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German Pages 300 [324] Year 1937
ZEIT UND HEIMAT DER HOMERISCHEN EPEN VOM ZORN DES A C H I L L E U S UND VON DER HEIMKEHR DES ODYSSEUS
VON
HEINRICH RÜTER
B E R L I N W 35
V E R L A G W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. '937
Archiv-Nr. 630015 Druck yon Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Printed in Germany
Wilhelm Dörpfeld dem Freunde und Berater in. V e r e h r u n g u n d
Dankbarkeit
gewidmet
VORWORT Immer zerreißet den Kranz des Homer und zählet die Väter Des vollendeten ewigen Werks! Hat es doch e i n e Mutter nur und die Züge der Mutter, Deine unsterblichen Züge, Natur! Schiller
Der Tadel des Dichters gilt dem Philologen Friedrich August Wolf, der 1795 in den »Prolegomena ad Homerum« seine Liedertheorie aufstellte und in der Ilias und Odyssee nichts sah als eine Menge von Gedichten, nur zum Teil von Homer verfaßt, durch Rhapsoden gedächtnismäßig fortgepflanzt und erst durch Peisistratos vereinigt und aufgeschrieben. Seitdem ist ein Streit entbrannt zwischen den Vertretern dieser und ähnlicher Lehren und den sogenannten Unitariern, die beide Epen für einheitliche Schöpfungen e i n e s großen Dichters halten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich eine gewisse Verständigungslinie gebildet. Auch bei den Einheitsgläubigen spielen ältere und jüngere Sagen, Erzählungen und Lieder, die nach ihrer Meinung als Grundlage der Dichtungen verwertet wurden, eine Rolle. Andrerseits bemühen sich die Anhänger der Liedertheorie um den Nachweis, wie der durchgehende Plan entstanden sei, der trotz aller Widersprüche die Handlung zusammenhält. Meist stimmen beide in der Annahme überein, daß der Dichter mehrere Jahrhunderte nach den geschilderten Ereignissen in Kleinasien gelebt habe. Die Ansetzungen schwanken zwischen dem 9. und 7. Jahrhundert v. Chr., während die geschilderten Ereignisse in das 12. Jahrhundert v. Chr. gehören. Es hätten demnach zwischen diesen und der Entstehung der Epen dreihundert bis fünfhundert Jahre gelegen. Dieser Annahme der meisten deutschen Philologen haben um die Wende des Jahrhunderts ernste auswärtige Gelehrte wie R . C. Jebb, W. Leaf, W. Ridgeway und A. Lang ener-
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VORWORT
gisch widersprochen und eine Entstehung der Epen durch achäische Dichter im Mutterland verfochten. Desgleichen hat Wilhelm Dörpfeld besonders auf Grund seiner archäologischen Forschungen in Wort und Schrift Beweise dafür erbracht, daß die Homerischen Epen noch dem 12. Jahrhundert angehören und daher gleichzeitige Urkunden des Troischen Krieges und seiner Kulturen sind. Daß tatsächlich schon vor der Dorischen Wanderung zwei in sich geschlossene Epen, das Lied vom Zorne des Achilleus und das Lied von der Heimkehr des Odysseus, in Griechenland entstanden sind, bestätigen die Funde an achäischen Fürstensitzen des 12. Jahrhunderts v. Chr., die in beiden Liedern eine wichtige Rolle spielen, bestätigen ferner die Ergebnisse der in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der Schriftgeschichte und Sprachwissenschaft, der Geschichte und Erdkunde angestellten Forschungen. Der Troische Krieg ist eine geschichtliche Tatsache. Die Sänger, die in der Ilias und Odyssee von den Schicksalen achäischer Helden erzählen, haben im 12. Jahrhundert gelebt. Wie die deutsche Literatur sich darstellt als ein Abglanz der deutschen Geschichte und Kultur vom Heldengesang des 4. Jahrhunderts n. Chr. an bis auf den heutigen Tag, so hat auch das achäische Heldentum alsbald im achäischen Heldengesang seinen Niederschlag gefunden. Die Lieder vom Zorn des Achilleus und von der Heimkehr des Odysseus stellen die Blüte dieses Gesanges dar. Ihre Entstehung fällt nicht in den Beginn einer neuen Kultur, der Kultur des 9., 8. oder 7. Jahrhunderts, sondern in die Zeit des Krieges, die sie darstellen. Die Dichter kannten die Gegenden, in denen die Haupthandlung spielt, mit geringen Ausnahmen aus eigener Anschauung, waren mit der Geschichte und Kultur ihrer Zeit vertraut und schufen ihre Epen im Mutterlande nach festem Plan. Nur auf der Grundlage dieser Gesänge, deren Umfang sich vermutungsweise feststellen läßt, wurde nach der Ionischen Wanderung, die eigentlich eine Achäische ist, die Entstehung
VORWORT
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der Ilias und Odyssee möglich. Dies für Freunde der Homerischen Dichtungen aus den Gesamtepen und ihrem Kern zu erhärten und so neben ihrem poetischen auch ihren historischen und kulturhistorischen Wert zu erweisen, ist der Zweck der folgenden Untersuchung. Vielen Männern der Wissenschaft, die sich bis in die neueste Zeit um die Lösung der Homerischen Frage bemüht haben, fühle ich mich verpflichtet. Auf sprachwissenschaftlichem Gebiet habe ich durch Georg Mahlow reiche Belehrung erhalten; in archäologischen Dingen ist mir Wilhelm Dörpfeld Führer und Berater gewesen. Keiner war mehr imstande, über den Schauplatz der Handlung in beiden Epen und über die achäisch-mykenische Kultur des 12. Jahrhunderts sichere Auskunft zu erteilen, als der Nestor der deutschen Archäologen, dessen Name mit Troia, Ithaka und Pylos für immer ruhmvoll verknüpft bleibt. Durch die Forschungen und Grabungen Dörpfelds und durch seine Werke „Troja und Ilion", „Homers Odyssee", „Alt-Ithaka" und „Alt-Olympia" ist die Homerische Frage ihrer Lösung nähergeführt; er hat das Dunkel, das über den Epen lag, aufgehellt und ihre geschichtliche und kulturgeschichtliche Bedeutung in das Licht der Wirklichkeit gestellt. Für alle Unterstützung durch Rat und Tat ihm an dieser Stelle zu danken, ist mir Bedürfnis und Freude. Ihm und Herrn Oskar Mey verdanke ich auch die beigefügten Karten. Halberstadt, Neujahr 1937 H. Rüter
INHALTSVERZEICHNIS Einleitung. Mutmaßliche Entwicklung des Zornliedes zur Ilias und des Heimkehrliedes zur Odyssee. Kritik an den beiden Epen in alter und neuer Zeit. Fragen: Sind Homers Ilias und Odyssee in ihren Kernliedern Schöpfungen achäischer Sänger und Spiegelbilder achäischer Geschichte und Kultur im 12. Jahrhundert? I. Wie erscheinen Ilias und Odyssee im Lichte der Ausgrabungen und Forschungen in Troia, Ithaka, Pylos und an andern Homerischen Plätzen des Festlandes und der Inseln? II. A. Gestattet die Sprache der Epen eine Datierung, die vor der Dorischen und Ionischen Wanderung liegt? B. Ist aus den Dichtungen zu entnehmen, daß die Achäer im 12. Jahrhundert die Schrift gekannt haben? III. Bieten die Epen der Geschichtswissenschaft Anhaltspunkte für die Zeit ihrer Entstehung? IV. Wie ist das geographische Bild Griechenlands und anderer Länder des Mittelmeeres in den Epen und wie das Weltbild? In welche Zeit führen sie uns? V . Welche Kultur stellen die Epen dar? Gestattet sie Rückschlüsse auf die Zeit ihrer Entstehung? Wir betrachten: 1. Das Königtum bei Homer. 2. Das Homerische Haus. 3. Homerisches Leben (a. Mahlzeiten und Beschäftigung, b. Kleidung und Bewaffnung. c. Kunstgewerbe und Bringer der Kunst, d. Brautwerbung, e. Bestattungsbräuche)
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V I . A. Läßt die Götterwelt der Epen und läßt der Götterkult Schlüsse auf die Zeit der Abfassung zu? B. Welche Bedeutung haben für die Frage nach Zeit und Heimat der Epen die großen Mythen227—266 kreise bei Homer? Zusammenfassung. Die Lieder vom Zorn des Achilleus und von der Heimkehr des Odysseus sind zuerst an achäischen Fürstensitzen erklungen 267—269 Namen- und Sachregister 270—293 b
R ü t e r , Epen
ANLAGEN Tafel
i : Skizzen: Das Homerische Weltbild und Durchschnitt durch die Weltkugel
Tafel
2: Karte des achäischen Landes
Tafel
3: Troia und die Skamander-Ebene
Tafel
4: Schlachtfeld zwischen Besika-Bucht und Ilios
Tafel
5: Karte von Leukas—Ithaka
Tafel
6: Skizze: Ebene der Stadt Ithaka
Tafel
7: Skizze nach einer Karte von Triphylien
Tafel
8: Grundriß des Königshauses von Tiryns
Tafel
9: Grundriß des Königshauses von Ithaka
Tafel 10: Durchschnitte durch das Königshaus von Ithaka
T a f e l n 1. 2. 5. 6. 8. 9. 10 aus Dörpfeld-Rüter, Odyssee Band I, Verlag W. de Gruyter & Co., Berlin 1925 Tafeln 3. 4 aus O . Mey, Schlachtfeld von Troia, Karten I V u. V , Verlag W. de Gruyter & Co., Berlin 1926 Tafel 7 nach einer Karte Triphyliens von Konrad GräfinghofF, Athen. Mitt. 38. 1913.
EINLEITUNG Mutmaßliche Entwicklung des J^ornliedes zur Ilias und des Heimkehrliedes zur Odyssee. Kritik an den beiden Epen in alter und neuer ^eit
Als Schliemann nach dem Schauplatz der Ilias suchte, hieß es, er werde das Homerische Troia so wenig finden, wie man den Schatz der Nibelungen aus dem Rhein zu heben vermöge, und als Dörpfeld nach der Stadt des Odysseus forschte, hörte man ähnliche abfällige Urteile. Und doch ist das mykenische Troia gefunden, entdeckt ist das achäische Ithaka und das Pylos Nestors, durchforscht das Mykene Agamemnons. Wir haben wieder ein Recht, die in den großen Epen vorliegende achäische Heldensage so aufzufassen, wie es das griechische Altertum bis auf Herodot und Thukydides einschließlich tat, als einen Ausschnitt aus der lebendigen geschichtlichen Erinnerung und Überlieferung. Dies Recht ist nicht zu bestreiten, seit außerdem ägyptische und hethitische Urkunden Licht in die Geschichte der Völker gebracht haben, die vom 14.—12. Jahrhundert Anwohner des Ägäischen Meeres waren. Über hethitische Tontafeln hat der Orientalist E. Forrer gehandelt (Mitt. der Deutschen OrientGes. 1924, Nr. 63). Eine deutsche Expedition hatte sie igo6—1907 östlich von Ankara in Boghazköi, wo einst die Hethiterstadt Chatti lag, zu Tage gefördert. Forrer glaubt, aus ihnen für das 14. Jahrhundert v. Chr. das Vorhandensein eines Achäer-Reiches in Griechenland nachweisen zu können, dessen Könige mit den hethitischen Herrschern zu tun hatten. Über den Wert dieser Forschungen werden wir weiter unten reden. Die Untersuchung der Tafeln ist noch nicht beendet. Einstweilen führen sie bis dicht an die Zeit des Troischen Krieges heran, den die Überlieferung in den Anfang des 12. Jahrhunderts (1194—1184) setzt. Dies Ereignis hat seinen Niederschlag gefunden in der achäischen Heldensage; sie ist kein Produkt der Phantasie, sondern ruht auf dem 1
Rüter,
Epen
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EINLEITUNG
Boden der Wirklichkeit und behält für alle Zeit ihren historischen Kern. Achäer haben die Ereignisse besungen; sie haben den Taten und Gestalten der Helden auch eine ethische Prägung gegeben. Die Achäer sind ein besonders sangesfrohes Volk gewesen; schon ihre Sprache und deren Betonung wirken rhythmisch und musikalisch. Seit dies Volk in Griechenland zu Macht und Ansehen gelangt, seit ein mächtiger Adel entsteht, treten auch talentvolle Sänger hervor. Sie schließen sich in Form und Geschmack, in Gedanken und Stoffen an die Wünsche der Edeln an und erzählen in deren Häusern und an den Höfen der Fürsten im singbaren Vers aus dem Mythos, der Sage und Geschichte, vor allem aus der Geschichte der eigenen Stammeshelden und ihrer Götter. Denn diese stehen immer miteinander in Verbindung, eine Folge uralten Geschlechterkultes. Zu jedem vornehmen Hof halt gehört ein Sänger. Gesungen wird beim Mahl, besonders an Festen. Man wünscht neue Lieder zu hören. Eine bestimmte Verstechnik bildet sich; es bilden sich bestimmte herkömmliche Formeln. Ein besonderer epischer Stil entsteht, eine poetische Sprache, die sich von der des Alltags etwas abhebt. Diese Art Sangeskunst findet ihre größten Meister im 12. Jahrhundert v. Chr., gegen das Ende der Achäerherrschaft. Damals entstehen unter dem Einfluß des Troischen Krieges neben andern Gesängen heldischen Inhalts die Lieder vom Zorn des Achilleus und von der Heimkehr des Odysseus. Diese Dichtungen haben einen größeren Umfang als die Lieder, die sonst ein Sänger (ccoiSös) bei festlichen Gelegenheiten zur Leier vorzutragen pflegt; solche Lieder umfassen immer nur eine Einzelheit aus den allen Hörern bekannten Geschichten der Edlen, so z. B. das Lied des Demodokos vom Streit des Odysseus und des Achill (Od. 8. 72—82), oder sein Gesang vom hölzernen Pferd (Od. 8.
ZEIT UND HEIMAT DER KERNGEDICHTE
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499—5 20 )> oder der des Phemios von der leidvollen Heimkehr der Griechenfürsten aus Troia (Od. i. 325—327). Die Neuerung, statt eines kurzen Liedes eine umfassende Dichtung im Sprechvers vorzutragen, ist vielleicht durch den Wunsch veranlaßt worden, an mehrtägigen Festen Zusammenhängendes zu bieten. Solchem Verlangen mögen die Schöpfungen entsprungen sein, durch die die Sänger des Zornliedes und des Heimkehrliedes sich heraushoben aus der Zahl derer, die vor und neben ihnen gedichtet haben. Sie dienten nicht einem einzigen Vortrag, sondern waren auf mehrere Tage verteilt. Fast jeder Gesang des Heimkehrliedes beginnt mit der typischen Wendung: „Als die rosenfingrige Göttin der Frühe erschien". Die Handlung zerfällt gleichsam in Tagewerke, weil jeder Vortrag einen gewissen Abschluß haben muß. I m Heimkehrlied ist dies deutlicher zu erkennen als im Zornlied; aber auch hier haben spätere Veränderungen und Zusätze die ursprüngliche Gliederung nach Gesängen und Tagen nicht ganz verdunkeln können. Der Beweis, daß das Zornlied und Heimkehrlied im Mutterlande entstanden sind, soll unten versucht werden. Die Art, wie beide sich zur Ilias und Odyssee entwickelt haben, läßt sich nur vermutungsweise andeuten. Wahrscheinlich sind beide Schöpfungen, weil sie als besonders schön empfunden wurden, schon im 12. J a h r hundert viel vorgetragen worden und haben zu ähnlichen, umfangreichen Liedern anderer Sänger Veranlassung gegeben. Alle sind dann nach dem durch die Dorier veranlaßten Zusammenbruch der Achäischen Herrschaft als wertvolle Schätze mit nach Kleinasien gewandert, als ein Besitz, den kein Feind rauben konnte, weil er fest und sicher im Gedächtnis der Sänger ruhte; ob sie damals auch schon eine Niederschrift gefunden haben, wird noch zu untersuchen sein. In der neuen ionischen Heimat festigen sich die politischen Verhältnisse; Enkel und Urenkel der Ausgewanderten ge-
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EINLEITUNG
langen zu Ehre und Ansehen. Die Freude an der Sangeskunst ist nie geschwunden. Noch kennt man das Zornlied und Heimkehrlied und Gesänge ähnlichen heldischen Inhalts. Diese Errungenschaften der mykenischen Kultur haben nicht wie andre große Kulturwerke bei der Vernichtung der achäischen Fürstensitze verloren gehen können. Die Nachkommen der alten achäischen Geschlechter wünschen auch ihrerseits eine Verherrlichung der Vorfahren im Lied, wie Achill, Odysseus und andere sie gefunden haben. Es entstehen in Ionien Parallelgedichte in der überlieferten Sprache des epischen Gesanges. Ein besonders begabter Aöde fügt im 9. Jahrhundert, vielleicht auch etwas später, verschiedene Lieder, welche achäische und troische Helden und Kämpfe behandeln, so ineinander, daß er das Lied vom Zorn des Achilleus zugrunde legt; sorgfältig und unter möglichster Vermeidung von Widersprüchen arbeitet er das große Epos aus, das wir unter dem Namen „Ilias" kennen. Aus etwa 5000 Hexametern des Urgedichtes sind 15000 geworden. In gleicher Weise verfährt derselbe Sänger oder ein anderer mit dem Heimkehrlied. Es erhält Veränderungen durch Einschiebsel und Zusätze, besonders hinsichtlich der Irrfahrten und der Ereignisse nach dem Kampf mit den Freiern. Man hat die beiden großen Epen in ansprechender Weise mit mittelalterlichen Domen verglichen, in denen auch bedeutende Meister die Errungenschaften der Vorgänger ohne Scheu verwandten und vielleicht sogar Gesellen mitarbeiten ließen. Man nennt das den zunftmäßigen Betrieb der ionischen Epik und erklärt damit die Unstimmigkeiten und Ungleichheiten (Schmid, Gesch. d. griech. Lit., 1. Teil, 1929, S. 85). Nur daß bei dieser Auffassung die ursprünglichen Teile der Epen in ihrer Bedeutung für die Gesamtheit nicht genügend bewertet werden. Denn die Größe der Gesamtepen, die man durchaus anerkennen muß, beruht in Wirklichkeit nur auf den beiden achäischen Kernliedern.
