landesbevölkerung ihre Wirkung ausübte. Und die Heimgekehrten hatten zu ihrem Glück einen Propheten 8
114 unter sich, der kraftvoll daran arbeitete, ihren eigenen Mut wiederaufzurichten und den Jahwetreuen der Landesbevölkerung zu Hilfe zu kommen. Ohne die beiden letzten Abschnitte würden wir von der Zurückgewinnung des Landes durch den Jahwismus weniger verstehen. Die ganze Gruppe 56, 9—66 ist von dem Jahr 536 geprägt. Nichts spricht dafür, uns zu weit von diesem Trauerjahr zu entfernen, dessen Wunde noch so stark blutet. Die Begebenheiten und die geistige Stellungnahme zu diesen haben sich sicher sehr schnell entwickelt. Schon das J a h r 536 und die unmittelbar darauf folgende Zeit gewähren Raum für die Worte des Propheten. Kap. 66, 1—4 gibt eben die Situation bei der Abweisung der Bitte, an dem Jahwetempel der Juden mitbauen zu dürfen, im Jahre 536. Es steht dem jedoch nichts im Wege, zum Teil auch mit den unmittelbar darauf folgenden Jahren zu rechnen, da sich die Forderungen der Gegner hielten und der Gegensatz weiterbestand, bis sie sich schliesslich bezüglich des Tempels nach 520—515 geschlagen geben mussten. Die Aktualität der Schilderungen spricht für die frühesten Jahre, so dass die untere Grenze um 530 liegt. Der Verfasser scheint durch den Tod ziemlich lange vor Haggais Auftreten 520 verstummt zu sein. Kap. 65. 66 fügt sich den andern Abschnitten zu G u n s t e n d e s S t a n d p u n k t e s C an.
R ü c k b l i c k . Die prophetischen Reden in der Gruppe 56,9—66 haben in Geistesverwandtschaft und sonstiger Übereinstimmung einen gleichartigen Eindruck gemacht. Die sprachliche und stilistische Einheit wurde vor kurzem von Elliger mit demselben Resultat untersucht 1 ). Durch eine wenig glückliche Teilung der Kapitelreihe, besonders durch die Zusammenziehung von 60—62, hat man sich den Ü b e r b l i c k ü b e r d i e G r u p p e erschwert und ist darauf gekommen, sie als eine lose Sammlung von Prophezeiungen zu betrachten. In Wirklichkeit ergibt die Abschnittsreihe ein leicht überschauliches Gesamtbild. Und von ' ) Genug, mögen auch einzelne Stücke besondere Gruppen bilden, es sind genügend Verbindungen vorhanden, die die These stützen und sie höchst wahrscheinlich machen, dasz alle Stücke das Werk e i n e s Verfassers sind (Abschnitt »Stilistischer Vergleich« 63).
115 Abschnitt zu Abschnitt erhebt sich jedesmal d i e R e d e zu Verheissungen, als o b es Dtj. selbst wäre. So mündet der Abschnitt v o n d e m Gericht K a p . 56, 9—57, 21 in die Verheissung an Zion 5 7 , 1 4 — 2 1 aus; darauf K a p . 58—60 in die Verheissung 60,1—22;
K a p . 61—63, 6 in die Verheissungen
10—12 und schwächsten,
Jahwes
Triumph
63,1—6.
59,20.
61,10.11.
62,
K a p . 63, 7—64, 11
am
aber doch ein Glaube auf H o f f n u n g in d e m Ge-
bet zu Gott (64, 1 1 » ; K a p . 65 mit der Verheissung V . 17—25; K a p . 66 mit den Verheissungen in V . 7 ff. und 18—24 über Jahwes Anbetung durch die ganze W e l t . Die beiden letzten Abschnitte erhalten dadurch ihr besonderes Gepräge, dass sie an die J a h w e s u c h e r i n d e r L a n d e s b e v ö l k e r u n g s e l b st unter deren K a m p f gegen ihre abgefallenen Landsleute gerichtet sind. Sie sind d i e kräftigen und verheissungsvollen Beiträge des Propheten in d e m ständigen Streit für den wahren Jahweglauben. E r ist hier durchaus d e r
Verheissungsprophet
in einer
Zeit der
Rück-
s c h l ä g e . D i e Umsicht f ü r diese gläubigen Jahwesucher in der L a n d e s b e v ö l k e r u n g selbst ist auch ein d u r c h g e h e n d e s
Merk-
m a l b e i m P r o p h e t e n ; w i r finden sie, w i e erwähnt, schon i m ersten Abschnitt: 57, 13b w e r an mich glaubt. A b e r ebenso auch i m nächsten Abschnitt ( K a p . 58—60), in der grossen Botschaft 5 9 , 2 0 : F ü r Zion aber k o m m t er als Erlöser, u n d f ü r d i e i n die sich v o n der Übertretung (peSa Die Konjunktion »ve«
vergl. 66, 2 4 )
Jakob,
abwenden.
v o r Habe kann ebenso gut a d d i t i v
nur explikativ sein, und der Ausdruck
»in Jakob«
als
entspricht
» d e r Bevölkerung des L a n d e s « (65, 9). I n den Abschnitten 61— 63, 6 und 63, 7—64, 11 ist k a u m Veranlassung über diese Jahwesucher zu reden. U m so mehr in 65 u. 66.
8*
III. TEIL. DEUTEROJESAJA DER VERFASSER VON KAPITEL 40—66. § 5. Die vorhandenen
D
Möglichkeiten.
ie vorgenommene Untersuchung hat uns immer wieder von der Zeitansetzung der nachexilischen Prophezeiungen in 56, 9—66 um die Mitte des 5. Jahrhunderts, die von Duhm vertreten wird, abgeführt. Ihr Gepräge ist vielmehr frühnachexilisch. Gegen d i e l i t e r a r i s c h e E i n h e i t der ganzen Gruppe aber, die D u h m stets behauptete, hat sich kein Einwand erhoben; ganz im Gegenteil erscheint sie als sehr wahrscheinlich, je genauer die Sache untersucht wird. Hier hat sich Eiliger durch den Nachweis der Einheit des ganzen Stückes in Sprache und Ausdrucksweise grosse Verdienste erhoben. Bejaht man sowohl das Duhm'sche Erbe von der Einheit der Gruppe als zugleich die f r ü h e Abfassung, so dass man ohne schweres Herz von dem Standpunkt A Abschied nimmt, bleibt im wesentlichen nur die eine Frage übrig: W e r ist der V e r f a s s e r ? Wie ansprechend auch die Möglichkeit des Standpunktes B, zur Zeit des Serubabelschen Tempels oder später, erscheinen mag, kann man doch nicht von diesem aus den Abschnitt erklären, der die deutlichsten Zeitkennzeichen trägt, nämlich das Klagegebet in 63, 7—64, 11 mit der Erwähnung der Ruinen des Tempels und des Landes, ein Eindruck, der auch von vielen gegenwärtigen Forschern geteilt wird. Wir sind daher gezwungen, zusammen mit diesem Abschnitt — die Einheit des Ganzen vorausgesetzt — alle Abschnitte in die erste Jahresreihe nach der Heimkehr aus Babylon zu verlegen. D a m a l s muss der prophetische Redner und Schriftsteller gelebt haben. Die Erklärung der Gruppe 56, 9—66 besteht darin, dass dem Ganzen die T e m p e l t r a u e r von 536 als Voraus-
117
S e t z u n g d i e n t . Und es liegt daher unleugbar nahe, zu fragen: Kann der Verfasser dann jemand anderer sein als Deuterojesaja selbst? Dass gerade er, wenn nicht etwas ganz Unvorhergesehenes eingetreten ist, sich mit Begeisterung den Zehntausenden der Heimziehenden angeschlossen hat, ergibt sich von selbst. Er hat selbstverständlich nicht geschwiegen. Es kamen Rückschläge und Sorgen durch die Feindschaft der Landesbevölkerung. Der heimgekehrte Prophet ist daher wiederum Jahwes Ruf von 40, 1 ff. gefolgt, J e r u s a l e m M u t z u z u s p r e c h e n . Gerade dies ist die Unterströmung in diesen Jerusalemer-Reden. Wir haben in dem Rückblick auf § 4 gesehen, dass in ihnen allen ein Prophet der Verheissung das Wort führt. Es spielen besondere nachexilische Verhältnisse herein, aber es herrscht deuterojesajanischer Geist und Klang, wenn sich die Rede zu Verheissungen erhebt, besonders in den Kapiteln 60 und 61. 62; literarische Verwandtschaft ist hier unverkennbar. Niemand hat sich des Eindruckes einer Verbindung mit Dtj. entziehen können; selbst auf dem Standpunkt A wird der Verfasser ein Schüler des Dtj. genannt, aus Deuterojesajas »Schule«, allerdings etwas spät, im dritten Menschenalter nach der Heimkehr! Hält m a n sich statt dessen an die Heimkehr selbst und das erste folgende Menschenalter, könnte mit grosserem Recht von einem Schülerkreis des Deuterojesaja gesprochen werden, und der Verfasser könnte vielleicht ein solcher Schüler sein. Schön und wahr bemerkt Buhl in seinem Schlusswort S. 755, dass m a n bei dem Propheten, der in 56—66 spricht, »mit Bewunderung auf die unverrückbare Sicherheit blicken müsse, mit der er unter so verzweifelten Verhältnissen das Kommen des Heils verkündete und damit die nach dem Höheren strebende Minderheit in ihrem Kampf gegen übermächtige äussere und innere Feinde stärkte.« Die Möglichkeiten in der Verfasserfrage, bei deren Entscheidung der eingreifende Unterschied zwischen der Situation im Exil und der Situation nach der Heimkehr mitberücksichtigt werden muss, sind also: Ein Redner und Schriftsteller in den frühen Jahren 536 bis ungf. 530, e n t w e d e r 1) D e u t e r o j e s a j a s e l b s t n a c h d e r H e i m k e h r , in seinen letzten Lebensjahren, o d e r 2) e i n geistig v e r w a n d t e r S c h ü l e r in d e r s e l b e n zeitlichen S i t u a t i o n . Wenn sich gegen Deuterojesaja keine Einwände vorfinden, dann muss er der Verfasser sein, sonst der Schüler. Wir
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beginnen unsere Untersuchung mit der literarischen Verwandtschaft, um mit der religiösen Geistesrichtung fortzusetzen und mit Sprache und Stil zu schliessen. § 6.
Die literarische
Verwandtschaft zwischen und Deuterojesaja.
Kap. 56, 9—66
Die Jerusalemische Gruppe kennt Dtj. und führt, ganz überwiegend in den Verheissungen, Sätze und Ausdrücke aus ihm an. Es erhebt sich daher die Frage, welchen Schluss wir aus dieser literarischen Verbindung ziehen sollen. Bei demselben Verfasser können sich ja Ausdrücke und Gedanken ohne besondere Absicht wiederholen, es kann sich aber auch um bewusste W i e d e r a u f n a h m e handeln, um etwas früher Besprochenes hervorzuheben; geschieht derartiges durch die Hand eines Späteren oder Schülers, dürfen wir von Z i t a t e n sprechen. Zu einem Überblick über die literarische Verwandtschaft kann man G r e s s m a n n s Z u s a m m e n s t e l l u n g S. 30 f. in untengenannter Schrift 1 ) benutzen. Von den angeführten Stellen ist 56, 5 : 55, 13 ausgelassen, da diese Stelle nicht als nachexilisch aufzufassen und im übrigen bedeutungslos ist; ebenso 57, 15 räm ve-nissä': 52, 13, eine zufällige und unwesentliche äussere Übereinstimmung. Sonst folgen wir hier in der literarischen Zusammenstellung Gressmann. 1. 2.
3. 4.
5. l
5 6 , 1 1 : 5 3 , 6 . Jeder auf seinen Weg. — Gemeinsamer Ausdruck. 57, 1. 11: 47, 7. Nahm sich zu Herzen. — Gemeinsamer Ausdruck, findet sich jedoch auch Jer. 12, 11. Mal. 2, 2. Daniel 1, 8. Anführung daher fraglich. 57, 14: 40, 3. Bahnet den Weg! — Wiederaufnahme oder Zitat, in beiden Fällen mit bewusster Veränderung. 58, 8b: 52, 12b. Dein Recht (oder: Jahwe) geht vor dir her, Jahwes Glanz (oder: Israels Gott) schliesst den Zug. — Wiederaufnahme oder Zitat. 59, 1: 50, 2. Jahwes Hand nicht zu kurz. — Gemeinsamer Ausdruck.
) H. Gressmann »Ober die in Jesaja Kap. 56—66 vorausgesetzten geschichtlichen Verhältnisse«, 1898. Gekrönte Preisschrift, Göttingen. Jetzt schwer zugänglich.
119
6. 60, 4a: 49, 18. Erhebe deinen Blick und sieh dich u m : Alle strömen sie zu dir! — Wiederaufnahme oder Zitat, wörtlich. 7. 60, 4b: 49, 22b. Deine Söhne kommen von ferne (werden getragen), deine Töchter werden auf der Hüfte (Schulter) getragen. — Wiederaufnahme oder Zitat. 8. 60, 9: 51, 5. Mich erwarten ( j e q a w ü ) die Gestade, vgl. 42, 4 (jejahelu, sehnen sich). — Benutzung als Wiederaufnahme oder Zitat. 9. 60, 9: 55, 5. Israels Heiliger, der dich verherrlicht. — Gemeinsamer Gedanke als Wiederaufnahme oder Zitat. 10. 60, 10b: 54, 8. Zorn . . . Erbarmen. —• Gemeinsamer Ausdruck. Bei dem Jerusalemischen Propheten dieselbe Verbindung mit 57, 17. 11. 60, 13: 41, 19. Zypressen, Ulmen und Scherbinbäume. — Gemeinsamer Ausdruck, wörtlich. 12. 60, 16a: 49, 23. Einsaugen die Milch der Völker und saugen an der Brust der Könige (deine Pflegeväter Könige, deren Königinnen deine Ammen). — Variation, als Wiederaufnahme oder Zitat. 13. 60, 16b: 49, 26b. Ich selbst dein Retter, und dein Erlöser Jakobs Starker. —• Wiederaufnahme oder Zitat. 14. 6 1 , 8 : 5 5 , 3 . Ewiger Pakt. — Gemeinsamer Gedanke, Wiederaufnahme oder Zitat. 15. 62, 10a—40, 3. Bahnet den Weg! — Wiederaufnahme oder Zitat, in beiden Fällen mit bewusster Änderung. 16. 62, 10b: 49,22a. Errichtet Zeichen für die Völker, die die Israeliten heimbringen! — Wiederaufnahme oder Zitat, in beiden Fällen mit bewusster Änderung. 17. 6 2 , 1 1 a : 48,20. Klingen bis ans Ende der Erde. — Wiederaufnahme oder Zitat, mit Änderung. 18. 62, I I b : 40, 10b. Seine Beute vor ihm. — Wiederaufnahme oder Zitat. 19. 64, 1: 52, 6. Dass dein Name bekannt werde. — Der gleiche Gedanke. Die Echtheit von 52, 6 umstritten. Ähnliche Ausdrücke von Jahwes Namen in 59, 19. 63, 12. 14. 16 zu 55, 13. 20. 66, 12b: 49, 22b. Auf der Hüfte getragen und auf dem Schosse liebkost (Arme — Schulter, wie Nr. 7). — Wiederaufnahme oder Zitat.
120 21.
»Jahwes Arm«. 59,16. 6 2 , 8 . 63,5. 6 3 , 1 2 : 40,10. 51,5. 9. 52, 10. — Charakteristisches Gemeinschaftszeichen.
Ausser diesen Parallelen bei Gressmann, wo die Gemeinsamkeit nur an einzelnen Stellen zweifelhaft ist, verdienen noch angeführt zu werden: 22.
5 8 , 1 1 : 40,31. Er 'gibt dir wiedergeborene Kräfte'. — Die Anführung beruht auf der wahrscheinlich klingenden Konjektur »jahalls« zu jahallf (z. B. Duhm, Buhl, Köhler). Derselbe Ausdruck als Wiederaufnahme oder Zitat. 23. 61, 1: 42, 7. Freiheit für die Gefangenen, Befreiung der 'Blinden' (siehe Köhler). — Wiederaufnahme oder Zitat. Über 61, 1 siehe im übrigen § 4, Abschnitt 3. Wie man sieht, handelt es sich bei den angeführten Stellen ganz überwiegend u m die Verheissungspartien. Die Berührungsstellen ordnen sich innerhalb Kap. 40—55 folgendermassen: Kap. 40, 3 (Nr. 3 og 15). 40, 10a (Nr. 21). 40, 10b (Nr. 18). 40,31 (Nr. 22). 4 1 , 1 9 (Nr. 11). 4 2 , 7 (Nr. 23). 47, 7 (Nr. 2). 48, 20 (Nr. 17). 49, 18 (Nr. 6). 49, 22a (Nr. 16). 49, 22b (Nr. 7). 49, 22b (Nr. 20). 49, 23 (Nr. 12). 49, 26 (Nr. 13). 50, 2 (Nr. 5). 51, 5 (Nr. 8). 52, 6 (Nr. 19). 52, 12 (Nr. 4). 53, 6 (Nr. 1). 54, 8 (Nr. 10). 55, 3 (Nr. 14). 55, 5 (Nr. 9). Die V e r w a n d t s c h a f t m i t d e m I n h a l t , d e r f ü r D t j . b e s o n d e r s c h a r a k t e r i s t i s c h ist, ist also sehr gross. Einzelne Ausdrücke wie Nr. 1. 2. 5. 11. 21 k a n n derselbe Verfasser ohne besondere Absicht wiederholen. Bei andern Wiederaufnahmen rechnet er damit, dass dem Zuhörer das früher Gesagte noch bewusst ist, z. B. die vielen Stellen über die Sinnesänderung der Völker gegenüber Israel u. dgl., wie Nr. 6. 7. 8. 9. 10. 12. 13. 14. 16. 19(7). 20. 22. Endlich gibt es einige Stellen, an denen mit gewissen Änderungen ausdrücklich auf eine frühere Aussage hingewiesen wird; diese sind 57,14. 58, 8b. 62,10a. 62,11b, die sich u m die Hauptverheissung 40, 3. 10 konzentrieren. Ein Schüler des Dtj. wäre in den Andeutungen der mittleren Reihe gewiss m e h r a n d e n W o r t l a u t g e b u n d e n und weniger frei in seiner Reproduktion gewesen, als es der Fall ist. D u h m
121 erklärt den dtjesajanischen Einschlag auf die eigenartige Weise, dass die Zitate durch ihre U m b i e g u n g e n d e r A u s s a g e n d e s Dtj. den Beweis für ihre späte und nicht von dem exilischen Propheten herrührende Entstehung lieferten. Diese Behauptung ist als beweiskräftiges Argument von der Diskussion aufgenommen worden. Man bekommt bei Duhm (XX. 399. 408) leicht den Eindruck, dass die »Umbiegungen« bei allen Zitationen vorkommen, was jedoch keineswegs bei den vielen Hinweisungen in Kap. 60 der Fall ist. Die Umbiegungen zeigen sich durch gewisse Aussagen b e g r e n z t , die dafür einen hervorragenden Platz einnehmen. Dies gilt für die genannten Stellen 57, 14 und 62, 10 und ihre Fortsetzung, mit andern Worten, für das eschatologische Kommen Jahwes. Hier kann, wie bei 57, 14 erwähnt, mit Recht von d e r Umbiegung gesprochen werden, die sich aus den veränderten Zeitverhältnissen ergab. Die Heimkehr ist nämlich vollzogen, aber die Verhinderung des Tempelbaues hat die Gemeinde gelähmt. Deshalb stellt der Prophet in 57, 14 der Mutlosigkeit Jahwes erneutes Wort von 40, 3 entgegen. Aber jetzt ist, wie Buhl ganz richtig bemerkt, von dem Kommen des Heils im allgemeinen die Rede. Die Aussage hat ein weniger konkretes Gepräge erhalten, wie auch in 62, 10 f. mit seinem abstrakten »dein Heil«. »Die Bahnung des Weges« wird zu einem bildlichen Ausdruck für die Wegräumung der Hindernisse, a l l e r feindlicher Verhinderungen, wie es verheissungsvoll in 57, 14b heisst. Dies wird durch den kraftvollen V. 15 unterbaut, wo die Wiedererrichtung des Tempels ihnen mit den Worten zugesichert wird: Ich will w o h n e n . Auf den Wechsel des Subjekts in 62, I I a gegenüber 48, 20 ist kein Gewicht zu legen, es handelt sich nur um eine tendenzfreie Variation. Die »Umbiegung« ist nichts anderes als eine A n p a s s u n g der grossen, bleibenden eschatologischen Verheissung an die neuen Verhältnisse der Heimgekehrten, eine Verteidigung der Giltigkeit von Jahwes Aussagen in 40, 3 ff. Die volle Einlösung dieser Verheissung wird dem Zweifel und der Mutlosigkeit des Volkes gegenüber in all ihrer wundervollen Verwirklichung aufrechterhalten. Was in der Heimkunft g e s c h e h e n w a r , war mit andern Worten nur ein Glied in der Entwicklung des ganzen Heils. Einen solchen Hinweis hatten die Zurückgekehrten schon früh nötig, da sie sich noch wie im Exil, als »Gefangene« und »Blinde« (61, 1: 42, 7)
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fühlten, obwohl sie schon Jahr und Tag in ihrem Vaterland lebten. Eine solche »Umbiegung« oder Anpassung der Giltigkeit der eschatologischen Verheissung besitzt also s c h o n zur Zeit von C ihre volle Daseinsberechtigung, und die g a n z e ü b r i g e R e i h e wird j a s c h l e c h t h i n ohne n ä h e r e A n p a s s u n g w i e d e r a u f g e n o m m e n . Sowohl diese als die andere Erscheinung sind durch die Annahme des heimgekehrten und in Jerusalem wirkenden Dtj. durchaus verständlich. § 7. Die religiöse
Geistesrichtung
in Kap. 56, 9—66.
Das Interesse an dieser Frage ist sehr gross. Die Aufstellung eines Tritojesaja als einer von Deuterojesaja verschiedenen Persönlichkeit steht und fällt mit ihrer Beantwortung. Bei Duhm ist die Zeitansetzung des nachexilischen Propheten überall von seiner Grundauffassung der geistigen Richtung beeinflusst. Wir haben es in den drei Gruppen mit verschiedenen Zeitverhältnissen zu tun. Schon 49—55 (mit 56, 1—8) ist verschieden von 40—48, und 56, 9—66 geht die grosse Veränderung voraus, die dadurch eingetreten ist, dass die Heimkehr eine Tatsache wurde. Es erhebt sich also die Frage, ob in den religiösen Grundgedanken Einheit oder Verschiedenheit herrscht, und wie von Jahwe, Israel und den Völkern gesprochen wird. Wir können bei der Untersuchung von einem grossen, gemeinsamen Grundgedanken ausgehen, der uns in allen Gruppen, in der ganzen Schrift entgegentritt. Dies ist die V e r h e i s s u n g von J a h w e s n a h e m K o m m e n in s e i n e m L i c h t g l a n z , kaböd1), und damit die eschatologische Wiedererrichtung seines Reiches. Auf dieser Gewissheit beruht bei Dtj. alles. Hierin verwirklicht sich Jahwes grosser Weltenplan des Heils, den er allein gefasst hat und nach seinem Willen durchführt. Diese Verheissung liegt Dtj.s prophetischer Berufung 40, 5 ff. zugrunde. Alles ist bei Dtj. e s c h a t o l o g i s c h . Auf einem der Höhepunkte heisst es daher: »Dein Gott hat die Königsmacht an sich genommen!« ( 5 2 , 7 , malak), mit der Beschreibung der Heimkehr des Herrn nach Zion (52, 8. 12). In der Jerusalemischen Gruppe lenkt die Tatsache der Heimkehr den Blick auf die relativen, aber aktuellen Ziele, die Erfüllung der ') A. v. Gall: Die Herrlichkeit Gottes, 1900.
123 eschatologischen Verheissung wird jedoch mit Kraft sowohl in 57, 14 als 62, 10 ff. behauptet, und in 58, 8 wird wiederum Jahwes Majestät im Lichtglanz (kaböd) als nahe bevorstehend und im schnellen Kommen genannt. Der Lichtglanz liegt in 59, 19 und 60, 1. 2 über seinem Kommen zum Gericht gegen die Heidenschaft und zur Verherrlichung des bekehrten Zion. Die Offenbarung von Jahwes Lichtglanz wird 66, 5 mit noch ungeschwächter Kraft den Jahwegläubigen der Landesbevölkerung und 6 6 , 1 8 . 1 9 der ganzen jüdischen Gemeinde verkündet. Das Bewusstsein, dass diese heilige Herrlichkeit das religiöse Leben Israels getragen hat, tritt in den Berichten über die Errichtung des Paktes auf Sinai ( E x . 24, 16, vgl. 33, 22) und die Einweihung des Zeltes (Ex. 40, 34 f. Num. 14, 10) wie auch bei der Einweihung von Salomons Tempel (1 Kön. 8, 11) hervor. Von besonderem Interesse bei Jes. 40—66 ist der Hintergrund, der sich dem exilischen Geschlecht für die Rede über die Wiederkehr von Jahwes Kaböd darbot, nämlich das Bewusstsein, dass Jahwes Herrlichkeit seinen dem Untergang geweihten Tempel verlassen habe. Das Buch Hesechiel spricht davon 8, 4. 10, 4. 18. 11, 22 f. und von Jahwes Rückkehr in 43, 1—5. Dies alles ist, trotz dessen Ausscheidung durch Hölscher (S. 193), brauchbar als Folie für die Bedeutung der Kaböd-Verheissungen in Jes. 40—66. W i r s t e h e n h i e r m i t b e i D t j . s Z e n t r a l i d e e , und dieselbe Idee setzt sich in 56, 9—66 fort. D i e g a n z e S c h r i f t 4 0 — 6 6 i s t v o n e i n e m gemeinsamen Hauptgedanken durchzogen. In Verbindung mit dem eschatologischen Grundgepräge steht — wiederum im ganzen Buche — die starke, und für diese Autorenschaft ganz charakteristische (§ 6 Nr. 21) Erwähnung des E i n g r e i f e n s v o n » J a h w e s A r m « . Dieser Ausdruck für die Urteile von Gottes Allmacht kann einen Rückblick auf Jahwes Schöpferkraft enthalten, wie in 51, 9 und auch in Jer. 27, 5. 32, 17 und in Ps. 89, 14 (vgl. V. 10—12), aber öfter auf die wunderbare Befreiung aus Ägypten, auf der Israels ganzer Lebenslauf beruhte. Dieser beiden Dinge kann gleichzeitig gedacht werden, wie in Jer. 32, 21 und dem genannten V. 17; überwiegend jedoch verweilt der Rückblick bei der Geburtsstunde Israels als Volk in jener mächtigen Befreiungstat (Ex. 6, 6. 15, 16. Dt. 4, 34. 5, 15. 7,19. 9,29. 11,2. 1. Kön. 8,42. 2. Kön. 17,36. Ps. 77,16. 136,12). An einzelnen Stellen wird an Kanaans Einnahme gedacht
124 (Ps. 44, 4), an Davids Siege (Ps. 89, 22) oder an andere rettende Taten (Ps. 71, 18. 79, 11), und der Blick wendet sich der Gegenwart zu, auf Jahwes Kampf gegen sein Volk (Jer. 21, 5), oder auch auf die Zukunft, auf Israels Befreiung aus der Diaspora (Hes. 20, 23. 24), und rein eschatologisch in dem Hymnus Ps. 98, 1. Dieser eschatologische Blick in die Zukunft beherrscht in Kap. 40—66 auch die Hinweisungen auf »Jahwes Arm«. Also auch hier ein bedeutungsvolles Einheitsband in den religiösen Ausdrücken. Was am allerstärksten sowohl in der exilischen als in der nachexilischen Gruppe die Gedanken prägt, ist d a s B e w u s s t sein von J a h w e selbst und seinem mächtigen B a t s c h l u s s , durch den er seinen Heilsplan verwirklicht. Dies ist das Bleibende beim Kommen und Gehen der Ereignisse. Es herrscht ein merkwürdiger und ständiger Wechsel zwischen Jahwes direktem Eingreifen und dem Hervortreten von Persönlichkeiten, die er selbst für den Dienst in seinem Plan ausgewählt hat. Dies gibt der Darstellung an den betreffenden Stellen einen überraschenden Charakter. Sie ist asyndetisch und dramatisch, nichts weniger als systematisch. Wir sehen dies bei K y r o s . Ihm ist in der ersten Gruppe, Kap. 40—48, von Jahwe Israels äussere Befreiung von Babel und dessen Heimsendung übertragen, wofür ihn Jahwe ausrüstet und mit Ehrennamen ruft (41, 2 ff. 41,25—27. 4 3 , 1 4 . 44, 28. 45, 1—4. 13. 46, 11. 48, 14). Wäre er dahin gelangt, Israels Gott als den einzigen, wahren, heilbringenden Gott zu erkennen, würden seine fortgesetzten Siege die ganze Welt davon überzeugen, dass nur Jahwe Gott ist, so dass sich die Völker von ihren Götzen ihm zuwenden würden (45, 5. 6. 20. 22). Aber Kyros huldigte nach Babels Übergabe dessen Gott Marduk (Kyroszylinder). Damit fiel das Zukunftsbild von Kyros' universeller Bedeutung. Nur an Jahwes Absicht, Israel durch Kyros zu befreien, hält Dtj. mit Glaubensstärke in der ganzen schweren Zeit fest (49—55), bis Kyros Befreiungskundmachung erschien. Über Kyros selbst dagegen kein Wort. Exit Cyrus. Nun wendet sich der Gedanke zu Jahwe selbst und seinem ausgestreckten Arm (49, 7. 24—26. 51, 5. 9. 52, 10). Das Aufhören der direkten Rede von Kyros ist leicht zu verstehen. Aber wie geht es zu, dass auch von J a h w e s a u s e r w ä h l -
125 t e m K n e c h t die Rede nach den bekannten vier Gottesknecht prophezeiungen verstummt? Das Eigenartige in Dtj.s Prophezeiung über Israels Befreiung aus Babel liegt in der unerschütterlichen Gewissheit, mit der er auf Kyros als Jahwes Werkzeug hierzu hinweisen konnte. Aber Dtj. hat j a ebenso wie Jeremia (31, 33 f. 32, 38 ff.) und Hesechiel (36, 25 ff.) Gottes Antwort auf die Frage gesucht, wie Israel innerlich erneut werden sollte. Seine Antwort ist, dass auch die innere Erneuerung J a h w e s e l b s t in ihren Herzen hervorbringen werde. Auch in dieser Beziehung hat er einen besonderen Weg gewiesen. Gott hat ihm die Augen dafür geöffnet, dass er auch hier ein Werkzeug eigener Art habe: Siehe, mein Knecht, den ich ausgerüstet habe! Es ist der erwartete messianische Davidsspross, dem Jahwe diese Aufgabe vorbehalten hat. Er wird mit Jahwes Geist gesalbt sein und ohne Aufsehen machendes äusseres Auftreten in grösster Geduld und Ausdauer seine Kraft und sein Leben für Jahwes Aufgabe einsetzen, sowohl für Israel als für die Heiden. Es ist unleugbar, dass das Wirken des Knechts nach Jahwes Willen in Israel beginnt (49, 4—6). Er ist seinem eigenen Volk gegenübergestellt, und immer stärker enthüllt sich dem Blick des Propheten ein tiefer Widerstand von seiten dieses Volkes gegen ihn. Indem Dtj. derart einen Einblick in Jahwes Heilsplan durch das Kommen seines Knechts gewonnen hat, sagt er nichts oder kann er nichts darüber sagen, wann dieser Knecht zu erwarten sei. Wenn er sich auch vielleicht den Knecht so nahe vorgestellt hat, dass er auf die Entführten in Babylon einwirken konnte, hat doch seine Erfahrung über die harten Herzen seines Volkes ihn immer mehr zu ferner liegenden Möglichkeiten für die Offenbarung des Knechts geführt. Er stellt keine Behauptung in Bezug auf den Zeitpunkt auf, am wenigsten in d e m Sinne, dass die Zeit der Tätigkeit des leidenden Knechts in die kurze Periode bis zur Befreiung zus Babel falle 1 ). Man ersieht aus der zweiten ' ) Dies wird von G. A. Smith (286—288) gegenüber A. B. Davidson treffend nachgewiesen: Kyros' Wirken »is temporary, and soon passes from his thoughts . . . But the other, the spiritual redemption, is confined to no limits of time . . . Perhaps we may best convey it in a homely figure. On the ship of Israel's fortunes the prophet sees two personages. One is the pilot through the shallows, Cyrus, who is dropped as soon as the shallows are past; and the other is the
126 Gruppe, 49—55, wie stark sich der Prophet mit diesem Knecht beschäftigte, der kein Phantasiegebilde ist, sondern über den er dieselbe Gewissheit von Gott erhalten hat wie über Kyros. Er weiss nur nicht, wann seine Zeit da ist. Durch diese Unbestimmtheit ist es leichter zu verstehen, dass das Kommen des Gottesknechtes sich in ferne Zeiten aufschieben kann. Schon in Kap. 54. 55 ist das Bild verschwunden und dies bleibt so in der ganzen Jerusalemischen Gruppe. Die Erklärung zu diesem Umschwung lässt sich jedoch wohl finden, es ist dies d a s E i n treten der neuen Ereignisse, das Aufhören der Landf l ü c h t i g k e i t . Das Neue von Jahwe war durchgebrochen. Eine relative Glaubenserneuerung war im Volke geschehen, und ein relatives Erleben des Heils eingetroffen. Die Heimkehrszeit war eine Zeit mächtiger Herrlichkeit, wie frühe auch Schatten von aussen und innen über sie fielen. Dies ist der neue Hintergrund für die Jerusalemische Gruppe. Der Prophet, sei es nun Dtj. oder sein enger Schüler, hatte Anlass zur Hoffnung gehabt, dass Israel das geeignete Volk des Herrn werden würde. Wir haben gesehen, wie kraftvoll der Prophet durch die Wiederaufnahme von 40, 5 in 57, 14 und 62, 10 f. die absolute und eschatologische Verweissung festhielt. Aber d i e r e l a t i v e E r f ü l l u n g führte zu den nächstliegenden Aufgaben in dem wiedergewonnenen Jerusalem. Dies ist das Neue, das hinzugekommen ist. Das Kommen des Absoluten und des universalen Reiches steht noch aus. In Wirklichkeit verzögert sich Jahwes Kommen. So lässt auch die Erneuerung durch die Offenbarung des Gottesknechts auf sich warten. Noch liegt die Möglichkeit vor, dass Jahwes Absicht mit seinem Volk ohne das Eingreifen des besonderen Knechts erreicht werden könnte. So verstehen wir, dass diese bezaubernden und rätselhaften Prophezeiungen in ihrem Strömen durch die Seelentiefen des Propheten etwas sind, was » u n s o u p ç o n s u b l i m e « 1 ) Captain of the ship, who remains always identified with it — the Servant. The Captain does not come to the front tili the Pilot has gone; but, both alongside the Pilot, and after the Pilot has been dropped, there is every room for his office. ') Krüger fügt in einer Anm. S. 121 hinzu: Comme l'exprime G. dans la Revue de théol. et philos. (Lausanne) Xlle année, p. 163. Vermeintlich der Theologe Lucien Gautier, damals Professor in Lausanne. — Mit Bezug auf Krügers verwandte Aussagen kann auf S. 107. 119. 120. 121 und 137 hingewiesen werden, weiter folgendes: Nous ajoutons cependant que s'il ne fallait voir dans
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genannt worden ist, eine Hypothese, eine Reserve in Jahwes Heilsplan. Es zeigte sich schliesslich, dass das hypothetisch Geschaute in der historischen Wirklichkeit mehr als erfüllt werden sollte. Hierauf kann indes hier nicht näher eingegangen werden1). Wir sehen zum Schluss bei den Gottesknechtverheissungen wiederum, wie J a h w e s e l b s t und sein Eingreifen die eigentliche, wunderbare Wirklichkeit ist. Deshalb kann er Kyros berufen und ihn wieder fallen lassen, oder kann Israels Heimkehr in den Farben des Wunders geschildert werden, jedoch auch in nüchterner Wirklichkeit das wahre Wunder bleiben; ebenso kann er seinen Knecht aussenden, dass er das Licht der Heiden werde, und doch dieselbe Tat durch seinen starken Arm ausführen (51, 4—5). So kann er schliesslich von seinem Knecht, dessen Wirken und dessen Opfertod verkünden zum Heil seines Volkes, oder sein Wort hierüber zu einer Hypothese werden lassen, falls er in seiner Weisheit einen Weg zu dem Heilsziel mit Vermeidung dieses Opfers sehen kann.