WER WAR HOMEROS?
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Wer die Schöpfer dieser Urgedichte waren, wissen wir nicht und werden wir wohl nie erfahren. Die Gesamtepen Ilias und Odyssee gelten im Altertum als Schöpfungen des Homeros. Schon die Alten kennen seinen Geburtsort nicht. Sieben Städte, Smyrna, Rhodos, Kolophon, Salamis, Chios, Argos, Athen, streiten sich um den Ruhm. Eine starke Tradition läßt ihn als blinden Greis in Chios, Kolophon und Smyrna wohnen. Die dort in der Weise des Homeros dichtenden Sänger werden später Homeriden genannt. Vielleicht sind sie seine Nachkommen gewesen. Aber Homeros selbst wird schwerlich an einem Punkt der Entwicklungsstufen beider Epen festgelegt werden können. Wenn wir uns gleichwohl einer Hypothese anschließen, dann dürfte Homeros der Aöde gewesen sein, der bald nach der Ionischen Wanderung den überlieferten Kerngedichten ihre veränderte und erweiterte Gestalt gegeben hat. Er war Aöde und Rhapsode zugleich, Hesiod braucht von sich und Homer den Ausdruck päyocvTES ocoi8f|v (fr. 34), und bei Pindar heißen die Rhapsoden „ p a u T o o v ettecov äoiSoi, Sänger zusammengefügter Lieder" (Nem. 2. 2). Dieser Homeros könnte seine Epen im 9. Jahrhundert geschaffen haben. In diese Zeit setzt ihn das „Marmor Parium"; dessen Quelle ist nach Untersuchungen von F. Jacoby (Marmor Parium 1904) Ephoros, der im 4. Jahrhundert v. Chr. lebte, ein Schüler des Isokrates. In der Gestalt, in der die beiden Epen schon im 9. Jahrhundert aufgezeichnet und vorgetragen wurden, sind sie im großen und ganzen erhalten geblieben. So werden sie auch in den folgenden Jahrhunderten von berufsmäßigen Rhapsoden rezitiert, nicht hintereinander — dazu eignen sie sich wegen ihrer Ausdehnung nicht mehr —, sondern in einzelnen Teilen, je nach dem Wunsche der Hörer. Hierbei wird das Heimkehrlied die geschlossene Einheit verloren haben, die es ursprünglich gehabt hat; die Zusammenhänge zwischen der Telemachhandlung und der des Odysseus sind gesprengt worden. Auch
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EINLEITUNG
in das Mutterland sind sie in dieser neuen Gestalt bald zurückgekehrt, hochgewertet besonders von den Doriern im Peloponnes und von den Athenern. Hesiod, den das Marmor Parium etwas älter sein läßt als Homer, der aber nach andrer Überlieferungjünger war und vermutlich in den Beginn des 8. Jahrhunderts zu setzen ist, kennt und liest die Ilias so, wie wir sie lesen. Daß bei der emsigen Tätigkeit der Rezitatoren leicht Verwirrung und Unordnung in der Überlieferung einreißen konnte, leuchtet ein. Daher ist verständlich, daß gerade in dem kunstliebenden Athen durch eine endgültige Redaktion der Möglichkeit weiterer Zerstückelung und Zerreißung ein Ende gesetzt wurde. Diese Arbeit wird mit Recht der Anordnung des Peisistratos zugeschrieben. Wahrlich ein weiter Weg von der Entstehung des Zorn- und Heimkehrliedes bis zur letzten Herstellung der Ilias und Odyssee in Athen! Schon die Alten haben in diesen abgeschlossenen Epen Widersprüche und Unebenheiten erkannt, aber nur wenig daran gerührt. Homer war ihre Bibel. Unter den alexandrinischen Gelehrten ist Zenodotos, seit 285 v. Chr. erster Leiter der Bibliothek, der erste Homerkritiker; er hat diesen und jenen Vers, dieses und jenes größere Stück gestrichen, so die Beschreibung des Schildes Achills. Auch für ihn schon sind in die einheitliche Masse der Gedichte zu irgend einer Zeit fremde Bestandteile eingedrungen. Von ihm stammt vielleicht die Einteilung der Ilias und Odyssee in je 24 Bücher. Sein Nachfolger Aristophanes verfährt ähnlich; er hält z. B. den Schluß der Odyssee von der Wiedervereinigung der Gatten an (Od. 23. 297) für unecht, worin ich ihm mit vielen Kritikern beipflichte. Aristarchos, Schüler des Aristophanes im Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr., sucht die Überlieferung möglichst zu schützen, erkennt aber gleichfalls die Tätigkeit von Fälschern in den Gedichten, die er im übrigen für wirkliche Einheiten und für Werke eines einzigen Dichters hält.
KRITIK AN DEN EPEN IN ALTER ZEIT
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Sein Zeitgenosse, der Gelehrte Krates in Pergamon, das durch seine Bibliothek berühmt war, legt das Gewicht seiner Tätigkeit weniger auf Textkritik als auf Erklärung allegorischer Art, wie es der Eigenart der Stoiker entspricht. Im 3. Jahrhundert n. Chr. hat sich, wie die Scholien beweisen, der Neuplatoniker Porphyrios mit der Interpretation Homers und ihren Schwierigkeiten befaßt, und aus dem 12. Jahrhundert n. Chr. ist von Wichtigkeit der Kommentar des Bischofs Eustathios von Thessalonich. Dann ruht die Kritik an Homer, bis sie im 16. und 17.Jahrhundert in Italien und Frankreich scharf einsetzt und im 18. und 19. Jahrhundert besonders die deutschen Philologen stark in Anspruch nimmt. Ihren Verlauf bis in die neueste Zeit schildert in gutem Überblick Georg Finsler (Homer 1. Teil, 1914 „Der Dichter und seine Welt" und 1912 „ H o mer in der Neuzeit"). Die verschiedenen Ansichten über die Entstehung der beiden Epen kennen zu lernen, ist von größtem Interesse und braucht die Freude an den Dichtungen nicht zu schmälern. Männer von Weltruf sind daran beteiligt. Von Friedrich August Wolf an bis auf Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff haben hervorragende Gelehrte ihren Scharfsinn auf das Homerproblem verwandt. Alle aufzuzählen, ist unmöglich; ich möchte nur einige wenige erwähnen, deren Ansichten ich mehr oder weniger teile. Gottfried Hermann spricht zuerst den Gedanken aus, daß in sehr alter Zeit ein Dichter, namens Homeros, aus dem vorhandenen Sagenschatz zwei Epen von mäßigem Umfang „Achilleus' Zorn" und „Odysseus' Heimkehr" gedichtet habe, daß hierzu später Parallelgedichte entstanden und dem ursprünglichen Epos eingereiht seien, j a daß bei dieser Redaktion auch Stücke Aufnahme gefunden hätten, die nicht zum ursprünglichen Plan gehörten, wie z. B. die Aristie Aga-
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EINLEITUNG
memnons. (De interpolationibus Homeri 1832; de iteratis apud Homerum 1840.) Friedrich Gottlieb Welcker verbindet zuerst mit der philosophischen Forschung die historische, durchdringt die Vorzeit der Hellenen und erkennt, daß zwar lange vor Homeros kleinere epische Lieder gesungen sind, daß aber Homer zuerst eine Menge von Personen und Begebenheiten zu einer dichterischen Einheit zusammengefaßt hat, und daß dies die große Neuerung und Erfindung gewesen ist, die durch den Namen Homeros bezeichnet wird (Der epische Cyclus und die homerischen Dichter 1835). Auch Karl Otfried Müller führt in seiner „Geschichte der griechischen Literatur" (1841) aus, daß es lange vor Homer kleinere epische Gedichte gab, die sich auf bekannte Ereignisse der Geschichte stützten, daß aber erst Homer eine künstlerisch aufgebaute Komposition geschaffen hat. Er ist der Dichter der Ilias und der Odyssee. Homeros hat jene in der Jugend, diese im reifen Alter geschaffen. Gregor Wilhelm Nitzsch streitet gegen Lachmann für den einen Homer und macht ihn zum bewußten nationalen Dichter, weil er die in der Sage schon ethisch ausgeprägten Gestalten und Taten dem nationalen Bewußtsein näherbringt. Beide Epen haben ein ethisches Grundmotiv; Maßlosigkeit und Frevelmut werden gestraft. (Die Sagenpoesie der Griechen 1852; Beiträge der Geschichte der epischen Poesie der Griechen 1862.) R. C. Jebb läßt Ilias und Odyssee im Mutterlande entstanden sein. Der Dichter der Ur-Ilias, welche die Bücher 1; 11; 16—22 umfaßte, lebte im 11. Jahrhundert in Thessalien; durch die Äolische Wanderung kam die Dichtung nach Kleinasien. Die Ur-Odyssee war ein kleines Heimkehrlied; auch sie entstand im Mutterlande. Die in Kleinasien hinzugefügten Erweiterungen zeigen ionischen Charakter. Die Ursprungslieder und die Ergänzungen lassen sich nicht genau
KRITIK AN DEN EPEN IN NEUER ZEIT
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abgrenzen (Homer, an introduction to the Iliad and the Odyssey 1887). Jebb hat das Verdienst, einen achäischen Kern der Dichtungen klar erkannt und einem achäischen Dichter zugewiesen zu haben. Auf gleichem oder ähnlichem Standpunkt steht Walter Leaf; er läßt den Kern der Ilias, das Zornlied, vor der Dorischen Wanderung im Mutterlande geschaffen sein (A companion to the Iliad 1892. Homer and History 1915). Auch William Ridgeway vertritt die Ansicht, daß der achäische Dichter im Mutterlande gesungen hat; in den Epen stehen achäische Helden neben Personen, die der mykenischpelasgischen Überlieferung angehören, einer Zeit also, welche der achäischen Einwanderung vorausliegt (Early age of Greece 1910). Nach Andrew Lang schildert Homer ein einziges, kurzes achäisches Kulturzeitalter; alles ist in den Epen achäisch, nichts ionisch. Bewußtes Archaisieren ist für Dichter in unkritischen Zeiten ausgeschlossen (The World of Homer 1910). Man erkennt bei Jebb, Leaf, Ridgeway und Lang den starken Wirklichkeitssinn der Angelsachsen, die die Dinge sehen, wie sie sind, und daraus, daß Homeros im Kern der Epen von griechischen Kolonien und Stämmen Kleinasiens schweigt, ohne weiteres schließen, daß er sie nicht erlebt hat. Die achäischen Urgedichte in ihrer schlichten Größe und Klarheit wiederherzustellen, ist vielfach versucht worden. Hinsichtlich der Odyssee teile ich die Ansicht Wilhelm Dörpfelds, der ihre ursprüngliche Gestalt in zehn Gesängen wiedergefunden zu haben glaubt. Die von ihm hergestellte Fassung ist von mir in deutsche Prosa übertragen (Homers Odyssee in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt von W . Dörpfeld, in deutsche Prosa übertragen von H. Rüter, 2 Bände, München 1925, jetzt Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin). Die Ur-Ilias habe ich selbst aus dem Gesamtepos zu gewinnen versucht, gleichfalls in zehn Gesängen, die sich,
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EINLEITUNG
wie die der Ur-Odyssee, in zehn Tagen abspielen (Homers Ilias. Versuch einer Wiederherstellung des Urgedichtes vom Zorn des Achilleus. In deutscher Prosa von H. Rüter, München 1929, jetzt Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin). Meine Festlegung will nur als mutmaßliche gelten; eine wirklich getreue Wiedergabe des Kerns der Ilias scheint unmöglich. Möglich aber ist der Beweis, daß die Urgedichte im Mutterlande entstanden sind. Er läßt sich meines Erachtens aus dem Inhalt der Gesamtepen und aus ihrer Sprache erbringen.
ZEIT UND HEIMAT DER HOMERISCHEN EPEN Sind Homers Ilias und Odyssee in ihrem Kern, dem ^'ornlied und dem Heimkehrlied, Schöpfungen achäischer Sänger und Spiegelbilder achäischer Geschichte und Kultur im 12. Jahrhundert? „Wer zu der Erkenntnis durchgedrungen ist, daß die Entstehung der Homerischen Gedichte ganz unabhängig von jeder Tradition erklärt werden muß, weil doch alle Erklärungen und alle Traditionen Hypothesen sind, der kann mit kühlem Blute die Fragen richtig stellen und hat schon damit eine bessere Aussicht, sie auch richtig zu beantworten." So urteilt v. Wilamowitz-Moellendorff 1884 treffend in seinen Homerischen Untersuchungen. Auch wir wollen uns bei unserer Beweisführung nur an die Dichtungen halten. Der im Zornlied und Heimkehrlied enthaltene Kern der Epen muß dabei im Vordergrund stehen, da ihm die Untersuchung in erster Linie gilt. Sind auch die Ursprungslieder im einzelnen noch umstritten, so werden sie doch, selbst in ihren verschiedenen Fassungen, als Prüfstein der Kritik dienen können, wenn wir sie mit den Erweiterungen vergleichen, die sie in Kleinasien erfahren haben. Nach dem Urteil maßgebender Kritiker gehören zu diesen Erweiterungen, was die Ilias betrifft, viele selbständige Gedichte, die in die achäische Zeit zurückführen und in Kleinasien überarbeitet sind, so der größte Teil des zweiten bis achten Buches; ferner freie Erfindungen dessen, der die alten Lieder zur Ilias zusammengeschlossen hat, z. B. das Eingreifen Poseidons, die Überlistung des Zeus, die Götterschlacht, das Ringen mit dem Stromgott und viele kleinere Götterszenen; endlich allgemein als ganz späte Zusätze erkannte Partien, wie der Schiffskatalog, Agamemnons Rundgang, die Lagerbefestigung und der Kundschaftergang. — Was die Odyssee betrifft, so ist der größte Teil der Irrfahrten und alles, was
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SECHS GRUNDFRAGEN
nach der Wiedervereinigung der Gatten erzählt wird, als Zudichtung anzusehen, die erst in Kleinasien mit dem Urgedicht verknüpft wurde. Betrachten wir also die Epen in ihrer Gesamtheit, doch sei der Kern uns Führer zur Zeit und Heimat der wahren Dichter! Die Bejahung oder Verneinung der oben gestellten Frage wird von der Beantwortung folgender Unterfragen abhängen, die zu einer eingehenden Betrachtung der Dichtungen zwingen: I. Wie erscheinen Ilias und Odyssee im Lichte der Ausgrabungen und Forschungen in Troia, Ithaka, Pylos und an andern Homerischen Plätzen des Festlandes und der Inseln? II. A. Gestattet die Sprache der Epen eine Datierung, die vor der Dorischen und Ionischen Wanderung liegt? B. Ist aus den Dichtungen zu entnehmen, daß die Achäer im 12. Jahrhundert die Schrift gekannt haben? III. Bieten die Epen der Geschichtswissenschaft Anhaltspunkte für die Zeit ihrer Entstehung? IV. Wie ist das geographische Bild Griechenlands und anderer Länder des Mittelmeeres in den Epen und wie das Weltbild? In welche Zeit führen sie? V . Welche Kultur stellen die Epen dar? Gestattet sie Rückschlüsse auf die Zeit ihrer Entstehung? Wir betrachten: i. Das Königtum bei Homer. 2. Das Homerische Haus. 3. Homerisches Leben (a. Mahlzeiten und Beschäftigung, b. Kleidung und Bewaffnung, c. Kunstgewerbe und Bringer der Kunst, d. Brautwerbung, e. Bestattungsbräuche). V I . A. Läßt die Götterwelt der Epen und der Götterkult Schlüsse auf die Zeit der Abfassung zu? B. Welche Bedeutung haben für die Frage nach Zeit und Heimat der Epen die großen Mythenkreise bei Homer?
I. ILIAS UND ODYSSEE IM LICHT DER AUSGRABUNGEN UND FORSCHUNGEN a. ILIOS UND UMGEBUNG.
DAS SCHIFFSLAGER DER ACHÄER Taf. i. 3. 4
Noch im Ausgang des 19. Jahrhunderts gab es neben der Homerischen auch eine Troische Frage. Fast das ganze Altertum hatte die Stelle der Homerischen Ilios dort gesucht, wo etwa vom 7. Jahrhundert v. Chr. ab eine griechische Stadt Ilion stand, die sich besonders in hellenistischer und später in römischer Zeit als Ilium Novum großer Blüte erfreute. So haben z. B. Xerxes und Alexander der Große diese nach ihrer Meinung vom Dichter besungene Stätte aufgesucht und für das alte Troia gehalten. Da brachten Gelehrte die Meinung auf, die Stadt des Priamos sei weiter südöstlich zu suchen, etwa fünf Kilometer von der Stadt Ilion entfernt, im sogenannten Dorf der Iiier. Demetrios von Skepsis, ein Sohn der Troas, verfocht im 2.Jahrhundert v . C h r . diese Ansicht, und der zur Zeit des Augustus lebende Geograph Strabon schloß sich ihm an ( X I I I 5 9 3 ff.) Als im 18.Jahrh.die Frage wieder auftauchte und Robert Wood 1750 die Ebene nach Troia durchforschte, fand er nicht die geringsten Ruinen, weil er dort suchte, wohin Demetrios und Strabon den Ort verlegten. Im Jahre 1784 kam durch die Forschungen des Grafen Choiseul-Gouffier eine neue Anschauung auf. Choiseul glaubte, das alte Troia in den Ruinen bei Bunarbaschi gefunden zu haben, etwa dreizehn Kilometer von den Dardanellen entfernt, im südlichen Tal des Skamandros. Lechevalier, sein früherer Sekretär, verbreitete diese vermeintliche Entdeckung, die merkwürdigerweise großen Anklang fand. Männer wie Kiepert und Moltke traten der Ansicht bei. Moltke glaubte besonders aus militärischen Gründen, daß diese Stätte für den Bau einer uner-
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE
steigbaren Burg geeignet gewesen sei (Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei 1841), und noch im Jahre 1864 wurde dort von J. v. Hahn im Bunde mit E. Ziller nach dem Homerischen Troia gesucht. Erst den Forschern Heinrich Schliemann und Wilhelm Dörpfeld war es vorbehalten, Wandel und Klarheit zu schaffen. Schliemann kam 1868 zum ersten Male in die Troas; er begann seine Grabungen 1870. Bunarbaschi war bald für ihn erledigt; die Ruinenreste dort waren zu gering und zu jung. Er grub auf dem Hügel Hissarlik, zu deutsch „Burgruine", da, wo einst das griechisch-römische Ilion gestanden hatte, das längst verklungene. In zwanzigjähriger, oft unterbrochener Arbeit wurde die Höhe nach allen Seiten durchsucht und als eine seit vorgeschichtlicher Zeit immer wieder zu menschlichen Siedlungen benutzte wichtige Stätte erkannt. Der Verlauf der Grabungen und ihr Ergebnis ist in wertvollen Werken festgelegt; beide sollen kurz skizziert werden, weil sie für unsere Untersuchung von Wichtigkeit sind. Schliemanns Tätigkeit verläuft in vier Phasen. Die erste von 1870 bis 1873 ist die ergiebigste. Über einer ältesten Niederlassung, reich an prähistorischen monochromen V a sen mit weißgefüllten Mustern, mit einer Ringmauer und verschiedenen Bauten, wird eine zweite Schicht gefunden: eine ansehnliche Lehmburg; ihre Ringmauern zeigen drei Perioden; sie bestehen aus kleinen Steinen mit Lehmaufbau, Toren und Türmen. Die Innenbauten haben Megaron und Herd; es gibt Nebenhäuser. Reich ist die Ausbeute an monochromen Vasen, reich der in der Ringmauer gefundene Goldschatz, jetzt in Berlin. Schliemann ist überzeugt, die Burg des Priamos vor sich zu haben. In seinem Werk „Trojanische Altertümer" (1873) berichtet er zuerst, aber mit vielen Irrtümern. Auch die Grabungen der Jahre 1878—1879, dargestellt in „Ilios" 1881 mit einem Vorwort von Virchow,
GRABUNGEN IN ILIOS-HISSARLIK
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und die des Jahres 1882 (Troja 1884) bringen noch keine volle Klarheit. Neun Schichten zwar sind im ganzen entdeckt, von denen die achte das griechische Ilion, die neunte das römische Ilium Novum enthält. Aber wo ist die Stätte des Troia der Ilias? Darüber schafft das Jahr 1890 fast Gewißheit. Wilhelm Dörpfeld, der Mitarbeiter von Curtius und Adler bei den Grabungen in Olympia und im Anschluß daran 1886 Sekretär des Archäologischen Institutes in Athen, unterstützt Schliemann seit 1882 und überzeugt ihn zuerst davon, daß nicht Schicht III, wie Schliemann ursprünglich geglaubt hat, sondern Schicht II eine stattliche Burg sei, die Homer geschildert haben könne. Sodann veranlaßt er Schliemann 1890, nochmals eine Grabung durch alle neun Schichten von A. Brückner vornehmen zu lassen. Dabei kommen in der V I . Schicht von unten mykenische Scherben zum Vorschein, die zeigen, daß Schicht V I die Burg des Priamos sein müsse, und daß Schicht II etwa tausend Jahre älter sei. Da stirbt Schliemann auf einer italienischen Reise im Dezember 1890. Er hat nicht mehr erfahren, welche Bedeutung seine letzte Grabung für die Lösung der Homerischen Frage haben sollte. Daß die sechste Schicht wirklich den Anspruch erheben darf, das Homerische Troia zu sein, hat Dörpfeld durch die von Frau Sophie Schliemann und dem deutschen Kaiser Wilhelm II. ermöglichten Grabungen der Jahre 1893 und 1894 erhärtet. Auskunft darüber geben folgende Werke: Bericht über die Grabungen 1890; Troja 1893; Troja und Ilion 1902. Das letztere monumentale zweibändige Werk hat mehrere Mitarbeiter. Die Feststellungen Dörpfelds sind mit geringen Ausnahmen von der Wissenschaft anerkannt. Prof. C. Schuchhardt, der die sechste Schicht als Homerisch anzweifelte (Alt-Europa 1919, S. 253; Führer durch die vorgeschichtliche Abt. der Staatlichen Museen zu Berlin 1922, S. 18 f.), dann aber Dorp-
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felds Datierung als richtig anerkannte (Athen. Mitt. 1922, S. 122—123), ist neuerdings wieder zu der alten Ansicht zurückgekehrt, daß Troia II von Homer besungen sei (AltEuropa 1935, S. 248). Demgegenüber sei auf Dörpfelds frühere Widerlegung verwiesen (Athen. Mitt. 1922, S. 110— 116. 119. 122). — Die Ansicht von Charles Vellay, in der sechsten Schicht sei eine Feuernekropole der Achäer zu sehen (Les nouveaux aspects de la question de Troie, Paris 1930), braucht nicht ernst genommen zu werden; sie gründet sich auf V . Seyk (Das wahre und richtige Troja und Ilion, Prag 1926); Seyks Überzeugung, „Ilios" sei von ihm in dem Kilometer östlich von Hissarlik frei sich erhebenden zweihundert Meter hohen Kara-Jour gefunden, wird in einer Besprechung von E. Drerup (Philol. Wochenschrift 1927, Nr. 3/4) mit Recht als widersinnig abgelehnt. Nach den Feststellungen Dörpfelds enthält der Hügel Hissarlik neun Schichten. Auf die prähistorische erste folgt die kleine, aber reiche Lehmburg, die Schliemann irrtümlich für die des Priamos hielt. Dann folgen als dritte bis fünfte drei unbedeutende Ansiedlungen, Dörfer mit armseligen Häusern und prähistorischen Vasen. Darüber liegt die sechste Schicht. Sie führt in das 13. Jahrhundert. Aufgedeckt ist eine starke, mykenische Burganlage mit einer stattlichen Ringmauer von verschiedener Bauart; sie stammt aus verschiedenen Epochen. Der Unterbau besteht aus Stein; der Oberbau bestand anfangs aus Lehmziegeln, ist aber später in Stein erneuert worden, so die Ringmauer im Osten. Es finden sich Tore und Türme, im Nordosten ein großer Turm mit Tor und Brunnen, desgleichen das Haupttor mit Turm im Südosten. Die Innenbauten erheben sich in Terrassen; es gibt breite Straßen mit stattlichen Bauten, die zum Teil noch mehrere Meter hoch erhalten sind; darin findet sich eine einheimische, gut gebrannte, einfarbige Topfware und dazu einige mykenische Vasen, nach denen die Schicht zeit-
BURG VI: STÄTTE DES HOMERISCHEN TROIA
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lieh bestimmt ist. Gerade diese mykenischen Vasen und eine größere Anzahl mykenischer Scherben sind für die Zeitbestimmung von Troia V I maßgebend. Dörpfeld entwickelt die Gründe eingehend in seinem Werk „Alt-Olympia" (1935, S. 347 ff.). Die mykenische Topfware Troias muß derselben Zeit angehören wie die Burgen von Mykene und Tiryns, also der Zeit vor 1100. Burg V I , die mykenische Topfware enthält, ist nach Ausweis ihrer Reste erobert und nur zum Teil zerstört worden; sie ist sogar bewohnt geblieben. Dies ist bewiesen durch neue, seit 1932 angestellte Ausgrabungen seitens amerikanischer Archäologen unter Leitung von Professor C. W. Biegen. Sie haben ergeben, daß mehrere Häuser der V I . Schicht wieder benutzt wurden, und daß andere, die bis auf die Fundamente zerstört waren, durch neue ersetzt sind. Auch diese Häuser enthalten mykenische Scherben. G. W. Biegen hat infolgedessen gemeint, diese Schicht, die er mit Dörpfeld V I I a nennt, sei die desPriamos, nicht Burg V I (Am. Journal of Arch. 1935, 16 ff. 550 f.). Dörpfeld hingegen hält nach wie vor Schicht V I für die von den Achäern eroberte und zerstörte Burg des Priamos (Archäologischer Anzeiger 1936, Sp. 1 ff.). Doch gibt er zu, daß die Zerstörung von V I nicht total war, daß tatsächlich die Schicht V I I a sich ohne Bruch an Schicht V I anschließt, und daß sie deshalb auch mykenische Scherben enthalten darf, weil mykenische Vasen, namentlich Bügelkannen, im 12. und sogar noch im 11. Jahrhundert vorkommen. Über die Herren von V I I a holt sich Dörpfeld Auskunft im Epos. Poseidon prophezeit II. 20. 300—308, daß nach dem Tode des Priamos Aineias in Troia gebieten werde und nach ihm Söhne und Enkel. Diese Herrschaft dardanischer Fürsten ist dem Dichter offenbar bekannt gewesen. Er hat seine Kenntnis in der Prophezeiung des Gottes verwertet. Die Schicht V I I b zeigt eine andere Keramik (Buckelvasen des Donaugebietes) und eine neue Bauweise (Orthostaten, 2
R ü t e r , Epen
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hochkantige Platten am Sockel der Mauern), die beide vorher inTroia nicht vorkamen; sie stammen von den einwandernden Donauvölkern, die das Troia des Aineias und seiner Nachkommen zerstörten; auch wieder nicht völlig. Die Bewohner der Schicht V I I b benutzten zum Teil die Häuser von V I I a, zum Teil errichteten sie neue. Über der siebenten Schicht folgt eine achte, von der nur kleine Reste aufgedeckt sind, und die den Griechen zugeteilt werden muß. Die oberste Schicht stellt das römische Ilium Novum dar; es ist eine große Stadt mit Akropolis, auf der ein Bezirk der Athena Ilias mit Tempel und Altar zu erkennen ist. Nur die starke mykenische Burganlage der Schicht V I kommt als die Homerische in Betracht; nur sie zeigt vielfache Übereinstimmungen mit der Ilias. Daß die poetische Darstellung ihr bis ins Kleinste entspricht, kann nicht erwartet werden. Schildert doch der achäische Sänger vielleicht nur vom Hörensagen; vielleicht sind nur seine Gewährsmänner noch Augenzeugen gewesen. Wie stellt er also die Stadt dar, gegen die im Anfang des 12. Jahrhunderts achäische Helden zu Felde gezogen sind, und wie schildert er ihre Umgebung? Auf einem Hügel liegt sie in fast ebener Landschaft, nicht weit vom Meer. Ilios ist ihr Name oder auch Ilion, nach dem Erbauer Ilos (II. 18. 270; 15. 71). Sein Sohn war Laomedon, der Vater des Priamos (II. 20, 236. 237). Das Land, dessen Hauptstadt sie ist, heißt Troie (II. 9. 246) und wird von Troern bewohnt; nur selten ist die Stadt selbst so benannt (II. 1. 129; 22. 478). Die Troas ist fruchtbar und durch ihre Gestüte berühmt (II. 9. 329; 5. 551). Im Norden und Westen bildet der Hellespont die Grenze; so nennt H o m e r — wir bezeichnen mit Homer immer die Gesamtepen — die bekannte Meerenge der Dardanellen und die angrenzenden Meeresteile. Im Süden sind Pelasger die Nachbarn, im Südosten am Idagebirge die stammverwandten, von Aineias
ÜBEREINSTIMMUNG MIT DER 1LIAS
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befehligten Dardaner. Ilios beherrscht die Ebenen zweier Flüsse, des Skamandros und seines rechten Nebenflusses Simoeis; sie liegt im Winkel, den beide bei der Vereinigung bilden, doch näher dem Skamandros. Der Hügel ist stark befestigt, die Stadt mit hoher Mauer und hohen Toren versehen. Genannt werden das Dardanische und das Skäische Tor (II. 22. 194; 22. 413; 6. 237); das letztere erscheint häufig in Verbindung mit einem stattlichen Turm, von dem die Troer Ausschau halten (II. 6. 386); von ihm aus sieht Andromache, wie Achilleus ihren Gemahl zum Schiffslager schleift. Es liegt westwärts dem Meere zu und bildet den Hauptzugang zur Stadt; ihm entströmen die Mannen, als sie zum Kampf ziehen; die Geschlagenen nimmt es rettend auf; nur Hektor erwartet vor ihm den Achilleus. Das Dardanische Tor ist im Südosten zu denken, weil in dieser Richtung die Stadt Dardania lag (II. 20. 216); in seiner Nähe findet Hektor den Tod. Eine offene Unterstadt ( c k j t u ) wird neben der ummauerten Burg (ttöAis) einmal erwähnt (II. 17. 144). In den Kämpfen spielt sie naturgemäß keine Rolle, da sie keinen Schutz bietet; sowohl Patroklos wie Achill befinden sich am vorletzten und letzten Kampftage dicht vor der Burg. Diese ist nicht unersteigbar. Die Mauern sind geböscht; fast hätte Patroklos sie erklommen (II. 16. 702). Sie steigt in Terrassen empor. Der oberste Teil der Burg heißt Pergamos; von ihr aus sieht Kassandra als erste den Wagen mit dem Leichnam des Bruders (II. 24. 700). Dort befinden sich auch Tempel und Königsbauten (II. 5. 460; 6. 512); sie sind aus behauenen Steinen errichtet (IL 6. 248). Wir hören vom Heiligtum der Athena und des Apollon, desgleichen vom Hause des Priamos und seiner Söhne Hektor und Paris. Letzteres ist besonders stattlich; er hat es sich selbst erbaut mit den besten troischen Meistern: Männersaal, Frauengemächer und Hof (II. 6.316). Breite Wege führen von der Burg und durch die Stadt zu den Toren hinab (II. 9. 28). 2*
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Also, alles in allem eine offene Stadt mit einer befestigten Burg, ttóàis und ttoàis öxpr), die mit Recht eùteìxeos, sum/pyos und 0v|mttuAos, eùktìiìevos, eü vcció^evos, ccìttOs und anrsivós, EÙpuàyuia und òtppuóeaaa genannt wird (II. i . 129; 7. 71 ; 16. 698; 21. 433; 9. 402; 15. 71; 9. 419; 22. 411). Das letzte Beiwort schildert die Lage der Burg am Übergang eines aufsteigenden Hügels zu einer Hochebene besonders treffend. Charakteristisch ist auch "lÀios tivéhóectcto: (II. 23. 64), die windumwehte Ilios. Wer je auf Hissarlik gestanden hat, weiß, wie treffend damit die dort fast immer herrschende starke Bewegung der Luft bezeichnet ist. Wir fragen: Wie erklärt sich die Übereinstimmung der Schilderungen des Sängers mit den Ergebnissen der Grabungen Schliemanns und Dörpfelds, besonders die Art der Bauten: neben kyklopischen Mauern Häuser aus schön geglätteten Quaderwänden (II. 6, 244. 248); der óyKcov der Ringmauer, wie er noch heute zu sehen ist (II. 16. 702); die Lage der Tore und Türme und einzelne Bauwerke mit 0ccAanos, Scopa und aùÀr|? Darf man erwidern, wie es vielfach geschieht: Die Stadt hat seit ihrer Eroberung durch die Achäer in vier bis fünf Jahrhunderten viele Wandlungen erfahren; daher können die Ionischen Sänger des 9. und 8. Jahrhunderts von der Stadt vor jener Zerstörung nichts Genaues wissen; sie ergehen sich in allgemeinen poetischen Phantasien. — Oder muß die vorurteilsfreie Antwort nicht vielmehr lauten: Da die wiederholt eroberte und zum Teil zerstörte Ilios in fast fünfhundert Jahren viele Wandlungen durchgemacht hat — die Alten wußten es — , so kann die vielfache Übereinstimmung der Stadt des Epos mit der gefundenen mykenischen Burganlage nur so erklärt werden, daß das Lied vom Zorn des Achilleus nicht allzulange nach der Eroberung und zwar in der Heimat erklungen ist, und daß das einmal geschaffene Bild der Stadt auch für die Zu- und Umdichtungen späterer Zeiten maßgebend blieb.