Das Bewusstsein, dass Jahwe selbst derjenige ist, der waltet und das Heil vollbringt, ist in der Jerusalemischen Gruppe nicht weniger stark, und wir werden noch Gelegenheit haben, dies im Verlaufe unserer Ausführungen zu konstatieren. Deshalb herrscht hier auch dieselbe Gewissheit des Heils und des Sieges wie in den ersten dtjesajanischen Gruppen. Jeder Abschnitt in 56, 9—66 schliesst, wie wir gesehen haben, mit einer Verheissung, ein gewichtiges Zeugnis für die geistige Verwandtschaft des Ganzen. Aber was hülfe es, Jahwe als den Waltenden und Alices discours qu'une oeuvre purement humaine, produit d'une imagination surexitée et d'un patriotisme outré, il nous semblerait ridicule d'en faire une étude sérieuse. C'est parce que nous croyons à l'influence réelle de l'Esprit de Dieu sur le prophète, que ces discours s'illuminent pour nous d'une lumière divine qui leur donne une valeur éternelle, quoique ici, comme partout dans ce monde, le trésor immortel soit contenu dans un vase de terre (121). ') Wir erinnern nur an eine Bemerkung von Dillmann in Alttest. Theol. 1895, 187: Christus, im VI Jahrhundert gekommen, wäre unverstanden, sein Werk kraftlos geblieben ; alles hätte ihn verworfen, vielleicht mit Ausnahme des einen, der am tiefsten voraus in sein Wesen und Werk eindrang (des Propheten von Jes. 42—53. 61).
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mächtigen aufzufassen, wenn er dies nicht seinem innersten, hochsinnigen und ethischen Wesen nach wäre? Der Prüfstein hierfür ist, ob auch diese dritte Gruppe in 56, 9—66 d e n s e l b e n e c h t p r o p h e t i s c h e n G e i s t zeigt wie die früheren. Dies ist die Bedingung für die Anerkennung, dass sie Dtj.s Zeichen trägt. Bei dem Vergleich zwischen exilischer und früh-nachexilischer Rede, den wir jetzt vornehmen werden, muss man sich die Tatsache der Heimkehr vor Augen halten, die zwischen den beiden ersten und der letzten Gruppe liegt. Dies bringt mit sich, dass auch eine gewisse unvermeidliche Abspannung im Verhältnis zu dem ersten absolut-eschatologischen Zukunftsziel eingetreten ist. Es war eine relative Erfüllung der Verheissung erreicht. Wir haben in § 1 gesehen, dass es von dem Augenblick an, wo in 40, 1 ff. Jahwes Verheissung den Entführten zuteil wurde, Dtj.s Aufgabe war, diese zu verkündigen, also Verheissungsprophet zu sein. Ohne darauf Gewicht zu legen, was sonst fehlen konnte, lautete die augenblickliche Forderung an Israel, an Jahwe, seinen Gott, und an dessen Verheissung des nahen Heils zu glauben. Aber Dtj. führte auch das Volk zu der ehrlichen Wahrheitserkenntnis, dass das Exil nicht Jahwes Ohnmacht, sondern sein Gericht war. Er besass also auch als Verheissungsprophet den echt ethischen Massstab, was bei Duhm nicht zu seinem vollen Recht kommt. Wir haben in § 2 als ein Kennzeichen für Dtj. die Wahrheitsforderung im Verhältnis zu Jahwe, der alle unechte Verehrung verabscheut, besprochen. Mit der dritten Gruppe ist e i n e n e u e S i t u a t i o n eingetreten. Hier hören wir auf dem Gebiete des sozialen Lebens von strengen moralischen Forderungen bezüglich brüderlicher Gesinnung im Gegensatz zu der herrschenden Eigenliebe und Unbrüderlichkeit. Der Prophet, der hier spricht, verteidigt zugleich kräftig die sichere Einlösung der Verheissung Jahwes, wie bisher Dtj. Der richtig verstandene Dtj. ist als Verheissungsprophet zugleich Ermahnungsprophet. Hier, nach dem Beginn der Verheissungserfüllung, begegnet uns ein Ermahnungsprophet, der gleichzeitig Verheissungsprophet ist. Nicht Gott hat seine Versprechungen vergessen, sondern ihre eigenen Sünden sind es, die Jahwe dazu veranlassen, sich zurückzuhalten und sein Antlitz zu verbergen (59, 2). Duhm nimmt die genannte moralische Forderung zum Anlass, diesen Propheten und Dtj. in vollständigen Gegensatz zu einander zu
129 stellen. Da dies bei Duhm zusammengehört mit seiner Auffassung des Gedankenganges des nachexilischen Verfassers im Sinne der gesetzlichen und kultischen Verdienstlichkeit, wollen wir lieber diese Beurteilung gesammelt beantworten, und uns hier, ungehindert von jeder Polemik, damit begnügen, die vorliegenden Tatsachen festzustellen. Es verhält sich so, dass in den exilischen Prophezeiungen überwiegend zu Israel unter einem gesprochen wird. Jakob-Israel als ein »Du« gegenüber Gott. Diese Form ergibt sich mit der Verheissungsbotschaft. Aber Dtj. hat j a auch die in § 1 besprochenen ethischen Forderungen und kann mit starkem Nachdruck ermahnen, wobei dann natürlich die Individuen, ein »Ihr« oder »Euch«, hervortreten (55,6.7 vgl. 50,1). Dies letztere ist auch der Fall in den nachexilischen Ermahnungen und Züchtigungsworten, wofür besonders Kap. 58. 59 in Betracht kommt. Aber man wende sich zu den Verheissungen desselben Propheten: 57, 17 ff. 58, 8 ff. 60, 1 ff. u. a., und »er« oder »du« tauchen wieder auf. Dieser Unterschied ist also unwesentlich. Dtj. würde, läge die Aufgabe zu ermahnen vor, ebenso sprechen, wie der nachexilische Verfasser. Wird an Israel als Volk gedacht, dann gilt die Unbedingtheit des Heils. Ist jedoch das Wort an sie als Individuen gerichtet, dann müssen sie selbst die Folgen ihrer Handlungen auf sich nehmen, wenn sie nicht bereuen und mit der Sünde brechen. In den genannten Kap. 58. 59 mit der moralischen F o r d e r u n g d e r B r ü d e r l i c h k e i t in dem sozialen Leben von Jahwes Volk, ist diese Forderung ein Glied eines grösseren Zusammenhanges. Es ist, wie wir früher gesehen haben, die tief eingreifende Frage, was das jetzt überstandene Exil bedeutet habe, die alte Lehre, dass es kein Beweis für Gottes Ohnmacht u. dgl. sei, sondern ein Gericht und die Züchtigung über ein Volk, das die Gerechtigkeit seines Gottes im Stiche gelassen habe. Das heimgekehrte Geschlecht fühlte sich noch wie halb im Exil, weil sie dies noch nicht verstehen wollten. Daher murrten sie gegen 'Jahwe, der sich nicht mit der Erfüllung der Verheissung beeilte, statt Israels Schuld zu verstehen. In diesem Konflikt ist 56, 9—60, 22 der grosse Einsatz. Nur die Reue verleiht dem Gottesverhältnis Wahrheit; wenn sie eintritt, wird alles verwandelt: 59, 13. 20. 60, 1 ff. Wir sehen, Dtj. und unser Prophet kämpfen beide in gleicher Weise für diese Sache. Von dem Zusammenhang mit 9
130 der Schuld ihrer Väter, die das Gericht des Exils über sie herabrief, konnten sich die Heimgekehrten nur durch Reue über den Abfall von Gott, der der moralischen Auflösung zugrunde lag, befreien. Sie erkennen, dass ihre Lügenhaftigkeit und Falschheit Treulosigkeit gegen Gott bedeutete. Diese Erscheinungen sind Äusserungsformen für einen inneren Abfall von Jahwes Autorität. In demselben Geiste wendet sich der Prophet gegen die Eigenliebe und Unbrüderlichkeit, die ihr neues Gemeinschaftsleben in Jerusalem als das heimgeführte Volk Jahwes befleckten. Dies wird in Kap. 58 geschildert, mit Heranziehung des Verhältnisses zwischen den hartherzigen Schuldnern und den von ihnen Abhängigen. D e r A b f a l l v o n d e m L i e b e s g e b o t s t e h t d e r V e r l e u g n u n g J a h w e s g l e i c h . Wir sehen, wie fern dieser Prophet von der Anerkennung einer servilen Gottesverehrung und allem formalistischen Wesen ist, wenn Jahwe Fasten, Gebete und Sabbathe ohne die moralische Gottesfurcht dargebracht werden. Wir stossen wieder auf den echten prophetischen Geist wie bei Dtj. selbst, aber er ist neuen Zeitverhältnissen entsprechend n u a n c i e r t zur Forderung und Ermahnung, aber ohne Lohnforderung im Gottesverhältnis. Wir wollen diesen wichtigen Punkt und die Übereinstimmung mit Dtj. etwas näher beleuchten. Jahwe hat von sich aus Israel zu seinem Eigentumsvolk auserwählt. Über die Motivierung dieser Wahl ist in der ganzen Schrift keine Erklärung zu finden. Die Erwählung Israels durch Gott ist in dem unergründlichen Ratschluss seines Willens verborgen. Mit Jahwes Heilsplan verhält es sich auf dieselbe Weise. Seine Ausführung zu verhindern, vermögen die Unwürdigen natürlich nicht, dagegen können sie des Heils verlustig gehen und sie können seine Ausführung verzögern, indem Jahwe voller Langmut auf ihre Sinnesänderung wartet. Aber wie der Beginn des Heils, die Befreiung aus Babel, so beruht auch dessen Vollendung, die Verherrlichung Jerusalems, ausschliesslich auf dem Gnadenverhältnis seitens Jahwe. Deshalb ist auch unser Prophet seiner Sache und der Heilsverkündigung ebenso sicher wie Dtj. selber. Die empfangene Gnade verpflichtet: dies ist eine andere Sache. Aber von Werkgerechtigkeit, wie dies D u h m zu 58, 8 hervorhebt, »erst die Leistung der Gemeinde, dann die Jahwes, entsprechend der werkgerechten Gesinnung dieses Verfassers«, ist auch bei diesem Propheten, so wenig wie bei Dtj., irgendeine
131 Spur. Dies ist nirgends deutlicher zu lesen als im 58. Kapitel selbst. Hier finden sich nämlich Stellen, wo die Auffassung, dass die moralische Forderung die Gnade als Verpflichtung und mit ihr verbundene Selbstverständlichkeit begleitet, sehr klar zu Tage tritt. Wir beziehen hier die dtjesajanische Aussage in 56, 1 mit ein, deren Verwandtschaft mit den nachexilischen der Kap. 58.59 unverkennbar ist. Hier liegt eben die Verbindung bloss, die von der Gnade zu ihrer Folge und Begleiterscheinung geht: mein Heil beginnt zu kommen ( l b ) , also beachte das Recht und übe Gerechtigkeit ( l a ) . Auf dieselbe Weise 4 4 , 2 2 : Ich erlöse dich, bekehre dich daher zu mir! Die Aussage in 48, 18 (dtjes., § 1) lautet wie hier in 58, 8: das Heil ist sicher, aber man muss persönlich darnach greifen. Eine Reihe Stellen bei Dtj. sprechen von »Jahwes Furcht« wegen des begleitenden Eifers nach Lebensgerechtigkeit: 50, 10. 51, 1. 7. 55, 7. Nebenbei für Duhm bemerkt, ist 62, 11 wohl nicht lohnsüchtiger als 40, 10, woraus es wiederaufgenommen ist. Es fehlt bei dem nachexilischen Verfasser auch nicht an Stellen, wo Jahwes heilbringendes Eingreifen ohne vorausgehende Leistung von Seiten Israels verkündet wird: so wird in Kap. 61 und 62 das nahe bevorstehende Heil ohne jede Bedingung verkündet. Oder 63, 17, wozu Buhl bemerkt, dass die Sünde des Volkes das Heil hemmte, und das Heil doch nicht ausbleiben konnte. Oder 63, 8: »Sie sind doch mein Volk, Kinder, die nicht trügen werden!«, also die Gnade begleitet von dem moralischen Gehorsam. Und im ganzen genommen: dass Werkgerechtigkeit bei diesem Propheten keinen Misslaut gibt, ebenso wenig wie bei Dtj., darauf kann man j a die Probe machen, indem man beobachtet, was der Prophet von Seiten Israels vorbringt an Stellen, wo die Verzweiflung über das Ausbleiben des Heils lauert: 63,17. 64, 6 ff., vgl. 6 2 , 6 . 7 . N i c h t s , mit Ausnahme von Jahwes Pakttreue. Jüdischen P a r t i k u l a r i s m u s , verbunden mit echt ethischen Grundzügen, kann man sowohl bei diesem Propheten als bei Dtj. finden. Er war auf der alttestament. Lebensstufe unvermeidlich, da der geistige Inhalt, der Israel anvertraut war, vorläufig nur in nationaler Form, in einer Volksgemeinschaft als Burg und Mutterschoss bewahrt werden konnte. Auf den Partikularismus, der so stark D u h m s Auffassung des Propheten beeinflusst hat, werden wir in dem Schlussteil dieses Paragraphen 9*
132 noch zurückkommen. Wir beobachten jedoch sowohl hier als bei Dtj., wie gesund die echt jüdische Frömmigkeit trotz des Partikularismus in ihrem Gottesverhältnis ist. Unser Prophet aus der Heimkunftzeit unmittelbar nach dem Exil war im guten S i n n e t h e o k r a t i s c h , ein Israelit »mit Gottes Gebot in seinem Herzen« (51, 7), wie Dtj. selbst gewesen ist. Jahwes Gebot regelte, wie M i c h e l e t nachweist1), in einer Einheit sowohl das religiöse als das moralische, rechtliche und kultische Leben. Die Rechtsordnung ruhte auf einem stark entwickelten, religiös gefärbten Gemeingefühl. Dies finden wir in jeder antiken Rechtsauffassung, ob sie nun heidnisch oder israelitisch war. Aber der Vorzug und die Sonderstellung der jüdischen Religion besteht in der Klarheit und Kraft, mit welchen hier Moral und Recht als Wille und Forderung der Gottheit aufgefasst werden. Man fühlte im Judentum mit Recht Freude und Stolz über die Gebote und Anordnungen Jahwes (Deut. 4, 8). Theokraten waren alle jüdischen Führer zur Zeit des Exils, auch Dtj. (§ 2, S. 32ff.). Für D u h m s Konstruktion der Geistesrichtung des nachexilischen Verfassers bedeutet allerdings »Theokratiker« soviel wie Formalismus und ein schwarzer Fleck. »Es ist Theokratiker vom reinsten Wasser und hält den Tempel, das Opfer, das Gesetz, den Sabbath u. s. w. für die höchsten Dinge« (389). V e r g e b e n s hat er also seine himmelhohen Worte vom Tempel und Heiligtum in 57, 15. 66, 1 ff. gesprochen und aus voller Kehle in Kap. 58. 59 gerufen, dass Gehorsam mehr ist, als Fasten und Opfer, und das Walten der Eigenliebe ein Paktbruch gegen Gott, 59. 13. Er ist aber etwas ganz anderes, ein Prophet im Geiste und in der Wahrheit, Deuterojesajas alter ego, dem J a h w e a l l e i n alles ist. Die religiöse Geistesrichtung kommt besonders deutlich zum Ausdruck, wo es sich um das H e i l der V ö l k e r und J a h w e s u n i v e r s e l l e s R e i c h handelt. Wir wenden uns daher der Rede über diesen Gegenstand zu, wobei der Vergleich zwischen Dtj. und dem Propheten der Heimgekehrten fortgeführt wird. Mit dem umschaffenden Einfluss des messianischen Knechtes auf Israels Herzen war bei Dtj. der grossartige Universalismus den Heiden gegenüber verbunden, die Jahwe durch diesen seinen Knecht zu sich heranzieht (42, 1. 4. 6. 49, 6). Wir haben 1
S. Michelet: Norsk theol. Tidsskr. Bd. 1, 1900.
133 jedoch gesehen, dass schon bei Dtj. diese Gottesknechtprophezeiungen auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, und damit auch dieser Ausblick auf die Heidenwelt. Aber Dtj. hat auch a n d e r e Äusserungen über die Völkerschaften, und diesen Aussagen wollen wir uns jetzt zuwenden. Vielleicht hat das Heil der Völker in den Gottesknechtprophezeiungen bei Dtj. den Gedanken an ein vorausgehendes Gottesgericht über diese Völker, bevor sie so willig der Stimme des Knechtes lauschten, nicht ausgeschlossen. Das Interesse konzentriert sich dann auf drei Punkte: 1) Das allgemeine Weltgericht und das Gericht über die besonderen Feinde von Jahwes Reich, 2) die Art und Weise der Bekehrung der Völker und 3) Jahwes Universalreich. 1. Zu dem ererbten eschatologischen Rahmen gehörte in erster Linie das Bewusstsein von e i n e m W e l t g e r i c h t ü b e r d i e H e i d e n , deren Götzen und Gottvergessenheit gegenüber Jahwe als der einzige Gott seine Ehre zu wahren gesonnen war. E r wollte es auch mit Israel, dem Volk, das er auserwählt hatte, nicht auf das äusserste ankommen lassen. Die Gegner, die sein Volk mit Hohn und Hartherzigkeit quälten, sollten Jahwes Macht zu spüren bekommen. — Wir finden all dieses bei Dtj. Schon in 40, 3 ff. ist die Botschaft von Jahwes Kommen verbunden mit einem Blick auf die Ohnmacht der feindlichen Menschenwelt in V. 5. 6. 7. 8. Es wird besonders an Babel gedacht, vgl. V. 10 und 51, 12. Es wird gefragt: »Mit wem wollt ihr Gott vergleichen?« (V. 18. 25) und auf seine überlegene Macht hingewiesen (V. 23. 24). »Fürchte dich nicht!«, sagt er zu seinem Knecht Israel und macht ihn zu einem Dreschschlitten mit scharfen Zähnen. Wieder ist Babel gemeint. Jahwes Energie in dem bevorstehenden Kampf wird von Dtj. in den kühnsten Bildern geschildert: Jahwe als Krieger, der seine Kampflust selbst entflammt (42, 13), oder als das Weib in Kindesnot, das nach Atem ringt (42, 14). E r kommt über die Äthiopier und Seba (43, 3) und die Chaldäer werden 'in Halseisen gebunden' (43, 14: 'aziqqöt). In dem für unsere Frage so reichhaltigen Kapitel 45 wird dem Kyros die Aufgabe zugeteilt, Jahwes Urteile über die Völkerwelt zu vollstrecken; auf diese Weise sollen zuerst Kyros selbst (V. 3) und dann durch ihn alle den gewaltigen Gott erkennen, der der Herr der Welt ist (V. 6. 7). Das Gericht über die Völker ist in V. 14. 16. 20 zu merken. Aber der Donner des
134 Gerichts sammelt sich mit voller Stärke über die heidnische Vormacht, d a s g o t t v e r g e s s e n d e B a b e l , Israels schonungslosen Peiniger. Selbst in den allgemeineren Andeutungen wie 51, 5. 52, 10 von Jahwes Arm, dem Eingreifen seiner Allmacht, ist Babels Untergang das wesentliche, vgl. 51, 9a. 12. 13. Für seinen Hohn und seine Grausamkeit soll es den Becher von Gottes Zorn leeren (51, 22. 23), und sein heidnischer Hochmut soll bestraft werden (52, 5. 6). Jahwes Ausgesandter soll es in Grund und Boden zerstören (48, 14), und seine Tyrannen sollen einander gegenseitig aufreiben, »ihr eigenes Fleisch essen und ihr eigenes Blut trinken wie Most«, sagt der Herr (49, 26). Ihre Götter, auf die sie bauten, sind ein leeres Nichts, Wind und Luft ihre Bilder (41, 29). Bei und Nebo brechen zusammen und werden in schmähliche Landflüchtigkeit geschleppt (46,1. 2). Und über das gefallene Babel, nach seinen eigenen Gedanken eine Ewigkeitskönigin, ertönt das Spottlied. »Rache ohne Schonung, sagt unser Erlöser, der Herr der Heerscharen, Israels Heiliger« (47, 4). So leidenschaftlich tritt Dtj. für Jahwe und sein Volk ein. »Israels Heil beruhte auf dem Unheil Babels . . . Die beigebrachten Zitate lehren ja, wie gründlich der Prophet zu hassen verstand« (Gressmann 267). Auch bei dem Propheten in Jerusalem finden wir ein Weltgericht und einen besonderen Gottesfeind, gegen welchen der Prophet leidenschaftlich aufgebracht ist. Es ist nicht mehr Babel, sondern die Samaritaner und ihre Bundesgenossen, d i e Abg e f a l l e n e n in der L a n d e s b e v ö l k e r u n g , die in der Abweisung des wahren Judentums verharrten. Diese werden mit Gericht und Untergang bedroht, nirgends die heimgekehrten rechtgläubigen Juden, die ja in 59, 13. 20 ihre Sünden bereut haben 1 ). Gleich in 57, 3—13 sind es diese Treulosen, die in ihrem Abfall geschildert und in V. 13 bedroht werden. In 59, 15b—19 ist es die ganze heidnische Völkerwelt; ihr träger, gottvergessender Sinn erweckt den Eifer Jahwes zum Gericht (sein »Arm«, V. 16). Ein Tag der Rache wird in 61, 2 vorausgesagt und darauf in 63, 1—6 geschildert, als Typus das Blutbad an Edom und den andern gleichgültigen und feindlichen Völker') Ganz unrichtig sagt also W. Cossmann in »Die Entstehung des Gerichtsgedankens . . . « Beiheft 29 zu Z. A. W., S. 115, von Tritojesaja: wie nie bei Dtjes. wird hier auch über Israel noch ein Gericht erwartet.
135 Schäften, ein eschatologisches Weltgericht, von Jahwe vollzogen, der die Weinpresse tritt, mit so rotem Gewand. 64, 1 ist wiederum eschatologisch. Jahwes Offenbarung in dem verzehrenden Feuer. Kap. 65 und 66 sind Verheissungsbotschaften für die Frommen innerhalb der Landesbevölkerung, das Gericht in 65, 6. 7 und 11—15. 66, 4. 6. 14b. 17. 18a. 24 betrifft die Abgefallenen und Trotzigen, denen Jahwe mit all seinem Langmut begegnet ist, 65, 1. 2. In 66, 15. 16 und 18. 19 geht die Gerichtsschilderung über auf das eschatologische Weltgericht (alles Fleisch). Wir lernen hier, sowohl bei Dtj. als bei dem Propheten der Heimgekehrten, die gleiche Leidenschaftlichkeit in dem Dienste eines absoluten Jahwismus kennen. Aber wir müssen in Rechnung stellen, dass die Prophezeiung gegen Babel und gegen die Abgefallenen Waffen im Kampf ums Leben sind, dort zur Bewahrung der Schwachen, die der Glanz Babels in Versuchung brachte, hier zur Rettung der Jahwetreuen in der Landesbevölkerung, deren Anschluss an den wahren Jahwe und sein Volk ihre eigenen Landsleute verhindern wollten. 2. Wir hören jedoch nicht nur von Jahwes Gerichten über die ganze Heidenwelt, sondern auch, sowohl bei Dtj. als dem Jerusalemischen Propheten, von der g r o s s e n V ö l k e r b e k e h r u n g a u f d e r g a n z e n E r d e . Wie geht dies zu? Was macht einen solchen Eindruck auf die Völker, dass sie die Götzen verwerfen und sich zu Israels Gott bekehren? Gemeinsam wird geantwortet, dass es J a h w e s e l b e r ist, und dass sein Weg über Israel geht. Dies wird auf verschiedene Weise ausgeformt. Durch grosse Erschütterungen werden zuerst die Völker aus ihrer Sicherheit aufgeschreckt. In Kap. 45 dient Jahwe hierbei Kyros als Werkzeug. Diesen führt er, seinen Heilsplan im Auge, im Siegeszug durch die Länder, damit Israel durch seinen Gesalbten befreit werde, und damit Kyros schliesslich, nachdem er unbewusst der Hand des Herrn gefolgt ist, erfahren muss, dass niemand anderer als Israels Gott ihm alles Unterworten hat. Die ganze besiegte Welt erkennt ebenfalls, dass »nur bei dir (Israel) Gott ist, es gibt keinen andern, keinen andern Gott. Wahrlich, du bist ein unergründlicher Gott, Israels Gott ist ein Erlöser!« ( 4 5 , 3 . 7 . 1 4 f.). Da ergreift Jahwe selbst das Wort zu allen Entronnenen von den Völkern: »Komm her zu mir und werde erlöst, du weite Welt,
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denn ich allein bin Gott!« (V. 20). Die eigenen Erlebnisse von der Nichtigkeit ihrer Götter und von Israels Heil hat der ganzen Welt die Augen geöffnet für Israels Gott als den wahren und heilbringenden. F r e i w i l l i g wenden sich jetzt alle Völker zu Gott. Entsprechend — ohne Kyros als Zwischenglied — richtet sich 5 1 , 4 . 5 an »Ihr Völker!« und »Ihr Völkerschaften!« in V. 4, wo die Worte von 42, 1—7 unzweifelhaft nachklingen; auch in Kürze 52, 10. Jahwes Allmacht bricht hindurch, durch seinen Arm, und die tiefe Wahrheitssehnsucht der Völker (42,4) kommt zu Ruhe in dem Glauben an Israels rettenden Gott. Kap. 51, 1—3 an Israel und 51, 4—5 an die Völker gehören zusammen wie die Ereignisse in Kap. 45 und wie 52, 9 und 10. In Kap. 45 werden Jahwe und Kyros genannt, in 51, 4. 5 Jahwe allein. Der auserwählte Knecht hätte bei 45, 20 als das Licht der Heiden untergebracht werden können. Dies geschieht nicht, Jahwe ist genug, er selbst das Subjekt in der Sache des Heils. Alles führt d i r e k t zurück auf Jahwes Erbarmen über alle Menschen. Die religiöse Innigkeit in 45, 20 steht vor nichts anderem zurück. Die hervorragenden universalistischen Verheissungen, die in den ersten Gottesknechtprophezeiungen 42, 1 ff. und 49, 1 ff. zu lesen sind, gehören zu Dtj.s exilischen Prophezeiungen. Auf derselben Höhe wie sie steht die Einladung in 45, 20 ff. Bei den besonderen Verhältnissen in der Jerusalemischen Gruppe 59,9— 66, der wir uns nun zuwenden, müssen die Belehrung über das jüdische Leben, der Trost in der Kümmernis und die Verheissung von Jahwes Sieg u n d der Verherrlichung Jerusalems den ersten Platz einnehmen. Dennoch gibt es aber einen Punkt, wo die Berührung mit den Völkerschaften wieder angeschnitten wird und d e n U n i v e r s a l i s m u s a u f s n e u e zu W o r t e k o m m e n l ä s s t . Dies geschieht anlässlich der Rückkehr der vielen, in den Ländern verstreuten Juden, von Zions Söhnen und Töchtern, wie es heisst, die jetzt von den Völkerschaften mit Eifer und Sorgfalt nach Jerusalem gebracht werden. Die Hauptschilderung hiervon ist in Kap. 60, 3—13 enthalten, und wird fortgesetzt in 6 1 , 5 . 6 . 9 . 1 1 und 6 2 , 1 0 . 1 2 , sowie auch in 66,12. Endlich noch in 66, 19—21. Die Schilderung ist in Kap. 60 derart ausgeführt, dass J a h w e s L i c h t g l a n z es ist, der Zion zu einem Zentrum in der sonst in Dunkel gehüllte Welt macht.
137 Von allen Seiten strömen die Völkerschaften dem Licht zu, das Zion bestrahlt, ihre Könige an der Spitze; sie bringen Zions Kinder und Gold und Gaben zu Jahwes Ehre. Denn die Völker der weiten Erde haben jetzt in Israels Gott den wahren Gott der ganzen Welt erkannt und gefunden. »Israels Heiliger« ist es, den sie aufsuchen wollen (60, 9. 14). In einer Variation wird derart die Verheissung über das Licht der Heiden aus den Gottesknechtprophezeiungen erfüllt. Auch in diesen nachexilischen Prophezeiungen geschieht alles von Seiten der Völker f r e i w i l l i g , indem sie, überzeugt von Jahwes Wahrheit als einziger Gott, alles tun wollen, um ihm in seinem auserwählten Volk zu dienen. Vorausgehende Völkererschütterungen wie in Kap. 45 sind wohl auch hier überall vorbereitend, z. B. 59, 18. 19. Eine weitgehende Übereinstimmung mit den nachexilischen Aussagen weist Kap. 49 in V. 18. 22a. 22b. 23. 26 gegenüber 60, 4a. 4b. 16a. 16b. 62, 10b. 66, 12b auf. Auf ein Zeichen von Jahwe bringen die Völker Zions Söhne und Töchter zurück, Könige werden ihre Pflegeväter, und Königinnen ihre Erzieherinnen, sie werfen sich nieder vor Zion, ja küssen den Boden, den seine Füsse betreten. Gegenüber 49, 22. 23 ist D u h m in so grosser Verlegenheit, dass er am liebsten diese Stelle und die darauf folgenden zwei Tröstungsaussagen bis einschl. 50, 3 aus Dtj.s Produktion ausschliessen möchte. Wir müssen unsere Antwort auf einige Bemerkungen zu 49, 22. 23 allein beschränken. Ob es wünschenswert ist, dass ein Redner wie Dtj. sich von jedem jüdischen Partikularismus freigemacht hätte, ist j a eine Sache für sich. Man ist gezwungen, ihn so zu nehmen, wie er ist; seine Grösse kann dies auch ertragen. Wenn Duhm empört ist über 49, 23 als einem gottlosen jüdischen Hochmut, dass sich Könige vor Zion in den Staub werfen, so ist diese Huldigung nicht erzwungen (V. 22), sondern wird Israel seines Gottes wegen erwiesen. Aber weiters muss es bei den Worten in V. 23, »den Boden vor Zions Füssen küssen«, dem Dtj. zugute kommen, dass der Ausdruck im Stile des Altertums für das Vasallenverhältnis allgemein üblich und abgebraucht war 1 ). Im übrigen spricht Dtj. auch 49, 7 von Fürsten, die sich vor Israel zu Boden werfen wollen, weil sie sehen, dass Jahwe es auserwählt hat; ebenso die Sabäer in 45, 14. Man vergleiche auch Israels Ruf 1
Vgl. zu dieser Stelle Whitehouse, S. 165 f.
138 an die Völker in 55, 5 und Buhls Bemerkung hierzu, dass es »die in Israels Verherrlichung liegende Allmachtsoffenbarung Jahwes ist, die die Völker in die Knie zwingt«. Der Satz: Du sollst erkennen, dass ich Jahwe bin! ist nicht nur eine Lieblingswendung bei Hesechiel, wie Duhm meint, sondern auch gut dtjesajanisch, 45, 3; zugleich erinnert auch qövaj, »die Gläubigen, die nicht betrogen werden«, in 49, 23 an 40, 31, vgl. 45, 17. 3. Der Ausblick auf die Zukunft schliesst in 66, 18—24 mit einer v e r h e r r l i c h t e n W e l t o r d n u n g , wo alles in innerer und äusserer Lebenserneuerung Vollendung erreicht hat, im Mittelpunkt Jahwes Lichtglanz, seine eigene Gegenwart (65, 17. 66, 6. 18.19; vgl. 40,5. 51,6. 51,16?). Mit Israel versammeln sich in Jerusalem alle Entronnenen der Völker zu Jahwes Anbetung (66,23). Dies ist U n i v e r s a l i s m u s . Der wahre Glaube hat über die ganze Erde hin gesiegt. V. 19 hatte von Missionierung in die fernsten Länder gesprochen, und 66, 21, über die aus den bekehrten Völkern erwählten Priester Jahwes, ist das weitestreichende Wort i m A . T . ü b e r die Aufnahme der Heiden in das Reich Gottes. Dem kommen in Dtj. Aussagen aus der Zeit des Aufbruches die Verheissungen in 56, 6. 7 und 56, 8 sehr nahe. Wir haben gesehen, dass der Universalismus den Gruppen gemeinsam ist. Sie weisen aber auch gleichzeitig alle die jüdische Begrenzung auf. E i n r e l i g i ö s e s P r i m a t ist und verbleibt bei Israel in allen Darstellungen. Dieses eine Volk hat Gott auserwählt. Deshalb ist Jahwe Israels Beschützer und Verherrlicher. Selbst mit einem so weitherzigen Universalismus wie 45, 22 ist in 45, 25 Israels Stolz verbunden. So ewig wie die erneute Welt sollen Israels Name und Geschlecht bestehen, lautet es aus Jahwes Mund, und Jerusalem ist die Stätte, wo sich alle Völker der Erde vor Jahwes Antlitz niederwerfen (66, 22—24). W i r haben schon oben berührt, dass diese Sonderstellung Israels nicht zu vermeiden war. Eine Nation war noch notwendig als Hülle für die Saat, bis sie herangereift war, um aller Völker Besitz zu werden. Aber Israels Erwählung, die so anstössig wirkt, wo sie für den jüdischen Nationalismus ausgenutzt wird, verliert dadurch ihre Spitze, dass sie eine Auserwählung zu dem Dienste Jahwes ist. Gott hatte sich in Israel einen K n e c h t erwählt, nicht ein verzogenes Kind 1 ). Die Forderung des Propheten nach Wahr1
Vgl. G. A. Smiths Kapitel: One God, one people, S. 253—268.
139 heit in der Gottesverehrung ist nicht misszuverstehen (Kap. 58.59). Vor Jahwe gab es kein Ansehen der Person. Darauf beruht auch das Vertrauen der Völker zu Israels Gott, das sie durch Ehrung seines Volkes und Anschluss an dieses bezeugen.