FRAGE NACH DEM ACHÄISCHEN LAGER
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Das geringe Vorhandensein mykenischen Vasengutes neben zahlreichen einheimischen, einfarbigen Scherben darf nicht verwundern. Die mykenische Keramik ist von auswärts eingeführt; es gab Beziehungen zu Phönikien. Wir hören, daß Laothoe, eine der Frauen des Priamos, die Tochter des Altes ist, des Königs der Leleger (II. 21. 85; 22. 48), die nach Pausanias I 39. 6 aus Ägypten stammen. Ilios ist wiederholt erobert und ausgeraubt worden, aber die Anlage als solche blieb erhalten und zeugt noch heute von der einstigen Größe. Der Dichter hat manches gesteigert; das darf er. Stadt und Burg faßten nicht so viele Menschen, wie seine Schilderungen annehmen; die ummauerte Burg hat 20000 qm Inhalt, immerhin das 21/2fache der zweiten Schicht, die sich über 8000 qm erstreckt. Auch die Achäer sind in Wirklichkeit nicht so zahlreich gewesen, wie wir es im Epos lesen. Hören wir, was der Dichter über ihr Lager sagt, und wie er den Schauplatz schildert, auf dem sich Achäer und Troer begegnen. Wenn er durch Hörensagen Nachricht darüber erhalten oder die Troas besucht hat, so muß sich das aus der Vergleichung seiner Angaben mit der Wirklichkeit feststellen lassen. Das Schiffslager befindet sich am Hellespontos. Was ist unter Hellespontos zu verstehen? Schon in der klassischen Zeit wird darüber gestritten. Man deutet „Meer der Helle" und denkt an den Mythos von Phrixos und Helle. Man deutet auch „Meer der Hellenen". Beides bringt nicht weiter. Sicher ist, daß der Hellespontos ein Meer ist, nicht bloß eine Meerenge, die „Hellesporos" heißen würde (Dörpfeld, Troja und Ilion 1902, Beilage 68 zu S. 612). W. Sieglin (Beiträge zur alten Geschichte und Geographie in der Festschrift für Kiepert 1898) will unter Hellespontos in altgriechischer Zeit das ganze nördliche Ägäische Meer samt der Propontis verstanden wissen und bringt dafür überzeugende Belege bei. A. Klotz (Rhein. Museum f. Phil. 1913, Bd. 68,
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S. 286 ff.) bestreitet diese Ausdehnung und gibt nur zu, daß die Propontis zum Hellespont gehörte, und daß die Insel Tenedos noch in den Hellespontos verlegt wurde. (Stephanus v. Byzanz TeveSos, pia tcov ZiropaScov ev 'EAAr)crrrovTcp). Eine Darlegung über die Ausdehnung des Hellespontos gibt auch Jacoby (Fragm.d.griech. Historiker 1923, Bd. 1,8.344). Wir dürfen als sicher annehmen, daß in altgriechischer Zeit und in der Zeit der ionischen Kolonisation der Name Hellespontos sich nicht auf die Dardanellen beschränkt hat. In der klassischen Zeit wird darüber gestritten. Auch der Dichter des Zornliedes denkt nicht an die Dardanellen, sondern an das offene Meer, wenn er Achilleus sagen läßt: „ö^ecu, f|v eOeAt^ctOcc Kai ai kev toi toc |JEnf|Ai3, fipi |idA' 'EAAiio-rrovTOv ett' IxOuoevtoc ttAeouctccs
vfias Epäs", denn dieser will ja in südwestlicher Richtung nach Phthia fahren (II. 9. 359 ff.) „Sehen wirst Du, falls Du willst und dir daran liegt, wie meine Schiffe in aller Frühe den fischreichen Hellespontos durchfahren". Desgleichen wollen ett! irAccTEt 'EAAticrrrovTCp (II. 7. 86) und 'EAAiicnrovTOS öardpoov (II. 24. 545) auf das weite, unendliche Meer bezogen sein, während 'EAAiicnrovTOS ccyccppoos (II. 2. 845 und 12. 30), der „starkströmende" zweifellos die Dardanellen bezeichnet; auch sie gehörten noch zum Hellespontos. Wo am Hellespont ist nun das achäische Lager zu suchen? Die klassische Tradition verlegt es an die Mündung des Skamander, an den Teil des Hellespontos also, den wir heute Dardanellen nennen. Die Dichtung deutet nur an einer Stelle eine Beziehung des Lagers zur Skamandermündung an. II. 12. 17 ff. lassen die Götter die von den Achäern II. 7. 433 ff. ohne Opfer errichteten Lagermauern nach dem Falle von Ilios durch ein Wunder verschwinden, so wie es Zeus dem Poseidon II. 7. 459 fr. im voraus gestattet hat. Apollon lenkt acht auf dem Ida entspringende Flüsse, darunter den Skamandros und Simoeis, gegen die Lagermauer; Poseidon stürzt diese in die Fluten und überdeckt den ganzen Strand
SCHIFFSLAGER UND KAMPFPLATZ IN DER DICHTUNG
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mit einer tiefen Sandschicht. Sicherlich hätte der Dichter dieses Wunders den Skamandros und Simoeis nicht genannt, wenn er nicht angenommen hätte, daß das Schiffslager sich in ihrer Nähe befand. Aber eben so sicher ist, daß wir die Lagerbefestigung II. 7. 433 ff. samt dem Ausblick in die Zukunft, II. 7. 459 ff. und 12. 17 ff, als späte Eindichtung eines neuionischen Sängers anzusehen haben. Vom Mauerbau und seiner Vernichtung hat schon Aristoteles gesagt: o irActaccs -Troir)TT)s r^avicrev (StrabonXIII 598). Aus dieser Erzählung also können wir über die wirkliche Stelle des Schifflagers nichts entnehmen, mag sie auch für die spätere Tradition maßgebend gewesen sein. Die Scholien A und B zu II. 6. 4 können uns aus dem gleichen Grunde nicht binden; beruhen sie doch auf derselben falschen Überlieferung. Abgesehen von den obengenannten Stellen ist in den Beschreibungen des Achäerlagers niemals von der Skamandermündung die Rede. Das Lager liegt am lebhaft bewegten, rauschenden, unendlichen Meer (II. 1. 34; 9. 182; 14. 392; 17. 432; 23. 59), und zwar an einer tiefen Bucht mit flachem Strand, an dem die Schiffe in hintereinander liegenden Reihen untergebracht sind. Es ist auch R a u m da für Versammlungen und Spiele. Zu beiden Seiten ist der Strand durch Höhen begrenzt (II. 2. 91—92; 14. 30—36; 23. 258). Sehr oft werden Lagerplatz und Meer zusammen genannt, und immer haben wir die Empfindung, daß der Dichter an ein offenes, weites Meer denkt, auch wenn er dies nicht durch Beiwörter hervorhebt (II. 9. 358; 13. 682; 14, 75fr.; 19. 40; 24. 12). Zwischen dem Lager und der Stadt fließt der Skamandros, auch Xanthos genannt (II. 8.560; 11.499; 2 ° - 7 4 ! 2 1 . 2 ; 21. 15; 21. 603; 24. 693). Er hat eine Furt, die öfter erwähnt wird, und die man offenbar überschreiten muß, u m zum Lager bzw. zur Stadt zu kommen (II. 14. 433—434; 21. 1—8; 24. 350—351; 24, 351. 692). I n sein rechtes Ufer mündet der
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Simoeis (II. 4. 475; 5. 774; 5. 777; 6, 4. 20. 53). Beide Flüsse umschließen westwärts der Stadt die Skamandrische Ebene, TTESIOV ZKotn&vSpiov. In diese Ebene dringen vom Meer her die Achäer ein, wenn sie den Kampf vor die Stadt tragen (IL 2,465. 467. 473; 6.4). Sind die Troer siegreich und gehen die Achäer zurück, so wird zwischen dem Schiffslager und dem Skamander, also an seinem linken Ufer, gekämpft (II. 8. 560—563). Wogt der Kampf hin und her, so wird auf beiden Seiten des Skamandros gefochten, und die Toten liegen an seinen beiden Ufern (II. 7. 329). Der Skamandros mündet in eine weite Bucht des Meeres (II. 21. 124—125). Das Gelände ist nicht durchweg eben. Wir hören von einer Bodenerhebung zwischen dem Fluß und dem Meer, 6pcocr|aos (IL 11. 56), die in den Kämpfen eine hervorragende Rolle spielt und sich ziemlich genau bestimmen läßt. Sie ist so hoch, daß sie den Iiiern den Anblick der Küste und des Schiffslagers entzieht. Daher stellen die Troer auf einer nicht allzuweit von der Stadt gelegenen Warte, dem Grabmal des Aisyetes, einen Posten auf, der einen etwaigen Aufbruch der Achäer vom Lager melden soll (IL 2. 793). Verfolgen wir nun den Verlauf der Kämpfe genauer und sehen wir, welche Rolle Fluß, Furt, Ebene und Bodenerhebung spielen, um danach die Stelle des Lagers zu bestimmen. Zum ersten Kampf ziehen die Achäer vom Meer her in die Skamandrische Ebene. Der Anmarsch dauert geraume Zeit, denn nach der durch Iris erfolgten Ankündigung vom Nahen des Feindes können die Troer sich noch wappnen und zur Abwehr aufstellen. Ihre Aufstellung erfolgt beim Hügel Batieia, von den Göttern „Grab der behenden Myrine" genannt, einer vereinzelten, freiliegenden Erhebung in geringer Entfernung von Ilios, noch am rechten Ufer des Skamandros (IL 2. 8i3f.). Der Zusammenstoß erfolgt in der Ebene des
SCHAUPLATZ UND VERLAUF DER KÄMPFE UM TROIA
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Skamandros (IL 2. 467). Doch kommt es zunächst nicht zum Gesamtkampf, sondern zu einem Vertrag und zum Zweikampf des Alexandras und Menelaos. Erst nach dem Bruch des Vertrages durch Pandaros beginnt die Schlacht; sie wogt zwischen dem Simoeis und Skamandros hin und her (IL 6. 4), bringt den Achäern größere Erfolge als den Troern und endet mit dem unentschiedenen Zweikampf Hektors und des Telamoniers Aias. Es folgt eine zweitägige Waffenruhe. Die Troer kehren in die Stadt zurück, die Achäer befestigen ihr Lager. Auch der zweite Kampf beginnt in der Skamandrischen Ebene, zieht sich aber bald hinüber zum achäischen Lager. Die Troer dringen schließlich siegreich bis zum Lager vor (IL 8. 336) und biwakieren nachts am linken Ufer des Skamandros. Dort lodern ihre Feuer zwischen den Schiffen und dem Fluß (IL 8. 560). Am dritten Kampftag beginnen sie den Angriff von der oben erwähnten Bodenerhebung aus, da, wo sie sich zum Schiffslager abdacht (IL 1 1 . 56). Sie dringen in das Lager ein und drängen die Achäer hinter die erste Schiffsreihe zurück. Als Patroklos mit den Myrmidonen in den Kampf eingreift, werden sie zwar über den Fluß zurückgeworfen, rücken aber nach dessen Tode wieder vor und kommen abermals bis zum Graben des Lagers (IL 18. 228). Nach den drohenden Zurufen Achills gehen sie etwas zurück und beziehen wieder das vorige Lager. Der Rat des Pulydamas, das Heer in die Stadt zurückzuführen, wird von Hektor nicht befolgt. Am vierten Kampftage stehen die Troer abends auf dem ansteigenden Hügel wie am Tage vorher (IL 20. 3) und erwarten den Angriff Achills. Sie werden von ihm zum Flusse gejagt und zum Teil hineingetrieben; zum Teil entkommen sie über die Furt in die Stadt (IL 21. 1—4). Nur Hektor bleibt draußen und fällt. So lauten die klaren Angaben der Gesamtdichtung über den Verlauf der Kämpfe zwischen Lager, Fluß und Stadt. Sie sind besonders klar hinsichtlich
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des zweiten, dritten und vierten Kampfes; diese drei Kämpfe haben, wie ich mit vielen Kritikern annehme, dem Kernliede angehört. A n Stelle des ersten Kampfes, der zweitägigen Waffenruhe und des zweiten Kampfes hat das Zornlied vermutlich nur eine einzige Schlacht gekannt, die die Troer nach anfänglichem Mißerfolg zum Siege und bis dicht vor das Lager der Achäer führt (II. 4. 422—538; 6. 2 — 1 1 8 ; 7. 1 — 1 6 ; 8, 66—197. 335—349- 4^5—5 6 5)V o n anderen Punkten in der Ilischen Ebene nennt die Dichtung eine Warte „okottiti" (II. 20. 137) und in ihrer Nähe einen Feigenbaum „ipiveös" (II. 22. 145); beide liegen an dem Weg „irctros", der von der Stadt zum Meere führt (II. 20. 137). A n der Warte und dem Feigenbaum müssen die Troer und Hektor vorüber, als sie sich in die Stadt zu retten versuchen; sie liegen also näher bei der Burg als bei dem Fluß. Auch das Grabmal des Ilos liegt am rechten Ufer des Skamandros (II. 24. 349), während wir den „Schönen H ü g e l " KccAAiKoAcbvri (II. 20, 53. 151) beim Simoeis zu suchen haben. Und ganz dicht am Skäischen Tor steht eine Eiche (pnyos (II. 6. 237; 7. 22; 9. 354; 11. 170; 21. 549). V o m Skäischen T o r führt ein Fahrweg dpa^iTÖs (II. 22. 146) südwärts um die Stadt herum. A u f ihm vollzieht sich die Flucht Hektors, der vom Skäischen Tor zur Warte und zum Feigenbaum und dann auf dem Fahrweg zum Dardanischen Tor eilt. Endlich werden auch die steinernen Waschgruben ttAuvoi der Troerinnen erwähnt; sie befinden sich bei den Quellen des Skamandros Kpouvoo (II. 22, 147—156. 208). Wenn wir diese Angaben mit der Wirklichkeit vergleichen und auf ihre Wahrheit prüfen, wird niemand annehmen, daß alle erwähnten Warten, Grabmäler, Bäume und dergleichen eine Nachprüfung gestatten. Sind doch diese Einzelheiten gewiß schon vom Dichter des Zornliedes lose und willkürlich
DARDANELLEN F Ü R DAS SCHIFFSLAGER U N M Ö G L I C H
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behandelt worden und liegt z. B. in den Angaben über Quellen des Skamandros sicher eine poetische Schilderung vor (II. 22. 147 fr.); dieser entspringt ja, wie wir sonst lesen, auf dem Idagebirge (II. 12. 21). Es kann sich also nur um Quellen handeln, die zu ihm hinfließen. Anders steht es mit den Angaben über Schiffslager, Kampffeld, Fluß und Stadt. Sie müssen im ganzen und großen der Wirklichkeit entsprechen; nur dann ist ein Rückschluß auf den Ursprung des Kerngedichtes gestattet; nur dann können wir auf einen Sänger schließen, der den Ereignissen nahe gestanden und durch eigenen Augenschein oder vom Hörensagen Aufklärung über das Kampfgebiet erhalten hat. Liegt es doch durchaus nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit, daß ein achäischer Aöde nicht allzulange nach den Ereignissen die Troas aufgesucht und sich ein Bild des Lagers, des Kampffeldes und der Stadt aufgebaut hat. Wie also sieht die Wirklichkeit aus? Ein Blick auf die Karte (Tafel 3 und 4) zeigt, daß sie der dichterischen Schilderung wenig oder gar nicht entspricht, wenn wir uns das Schiffslager an den Dardanellen denken. Der direkte Weg von Hissarlik-Ilios zur Meerenge—einen solchen und nicht einen erst westlichen und dann nördlichen Zickzackkurs müssen wir bei den Kampfschilderungen annehmen — ist 6,5 km lang. Der Weg führt nach kurzer Zeit über den Simoeis und dann durch ebenes Gelände zu drei Mündungen des Skamandros. Die klare, in den Kämpfen der Dichtung vorliegende Aufeinanderfolge von Stadt, weiter Ebene, Skamandros mit Furt, Bodenerhöhung und Lager, bei der eine Überschreitung des Simoeis überhaupt nicht in Frage kommt, ist in dem Gelände nordwärts zu den Dardanellen hin nicht vorhanden, und eine nennenswerte Bodenerhebung gibt es dort überhaupt nicht. Frei schweift der Blick auch heute von der Burgruine zur Meeresenge; es bedarf keines Spähers, um das Anrücken eines Heeres von da zu melden; man würde die