J a h w e s V e r t r a g s t r e u e hat sowohl vor als nach der Heimkehr allen Gedanken eine Ruhestätte geboten. Die Schrift Jes. 40—66 spiegelt die Ereignisse und Gedanken in einem grossen und sich schnell verändernden Zeitabschnitt ab. Es ist zu erwarten, dass die Tatsache der Heimkehr den Horizont der dritten Gruppe bestimmen muss. Die erste G r u p p e , K a p . 40—48, besitzt ihr eigenes Sondergepräge gegenüber der M i t t e l g r u p p e in 49 — 55 (+56,1—8). Mit d i e s e r , abgesehen von den Gottesknechtprophezeiungen, die sie zuletzt selbst ausser Sicht bekommt, die J e r u s a l e m i s c h e Zeit in der letzten G r u p p e zu v e r g l e i c h e n , liegt sehr nahe. Wir haben in dem Ganzen dieselbe eschatologische Idee, dieselbe echte Wahrheitsforderung im Gottesverhältnis, dieselbe ununterdrückbare Zukunftshoffnung und den gleichen weiten Universalismus in Jahwes Heilplan gefunden. Es erhebt sich daher zum Schluss nur die Frage, ob sich zwischen der zweiten und der dritten Gruppe irgend eine N u a n c i e r u n g feststellen lässt. In den Ausdrücken für die göttliche Zärtlichkeit seinem Volke gegenüber, wie in 54, 8 (49, 11), steht die letzte Gruppe nicht zurück. »Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch«, heisst es 66, 13. Die Sehnsucht nach der S a m m l u n g der Vers t r e u t e n (schon in 43, 5. 6) tritt immer wieder hervor: 49, 12. 13. 17 ff. 22. 23. 51, 2. 54, 1—3 zu 60, 4. 9. 62, 10. 66, 7 ff. 12. 20. Wir haben die gemeinsamen Aussprüche über die Huldigung von Jahwes Volk durch die bekehrten Völkerschaften kennen gelernt, z. B. in Kap. 49 und 60 ff. Sie wird am häufigsten in der dritten Gruppe erwähnt, es würde aber schwer fallen, einen geistigen Unterschied zu finden, alles geschieht freiwillig von Seiten der Völker, auch 61, 5. Einzelne Aussagen über nationale Unterwerfung — 54, 3. 55, 5 — stehen nur in der zweiten Gruppe, aber die Freiwilligkeit wird sicher auch dort vorausgesetzt. Ob das Reich Gottes in der dritten Gruppe einen mehr materialisti-
140 sehen Zug erhält, ist wohl eine Frage. In Kap. 49 wird nicht direkt davon gesprochen, dass die Völker ihren Besitz zu Israels Verfügung stellen, wie in Kap. 60, 5 ff. 61, 6. 66, 12, oder ihre Arbeitskraft, wie in 60, 10. 61, 5. Ist es jedoch ein langer Schritt von der Huldigung durch die Völker und Könige in 49, 7 und 49, 22 f. zu den Huldigungsgeschenken? Die grössere Ausführlichkeit der Schilderungen und der Drang nach Variation erklärt solche Nuancierungen leicht. Die zum grössten Teil ärmlichen Verhältnisse der Heimgekehrten können vielleicht auch in Betracht kommen. — Wird hier auf J e r u s a l e m s P r a c h t u n d H e r r l i c h k e i t in Kap. 60, seinen strahlenden Glanz (V. 3), und seine salomonischen Reichtümer (V. 17), vgl. 62, 2. 3 sein neuer Name und seine funkelnde Schönheit, besonderes Gewicht gelegt, so steht die zweite Gruppe, wo Jahwe dessen Edelsteinsmauern baut 54, 11. 12, und Zions Land wie Edens Garten wird 51, 3, nicht zurück. Zions Festkleidung in 52, 1 wetteifert auch mit dem bräutlichen Schmuck in 61, 10. Von der Schönheit der Gottesknechtprophezeiungen, deren erste und zweite das Heil der Heiden nennt, haben wir bei der grossen Verschiebung infolge des Nahens oder des Eintretens der Heimkehr absehen müssen. Doch steht bei der Besprechung der Völker in der zweiten und dritten Gruppe das Heil der ganzen Welt fest. Wo Gottvergessenheit und Gottfeindlichkeit erwähnt werden, reagieren sowohl die exilischen als die Jerusalemischen Schilderungen heftig und scharf, z. B. 49, 26. 51, 22 f. und naturgemäss besonders Kap. 47, gegen die Chaldäer und Babel. In der dritten Gruppe wird noch mehr von J a h w e s G e r i c h t e n gesprochen, aber am schärfsten gegenüber den Abgefallenen. Es sieht so aus, als ob der Prophet hier den Gegner in besonderem Grade nahe am Leibe hätte. Wenn ein Kompromiss mit dem samaritanischen Geist den Untergang des wahren Judentums bedeutet hätte, darf m a n in der Leidenschaftlichkeit des Propheten nicht den Eifer eines engherzigen Judentums für pedantische Forderungen sehen, sondern muss hierin wesentlich eine Offensive des Lebens selbst erkennen. Primo vivere. Für die erwachenden Jahwetreuen wird hier ein Befreiungskrieg geführt. Verwandte Angriffe in 57, 3 ff. und 65. 66. Hier muss allerdings festgestellt werden, dass die Situation gegenüber den Abgefallenen e i n e N u a n c i e r u n g mitsichgeführt hat, indem der Gedanke an
141 Jahwes Rache stärker hervorgehoben wird als in der zweiten Gruppe, wo zu Äusserungen dieser Art weniger Anlass war. Die Forderung der Zeit nach der Heimkehr lief immer mehr auf eine K o n z e n t r a t i o n des J ü d i s c h e n zur Sicherung seiner Reinheit und Kraft hinaus. Zur Lösung dieser Aufgabe haben die erste und die zweite Gruppe auf ihre Weise mit der dritten zusammengearbeitet. A m frischesten wirkt die erste Gruppe in ihrer Absolutheit und mit der Verkündigung von Kyros und der ersten Gottesknechtprophezeiung. Es ist nur ein kurzer Weg, bis Jahwes Lichtglanz kommt. Jahwe wird in den Gang der Ereignisse eingreifen, er kann es und tut es. Jahwe wird auch die Herzen der Menschen verändern, er vermag es, aber dies geht langsamer. Dies ist schon in der zweiten Gruppe zu merken, sowohl in deren Gottesknechtprophezeiungen als in der Arbeit des Propheten unter den Entführten. Schliesslich nähert sich die Erfüllung der Verheissungen und ist in der dritten Gruppe erreicht, aber n u r r e l a t i v . Jetzt ist also der Weg zum Ziel in Wirklichkeit lang geworden. Belehrung und Ermahnung, Trost und Verheissung gehen zusammen, aber das Absolute kommt noch nicht. Dennoch wird n i r g e n d s die grosse Berufungsverheissung: Der Lichtglanz Jahwes kommt!, aufgegeben. — Bei der Beschäftigung mit dem Judentum und dessen notwendiger Konsolidierung, die in erster Linie stehen musste, ist es vielleicht beachtenswert, dass der universalistische Gedanke von der Teilhaftmachung der Völker an Jahwes Reich in seinem Wachstum nicht in höherem Grade gehemmt erscheint. Er schöpft aus den Prophezeiungen in diesen Gruppen die Kraft, sich in derselben Form bei Haggai (2, 7) und Sacharja (2, 15. 8, 20—23) fortzusetzen.
§ 8. Die Sprache in Kap. 56—66. Hier soll eine lexikalische Vergleichung zwischen Kap. 40—55 und Kap. 56—66 in Bezug auf die Häufigkeit bestimmter Worte vorgenommen werden. Der kleine Abschnitt 56, 1—8 ist wegen der allgemeinen Einordnung und seiner sprachlichen Verwandtschaft mit der dritten Gruppe mit berücksichtigt. Abschnitt für Abschnitt der ganzen Reihe der Kap. 40—66 zu folgen und dabei eine Menge allgemeiner, immerwiedervor-
142 kommender Wörter mitzuführen, wäre für die Bestimmung der Einheit oder Verschiedenheit des Ursprungs von geringem Wert. Es muss also für die Behandlung und Vergleichung eine Auswahl von Wörtern getroffen werden. Infolge einer innern Verbindung schliessen sich die Aussagen zu Abschnitten zusammen, diese wiederum zu den bekannten Gruppen mit bestimmtem Sondergepräge in Inhalt und Sprache. Da die Gruppen Kap. 40—48. 49—55 und endlich 56—66 (mit Ausnahme des Abschnittes 56, 1—8) recht allgemein anerkannt werden, kann die sprachliche Vergleichung dahin vereinfacht werden, nur die Gruppen zu berücksichtigen. Wir können wieder G r e s s m a n n s »Über die in Jesaja c. 56—66 vorausgesetzten zeitgeschichtlichen Verhältnisse« (1898) zugrunde legen 1 ). Im folgenden wird Gressmanns Material (S. 31—36), mit einer kritischen Schlussbetrachtung, angeführt. Er bemerkt, dass in der Zusammenstellung nur diejenigen Wörter aufgenommen sind, »die in irgend einer (auch sachlichen) Beziehung wichtig erscheinen«, und dass durch eckige Klammern vermutliche Einschübe und Textverderbung bezeichnet werden. — Die Teilung der Gruppen durch | und || ist von dem Verfasser des vorliegenden Buches hinzugefügt. I. Sprachliche Eigentümlichkeiten in Kap. 40—48, die in 49—66 nicht oder sehr selten vorkommen. 1. i n n X 41,4. 44,6. 48,12. 2. n n n x 41,22. 46,10. 47,7. 3. bx 40,18. 4 3 , 1 0 . 1 2 . 4 4 , 1 0 . 1 5 . 1 7 . 4 5 , 1 4 . 1 5 . 2 0 . 2 1 . 2 2 . 46, 6.9. 4. ^iCItri 41,17. 45, 3.15. 48,1. 2. | 52,12. 5. "¡ririxi yitwn "> 41,1 [lese 41,4]. 44,6. 48,12. t i p p o "> i j x r ) T. K. Cheyne's »Introduction to the Book of Isaiah« (1895) enthält S. 311—385 eine Analyse von Kap. 56—66, darunter auch eine »Phraseology«, aber bei vielen Wörtern, die hier als spät angeführt werden, sind die Wortstämme auch in der vorexilischen Literatur in voller Verwendung, z. B. das bei Kap. 58, 4—10 oder Kap. 60 angeführte. Weiters A. Zillesen »Tritojesaja und Deuterojesaja« Z. A . W . 1906. — Karl Elliger »Die Einheit des Tritojesaia (Jesaja 56—66)«, 1928, enthält in dem Kapitel »Stilistischer Vergleich« S. 42—74 ein sprachliches Material über die Einheit der genannten Abschnittsreihe und zugleich eine Vergleichung mit der Sprache in Kap. 40—55.
143
6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
u.dgl.: 43,11. 44,6.8. 45,5.6.14.18.21.22. — (64,3 anders). 2py> "iJ^D u. dgl.: 41,21. 43,15. 44,6. yw 40,14. 41,28. 45,21. PUB? 40,13. 44,26. 46,10.11. 47,13. TlD 44,15.17.19. 46,6. "?DS 40,19.20. 42,8.17. 44,9.10.15.17. 45,20. 48,5. bvS> 41,4. 43,13. 44,12.15. und 2pyi im Parallele: 40,27. 41,8.14. 42,24. 43,1. 22.28. 44,1.5.21.23. 45,4. 46,3. 48,1.12. | 49,5.6. TXD 44,8. 45,21. 48,3.5.7.8. P]N 40, 24 (ter). 41, 10 (bis). 23. 26 (ter). 42, 13. 43, 7. 19. 44,15 (bis). 16.19. 45,21. 46,6. 7.11 (ter). 48,12.13.15. b l 40, 24 (ter). 43,17. 44,8. 9 (ter). •Hjta 43,11. 44,6.8. 45,6.21. mit Suffixen: 43,14.25. 48,11. B>mD 40,21. 41,4.26. 48,16. 1t 42,24. 43,21. Adjektive und Participien im Plur. fem. als Neutra: 41,22 (bis). 23. 42,9 (bis). 20. 43,18 (bis). 44, 7. 23. 45,11. 46,1 (bis). 9. 48,3.6 (bis). || 65,17. II. Eigentümlichkeiten in Kap. 40—55, die nicht oder nur sehr
selten in 56—66 vorkommen. 1. Tin« 41,23. 42,17.23. 44,25. | 50,5. || 59,14. 2. DV>X 40, 15. 41, 1. 5. 42,4.10.12.15. | 49, l.'öl,5. || [59,18]. 60, 9 ( = 51, 5). [66,19]. 3. y i X , DSX 45,22. 52,10. p-|itn(Pfitp)m!ip 40,28. 41,5.9. (42, 10. 43,6. 48,20. | 49, 6). || 62,11 ( = 48,20). 4. IBS | 49,15. "¡ttllD 44,2.24. 46,3. 48, 8. | 49,1. 5. 5. tt>pn 40,20. 41,12.17. 45.19. | 51,1.1| 65,1 (vgl, ti>Tl I I I 7). 6. i n und njoa im Parallele: 40,4.12. 41,15. 42,15. | 54,10. 55,12. || 65,7. 7. m i n 40, 6. [7]. 8. 44, 4. | 51,12. 8. n m vertrocknet sein: 44, 27. | 50,2. 51,10. 9. JH> in dem Ausdruck: »erkennen, dass ich Jahwe bin« u. dgl.: 43,10. 45, 3. 6. | 49, 23. 26. [52, 6]. || 60,16 ( = 49,23. 26). 10. Partizipialsätze betreffend nVP: 40, 22. 23. 26. 28. 29. 41, 4.13.
144 42,5. 43,1.15.16.17.19.25. 44,2.24—28. 45,3.7.11.18. 19. 46,10.11. 48,17.1 49, 5. 51,9.10.13.15. 54,11. || [56, 8]. 61,8. 63,11—13. 65,17.18. niíOS"! 44,6. 45,13. 47,4. 48, 2.1 [51,15]. 54,5. y>tt>lD"> 43,3.11. 45,15.21. | 49, 26. II 60,16 (= 49,26). 11. IDI 44,28. 48,13. I 51,13. 16. 54,11. 12. "ßP 41, 25. 43,1.7.10. 21. 44, 2. 9.10.12. 21. 24. 45, 7. 9.11.18. 46,11.1 49, 5. 8. 54,17. H 64, 7. 13. KT) in dem Ausdruck X T H 40,9. 41,10.13.14. 43,1.5. 44,2.1 51, 7. 54,4. 14. ùbï: 41,11. 45,16.17.1 50, 7. 54,4. 15. D,Q8^ 41,1, 43,4.9.1 49,1. 55,4. || 60, 2. 16.tt>n:i41,1.22. 45, 20. 21.1 49, 20. 50,8. || 65, 5 (mit 2!). 17. TP 43,9.10.12. 44,8. 9.1 55,4. 18. ISP 40,12. 41,2. 47,1.1 49, 23. 52, 2. || 65, 25. 19. TOS 44, 23.1 49,13. 52,9. 54,1. 55,12 (vgl. p i I I 23 og te>!ti> I I I 12). 20. ¡TN 43,9.26. 45,25.1 50,8. 53,11. 21. í?KÍtr» tthip 41,14.16. 20. 43, 3.14. 45,11. 47, 4. 48,17. | 49, 7. 54,5. 55,5. II 60,9 (= 55,5). 14. 22. 3ltrpn 42, 23. 48,18. | 49,1. 51, 4. 23. "pi 42,11. 44,23.1 49,13. 52,8.9. 54,1.1| [61, 7]. 65,14. ¡ i n 43.14. 44, 23. 48, 20. | 49,13. 51,11. 54,1. 55,12 (vgl. TOiS I I 19 und mi? I l l 12). 24. msas "> 47,4. 48,2. | 54,5. "OB' 81H i >38 42,8. || tflip lötf 57,15. 25. 1« 41,22.1 50,1. 26. "p8 [40,7]. 45,15.1 49, 4. 53,4. 27. DS8 40,17. 41,12.24 (sic!). 29. 45, 6.14. 46, 9. 47, 8.10. | 52, 4. 54.15. 28. i n i 42,14. 43,26. 44,11. 45,8. | 50, 8. m 40,5. 41,1.19.20.24. 43,9.17. 45,16.20.21. 46,2. 48,13.1 52,8. 9. II 60,13 (= 41,19). 65,7. [66,17]; vgl. 65, 25 (in8D) mit Jes. 11,6.7 (HIT). 29. Dip 45,21. 46,10.1 51, 9. 30. nnn 43,1. 44,1. 47,8. 48, i6.149,5. 52,5. || 64,7. 31. "DJ8 Dtj.: 18 mal. || 66,13. [18]. "ÜJN "OJK oder IJX "ON 43,11. 25. 48,15.1 51,12. 81H ^8 41, 4. 42, 8. 43,10.13. 25. 46,4. 48,12.1 51,12. 52,6.
145 32. 102 43,2. 44,16.19. 33. 10D 41,25. | 51,6. 34. ^K mit Suffixen: 41,1. 44,17.22. 45,14.22. 46,3.7.12. 48, 12.16. | 49,1.5. 5 1 , 1 . 4 . 5 . 7 . 55,2.3.5.11. || [63,15]. 65,5. 66,12; vgl. besonders 60,9 C6) mit 51,5 C6x). 43,8. 44,7.15. 48,21. | 53,8. 35. J-INT 41,20. 42,23. 43,9. 45,21. 46,8. 47,8. 48,1.16. 20. | 50, 11. 51,21. 54,9.17. || 56, 2. [59,21], 66,8. 36. Fragesätze mit 1D und HO: Dtj. 41 mal. || Tritojes. 5 mal. 37. Besondere Wortstellung in Nominalsätzen (siehe A l b r e c h t : Die Wortstellung im hebr. Nominalsatze. Z. A. W. 1887. 1888). 1. Voranstellung des Prädikats, weil ein besonderer Nachdruck auf ihm liegt: a) Ein Substantiv Prädikat: 40, [7]. 28. 41, 29. 48, 2. 4. | 51,15. 52,14. 54,5. b) Ein Adjektiv do: 42,19 (bis). | 50,8. 54,1. c) Ein Partizipium do: 41,14. | 52,12 (bis). 54,5. d) Ein adverbieller Ausdruck do: || 65,22. e) Ein Präpositionalausdruck do: 45, 14. 24. | 49, 9. 2. Voranstellung des Prädikats, weil das Subjekt ein Pronomen ist: 41, 7. 9.10. 23. 43,1. 2. 5. 44, 5. 17. 21 (bis). 48,4.13.16. | 49,3. 51,16. 54,9. || 63,8. 65,23. 38. N1PI als Kopula: 41,4.7. 42,8.22. 43,10.13.25. 46,4. 48,12. | 50,9. 51,12. 52,6. III. Eigentümlichkeiten in Kap. 56—66. 1. bn« || 57,18. 60,20. 61,2.3. 66,10. 2. y « 42,13. || 59,18. 62,8. 63,10. 66,6.14. na || 59,18. 63,18. 64,1. m s 63,9. 65,16. 3. HO Tempel: || 56, 5. 7. 64,10. 66,1.20. 4. n v Q Gesetz: || 56, 4. 6. 5. = || 59, 3. 63,3. 6. bltt || 63, 7. ^TOa 59,18. 66, 6. H ^ D i 59,18. 7. t r n I 55, 6. II 58, 2. 62,12. 65,1.10 (vgl. II 5). 8. "I^HX"» || 63,16. 64, 7. XtMl DT> || 57,15. 9. ID^n p || 56, 3. Plur. 56,6. "DJ US 60,10. 61,5. 62,8. 10. II 59,3. 61,8. (sie!). 11. B>7P [43,28. 48,2]. | 52,1.10. || 56,7. 57,13. 58,13. 62,9.12. 10
146
12.
13. 14. 15. 16. 17. 18.
63,10.11.15.18. 64,9.10. 65,11.25. 66,20. 60,13. 63,18. tintf || 61,10. 62,5. 64,4. 65,18.19. 66,10.14. f f e t ? | 51,3. [11]. || 61,3. fentfö 60,15. 62,5. 65,18. 66,10 (vgl. nSS II 19 und "pH II 23). n2ty || 56, 2. 4. 6. 58,13. 66,23. IDtT in religiöser Bedeutung: || 56,1. 2.4.6. m i r || 56, 6. 60,7.10. 61,6. TN 41,1. || 58, 8. 9.14. 60,5. 61,1. 65,12. 66,4. || 59,18. 63,7.
IV. Ausdrücke aus Kap. 40—55, die in Kap. 56—66 eine andere Bedeutung oder andere Form haben. 1. SriS Dtj. von Gottes Liebe zu Israel oder zu Kyros: 41,8. 43,4. 48,14. || (61,8 anders). Ttj. von der Liebe bei Menschen: || 56,6. 57,8. 66,10; und bei Tieren: 56,10. 2. H S Israel als das Licht der Völker: 42,6. | 49,6. 51,4. J a h w e als das Licht für Israel: || 60,19. 20; weiters = messianisches Heil: 58,8.10. 59,9. 60,13. 3. p x pflegen: | 49,23 (Kai). || 60, 4 (Nifal, vgl. 49, 22). Bei Dtj. bedeutet Nifal »sich treu erweisen«: | 49, 7. 55,3. 4. m m 1DN HD u. dgl. Dtj. hat gewöhnlich in Hinzufügung zu "> eine Apposition oder einen Partizipialsatz: 42,5. 43,1. 14.16. 44, 2. 6. 24. 45,11.18. 48,17. | 49, 5. 7. 51, 22. Gressm a n n bemerkt: Bei den übrigen Stellen ist es fraglich, ob solche Zusätze schon beim dtjes. Verfasser fehlen: 45,1 (vgl. LXX). | 49,8 (vgl. V. 7). 22. 25 (interpoliert?). 50,1 (vgl. 49,26), 52,3.4 (dtjes.?). — Bei Ttj. dagegen immer ohne Hinzufügung: || 56,1.4. 65,8.13. 66,1.12. Nur 57,15 hat Jahwe den Titel XtMl D"l, was bei Dtj. niemals vorkommt. — Nachgestelltes kurzes "1DX oder "i HDXi steht fast nur bei Ttj.: 41,21 a (vgl. LXX). 48, 22 (vgl. 57,21). | 54, 1. || 57,19. 59,21 (bis). 65,7.25. 66,9. 20.21.23. 5. "1HQ Dtj. meist von Gottes Auserwählung: 41,8.9. 43,10. 44,1. 2. | 49, 7. Auf andere Weise in 40, 20. 41,24. 48, 10. Ttj. meist vom Wählen der Menschen: || 56,4. 65,12.
147 6 6 , 3 . 4 . Allerdings auch von der Wahl Gottes 5 8 , 5 . 6 . 66, 4, aber auf eine andere Weise als bei Dtj. 1 T Q bei Dtj. stets Sing. 42,1. 43,20. 45,4. Ttj. stets Plur. || 65, 9.15. 22. 6. ntSa Dtj. stets mit 3 : 42,17. 47,10. | 50,10. || Ttj. mit bV: 59,4.
7. - i m T R II 58,12. 60,15. 61, 4. | 51, 8 D ^ l f l TTlb. 8. ptn 4 1 , 6 . 7 . 9 . 1 3 . 42,6. 45,1.1 51,18. 54, 2. || 56, 2. 4. 6. 64,6.
9. 10.
11.
12.
Bei Ttj. also nur in religiöser Bedeutung, bei Dtj. dagegen gar nicht auf diese Weise. f S n von Jahwes Willen: 44,28. 46,10. 48,14. | 53,10. || Vom menschlichen Willen, Geschäft: 5 8 , 3 . 1 3 . TOD Dtj. nur von Jahwe: 40,5. 4 2 , 8 . 1 2 . 43,7. 48,11. || Ttj. ebenso von Jahwe: 58,8. 59,19. 6 0 , 1 . 2 . 66,18.19. Aber auch anders: 60,13. 61,6. 62,2. 6 6 , 1 1 . 1 2 . "» 12V Sing.: 4 1 , 8 . 9 . 4 2 , 1 . 1 9 . 43,10. 4 4 , 1 . 2 . 2 1 . 2 6 . 45,4. 48.20. | 49,3.5.6. 50,10. 52,13. 53,11. Plur. 54,17 (dtjes.?). || 63,17. 6 5 , 8 . 9 . 1 3 . 1 4 . 1 5 . 66,14. pi-ni 41,26. 45,21. | [49,24. 53,11]. Von Menschen: || 57,1.
60.21. von dem gerechten Wandel der Menschen nur bei Ttj.: 56,1. 57,12. 58,2. 59,14. 60,17. 64,5. 13. JH Unglück: 45,7. Bosheit: || 56,2. 5 9 , 7 . 1 5 . 65,12. 66,4. njTI Unglück: 47,11. Bosheit: 47,10. || 57,1.
Bei der Beurteilung eines solchen sprachlichen Materials aus den drei Gruppen der Schrift muss v o r a l l e m d i e w e c h s e l n d e h i s t o r i s c h e S i t u a t i o n in Erinnerung behalten werden. Wie verschieden ist sie doch schon in Bezug auf die beiden ersten Gruppen! Kap. 40—48 setzt mit dem Trostruf an die Entführten ein, dass sich jetzt Jahwe zu ihrem Heil offenbaren wolle, und in der Form eines Rechtsstreites beweist Jahwe die vollständige Nichtigkeit der Götter Babels. Er allein herrscht allmächtig über den Gang der Geschichte, durch Kyros als sein Werkzeug bestraft er die Unterdrücker seines Volkes, das gottfeindliche Babel, mit dem Untergang. Mit Gruppe 49—55 tritt eine Veränderung in 10»
148 dem Inhalt ein. Es ist der Zeitpunkt n a c h der Übergabe Babels, aber vor Kyros' Freiheitserlass an die Juden. Man k a n n in 40—48 Hervorhebung der A b s o l u t h e i t G o t t e s , von welcher der Redner so stark ergriffen ist, erwarten. Die allermeisten sprachlichen Eigentümlichkeiten unter I. sind hieraus zu erklären. So das häufige ^"ItPi TI^X (der wahre, absolute Gott), rippi T^D. Tiy "¡"w m m •ox. "p-irw t n n mm. Gottes HSV ( y P ) . Gott als der handelnde und schöpferische Meister (^VS). Niemand ausser mir Auch mit Suffix. Selbst eine Partikel wie das eifrige (»auch«) ist in seiner Häufigkeit von Zusammenhängen über Gottes Absolutheit beeinflusst; in 49—55 und 56—66 kommt es überhaupt nicht vor, aber 25 mal in 40—48. Zwei Wörter, "WD (knien) und i?DS (Götterbild), sind dem Götzendienst entnommen, dem Gegensatz zu dem wahren Gott. In dem Voraussagungsbeweis, der ein kräftiges Argument in dem Nachweis von Jahwes absoluter Überlegenheit bedeutet, trifft man natürlich Wörter wie n n n X (D^inX). WD. tM für Jahwes Recht im ganzen: 56,1. Für »Jahwe bedienen« wird in 56,6. 61,6 das Verb angewendet, häufig in der kultischen Sprache, es hebt das Ehrenvolle des Dienstes hervor und wird auch von der Be-
152 dienung eines Königs, eines Propheten u. dgl., hier in der dritten Gruppe in 60, 7. 10 mit Bezug auf Israel als Gottes Volk (zu Diensten stehen), angewendet. Welche Schlüsse auf die Abfassungszeit aus der Ehrfurcht vor Jahwes Gesetz und Kultus innerhalb des Rahmens der dritten Gruppe gezogen werden können, ist eine Sache für sich. Hierüber sei auf die Exegese im ganzen und darunter auf Fragen wie G. A. Smiths »What Israel took into Exile (Chap. III. 37—48) und »Israel in Exile« verwiesen. Die Antwort lautet, dass Israel seine R e l i g i o n mit sich nahm, sowohl als es kam, wie als es ging. D u h m s allzu abstrakte Zeichnung des Deuterojesaja zeigt wenig Verständnis für dessen Verbindung mit seinem Volk, von dem Dtj. trotz seiner Grösse und religiösen Selbständigkeit unmöglich isoliert werden kann 1 ). Es liegt, von einem dtjes. und von einem früh-nachexilischen Standpunkt aus betrachtet, nichts Auffallendes in der Kenntnis des Deuteronomiums, der priesterlichen Gesetze oder des Hesechiel, ohne dass man damit sagen könnte, wie umfassend die literarische Gesetzesformulierung aller dieser Punkte gewesen ist, wahrscheinlich war sie jedoch sehr bedeutend. Littmann 1 ) ergänzt S. 5. 6 die Untersuchung von Tritojesajas Sprache mit deuteronom. Übereinstimmungen. Duhm macht zu den Worten BHJN und D*7X"p in 56, 2 und dem Unterschied des Sprachgebrauches hier und bei Dtj. in 51, 7. 12 mit denselben Worten eine wenig glückliche Bemerkung, die von Littmann wiederholt wird. Die Anwendung ist an beiden Stellen ganz gleich: der unbedeutende Mensch vor Gott; dass derartige in 51, 7. 12 zugleich Heiden, Feinde Israels, sind, ist allerdings richtig, liegt aber nicht in den Ausdrücken, die nur besagen, dass diese h i n t e r ihrem Hohn und Übermut nur tt^JN und C"TN™p sind w i e a l l e a n d e r e , also genau dieselbe Bedeutung wie in 56, 2. In Gressmanns Reihe III werden noch gewisse Wörter als für 56—66 eigentümlich genannt. Hier finden wir den Wort') Wir verweisen auf Kittel »Gesch. des Volkes Israel« 3. sonders § 28 Das Echo der Predigt Ezechiels und § 29 Das Vgl. Whitehouse, S. 29, über »the evident influence of Ezekiel (Dtj. in der Bedeutung Kap. 40—55). In vorliegender Schrift kultisches und ethisches Verhältnis zu Hesechiel« in § 2 S. 32 !
Band, 1927, beDeuteronomiura. over the latter« »Deuterojesajas ff.
) Enno Littmann »Über die Abfassungszeit des Tritojesaja« 1899.
153 stamm tUX in 57, 18. 60, 20. 61, 2. 3. 66, 10, für die »Trauernden« in Zion. Der Ausdruck ist stark und wird besonders von der Trauer über die Toten angewendet. Wir finden ihn nicht in 40—55, wo er an und für sich hätte gebraucht werden können, wie wenn Sirach von 'abele sijjön mit Anspielung auf 40,1 ff. spricht. Aber in 56—66 ist wohl an einen konkreten Anlass zur Wahl dieses Wortes zu denken: Zions Todestrauer ist die Einstellung des Tempelbaues im Jahre 536. Diesen Trauernden soll Freude statt Trauer geschenkt werden. Dies wird, vgl. III 12, oft durch tyitf, sich freuen, und den Derivationen tiHte>tt und 'pti'ti', Freude, ausgedrückt, das letztgenannte auch 51, 3. Bei Jeremia wird mehrmals dasselbe Wort gebraucht, sonst ist die Verwendung des Wortes sporadisch. tiHti* und werden in 61, 3. 66, 10 direkt einander gegenübergestellt. Diese Freude kann laut sein, wie die des Bräutigams über die Braut 62, 5, oder wie die Jahwes und seines Volkes über das neuerschaffene Jerusalem 65, 18. 19. Die erste und besonders die zweite Gruppe haben "pH, jubeln, rufen, und PIDT Jubelruf. An einer einzelnen Stelle hat auch die dritte Gruppe "pl, 65, 14 (61, 7 ohne Zweifel pH). Das seltenere ausbrechen (in Rufe), kommt innerhalb der Gruppen nur in der ersten und vor allem in der zweiten vor, stets in Verbindung mit dem Stamm "pl. Gressmann bespricht diese wechselnden Ausdrücke III 12. II 19. 23. Verschiedenheit des Verfassers kann hieraus nicht abgeleitet werden. Es handelt sich nur um Grade des Stils, der poetischere in den ersten Gruppen, wo die Natur und die Naturdinge oft als lebendige Wesen angesprochen werden. "pH (HSS) kann natürlich auch wirklich lebendige Wesen als Subjekt haben: 52, 8. 54, 1. 65, 14. Die Sprache ist überhaupt reich an Freudenausdrücken; neben anderen kann 51, 3 also auch "pÜ>ti> benutzen (vgl. das Verbum Itinte» 42, 11 G; Köhler). Wahrend "p~l und nüS besonders rein dichterisch gebraucht werden, ist gewiss auch tflti' u. s. w. (auch die Verbalform tf'Ci') Ausdruck der lauten Freude (vgl. das allgemeinere nDtf, sich freuen), wird aber meistens, in Kap. 56—66 ausschlieslich, von den lebendigen Wesen, Gott und den Menschen angewendet. Doch hätte es gewiss auch Ttj. in ähnlicher Weise wie Jes. 35, 1 (die Wüste) und Hiob 39, 21 (das Pferd) von der Natur brauchen können. Das derartige Nichtvorkommen ist bei ihm kaum höher als eine Zufälligkeit anzuschlagen.
154 Weiters wird angeführt "iDJil *p, fremd (in Bezug auf Nation und Religion), in der Mehrzahl "DJ 1J3: 56, 3. 6. 60, 10. 61, 5. 62, 8. Hier liegt Übereinstimmung mit 49, 23 vor, wo kein Anlass ist, das Wort selbst zu nennen. Die Stellung zu den Fremden ist also günstig, in 56 geradezu verheissungsvoll. Für Feind, Gegner finden wir das allgemeine Wort der Sprache 59, 18. 62, 8. 66, 6. 14, ebenso in 42, 13. Das poetischere "IS ist dreimal angewendet: in 59, 18 als Parallele, sonst in 63, 18. 64, 1 (bewegte Stimmung). Die Anführung III 2 des wurzelverschiedenen H ü (Bedrängnis, Not) ist zu streichen, dasselbe Wort übrigens 46, 7. Für Jahwes Betätigung, im guten wie zur Strafe, wird das Verb b n : vollführen, machen, angewendet: 63, 7. Das Derivat hDi vollzogene Handlung: 59, 18. 66, 6. Bezogen auf eine Norm kann die Bedeutung »vergelten« und »Vergeltung« hervortreten. Jahwe ist ein ein Gott der Vergeltung, Jer. 51, 16. Wenn 40—55 keine Beispiele für dieses Wort aufweist, ist dies nur ein Zufall und keineswegs ein Zeichen für eine verschiedene Gottesauffassung, vgl. die Rede von Gottes Arm und instar omnium Kap. 47, 3. 4. In dieser Verbindung sei Gressmanns Erwähnung von der Präposition bv mit dem Präfix 3, angeführt. Das Wort kommt an zwei Stellen vor 59, 18. 63, 7, vgl. 2. Chron. 32, 19 (Ps. 119, 14?). Ob das zweite ^JO in 59, 18 textrichtig ist, ist zweifelhaft (Buhl, Köhler). König behält es bei: Wie es verübten Taten entsprechend ist, so Für die Entscheidung der Verfasserfrage bedeutet es nichts. Auch die beiden Anführungen wie die Partikel TS »dann«: 5 8 , 8 . 9 . 1 4 . 60, 5 (mit Seitenstück in 41, 1), oder ^yi, weil, in 61, 1. 65, 12. 66, 4 (eine ganz allgemeine Konjunktion) sind nicht von Gewicht. Ebenso Unrecht, in 59, 3 und sicher 61, 8. Als Zeichen für jüngere Sprache wird besudeln, (mit aramaisierendem N statt hebr. ^W) in 59, 3 und 63, 3 angeführt; in Zeph. 3, 1 — zweifellos echt — ist das Wort ebenfalls zu finden. Auch das isolierte i n J O »wie einer« in 65, 25 (II 28) aus der späteren Sprache wird genannt, beeinflusst von aram. > n n 0 ; doch findet man bei demselben Verfasser HrP in 65, 7. 66, 17. Die Form inSD ist wohl ein Abschreiberfehler. Littmann stellt in der angeführten Schrift etwas mehr zusammen, aber zu wenig und zu Unsicheres, um Sprachabschnitte gegenüber den früheren Gruppen von Dtj.s Sprache zu unterscheiden. in 66, 18
155 für Nationen findet sich z. B. auch in Sach. 8, 23, und "pXTT in 66, 24 ist eine sehr alte Form, vgl. die Exegese. Über die Aramaismen und deren Verteilung in 40—66 vgl. Torreys Liste S. 471. Übrig ist noch Gressmanns Reihe IV, wo 13 Ausdrücke aus 56—66 zusammengestellt sind, die sich auch in 40—55 linden, aber mit wesentlichen Unterschieden in Bedeutung und Anwendung. Wir besprechen sie in der angeführten Ordnung nach dem Anfangsbuchstaben. — 1. lieben. Gressmann bemerkt, dass in den drei ersten Stellen der ersten Gruppe Gott das Subjekt ist und Israel oder Kyros das Objekt von Gottes Liebe. Aber 61, 8 ist nicht »anders«, n u r ist es hier das »Recht«, tOStt>13, dem Gottes Liebe gilt, also 2HS auch hier religiös-ethisch. Auch 56,6 und 66,10 sind religiös, nur von Seiten der Menschen. Die Stellen 57, 8 und 56, 10 stehen natürlich ausserhalb der Diskussion. — 2. Licht. Das bildlich verwendete »Licht« bedeutet überall »Heil, Glück«, ob dieses nun den Völkern oder Israel gilt. Natürlich k a n n »Licht« auch in der physikalischen Bedeutung vork o m m e n : 42, 16. 45, 7, auch 60, 19. 20, was Gressmann nicht deutlich entscheidet. Im Sprachgebrauch ist also kein Unterschied. — 3. "]DS. Mit der Grundbedeutung »fest« bedeutet dieses Verb in Kai »stützen, pflegen«. Das Nifal Partizip in den aus Dtj. angeführten Stellen 49, 7 und 55, 3 bedeutet also »was sich als fest und dauerhaft erweist« oder für Gott und seine Versprechungen »zuverlässig«. Dasselbe Nifal in 60, 4 von den israelitischen Frauen, die als Kinder gedacht sind, die fest und sicher gestützt, d. h. getragen werden. Kein Unterschied. Vgl. Ges. 16. — 4. Beantwortet unter Reihe III. •— 5. "H"Q auswählen. Bei Dtj. mit Vorliebe von G o t t e s Erwählung gebraucht: 41, 8. 9. 43, 10. 44, 1. 2. 49, 7. Sein »Erwählter« — sei es nun sein Knecht in 42, 1 oder sein Volk Israel in 43, 20. 45, 4 — ist Jahwes TTQ. So ist also ""irQ ein bedeutungsvoller religiöser Begriff mit Gott als Subjekt und mit persönlichem Objekt, ein sehr wirkungsvoller Ausdruck gegenüber den Göttern Babels d a f ü r , dass Israel Jahwe in seiner ganzen Allmacht zur Seite hat. Noch in der zweiten Gruppe lässt er sich hören, aber n u r einmal, in 49. 7. In der dritten scheint er dann ganz verschwunden zu sein. Aber n u r anscheinend, denn in 65, 9. 15. 22 finden wir "ITQ wieder, allerdings in der Mehrzahl: Jahwes Auserwählte oder Knechte,
156 was keinen wesentlichen Unterschied bedeutet, da das Volk aus vielen Einzelnen besteht. Das persönliche Objekt findet sich also auch hier wieder. Gott ist das Subjekt auch in seinem Wählen und Verwerfen der religiösen Leistungen derjenigen Art, von der in 58, 5. 6 und 66, 4 gesprochen wird. Dass in 56—66 meist Anlass ist, die religiösen Verhältnisse der M e n s c h e n zu besprechen, ist durch den Umstand gegeben, dass wir hier von dem neujüdischen Staat und seinen Gegnern hören. Hier sind also in einigen Stellen die Menschen Subjekt: 56, 4. 65, 12. 66, 3. 4. Aber wohl zu beachten, auch ihr "ITO bewegt sich innerhalb der religiösen Sphäre, wenn auch in gewissen Stellen in verzweifelten Irrtümern. Auch Dtj. kennt in 40, 20. 41, 24 den letztgenannten Sprachgebrauch. Auch in der grössten Erniedrigung hat H"Q eine Erinnerung an das religiöse Leben bewahrt. — Ausserhalb des Zusammenhanges steht "1112 aus 48, 10, ein Aramaismus = hebr. y Q , die Metallprobe machen. — 6. ntS3 bauen auf. Es ist unwesentlich, ob hierbei, wie gewöhnlich, 2 angewendet wird, oder oder Vgl. Jer. 13,25 HptiQ; Jer. 7,8 ipti>n n a r ^ ; ; und Jer. 7,4 "iptbn (möglicher Weise). — 7. i m "IH Geschlecht auf Geschlecht: 58,12. 60,15. 61,4. In 51,8 DHU Diese Ausdrücke besagen dasselbe, aber 51,8 am stärksten: bis zum letzten Geschlecht. Vgl. Ps. 72,5. Ps. 102,25 und D^iTTy in Ps. 106,31. Ps. 146, 10. — 8. pifl fest werden und fest sein. In Kai 4 1 , 6 : Frisch auf! Piel fest machen, ermuntern: 41, 7, ergreifen (deine H a n d ) : 42, 6; die Zeltpflöcke festmachen: 54, 2. Besonders in Hifil, mit T oder elliptisch ohne *7\ festhalten: 41, 9. 13. 45, 1. 51, 18. An mehreren dieser Stellen ist es J a h w e , der seinen Knecht, oder Israel, oder Kyros an der Hand nimmt. Das religiöse Verhältnis von Seiten des M e n s c h e n , an Gott festzuhalten (64, 4), oder an Sabbath, Rechtschaffenheit und Gesetz (56, 2. 4. 6), einzuschärfen, ist in der Jerusalemischen Gruppe genügend Anlass. Dtj. ergreift vermutlich in 56, 1-—8 selbst das Wort hierzu. Israel brachte ja eine Lebensordnung nach Jahwes Willen aus dem Exil mit. — 9. f S n Behagen, Gutdünken, Wille. Gressmann notiert die Stellen aus den ersten Gruppen mit diesem Wort in der Bedeutung »Jahwes Plan« 44, 28. 46, 10. 48, 14. 53, 10 und stellt diesem die heterogene Bedeutung »Geschäft« in dem nachexilischen Stück 58, 3. 13 (bis) entgegen. Bezieht man das
157 Verb "pSn, Behagen haben an etwas, mit in die Untersuchung ein, werden die Aussagen über Jahwes Plan um 42, 21. 53, 10a. und 55, 11 vermehrt. Zugleich sieht man aber, dass der letzten Gruppe ein Gebiet, das J a h w e s Wohlbehagen erweckt, nicht unbekannt ist. Hiervon spricht 56, 4. 65, 12 und 66, 4: dies ist sein Gesetz und helliger Wille. Es ist ganz naturgemäss, dass in den exilischen Aussagen auf die kommende Heilsoffenbarung geblickt und bei den Heimgekehrten von Jahwes schon kundgemachten Willen, seinem Gesetz, gesprochen wird. Die m e n s c h l i c h e Lust und Freude an dem Eigentum zeigt übrigens 54, 12 wie in der letzten Gruppe 62, 4. Die spezielle Bedeutung »Vorhaben, Geschäft« wächst aus dieser Anwendung hervor. — 10. TQD Ehre, Herrlichkeit. Die Grundbedeutung des Stammes ist: schwer, gewichtig. Hieraus »Reichtum« oder »Pracht« bei Menschen oder in der Natur: 60, 13 Waldpracht des Libanons. 61, 6. 66, 12 Reichtümer der Völker. 62, 2 Jerusalems Ehre. 66, 11 dessen volle Brust. Über Gottes kaböd oder Ehre können die Aussagen in zwei Reihen zusammengefasst werden: a) Jahwes Preis und Ehre in der in s e i n e r S c h ö p f u n g u n d s e i n e n W e r k e n geoffenbarten Herrlichkeit: Ps. 29, 3. Ps. 24, 7. Jes. 6, 3. und hier 42, 8. 12. 43, 7. 48, 11. b) Jahwes z u k ü n f t i g e e s c h a t o l o g i s c h e O f f e n b a r u n g i m L i c h t g l a n z : 40, 5. 58, 8. 59, 19. 60, 1. 2. 66, 5 (das Verb 113 in Nifal, G: »sich in seiner Herrlichkeit zeigen«). 66, 18. 19. Vgl. Hesechiel: 1, 28. 3 , 1 2 . 2 3 . 8 , 4 . 1 0 , 4 . 1 8 . 11, 22 f. 43, 1 ff. Jahwes Wiederkehr in seinem Lichtglanz ist die Grundverheissung in ganz Jes. 40—66. Dass das Substantiv TQD in den exilischen Gruppen nur für Jahwe vorkommt, und sich in der zweiten Gruppe gar nicht findet, ist ein Zufall. Auch Personen und Dingen könnten hier Ehre und Herrlichkeit beigelegt werden, wie in der dritten Gruppe; 43, 4 und 49, 5 betrachtet Jahwe Israel oder seinen Knecht als »wertvoll« und »teuer« (das Verb in Nifal). — 11. m m Jahwes Knecht, a) Eine Reihe von Stellen = Israel. 41, 8. 9. 42,19. 43, 10 (möglicher Weise Mehrzahl). 44,1. 2. 21. 26 (wahrscheinlich Mehrzahl: die Propheten). 45, 4. 48, 20. b) Eine israelitische Einzelpersönlichkeit, der Messias: 42, 1. 49, 3. 5. 6. 50, 10. 52, 13. 53, 11. c) Die Mehrzahl: Jahwes Knechte 54, 17. 56, 6. 63, 17. 65, 8. 9. 13. 14. 15. 66, 14. Von der Personifikation a zur Mehrzahl c ist der Übergang leicht. Diese Knechte werden
158
in 54, 12 limmude Jahve oder saddiqlm 60, 21 genannt, vgl. 57, 1. 2. Wenn 63, 17 in den Zusammenhang der ersten Gruppe gehörte, hätte es wohl geheissen »um deines Knechtes Israel willen«. In Kap. 65. 66 tritt als etwas Besonderes hinzu, dass hier die Knechte die Jahwetreuen in der Landesbevölkerung sind. — 12. n p T i und das gleichbedeutende p"nJ, ein Grundbegriff bei Dtj., der n u r annähernd mit »Gerechtigkeit« wiedergegeben werden kann. Aus der Grundbedeutung »das Richtige« »das, was stimmt« entwickelt sich die Bedeutung von Wahrheit, Gerechtigkeit und Recht. Durch das Rechtsleben hat dieser Begriff Dtj.s Sprache in hohem Grade beeinflusst und findet sich in ganz 40—66. Das gerichtliche Urteil ist eine Art Gottesurteil. Deshalb wird es hier so oft von Jahwes urteilender Gerechtigkeit gebraucht, sei es nun zur Strafe oder zum Sieg, zum ersten Mal 41, 2, wo Jahwe durch die Siege, die er Kyros geschenkt hat, für die Befreiung seines Volkes und Israels richtige Stellung gegenüber den Völkern wirkt. Aus dem langen Prozess mit den Völkern, von denen Israel schonungslos unterdrückt worden war, geht dieses durch eine göttliche Gnadenhandlung als Sieger hervor. Mit HpTi und pT£ für die Rechtfertigung von Seiten Jahwes wechseln daher oft die Ausdrücke nyiti' 1 und Ifti^, Sieg und Heil, als gleichbedeutend ab. Von dieser Heilstat Jahwes wird in der ganzen Schrift gesprochen: 41, 2. 10. 42, 6. 21. 45, 8. 13. 24. 46, 12 f. 51, 5. 6. 8. 54, 17. 56, l b . 58, 8. 59, 9. 16f. 61, 10 f. 62, 1 f. 63, l b . Insoweit ist der Sprachgebrauch bei Dtj. und Ttjs. ganz gleich, vgl. Cramer »Der Begriff HpTi bei Tritojesaja« Z.A.W. 1907, 91. Wie ist es dann aber zu verstehen, fragt Gressmann, dass es in der letzten Gruppe, wie allgemein anerkannt, eine Reihe Stellen gibt, wo HpTi und p*TS menschliche Gerechtigkeit bedeuten? Dies gilt für 56, l a . 57, 12 (ironisch). 58, 2. 59, 14. 60, 17. 64, 5. Hierzu kann 64, 4a hinzugefügt werden. Die Antwort liegt sehr n a h e : die Änderung der historischen Situation. Mit Ausnahme von 57, 12 reden alle Stellen von den Heimgekehrten, wo PIpTi von Seiten Israels nichts anderes ist als Pakttreue, die sich in sozialer Gerechtigkeit äussert. Hierin ist nicht die Rede von menschlichen Leistungen als Bedingung für Jahwes Heil. Sein Eingreifen, np*IÜ in göttlicher Bedeutung, ist eine Gnadenhandlung in göttlichem Mitleid und göttlicher Liebe. Man k a n n sich auch von dem Eindruck nicht freimachen, dass
159 Dtj. selbst bei Gelegenheit den menschlichen Gehorsam vor dem Gesetz im Gottesverhältnis berührt, so in 51, 1 »nach Gerechtigkeit streben« (das Verb radaf, streben nach, mit Hervorhebung des ethischen Moments, Buhl). Ebenso 51, 7 »Du Volk, mit meinem Gesetz in deinem Herzen«, vgl. die Forderung in 48, 1 und Zions Kinder als »von Jahwe angelernt« 54, 13. Man kann unter den Verhältnissen des Exils kaum mehr dieser Art erwarten. » T h e great lesson of the Exile was that not by work and Performances (compare 43, 24), but through simply waiting upon the Lord, their righteousness should shine forth« (G. A. Smith, 238 f.). Der prophetische Geist ist in ganz 40—66 der gleiche echt ethische. Dtj. hätte in 56—66 auf dieselbe Weise gesprochen, wie wir sie vorfinden 1 ). — 13. Bei Gressmann findet sich noch als Nr. 13 eine Bemerkung über die Verteilung von IH und PIIH bei Dtj. und Ttj. Ein jedes kann »Unglück« oder »Schlechtigkeit« in moralischer Beziehung bedeuten. Das Wort ist nur in der ersten und letzten Gruppe zu finden, und in dieser, die überhaupt mehr über moralische Verhältnisse spricht, ist JH und njH »Schlechtigkeit«, »Bosheit«. Aber auch in 47, 10 findet sich das Wort in derselben ethischen Bedeutung wie umgekehrt das Verb y j H in 65, 25, gebraucht von den bisher wilden Tieren, die physische Bedeutung »Schaden machen« hat. Dieser Punkt ist ganz unwesentlich.
W i r kommen also zu dem Ergebnis, dass in der Gruppe 56—66 eine Reihe Wörter aus der Sprache für Gesetz und Kultus 1
Vgl. z. B. das Kapitel » T h e Righteousness of Israel and the Righteousness
of G o d «
bei
G. A. Smith S. 231—247.
—
Cramers Schlussreflexion (S. 99)
ist
nicht zufriedenstellend o b w o h l seine Reservation »Vielleicht w ä r e es zu v i e l . . .« (S. 93) seine Bemerkung über nehmen a m H e i l «
np"I3
abschwächt.
als »die subjektive Bedingung für das Teil-
Vortrefflich sagt aber Cramer ü b e r den
Ausdruck in Dtj.s Denken folgendes:
Hp1!J-
» D e r Mittelpunkt, von dem aus sich der
Begriff np"IU bei Deuterojesaja erklärt, ist m. E. die oben erwähnte durch V e r senkung in die heiligen Schriften u n d Betrachtung
der Ereignisse
ieternitatis gewonnene Erkenntnis, dasz Jahwe, der
diese W e l t und alles, w a s
sub specie
in ihr verehrt w i r d , himmelhoch überragt, sich seines Volkes nun endlich annimmt, u m
ihm
im Prozesz
gegen seine Unterdrücker beizustehen. Doppeltes
hat es schon getragen (40, 2), das leidet seine n p ~ ä nicht. hier n p l ü mit dem Begriff Gnade.«
Fast berührt sich
160 vorkommen, mit denen sich zu beschäftigen die beiden ersten Gruppen keinen Anlass hatten. Der Hauptteil tritt in der Reihe III von Gressmann, einzelne in IV auf. Es sind dies: ¡TQ (der Tempel). n n a (Gesetz). B h l . ttHp. rQB>. mti>. i m (von Seiten der Menschen), ptn (ebenso). PtpTi für jüdische Gerechtigkeit. Von dem, was Gressmann sonst, ausserhalb dieses Gebietes, anführt, hat nur wenig Anspruch auf Aufmerksamkeit, vielleicht = bvx b o i I^SH, hierüber oben. In welchem nachexilischen Zeitpunkt man sich befindet, ist aus dem einfachen Vorkommen der Wörter unmöglich zu entscheiden. Die gesetzestechnischen Ausdrücke sind viel eher willkommene Reflexe auf das jüdische Leben im Exil. Wir bekommen einen Einblick, wie bewusst die Erziehung der Weggeführten im Gesetze Jahwes durchgeführt wurde. D u h m sucht aus Anlass dieser Gesetzesausdrücke die späte Sprache der nachexilischen Gruppe zu beweisen; wie schnell gelangt jedoch bei ihm diese Argumentation ans Ende! Wie viel bleibt denn nach einigen Ansätzen in 56, 1—8 übrig? Es sei noch bemerkt, dass man dem Propheten sehr Unrecht täte, wollte man die Erwähnung der äusseren Seite der Gottesverehrung auf Kosten des ethischen Wesens und der ethischen Forderung Jahwes, die eine conditio sine qua non bildet, in den Vordergrund schieben. Am meisten bedeutet natürlich für unsere Aufgabe der Vergleichung die Reihe IV bei Gressmann, die die verschiedene Anwendung gleicher Ausdrücke in 56—66 gegenüber 40—55 behandelt. Aber das Angeführte enttäuscht in der ganzen Reihe. Dieselbe Situation und die gleiche lyrische Rhetorik wie in 40—55 kann j a nicht überall ihre Fortsetzung finden. Weiters muss sich der Vergleich auf 56—66 und die zweite Gruppe 49—55 (mit 56, 1—8 als Übergang), die ständig bedeutende Unterschiede von 40—48 aufweist, konzentrieren. Man wird jedoch überrascht, wenn man sieht, dass z. B. "P3PI, verkünden, 22 mal in 40—48 und kein einziges Mal in der Zwischengruppe vorkommt, um dann wieder drei mal in der Schlussgruppe (66, 19 einberechnet) aufzutauchen. Wir haben in diesem Paragraphen schon wiederholt diese Entwicklung von der ersten zur zweiten Gruppe festgestellt, und werden in § 9 vielfach Gelegenheit erhalten, dieselbe Veränderung und den teilweisen Abstieg zu beobachten. Drittens aber vermissen wir noch ein wichtiges Glied
161
der Vergleichung, nämlich einen durchgeführten Überblick über den g e s a m m t e n g e m e i n s a m e n S p r a c h s t o f f v o n 5 6 — 6 6 u n d 4 0 — 5 5 . Er fehlt bei Gressmann. Nachdem er die Verschiedenheit und die doch vorhandene Übereinstimmung für 40—48 und 49—55 nachgewiesen hat, behandelt er in III und IV nur die U n t e r s c h i e d e zwischen 56—66 und 40—55. Ein starker Einfluss von »Dtj.« auf den späteren Verfasser wird j a allgemein anerkannt, ob man diesen nun wie Duhm auf etwa 460/50 oder wie Elliger auf etwa 515 oder schliesslich auf 536 ff. ansetzt. Inhaltlich kann sich nur der zuletzt genannte Zeitpunkt mit Bezug auf 63, 7—64, 11 (vgl. 57, 14—21) behaupten, dann ist aber zweifellos die Schülerhypothese nicht notwendig, und Dtj. selbst als Fortsetzer die natürliche Erklärung. Man wird auch in 56—66 in den Stoffkreisen, die Köhler S. 127— 142 für 40—55 untersucht, viel Übereinstimmendes finden, z.B. in der Naturbeobachtung, der Betrachtung der menschlichen Lebensverhältnisse, der Erwähnung von Gottes »Arm«, von Jahwe als Krieger, von Gottes Überlegenheit, j a in der Steigerung ins Grandiose, wofür hier 62, 6. 7 als Beispiel dienen kann 1 ).
§ 9. Der Stil in Kap. 56—66. Der Stil ist die Ausdrucksweise, die Darstellungskunst des Schriftstellers. Seine Individualität und Persönlichkeit geben sich durch seinen Stil zu erkennen. Ein Vergleich zwischen Kap. 55—66 1 Da Eiligere Schrift »Die Einheit des Tritojesaja« erst Ende 1928 vorlag, konnte bei der hier längst abgeschlossenen Behandlung von Gressmanns Wortreihen das sprachliche Kapitel des Erstgenannten (Stilistischer Vergleich) nicht durchgehend besprochen werden. Elligers Hauptinteresse gilt dem sprachlichen Beweis für die Einheit der Verfasserindividualität der Gruppe 56—66, der gut durchgeführt und überzeugend ist. Daneben untersucht er die Unterschiede der dritten Gruppe gegenüber den beiden ersten. Man kann nicht sagen, dass in dieser sorgfältigen Arbeit — etwas Wesentliches über Gressmanns Vergleiche auf diesem Gebiet hinaus ans Licht gebracht worden ist. Was man Elliger entgegenhalten könnte, ist schon oben Gressmann entgegengehalten worden, z. B. über TIN (Elliger Nr. 51) und TQD (Eiliger Nr. 53), oder p N (E. 94), B W D (E. 110), (E. 39). Vgl. Elliger S. 59 und »Allgemeine Gesichtspunkte« S. 63 ff., wo die Registrierung von »Wortarmut« sicher stark eingeschränkt werden muss. Es fällt auf, dass Sprach- (und Stil-)unterschiede der ersten und der zweiten Gruppe nicht mehr behandelt werden, z. B. das oben Bemerkte über T J H (E. 27), der 22 Anführungen in 40—48 und »0« in 49—55 hat. 11
162 und Kap. 40—55 ist daher notwendig. Der Stil kann dem Lexikalischen an Bedeutung voll zur Seite gestellt werden. L. Köhler hat in seinem Buche »Deuterojesaja (40—55) stilkritisch untersucht« nachgewiesen, dass Dtj.s Stil durchaus r h e t o r i s c h ist. Dtj. sucht nicht die prägnante Kürze, sondern die breite Ausmalung, wie die Wogen eines rasch dahinrollenden Stromes. »Dtj. spricht seiner Natur nach in lang dahinrauschenden Perioden« (69). Man könnte hinzufügen, dass dies dem überwiegend verheissenden Charakter seiner Botschaft angemessen ist. Überall, wo er sich Jahwes wundervollen Liebe zu seinem Volk mit der Durchführung der Verheissung ganz hingeben kann, stossen wir auf diese reiche, immer frische Beredtsamkeit, die für ihn bezeichnend ist. Wenn Dtj. mit Meisterschaft seine grosse Botschaft zu wiederholen vermag, beruht dies allerdings in erster Linie auf dem tiefen Gefühl, das sein Wesen durchströmt, aber gleichzeitig auch auf seiner rednerischen Begabung, seinem geübten, raschen Blick für die Variation, der alles Ermüdende vermeidet. Dtj. ist in formeller Beziehung der Meister der Variation. Diese Fähigkeit begleitet auch seine Rhetorik. Aber auch hier können wir einen weiteren Schritt zu der Bestimmung von Dtj.s Persönlichkeit machen, wenn wir ins Auge fassen, dass sein Stil immer einem Zwecke dient, von dem er ganz erfasst ist: er ist überall Prediger, seine Rhetorik ist d i e R h e torik des Predigers. 1. Ein in die Augen fallender Grundzug bei Dtj. ist also seine Vorliebe für die Anwendung von P e r i o d e n , eine Gedankendarstellung durch ein Bündel von Sätzen, die eine Einheit ausmachen; Köhler § 29—30 mit Beispielen aus 40, 1—2 und 40, 21—25. Diese Erscheinung setzt sich in der nachexilischen Gruppe fort. Schon in dem Abschnitt des Aufbruches 56, 1—8 finden wir ein gutes Beispiel: 56, 1. 2—7. 8 (vgl. § 2). Als Versuch zur Fortsetzung der Abgrenzung in Kap. 40—55 k a n n f ü r die dritte Gruppe folgendes angeführt werden: 56, 57, 58, 59,
9—57, 2 (56, 9 | 10—11 | 12 | 57, 1—2) | 3—4 | 5—6 | 7—9 | 10—11 | 12—13 | 14—16 | 17—20 | 21 | 1 | 2—3a | 3b—4 | 5 | 6—7 | 8—9a | 9b—12 | 13—14 | 1 | 2—4 | 5—8 | 9—11 | 12—15a | 15b—17 | 18—19 | 20 (V. 21 ein Einschub) |
163
60, 1—3 | 4 | 5—7 | 8—9 | 10—13 (V. 12 ein Einschub) | 14—16 | 17a | 17b—18 | 19—20 | 21—22 | 61, 1—3 | 4—5 | 6—7 | 8—9 | 10—11 | 62, 1—3 | 4—5 | 6—7 | 8—9 | 10—12 | 63, 1—6 | 63, 7 | 8—10 | 11—14 | 15—16 | 17 | 18—19a | 19b—64, 3 | 4a | 4b—6 | 7—11 | 65, 1 | 2—5 | 6—7 1 8—10 | 11—12 | 13—15 | 16 | 17—19 | 20 | 21—23 | 24 | 25 | 66, 1—2 | 3—4 | 5 | 6 | 7—9 | 10—11 | 12 | 13—16 | 17—18a | 18b—21 | 22 | 23—24 |. Wählen wir zur Untersuchung des Aufbaues z. B. den Beginn der ganzen Gruppe 56, 9—57, 2, so könnte diese Periode allerdings in kleinere Teile ausgestückt werden, aber der logische Zusammenhang macht das Ganze zu einer rhetorischen Einheit. Mit 56, 9 ff. wird durch einen gerichtlichen Urteilsspruch der grosse Zusammenhang eingeleitet, der sich durch alles folgende bis 59, 15a erstreckt und sich in der Verheissung der eschatologischen Parusie in 59, 15b—60, 22 fortsetzt. Die Periode 56,9— 57, 2 ist also derart aufgebaut, dass 56, 9 »Kommet hierher zu fressen!« Jahwes Urteil über das gottlose Jerusalem bedeutet, wobei die Schilderung der vorexilischen Zeit vor Augen steht. Die Form wird durch die Rechtssache Jahwes gegen sein Volk gebildet, und 56, 9 stellt den Abschluss des Prozesses durch den Urteilspruch dar: Die heidnischen Völker werden gerufen, das Urteil zu vollziehen. Das Subjekt ist wirkungsvoll verdoppelt und variiert (das Feld—der Wald). Der Rhythmus der Locktöne ist 2 + 2 + 2 (Köhler), von allem Übrigen 3 + 2 . Von V. 10 an wird das Gericht durch eine Schilderung der sittlichen Verderbtheit motiviert, in 10—IIa bei den geistigen Führern (die Hirtenhunde), in IIb—12 bei den Königen und den Mächtigen (die Hirten selbst). V. 12 spezialisiert ihr Treiben in dem Trinklied eines Saufboldes. Endlich wird 57, 1—2 der rechtlose Zustand geschildert, den die Verderbtheit mit sich gebracht hat, und durch den jetzt das Urteil herbeiführt wird. — Als ein zweites Periodenbeispiel diene die Aussage 57, 14—15: die Zusage von Jahwes Hilfe, die die Hindernisse von Seiten der Feinde überwinden wird. Zusammengedrängt besagt die Botschaft in Kürze: Die Grundverheissung von 40, 3 ff. wird erfüllt werden! Es lässt 11*
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sich eine himmlische Stimme hören wie in 40, 3. 6, die Jahwes Botschaft in drei Imperativen, der erste eifrig verdoppelt, wiedergibt. Sie konzentrieren sich alle in dem absoluten Befehl, dass der Weg des Volkes nach seiner Heimat fahrbar und unbehindert sein solle. Mit persönlicher Wärme nennt Jahwe das Volk »mein« Volk. Diese Fürsorge wird V. 15 auf eine überwältigende Weise begründet: In viergliederiger Selbstprädikation nennt sich der Herr als denjenigen, der er ist, und wiederholt mit Nachdruck die Aussage über sein erhabenes Wesen, um damit sein tiefes Mitleid mit den Trauernden, in deren Mitte er wohnen will, zusammenzuknüpfen. Die Not wird in einem wirkungsvollen Chiasmus geschildert. — Kap. 58, 2—12 (mit einem Seitenschuss in V. 13—14) ist eine Parenthese zwischen 58, 1 und 59, 1. Diese Einheit mit ihrer Gliederteilung in dialogischen Übergängen und ihrem dahinströmenden Stil hat denselben Charakter wie eine Periode. Die Schlussverheissung des Abschnittes, Kap. 60, stellt durchaus eine Einheit dar, in der Periode auf Periode folgt. Und so geht es weiter. Je verheissungsvoller, desto musikalischer der Stil. Die Übereinstimmung mit Dtj. ist unverkennbar. 2. Das nächste Kennzeichen für Dtj.s Stil sind die vielen Arten von V a r i a t i o n , die den Periodenbau begleiten und dazu dienen, die Einförmigkeit auszuschalten. Hierher gehört der wechselnde Rhythmus, der ganz wie bei Dtj. variiert, und der ständige Gebrauch von Halbversen, sowie vor allem dies, dass die Periode aus kurzen Sätzen aufgebaut wird. Hierin äussert sich der rhetorische Drang nach Abwechslung. Diese kurzen Glieder, oft (besonders in der ersten Gruppe) mit Fragen und Imperativen, oder mit Botschaftsformeln und Formeln aus dem Rechtsleben, sind in der Regel ohne Verbindung nebeneinandergestellt. Diese A s y n d e s e liebt Dtj. (Köhler § 45). In Menge z . B . in Kap. 60, oder vier asyndetische Reihen in 59,9—11. Auch Chiasmus, Kreuzung von Worten oder Sätzen, ist beliebt, z. B. in der letztgenannten Periode mit 9a und I I b . All dies dient zur Verstärkung des Eindruckes, ist rhetorisch im Dienste der Sache. Einen andern gemeinsamen Zug hat 40—66 in dem dramatischen Instinkt (Torrey 187), der sich in Monologen (61, 1 ff.), im Dialog (63, 1 ff.), im Hymnus (61, 10—11) und in reicher Phantasie äussert. Dass uns in dieser Fähigkeit ein
165 natürlicher Wesenszug des Verfassers entgegentritt, ist klar. Wir nennen ihn hier, weil er zu der Entfaltung seiner Variationskunst beiträgt. 3. S t i l f ü l l e d u r c h » S t r e c k u n g « . Unter den Stilmitteln allgemeiner Art 1 ), deren sich auch Dtj. bedient, hebt sich in besonderem Grade das Phänomen ab, dass der Ausdruck eines Gedankens durch Doppelausdrücke gestreckt wird, die S t r e c k u n g , bei Köhler (84 ff.) der »Stichus mit Zerdehnung« genannt. Die Streckung kann innerhalb einer Ganzzeile Platz finden, oder nimmt Doppelzeilen in Anspruch; bisweilen entwickelt er sich zu zwei- oder mehrgliederigen Reihen, z. B. 40, 1—2 trösten — Mut zusprechen — zurufen, und daneben: mein Volk — Jerusalem — es. Streckung ist also die elastische Ausspannung des Gedankens, dessen Ausdrucksform hierdurch verdoppelt wird. Es geschieht in rhetorischer Absicht, und Dtj. versteht es, die Doppelausdrücke wirksam und schön anzuwenden, wenn auch die Auswahl im einzelnen zufällig ist und sich hätte anderer verwandter Namen bedienen können. Da die Streckung für Dtj.s Stil so charakteristisch ist, hat Köhler durch Gruppierung nach dem sachlichen Inhalt die zweigliederigen Streckungsformen oder Doppelausdrücke für die Begriffe Gott, Welt, Israel u. s. w. möglichst vollständig zusammengefasst. Für den Vergleich zwischen 56—66 und 40—55 wollen wir mit Verteilung auf die drei Gruppen, ebenfalls so vollständig wie möglich, die entsprechenden Ausdrücke aus der dritten Gruppe in zwei Beispielen, die Köhlers Reihen entsprechen, hinzufügen, aber mit Teilung zwischen der ersten und der zweiten Gruppe. a.
Gott.
4 0—i8.
41, 41, 41, 43, 48, 43, 45, 41, 1
16 Jahwe — Israels Heiliger. 20 Jahwe — Israels Heiliger. 14 Jahwe — dein Erlöser, Israels Heiliger. 14 Jahwe — euer Erlöser, Israels Heiliger. 17 Jahwe, dein Erlöser — Israels Heiliger. 3 Jahwe, dein Gott — Israels Heiliger, dein Erlöser. 11 Jahwe — Israels Heiliger, dessen Schöpfer. 17 Jahwe — Israels Gott.
Z. B. in den Psalmen.
166 48, 41, 47, 44, 43, 48,
1 Jahwe — Israels Gott. 21 Jahwe — Jakobs König. 4 Jahwe Zebaot — Israels Heiliger. 6 Israels König — Jahwe Zebaot. 15 euer Heiliger — euer König. 2 Israels Gott — Jahwe Zebaot.
49—55.
49, 49, 55, 49, 49, 50, 55, 52, 49, 49, 54, 54,
7 Jahwe — Israels Heiliger. 7 Jahwe — Israels Erlöser, sein Heiliger. 5 Jahwe, dein Gott — Israels Heiliger. 4 Jahwe — mein Gott. 5 Jahwe — mein Gott. 10 Jahwe — sein Gott. 7 Jahwe — unser Gott. 12 Jahwe — Israels Gott. 26 Jahwe — Jakobs Stärke. 14 Jahwe — mein Herr. 5 dein Schöpfer — Jahwe Zebaot. 5 Israels Heiliger — der Gott der ganzen Erde.
56—66.
60, 60, 63, 60, 59, 58, 60, 57, 61, 60, 62, 66, 59, 61, 61,
14 Jahwe — Israels Heiliger. 9 Jahwe, der Name deines Gottes — Israels Heiliger. 16 Jahwe — dein Name. 2 Jahwe — sein Lichtglanz (kaböd). 19 Jahwes Name — sein Lichtglanz. 8 dein Triumph — Jahwes Lichtglanz. 1 dein Licht — Jahwes Lichtglanz. 19. 21 Jahwe — mein Gott. 10 Jahwe — mein Gott. 19 Jahwe — dein Gott. 3 Jahwe — dein Gott. 9 Jahwe — dein Gott. 13 Jahwe — unser Gott. 2 Jahwe — unser Gott. 6 Jahwe — unser Gott.
Die Verteilung ist gleichmässig, die erste Gruppe hat 14, die zweite 12, die dritte 15 Anführungen. Aber es liegen doch Ver-
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Schiebungen von der ersten zur zweiten vor: Israels Heiliger kommt in der ersten 9 mal, in der zweiten n u r 4, in der dritten 2 mal vor. Der Ausdruck besagt, dass sich der Erhabene an Israels Schicksale gebunden hat, und ist also voller ermunternder Kraft. Er wird in ganz 40—66 angewendet, aber am meisten in der ersten Gruppe und dann in Kap. 49, dass sich innerhalb der zweiten Gruppe so sehr an die erste anlehnt. Der Wechsel zeigt sich auch bei dem Namen Jahwe Zebaot: 3. 1 . 0 ; doch hat die dritte Gruppe das entsprechende »Jakobs Gewaltiger« in 60, 16, vgl. 49, 26. Übrigens ist 60, 16 nicht als Streckung miteinberechnet, weil »Jahwe« den Vers metrisch überfüllt. Dagegen zeigt die dritte Gruppe viermal »Lichtglanz«. 40—48 hat weitaus die meisten Ausdrücke für die Allmacht und weist auch die kräftigsten Verdopplungen auf. Diese werden schon in der zweiten und noch mehr in der dritten Gruppe farbloser ( J a h w e — mein Gott u. dgl.). Innerhalb der Stilgemeinschaft des Ganzen nimmt also wieder die erste Gruppe den ersten Platz ein, worauf ein Abstieg eintritt. b.
Israel.
4-0—i8.
40, 41, 41, 48, 44, 45,
27 J a k o b — Israel, ebenso in: 14. 43, 1. 22. 28. 44, 1. 5. 23. 45, 4. 46, 3. 48, 12. 8 Israel — Jakob. 1 Jakobs Haus — Israels Name. 2 J a k o b — Jesurun. 4 mein Knecht (Sklave) J a k o b — mein Auserkorener, Israel. 42, 1 mein Knecht (Messias) — mein Auserkorener (Messias). 40, 9 Zion — Jerusalem. 41, 27 Zion — Jerusalem. 46, 13 Zion — Israel. 44, 28 Jerusalem — Tempel. 45, 13 meine Stadt — mein Volk.
49—55. 49, 5 J a k o b — Israel. 49, 6 Jakobs Stämme — Israels Bewahrte. 52, 1 Zion — Jerusalem.
168
52, 2 Jerusalem — Zion. 52, 9 sein Volk — Jerusalem. 56—66.
58, 58, 65, 59, 63, 62, 64, 60, 65, 65, 62, 65, 66, 64,
1 mein Volk — Jakobs Haus. 14 Höhen des Landes — Jakobs Eigentum. 9 Jakob — Juda. 20 Zion — Jakob. 17 deine Knechte — die Stämme deines Eigentums. 1 Zion — Jerusalem. 9 Zion — Jerusalem. 14 Stadt — Zion. 18 Jerusalem — dein Volk. 19 Jerusalem — mein Volk. 12 Volk — Stadt. 9 meine Erwählten — meine Knechte. 6 die Stadt — der Tempel. 10 unser Tempel (Haus) — unser 'Schmuck'.