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Krieger mit bloßem Auge erkennen, wie man j a auch auf einem die Dardanellen durchfahrenden Schiff die Stätte des alten Ilios deutlich liegen sieht. Alles, was von der Warte des Aisyetes, vom Biwak am linken Ufer des Skamandros, von der zweimaligen Aufstellung der Troer auf dem Hange des Hügels oberhalb des Lagers und dem häufigen Überschreiten der Furt erzählt wird, entspricht nicht dem Landschaftsbild von Hissarlik aus nordwärts zu den Dardanellen hin. Also wären die Schilderungen wirklich nur ein Phantasieprodukt, zeigten keine Annäherung an die Wirklichkeit, wie wir bei den so scharf herausgearbeiteten Kämpfen des achäischen Sängers erwarten sollten? Aber was zwingt uns denn, das Lager an den Dardanellen zu suchen? Etwa die Dichtung? Wir haben oben die einzige Stelle der Ilias (II. 12. 17fT.; 7, 433fr. 459fr.), welche Skamandermündung und Lagerbefestigung in Verbindung setzt, als nicht bindend erkannt und sollten die an diese Stelle anknüpfende Tradition nicht überschätzen. Hat doch der kleinasiatische Dichter der Lagerbefestigung selbst den Zwang empfunden, sein Phantasiegebilde zu vernichten; er mochte sich sagen, daß man die Wahrheit seines eingefügten Mauerbaues überprüfen könnte, da doch natürlich die Dardanellen zu seiner Zeit von den ionischen Griechen stark befahren wurden; er hat sie deshalb von den Göttern zerstören lassen. Da im übrigen bei der Nennung des Lagers nie vom Skamandros die Rede ist und die sonstige Schilderung zum Gelände wenig stimmt, lassen wir die Tradition fallen, die von einer naiven Verkennung des Flußgebietes an den Dardanellen zeugt. Läßt sich doch aus den natürlichen Verhältnissen beweisen, daß in den Niederungen an der Meerenge und an den Mündungen des Skamandros infolge häufiger Überschwemmungen ein Lager von der Art des achäischen
SCHIFFSLAGER AN DER BESIKABUCHT
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auch nur für kurze Zeit unmöglich ist (P. W. Forchhammer, De Scamandro, Dissert. Kiel 1841, S. 143). Das SchifFslager hat nicht im Nordwesten, sondern im Südwesten von Ilios am offenen Meer gelegen. Dahin führen uns die Kämpfe der Dichtung; dahin führt uns an der Hand topographischer Untersuchungen die Wirklichkeit; durch sie gewinnen die Angaben der Ilias und besonders die des Zornliedes volles Licht. A. Brückner war der erste, der den Landungsplatz der Achäer in der heutigen Besikabucht südwestlich von Troia suchte und seine Theorie mit gewichtigen Gründen belegte (Archäolog. Anzeiger, Berlin 1912, Heft 4). O . Mey stellte, unabhängig von Brückner, dieselbe Theorie auf, und W. Dörpfeld trat ihr bei (Festschrift für A. Götze 1925, 115ff.). Auch W. v. Diest hatte sich in seinem Aufsatz „Die Dardanellen im Weltkrieg" der Besika-Theorie mit beachtenswerten Gründen angeschlossen (Ztschr. der Ges. für Erdkunde, Berlin 1916, 200). Volle Klarheit schaffte eine Expedition nach der Troas, die O. Mey 1924 in Begleitung von Dörpfeld und Schede unternahm (Das Schlachtfeld von Troia 1926). Die Untersuchung der Besikabucht und des Geländes zwischen Bucht und Stadt hat wichtige Ergebnisse gezeitigt, die kurz erwähnt werden sollen. Bei der Namennennung sind die gütigst zur Verfügung gestellten Karten der Schrift von O. Mey zugrunde gelegt (Tafel 3. 4). Folgendes läßt sich danach als erwiesen annehmen: Die Besikabai, etwa 10 km von Ilios entfernt, ist im frühen Altertum um mehr als 1,2 km weiter östlich verlaufen als heute und war damals eine tiefe Bucht. Demnach würde die Entfernung eines dortigen Schiffslagers bis Ilios etwa 8 km betragen haben (Mey, Das Schlachtfeld von Troia, S. 19). Die Bucht ist zu beiden Seiten durch Höhen und Vorgebirge begrenzt (S. 26). A m Nord- und Südende befinden sich noch heute je drei Quellen, und die geologische Struktur gestattet die Annahme, daß solche Quel-
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE
len auch in altgriechischer Zeit möglich und im Gange waren (S. 13). Zwischen der Sigeion-Höhe und der von Jerkessi erstreckt sich eine Erhebung von etwa 1 5 m Höhe und bildet einen Isthmus, der aus tertiären Ablagerungen besteht; er steigt vom Westrande der Skamanderebene etwa 5—6 m an und fällt vom Scheitel etwa 15 m zur Besikabucht ab. Durch diesen Isthmus ist frühestens in hellenistischer, wahrscheinlich aber erst in byzantinischer Zeit ein Kanal gegraben, um das Wasser des Bunarbaschibaches zur Bewässerung des westlichen Geländes zu gewinnen (S. 14). Der Skamandros hat im Lauf der Zeiten sein Bett verändert, und nach aufgefundenen alten Bachbetten (s. Tafel 3) läßt sich annehmen, daß er damals im westlichen Teile der Ebene geflossen ist, etwa 1,5 km östlich von dem erwähnten Isthmus und in 2—3 m Eintiefung (S. 21 u. 31). Der Ablauf des Skamandros vollzog sich im Altertum noch wesentlich ungehinderter als heute, und die heutige Versumpfung der Skamandrosebene existierte zu Homers Zeit noch nicht (S. 20). Was ist also durch die Untersuchungen Meys für die achäische Zeit festgelegt? Eine tiefe Bucht am offenen Meer, die heutige Besikabai, mit einem nördlichen und östlichen Gestade; eine Bodenerhebung nordostwärts von der Bucht, die sich zum Flußgebiet des Skamandros hin abdacht; ein Flußbett des Skamandros, nicht weit von der Erhebung entfernt; eine Ebene jenseits des Flusses zur Stadt hin, westlich vom Skamandros, nordwärts vom Simoeis begrenzt. Ganz dasselbe Bild hatten wir aus der Dichtung gewonnen. Wir dürfen also von einer Bestätigung der epischen Schilderung durch die Wirklichkeit reden, dürfen behaupten, daß dem Schöpfer des Kernliedes ein einheitliches Landschaftsbild vorgeschwebt hat, in welchem das Lager an der Besikabai, die Bodenerhebung, der Fluß, die Ebene und Ilios immer in gleicher Beziehung zu einander standen. Falls er nicht selbst die Troas gekannt hat, ist sein Gewährsmann ein Achäer
DICHTUNG U N D WIRKLICHKEIT STIMMEN ÜBEREIN
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gewesen, der alles von den Höhen am Meer und vom Skamandrostal aus sah; denn während von Troia das Besikaufer nicht zu sehen war, brauchten die Achäer nur einige Meter an der nördlichen Höhe emporzusteigen, dann sahen sie über den 0pcoa|i6s hinweg und hatten Ilios und die ganze Skamanderebene vor Augen. In den Erweiterungen und Zudichtungen späterer Jahrhunderte hat mehr und mehr die Phantasie gewaltet. Dem ersten Dichter war noch alles klar; die späteren verwoben mit dem überlieferten Landschaftsbild andre Schilderungen, ohne sich um Widersprüche zu kümmern, die dadurch entstehen mußten. Solche Widersprüche zur realen Topographie des Kernliedes liegen vielfach vor, was ohne weiteres zugegeben werden muß. Die bedeutsamste Stelle (II. 12.17—33) wurde oben besprochen. Auch II. 16. 396—397 bringt eine ganz unklare Angabe; Vers 397 ist eben späte Interpolation. Ferner darf der Kampf am Fluß mit seinen phantastischen Ausmaßen (II. 21. 228—382) als kleinasiatische Ausschmükkung der ursprünglichen Dichtung gelten (II. 21. 211—227), desgleichen große Teile des Mauer- und Götterkampfes mit den erdichteten Landschaftsbildern (II. 12. 5—444 u. II. 20. 4—380). Hingegen bieten meines Erachtens einige Stellen, in denen manche Kritiker einen Widerspruch zur Festlegung des Lagers in der Besikabai finden, keine Schwierigkeiten. II. 12. 2
39— 2 4° heißt es seitens Hektors: „Um die breitgeflügelten Vögel kümmere ich mich nicht und frage nichts danach, ob sie rechtshin fliegen, dem Frührot zu und der Sonne, oder nach links zum dämmerigen Westen". Dies ist nicht von der Richtung zum griechischen Lager hin gesagt, sondern von der Stellung des Vogelschauers, dessen Augen nach Norden blicken. Den gleichen Wortlaut für die Bezeichnung des Westens und Ostens hat auch das Kerngedicht der Odyssee (Od. 9. 26; 13. 240—241). Und II. 12. 253ff. lassen sich
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sehr gut auf die Achäer beziehen, die das Lager in der Besikabucht verteidigen. Denn der vom Ida kommende Wind wirbelt ihnen den Staub ebenso entgegen, wie wenn sie an der Skamandermündung stünden. Nicht anders ist es II. 8. 75 fr. mit dem vom Ida herniederfahrenden Blitz. Andrerseits finden sich Stützen für die ursprüngliche klare Ansetzung des Lagers, Flusses und Kampfgeländes. So erfahren wir nach Strabon (XIII 599) durch Demetrios von Skepsis, daß das Grabmal des Aisyetes, also der Punkt, auf dem der troische Späher saß, sich fünf Stadien (etwa 1 km) von Ilium Novum entfernt auf dem Wege nach Alexandria Troas befunden habe. Diese Überlieferung muß aus einer Zeit stammen, als man das Schiffslager noch in der Besikabucht suchte; denn der Weg von Ilium Novum nach Alexandria Troas führt, wie die Karte zeigt, nicht nach den Dardanellen, sondern südwestlich in der Richtung der Besikabai. O. Mey hat im Jahre 1930 die von Demetrios festgelegte Stätte besucht und gefunden, daß man zwar von dort ein Schiffslager in der Besikabai nicht hat sehen können, aber doch einen wesentlich besseren Einblick auf die Örtlichkeit gehabt hat, wo das Achäerheer hervorbrechen konnte. Wollen wir aber diese überlieferte Angabe über das Grabmal des Aisyetes unbeachtet lassen, weil sie auf Tradition beruht, so gibt die Dichtung selbst indirekt Beweise für ein Schiffslager an der Besikabai an die Hand. Die Achäer machten von ihrem Lager aus Beutezüge. Achilleus erobert Chryse, Lyrnessos, Theben (II. 1. 366; 6. 415—416; 9. 328; 19. 60; 20. 92 und 191). Ein Blick auf die Karte zeigt, daß diese Orte südlich von Ilios liegen. Der Gedanke liegt nahe, daß diese Eroberungen eine Sicherung des Lagers an der Besikabucht nach rechts bringen sollten. Für ein Lager an den Dardanellen wäre eine linke Deckung über Rhoiteion hinaus nötig gewesen; davon ist aber nirgends die Rede. Immer erfolgen die Züge südwärts. Auch Tenedos und Lesbos, jenes von der Besikabucht leicht
ÜBEREINSTIMMUNG AUCH IN WEITERER UMGEBUNG TROIAS
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erreichbar, sind von Achill erobert worden (II. 1 1 . 6 2 5 ; 9. 129 und 271). Er geht ferner, was von der Besikabucht ohne große Gefährdung möglich ist, in das Gebiet des Ida und vertreibt den Aineias (II. 20. 90—91 und 188—189) und die Priamiden Isos und Antiphos (II. 1 1 . 105). Dadurch wird verständlich, daß die Achäer in seinen Ausläufern ungestört Holz holen, als sie es für die Verbrennung der Gefallenen und für den Scheiterhaufen des Patroklos brauchen (II. 7. 420; 23. 117). Von den Dardanellen selbst hätte die kühnste Phantasie das Heer nicht zum Ida ziehen lassen, während die Vorberge von der Besikabucht leicht zu erreichen waren und die Erfindung des Dichters nur in den Zeitangaben dem jedesmaligen Bedürfnis der Dichtung Rechnung zu tragen brauchte. Daß der Ida in der Erinnerung aller Teilnehmer an den Kämpfen eine große Rolle gespielt haben muß, zumal sie ihn von der Besikabucht in greifbarer Nähe hatten, liegt auf der Hand. Er erreicht eine Höhe von 1800 m, heißt noch heute Ida und ist das einzige Gebirge, das dort in unvergeßliche Erscheinung tritt; mit seinen zwei Schneebergen gewaltig herüberragend, bildet es einen großartigen Abschluß des südöstlichen Horizontes. Der Dichter läßt die Dardaner an seinen Hängen wohnen (II. 20. 216). Aineias, der Sohn des Anchises und der Aphrodite, beherrscht sie (II. 2. 819— 821), bis Achilleus ihn verjagt. Eine der Kuppen des Gebirges heißt Gargaron. Von der höchsten Spitze schaut der Göttervater dem Kampfe zu und sendet von dort seine Blitze und Sturmwinde (II. 8, 47—52. 75. 170. 207. 397. 410. 438; 1 1 , 183. 196. 337; 12. 253). Auch in der weiteren Umgebung Troias also findet eine vollkommene Übereinstimmung der dichterischen Schilderung und der Wirklichkeit statt. Wir dürfen überzeugt sein, daß der Dichter des Zornliedes über das große Gebirge und seine schneebedeckten Kuppen ebenso unterrichtet gewesen ist, wie über Lager und Burg, Kampfgelände und Flüsse. 3
R ü t e r, Epen
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE b. I T H A K A Taf. 2. 5. 6
„Das abendschöne Ithaka ist meine Heimat. Dort ragt der Neriton, der blätterschüttelnde, empor. Viele Inseln liegen ringsum, einander sehr nahe: Dulichion, Same und das waldreiche Zakynthos; Ithaka liegt am Festland, als allerletzte Insel nach Westen. Die andern liegen vom Festland entfernt, der Morgenröte zu und der Sonne. Steinig ist meine Insel, doch erzeugt sie tüchtige Männer. Lieberes als meine Heimat vermag ich nirgends zu schauen." So lauten die Worte des Dulders, der den gastlichen Phäaken seinen Namen nennt und sein Ithaka schildert (Od. 9. 21—28). Und im Katalog der Ilias heißt es: „Odysseus führte die mutigen Kephallenen; sie hatten in Ithaka ihren Sitz und im waldreichen Neritos, in Krokyleia und im steinigen Aigilips, in Zakynthos und in Samos, auf dem Festland und an der Küste gerade gegenüber" (II. 2. 631—635). Was sagen uns diese Stellen über Ithaka? Die erste schildert die genaue Lage der Insel im Verhältnis zum Festland und zu den benachbarten Inseln; drei derselben werden genannt: Dulichion, Same, an andrer Stelle auch Samos (Od. 4. 671), und Zakynthos, offenbar die wichtigsten. Sodann erfahren wir etwas über die Bodenbeschaffenheit und die Männer von Ithaka. Die Stelle der Ilias kennt im Reich des Odysseus außer Ithaka fünf Inseln: Neritos, Krokyleia, Aigilips, Zakynthos und Samos; sie nennt seine Untertanen Kephallenen und läßt sie außer auf den Inseln auch gegenüber der Küste an und auf dem weiteren Festland wohnen. Wenn wir eine Karte Griechenlands betrachten, ist die Schilderung der Lage Ithakas in der Odyssee unverständlich. Es soll nahe am Lande liegen und die westlichste aller Inseln im Umkreis sein, westlicher als Dulichion, Same, Zakynthos, die mehr dem Osten zugewandt sind. Das trifft für das heutige Ithaka nicht zu, auch dann nicht, wenn wir uns erinnern, daß auf
ITHAKA IM HEIMKEHRLIED UND IM KATALOG
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allen K a r t e n des Altertums die Küste des griechischen Festlandes fast genau von Osten nach Westen läuft, und daß Strabon angibt, die Fahrt von Kerkyra zum Ambrakischen und Korinthischen Golf gehe nach Osten (Strabon V I I . 324). Im Altertum und noch später wurde also die Richtung der Küste von Korfu bis zum Korinthischen Golf als eine vom Westen nach Osten verlaufende angesehen. Der Geograph Partsch bringt dafür zahlreiche Beispiele aus der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit (Kephallenia und Ithaka, Ergänzungsheft Nr. 95 zu Petermanns Mitteilungen 1890, S.56). Aber auch bei dieser Einstellung ist Ithaka nicht die westlichste der genannten Inseln und liegt auch nicht in der Nähe des Festlandes. Auffällig ist sodann, daß im Bericht des Schiifskataloges Dulichion aus der Reihe der vier Inseln verschwindet, und daß Namen wie Neritos, Krokyleia, Aigilips auftauchen. U n d auf diesen Inseln sollen Kephallenen als Untertanen des Odysseus leben (so auch O d . 24, 355. 378. 429), die sonst nur auf dem Festland wohnen (Od. 20. 210); Dulichion aber wird statt dessen in Verbindung mit den Echinaden als Insel des Meges erwähnt (II. 2. 625fr.). Wir haben mithin auf Grund der Epen zwei Gruppierungen der Inseln vor dem Korinthischen Golf: Ithaka, Dulichion, Same oder Samos, Zakynthos und Ithaka, Neritos, Krokyleia, Aigilips, Zakynthos, Samos. Die zweite ist, wie wir sehen werden, jüngeren Datums. Dazu kommt als dritte und letzte die der historischen Zeit: Leukas, Ithaka, Kephallenia, Zakynthos. Sind etwa diese vier Inseln denen gleich, die in der Odyssee genannt werden: Ithaka, Dulichion, Same (Samos), Zakynthos? Die antiken Gelehrten haben fälschlich geglaubt, Leukas sei in Homerischer Zeit eine Halbinsel gewesen. Sie haben daher die in der Odyssee genannten Inseln, weil sie Leukas unberücksichtigt ließen, falsch verteilt. Z u m Teil verlegen sie Dulichion in das westliche, Same — Samos