Wieder Übereinstimmung, aber mit vielen Unterschieden. In der ersten Gruppe ständig »Jakob«, sehr oft zugleich Israel, in der zweiten Gruppe nur zweimal und beide Male in Kap. 49, in der dritten viermal, aber die Verdoppelung Jakob-Israel ganz aufgelöst. Im ganzen auffallend wenige Anführungen in 49—55, nur 5 gegen 21 in 40—48 und doch 14 in 56—66. Die Verbindungen Zion mit Jerusalem u. dgl. nehmen zu. — Die Erklärung für diese Erscheinungen ist nicht schwierig Teils würde es Dtj. wenig gleichen, unaufhörlich bei Jakob-Israel stehen zu bleiben, und weiter ruft der Gedanke der Erwählung, den die erste Gruppe so stark und ermunternd anführt, den Personennamen des Stammvaters, Jakob oder Israel in Erinnerung. Dagegen sind die zweite und am meisten die dritte Gruppe Zionsgruppen, und der Variierungsdrang löst daher Zion-Jerusalem in wechselnde Formen auf. Das Ergebnis ist, dass wie bei Reihe a auch bei Reihe b die Stilgemeinschaft klar hervortritt. Köhler setzt die Konstatierung von Dtj.s Stilstreckung fort, und zwar in den Reihen: c) Welt und Menschheit, d) Zeit und Ewigkeit, e) Einzelgruppen der Natur, f ) das Menschenleben
169 nach seiner vorliegenden Natur, g) mythologischer und geschichtlicher Einschlag, h) Überblick über Gottes Wesen und Eigenschaften, und endlich i) Wirken u n d Erlebnisse des Menschen. Das Verhältnis zwischen 40—48 und 49—55 ist hier folgendes: c) 16 Anführungen — 5, d) 7—1, e) 22—10, f ) 17—24, g) 3—2, h) 15—14, i) 18 — nicht weniger als 44 Anführungen. Dass die Welt und die Menschheit, Zeit und Ewigkeit, die Einzelgruppen aus Welt und Natur (sowie die kurze Reihe g mit babylonischen Zügen) in 40—48 überwiegen, musste von vornherein erwartet werden; d a f ü r verschiebt sich in 49—55 der Stoff auf das menschliche Leben, das Wirken und die Erlebnisse der Menschen, z. B. hat aus den Reihen f und i Kap. 49 allein 13 + 6 und Kap. 53 2 + 9 Beispiele. In der Reihe h über J a h w e s Wesen und Handeln herrscht Gleichgewicht mit 15 Anführungen in 40—48 bzw. 14 in 49—55 (davon das stets reichhaltige Kap. 49 allein 7), aber auch hier wieder mit der Verschiebung, dass die erste Gruppe durch Jahwes Schöpferkraft und Vorherwissen in der Herrschaft über die Geschichte geprägt ist, während die n p " T C i - A u s s a g e n in der zweiten Gruppe zunehmen. In der dritten Gruppe 56—66 gibt es reichlich Verdoppelungen der Reihen c bis i. Auch hier sind f und i über das menschliche Leben nach seiner Natur und in dem Wirken und den Erlebnissen der Menschen hervortretend. Die Reihe h von J a h w e ist noch stärker repräsentiert als in einer der vorausgehenden Gruppen; auch hier sind die HpTi-Aussagen und die Übereinstimmungen mit der zweiten Gruppe zahlreich. Die Zusammenstellung von »Gnade« für das Volk u n d »Strafe« über den Gegner ist dem Gedankengang nach ein und dieselbe Sache: 61, 2. 6 3 , 4 . 5 9 , 9 Gericht; 5 9 , 1 6 Arm; 59,17 Strafe — Eifer. Für Jahwes Ehre tritt der Verfasser in ganz 40—66 leidenschaftlich ein, aber die Äusserungen sind den Zeitverhältnissen entsprechend in der letzten, der Jerusalemischen Gruppe a m stärksten. Als zweifellos unvermeidliches Resultat des Vergleiches in dem überaus charakteristischen Punkt der Stilstreckung ergibt sich, dass es sich u m den gleichen Verfasser handelt. 4. Zur Schmückung des Stils verschmäht natürlich Dtj. die allgemein angewendeten Stilformen nicht, z. B. Bilder (Köhler, S. 100), an denen auch die dritte Gruppe, mit oder ohne Partikel »wie«, reich ist. Aber auch eine gewisse Knappheit k a n n der
170 dichterischen A b r u n d u n g . d i e n e n . Um den Stil über die Prosa zu erheben, stösst die dichterische Sprache verschiedene kleine alltägliche Ausdrücke ab und erzielt hierdurch Vereinigung von Fülle und Kraft. Ihr Wortreichtum kann demnach auch verbunden sein mit gewollter Wortknappheit. Köhler zeigt unter »Grammatikalisches« § 3—5, dass Dtj. b e w u s s t den Artikel, das Objektszeichen IIS u n d das Relativum "lli'N vermeidet. Er hebt damit etwas Beachtenswertes hervor 1 ). Dtj. setzt also den Artikel (§ 3), wie Köhler sagt, nur des Wohlklanges wegen. Es wird hierbei an dieselben euphonischen Regeln gedacht, wie sie § 4 f ü r das Objektszeichen spezifiziert; ebenso bei "lii'K. Diese Regeln sind 1) Vermeidung des Zusammenstossens zweier Tonsilben, was erreicht wird durch Anwendung von PI oder PIX, Typus 40, 13. 2) Nicht mit Tonsilbe beginnen, Typus 40, 14. 3) Aneinanderreihung mehrerer tonloser Silben, Typus 41, 6 (häufig). 4) Analogie mit einem PI oder HS aus dem Zusammenhang, Typus 51, 17 (wo das erste vor D1D — Typus 40, 14, nach der Cäsur — ein neues PIN vor HJDp nachsichzieht). Vgl. 40, 4, wo betontes PI vor D^DDT auf Z i p ) } einwirkt, das ebenfalls PI erhält. 5) Des Nachdruckes wegen, deshalb mit Betonung, Typus 53, 6 (TO). 6) Der Deutlichkeit wegen, Typus 53, 8. — Bei "It^X können die Fälle folgendermassen zusammengestellt werden: 1) Metrische Fülle, mit Betonung, Typus 41, 8. 2) Der Deutlichkeit wegen, betont oder unbetont, Typus 52, 15. Köhler wählt seine Beispiele für den Artikel aus Kap. 40. Ziehen wir zum Vergleich den ersten Abschnitt der dritten Gruppe, 56,9—57,21 herbei, finden wir den Artikel PI in 56,11 D ^ D P I und Dijnn Dn. 57, 1 p n s n und PliPIPI (das zweite piTfPI zu streichen, Köhler). 57, 5 D">Drm DH^PI. D^DPI. 57,8 nbnPI. nriTOPI. 57,13 PlDinn. 57, 20 D W i n . Alles stimmt mit den oben genannten Typen. Bzgl. der Auslassung des Artikels genügt wohl eine Auswahl aus 56—66. Z. B.: 56,1 BBtTD und PIpTt. 56,2 tri:«. 56,6 rQB>. 57,1 nDPI. 57,13 ]HN und iB^p-IPI. 57,14 TpT 57,16 mat^J. 58,2 Pip-ra und ttDtrtt. 58,5 DIN. 58,13 rotT (ö). 59,4 p-fii (wenn 2) und PI7IÖX. 59,9 tSSt^D und PIpHJ. 59,14 1 Königs Kommentar beanständet S. 332 dass kein Vergleich mit andern Rednern vorgenommen wird und verweist auch bzgl. der Artikelsetzung auf seine Syntax 279—284. Dennoch ist Köhlers Beobachtung wichtig.
171 an vier Stellen: tDSti>D. npTÜ. TOX. HHDJ. 60,5 CPU 60,9 60,11 D'U. 60,16 DIU und DO^Ö. 60,21 "pX. 61,2 "pin. Dp:. 61,4 a m . 61,8 tS3ti>D. 61,9 IHT. 62,2 DVD und D"Obö. 62,12 l i y . 63,4 DpJ. 63,19 QiÖti> und D"Hn. 64,8 p . 65,11 ir6tf> und "iJDDD. 65, 25 SXT. rktS. ITH«. 66, 7 bin. Wenn man die zahlreichen späteren Prosazusätze von J1X und "lti>K, die den Rhythmus stören, abzieht, bleiben nicht besonders viele Stellen übrig, wo die genannten Wohlklangsregeln die Anwendung des Objekt- und Relativzeichen verlangt haben. Nicht ein einziges PlX oder "1t£>X ist z. B. in Kap. 59. 60 und 61 zu finden 1 ). Folgende Übersicht dürfte sie im wesentlichen enthalten: nX 57, 11. 12. 13. 62, 6. 8. 63, 10. 11 (bis). 65, 11. 20. 66, 2. 8. 16. 18. 19c. | 56, 5. 58, 11. 62, 2. 63, 7 (bis). 64, 10. 65, 7. 10 (65, 18 nicht mitzuzählen, regiert von bv, was übersehen wurde). 66, 19c. Die Übereinstimmung der dritten Gruppe mit den beiden vorausgehenden in Bezug auf Auslassung von Artikel, Objektsund Relativzeichen ist hierdurch bewiesen. — Ebenso kann bemerkt werden, dass Inversion in Hauptsätzen ohne Einleitungspartikeln, die ja einen besonderen Wert in der Logik der Darstellung besitzt, auf dieselbe Weise in der dritten Gruppe vorkommt wie in den vorausgehenden. Die gedankliche Bedeutung dieses invertierten Satzes im Hebräischen überhaupt und bei Dtj. im besondern hat Köhler in § 6—28 sehr scharfsinnig erkannt. 5. K l a n g u n d W o r t s p i e l . Wortspiele, Paronomasien, jeder Art haben stets für das Ohr der Orientalen etwas sehr Ansprechendes gehabt und werden auch im A . T . überall angewendet 2 ). Für das Zusammenspiel gleichlautender Konsonanten, die A l l i t e r a t i o n , zeigt sich grosse Vorliebe. Z . B . bere'sit barä' Gen. 1, 1; oder söd va-seber Jes. 59, 7. 60, 18; vgl. 51, 19; halleqe (»Betrüger« oder dgl.) in 57, 6 gegenüber heleq. Ein ausgezeichnetes Beispiel aus 62, 10 bringt Torrey (193): 'ibrü 'ibrü basse'arlm | pannü derek ha-'äm 11 söllü söllü ha-mesillä | saqqelü me'6ben ||, wo jeder Vers denselben Konsonanten 4 mal hat. Auch 1
n N (bis) in 59,19
sind j a
Prosaisierungen,
und 59,21
s c h u b ; 60,12 ebenso. 2
Ed. König »Stilistik, Rhetorik, Poetik« 1900, 285 ff.
ist fremder E i n -
172 d i e A s s o n a n z ist beliebt: töhu vaböhu Gen. 1 , 2 ; sisef q6sef Jes. 54, 8; 'orekä va-'arukätekä Jes. 58, 8; pahad ve-rahäb Jes. 60, 5. Zu alliterierend-assonierende Zusammenstellungen gehören auch chiastische Lautverbindungen wie pe'er . . .'efer 61, 3. Unter Annomination versteht König N e b e n e i n a n d e r s t e l l u n g g a n z e r W o r t e , desselben oder verschiedenen Stammes, eine Art potenzierte Alliteration (»Paronomasie«, was jedoch gewöhnlich eine viel weitere Bedeutung hat). So Gen. 2, 7 'adamä: 'adäm; Jes. 43,24 qanlta: qaneh; Jes. 63,1 'adöm: 'Edöm; 65, 12 manlta: Menl; 56, 10 hozlm (träumend), korrespondiert wahrscheinlich mit einem verborgenen: hozlm (Seher). Oder die Wortspiele 41, 2. 58, 8. 53, 10 ('asäm: tasim). 60, 8. 61, 10.
Man hätte vielleicht erwarten können, dass der Reim im A. T . ein beliebtes Stilmittel bilden würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Erst die neuhebräische Poesie hat ihn von den Arabern übernommen, bei denen er angewendet wurde. W i e die babylonische und syrische hat auch die althebräische Stilkunst eher den Reim gescheut, als ein allzu leichtes Mittel bei dem Überfluss der Sprache an gleichlautenden Endungen und Suffixen. Man begnügte sich mit dem durchgehenden Parallelismus, dem Rhythmus und den sonstigen zahlreichen Mitteln zur Belebung der Sprache und des Sprachklanges, wenn auch Stellen mit Reim vorkommen können, wie Lemechs Lied Gen. 4, 23 f. Beabsichtigte K l a n g h a r m o n i e in d e r A r t d e s R e i m s kann man jedoch öfters feststellen, besonders wo das Gefühl stark zu Worte kommt, z. B. 53, 6 (kullänu), 64, 5. Oder 65, 1 nidrästi lelö' sa'alüni | nimseti lelö' biqqesüni || 'amärti hinnenl hinnen! | 5el göj 15' qarä' bisemi ||. Von andern Mitteln sind v e r s c h i e d e n a r t i g e n V e r d o p p l u n g e n zu nennen. So W o r t p a a r e von Substantiven oder Verben (§ 70—73 bei Köhler), bisweilen auch Wortreihen (die Bäume 41,19. 60,13). Z . B . : här ve-gibe'ä Jes. 4 0 , 4 ; 'efes va-töhu 40,17; ke-'ajin u-ke-'efes 41,12; rekeb va-süs 43,17; häjil ve-'izzüz 43, 17; sasön ve-simhä 51, 3; 'arel ve-tame' 52, 1; räm ve-nissä' 57, 15; dakkä' u-sefal-rüah 57, 15; saq va-'efer 58, 5; söd va-seber 59, 7; kesef ve-zahäb 60, 9; ha-gojim ve-ha-lesonöt 66, 18.
Diese Wortpaare gehören durch Begriffseinheit zusammen, wie
173
»Sommer und Winter«, »Gold und Silber«, »Fleisch und Blut«. Sie verleihen der Sprache Fülle und Nachdruck. Ein noch stärkerer Nachdruck wird durch die in ganz 40—66 so beliebte V e r d o p p l u n g d e r s e l b e n W o r t e erzielt: nahamü nahamü (tröstet, tröstet) 40, 1; 'url 'url (wach auf, wach a u f ) 51,9. 52, 1; 'anoki 'anoki (ich, ich selbst) 51, 12. Vgl. 51, 17. 52, 11. 57, 6. 57, 14. 57, 19. 62, 10. 62, 10. 65, 1. Auch die chiastische Wortstellung, die, — wie früher erwähnt, — eines der vorzüglichsten Mittel der Variierung ist, wird in den Dienst der Verdopplung gestellt, indem der C h i a s m u s die Mitte der Aussage verstärkt, z. B. 51, 6. 8 »mein Heil — mein Recht, mein Recht — mein Heil«, oder 57, 15 »der Zermalmte und Seelengebeugte — der Geist der Gebeugten und das Heil der Zermalmten«. Bisweilen k a n n die Wiederholung eines einzelnen k l a n g v o l l e n W o r t e s die ganze Schilderung färben, z. B. kullänu (wir alle) als erstes Wort in 53, 6 und letztes Wort ebenda, kullänu (uns alle). Dies wiederholt sich im Klagegebet 64, 5. »Wir alle — kullänu — wurden wie die Unreinen wir welkten alle — kullänu — wie das Laub, und nochmals V. 7. 8: »Wir sind alle — kullänu — wie ein Werk aus deiner Hand wir sind alle — kullänu — dein Volk«. Oder köl — köl 56, 9: alle wilden Tiere auf der Steppe alle wilden Tiere im Walde; und kulläm (sie alle) — kulläm — kulläm: von Jerusalems Propheten und Priestern, Königen und Mächtigen 56, 10. 11. Ein jubelndes kulläm in 60, 4. 6. 21. Von der Harmonie und dem Klang der Laute und Worte gehen wir auf die Art von Grösse und Wohlklang über, welche der Verfasser seinem Stil durch den K e h r r e i m gibt, in welchem der Gedanke verweilen und ruhen kann. Z. B. »Alles Fleisch ist Gras« 40, 6 — »Nur Gras ist das Volk« 40, 7. »Er öffnete nicht seinen Mund« 53, 7a — »Er öffnete nicht seinen Mund« 53, 7b. »Keinen Frieden den Gottlosen« 48, 22 — »Keinen Frieden den Gottlosen« 57, 21. »Gewalttat und Unfriede auf ihren Wegen« 59, 7. — Keine Gewalttat mehr oder Unfriede innerhalb deiner Landesgrenzen« 60, 18. »Weil ihr nicht antwortetet, als ich rief, und nicht hörtet, als ich sprach« 65, 12. — Weil niemand antwortete, als ich rief, und sie nicht hörten, als ich sprach« 66,4. Die vielen W i e d e r a u f n a h m e n der Verheissungen, ja die geradezu bewussten Anführungen (§ 6), besonders in Kap. 60, sind
174 auch neben den Kehrreimen als Aufwallung im Denken des Verfassers zu nennen. An dem funkelnden Zusammenspiel der Laute und Worte in der hebräischen Poesie hat auch Dtj. Anteil. Aber noch eine besondere Art des Wortspieles muss zum Abschluss besprochen werden, nämlich die Anwendung d e s s e l b e n W o r t e s in v e r s c h i e d e n e n B e d e u t u n g e n . Nach Torrey's Beobachtung ist dies in Kap. 40—66 der Fall. Torrey leitet mit Recht die Aufmerksamkeit auf diese sonst im A. T. recht ungewöhnliche Erscheinung als ein Umstand, der als ein individuelles Kennzeichen für den gleichen Verfasser zu betrachten ist. Torrey teilt eine Liste von 28 Beispielen mit (S. 199—202) 1 ). Zuerst 56, 1 sedaqä, dessen doppelte Bedeutung anerkannt ist. Dann limmudlm 50, 4 Gelehrsamkeit, Lehrlinge; 63, 3. 6 nesah Saft (Blut), Herrlichkeit (mit verschiedenen Wurzeln); 54, 9 ki me Noah, oder klme Noah; 54, 9 gür zwei Stämme: angreifen, sich aufhalten; 35, 5. 7; 40, 12. 13 tikken, in zwei Bedeutungen; 40, 19 soref als Nomen und im Partizip; 42, 3 f. mit zwei Wortspielen: rasüs geknickt, jarus barsch handeln gegen, und kehäh rauchend, jikheh versagt machen. So weiter in 43, 23 (zwei). 46, 12 f. 57, 11. 59, 19. 5 9 , 1 8 (zwei). 58,10. 51,5. 5 1 , 6 . 7 . 5 2 , 1 4 . 1 5 . 55, 2 f . 5 5 , 4 . 58, 2. 59, 6. 60, 11. 5. 60, 9 gegenüber 51, 5. 66, 20. Selbst wenn nicht alle Beispiele einleuchten (42, 3 z. B. ist unnotwendig und entspringt einer exegetisch unrichtigen Einstellung), ist die Sache doch der Aufmerksamkeit wert. Sie wird gestützt durch die kritische Ironie bei Dtj. und dadurch, dass er Sinn für das gewissermassen Humoristische in der tiefen Torheit der Heiden hat. Dieser Zug in Kap. 40—66 wird bei Torrey S. 185 f. beleuchtet. Sein tiefer Ernst wird jedoch durch diesen natürlichen Zug keineswegs beeinträchtigt. »The prophet's grim humor is less for his readers than for himself, and the way in which it sometimes comes to the surface in the most unlikely places gives evidence of a deep-rooted personal trait« (Torrey 185). 6. D i e A n w e n d u n g v o n S t i l f o r m e n d e r B o t s c h a f t und des Rechtsstreites durch den Verfasser. Die von Dtj. in 40—55 angewendeten Arten der B o t s c h a f t s f o r m e l n sind bei Köhler S. 109 zusammengestellt. Wenn man 1
Torrey zählt Kap. 34. 35 zu 40—66.
175 auch hier, wie oben bei der Streckung in Doppelausdrücken, einen Vergleich nach Gruppen vornehmen will, findet man in Kap. 40—48 im ganzen 21 Anführungen, davon 12 als Einleitungen. Kap. 54, 1 ist nur als Einschaltung, nicht zugleich als Einleitung, miteinberechnet. Kap. 40, 5 »denn Jahwes Mund hat gesprochen« (vgl. 58, 14) ist als Schlussformel einberechnet. Kap. 49—55 hat 13 Anführungen, davon nur 4 Einleitungen. Wird das umstrittene 52, 3—6 anerkannt, kommen 2 Einleitungen und 2 Einschaltungen hinzu, und der Abschnitt über den Aufbruch, 56, 1—8, fügt 2 weitere Einleitungen bei (V. 1. V. 8) und eine weiterführende Formel (V. 4). Auf diese Weise aufgefasst, kommt die zweite Gruppe auf 20 Anführungen, darunter 8 Einleitungen. Was die dritte Gruppe angeht, so findet man in 56, 9—66 dieselben Botschaftsformeln wie in den vorausgehenden. Hier sind 22 Anführungen, davon 4 als Einleitungen. Die Formeln verteilen sich folgendermassen: Einleitungen 57,14. 65, 8. 66, 1. 66, 5. Schlussformeln 57, 19. 58, 14. 59, 20. 65, 25. 66, 17. 66, 21. Weiterführungen 57, 15. 65, 13. 66, 12. Einschaltungen 57, 21. 58, 6 (G). 65, 7. 66, 2. 66, 9 (bis). 66, 20. 66, 22. 66, 23. Hier wiederholt sich dieselbe Ungleichmässigkeit, wie sie sich so oft in dem Redefluss der Gruppen, der von dem wechselnden Inhalt beeinflusst wird, gezeigt hat. Die Kampfstellung der ersten Gruppe gegen die Götter Babels macht sich immer geltend. Von den 21 Anführungen sind in dieser 12 als Einleitungen mit dem pompösen Prädikationen verwendet und von allen Anführungen fallen 15 auf Kap. 41—45. In der zweiten Gruppe enthält von den anerkannten 13 Anführungen Kap. 49 die 6 und Kap. 54 die 4. Dieselbe Erscheinung finden wir auch in der dritten Gruppe: Kap. 65 steuert 4, Kap. 66 sogar 11 Beispiele bei, der Rest verteilt sich auf Kap. 57, 14—59, 20. Die Einschaltungen und Schlussformeln erreichen hier die Zahl von 15, während Kap. 41—45, das so viele Einleitungen hatte, von diesen beiden Klassen nur vier Anführungen aufweist. Die erste Gruppe ist feierlich, mit Prädikationen in den Einleitungen und Hymnen an Stelle der Schlussworte, z. B. 45, 8 nach 45, 1—7. Aber der gemeinsame Zug aller Gruppen tritt genügend klar hervor, und die Freiheit, mit der der Botschaftsstil benutzt wird, ist für Dtj.
176 als den gemeinsamen, rhetorisch arbeitenden Verfasser bezeichnend 1 ). Dass die erste Gruppe in Form und Inhalt beständig ihre eigenen Wege geht, und dass sich in solchen Fällen die zweite und dritte Gruppe einander nähern, gilt auch für den letzten Punkt auf dem Gebiete der Stilistik, zu dem wir jetzt übergehen wollen: d i e a u s d e m R e c h t s s t r e i t e n t n o m m e n e n F o r m e n . In dem Abschnitt über die »Streitgespräche« (S. 110—120), einem der vorzüglichsten bei Köhler, sind S. 111 die 9 Streitreden die sich bei Dtj. in den beiden ersten Gruppen finden, zusammengestellt, nämlich 40, 12—16. 40, 17—20. 40, 21—26. 41, 1—5. 41,21—24. 42,18—25. 43,8—13. 48,14—16 og 49,14—21. Einzelheiten aus der Rechtssprache werden S. 114—116 angeführt. Das Rechtsleben und dessen mündliche Verhandlungsart hat den hebräischen Mann geschult. Viele Elemente aus dem Rechtsleben sind in die Sprache der Propheten übergegangen. Auch dem Dtj. hat es eine der durchgehenden Formen seines Stils geschenkt. Aber auch hier steht die erste Gruppe mit 8 von den angeführten Streitgesprächen und einigen Einzelheiten aus der Rechtssprache für sich. Die zweite Gruppe enthält nur das eine Streitgespräch von 49, 14—21 und einige wenige Einzelheiten in 49, 4. 50, 8 f. 51, 4 f. 51, 6. 8 und 51, 22. Der Unterschied ist auch hier darauf zurückzuführen, dass der Rechtsstreit mit Babel und seinen Göttern nachgelassen hat. Neben dieser grossen R e c h t s s a c h e z w i s c h e n J a h w e u n d d e n G ö t t e r n läuft aber — wie Köhler zeigt — ein z w e i t e r , e b e n s o wichtiger Rechtsstreit zwischen Jahwe und seinem V o l k e , dessen Einwendung darin besteht, dass Jahwe es vergessen habe (40, 27), dass seine Hand zu kurz sei und er keine Kraft habe, um zu helfen (50, 2). Aber Jahwe zeigt ihnen, dass ihre Einwendung falsch ist: nicht infolge seiner Ohnmacht sind sie entführt worden, sondern nach seinem eigenen Willen und Plan, weil sie gegen ihn sündigten; das Exil ist sein Zorn über die Sündenschuld ihrer Vergangenheit. Deshalb liegt es auch in seiner eigenen Macht, sie zu befreien, und dies will er jetzt, 1
In wie hohem Grade Jahwes Prädikation die erste Gruppe charakterisiert und dann hinschwindet, zeigt der Umstand, dass Köhler seine ganze Behandlung der Prädikation und von deren Grundgedanken S. 120—124 auf der ersten Gruppe allein aufbauen kann, und nur ein einziges Mal 51,16 streift.
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und verspricht er jetzt durch seinen Sendboten. Sie gehen also durchaus irre, wenn sie Jahwe anklagen und ihm misstrauen; sich selbst sollten sie anklagen und die Sünden ihrer Vorzeit (54, 4—10). Was man in der dritten Gruppe in den Ausdrucksformen der Rechtssprache ausgedrückt erwarten kann, ist natürlich dieser zweite R e c h t s s t r e i t , die grosse Rechtssache zwischen Jahwe und Israel. Mit eben diesem Rechtsstreit beginnt, wie wir gesehen haben, in 56, 9 die dritte Gruppe, und der ganze grosse Zusammenhang bis 60, 22 beschäftigt sich mit ihm, worüber auf S.53ff. verwiesen sei. Diese Sache zwischen Jahwe und seinem klagenden Volk bildet den ständigen Unterstrom: in 40, 27, in 49,14, in 59,1. Sie kommt jetzt in der Reue über die Sünden der Väter und über ihre eigenen Vergehen 59, 12. 13 zur Entscheidung. Der Ausgang des R e c h t s s t r e i t s ist J a h w e s Sieg und ein bereuendes, bekehrtes Volk. Es vollzog sich in dem exilischen und früh-nachexilischen Israel eine vollständige Sinneswendung, in der das Exil seine Früchte trug. Die Bedeutung dieses Bruches und des Umschwunges in der Beurteilung der Vergangenheit ist von Kittel in Kap. 7 »Der neue Geist« aufgezeigt. E i n Glied in der A r b e i t für diesen n e u e n Geist haben wir in diesem Zusammenhange vor uns. Wer anders sollte es bei einer so engen Fortsetzung der vorausgehenden Gruppen sein als Dtj. selbst, in dessen Arbeit für den Durchbruch der Selbsterkenntnis bei den Heimgekehrten wir hier einen Einblick gewinnen? In Verbindung mit der Verteidigung gegen die Anklage seines Volkes sehen wir in 56, 9 ff. Jahwe zum Angriff übergehen, in der Form eines Urteilsspruches über das vorexilische Geschlecht. Aber die dritte Gruppe hat auch Parallelen zu dem aktiven Rechtsstreit, den wir aus der ersten Gruppe kennen, wo Jahwe selbst der Ankläger ist. Wieder handelt es sich um das Heidentum. Von diesem Typus ist die Vorladung und Beweisführung in 57, 3 ff. mit dem Urteilsspruch gegen die Abgefallenen in V. 12. 13. Aber auch die Heiden in 59, 15a ff. und 63, 1—6 sind von Gott abgefallen und haben beigetragen, sein Volk zu unterdrücken. Das Gericht, das über sie ergeht, wird mit Ausdrücken aus der Rechtssprache geschildert. Da gab es kein miüpät, kein »Verdikt« für Israels Recht im Verhältnis zu den die Juden 12
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verachtenden und unterdrückenden Heiden, da gab es keinen mafgia, der als sein »Mittler« auftreten wollte, nur Jahwes sedaqä stellte sich als »Stütze« an seine Seite: 59, 15. 16; von den Völkern war keines »mit mir« 'itti 63, 2 (während der Angriffe der Feinde gegen Jahwes Volk). Ein juridischer Terminus ist auch »Jahwe hat geschworen« in 62, 5 (vgl. 49, 18 »So wahr, wie ich lebe«). Was in 57, 3 ff. begonnen wurde, schliesst in 65, 1—7. 11 f. 13 ff. und 66, 1—4. 5 ff. (bis V. 17): der von Jahwe als Ankläger geführte Rechtsstreit. Wenn es also auch in der dritten Gruppe nicht an der Verwendung juridischer Formen fehlt, so hat doch die erste Gruppe den Vorsprung vor den andern. Aber durch das ganze Trostbuch 40—66 zieht sich wie gesagt die Rechtssache Jahwes und seines Volkes als Unterströmung. In diesem Konflikt sind nicht Ausdrücke aus den ersten Stadien der Rechtsverhandlung, sondern aus deren M i t t e u n d E n d e zu erwarten. Und dies zeigt sich denn auch nicht am wenigsten in der dritten Gruppe. Dies erkennt man an dem »Siehe«, das oft einen neuen Gegenstand und in der Rechtsverhandlung die Verkündigung ihres E r g e b n i s s e s einleitet (Beispiele Köhler S. 114). Wir stehen hier dem Stadium von 56, 9 gegenüber. »Siehe, nicht zu kurz ist Jahwes Hand zum Heil. . ., aber eure Sünden bilden die Scheidewand« (59, 1 f.). Ja, selbst in dem aktiven Typus herrscht — nach der stürmischen Aufnahme des Rechtskampfes gegen die Treulosen in 57, 3 ff. — gegen Ende von 65, 1 ff. die wehmütige und verwunderte Reflexion in Jahwes Gedanken, bevor das Urteil in V. 6 f. mit »Siehe, es steht vor meinen Augen aufgezeichnet. . .« ausgesprochen wird. Wir haben Jahwes Rechtsstreit gegen sie vor uns, aber geschildert von dem ruhigen Schlussstadium aus. Um dasselbe Stadium handelt es sich auch in 66, 1 ff. mit der Doppelentscheidung in 2b und 3—4, die sich dann in chiastischer Stellung 5b. 6 gegenüber 7—9 (mit hymnenartigem Abschluss 10—11) wiederholt. Das »Siehe« des Urteils begegnet uns hier in V. 15. § 10. Der Prophet der
Heimkehr.
Der Gedanke an einen Dtjschüler als Verfasser von 56, 9—66 hängt n u r zusammen mit der Annahme eines längeren Abstandes von der Zeit der Heimkehr. Unsere Untersuchung der geschieht-
179 liehen Verhältnisse, die sich in dem Inhalt widerspiegeln, hat indes zu einem ganz andern Zeitpunkt geführt als Duhms Ansetzung. Wenn man bei 515 stehen bliebe, wäre der Abstand von dem Jahre der Heimkehr noch immer derart, dass die Schülerhypothese gelten könnte. Da wir aber bis zu den allerersten Jahren in Jerusalem, die Zeit, wo die Feinde der Juden die Wiedererrichtung des Tempels verhinderten, zurückgehen müssen, ist die Annahme eines anderen Verfassers als des Dtj. selber nach der Heimkehr überflüssig geworden. Wie könnte man die literarische Verwandtschaft, die Übereinstimmung in Gedanken und Argumenten, die gemeinsame religiöse Richtung im echtesten prophetischen Geiste, das weitgehende Zusammenfallen in Sprache und Stil mit Dtj., kurz alle die gleichen Züge, erklären, ausser durch dieselbe Individualität? »The twenty-seven poems are the work of a single hand; there is clearly no other possibility. The hypothesis of 'imitation' would be absurd. S u c h imitation as must be postulated, such exact duplication of personality (not merely of chosen themes, general treatment, and perhaps a few outstanding mannerisms), is not only without example in the literature of any age, but is also humanly impossible« (Torrey 203). Ein wie grosses Interesse die Abfassungszeit als solche auch beanspruchen kann, kommt es doch vor allem auf die richtige Auffassung des Propheten selbst an, den wir nun statt »Deuterojesaja« d e n P r o p h e t e n der H e i m k e h r nennen können. Gewiss enthält Duhm viel Richtiges und Vorzügliches und hat das Verdienst, die Jerusalemische Gruppe, den Einfluss der Samaritaner u. a. erkannt zu haben, — aber sein Bild des Propheten ist unwirklich und kraftlos und beruht auf einer Konstruktion, die voller subjektiver Bestimmungen ist.