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in das östliche Kephallenia (Pherekydes bei Strabon X 456; Pausan. V I 15. 7); oder sie lassen Kephallenia in Homerischer Zeit aus zwei Teilen bestehen, die erst durch Entstehung eines sie verbindenden Isthmus vereinigt wurden (Strabon X 456); oder sie sagen, Kephallenia sei das Homerische Same (Samos) und Dulichion eine der Echinaden (Strabon X 458). Das heutige Ithaka jedoch oder Thiaki, wie es im Volksmunde heißt, und wie wir es nennen wollen, gilt allen als die Heimat des Odysseus. Es gibt im Altertum zwar eine Frage nach einer der vier Inseln, aber keine eigentliche Ithakafrage. Während des Mittelalters schweigen die Nachrichten. Erst vom Ende des x 7. Jahrhunderts ab wird Thiaki von Reisenden aufgesucht, und Anfang des 19. Jahrhunderts beginnen die ersten Grabungen. Hierüber und über den Verlauf der Ithakafrage sei aus dem Werk Dörpfelds einiges Wesentliche mitgeteilt (Alt-Ithaka 1927, S. 6—23). Als erster gräbt der Engländer William Gell in der'Mitte der Insel auf dem Berge Aetos nach der Stadt Ithaka und dem Königshaus und hält die dort von ihm gefundenen Ruinen aus klassischer Zeit fälschlich für den Palast des Odysseus (W. Gell, Geography and Antiquities of Ithaka, London 1807). Seit den griechischen Freiheitskämpfen mehren sich die Veröffentlichungen über Griechenland, die auch Thiaki behandeln. K . H. W. Völcker erkennt als erster, daß die Lage Thiakis zu den Angaben Homers über die Heimat des Odysseus nicht paßt (Über Homerische Geographie und Weltkunde, Hannover 1830). Martin Leake sucht die Stadt Ithaka nicht auf dem Aetos, sondern im nördlichen Teil der Insel bei Stavros, einer Stelle, an der noch heute der Name Polis haftet (Travels in Northern Greece, London 1835, III. 44). Rudolf Hercher meint wie Völcker, daß der Dichter des 9. Buches der Odyssee sich sein Ithaka als die westlichste Insel einer Gruppe denkt, die sich von Osten nach Westen erstreckt und, von Ithaka abgesehen, aus Dulichion, Same und Za-
ITHAKA DES HEIMKEHRLIEDES IST NICHT THIAKI
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kynthos besteht. Da die Lage Thiakis damit nicht übereinstimmt, folgert er, daß die Geographie der Odyssee der Wirklichkeit nicht entspreche und auf dichterischer Erfindung beruhe; der Dichter habe die Ionischen Inseln nicht gekannt, sie willkürlich angesetzt und nach Belieben ausgestattet (Homer und das Ithaka der Wirklichkeit, Hermes 1866, I. 263 und Homerische Aufsätze 1881, 1 ff.). Joseph Partsch hält im Gegensatz zu Hercher an Thiaki als dem Ithaka Homers fest, obwohl er erkennt, daß das Altertum und das frühe Mittelalter der Küste von Akarnanien und Epirus und allen vorgelagerten Inseln eine westöstliche Richtung beigelegt hat, und obwohl Thiaki dann seiner Lage nach der Homerischen Schilderung nicht entspricht (Kephallenia und Ithaka 1890). Er muß zu dem Zweck Leukas für eine Halbinsel erklären und aus der Zahl der vier Homerischen Inseln streichen. Erst 1907 hat er in einem Aufsatz über die Inselnatur von Leukas zugegeben, daß Leukas geologisch als geborene Insel anerkannt werden muß und zur Zeit Homers mehr Insel gewesen ist als heute, wo es von jedermann als Insel bezeichnet wird, amtlich und im Volksmund (Peterm. Geogr. Mitt. 1907, 12. Heft 1 ff.). H. Schliemann hat trotz Hercher im Jahre 1878 auf Thiaki und zwar bei Polis und auf dem Aetos Grabungen veranstaltet. Da er bei Polis nichts findet, sieht er mit Gell in den aus klassischer Zeit stammenden Ruinen des Aetos die Stadt und Burg des Odysseus und findet auch alle anderen Landmarken des Homerischen Ithaka auf Thiaki wieder (Ilios 1881, S. 54). Der Kephallene Th. Kuruklis bestreitet als erster die Identität von Thiaki mit dem Ithaka Homers; er sucht es in Kephallenia; in Thiaki sieht er Same und in Leukas Dulichion (Zeitschr. 'H Qucris 1893, Nr. 37 u. 38). Auch R . C. Jebb rechnet Leukas zu den vier Inseln der Odyssee und fordert, daß deren Lage unabhängig von der Tradition, allein nach den Angaben des Epos geprüft werde (R. C.Jebb,Homer 1887).
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Bei einer Besprechung des Buches von R. C. Jebb weist H. Draheim darauf hin, daß die Schwierigkeiten der Homerischen Geographie Ithakas vielleicht gelöst werden könnten, wenn man annehme, daß die Insel Leukas das Ithaka Homers sei (Wochenschrift für klass. Philologie 1894, S. 62f.). Hier ist zum erstenmal die Gleichung Leukas—Ithaka aufgestellt, wenn auch nur vermutungsweise und ohne daß die Vermutung begründet wird. Dann geht W. Dörpfeld tatkräftig und unabhängig von Draheim und Kuruklis an die Lösung der Ithakafrage und gelangt durch Forschungen und Grabungen zu dem Ergebnis, daß das Ithaka der Odyssee nicht in Thiaki, sondern in Leukas zu suchen ist, daß aber im Schiffskatalog der Ilias von Thiaki geredet wird. Dörpfeld hat Thiaki 1897 besucht und sich schon damals gefragt, als er auf der Höhe bei Stavros die Insel Leukas im Norden vor sich sah, warum wohl niemand in ihr die vergeblich gesuchte vierte große Insel der Odyssee erkenne. Auch bei dem Bericht über diese Fahrt in einer Sitzung des Archäologischen Instituts zu Athen hat er den Bedenken Ausdruck gegeben, die von verschiedenen Gelehrten, besonders von Hercher, gegen die Gleichsetzung von Thiaki mit dem Homerischen Ithaka erhoben waren, und hat mit den Worten geschlossen, wenn überhaupt das Homerische Ithaka in Thiaki erkannt werden dürfe, seien Stadt und Königshaus im nördlichen Teil der Insel bei Stavros zu suchen. Im Jahre 1900 hat er dann nach kurzen ergebnislosen Grabungen oben bei Stavros und unten bei Polis mit einer großen Zahl von Archäologen neben Thiaki auch Leukas aufgesucht und dabei die überraschende Feststellung machen können, wie gut auf Leukas im Gegensatz zu Thiaki alle Angaben des Epos hinsichtlich der Lage und Landmarken passen. Er hat festgestellt, daß nur in der Ebene von Nidri die Stadt des Odysseus in Frage komme, und daß sich in ihr Wohnhäuser, Gräber und Gegenstände aller Art erhalten haben müßten. Er hat
LEUKAS, DAS ITHAKA DES HEIMKEHRLIEDES
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dann von 1901—1913 gegraben und mit den Grabungen Resultate erzielt, die nach seiner Meinung mit der Schilderung des Epos im Einklang stehen. Alle Forschungen sind in seinem zweibändigen Werk „Alt-Ithaka" niedergelegt, seine eigenen und die von vier Mitarbeitern: Peter Goeßler, Ernst van Hille, Wilfried von Seidlitz, Richard Uhde. 1927, W. de Gruyter & Co., Berlin. Die Dörpfeldschen Hypothesen haben zu einem lebhaften Streit zwischen den Fachleuten aller Nationen geführt. Die einen haben sie abgelehnt; andere haben Leukas als vierte Insel der Odyssee, aber nicht als Alt-Ithaka anerkannt, wieder andere haben der Beweisführung zugestimmt. Der Kampf um Leukas-Ithaka ist von Dörpfeld in seinem Buch „Alt-Ithaka" geschildert (S. 29—55). Ich darf hier bekennen, daß auch ich mich nach einer Fahrt durch die Ionische Inselwelt und nach einem Besuch von Leukas unter Dörpfelds Führung im Jahre 1910 den Ergebnissen seiner Forschungen und Grabungen nicht habe verschließen können (Rüter, Grundlinien der Dörpfeldschen Hypothese, Jahresbericht des Domgymnasiums in Halberstadt 1911). Die vorliegende Untersuchung beabsichtigt nicht, das Für und Wider nochmals zu erörtern; sie hat den alleinigen Zweck, festzustellen, ob sich aus den Grabungen und Forschungen in Thiaki und in Leukas für die Entstehungszeit der Ilias und Odyssee bzw. der Kernlieder Schlüsse ziehen lassen. Vorher aber muß das Verhältnis der ersten Inselgruppierung in der Odyssee zur zweiten des SchifFskatalogs geklärt werden, obschon der Katalog noch an anderer Stelle besprochen werden soll. Wir dürfen getrost behaupten, daß sie zeitlich durch einige Jahrhunderte geschieden sind. Der Katalog gehört, wie von der Kritik allgemein zugegeben wird, frühestens in das 8. Jahrhundert. Auf der Grundlage eines Verzeichnisses hellenischer Stämme, Landschaften und Städte hat ein ionischer Aöde eine im Zornlied vielleicht schon vorhandene
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kurze Darstellung der Teilnehmer am Troischen Kriege ergänzt und aus der Menge bestehender anderer Epen die Namen der Helden, die Zahl ihrer Schiffe und einzelne Ereignisse eingefügt. Sie bedeuten wenig oder nichts für die Erklärung der Gedichte, sind aber wertvolle Zeugen einer beginnenden historischen und erdkundlichen Forschung. Für die Ithakafrage ist es sogar wichtig, daß der Katalog den Odysseus nicht über Achäer, sondern über Kephallenen herrschen läßt. Inzwischen müssen also die Achäer der Inseln ihre Bedeutung verloren haben. Wir fragen: Wie ist das gekommen? Wie vermochten die Kephallenen, die nach der Odyssee (Od. 20. 210), von Buch 24 abgesehen, auf dem Festland saßen und offenbar ein von den Achäern unterworfener Volksstamm waren, plötzlich Bewohner der Inseln zu werden, so daß eine derselben später den Namen Kephallenia erhielt? Es waren zur Zeit der Dorischen Wanderung Verschiebungen vor sich gegangen; die einzelnen Stämme und Stadtbewohner hatten ihre Sitze verlassen, waren nach anderen Inseln gewandert und hatten ihre Namen mitgenommen. Wo die Ithakesier wohnten, da war das neue Ithaka; denn für die Griechen machte nicht der Boden die Stadt aus, sondern die Bürger. Sie übertrugen den Namen des Mutterlandes auf die neue Siedlung. Dergleichen hat es in Griechenland und an der Küste des Mittelmeeres überall gegeben, gerade wie im alten Germanien. Die um 1100 vom Norden des Balkans vordringenden Dorier (Thuk. I 13) dürften die Ursache gewesen sein, daß sich die Kephallenen des Festlandes samt den Achäern des jetzigen Leukas auf die weiter seewärts gelegenen Inseln begaben, und daß beim späteren Überwiegen der Kephallenen Odysseus für den Nachdichter des Katalogs zum Kephallenenkönig wurde (II. 2.631; 4.330), desgleichen für den Zusatzdichter zum Heimkehrlied. Solcher Zusatz liegt im 24. Buch vor; nur in ihm werden die Ithake-
VERSCHIEBUNG VON FESTLAND- U N D INSELBEWOHNERN
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sier und die anderen Inselbewohner Kephallenen genannt (Od. 24, 355. 378. 429). ^ Daß die Nachdichter diese historischen und geographischen Verhältnisse erfunden haben sollten, ist nicht anzunehmen. Sie kannten die Ereignisse des 12. Jahrhunderts nicht und wußten es nicht anders, als daß Thiaki das Ithaka des Odysseus und Neritos bzw. Neritis — so hieß Leukas bis zum 7. Jahrhundert — das heutige Leukas war (Plin. Nat. hist. I V 1 . 5 ; E. Oberhummer, Akarnanien 1887, S. 73). Die seefahrenden ionischen Landsleute überbrachten ihnen solche und andere Nachrichten. Die Stadt des Odysseus lag also damals für die Aöden und Rhapsoden auf Thiaki. Wir fragen: Wo werden sie dieselbe gesucht haben? Wo finden sich auf Thiaki Spuren der flüchtigen Achäer? Die Tradition sucht sie bei Polis! Es ist somit durchaus verständlich, daß die Bewohner der Insel und ihre Besucher von Polis aus nach den sonstigen Landmarken Ithakas suchten und sie fanden, weil sie sie finden wollten, obschon sie wenig oder gar nicht zu dem paßten, was achäische Dichter darüber gesungen hatten. Sehen wir uns nunmehr nach den Stellen um, wo man gegraben hat, und vergleichen wir die Ergebnisse der Grabungen und Forschungen mit der Dichtung. Infolge der vorhin erwähnten Überlieferung haben die Grabungen nicht da begonnen, wo Vathy liegt, der Hauptort Thiakis. Er hat den schönsten Hafen der Insel. Von Patras aus erreicht ihn das Schiff, indem es zunächst auf Thiaki zu nach Nordwesten fährt und dann mit scharfer Wendung nach Südwest in den Golf von Molo einläuft. Man sieht die beiden gebirgigen Hälften der Insel, zur Rechten die Nordhälfte Anoi, auf der die Erklärer teils den Neiion und teils den Neriton suchen; geradeaus die Südhälfte Stephani. Die beiden Hälften sind durch einen schmalen Isthmus verbunden, auf dem der 380 m hohe Adlersberg (Aetos) emporragt. Aus dem Golf von Molo geht dann die Fahrt fast im rechten
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Winkel nach Südosten, in den Busen von Dexia und weiter in den von Vathy, so genannt wegen seiner horizontalen Tiefe. Wie ein weißer Saum umgibt die an ihm liegende gleichnamige Stadt den südwestlichen und südöstlichen Küstenrand der Bucht. Hinter ihr dehnt sich die fruchtbare Ebene und steigt allmählich zu den Höhen empor, in deren südlichstem Teil bei Marathia die Wohnung und die Weideplätze des Eumaios gesucht werden (Od. 14. 6; 14. 399; 24. 150); sie liegen etwa eine Wegstunde vom südlichsten Ende der Insel entfernt (irpcoTT) ocktti M0öckt|s), wo man denTelemach bei seiner Rückkehr aus Pylos landen läßt (Od. 15. 36). Die Vathy-Bucht gilt nach der Überlieferung als der Hafen des Phorkys, wo die Phäaken den heimkehrenden Odysseus ans Land setzen (Od. 13.96 fr.). Gerade im Gegensatz hierzu glaubt Dörpfeld, daß Grabungen bei Vathy achäische Funde ergeben würden, weil an diesem besten Hafen der Insel mit der wasserreichen Ebene zu allen Zeiten der Hauptort der Insel gelegen haben müsse; dann könne er freilich nicht der einsame Phorkyshafen gewesen sein (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 149). Hinsichtlich der Grabungen an anderen Stellen Thiakis und zwar bei Stavros-Polis einerseits und auf dem Aetos andrerseits verweise ich für die Zeit bis 1927 auf Dörpfelds ,,Alt-Ithaka"; einige seiner Schlußworte seien zitiert (1927, 151): „Die Ausgrabungen Vollgraffs und Goekoops auf Thiaki sind ebenso erfolglos gewesen, wie die früheren von Gell, Schliemann und mir. Wir alle haben die achäische Stadt des I I . Jahrtausends dort nicht finden können, weil wir sie an der falschen Stelle gesucht haben. Nach meiner Meinung müssen die Grabungen auf Thiaki fortgesetzt werden. Dabei werden nicht nur Bauwerke und Gräber der klassischen Zeit, sondern auch Reste des I I . Jahrtausends gefunden werden. Letzteres wird namentlich in der Ebene von Vathy der Fall sein, wo nach meiner Ansicht die achäische Hauptstadt der Insel Same im II. Jahrtausend gelegen hat."
GRABUNGEN AUF THIAKI BRINGEN KEINE KLARHEIT
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Die Voraussage Dörpfelds ist in Erfüllung gegangen. Engländer und Griechen haben in den letzten Jahren mit großem Eifer gegraben, sowohl in Polis und Stavros wie auf dem Isthmus am Aetos und im südlichen Teil. Von den Griechen, namentlich von Nik. Kyparissis, dem Ephoros der Altertümer, ist im südlichen Teil der Insel, in der Nähe von Vathy gegraben worden; ernste wissenschaftliche Resultate sind aber bis jetzt nicht erzielt. Veröffentlichungen über englische Grabungen sind in Einzelartikeln erfolgt (Proceedings of the Hellenic Travellers' Club 1932, Ithaca. The Rt. Hon. Sir Rennell Rodd S. 5. The Illustrated London News Dec. 6, 1930; Febr. 20, 1932; J a n . 14, 1933. W. A. Heurtley). Oberhalb der Bucht von Polis ist bei Stavros und Pilikata eine Ansiedlung gefunden mit denselben einfarbigen Vasen, die Dörpfeld in Nidri auf Leukas entdeckt und als Keramik der Homerischen Achäer nachgewiesen hat. Reiche Gräber dieser Zeit sind nicht gefunden. In einer großen Grotte neben der Bucht von Polis sind Gegenstände der späteren griechischen Zeit zu Tage gekommen und unter dem Meeresspiegel mykenische Vasen. Unter den Funden ist wichtig eine aus römischer Zeit stammende Scherbe mit der Weiheinschrift: „Gebet an Odysseus". Die Funde beweisen, daß dort im 12. Jahrhundert Achäer gewohnt haben, und daß im ersten Jahrtausend die Ithakesier dort wohnten und den Odysseus verehrten (Ann. of the Brit. School of Athens X X X I I I 1935, S. 1—65: Lord Rennell of Rodd „The Ithaca of the Odyssee"; W. A. Heurtley and H. L. Lorinser „Excavations in Ithaca I). Ist demnach Thiaki doch die Stadt und Insel des Odysseus gewesen? Angenommen, das Heimkehrlied stammte von einem achäischen Dichter des Mutterlandes, können wir glauben, daß er dies Thiaki als die am meisten nach Westen und in der Nähe des Festlandes gelegene Insel bezeichnet hätte (Od. 9. 21—28); daß er von den Herden des Odysseus ge-
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sagt haben würde, sie weideten auf dem Festland gegenüber von Ithaka (ev iyrreipcp) (Od. 14.100) und Fährleute (TTopöpfjES, nicht vocGtou) vermittelten den Verkehr zwischen dem Festland und Ithaka (Od. 20, 187. 210); daß er endlich die Möglichkeit gleichsam eines Landverkehrs zwischen dem Festland und diesem Ithaka angenommen hätte? So nämlich und nicht als Scherz ist die Wendung aufzufassen: ,,oü psv yocp t i äs irejov öionou ev0a8' ikectOcci". (Od. 1. 173; 14. 190; 16. 59.) Wir können unmöglich annehmen, daß er Thiaki so dargestellt hätte. War es doch für einen Dichter im Mutterlande ein Leichtes, über dessen Lage genaue Angaben zu machen. Die Inseln Zakynthos, Kephallenia und Thiaki sind heute wie damals vom Festlande aus, sowohl von Elis wie von Aetolien und Akarnanien, ihrer Lage nach genau zu bestimmen. Auch Leukas mit seinen Bergen ist selbst von Elis aus noch zu sehen. Hat also der achäische Sänger im 12. Jahrhundert sein Heimkehrlied geschaffen, so muß er unter Ithaka eine andere Insel als das heutige Thiaki verstanden haben. Diesem zwingenden Schluß, an dem die achäischen Funde bei Polis nichts ändern, widerstreben alle, welche eine Entstehung der Dichtungen im Mutterlande leugnen. Sie folgern aus der mangelnden Übereinstimmung der poetischen Angaben mit der Lage Thiakis, daß der Dichter von der Ionischen Inselwelt überhaupt nichts gewußt habe, weil er in Kleinasien lebte, und daß die der Wirklichkeit entgegengesetzten Schilderungen geradezu ein Beweis für die späte Entstehung der Homerischen Dichtungen seien. Dem muß widersprochen werden. Sollte ein Sänger des neunten oder achten Jahrhunderts, in denen es einen regen Schiffsverkehr zwischen Ionien und dem Mutterlande gab, verkehrte Angaben über die allgemeine Lage Ithakas haben machen können, ohne bei seinen Hörern Anstoß zu erregen ? Viele von diesen kannten doch gewiß die Insel Thiaki, die damals schon der gesamten griechischen Welt als das Ithaka des Odysseus galt.
THIAKI N I C H T DIE ODYSSEUS-INSEL
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Ein erst in Kleinasien entstehendes Heimkehrlied würde an das heutige Thiaki angeknüpft und andere Schilderungen von seiner Lage und seinen Landmarken gegeben haben, als es die Odyssee tut. An einem schon vorhandenen Heimkehrlied aber ließ sich nichts ändern, ohne daß die größte Verwirrung entstanden wäre. Nur die Zudichtung in der Ilias, also der Katalog, und in der Odyssee vor allem das letzte Buch brachten die Änderungen, die seit der Dorischen bzw. Ionischen Wanderung eingetreten waren, nämlich eine andere Benennung der Ionischen Inseln und ihrer Bewohner. Können wir mithin die allgemeinen Schilderungen von der Odysseus-Insel, wie sie in den Epen vorliegen, unter keinen Umständen auf das heutige Thiaki beziehen und dürfen wir weder einem achäischen noch einem ionischen Dichter zutrauen, daß er ganz falsche Angaben über Thiaki und seine Landmarken gemacht hat, so gibt es nur einen einzigen Weg, der aus dem Dilemma führt. Dörpfeld hat ihn als erster beschritten. Wir müssen die im Heimkehrlied beschriebene Insel anderswo suchen; sie muß in achäischer Zeit die westlichste der ionischen Inseln gewesen sein, muß nahe am Festland gelegen haben und die Landmarken aufweisen, von denen im Heimkehrlied die Rede ist. Dies ist einzig und allein die nordwestlich von Thiaki liegende Insel, die seit dem 7. Jahrhundert Leukas heißt und vorher Neritis hieß. Sie muß in vordorischer Zeit Ithakesier beherbergt haben. Beweisend für diese Hypothese sind die Ausgrabungen, die, wie schon erwähnt, Dörpfeld von 1901 bis 1913 im heutigen Leukas veranstaltet hat. Wir werden ihre Ergebnisse mit den Angaben der Dichtung zu vergleichen haben. Die Grabungen der Engländer bei Polis auf Thiaki sind gleichwohl nicht vergeblich gewesen; sie beweisen, daß Dörpfelds Ansicht, bei Polis hätten schon im 12. Jahrhundert Achäer der Insel Same gewohnt, zutrifft; aber nach der Ver-
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treibung der Achäer aus Leukas durch die Dorier muß es die Niederlassung der geflüchteten Ithakesier geworden sein, die selbstverständlich in Erinnerung an ihre alte Heimat ein Heroon des Odysseus anlegten. Mit Odysseus und seinem Wohnsitz haben die mykenischen Vasen nichts zu tun; denn Telemach staunt über den mykenischen Palast des Menelaos, da er dergleichen in seinem Vaterhaus nicht kennt (Od. 4.. 44—46). Auch in Vathy saßen im 12. Jahrhundert Achäer; die in Polis angesiedelten Ithakesier gaben der Insel mit der Zeit ihren neuen Namen; an das neue Ithaka knüpften sich die Erinnerungen der späteren Griechen und blieben dauernd an ihr haften. Was die Funde der Engländer auf dem Isthmus betrifft, so scheinen sie phönikischen Ursprungs zu sein; es sind mykenische und korinthische Vasen zum Vorschein gekommen. Diese englischen Funde dürften beweisen, daß es dort in der Zeit der Entstehung der Kernlieder eine Niederlassung gab. Ihre Bewohner brauchen aber keine Achäer gewesen zu sein. Dörpfeld vermutet, daß es Phöniker waren, die j a mykenische Ware vertrieben, und deren Kolonien wir in jener Zeit überall auf dem griechischen Festland und auf den Inseln des Archipels sowie in Italien und in Sizilien finden. Plutarch erwähnt eine Stadt Alalkomenai auf Thiaki (Plut. Quaest. Graecae 43); es könnte die Niederlassung auf dem Isthmus gewesen sein, vielleicht dieselbe, die Strabon fälschlich auf den Isthmus des Inselchens Asteris verlegt ( X 457). Eine Stadt Alalkomenai gab es auch in Böotien; sie war von Minyern gegründet, also von arabischen Orientalen, wie wir noch sehen werden. An den dortigen alten Athenatempel knüpfte sich die Sage, daß die Göttin daselbst geboren sei (Paus. I X 33). In der Zudichtung heißt sie danach 'AAOCAKOHEvr|is 'AOtivti (II. 4. 8 u. 5. 908). Ferner gab es ein Alalkomenai in Illyrien. (Über Alalkomenai s. Otfr. Müller, Orchomenos 1844, 208).
ERGEBNISSE DER GRABUNGEN AUF THIAKI
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Aus beiden Grabungen ergibt sich jedenfalls nichts Positives über das Ithaka des Odysseus. Bestätigt wird nur, daß sich die Tradition, die Thiaki etwa vom 9. Jahrhundert ab, also in geschichtlicher Zeit, für Ithaka hält, auf eine tatsächlich vorhandene achäische Siedlung bei Polis zu gründen vermag. Dem entspricht im Katalog der Ilias die Benennung der Insel mit dem Namen, den sie seitdem behalten hat. Die sonstige Unvereinbarkeit Thiakis mit der Insel des Odysseus bleibt bestehen und verlangt nach den englischen Grabungen erst recht ein älteres Ithaka. Ist Leukas Alt-Ithaka? Gestatten die Funde Dörpfelds in der Nidri-Ebene die Annahme einer dortigen achäischen Stadt in vordorischer Zeit? Ist diese Stadt so gelegen, daß sie mit ihrer Umgebung dem im Heimkehrlied geschilderten Ithaka und seinen Landmarken entspricht? Diese Fragen wollen wir nur kurz beantworten, indem wir uns auf das monumentale Werk Dörpfelds und seiner Mitarbeiter stützen und aus der Fülle des Stoffes die Hauptsachen herausgreifen (W. Dörpfeld, Alt-Ithaka. Ein Beitrag zur Homer-Frage, 2 Bände, 1927, W. de Gruyter & Co., Berlin). Die Nidri-Ebene, in der Dörpfelds Grabungen der Hauptsache nach stattgefunden haben, hat ihren Namen vom Dorf Nidri; es liegt an der Ostküste der Insel bei der Einfahrt zu einer südlich tief ins Land eindringenden Bucht, die, anfangs schmal und bei Steno besonders eng — daher der Name — sich dann zu einem Rechteck von 2 km Tiefe und 1 km Breite, der sogenannten Vlicho-Bucht, weitet. Drei Wildbäche bahnen sich den Weg durch die Ebene, die sich, von Nord nach Süd gemessen, etwa 2 km am Meere und an der Bucht entlangzieht, westwärts etwa 2 km größte Tiefe hat und sich ganz allmählich erhöht: der Dimosari im nördlichen Teil als wasserreichster; der Platanos im mittleren, und im südlichen zwei Bäche, die von Charadiatika und Paläokatuna her sich vereinen. Im Winter und nach starken Regengüssen
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sind sie reissend, führen Steine, Kies und Erde mit sich und lagern die schweren Stoffe in den tieferen Teilen der Ebene ab. Im Sommer und Herbst pflegen sie trocken zu sein, doch müssen ihre Kiesbetten unterirdische Wasseradern haben, weil die Quellen der Bäche dauernd fließen, besonders die des Dimosari und des südlichen Baches oberhalb Paläokatuna in der Gegend des durch Bergrutsch verschwundenen Paläochori. Denn auch im Sommer sind die kleinen Gräben zwischen den Feldern mit Wasser gefüllt, das zum Meer abfließt, und das Grundwasser erscheint oft schon in einer Tiefe von i m. U m die Ebene erheben sich in amphitheatralischer Rundung hohe und höchste Berge der Insel; im Norden der eichenbestandene Skaros, im Westen die Elati-Gruppe, im Südwesten die im engen Zusammenhang mit dem Hauptgebirge der Insel stehenden Höhen des Lainaki. Zwischen dem Dimosari und Platanos, etwa 1200 m landeinwärts, fallen zwei Hügel in die Augen, der kleine runde Koloni und der größere elliptische Rachi. Die Grabungen Dörpfelds haben drei Schichten von Siedlungen festgestellt. Ganz oben oder unter einer Schicht von Kies und Sand liegt der Fußboden der römischen Zeit; unmittelbar darunter oder wieder durch eine Kiesschicht getrennt der der griechischen Periode, und noch tiefer, oft 1—3 m tief unter Kies und Sand, eine dritte, vorhistorische Schicht, die Dörpfeld für die der Homerischen Achäer des II. Jahrtausends hält. Die trennenden Kieslagen fehlen naturgemäß auf den Abhängen der Hügel und Berge und sind auch in der Ebene je nach den Ablagerungen, die stattgefunden haben, stärker oder schwächer. Die hauptsächlichsten Funde sind gemacht am Fuße des Skaros, zwischen den Hügeln Rachi und Koloni, im südlichen Teil der Ebene unterhalb Palaeokatuna und bei Steno. Für unsere Frage haben die achäischen besondere Bedeutung. In Betracht kommen vor allem Wohnhäuser und Gräber.