Wir wollen also zum Abschluss den H e i m k e h r p r o p h e t e n s e l b s t (Hkp.) einer Betrachtung unterziehen. In Babylon ist er geboren, aber seinem Geiste nach hat er immer in Jerusalem gelebt, und in dieser seiner geistigen Heimat hat er auch äusserlich sein Wirken abschliessen können. Die Jahre 540—530 haben so ungefähr den Rahmen für sein prophetisches Auftreten gebildet. Damals ist er in der Blüte seines Mannesalters gestanden. In der 12*
180 Zeit vor Haggai muss der Prophet der Heimkehr gestorben sein. Er wurde Jahwes Prophet und auserwähltes Werkzeug, und in der richtigen Auffassung Jahwes ist er von niemand übertroffen worden. Bei einer Charakteristik des Hkp. müssen wir mit seiner M e i s t e r s c h a f t in d e r R h e t o r i k beginnen. Hier liegt die Eigenart seines Stiles, wie von Köhler nachgewiesen. Dies haben wir in § 9 als gemeinsamen Zug der ganzen Schrift 40—66 näher besprochen. Eindringlich und beredt, überzeugend und schmelzend ist seine Rede. Eine hochentwickelte Persönlichkeit schimmert durch die ganze Darstellung hindurch, und »honigsüsse« Beredtsamkeit (honeyed rhetoric, Cheyne 320) steht ihm zur Verfügung. Hiermit verbindet sich s e i n e G r ö s s e a l s D i c h t e r — er ist ohne Zweifel einer von Israels grössten —, seine reiche lyrische Begabung und rasche Phantasie. Indem wir aber seine Rhetorik in die erste Reihe stellen, erreichen wir, dass es gleich deutlich wird, dass er seine dichterische Begabung nicht spielerisch anwendet, sondern in den Dienst des grossen Zieles seiner Rede stellt. Sie dient der immer wiederkehrenden Melodie seiner erhabenen Absicht. Er ist zu sehr ergriffen, um sich in Ausmalungen ihrer selbst willen zu ergehen, denn seine Rede ist Botschaft von einem neuen, besseren Verstehen, von dem seine Seele erfüllt ist. Denn der Hkp. ist auch g r o s s a l s D e n k e r . »Und jetzt hat mich Jahwe, mein Herr, ausgesendet und mich mit seinem Geist 'gesalbt'«, wie es in dem zweifellos echten 48,16b heisst. Was sind Jahwes Absichten mit den geschichtlichen Ereignissen der Zeit? Das Exil lag in Jahwes eigener Hand und deshalb auch dessen Aufhören, was der Hkp. verstanden hat. In seine grübelnde Gedanken hat Jahwes Geist Licht geworfen; deshalb denkt er so klar und gross, denn Denker ist er. Wir berühren hier die Triebkraft in seinem ganzen Wesen: er i s t in J a h w e s D i e n s t a u f g e n o m m e n u n d ist J a h w e s S e h e r u n d P r o p h e t . Durchaus Prophet: Kenntnisse und Fähigkeiten, Gedanken und die Macht der Rede, alles dem Jahwe Untertan, an den er mit der vollen Glut seiner Seele glaubt. Und welche Eigenschaft erfüllt und erquickt diesen grossen Propheten so stark? Gottes Ewigkeit und Grösse, seine allmächtige Schöpferkraft und Allgegenwart? Gewiss, auch dies. Aber grösser als Himmel und Erde ist der innerste Kern des Lebens, und dieses
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innerste Wesen ist in Jahwe und ist Jahwe: Mein Heil (jesu'ä) besteht in Ewigkeit und mein Recht (sedaqä) wird kein Ende nehmen (51, 6). Der Wesenskern des Lebens liegt in der ethischen und barmherzigen Grösse: und so ist Gott. An ihn hat der Prophet geglaubt und ihn hat er erkannt, mit Zuversicht und Begeisterung für ihn ist seine Seele erfüllt. Richtig aufgefasst können wir sagen, dass wir bis auf den heutigen Tag nicht über den Hkp. hinausgekommen sind 1 ). — Bei diesem Ausgangspunkt versteht es sich von selbst, dass die Welttheophanie, die Zeitwende der ganzen Welt den Horizont des Hkp. bildet. Wann die Verkündigung der Botschaft von dem Kommen Jahwes durch den Propheten ihren Anfang nahm, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Er selbst betont in 48, 16b die unmittelbare Verbindung seiner Sendung mit den kommenden Ereignissen. Darnach erscheint der Zeitpunkt 540 am wahrscheinlichsten. Damals hatte sich Kyros nach der Eroberung von Krösos' Reich auch weite Gebiete im östlichen Iran unterworfen2) und rüstete sich jetzt zum Angriff auf Babylon. Wir wollen jedoch hier nicht dem Propheten im einzelnen folgen. Unsere Aufgabe ist nur, den Hkp. selbst zu charakterisieren. Und da muss hervorgehoben werden, dass er bei all seiner Begeisterung in seiner Arbeit nicht den Boden unter den Füssen verliert, sondern vielmehr P r a k tiker und ein Mann der Ü b e r l e g u n g ist. Und ihn will Duhm als einen naiven Phantasten auffassen, als ein liebenswürdiges Kind, das den Völkern lärmend und ohne Beweis von Jahwe berichtet! »Das Grosse und Echte an Dtj. ist der völlig naive Glaube« (Duhm 312 f.; vgl. Duhms populäre Schrift »Israels Propheten«2 1922 S. 293). Aber hiermit verhält es sich ganz anders. Die Behauptung des Hkp. beruht auf klarem Denken. Jahwe hat durch Israels Geschichte den Gang der Ereignisse vorausgesagt, und jetzt sagt er das Kommen des Kyros und die Befreiung von Jahwes Volk als einzigem voraus (41, 27b). Erfüllt sich dies, dann hat sich Israels Gott als der wahre Weltenherrscher erwiesen. Bei Duhm ist der Prophet ein Kind, das nichts durchdacht hat, und dessen Rede des ethischen Salzes entbehrt. Von diesem verzeichneten Bild des Hkp. wendet man sich mit Unwillen ab. »If the 'prophet of the exile' were indeed G. Westphal »Jahwes Wohnstätten«, Beiheft XV zu Z. A. W. 1908, 272. ' Kyros der Grosze, von Justin V. Präsek 1912 S. 20. 21. 1
182
the spineless and morally deficient sky-gazer which the prevailing critical view makes of him, he would deserve all the disparagement which has been put upon him« (Torrey 18). Ja, der Prophet der Heimkehr hat seinen Dichtergeist in der Gewalt. Das H o c h f l i e g e n d e und der enthusiastische Stil entspricht dem Grosszügigen in seiner Natur, die von Ergriffenheit durch Jahwe durchtränkt ist. Es fällt daher der Nachzeit oft schwer, den schlichteren konkreten Inhalt seiner Gedanken nachzuweisen, indem die Nähe der Welttheophanie den Sinn des Verfassers erfüllt. Selbst die Dimensionen der grossen Ereignisse schwinden ein vor dem Einzigdastehenden, dass Jahwe jetzt sichtbar werden wird. Hierin liegt ein johanneischer Zug. Aber wirklichkeitsfern ist damit der Verfasser doch keineswegs, er versteht es vielmehr, wieder in das Land der Wirklichkeit hinabzusteigen. In den Gottesknechtprophezeiungen mit ihren tiefen Zukunftsperspektiven und den unbestimmbaren Möglichkeiten für das geschichtliche Eintreten des visionär Geschauten ist dieser Grundzug in den Dienst des prophetischen Geistes gestellt, und auf diesen Höhen von Universalismus und Versöhnung verstehen wir, dass dem Propheten der Heimkehr der Platz des ersten aller Propheten und der Name des g r o s s e n E i n z i g d a s t e h e n d e n zukommt. Zum richtigen Verständnis des Hkp. muss aber noch sein r a s c h e r u n d b e w e g l i c h e r G e i s t genannt werden. Dieser zeigt sich schon in seiner literarischen Schreibweise, die von Stimmung zu Stimmung, von Stoff zu Stoff schweift. Wir finden bei ihm in hohem Grade ein breites Mitgefühl mit den Menschen und allen Geschöpfen. Seine Stellung zu den Völkerschaften ist voller edlen Verständnisses für ihre tiefsten Bedürfnisse. Israel allein ist »zu wenig« (das grosse naqel 49, 6), wie teuer es auch sein möge. Aus der friedlichen, jubelnden Freude des Lebens schöpft er viele seiner schönen Bilder: das strahlende Licht, Keimen und Wachstum, Bräutigam und Braut, die Fürsorge des Hirten, die Herrlichkeit der neuen Erde. Aber er erhebt sich schnell zu dem ihm eigentümlichen pompösen Pathos, wo Gott hervortritt: 40, 12 ff. 45, 22 ff. 54, 9. 10. (Jahwe schwört) 55, 8. 9. 57, 15. 63, 1 ff. 63, 15. 63, 19b. Sarkasmus und Ironie, ja kritischen Humor (S. 174) kann er gegen das Verkehrte anwenden. Soll Gottes Absolutheit ausgedrückt oder verteidigt werden, werden
183 seine Bilder wieder grandios: die Schöpferkraft, der Sturm, die Macht des Feuers, der Krieger, Jahwes Arm, u. dgl. Wir schauen in eine leidenschaftlich für Gott entbrannte Feuerseele. Mild, wie Jahwe, sein Herr, in seinem Innersten ist, und l e i d e n s c h a f t l i c h bewegt für seine Ehre. Dieses Rasche, Bewegliche, ja E l a s t i s c h e in der Natur des Hkp. muss schliesslich auch bei der reissenden Entwicklung der Ereignisse, mit denen es die Schrift Jesaja 40—66 zu tun hat, in Rechnung gezogen werden. Er bleibt auch in Jerusalem der selbe Dtj. und Hkp. wie bei all dem Vorausgehenden, erkennbar an der gleichen Echtheit seines prophetischen Geistes. Wir haben in § 7 gesehen, wie das Grundbewusstsein von Jahwes Plan und Ratschluss sich vereint mit einem lebhaften Wechsel in Jahwes Wirken. In der Zustimmung des Hkp. zu dem jüdischen Kultus liegt nichts Auffallendes. Für Dtj. in Kap. 40—55 gilt (vgl. § 2) jedenfalls nicht, dass ihm der Tempel nichts war, wenn er nur den Himmel hatte. Dies scheint Westphal in seiner schönen Schrift über »Jahwes Wohnstätten«1) zu meinen, wo er S. 202 mit Recht Dlj. »durch und durch Prophet« nennt, aber in seiner Hinzufügung S. 203, »von irgendwelchem Interesse an Jahwes Tempel ist bei Dtj. nichts zu spüren, der Tempel wird mit keiner Silbe erwähnt«, nicht recht hat. Dies geschieht doch in 44, 28 oder wenn man will in V. 26 (durch Umstellung): Jahwe, der zu Jerusalem sagt: Sei bewohnt! und zu dem Tempel: Werde gegründet! Vgl. zu dieser Stelle Buhl und Köhler. In dem Wirken des Dtj. und des ganzen Hkp. war »Prophet und Tempel« zu einem unbestrittenen und echt-religiösen Sowohl-Als auch geworden. Dass eine handgreifliche Realität in dem Gottesverhältnis für das Judentum unaufgebbar war, erkennt übrigens sowohl Duhm S. 436 als Smend im Lehrbuch 1 S. 363 an (Jahwe liebt seine hellige Stadt: 48, 2. 52, 1, Smend). Der merkwürdigste Zug in der Begabung dieses beweglichen Geistes ist, dass er seine Verkündigung an die relativen Verhältnisse, die für die jüdische Gemeinde mit der t e i l w e i s e n Erfüllung von Jahwes Kommen eintraten, anpassen konnte. Und dies hat der Hkp. durchgeführt, ohne die grosse eschatologische Verheissung (57, 14. 62, 10 ff.) aufzugeben, diese Verheissung, 1
Vgl. unser Zitat, oben S. 181.
184 die ihm die Kraft verliehen hat, der jüdische Verheissungsprophet par excellence zu sein und zu bleiben. Der herrliche Prophet, dessen Weg wir an Hand seiner Schrift genau verfolgen können — so dass sein Leben, Glaube und Wirken noch immer eine sprudelnde Quelle darstellt —, hat uns Nachfahren keinen Einblick in das gegönnt, was seine Glaubenstat dem eigenen Herzen gekostet hat; die Botschaft aber, die er unermüdlich den andern gebracht hat, trägt das volle Gepräge eigener Erfahrung, wenn es in 40, 31 heisst: Doch die auf Jahwe harren, gewinnen neue Kraft, ihnen wachsen Schwingen wie die Adler.
VORWORT
D
ie hier gebotene Studie entstand 1926, als ich mit Herrn Pastor L. Glahn die Probleme des sogenannten Tritojesaja nach den Gesichtspunkten durchsprach, zu denen ihn mein: Deuterojesaja (Jes. 40—55) stilkritisch untersucht, 1923, angeregt hatte. Der verehrte dänische Gelehrte hat dann 1929 sein sehr der Beachtung wertes Buch: Hjemkomst-Profeten, Enheden af Jesajabogens Kap. 40—66, Kebenhavn, veröffentlicht; und ich freue mich, dass ich nun, in Gemeinschaft mit ihm, diese Studie an die Öffentlichkeit bringen kann. Ich lege sie unverändert vor. Die Fortschritte auf dem hier beackerten Gebiete der Wiederherstellung des ursprünglichen Wortlautes in der ursprünglichen metrischen Form erfolgen so langsam, dass — um ein einziges Beispiel zu geben — Jes. 65, 20 von P. Volz, Jesaja II, 1932, S. 278 f. mühsam und mit unwahrscheinlichem Erfolg geheilt und noch 1933 von E. Sellin, Theologie des Alten Testaments, S. 130 als Werk eines »törichten Glossators« bezeichnet wird.
I. TEXT UND ÜBERSETZUNG. Namenzeiger. ie Kommentare und Einleitungen geben die genauen Titel, sodass es hier genügt, die Namen und das Jahr anzugeben. Zu 58,11 wird Secker, zu 61,3 Bickell allgemein genannt; aber nirgends war zu finden, wo die beiden ihre Konjektur veröffentlicht haben. Bickell ist der bekannte Wiener Orientalist (1838—1906), von Secker steht bei Nägelsbach, Jesaja, 1877, 680 »der Erzbischof Secker« ; er muss vor Lowth geschrieben haben.
D
Bredenkamp 1887. Budde (Kautzsch, 4. A.) 1922. Buhl 1912. Cappellus 1650. Cheyne 1884. Cramer (Z.A.W.) 1907. Dillmann 1890. Duhm 1914. Dussaud, les origines cananéennes du sacrifice israélite, 1921. Geiger 1857. Glahn (der Verfasser von Hjemkomst-Profeten; mündlich) 1926. Grätz 1892. Grotius 1644. Haller (Judentum 2. A.) 1925. Houbigant 1777. Kittel (Biblia Hebraica) 1906. Klostermann 1893. Krochmal 1875. Lagarde (Prophetae chaldaice) 1872. Lowth 1779—81.
190
Luzzatto 1856 f. Marti 1900. Oort (Theologisch Tijdschrift) 1891. Praetorius (Z.A.W.) 1913. Stade (Grammatik) 1879. Zillessen (Z.A.W.) 1906. Sonstige Zeichen: G Septuaginta. V Vulgata. S Peschitta. T Targum. MS, MSS hebräische Varianten in Kittels Apparat. Or orientalische Lesarten ebenda. [ bezeichnet Worte ausserhalb des Metrums. Anmerkung: Die im Folgenden gebotene Gliederung in Abschnitte ist nur eine vorläufige, für die Bearbeitung ausreichende, macht aber nicht den Anspruch die ursprüngliche wiederherzustellen.
56.1
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4
56,1—8 = 22 Zeilen: 1
Einleitung
1 X (2 + 2)
2 X (3 + 2) 1 X (3 + 3) 3 X (2 + 2) 1 Überleitung
1 1 1 1 1 2
X (3 + 3) X (2) X (2 + 2 + 2) X (3 + 3) X (2) X (3 + 3)
1 X (2) 1 X (3 + 3) 1 X (2 + 2) 1 X (3 + 2) 1 X (3 + 3) 1 X (4)
Zum Text von 56,1—8: 2 lies r m statt TP "IDtTI wegen des Metrums, Köhler. 3 punktiere n^JH, und streiche "lOX^ als Prosaisierung, Köhler. 4 streiche "It^S und TIK als Prosaisierungen, Köhler. 5 lies statt "6, Lowth (G). 6 dass Jahwe von sich in der dritten und dann in der ersten Person spricht, ist ein im Hebräischen nicht anstössiger Übergang. Streiche TIS als Prosaisierung und den Artikel von "DJ des Metrums wegen (dazu s. 60,10. 61,5. 62,8), Köhler. 56,1—8. 1) So sagt Jahwe: Wahret das Recht und übet Gerechtigkeit! Denn bald kommt mein Heil und zeigt sich meine Gerechtigkeit. 2) Heil dem Mann, der es tut, dem Menschen, der sich daran hält!
192
3)
4)
5)
6)
7)
8)
Der den Sabbat vor Entweihung bewahrt, und seine Hand vor bösem Tun. Nicht sage der Sohn der Fremde, der an Jahwe sich anschloss: »Jahwe schloss mich dauernd von seinem Volke aus«. Nicht sage der Verschnittne: »Sieh, ich bin ein dürrer Baum«. Denn so sagt Jahwe: Den Verschnittenen, die meine Sabbate halten, die erwählen, was mir gefällt, An meinen Bund sich halten — Ihnen geb ich in meinem Haus und Mauerring Denkmal und Namen, Besser als Söhne und Töchter; bleibenden Namen geb ich ihnen, Der nicht getilgt wird. Die Söhne der Fremde, die sich an Jahwe anschliessen, ihm zu dienen und Jahwes Namen zu lieben, Dass sie mir Knechte seien, alle, die den Sabbat vor Entweihung bewahren, Die an meinen Bund sich halten: Sie bring ich heim zu meinem heiligen Berg, erfreue sie in meinem Bethause. Ihre Brandopfer und ihre Schlachtopfer sind wohlgefällig auf meinem Altar. Denn mein Haus wird Bethaus heissen für alle die Völker, Ist der Ausspruch meines Herrn Jahwe, der die Verstreuten Israels sammelt. Noch sammle ich mehr zu ihm, zu seinen schon Gesammelten.
s6.» 56,io
|| -ly-a l r r n ^
I W k ^ r n x | -nfr l i r n hz 2+2+2
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193 II p n IJJT
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3+2
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3+2
Zum Text von 56,9—11: Klostermann, der 11 D^JOipni für das durch die Umgebung entstandene D*Q^Drn emendiert, hat den Zusammenschluss von 56,9 mit 10—11 und das Verständnis des Ganzen erschlossen. Auf den kurztaktigen Lockruf 2 + 2 + 2 folgen sechs Zeilen Beschreibung der misslichen Zustände. 56,10 •Jinn nach WT mit G. D^D vor DTI, Praetorius (Z.A.W. 1913, 89) des Metrums wegen. 56,11 Qljn Plttm aus D^Tin Dil Klostermann. Diin Haplographie für D^JH D^lh, Budde. in^pD fehlt in G. Anmerkung: »Stumme Hunde« kommen in der Natur nicht vor (Auskunft von Prof. Dr. E. Zschokke), sie sind also ein freies Bild des Propheten. 1 6
56,9—11 = 7 Zeilen: (2 + 2 + 2) X (3 + 2) X
56, 9—11. 9) Alles Wild der Flur! kommt zum Frass! alles Wild im Walde! 10) Seine Späher sind alle blind, unfähig zu merken, Sie alle sind stumme Hunde, können nicht anschlagen, Sie alle liegen träumend, lieben den Schlummer. 11) Aber die Löwen sind voll Gier, kennen kein Sattsein. Auch die Hirten sind schlecht, unfähig zu merken, Sie alle wenden sich ihren Weg, jeder nach seinem Gewinn. so. 12
|| - o t f n s b o j i | r
n n p « r n x 3+2
II i n d t p W u I n n o d t n f a ¡ r m 56,12 = 2 Zeilen: 2 X (3 + 2). 13
3+2
194 12) K o m m t ! Ich hole Wein. Lasst uns Rauschtrank trinken: Morgen soll's wieder so sein! Schön über Massen! 57, 1
II
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II p i ß II i n D J ^ n 57, 2
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2 3+2 3+2
5 7 , 1 — 2 = 4 x (3 + 2). Zum Text von 57, 1 — 2 : 1 setze vor plTiH des Metrums wegen mit G, S HJn ein, Köhler. Streiche (Dittographie von "pH) des Metrums wegen, Köhler. Betone itWKl wie N"lp Gen. 1 , 5 . Die Wortreihe " i r ü j . . . IJSD'^D bietet drei Anstösse: a) der Singular ijbn kommt nach dem Plural "iniO"1 zu spät, b) es gelingt nicht, ein einleuchtendes Metrum herauszulesen, denn teilt man hinter p>*TCin ab, so ist die erste Zeile zu kurz, und teilt man hinter ab, so ist sie zu lang, c) die neue sachliche Bestimmung irDJ kommt zu spät, die Wiederholung pVfitn ist sachlich überflüssig. Die Heilung dieser Anstösse ist einfach. Man streiche p"Hltn, setze lrDJ an seine (bessere) Stelle, rücke Dl^tP X l ^ ganz ans Ende und andre S W in 1K3\ Köhler. 57, 1—2. 1) Siehe, der Gerechte kommt um, es kümmert keinen. Die Frommen werden hingerafft, nicht einer achtet's. Durch Bosheit wird dahingerafft, wer geradeaus wandelt. 2) Sie schlummern auf dem Lager, kommen zum Frieden. 57,3 57,4
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57,3—13 = 24 X (3 + 2). Zum Text von 5 7 , 3 — 1 3 : Für r m m P]iOD lies ¡Wl riSXJD, Klostermann. In 6 hält man den Zweier . . . b y n meist für unecht, schon weil er metrisch auffällt. Aber das tut auch 7 b. Streiche dort 1"QT als Dittographie und setze den Zweier dahinter, so ist Alles in Ordnung: im Tal Speisopfer, auf dem Berg Schlachtopfer — soll Jahwe da seine Drohungen zurückziehen?, Köhler. 8 b ist nicht ganz sicher. Buhl wird mit Recht vermuten, dass aus Dittographie des Endes von entstand. TIND heisst dann »fern von mir«, und wenn die drei folgenden Verba 13*
196
^IDtifa zum Objekt haben, so heisst ^ y m nicht »besteigen«, denn man macht ein Bett nicht breit, nachdem man es schon bestiegen hat, sondern bedeutet die den Tag über zusammengerollten Decken und Tücher »auseinanderrollen« und ¡"6yn sie »hoch auf einander schichten«; je höher die Menge der Decken, desto besser das Lager, Köhler. 8 b ist DPID »von ihrer — offenbar der Buhlen — Seite« trivial, gewöhnlich liest man und übersetzt: »du kauftest dir solche von ihnen, deren Beis c h l a f . . . « , so Duhm. Dann bleibt aber das n unerklärt. Ich nehme Buchstabenvertauschung a n : DHD r o n statt "1DIYI DHD i r 6 , siehe Hos. 3,2. "Dm steht defektiv für i - ß m , und ich vermute, das es Haplographie von 1D "ßlYl ist, wobei 1 vor verloren ging. Graphisch ist das wohl möglich, sachlich erhält man so eine Parallele zu Hos. 3,2 »du erhandeltest von ihnen ein Kor und ein Letek [Gerste]«, Köhler, r w i T ist noch ungedeutet und metrisch kaum unterzubringen; eine Sachparallele findet man bei Goethe, Schriften über Kunst II: Danae. Das Plus von G in 9 ist von fraglicher Echtheit, denn G lässt dafür die ersten drei hebräischen Wörter aus. 10 was IVH bedeutet, weiss man nicht. 11 die fehlende Hebung ergänzt Budde durch "p, ich ziehe ein STD vor, Köhler. Punktiere D ^ D l , G. 12 Für •OK lies, da es Gegensatz ist, •OKI, Buhl. 13 steile T ^ t Tjpyn um ^jpjtta Köhler. i[i¥"Qp darf man nicht desshalb beseitigen, weil man es nicht sicher deuten kann.
3) 4)
5)
6)
57,3—13. Ihr aber, tretet herzu! Ihr Hexensöhne! Der treulosen Dirne Brut: was dünkt euch so lustig? Wem schneidet ihr Fratzen? weist ihr die Zunge? Seid ihr nicht des Frevels Kinder? die Brut der Lüge? Bei den Terebinthen seid ihr brünstig, unter jedem grünen Baum, Schlachtet Kinder in den Gründen, unter der Felsen Klippen. Die Kiesel des Talgrunds sind, was du erkiesest, sie, nur sie sind dein Losteil.
197
7)
8)
9)
10)
11)
12) 13)
Auch ihnen giessest du Gussspende, bringst du Gaben dar. Auf hohem, ragendem Berge schlägst du dein Bett auf. Auch dort oben schlachtest du Opfer. Soll es mir desshalb leid sein? Hinter Tür und Pfosten stellst du dein »Zeichen«. Ohne mich bereitest du und schichtest hoch, machst breit dein Bette. Kor und Letech erwirbst du von ihnen, du liebst ihr Bette. Zum »König« gehst du mit Oel, du geudest mit Salben. Deine Boten sendest du weithin bis tief in den Hades. Dein vieles Laufen macht dich müd, sagst doch nicht: Umsonst! Du findest, was Drum wirst du nicht schlaff. W e n scheust und fürchtest du? denn du bist voll Lüge. An mich aber denkest du nicht, hast meiner nicht acht. Bin ich nicht schweigend und verborgen? aber mich fürchtest du nicht! Ich aber will deine Gerechtigkeit kundtun und wie du es treibst. Nicht nützen noch helfen dir dann, ob du auch rufst, deine Sie alle trägt der Wind dahin, es nimmt sie ein Hauch. W e r aber meiner harret, der erbt das Land, ihm wird mein heiliger Berg zu eigen.
Anmerkungen: 8 »Zeichen« ist mit Absicht zweideutig. Zwei Worte: »du schaust die Hand«, ebenfalls zweideutig, lassen sich metrisch nicht unterbringen. »Kor und Letech« sind der Liebeslohn (Hosea 3, 2). 9 »König« ist wiederum zweideutig. 10 lässt sich noch nicht ganz verstehen. 13 ebenso wenig.
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4
II ERNSTE NÜ KTQ | rrin1 HDN 57.20
|| t>3~l G, Houbigant; für >6 lies xbl 60 MSS. 6 füge m n i t n x D i « im Anschluss an G ein. 7 statt D1S Nlbn lies D1S1 des Metrums wegen. Streiche ITQ als aufgefüllte Dittographie des Endes von >in geschriebenem N O n Glahn. 10 lies entsprechend pnte>n und mit 11 MSS "|Dp6 für "|tt>s:. Lies 11 f. für "pbrV Secker und " ¡ n D ^ l für "pnDUin Duhm, und setze "[DD 12 als "¡WD hinter D>D 11 Köhler ( V o m Alten Testament. Karl M a r t i . . . gewidmet, 1925, 177). 13 lies m t W Ö für m t W G. In " i n "IST ist das 2. "T falsch geschriebene Dittographie ( 1 statt 1 ) des 1. T und das 2. aus "T entstanden; lies IST »Geschwätz reden«, Köhler. 58, 1 — 14. 1) Rufe aus voller Kehle ohne Rückhalt! Erhebe deine Stimme gleich der T r o m p e t e ! T u meinem Volke ihren Frevel kund, dem Hause Jakobs ihre Sünden! 2 ) Mich suchen sie T a g um Tag, freuen sich, meine W e g e zu wissen, W i e ein Volk, das Gerechtigkeit übt, die Rechtsforderung seines Gottes nicht verlässt.
202
3)
4)
5)
6)
7)
8)
9)
10)
Sie erfragen meine gerechten Forderungen, freuen sich, Gott zu nahen. »Warum fasten wir, und du siehst es nicht, kasteien uns, und du merkst es nicht?« — Siehe, am Tag eures Fastens findet ihr, was euch beliebt. Ihr drückt alle eure Pfandnehmer. Siehe, ihr fastet für Händel und Streit, und um den Armen mit der Faust zu schlagen. Ihr fastet, wie ihr's jetzt haltet, nicht, um eure Stimme in der Höhe vernehmen zu lassen. Ist das ein Fasten, das ich erwähle, ein Tag, den der Mensch sich kasteit? Seinen Kopf ducken gleich der Binse, in Leidschurz und Asche sich betten: Nennst du das ein Fasten, einen Tag zum Wohlgefallen Jahwes? Ist nicht das ein Fasten, das ich erwähle — ist der Ausspruch meines Herrn Jahwe — Ungerechte Fesseln zu lösen, Bande des Joches zu öffnen, Gebrochene frei zu entlassen und dass ihr jedes Joch zerbrecht? Dem Hungernden dein Brot zu brechen, und dass du Arme, Heimlose heimbringst? Wenn du den Nackten siehst und ihn bekleidest, vor deinem Fleische dich nicht zurückziehst, Dann bricht dein Licht gleich Morgenrot hervor, Und rasch heilt deine Wunde zu. Dein Heil geht vor dir her, Jahwes Licht aber hinter dir. Dann rufst du, Jahwe aber antwortet. Du schreist, und er sagt: Hier bin ich! Wenn du das Joch aus deiner Mitte entfernst, den Schandfinger und den Unheilspruch, Wenn du dem Hungrigen dein Brot brichst und die gebeugte Seele sättigst:
203 Dann erstrahlt in der Finsternis dein Licht, und dein Dunkel ist wie der helle Mittag. 11) Jahwe geleitet dich immerdar, er sättigt deine Seele in dürrer Zeit. Er erneuert deine Kraft, du bist gleich dem Garten voll Wasser, Dein Leib wie ein Wasserquell, dessen Wasser nicht trügen. 12) Sie bauen uralte Trümmer neu, Grundmauern vieler Geschlechter richtest du auf. Man nennt dich den Schliesser der Breschen, der die Pfade wieder bewohnt macht. 13) W e n n du deinen Fuss am Sabbat feiern lässest, nicht handelst nach Belieben an meinem heiligen Tage, W e n n du den Sabbat eine W o n n e nennst, geehrt, was Jahve heilig ist, Ihn ehrst durch Rasten von deinen Wegen, nicht dein Belieben suchst noch eitles Reden — 14) Dann sollst du deine Lust haben an Jahwe, und ich lasse dich fahren auf den Höhen der Erde Und speise dich mit dem Erbteil deines Vaters Jakob. Denn Jahwes Mund hat es gesagt.
59.1
|| v ^ i h d
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II y i o t s t o l i w | r r a n 69.2
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205 5 9 , 1 — 2 0 = 40 Zeilen: 2 X (2 + 2)
16 X ( 3 + 3 )
3 X (3 + 3)
1 X (2 + 2)
I X (3)
1 X (2 X 3)
5 X (3 + 3 )
3 X (3 + 3 )
1 X ( 2 + 2)
1 X (2 + 2 + 2 )
1
5 X (3 + 3 )
Ausleitung
Zum T e x t v o n 5 9 , 1 — 2 1 : 2 streiche P H des Metrums wegen, Köhler. 3 punktiere
Luzzatto. 5 — 6 ist textlich und metrisch
glatt, aber sie muten f r e m d an (punktiere PniTPI? Cheyne), Köhler mit Vielen. 8 lies D l mit 1 M G V S , und streiche des Metrums wegen
Köhler. 9 streiche des Metrums wegen "DDD, w a s den
Sinn nicht ändert, Köhler. 10 t^tW in t¿*ti>D zu ändern, berechtigt uns die Kärglichkeit
unsres Sprachwissens kaum,
Der letzte Dreier ist bis auf DTlöD verderbt, — eine bare Verbesserung
steht uoch aus, Köhler.
12 Zum
n n : y s. Gen. 1,5 das vornbetonte K"ip, Köhler.
Köhler. annehmTon
von
13 für ptity lies
t^py, Marti. "DH und "HPI sind Varianten, lies W l ,
Duhm, und
versteh als » g e w i s s e n l o s « , Budde. erhält m a n durch Änderung
16 die fehlende Hebung
v o n tf^N in tfi^N = tiHJK, Köhler.
17 streiche ntiO^n, L o w t h mit G. 18 ist gründlich in Unordnung geraten.
Setze
VQ^sb
Köhler.
hinter
das
erste
19 die Änderung I N T l
und
streiche
übersieht völlig
den
triftigen E i n w a n d Dillmanns. Streiche beide T1X als Prosaisierung, Köhler. 21 ist prosaischer Zusatz. 59, 1—20. 1) Siehe, nicht zu kurz ist Jahwes A r m zur Hülfe, N o c h zu stumpf sein O h r zur Erhörung. 2 ) V i e l m e h r eure Verschuldungen trennen zwischen euch und eurem Gott, Und Eure Sünden verdecken euch sein Antlitz, dass er nicht hört. 3 ) Denn eure Hände sind mit Blut befleckt und eure Finger bedeckt mit Schuld. Eure L i p p e n reden T r u g , Eure Zunge flüstert Unheil.
206 4) Keiner klagt in Unbescholtenheit, keiner tritt mit Redlichkeit ins Recht: Pochen auf Nichtiges und Haltloses reden, Schwanger mit Mühsal und Geburt von Unheil. 5) Sie brüten Basiliskeneier aus, weben die Fäden der Giftspinne. Wer von den Eiern isset, stirbt, das zerdrückte spaltet sich zur Otter. 6) Ihre Fäden dienen nicht zum Kleid, mit ihren Werken kann man sich nicht decken. Ihre Werke sind Werke des Unheils, und Freveltat haftet an ihren Händen. 7) Ihre Füsse laufen zu Bösein, sie eilen, Blut zu vergiessen. Ihre Gedanken sind Gedanken des Unheils, Fall und Verfall ist auf ihren Strassen. 8) Sie kennen nicht den Weg des Friedens, Das Recht ist nicht in ihren Geleisen. Sie schaffen sich krumme Pfade, wer darauf tritt, erfährt nichts von Frieden. 9) Darum hält sich das Recht fern, die Gerechtigkeit erreicht sie nicht. Wir warten auf Licht, und siehe: Finsternis! auf Helle: wir wandeln im Dunkel. 10) Wie Blinde tasten wir die Wand ab, tasten wie Augenlose. Wir straucheln am Mittag wie in Dämmer, wie Gestorbene. 11) Wir alle grollen wie die Bären, und wie die Tauben gurren wir. Wir warten auf das Recht, und es ist nicht da, auf die Hülfe: sie bleibt uns fern. 12) Denn vor dir sind unsre Frevel zahlreich, unsre Sünden: das zeugt gegen uns. Denn unsre Frevel haften an uns, unsre Sünden: wir wissen sie. 13) Frevel und Trug gegen Jahwe, Fortlaufen von unserm Gott. Verbogene Rede und Auflehnung, Sinnen ohne Sinn und Lügenrede.
207 14) Da weicht das Recht von hinnen, und die Gerechtigkeit hält sich fern. Denn die Treue strauchelt auf offener Strasse, was redlich ist, kann nicht Eingang finden. 15) So wurde die Treue zur Vermissten, wer das Böse meidet, zum Geplünderten. J a h w e sah es, seinen Augen missfiel, dass kein Recht da war. 16) Er sah, dass keiner da war, staunte, dass keiner sich wehrte. Da half ihm sein Arm, seine Gerechtigkeit, die stützte ihn. 17) Gerechtigkeit legte er wie einen Panzer an und den Helm der Hülfe auf sein Haupt. Er legte die Kleider der Rache an, wie einen Mantel hüllte er Eifer um sich. 18) Für das Handeln seiner Feinde zahlt er seinen Gegnern Grimm heim. Den Inseln zahlt er ihr Handeln heim. 19) Im Westen fürchten sie den Namen Jahwes, im Sonnenaufgang seinen Lichtglanz. Denn er kommt wie ein Strom, der andringt, wenn der Wind J a h w e s auf ihn drückt. 20) F ü r Zion ist der Löser da, für die, welche ablassen vom Frevel, in J a k o b — Ist der Ausspruch J a h w e s . 6«. i
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46
Zeilen mit folgendem Aufbau:
2 X (2 + 2)
IX
(3)
7 X (3 + 3)
1 X (2 + 2 + 2)
2 X (2 + 2)
2 X (2 + 2)
2 X (3 + 3 )
6 X (3 + 3)
4 X (3 + 3)
1 X (2 + 2 )
1 X (2 + 2 )
1 X (2 + 2 + 2)
1 X(3)
2 X (3 + 3)
5 X (3 + 3)
5 X (3 + 3)
2 X (2 + 2)
1 X (2 + 2)
Zum Text von 6 0 , 1 — 2 2 : 7 lies mit 4 M S S G S V T bv "pnb für "pin b v und, des Sinnes wegen, IKSi statt "ISSN G. 9 f. für mp! lies Vij?i Luzzatto und für *b "O mit Buhl t^D »die Inselschiffe«. 11 für 0^113 lies D"0nU, Duhm. 12 ist prosaisches Füllsel, Duhm. 14 ebenso nnnt^PI, lies ^ J O D l , Duhm. 16 streiche des Metrums wegen mPI\ Köhler. 18 sprich des Metrums wegen für yöB^, ohne dass der Sinn sich ändert, Köhler. 19 a ist metrisch kaum zu fassen und sachlich entbehrlich; ich streiche es als Zusatz, Köhler. 20 streiche des Metrums wegen, Köhler. 21 lesen G V S T "»JKSÖ für lPtiD; das ist nicht iytSD, sondern, wie das Metrum fordert, "> yt5D = ¡TUT ytSD, Duhm. Für >T lies, im Anschluss an G, I T . 60, 1—22. 1) Mach dich auf! Werde Licht! Denn dein Licht kommt. Der Lichtglanz Jahwes erstrahlt über dir. 14
210 2) Denn siehe, die Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker. Aber über dir erstrahlt Jahwe, und sein Lichtglanz wird über dir sichtbar. 3) Die Völker wandeln nach deinem Lichte, die Könige beim Glanz, der dir strahlt. 4) Erheb in die Runde deine Augen und sieh: Sie sammeln sich alle, kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fernher, deine Töchter trägt die Hüfte der Pfleger. 5) Da hast du deine Schau und leuchtest, es bebt und pocht dein Herz. Denn gegen dich wendet sich ein brausendes Meer, ein Heer von Völkern kommt hin zu dir. 6) Eine Fülle von Kamelen deckt dich zu, das Jungvieh von Midjan und E p h a . Aus S a b a kommen sie alle, bringen Gold und Weihrauch. Sie verkünden den Lobpreis Jahwes. 7) Alle Schafe von Kedar sammeln sich für dich. Die Widder von Nebajoth stehen dir zu Dienst. Sie steigen zum Wohlgefallen auf meinen Altar, und meiner Herrlichkeit Haus wird verherrlicht. 8) Wer sind die, die wie eine Wolke fliegen und wie die Tauben zu ihren Fenstern? 9) Die Fahrzeuge der Inseln sind versammelt und die Tarsisschiffe voran, Deine Söhne von fernher heimzubringen, ihr Silber und Gold mit ihnen zugleich, Für den Namen Jahwes, deines Gottes, für den Heiligen Israels, weil er dich verherrlicht. 10) Die Söhne der Fremde bauen deine Mauern, ihre Könige stehen dir zu Diensten. Denn wie ich dir zürnte, schlug ich dich, und nach meinem Wohlgefallen erbarm ich mich deiner.
211
11) Deine Tore stehen allezeit offen, werden Tag und Nacht nicht geschlossen, Um ein Heer von Völkern zu dir zu bringen, und ihre Könige gehn an der Spitze. 13) Selbst des Libanons Glanz kommt zu dir hin: Zypresse und Ulme und die Edelfichte zumal, Um meine heilige Stätte zu verherrlichen, dass ich den Ort meiner Füsse zu Ehren bringe. 14) Gebückt treten vor dich hin die Söhne deiner Quäler und Peiniger. Sie rufen dir zu: »Du Stadt Jahwes! Du Zion des Heiligen Israels!« 15) Dafür dass du verlassen warst, gehasst, und keiner kam des Weges, Setze ich dich zu ewigem Stolze, zur Freude für Geschlecht um Geschlecht. 16) Du schlürfest die Milch von Völkern, saugest an der Brust von Königen. Du weisst, dass ich dein Helfer bin, dein Löser, der Starke Jakobs. 17) Statt des Erzes bring ich Gold. Statt des Eisens bring ich Silber, Statt des Holzes Erz und statt der Steine Eisen. Frieden mach ich zu deiner Leitung und Gerechtigkeit zu deiner Führung. 18) Man hört keine Gewalttat mehr in deinem Lande, Nicht Fall und Verfall in deinem Gebiete. Deine Mauern nennst du »Hülfe« und deine Tore »Lobpreisung«. 19) Jahwe ist für dich das Licht für immer und dein Gott deine Verherrlichung. 20) Deine Sonne geht nichtmehr unter, dein Mond erlischt nichtmehr.
212
Denn Jahwe ist für dich das Licht, und zu Ende sind deine Tage der Trauer. 21) Und dein Volk: sie alle sind gerecht, für ewig besitzen sie das Land, Als ein Spross der Pflanzung Jahwes, als Werk seiner Hand, zur Verherrlichung. 22) Der Kleine wird zu Tausend, der Geringe zu starkem Volk. Ich, J a h w e : zu seiner Zeit bring ich's schleunig. «.»
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61,1—6 = 13 Zeilen (7 a = 1 Zeile?): 4 X (3 + 3)
l + (2 + 2 + 2) 5 X (3 + 3) 2 X (4) 1 X (2 + 2)
Zum Text von 6 1 , 1 — 7 a : 1 streiche des Metrums wegen m i T nach Köhler mit G. Für DniDttb lies DiTÜD^, Cappellus. m p - n p s ist schrullige Schreibung für fTlpnpS. Das Verbum HpS
213 k o m m t 20 Mal vor: 18 Mal ist D ^ J das Objekt; Ps. 1 4 6 , 8 steht die Breviloquenz D m y PlpS für D m j ; " W npB; Jes. 4 2 , 2 0 D ^ W n p s ist (der einzige Fall von) Übertragung aufs Ohr. Diese Statistik giebt xvfpXoit; für D^TlDxb das grösste Gewicht, aber man darf nicht in retrovertieren, das graphisch allzu weit abliegt, sondern muss mit L. Cappellus lesen. Dieses bedeutet hier wie an den andern Stellen (Gen. 19,11 und 2. Kö. 6 , 1 8 ) die von Gott als Strafe für Sünde verhängte Blendung. 3 stösst sich mit "pi^ Letzteres wird Interpretament sein; auch ni"6 muss weichen, ohne dass ich seine Entstehung erklären kann. Mit Bickell ist ntayo b s x umzustellen. F ü r p l ^ n wird besser p T i gelesen; so fällt auch Buhls Bedenken gegen Cramer ( Z . A . W . 1907, 8 1 ) : »so wird auch pTS hier in dem einfachsten Sinne zu verstehen sein, nämlich eine Sache bezeichnen, so wie sie sein soll; hier etwa immergrüne . . . oder feste, echte Eichen«. 4 ziehe mit Duhm T W I von 5 hinter 1H1. 5 für l i n i lies U n \ Duhm. 6 für n ö T i n lies nach G TTTPim, Klostermann. 7 a ist — wenigstens für mich — unverständlich. F ü r ¡"1315*13, das unter der Vorwirkung dieses Wortes in 7 b entstanden sein wird, könnte man an n3t£>D von XJfc' (Nebenform rOtf) denken, das »Grösse, Ansehen« hiesse. Ändert man dann noch Dp^H in D?p^H und "DTt in und endlich HQ^Dl in so darf man diesen Doppeldreier m i t : »Statt eurer Schande wird Grösse und gemäss der S c h m a c h Frohlocken euer Anteil sein« übersetzen. Aber das ist nur ein Versuch. 6 1 , 1 — 7 a. 1) Der Geist meines Herrn ruht auf mir, denn J a h w e hat mich gesalbt, Hat mich gesandt, den Armen Frohes zu künden, die zerschlagenen Herzen zu verbinden, Den Gefangenen Freiheit auszurufen, den Geblendeten Auftun der Augen, 2 ) Auszurufen das J a h r des Wohlgefallens für J a h w e , den Tag der Rache für unsern Gott, 3) Zu trösten alle Trauernden, ihnen zu geben Putz statt Schmutz, Freudenöl statt Trauerhülle, Lobpreisung statt zagem Geist.
214 Man nennt sie immergrüne Baüme, Pflanzung Jahwes zur Verherrlichung. 4) Uralte Trümmer bauen sie auf, was die Frühern verwüstet, stellen sie her, Sie erneuern die Städte der Oede, was Geschlechter verwüstet, richten sie auf. 5) Ausländer weiden eure Schafe, Söhne der Fremde sind euch Ackrer und Winzer. 6) Ihr aber werdet Priester Jahwes genannt. Man sagt euch »Diener unsres Gottes«. Ihr esst der Völker Heer, hüllt euch in ihren Glanz. 61,7 a siehe »Zum Text«. «.7b-9.li
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61,7b—9.11 = 9 Zeilen: 2 X (4) 6 x (3 + 3) I X (2) Zum Text von 61,7b—9.11: 8 streiche m!"P wegen des Metrums. Die, welche es beibehalten, setzen es zur inhaltslosen Apposition von 1JK herunter, Köhler. Das Metrum empfiehlt die Streichung von übiy, dies wird sachlich dadurch unterstützt, dass es nicht auf die ewige Dauer, sondern zunächst auf die Errichtung des Bundes ankommt. D^W kommt als Apposition so oft vor, dass man begreift, wie es einem Abschreiber in die Feder fliesst, Köhler. 11 schliesst unmittelbar an 9 an.
215 61,7b—9.11. 7 b) Darum sollen sie in ihrem Lande das Doppelte besitzen, ewige Freude soll ihr Teil sein. 8) Denn ich liebe das Recht, ich hasse Raub mit Frevel. Getreulich geb ich ihnen ihren Lohn und schliesse einen Bund mit ihnen. 9) Ihr Nachwuchs soll bekannt werden unter den Völkern und ihre Sprösslinge inmitten der Nationen. Alle, die sie sehen, sollen sie erkennen, dass sie der Nachwuchs mit dem Segen Jahwes sind. 11) Denn wie die Erde, was auf ihr sprosst, hervorbringt, und wie der Garten seine Kräuter sprossen lässt, So lässt mein Herr Jahwe Gerechtigkeit und Lobpreis sprossen Angesichts aller Völker. 6i,io
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Zum Text von 61,10: lies des Metrums wegen T Q für *H33, Köhler, ipBJJ">. Bredenkamp. Lies "plDl für Duhm. 61,10.
10) Ich habe meine volle Freude an Jahwe, meine Seele frohlocke in meinem Gott. Er kleidet mich ins Kleid des Heils, hüllt den Mantel der Gerechtigkeit um mich, Wie der Bräutigam seinen Turban aufsetzt, wie die Braut mit Schmuck sich ziert. 62.1
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3+2 3
62,1—7 = 15 Zeilen: 6 X (3 + 3) 8 X (3 + 2) I X (3) Zum Text von 6 2 , 1 — 7 : 3 scheint mir das Metrum die Streichung von rntöy oder m x s n zu fordern. Ich streiche das letztere als das gewöhnlichere Wort, Köhler. 3 streiche das 2. "Hy, gewöhnlich streicht m a n mehr, Köhler. 4 FIDDti> sprich HDÖti', Oort. 5 sprich ¡p33, sonstige Änderungen sind nicht nötig, D u h m . Die Reihe der F ü n f e r m a c h t die Streichung von Tp^y nötig, Budde; sie ist aber a u c h sonst angezeigt, d e n n J a h w e freut sich nicht über das Land, sondern über den Aufbau. 7 streiche TIX als Prosaisierung, Köhler. 62,1—7. 1) Wegen Zions halt ich mich nicht still und wegen Jerusalems mag ich nicht rasten, Bis sein Heil h e r v o r k o m m t wie heller Schein und seine Hülfe wie die Fackel brennt. 2) Die Völker sehen dein Heil u n d alle Könige deinen Lichtglanz; Man ruft dir einen neuen Namen, den J a h w e s Mund bestimmt.
217
3) Du bist eine Krone in der Hand Jahwes, ein Königsdiadem in der Hand deines Gottes. 4) Man nennt dich nichtraehr »Verlassene«, dein Land nennt man nicht »Verheerte«. Denn dir ruft man »Meine Freude an ihr«, deinem Land: »Die Gefreite«. Denn Jahwes Freude liegt auf dir, dein Land wird gefreit. 5) Denn der Jüngling freit die Jungfrau, dich freien deine Erbauer, Und mit der Freude des Bräutigams an der Braut freut sich dein Gott. 6) Auf deine Mauern, Jerusalem, setze ich Wächter, Den ganzen Tag und die ganze Nacht sind sie niemals still. Die ihr Jahwes Namen ausruft, für euch giebt es keine Ruhe, 7) Und lasset ihm keine Ruhe, bis er hinstellt und einsetzt Jerusalem zum Lobpreis auf Erden!
62.8
|| ify y h n i | w o ^ n m r v j n t f j 3+2 II t p ^ II i n
62.9
W n d I "riy t j i n | ijahTn
3+2
y n i n t ^ - o s i 3+2
11 n i n ^ n s i ^ m |
2
vddkd O
+2
II ^¿Hp n i i a r a | i n n t i " v s a p o i 2+2 62.10
I o ^ n Tj-ri UD I D - n y t f i r t a y n n y 3+2 II
i ^ p D | n ^ o o n 1^6 I^D 3+2 II w a y r r b y Di l o n n
62, n
||
3
n a p - ^ K I s r o t f n n i r r n i n 3+2 II
nn^ t i o n 3
II i n s r b t * n i n | « n r \ y w n i n 3+3 II todS» iri^yDi 2
218 62,i2
|| rrrp ^ n j | B h p r r c s ; nr\b II n n w ah
Ty Inehm « V
3+2 ^
3+2
62,8—12 = 14 Zeilen: (3 + 2) (2 + 2) (3 + 2) (3) 2 X (3 + 2) + (3) 1 X (3 + 2) I X (3)
3X 2 X 2 X IX
1 X (3 + 3)
I X (2) 2 X (3 + 2) Zum Text von 6 2 , 8 — 1 2 : 8 streiche nK und "UTK als Prosaisierung, Köhler. 62,8—12. 8) Jahwe schwört bei seiner Rechten und bei seinem starken Arme: »Dein Korn geb ich nichtmehr deinen Feinden zur Speise. »Die Söhne der Fremde trinken deinen Wein nichtmehr, um den du dich gemüht hast. 9) »Die es lesen, sollen es essen und Jahwe lobpreisen. »Die ihn ernten, sollen ihn trinken in meinen heiligen Höfen.« 10) Zieht aus, zieht aus durch die Tore, rüstet den Weg meines Volkes! Bahnet, bahnet die Strasse! schafft die Steine hinweg! Hisset das Zeichen über den Völkern; 11) Siehe Jahwe lasset hören bis ans Ende der Erde: »Saget der Tochter Zions: »Siehe, deine Hülfe ist da, siehe sein Lohn kommt mit ihm Und seine Erstattung vor ihm her.«
219
12) Man ruft ihnen zu: »Du Volk des Heiligtums«, »Ihr Erlösten Jahwes«. Und dir ruft man zu: »Du Aufgesuchte«, »Du Stadt, die nicht verlassen blieb«.« || n s n o o H n \ n o n I d h k d « n n n n o
3
+3
II irin rta nya l iBhn^n ihn rfr 3+3 II ir&nnb nS m | npnsn ihn y« 3+3 «3.2 63.3
11 n h
^inD
|| ^ritf
|^ n n ^ c ö j j d 11 hih
a n s j r r i o 3+3
TO-n
r r r © 3+3
II TIDI-Q ü d d i k i | ^BNS a i n w i II t & n j ^ i n ^ D - ^ i i | 63.4
|| n x n
63.5
|| ^ ¿ I D
3
+3
yahrn
3
+3
|| ^ n o n n a n n & N i I ' ¿ « n ••«¿y D i n s i 3+3 II a r i s j
11 1
3+3
D D i n t i W | n f y pNi fcrnxi 3+3
II ytD3DD t o n ^npnsii I ^yit ^ 63.6
onsu n
r w i | r n b Dp or o
5+3
3
63, 1—6 = 12 Zeilen: (3 X 3) X (3)
X
Zum Text von 63,1—6: 1 lies K3n ~T für ¡TT, Duhm, m » 0 für o n x ö , Lagarde, und - ß t l p für r m 3 0 , Lagarde. Für nVÜ lies "WS, Lowth (V). In der dritten Zeile ist np"IS3 W Ö auffällig. Man würde 3 streichen, aber wie ist es entstanden? Eher lässt sich begreifen, dass 1111"! zu 131D verderbte; darum lies - m n , (Cheyne) Duhm. Da abgesehen von der Schlusszeile alle andern 3 + 3 sind, möchte man dieses Metrum auch hier finden und fügt nach ein H3 und vor ein ein, Duhm. 3 punktiere DDIIXl und so weiterhin, Klostermann. TfciGX ist Produkt der synagogalen Umdeutung des geschilderten Geschehnisses in die Zukunft; lies VI^iO, Klostermann. 4 zu "6"liO lUK* s. Z.A.W. 1921, 316. 5 für Tlbm, das in 6 wieder auftritt, liest man gern mit ca. 30 MSS 6 für DIDtMO lies mit vielen MSS D - n t M a
220
63,1—6. 1) Wer ist der, der gerötet einherkommt, röter das Kleid als ein Winzers? Der, prangend in seinem Gewände, schreitend in voller Kraft? — Ich bin es, prangend in Gerechtigkeit, ich, voller Kraft zu helfen. — 2) W a r u m ist dein Gewand so gerötet? und deine Kleider wie die des Kelterers? — 3) Eine Kelter trat ich ganz allein und von den Völkern war keiner bei mir. Und ich trat sie in meinem Zorne, zertrat sie in meinem Grimm. Ihr Saft spritzte auf meine Kleider, mein Gewand ward ganz befleckt. 4) Denn der Rachetag war in meinem Sinn, das Jahr meiner Blutrache war da. 5) Ich blickte umher, da war kein Helfer, ich war erstaunt, da war keine Stütze. Da half mir meine Arm, meine Gerechtigkeit, die stützte mich. 6) Ich zerstampfte die Völker in meinem Zorne, ich zerbrach sie in meinem Grimm. Ich Hess ihren Saft zur Erde rinnen. 63.7
|| rriir r n t e n I - r o w rrirp h d h II mtä m II n o n
63.8 63.9
rrirp | u t e j "i&te ra
b y s 3+2
| •PÖIVD l j t e j
|| "riptih ith Qiin I n o n I o r n r W n |:
3+2
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II n y ^ i n y o d I ^ « t e i
3+2
3+2
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2+2
II D^KJ t o n I I n t e r i m l n a n N i 2+2 II D^ip es.«
l
a t e ^ i 2+2
n w n p n i r n f i | l ä s s n r i ö n o r n 3+2 II o r r a n ^ w r n I mini? o r f r Tjerm 3+2
221 63,ii
|| ios? II
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3
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II i B h p m V n « I i n i p n Dfefn ¡ t n 3+2 n i m N D n jrrii I n & o p o ^ H ^ Ö 3+2 II D ^ b 63,13
|| ^ ¿ r p ^
es."
nifpyi» | DrMDD D^Ö y p n 3+2
- d i o n l d i m n i o i n n n dj>!?iö 3+2
|| o r o n n i n 1 r r n I ~rin n y p z n n o m m
3+2
II m « D n
3+3
63,7—14 = 18 Zeilen: 5 X (3 + 2) 2 X (3 + 2) 3 X (2 + 2) I X (3)
r w y h Ii o y njru p
6
X
1 X
(3 + 2) (3 + 3)
Zum Text von 63,7—14: 7 ^ m t e " W l b fällt aus dem Zusammenhang und ist metrisch überschüssig; ein Interpretament, Budde. Statt n i lies 21, G und V. Das Interpretament wird die Korrektur von "D^DJ zu verursacht haben, G. 9 punktiere ^ t t l "TS, G. 10 für Xin lies mit 50 MSS Kim. 11 die Worte "ID-V nti>D fehlen in G; S liest statt ihrer n i ! ) HtTD, wie auch einige MSS tun. Der Vorschlag, 1DV zu halten und Ht^D zu streichen, ist nur ein Versuch, Köhler. Für D^DPI lies nbyDn, G. 12 streiche D^IV als metrisch überschüssig, Köhler. 13 Lies, um es metrisch einfügen zu können, für das 1 gehört zu n o n n s , Köhler. 14 für UrTOn lies Dnjn (G), Klostermann. 63, 7—14 7) Die Gnadentaten Jahwes will ich nennen, die Lobpreisungen Jahwes. Denn nach allem, was er an uns getan, ist Jahwe reich an Gutem, Der nach seinem Erbarmen an uns getan hat, und nach dem Reichtum seiner Gnaden. 8) Er sagte: »Fürwahr, sie sind mein eigen Volk, Söhne, die nicht trügen werden«. 9) Er wurde ihnen zum Helfer in all ihrer Not.
222
10)
11)
12)
13) 14)
ß
Nicht ein Bote oder Engel, sein eigen Antlitz half ihnen. In seinem Erbarmen und seinem Mitleid hat er selber sie erlöst. Er hob sie auf und trug sie dahin alle Tage der Vorzeit. Sie aber widerstrebten und kränkten seinen heiligen Geist. Da wandelte er sich zu ihrem Feind, er selber kämpfte wider sie. Da gedachte sein Volk der vormaligen Tage. W o ist der, der aus dem Wasser heraufholte den Hirten seiner Schafe? W o ist der, der in sein Inneres seinen heiligen Geist gab? Der, welcher Mose zur Rechten seinen herrlichen Arm gehen liess? Der vor ihnen die Wasser zerteilte, um sich einen Namen zu machen? Der in den Meerestiefen sie gehen liess wie das Pferd, das in der Steppe nicht strauchelt? Und wie das Vieh, das in den Talgrund hinabsteigt, Weil Jahwes Geist sie leitet? — So hast du dein Volk geleitet, um dir einen herrlichen Namen zu machen.
3.i5
l l i m K D D l i t ! H p ^¿JD | n « 7 l D W D tODH 3+a II - p o m i - p y o p o n I i n n a j i " j n x j p ¡TN 3+3
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63.17
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63,iga || d h ^ J J
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| Ü2 n ^ D
xh
D ^ V D I ^ P I 4+3
223 6 3 , 1 5 - 1 9 a = 9 Zeilen: 2 X
(3 +
3)
1 X (2 + 2) 4 X (3 + 3) 2 X (4 + 3)
Zum Text von 63,15—19a: 15 punktiere "]rVTQ:) nach G. Für i p s x n n "OK lies p s x m NJ^X, Oort, so liegt es graphisch am nächsten (.. rP^X aus XJ^X, XI"I aus X m ) . 16 punktiert man 13JTP, so wird man, wie Klostermann zeigt, VTiSH lesen müssen. TT: T ' " Die Unform UTQl versteht Klostermann mit Recht, als forma mixta, die beide Möglichkeiten offen lässt. 17 streiche Hin 1 wegen des Metrums, Budde, und setze "pD^I vor ein, Budde. 18 In "IJftiD? vermutete schon Bredenkamp ein HD^ und Marti las dann DJ? It2hl -|JNtD!? als D W " 1 HD^. 19 den Personenwechsel von "li^PI zu M und DI"Pr6i> kann das Deutsche nicht wiedergeben. 63, 15—19a. 15) Blick hernieder vom Himmel und sieh, von deinem heiligen, herrlichen Wohnsitz I W o ist dein Eifern und deine Stärke? die Regung deines Gefühls und dein Erbarmen? 16) Halt dich doch nicht zurück! denn du bist ja unser Vater! Denn Abraham weiss nichts von uns und Israel kennt uns nicht. Du aber, Jahwe, bist unser Vater, »Unser Löser« ist von jeher dein Name. 17) W a r u m lässest du uns von unsern Wegen abgehen? Verstockst unser Herz, dass wir dich nicht fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme deines Erbteiles willen. 18) Warum dürfen Gottlose dein Heiligtum geringachten, dass unsre Gegner deine heilige Stätte mit Füssen treten? 19) Wir sind, als hättest du von jeher nicht über uns gewaltet, wäre dein Name nicht über uns genannt worden.
224 63,i9b
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II r r r i r f c i r n u n o n D i | tfN n s i i ^ 64,n
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|| - i N D " i y u i y n i n f r n n | r r b p s x n n r 6 * H > y n 3+3
Zum Text von 6 3 , 1 9 b — 6 4 , 1 1 : 64,1 aus Zillessen (Z.A.W. 1906, 272f.) ersieht man nur, dass die Wortfolge B > 8 . . . m p 3 unverständlich ist. 2 b ist als Wiederholung aus 1 zu streichen. 3 für WOB* lies "I^Dt^, G. Für W X H lies «JT« Hinan, Duhm (1. Kor. 2,9). Der Zweier: "jn^Tt D 1 !"!^, lässt einen zweiten (2 + 2) oder noch zwei (2 + 2 + 2) Zweier wünschen. Bei dem ohnehin anfechtbaren Text erreicht man dieses Ziel am einfachsten durch Lesung von TOnpb VW'}, für nDHD^ nfcT, Köhler, wodurch ^ als
225 für das Folgenden freiwird, Grätz. 4 1 fcPtmX fehlt in G und ist zu streichen, »ein vom Schreiber unkorrigierter Fehler«, Marti. Für ntPj; lies G, für "p-DP "pD-TQ lies n D f "["OTT!, G Oort. Das ~ des letzten Wortes gehört als "O zum Folgenden, Köhler. Für q H ' DTO lies Cheyne, und für J ^ U l lies Budde. 5 punktiere Buhl. Wegen des »incorrect geschriebenen Singulars« (Stade, Grammatik, 1879, § 337 d, Anmerkung) U W punktiere ÜNtP'», Buhl. 6 für lJaiDn lies l l J i ö n , Grotius. 8 lies nnyi für "]P1, Duhm mit G, und füge 1D vor "¡OV ein, Duhm mit G. 9 streiche Pillen des Metrums wegen und lies nach G rbb? für das abgeschwächte nDDt£>, Duhm. 10 r®")ti6 ist wohl auf dem e zu betonen, vgl. Gen. 1,5 vornbetontes N^p, Köhler. Streiche wegen des Metrums und lies mit 21 MSS den Singular i n o n D . 63,19b—64,11 = 22 Zeilen (davon die 2. zerstört): 1 X (3 + 3) 1X ? 2 X (3 + 3) 3 X (2 + 2)
5 X (3 + 3) 2 X (2 + 2) 1 X(3)
1 X (3 + 3) 3 X (2 + 2) 3 X (3 + 3)
63,19 b—64,11. 19b) O, dass du den Himmel zerrissest, herabführest! dass vor deinem Antlitz die Berge erbebten I 64,1) Deinen Namen deinen Gegnern kundzutun, dass die Völker vor dir erzitterten! 2.3) Weil du Schreckliches tust, das wir nicht erwarten und von jeher nie gehört haben. Kein Ohr hat es gehört, kein Auge hat es gesehen: Einen Gott ausser dir, Hülfe für die auf ihn harren. 4) O, träfest du solche, die Recht tun und deiner Wege gedenken! Denn siehe, du bist voll Zorn, und wir sündigten treulos und frevelten. 15
226 5) Wir alle waren wie ein Unreiner, all unser rechtes Tun wie ein besudeltes Kleid. Wir alle welkten dahin wie das Laub, unsre Schuld trägt uns dahin wie der Wind. 6) Da war keiner, der deinen Namen anrief, sich regte, um an dir sich zu halten. Denn du verbargst dein Angesicht vor uns, gabst uns dahin in die Hand unsrer Schuld. 7) Und n u n ; Jahwe! Du bist unser Vater! Wir sind der Thon, du unser Töpfer, Wir alle das Werk deiner Hand. 8) Zürne nicht über Mass, Jahwe, gedenke nicht für immer unsrer Schuld! Und n u n ; blick doch her! denn wir alle sind dein Volk. 9) Deine heiligen Städte wurden zur Steppe. Eine Steppe ist Zion, ein Fluch Jerusalem. 10) Unser heiliges, herrliches Haus, wo unsre Väter dich lobpriesen, Es ward zum Feuerbrand, unser Kleinod zur Oede. 11) Wirst du dabei an dich halten, J a h w e ? Schweigen und uns ducken über Mass? «5.1
|| y f r p a II w
65,2
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3
3+3
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II D n n r r ^ y n n t a p D i | n i m «5,4
3+3
DTOT 2+2
I feñ i o^tñTn TI&II 2+2 II npyt h p ">Da hp I i i y nn x h 3+3 1 1 65.20 li rtamN ìpn I cta h y -n'y neto ron xb 3+3 II NÓinm I nta^ n Ñ t r p nyin o 3+2 65.21 il -fotfi ûtans íyton | íñttn o^ro lini 3+3 65.22 il ^ < 1 nnxi w I ^ -iriNi í ó 3+3 1 II tay ta yyn ^ < II VÍTQ OÍTT n f e w 4 2+2 65.23 il n^nn^ n h « h I pñ^ lyj 1 II c ñ « dítnsksi I non ¡-rí¡T ^ - q yni ^ 3+3 65.24 i niy« uní i w i p 1 o-itá mm 2+2 II yót^x y ni I Dnmo orí Tiy 2+2
230
II i n * o
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[mm 65,8—25
nw
2+2 » 2+2
iüw
= 45 Zeilen:
1 Einleitung
2 X (2 + 2)
2 X (3 X 3 )
2 X (2 + 2 )
2 X (2 + 3 )
2 X (4)
4 X (3 + 3)
1 X (3 + 2)
1 X ( 2 + 2)
IX
1 X (2 + 2 + 2 )
1 X (3 + 3)
5 X (3 + 3)
2 X (3 + 3 )
3 X (2 + 2 )
1 Überleitung
1 X (2 + 2 + 2)
I X (3)
(3)
4 X (3 + 2 )
1 X (2 + 2 )
1 X (2 + 2)
1 X ( 2 + 2)
2 X (3 + 3)
1 Ausleitung
IX
1 X (3 + 2)
(3)
Zum Text von 65,8—25:
8 statt lPirmti>n lies die
kürzere
und darum metrisch bessere F o r m nnt^Fl, Köhler. 9 für mti>Tl lies nach G lt2>T>l und dann als Objekt dazu "HW nach "HTQ, in dem es untergegangen ist, Marti u. A. 15 streiche "0"TN "[JVOiTI m n i als Glosse, aber w i e kam
sie hierher? Marti.
für N-Jpi "iHnyh, G. 16 für "¡ÜX lies beide 32,20), Klostermann. F ü r -|B>X lies
Lies
Male ^DK ( D t .
18 für ^"Ol l t ^ t ? lies
Duhm.
bv, das bv ist hinter "IJJ übersehen
Grätz. 20 und 16 streiche "Iti^N und
worden,
in 18 als Prosaisierung,
Köhler. Streiche ¡"Dt£> v o r niDi als unnötiges und metrisch störendes Interpretament, Köhler, und rOti* H S D ' p v o r bbpi als Glosse, die falsch ist, Duhm. W e d e r Klostermann, noch
Duhm,
Marti,
Budde, noch Haller haben Xt3in verstanden, nur D u h m ahnt das Richtige: b e i
B uhl
steht
seit
langem
zu
l e s e n , dass das
W o r t nicht den » S ü n d e r « bezeichnet, sondern den, der die volle Lebensdauer »verfehlt, nicht erreicht«. 21 streiche des Metrums wegen
D n s , Köhler. 23 das Metrum
empfiehlt TJ11S für O V O
zu lesen, Köhler. 25 l D r 6 . . , t^nil ist theologische Glosse, D u h m . 65, 8—25. 8 ) So sagt J a h w e : W i e m a n den W e i n in der T r a u b e
findet
231 Und sagt: »Verdirb's nicht! denn es ist ein Segen darin« — — So tu ich um meiner Knechte willen, dass ich nicht das Ganze verderbe. 9 ) Aus Jakob lass ich Nachwuchs erstehen, aus Juda den Besitzer meiner Berge. Meine Erwählten sollen meine Stadt besitzen, und meine Knechte dort wohnen. 10) Saron soll zur Aue für Schafe werden, das Achortal Rindern zum Lagerplatz Für mein Volk, das mich sucht. 11) Ihr aber, die ihr Jahwe verlasst, die ihr meinen heiligen Berg vergesst, Die dem » G l ü c k « den Tisch zurüsten, die dem »Schicksal« den Mischtrank einfüllen: 12) Ich mache das Schwert euch zum Schicksal, ihr alle sollt zur Schlachtung euch bücken, Dafür dass ich rief und ihr gabt nicht Bescheid, ich redete, und ihr habt nicht gehört. Ihr tatet, was bös ist in meinen Augen, ihr erwähltet, was mir nicht gefällt. 13) Darum sagt so mein Herr Jahwe: Siehe, meine Knechte essen, aber ihr müsst hungern. Siehe, meine Knechte trinken, aber ihr müsst dürsten. Siehe, meine Knechte sind fröhlich, aber ihr seid beschämt. 14) Siehe, meine Knechte frohlocken, weil sie wohlgemut sind, Ihr aber müsst schreien, weil euch weh zu Mut ist. Ihr heult, weil euer Sinn zerbrochen. 15) Ihr müsst euren Namen meinen Erwählten als Fluchwort hinterlassen, Aber meinen Knechten wird ein andrer Name zugerufen. 16) W e r sich im Lande Segen wünscht, wünscht sich Segen beim treuen Gott,
232
17)
18)
19)
20)
21) 22)
23)
24)
25)
Und wer im Lande schwört, schwört beim treuen Gott. Denn die frühern Nöte sind vergessen und vor meinen Augen verborgen. Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Der frühern soll man nichtmehr gedenken, sie sollen nichtmehr in den Sinn kommen. Sondern sie sollen sich freuen und jauchzen für immer über das, was ich geschaffen, Denn siehe, ich schaffe Jerusalem zum Jauchzen, sein Volk zur Freude. Ich jauchze über Jerusalem, freue mich über mein Volk, Und nichtmehr hört man in ihm Den Ton des Weinens und des Geschreis. Nichtmehr geht von dort ein Säugling weniger Tage aus, noch ein Greis, der nicht seine Tage voll gelebt. Denn der junge Mann stirbt mit hundert, wer's nicht erreicht, gilt als verflucht. Sie bauen Häuser und wohnen darin, sie pflanzen Wein und geniessen ihn. Nicht bauen sie, und ein andrer wohnt darin, nicht pflanzen sie, und ein andrer geniesst. Denn gleich den Tagen des Baumes sind meines Volkes Tage, Und was ihre Hände erstellen, das nützen meine Erwählten ab. Sie mühen sich nicht umsonst, sie gebären nicht für den Schrecken. Denn sie sind Nachwuchs, von Jahwe gesegnet, und ihre Sprösslinge leben mit ihnen. J a , noch ehe sie rufen, geb ich schon Bescheid, Sie sind noch am Reden, da erhöre ich schon. Der Wolf und das Lamm weiden wie eins,
233 Und der Löwe nährt sich vom Stroh wie das Rind. Sie schädigen nicht und verderben nicht auf meinem ganzen heiligen Berge — Sagt Jahwe. s«. •
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66,1—4 = 13 Zeilen: 1 Einleitung 2 X (2 + 2) 1 X (3 + 3)
1 Überleitung 1 X (2 + 2 + 2) 1 X (3 + 3)
2 X (2 + 2) 4 X (3 + 3)
Zum Text von 66,1—4: 1 streiche des Metrums wegen, Köhler. 2 für r r m lies V>PI mit G, Lowth. bv T i n hiesse »zittern wegen« vom Sünder, lies darum b* ~nn »zittern entgegen« vom Willigen, so Or bei Kittel. 3 vor DT füge T|D1J ein, Marti. 66,1—4. So sagt Jahwe: 1) Mein Tron ist der Himmel, mein Fussschemel die Erde.
234 Wo ist ein Haus, das ihr mir bauen solltet? und wo eine Stätte, da ich weilen müsste? 2) All das hat meine eigne Hand gemacht und mir ist all das zu eigen — Ist der Ausspruch Jahwes. Aber auf den blick ich hin: auf den Demütigen, den zerschlagenen Geist, und auf den, der auf mein Wort besorgt ist. 3) Wer den Stier schlachtet, ein Menschentöter, wer das Schaf opfert, ein Hundewürger, Darbringer von Speisopfer, Spender von Schweineblut, Weihrauchräuchrer, Unheilsegner: Wie sie ihre eignen Wege erwählen und sie an ihren Greueln Freude haben, 4) So erwähle ich, was sie verhöhnen, und bringe über sie, was sie grausen macht, Dafür dass ich rief und keiner gab Bescheid, ich redete, und sie haben nicht gehört. Sie taten, was bös war in meinen Augen, sie erwählten, was mich nicht freute. 66.5
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66,5—11 = 18 Zeilen: 1 X (3 + 2) 1 X (3 + 3) 1 X (2 + 2) 1 X(2)
2X IX 1 X 4 X
(3 + 2) (3) (3 + 2) (2 + 2)
2 X (3 + 2) 1 X (2 + 2 + 2) 1 X (3 + 3) 2 X (3 + 2)
Zum Text von 66,5—11: 5 punktiere nach G
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ist hier maskulinisch konstruiert, weil es, wie das deutsche Land es auch kann, den Sinn von Volk hat. Aber nicht, ob ein V o l k an einem einzigen Tage geboren werden kann, ist die Frage, sondern, ob das mit einem g a n z e n Volk möglich sei. Lies daher y i i T ^ S , das hinter durch Haplographie verschwand, Köhler. 8 sprich jiwwaläd. 10 streiche nach G HS und lies TIDtS>, Duhm. 66, 5—11. 5 ) Höret das W o r t Jahwes, die ihr besorgt -seid um sein W o r t . Eure Brüder, die euch hassen und euch hetzen um meines Namens willen, die sagen: »Jahwe komme zu Ehren, w i r wollen gern eure Freude sehen!« — Aber sie selber sollen zu Schanden kommen. 6 ) Horch das Getöse aus der Stadt, horch, aus dem T e m p e l ! Horch, Jahwe zahlt seinen Feinden Vergeltung heim! — 7 ) »Sie gebiert, ehe sie W e h e n spürt, Ehe Schmerz an sie kommt, hat sie den Sohn zur W e l t gebracht.«
—
236 8) Wer hat solches gehört? wer Ähnliches gesehen? Wird ein ganzes Land an Einem Tag durch die Wehen gebracht? Wird ein Volk geboren mit Einem Schlage? Denn es hat Wehen, ja, es gebiert Zion ihre Söhne. 9) Sollte ich durchbrechen und dann nicht gebären lassen? sagt Jahwe. Sollte ich gebären lassen und dann zurückhalten? sagt dein Gott. 10) Freu dich, Jerusalem! jauchzet in ihr, alle, die sie lieben! Frohlocket froh mit ihr, alle, die um sie in Trauer waren! 11) Auf dass ihr sauget und satt werdet an der Brust ihrer Tröstungen, Auf dass ihr schlürfet und euch labt an der Brust ihres Glanzes. [¡TIPP "IDN nn "Ü II m ^
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Einleitung X (3 + 2) X (2 + 2) X (3 + 2) X (3 + 3)
1X IX 1X 1X 2 X
(3 + (3) (3 + (2 + (3 +
2) 2) 2 + 2) 3)
l x (3) 1 x (3 + ?) 2 X (3 + 2 ) 1 Ausleitung
Zum Text von 6 6 , 1 2 — 1 7 : 12 für OHp^l lies mit G r a nmdia avrcüv unter Anpassung an ¡ t 6 n nnpOlt und demgemäss NtMn und Vtttytrn, Duhm. 13 streiche -|tt>N und 14 T I S als (verdeutlichende) Prosaisierung, Köhler. Lies 1DVVI für D1>T\ Duhm. 15 lies mit 2 MSS und G tMO für tTlO, Klostermann. 17 DJTtWD OiTratt>nDl in 18 gehört vor H n \ Duhm. Die Worte ^ T Q i n « HIN sind unverständlich. 66, 12—17. 12) Denn so sagt J a h w e : Siehe, ich wende dir zu den Frieden wie einen Strom Und wie einen flutenden Bach den Glanz der Völker. Ihre Sprossen werden auf der Hüfte getragen und auf den Knieen geschauckelt. 13) Wie einen seine Mutter tröstet, so tröste ich selber euch. 14) Ob Jerusalems sollt ihr Trost spüren, sollt schauen und euer Herz sich freuen. Eure Gebeine sollen spriessen wie das Grün. Jahwes Hand macht sich seinen Knechten kund, und sein Groll seinen Feinden. 15) Denn siehe, Jahwe kommt wie Feuer, wie Windsbraut seine Wagen,
238
In Grimm seinen Zorn auszurichten und sein Schelten in Feuerflammen. 16) Denn mit Feuer sucht Jahwe sein Recht, mit seinem Schwert an allem Fleisch. Zahlreich sind die Erschlagenen Jahwes: 17) Die sich heiligen und reinigen für die Gärten, ?
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Die Schweinefleisch gemessen, Greueltiere und Mäuse: Ihre Werke und ihre Gedanken finden zusammen ihr Ende — Ist der Ausspruch Jahwes. e«.!»
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239 66,18—24 = 19 Zeilen: 5 X (3 +
3)
1 X (2 X 2 )
1 Ausleitung 1 X (3 + 3) 1 X (2 + 2)
1 1 1 1 1
Ausleitung X (3 + 3) X (2 + 2 + 2) Ausleitung X (3 + 3)
1 X (2 + 2 ) 1 Ausleitung 1 X (2 + 2 + 2) 1 X (2 + 2) I X (3)
Zum Text von 66,18—24: für HIO lies KS, Duhm. Streiche TIN als Prosaisierung, Köhler. 19 streiche den Völkerkatalog •¡"PI.... tS*BHn als Interpretament und lies D^DiTl und D^NHI, Köhler in Anlehnung an Duhm. Lies ^DtP für lyDB*, G, und streiche T N beide Male vor "H13D, Köhler. 20 streiche TIN vor und vor nrUDri; streiche m i D I D l l
D^DlDl und
D^TP
als Glossen, Duhm und Köhler. 21 lies mit vielen MSS D " 1 ! ^ . 22 setze m m ENS an den Schluss des Verses, Köhler. Dele "It^N als Prosaisierung, Köhler. 66,18—24. 18) Ich aber komme, um zu sammeln alle Völker und Sprachen. 19) Sie kommen und sehen meinen Lichtglanz, und ich setze unter ihnen ein Zeichen: Ich entsende von ihnen Verschonte — und die fernen Völker und Inseln, Die meinen Namen nicht gehört und meinen Lichtglanz nicht gesehen — 20) Sie künden meinen Lichtglanz unter den Völkern, sie bringen eure Brüder aus allen Völkern heim, Als Opfergabe für Jahwe, auf meinen heiligen Berg — Sagt Jahwe — W i e Israels Söhne die Opfergabe bringen in reinem Gerät zum Hause Jahwes, 21) Und auch von ihnen nehme ich Priester und Leviten — Sagt Jahwe. 22) Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich mache,
240 Vor mir dasteht, so soll ihr Nachwuchs und ihr Name dastehn — Ist der Ausspruch Jahwes. 23) Dann wird Neumond um Neumond und Sabbat um Sabbat Alles Fleisch kommen, um mir zu huldigen — Sagt Jahwe. 24) Sie gehen hin und sehen die Leichen der Männer, die gegen mich freveln. Denn ihr W u r m stirbt nicht, ihr Feuer erlischt nicht, Sie sind zum Abscheu für alles Fleisch.
II. ZUR TEXTGESTALTUNG.
W
enn man, wie im Folgenden versucht worden ist, sich unterfängt, das Ergebnis der exegetischen und emendierenden Arbeit von Grotius bis Haller zu ziehen, dann dehnt sich die Fülle der Behauptungen unübersehbar, wogend und dräuend wie ein Meer vor einem aus, und man setzt mit einem gewissen Bangen den Schlusspunkt unter das Ganze. Welches ist der Grad von Gewissheit, der erreicht wurde? Nur eine kritische Besinnung über die befolgte Methode kann darauf antworten. a. Die Zahl der massoretischen Verse von J e s . 56—66 beträgt 192. Davon bleiben 78 völlig unangetastet, und unter diesen finden sich wiederholt Gruppen von mehr als zwei Versen: 56,7—9. 57,13—16. 59,6—8. 60,1—6. 62,9—12. 65,10—14. E s giebt demnach eine ganze Reihe von Sätzen, die einwandfrei überliefert sind. Die Überlieferung an sich ist vertrauenswürdig und bietet Stoff genug, um den Massstab zu gewinnen, mit dem sich das Übrige als möglich oder unmöglich oder fraglich erkennen lässt. Dies ist die grundlegende Erkenntnis. b. Die Zahl der Konjekturen, welche an den überhaupt angetasteten 114 Versen sich als nötig erwiesen, lässt sich auf 184 angeben, doch ist diese Zahle als nackte irreführend (zu hoch), denn in sie einbegriffen sind auch alle Änderungen der Punktation (23) und alle Prosaisierungen und Interpretamentausscheidungen ( ± 30), und endlich sind in den Gruppen von Änderungen, welche so zusammenhängen, dass eine die andere notwendig nach sich zieht, alle einzelnen Änderungen jede für sich gezählt. Es ist lehrreich und lohnend, die Konjekturen in Sachgruppen geordnet zu überblicken. 16
242 c. Die e r s t e G r u p p e stellen die Ä n d e r u n g e n d e r P u n k t a t i o n dar, wodurch der Konsonantentext überhaupt nicht berührt wird. Solche finden s i c h : 5 7 , 1 1 (G). 17 (G). 5 8 , 1 0 (psn, dann besser p>sn geschrieben). 11. 5 9 , 3 . 5 . 6 0 , 9 . 1 8 . 61,10. 6 2 , 4 . 5 . 63, 3. 9. 13/14. 15 (G). 6 4 , 5 . 5 . 6 5 , 1 . 5 . 1 5 . 1 6 . 1 6 . 6 6 , 5 ; das sind 23 Fälle. d. D i e z w e i t e G r u p p e besteht in a n d r e r W o r t - o d e r S a t z t r e n n u n g : 6 4 , 3 / 4 . 6 4 , 4 . 6 3 , 1 3 / 1 4 ; das sind drei Fälle. e. Die d r i t t e G r u p p e machen Schwankungen des Textes durch h e b r ä i s c h e V a r i a n t e n a u s : 58, 4 ( 6 0 ! MSS). 5 8 , 1 0 (ein ganz andres W o r t ! ) . 60, 7 (unterstützt durch G V S T ! ) . 6 3 , 5 ( 3 0 ! MSS, ein ganz andres W o r t ! ) . 6 (ebenfalls ein ganz andres, aber leicht zu verwechselndes Wort). 10 ( 5 0 ! MSS). 6 4 , 1 0 . 6 6 , 1 5 (unterstützt durch G). 21 (multi! MSS). Das sind neun Fälle, in denen allen man auch ohne hebräische Zeugen ändern würde. Aber das innerhebräische Schwanken des Textes ist eine wichtige Stütze der kritischen Emendierarbeit. f. Die v i e r t e G r u p p e sind e i n f a c h e B u c h s t a b e n v e r s e t z u n g e n , das heisst ein Buchstabe ist statt hinter einem andern vor demselben geschrieben worden; so 5 7 , 1 statt 1X21: 5 7 , 3 . 8 statt ?pb). 5 9 , 1 3 . 6 0 , 1 1 . 6 6 , 1 2 ; das sind sechs Fälle. g. Als f ü n f t e G r u p p e zählt ebenso unter die elementaren Schreibfehler d i e f e h l e r h a f t e H a p l o g r a p h i e : eine Buchstabengruppe, die zwei Mal auf einanderfolgt, wird nur ein Mal geschrieben: 5 6 , 1 1 ( D i j n n statt D^in D ^ I H ) . 5 7 , 8 (neu angenommen!). 6 3 , 1 . 6 5 , 1 8 . 6 6 , 1 8 (in den beiden letzten Fällen handelt es sich nicht um dieselbe doppelte, sondern um zwei einander ähnliche Gruppen); das sind fünf Fälle. h. Als s e c h s t e G r u p p e zählt eben dahin das Gegenstück zur fünften: d i e f e h l e r h a f t e D i t t o g r a p h i e , das heisst: eine Bachstabengruppe wird fälschlich ganz gleich oder mit kleinen Abänderungen (die wieder nachträgliche Korrekturen sein können) wiederholt: 5 8 , 7 (JTQ S"3n statt N"On). 5 7 , 7 . 8 . 5 8 , 1 3 . 5 9 , 1 3 . 5 9 , 1 8 . 6 4 , 2 b. 6 6 , 1 2 ; das sind acht Fälle.
243 i. Als s i e b e n t e G r u p p e begegnet d i e W o r t v e r s e t z u n g : der unaufmerksame Schreiber schreibt ein Wort, das er ausgelassen hat, an zu später Stelle (oder er nimmt eines vorweg): 57,12. 58,12/11; das sind zwei Fälle. j. Als a c h t e G r u p p e begegnet aus denselben Gründen d i e V e r s e t z u n g e i n e r g a n z e n W o r t g r u p p e : 57, 1/2 (zwei Mal). 57,19. 59,18. 61,4. 66,17/18. 66,22; das sind sieben Fälle. k. Als n e u n t e G r u p p e bezeichnen wir d i e P r o s a i s i e r u n g (vgl. über diese Erscheinung: Ludwig Köhler, Arnos, 1917, Zürich, Verlag Beer, S. 6): die Abschreiber fügen, ohne den Sinn zu ändern, aber um ihn deutlicher zu Ausdruck zu bringen, ein rix, den bestimmten Artikel in ihre Abschrift ein: 56, 3 (-!&>&). 4. 4. 6. 6. 58, 2. 59, 2 (TPl). 19. 19. 61, 3. 62, 7. 8. 64,10. 65,20. 6 6 , 1 . 1 0 . 1 4 . 1 8 . 1 9 . 1 9 . 2 0 . 2 2 ; das sind 22 Fälle. 1. Als z e h n t e G r u p p e nennen wir a n d r e L e s a r t e n O r i e n t a l e n : 66,3; ein Fall. m. Als e l f t e G r u p p e a n d r e ein Fall.
Lesarten
des
der 65,4;
n. Als z w ö l f t e G r u p p e , die man neben die siebente und achte rücken kann, sei d i e V e r s e t z u n g e i n e s g a n z e n V e r s e s genannt; auch dies wird ein rein graphisches Versehen sein: 61,10 gehört hinter 61,11 und trennt fälschlich 11 von 9; ein Fall. Was die Sicherheit und die Grundlage des Rechtes zu Änderung anlangt, bilden diese zwölf Gruppen eine Einheit, die allen andern Arten von Textänderung vorangeht; sie umfasst 88 Fälle von Eingriff in die Überlieferung. Eine zweite Einheit bilden dann die Gruppen, welche den Text nur in seinem Bestand, nicht aber in seiner Form sonst angreifen. Sie alle rechnen mit der Möglichkeit, dass bei der Abschrift des Textes Zusätze aufgenommen wurden. o. Als d r e i z e h n t e G r u p p e begegnen die I n t e r p r e t a m e n t e o d e r G l o s s e n : der Abschreiber sichert, indem er gleichsam in Klammen ein paar Worte hinzufügt, das Verständnis des Textes: 61,3. 65,15.20.25. 66,19.20.20; das sind sieben Fälle. 16*
244 p. Als v i e r z e h n t e G r u p p e begegnen d i e P r o s a z u s ä t z e : 59,21. 60,12 (der ganze Vers). 14. 19a; das sind vier Fälle. q. Als f ü n f z e h n t e G r u p p e begegnen g e w o h n h e i t s m ä s s i g e Z u s ä t z e : Wendungen, die üblich sind, werden dem Sprecher und Schreiber so zur Gewohnheit, dass er sie jedesmal zu brauchen versucht ist, wenn eine ähnlich beginnende Wendung auftritt. Dahin kann man einen guten Teil der Prosaisierungen rechnen; dazu noch 61,8 (nicht dass der Bund ewig ist, sondern dass Jahwe einen Bund mit ihnen eingeht, ist wichtig und gemeint). 63,12 (dieselbe falsche Verwendung von D^IV); das sind zwei Fälle. r. Als s e c h z e h n t e G r u p p e begegnen M i s c h f o r m e n : wenn die Autoritäten, welche den auf uns gekommenen massoretischen Text endgültig festlegten, sei es in der mündlichen Tradition, sei es in ihren Handschriften auf zwei Auffassungen stiessen, die beide durch Alter, Ehrwürdigkeit des Sinnes, Autorität des Tradenten oder einen Anfang von Kabbala gestützt waren, sodass sie eine Entscheidung nicht wagten, dann wählten sie den Ausweg, dass sie beide Möglichkeiten mit einander in die Massora aufnahmen, die Entscheidung also dem Leser überliessen (ganz das gleiche Verfahren, nur mit andern Ausdrucksformen, haben für den neutestamentlichen Text Westcott und Hort, für seine Übersetzung die Herausgeber der Revised Version beobachtet). Wenn wir diese Mischformen auflösen, so geschieht es, weil wir von der Überlieferung nicht im gleichen Masse belastet und gebunden sind wie die Autoren der Massora. Dahin gehören: 63,3. 16; das sind zwei Fälle. Die vorstehenden Gruppen umfassen 103 Fälle. s. Als dritte Einheit bleiben die Gruppen, welche in freierer Weise den hebräischen Text emendieren, weil es die Grammatik, der Sinn, das Metrum fordern. In den meisten Fällen sind diese Gründe mit solchen der beiden ersten Gruppen vereinigt oder dann durch G unterstützt. Den Wert und die Bedeutung von G hat Zillessen untersucht. Im Ganzen ist zu sagen, dass G für Jes. keinen selbständigen Wert hat, sondern immer nur im Verein mit andern Erwägungen Bedeutung gewinnt. Dasselbe gilt für die von G stark abhängigen und selten selbständigen (V 63,1) V, S, T.
245
Die hiehergehörigen Gruppen seien nur rasch verzeichnet. Über die Begründung und Bedeutung des Metrums siehe später. t. Als s i e b z e h n t e G r u p p e begegnen s i n n g e m ä s s e Ä n d e r u n g e n n a c h G: 56,5. 58,4.12. 60,7.21. 61,6. 6 3 , 7 . 7 . 1 1 . 6 4 , 3 . 4 . 4 . 8 . 8 . 9 . 65.15. 6 6 , 2 . 1 0 . 1 2 . 1 9 ; das sind zwanzig Fälle. v. Als a c h t z e h n t e G r u p p e begegnen s i n n g e m ä s s e Z u f ü g u n g e n n a c h G: 56,10. 58,6. 65,2; das sind drei Fälle. w. Als n e u n z e h n t e G r u p p e begegnen s i n n g e m ä s s e S t r e i c h u n g e n n a c h G: 56,11. 59,17. 61,1. 64,4; das sind vier Fälle. x. Als z w a n z i g s t e G r u p p e begegnen Z u f ü g u n g e n d e s M e t r u m s w e g e n : 56,10. 57,11. 61,1; das sind drei Fälle. y. Als e i n u n d z w a n z i g s t e G r u p p e begegnen S t r e i c h u n g e n d e s M e t r u m s w e g e n ; s. oben die neunte Gruppe: Prosaisierungen. z. Als z w e i u n d z w a n z i g s t e G r u p p e begegnen Ä n d e r u n g e n d e s M e t r u m s w e g e n : 58,7. 61,8.12. 63,17. 6 4 , 9 . 1 0 ; das sind sechs Fälle. aa. Als d r e i u n d z w a n z i g s t e G r u p p e begegnen f r e i e g r a p h i s c h u n d s a c h l i c h p r o b a b l e K o n j e k t u r e n : 56,11. 58,11. 60, 9. 21. 61,1. 5. 10. 10. 63,1. 1. 1.14. 63,17. 18. 64,3. 3/4. 4. 4. 6. 65,18. 18. 66,12. 14. 18. 19; das sind fünfundzwanzig Fälle. bb. Als v i e r u n d z w a n z i g s t e G r u p p e begegnen f r e i e S t r e i c h u n g e n : 57,1. 57,17.18.19. 61,3. 6 2 , 4 . 5 . 6 5 , 6 . 2 0 . 2 1 . 2 3 ; das sind elf Fälle. cc. Als f ü n f u n d z w a n z i g s t e G r u p p e begegnen f r e i e Z u f ü g u n g e n d e s S i n n e s w e g e n : 57,8. 63,17; das sind zwei Fälle. dd. Als s e c h s u n d z w a n z i g s t e G r u p p e nennen wir die g r a p h i s c h n i c h t zu r e c h t f e r t i g e n d e und desshalb mit Bedenken belastete Ä n d e r u n g e n : 6 5 , 3 . 4 . 7 ; das sind drei Fälle.
III. ZUR METRIK. 1. Trotz der zahlreichen und vielfach auch verdienstvollen Arbeiten über die hebräische Metrik ist es noch nicht zu allgemein anerkannten und befolgten Regeln gekommen, sicherlich zum Teil desshalb, weil man den Bogen überspannt und mehr zu erkennen gesucht hat, als möglich ist. So hat denn noch diesen Tag fast jeder Mitarbeiter in der alttestamentlichen Forschung seine eigene Metrik — selbstverständlich ein jeder die einzig richtige —, und es besteht eine gewisse Verpflichtung darzulegen, wie man vorgeht, wenn man sich über Fragen des Metrums äussert. Dies sei im Folgenden in Form von möglichst kurzen Sätzen versucht. 2. Die erste Voraussetzung zur metrischen Bearbeitung des alttestamentlichen Wortlautes ist die, dass er im allgemeinen in der richtigen S p r a c h f o r m überliefert worden ist oder dass, falls Veränderungen der Sprachform sich vollzogen haben, diese auf der ganzen Breite der Sprache erfolgten und zwar so, dass im Grossen und Ganzen das Verhältnis der Betonungen und das der Tonsilben zu den tonlosen Silben sich bei diesen Veränderungen nicht verschob. Denn nur, wenn dem so ist, lässt sich hoffen, dass wir noch heute das alte Metrum erraten können. Denkt man von hieraus an die Sprachformen des Hebräischen, wie man sie aus Hieronymus oder G oder gar aus lautgesetzlichen Betrachtungen hat erschliessen wollen, so wird augenscheinlich, dass die Grundlage aller Bemühungen um das hebräische Metrum keine allzu sichere ist. 3. Von hieraus ergeben sich sofort die allergrössten Bedenken gegen V e r s u c h e , in E i n z e l f ä l l e n der m a s s o r e t h i s c h e n e i n e f r ü h e r e S p r a c h f o r m f ü r die Z w e c k e m e t r i s c h e r
247 E r m i t t e l u n g e n zu s u b s t i t u i e r e n . Derartige Versuche sind häufig unternommen worden. Es genügt, wenn wir an die Arbeiten von Praetorius zu Arnos und Hosea — in den Spuren von Ed. Sievers — erinnern. Von all den Vorschlägen, welche in dieser Richtung gemacht werden, möchte ich nur den einzigen annehmen, dass die Pausalformen auf ihre Formen ausserhalb der Pausa zurückgeführt werden. Denn diese Pausalformen haben ihren Ort im Zusammenhang mit der ganzen synagogalen Akzentuation des Textes. Diese wiederum fusst auf der massorethischen Versabteilung, von der sich leicht und oft zeigen lässt, dass sie jung und selbst falsch ist. Fällt aber diese Versabteilung grundsätzlich dahin, so auch die Akzentuation, auf deren Beachtung und exegetische Verwendung eine frühere Schule von Auslegern rührend viel Sorgfalt verwendet hat, und mit ihr auch die Pausa. 4. Neben diese erste Voraussetzung aller Metrik, dass die Laut- und Tonverhältnisse uns im Wesentlichen unverändert so vorliegen, wie sie die biblischen Verfasser verwendeten (man mag dies in Zweifel ziehen, aber dann verzichte man folgerichtiger Weise auch auf alle Metrik!), tritt als d i e z w e i t e g r u n d l e g e n d e V o r a u s s e t z u n g die, d a s s es s i c h u m g e s p r o c h e n e , n i c h t u m g e s u n g e n e D i c h t u n g h a n d e l t . Man hat diese Unterscheidung auffallender Weise meist nicht beachtet. Sie ist aber grundlegend. Dafür diene ein Beispiel. Das Metrum der deutschen Worte: »Tochter Zion, freue dich; Jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt der Friedefürst«, hat im Sprechton, wie man sie auch modulieren mag, unwandelbar achtundzwanzig Silben, und die Zahl der Hebungen (betonten Silben), die man diesen achtundzwanzig Silben geben kann, ist nur in ganz geringem Masse variabel. Aber sobald man diese Worte singt, z. B. in Händeis allbekannter Komposition, werden daraus zweiundfünfzig Silben, wenn man so sagen will, und kein metrisches System der Welt kommt damit sicher zu Rande, sobald die Singweise unbekannt ist. Man braucht neben »Ja, er kommt der Friedefürst« nur die genau entsprechenden Worte der zweiten Strophe: »Hosianna in der Höh« zu stellen, um zu sehen, wie hülflos wir einem Singtext gegenüberstehen, falls wir ihn als Sprechtext behandeln. Denn jede Metrik des Sprechtextes
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wird »Friedefürst« anders (zweihebig) behandeln als »in der Höh« (einhebig mit zwei voraufgehenden tonlosen Silben). H e b r ä i s c h e M e t r i k i s t , da wir keine hebräischen Singweisen überliefert besitzen, n u r m ö g l i c h f ü r S p r e c h t e x t e . Singtexte sind bei allen Versuchen, die hebräische Metrik wiederherzustellen, streng auszuscheiden. Das hat man noch nicht genügend beachtet, und der Schade, der dadurch entstand, blieb nur desshalb gering, weil man die Singtexte einfach als Sprechtexte behandelte, z. B. die Psalmen. Aber das ist grundsätzlich falsch und hat sich so gerächt, dass man dabei genötigt wurde, »aus metrischen Gründen« in einer Weise mit Streichungen und Zusätzen und Textänderungen die Überlieferung anzutasten, wie es nicht gerechtfertigt ist. 5. Es kann als sicher gelten, dass J e s a j a 56 — 66 g e s p r o c h e n e L i t e r a t u r ist, nicht gesungene. Hier sind demnach metrische Erwägungen statthaft, sofern sie sich ohne Zwang und leicht ergeben. Das was wir Metrik nennen, darf aber niemehr als ein Ablesen der Tatsachen von der Überlieferung sein und Eingriffe in die Überlieferung »aus metrischen Gründen« sind nur statthaft, soweit sie geringfügig und sehr wahrscheinlich sind, so z. B. hinsichtlich der Prosaisierungen (s. oben S. 243). 6. Eine A u s n a h m e von dem Satze, dass Jesaja 56—66 zum Sprechen, nicht zum Singen bestimmt sei, bildet offenbar das vereinzelte Trinkerlied 56, 12. Desshalb bedeutet hier die Angabe, es bestehe aus 2 X (3 + 2) auch nicht mehr, als dass •— gesprochen — die beiden Zeilen metrisch gleich sein. Ob sie es auch gesungen waren, wissen wir nicht. 7. Die m e t r i s c h e E i n h e i t d e r g e s p r o c h e n e n h e b r ä i s c h e n L i t e r a t u r i s t d i e Z e i l e (der Stichus). Die m e t r i s c h e Z e i l e d e r H e b r ä e r kann nicht am Reim und nicht an der Zahl der Silben erkannt werden, denn der erstere fehlt, die zweite schwankt; sie w i r d a n e i n e r g e w i s s e n l o g i s c h e n A b g e s c h l o s s e n h e i t e r k a n n t . Damit ist gesagt, dass unser nachträgliches Urteil darüber, was eine metrische Zeile sei, stets unsicher bleibt. Systeme der Metrik, welche sich darüber hinwegsetzen, sind immer rettungslos falsch.
249 8. Die m e t r i s c h e Z e i l e d e r H e b r ä e r w i r d g e k e n n z e i c h n e t , das heisst hier nur von andern metrischen Zeilen als Vertragswert und Stimmungswert unterschieden, d u r c h d i e Zahl ihrer metrisch bedeutsamen Tonsilben. 9. Die m e t r i s c h b e d e u t s a m e n T o n s i l b e n decken sich nicht mit den an sich in den Sprachbildungen vorhandenen Tonsilben, das heisst nicht alle vorhandenen Tonsilben sind auch metrisch bedeutsame Tonsilben. 10. Aber d i e m e t r i s c h b e d e u t s a m e n T o n s i l b e n f a l l e n immer z u s a m m e n m i t d e n d u r c h d i e S p r a c h b i l d u n g g e g e b e n e n T o n s i l b e n (ein Fall wie der, dass im Lateinischen »ich singe« cano — ^
heisst, aber im ersten Vers der Aeneis
cano ist im Hebräischen unmöglich) mit einziger Ausnahme des durch die grammatische Tradition uns bekannt gebliebenen n r w (S. Gen. 1,5 nW> X"lp und Gesenius-Kautzsch, Grammatik, 27. A.] § 29 e). Beispiele aus Jes. 56—66: 56,12. 57,1.6. 59,12. 66,24 handelt es sich darum, dass der metrische Ton statt auf der Tonstelle auf der Nebentonstelle eines Wortes liegt. Die Tonstelle selber ist also metrisch enttont. Aus dieser Erscheinung erklärt sich sofort die andre, dass i
t
manche Wörter m e t r i s c h d o p p e l t o n i g werden: 57, 5 DVprUH. 60,7
60,8 D n i n r n x .
62,6 ^ n b i n .
65,2 D;rrritt>na.
66,10 D i ^ N n D n ^ D ; gerade das letzte Beispiel zeigt die Notwendigkeit der Annahme metrisch doppeltoniger Wörter; denn ohne diese Annahme ist das Wort metrisch überhaupt nicht einzugliedern. Umgekehrt zeigt ein Vergleich von 60,7 mit 60,10, dass das nämliche Wort ( T p i m ^ ) je nach der metrischen Umgebung, in der es sich befindet, eintönig oder doppeltonig ist. 11. Wenn man nach dem bisher entwickelten Verfahren metrisiert, stösst man auf drei verschiedenartige Schwierigkeiten: a. T o n z u s a m m e n s t ö s s e . 56,6 bis m r P ist deutlich ein Doppeldreier. Was ist aber der Rest? Er bleibt metrisch ebenso ungefügig wie 56, 5, bis man sich entschliesst, in beiden Fällen
250 je die zwei letzten Tonsilben mit ihrem logischen Zubehör als Abschlusszweier (darüber siehe unten) abzutrennen. Und dann? Den Rest von 56,5 lesen wir als Doppeldreier, worüber unter 12 noch ein Wort. Was ist dann der Rest von 56,6? Man kann ihm als (2 + 3) lesen: ....13 "6 PITlb. Aber wir tun das aus zwei Gründen nicht. Einmal kann man nicht dasselbe mit dem oben umgrenzten Rest von 56,5 t u n ; man büsst also dadurch den Parallelismus (3 + 3) + (2) ein. Der andre Grund dafür, dass wir 56, 6 nicht als (2 + 3), sondern als (3 + 3) metrisieren, besteht in der A n n a h m e , d a s s d i e s e g a n z e S p r e c h p o e s i e e i n e n s t a r k l o g i s c h e n C h a r a k t e r h a t : sie arbeitet mit Gedankenstrichen, Doppelpunkten, das heisst mit Atempausen. Also lautet 56,6 in Übersetzung nicht »um ihm zu werden — zu Knechten«, sondern: »um zu werden — für ihn — zu Knechten«. Mit andern Worten: es sind drei Momente des Gedankens (nämlich: werden — ihm — Knechte) logisch betont und nicht nur zwei (nämlich: werden — Knechte); und gerade das »ihm« hat den logischen Ton, ohne dass dadurch der logische Ton des »werden« verloren gehen dürfte. Weil die drei logisch betont sind, sind sie auch metrisch betont. Dies ist dem Wesen der gesprochenen Dichtung im Gegensatz zur gesungenen eigentümlich. Mit dieser Annahme ist auch in den andern Fällen von Tonzusammenstoss gerechnet: 57,11.13.13.13. 59.19. 62,4. 12. b. Die zweite Schwierigkeit bilden d i e j e n i g e n m e t r i s c h betonten Silben, denen keine unbetonten voraufgehen, In 56, 5 beginnt die Zeile mit betontem 3115 und auf die Zäsur folgt betontes DB*. Die Frage, ob das statthaft sei, ist umstritten worden. Wir bejahen sie unbedingt. Denn wenn man sie verneint, kommt man entweder zu sonst vermeidlichen Eingriffen in den Text, mit andern Worten: man sägt den Ast ab, auf dem man sitzt, oder man enttont des Metrums wegen Worte, welche von der Logik aus einen starken Ton haben müssen. In unserm Beispiel 56, 5 liegt in dem Satze »besser als Söhne und Töchter« aller sachliche Nachdruck auf dem »besser«. Darf da das Metrum enttonen? Metrum behemmt die Logik in ihren Ausdrucksformen, daher spricht man von gebundener Rede. Aber Metrum darf nicht die Logik zerstören.
251 Doch sei nicht verhohlen, dass man im einzelnen Falle über die Geltung dieser Erwägungen im Zweifel sein kann. Wir vermuten, dass die hebräischen Dichter es auch waren; wie weit in Kühnheit des Ausdruckes und der poetischen Mittel er gehen darf, hat noch nie ein Dichter restlos gewusst. 13. c. Die dritte Schwierigkeit bietet a u f f a l l e n d g r o s s e r Abstand zweier aufeinanderfolgender metrischer Tons t e l l e n (62,3. 65,11. 66,5.17). Die Frage, wieviele unbetonte Silben zwischen zwei Tonstellen liegen können und wieviele dazwichen mindestens liegen müssen, ist noch ungelöst. Die Anwendung von Begriffen der griechisch-lateinischen Metrik dürfte, obwohl sie noch nicht ausgestorben ist, doch unstatthaft sein. Unsere Frage verbindet sich mit der andern, ob unter metrischem Zwange Verkürzungen von Formen statthaft sind. Man kann dies aber nur fragen, eine Antwort lässt sich nicht geben. 14. Die Z a h l d e r m e t r i s c h e n T o n s t e l l e n einer Zeile schwankt zwischen zwei und acht. Man spricht demgemäss von Zweiern, Dreiern usw. bis Achtern. 15. Vielfach haben Zeilen von mehr als drei Tonstellen einen Einschnitt, eine Atempause im Vortrag, die fast immer auch logischen Charakter hat: d i e Z ä s u r . Die Zäsur bewirkt es, dass man von Doppelzweier, Doppeldreier und Doppelvierer sprechen kann. Der Sechser hat in der Regel zwei Zäsuren: 2 + 2 + 2. 16. D e r F ü n f e r hat in der Regel eine Zäsur nach der dritten Tonstelle: 3 + 2. Doch kommt auch die Zäsur nach der zweiten Tonstelle vor; dann spricht man vom umgekehrten Fünfer: 2 + 3. 17. Analog liegt im S i e b n e r die Zäsur hinter der vierten Tonstelle: 4 + 3; liegt sie hinter der dritten, so spricht man vom umgekehrten Siebner: 3 + 4. 18. Die ursprüngliche Zeile wird d e r V i e r e r sein, dies ist desshalb anzunehmen, weil der Vierer am besten für eine vollständige logisch einheitliche Wortgruppe Raum bietet; doch ist der Vierer in seiner Verwendung zurückgegangen. 19. Durch Kürzung des Inhaltes oder seines Ausdruckes entstand aus ihm d e r D r e i e r , er tritt meist gedoppelt auf: 3 + 3.
252
20. Durch Weiterung entstand aus dem Vierer der F ü n f e r ; siehe 16. 20. Durch Zäsur entstand aus dem Vierer der z w e i e r (2 + 2).
Doppel-
21. Der S e c h s e r entstand durch Vermehrung des Vierers um einen Zweier: 2 + 2 + 2. 22. Diese Vermehrung ist desshalb wahrscheinlich, weil sowohl der Dreier als auch der Zweier in selbständiger Einzelheit kaum begegnen. Man nennt sie desshalb mit Recht H a l b z e i l e n , die besonders als Abschluss verwendet werden. 23. Die Formen: »So sagt Jahwe«, »Denn so sagt Jahwe«, »— ist der Ausspruch Jahwes« und ähnliche sind keine metrischen Gebilde, sondern kennzeichnen sich durch ihre Verwendung als E i n l e i t u n g e n , wirksam unterbrechende Ü b e r l e i t u n g e n und das Ende markierende A u s l e i t u n g e n . Sie sind in der Verwendung mit der Zeit zurückgegangen, waren also früher häufiger, als sie uns heute begegnen. 24. Doch kommen diese Formeln auch an Stellen vor, wo sie in d a s m e t r i s c h e G e b i l d e e i n b e z o g e n sind. 25. Eine Ü b e r s i c h t ü b e r d i e M e t r e n v o n J e s a j a 56—66 zeigt folgendes Bild: 204 (3 + 3) 89 (3 + 2) 72 ( 2 + 2 )
20 (3) 13 (4) 13 (2 + 2 + 2)
6 (2) 3 (2 + 3) 2 (4 + 3)
Das sind 422 bestimmbare Zeilen. Dazu kommen: 5 Einleitungen, 8 Ausleitungen, 3 Überleitungen; zusammen 438 bestimmbare Zeilen. 26. Es kommt vor, dass d i e U m g e b u n g f ü r d i e m e t r i s c h e L e s u n g e i n e r Z e i l e e n t s c h e i d e n d ist. So kann 62,2a an sich (3 + 2) sein, allein man wird es als (3 + 3) lesen, weil es in Mitten von lauter (3 + 3) steht. 27. In der Regel haben die einzelnen Dichtungen nicht in allen Zeilen dasselbe durchgehende Metrum, sondern das Metrum wechselt: M i s c h m e t r u m .
253 Fälle von ziemlich gleichförmigem Bau: 56,1—11:
I X (2 + 2 + 2)
6 X ( 3 + 2)
5 7 , 3 — 1 3 : 24 X (3 + 2) 62,1—7:
6 X (3 + 3)
63,1—6:
11 X ( 3 + 3 )
8 x ( 3 + 2)
1 X (3)
1 X (3)
28. Gleiches Metrum bindet nicht zu dichterischen Einheiten, wechselndes Metrum zerlegt nicht in dichterische Vielheiten: d i c h t e r i s c h e E i n h e i t und m e t r i s c h e G l e i c h h e i t d e c k e n sich nicht. 29. Der S t i m m u n g s w e r t der verschiedenen metrischen Gebilde ist nichtmehr feststellbar.