GRABUNGEN AUF LEUKAS ERFOLGREICH
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Ganze Wohngebäude sind in der Ebene nirgends freigelegt. Die Verschüttung der untersten achäischen Schicht ist zu stark gewesen, und die Kosten der Freilegung wären zu groß geworden. So sind immer nur einzelne Mauern ausgegraben. Diese bestehen meist aus unbearbeiteten Bruchsteinen oder Flußkieseln, die durch Erdmörtel zusammengefügt sind; die Außenseiten zeigen größere und eingefügte kleinere Steine. A n einer einzigen Stelle, 250 m westlich von Steno, hat man in denJahren 1907,1908 und 1910 mit der Freilegung der Grundmauern eines großen Gebäudes begonnen; doch wurde sie infolge des hohen, durch die Nähe des Meeres bedingten Grundwasserstandes nicht vollendet. Nur der obere Teil der Westmauer des Gebäudes ragte etwas über die Oberfläche des Wassers heraus und konnte untersucht werden. Die erhaltenen Erdschichten und zahlreiche achäische Topfscherben zwischen den Steinen bewiesen von vornherein, daß es sich um einen Bau des II. Jahrtausends handelt. Aber ihn in seinem Plan ganz aufzudecken, war auch nach Anlage eines Grabens, der das Grundwasser zum Meere ableiten sollte, nicht möglich. Der Wasserspiegel senkte sich nur wenig. Die einzelnen Mauerzüge waren nach wie vor nicht genau zu unterscheiden. Doch gelang es wenigstens durch Pumpen und Schöpfen die tieferen Schichten der westlichen Mauer des Gebäudes zu untersuchen und festzustellen, daß sie in ihrer Länge von 40 m — weder das nördliche noch das südliche Ende ist gefunden — ein Fundament von einer oder zwei Schichten runder Steine hat, und daß das aufgehende Mauerwerk im Äußeren aus flachen, horizontal liegenden Kalksteinplatten, im Inneren aus Bruchsteinen und runden Steinen besteht. Dörpfeld glaubt, daß wir in dem Gebäude bei Steno den Rest des zerstörten ithakesischen Königshauses vor uns haben. Und in der Tat hat diese Annahme viel für sich. Eine Hauptstütze findet sie durch die in der Nähe des großen Baues auf4
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gedeckten Gräber, die sich durch ihre Größe und die in ihnen gemachten Funde an Gold und Silber mit Recht als Königsgräber bezeichnen lassen. Der Anfang ihrer Auffindung wurde gemacht, als man 1908 von dem großen Bau aus Gräben aushob, um nach Gräbern zu suchen. Man stieß in dem nach Westen gerichteten Graben auf zwei große, aus runden Steinen verfertigte, mit flachen Platten umgebene Kreisbauten, die sich als Rundgräber herausstellten, wie sie bis dahin in der Nidri-Ebene noch nicht gefunden waren. Im Laufe der folgenden Jahre bis 1913 einschließlich wurden im Zusammenhang 33 Rundgräber aufgedeckt. Weil sie weiter vom Meere entfernt und auf höherem Gelände lagen als der große Bau, waren sie frei vom Grundwasser und der Untersuchung zugänglich. Ihre Beschaffenheit und ihr Inhalt sollen hier im engsten Anschluß an die Darstellung des Entdeckers kurz angedeutet werden (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 217 ff.). Bei allen umgibt ein schmaler äußerer Kranz von flachen, weißen Kalksteinplatten eine innere Schicht von runden Steinen aus den Flüssen der Nidri-Ebene. Die Platten sind dieselben wie die am großen Bau verwendeten und stammen sicher vom Amaliberg am Westufer des Vlicho-Hafens. Die Höhe des Plattenkranzes ist nicht zu ermitteln, weil der Oberbau der Rundgräber zerstört ist. Vorhanden sind in einem der Gräber noch acht Schichten von insgesamt 0.60 m Höhe. Die Gesamthöhe mag 1 m betragen haben. Die Durchmesser der Grabhügel in Kreisform schwanken zwischen 2. 70 und 9. 60 m. Die häufigsten Maße sind 4. 50—6. 75 m. Innerhalb der meisten Kreise befinden sich unter den großen, runden Steinen Brennplätze oder Reste von Scheiterhaufen, deutlich zu erkennen an einer Schicht von Holzkohlen. Dort ist also der Tote so verbrannt worden, daß nur die verweslichen Teile vom Feuer gedörrt wurden und das Skelett Hockergestalt annahm. Die Hocker wurden
KÖNIGSHAUS U N D KÖNIGSGRÄBER AUF LEUKAS
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oft in große Fässer aus grobem gebrannten Ton (Pithoi) gelegt und mehr oder weniger reiche Beigaben aus Metall (Gold, Silber oder Kupfer) hinzugefügt, auch aus gebranntem Ton (Gefäße und Wirtel) und aus Stein (Obsidian und Feuerstein). Das Tonfaß lag stets horizontal und wurde oben mit einem runden Gefäß oder einem Stein verschlossen. Darüber wurde dann eine Mischung von kleinen Steinen und Erde geschüttet, die einen kegelförmigen Erdhügel über dem gemauerten Steinkranz bildete. Stelen oder Grabsteine als Krönung der Hügel sind nirgends gefunden; waren sie vorhanden, wie wohl anzunehmen ist, so müssen sie aus Holz bestanden haben. Einen Eindruck des Gesamthügels versucht Prof. Krischen, der Schöpfer der Bilder zu Dörpfeld-Rüter, Homers Odyssee 1925, mit dem 15. Bilde (Anlageheft zu Band II) zu geben. Die Hocker befinden sich auch in Plattengräbern: vier senkrechte Kalksteinplatten umschließen als unregelmäßiges Viereck den Hocker und sind von einer fünften Platte überdeckt. Solche Steinkisten kommen nur als Nebengrab vor, neben den Pithoi, entweder im Grabhügel selbst nahe dem Rande oder draußen nahe am Steinkranz. Endlich hat sich in einigen Grabhügeln, und zwar in den großen von 9,30 m und 9,60 m Durchmesser, als Hauptgrab eine gemauerte Kammer gefunden, den Schachtgräbern in Mykene ähnlich, auch mit Steinplatten überdeckt, die sich wohl auf Holzbalken stützten. In einem einzigen Falle war der Hocker ohne feste Umhüllung durch Ton oder Stein. Da er reiche Beigaben hatte und mit einer großen Platte überdeckt war, scheint hier die Umhüllung aus Holz bestanden zu haben. Dörpfeld hält das Pithosgrab für die ältere Form der Bestattung, die gemauerten Kammern für die jüngere; doch will er in den Beigaben aller 33 Rundgräber einen einheitlichen Kulturkreis erkennen, der die ganze Zeit der achäischen 4*
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Schicht umfaßt. Achäische Gräberfunde sind noch an anderen Stellen der Ebene gemacht. Dort befinden sich naturgemäß noch zahlreiche Gräber aus der Zeit des II. Jahrtausends. Aufgedeckt sind nur wenige, auf die Dörpfeld bei seinen Grabungen zufällig gestoßen ist; so ein rundes Familiengrab am Südabhange des Skaros und am linken Ufer des Dimosari, von seinen Fluten nicht erreichbar, etwa 1250 m westlich vom Strand. Ein kreisrunder Grabhügel von etwa 12,10 m Durchmesser ist von einer Ringmauer umgeben gewesen; in verschiedenen Tiefen sind 13 Einzelgräber aufgedeckt, elf mit Platten, zwei ohne Platten, also ursprünglich wohl mit Brettern gebaut; meist waren darin liegende Hocker beigesetzt. Auch im Ölwald von Steno, etwa 800 m vom Meer entfernt und 250 m westlich der heutigen Fahrstraße, ist ein achäisches Familiengrab aufgedeckt in Form eines Rechtecks mit 10 Gräbern in verschiedener Höhenlage, in denen liegende Hocker waren und zwar 1, 2 oder 4 Skelette in einem Grabe. Desgleichen sind noch einzelne Plattengräber am Skaros und beim Hügel Koloni gefunden. Daß alle genannten Gräber einer ausgedehnten achäischen Siedlung angehören, ergibt sich aus der Tiefe der Erdschicht, in der sie gefunden sind; es folgt weiter aus den Gräberbeigaben. Diese sind in den sogenannten Königsgräbern reicher als in den anderen, die Dörpfeld mit Recht Bürgergräber nennt. Die Königsgräber enthielten Perlen, Ohrringe, Lockenhalter, Dolchgriffe aus Gold. Dies Metall ist in den andern nicht gefunden. Im Familiengrab am Skaros fehlt Edelmetall und Schmuck ganz. Die Werkzeuge aus Bronze und Feuerstein sind so zahlreich, daß Goeßler die dort Bestatteten für Bauern und Handwerker hält (Alt-Ithaka, S. 313). Das Familiengrab bei Steno hat so gut wie keinen Schmuck. Bemerkenswert in ihm ist eine Lanzenspitze aus Kupfer, wie sie ähnlich in Sesklo und in Mykene gefunden ist;
BÜRGERGRÄBER. ACHÄISCHE KERAMIK
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sie ist wichtig für die Datierung und für die Bestimmung eines achäischen Grabes. Dörpfeld hält sie für einen Lanzenschuh (Alt-Ithaka S. 315). Die in der achäischen Erdschicht gefundene Keramik ist, wie aus den Siedlungsfunden und den Gräberbeigaben erhellt, nicht mykenisch, sondern im allgemeinen die alte einfache der Achäer, die sie aus der Heimat mitgebracht hatten; sie arbeiteten mit und ohne Töpferscheibe; die Kochund Eßgeschirre bestanden aus besserem Ton als die Vorratsgefäße (Pithoi); die feineren Gefäße wurden poliert und zum Teil mit Lehmfarbe überstrichen. So ist es Jahrhunderte geblieben trotz des vereinzelten Imports von geometrisch verzierter Ware, die man bald nachahmte, und von Mykenischem, der aber sehr gering war. Darüber werden wir noch an anderer Stelle reden (Alt-Ithaka S. 284). Die Königsgräber sind nach Goeßler (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 286) in ihren ersten Anfängen älter als die freigelegten Familiengräber; sie haben Pithoi als Hülle für die Hocker und rotbemalte Ware, während die anderen nur monochrome, unbemalte aufweisen. Daraus folgt aber nicht, daß es sich um zwei verschiedene Bevölkerungen handelt; vielmehr liegt eine längere Entwicklung vor, an der die Königs gräber von Anfang bis zu Ende teilnehmen, weil sie die ganze Zeit der achäischen Schicht umfassen (Alt-Ithaka S. 286). Ganz anders sind die griechischen Gräber der folgenden Schicht beschaffen; Dörpfeld nennt sie die dorische, weil Leukas im I. Jahrtausend von Doriern besiedelt war. Hier gibt es keine Pithos-Gräber. Die Plattengräber sind länger, weil die Leichen ausgestreckt beigesetzt werden. Die Beigaben sind dürftiger. Edelmetalle, Bronzen, Waffen, Werkzeuge und Schmuck kommen nicht mehr vor, desgleichen nicht Feuerstein und Obsidian. Nur Keramik ist vertreten. Erst von der Mitte des ersten Jahrtausends begegnen uns gut
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gefirnißte und schwarzfigurige Gefäße, Bronzegeräte und Münzen (Alt-Ithaka S. 250). Es unterliegt nach allem, was in Kürze erwähnt wurde, keinem Zweifel, daß die Grabungen Dörpfelds auf Leukas eine große achäische Siedlung der zweiten Hälfte des II. Jahrtausends aufgedeckt haben. Kann diese Stadt und Insel dem alten Ithaka der Epen gleichgesetzt werden? Wir müssen dazu alle Stellen heranziehen, die uns etwas über die Stadt und ihre Umgebung verraten. Geben sie ein gleiches Bild, wie wir es in der Nidri-Ebene und in ihrer Nachbarschaft finden, so dürfen wir an der Gleichsetzung Leukas-Ithaka festhalten, die sich aus der Schilderung des Odysseus über seine Heimatinsel ergab. Die Grabungen in der Nidri-Ebene werden dann auch indirekt über die Zeit der Entstehung der Kernlieder Auskunft geben. Wir fragen: Wie denkt sich der Dichter die Lage der Stadt? Welche Berge und Hügel kennt er ringsum? Welche Häfen und Buchten werden genannt? Wie schildert er den Königssitz samt den dazu gehörigen Gütern und Gehöften, und was erfahren wir über Ithakas Brunnen? Die Stadt liegt in einer Ebene; Eumaios geht von seinem Gehöft zu ihr hinab (Od. 15. 505; 20. 163) und blickt bei der Heimkehr auf sie hernieder (Od. 16.471). Die Ebene hat höhere und tiefere Stellen; auch vom Gut des Laertes geht es zur Stadt hinunter (Od. 11. 188). Sie wird vom Berg Neion überragt, an dessen Fuß sie sich hinzieht (Od. 3. 81). Auch der Hermeshügel gewährt einen Blick auf Stadt und Hafen (Od. 16. 471). Als Hauptgebirge der Insel kommt der Neriton in Frage. Odysseus nennt ihn bei der Schilderung seiner Heimatinsel als einziges Gebirge, und bei der Rückkehr sieht er seine von Wäldern bedeckten Höhen von der Bucht aus, in die ihn die Phäaken gebracht haben (Od. 13. 351). Die Stadt liegt an einem Hafen, der sich tief ins Land erstreckt. Sein Beiwort iroTvupEvOris ist von wagerechter, nicht
STADT, HÄFEN UND BUCHTEN IN DER DICHTUNG
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von senkrechter Tiefe zu verstehen (Od. 16. 324). Da der Hafen eine große Tiefe hat, wird das Schiff, das Telemach nach Pylos bringen soll, schon am Tage am äußersten Ende des Hafens (ett' EaxaTifj Aipevos) festgemacht und segelt abends mit Westwind — für uns Nordwest — davon (Od. 2, 391. 421). Die Fahrt verläuft von Nordwest nach Südost. Die Richtung der Hafenausfahrt muß also entgegengesetzt gewesen sein; sonst hätte man das Schiff nicht vorher an den Ausgang des Hafens gebracht, sondern den Abendwind auch für die Fahrt von der Stadt aus benutzt. Die Ausfahrt muß demnach in südwestlich — nordöstlicher Richtung verlaufen. Infolgedessen sieht man Schiffe, die von Süden aus der Gegend von Pylos kommen, erst, wenn sie in den Hafen einlaufen (Od. 16. 351). Das Hafenufer ist an der Stadtseite sandig, denn die Schiffe können auf den Strand gezogen werden (Od. 16. 325). Nicht zu fern von der Stadt, noch am Fuß des waldigen Neiion, liegt der Rheithron-Hafen (Od. 1. 186). Athena erwähnt ihn, als sie in der Gestalt des Taphierfürsten Mentes erscheint; sie muß einen Ankerplatz nennen, der vom Königshause aus nicht sichtbar ist; denn in Wahrheit ist das Schiff, von dem sie spricht, nicht vorhanden. Ob wir auch im letzten Buch der Odyssee (Od. 24. 304—308) an den RheithronHafen zu denken haben, tut nichts zur Sache, denn Od. 24 wird von der Kritik als Zudichtung betrachtet (über LaertesOdysseus s. Dörpfeld-Rüter, Odyssee 1925, II, 345). Zwei weitere Buchten oder Häfen Ithakas sind der Phorkys-Hafen, in den das Phäakenschiff mit Odysseus einläuft (Od. 13. 96—112), und zweitens die Bucht, in der Telemach nach der Rückkehr aus dem Peloponnes ans Land geht (Od. 15. 495). Der Phorkyshafen wird vom Sänger nach Lage und Umgebung besonders sorgfältig geschildert: „Auf Ithaka liegt eine Bucht des Meergreises Phorkys; zwei steile Felsen springen vor; sie senken sich nach dem Hafen zu; bei stürmischen Winden wehren sie den gewaltigen Wogenschwall ab,
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der von außen herandringt. Drinnen legen die Schiffe, die zum Ankerplatz gelangt sind, ohne Halteseile an. A m Ende der Bucht steht ein Ölbaum mit länglichen Blättern; in seiner Nähe liegt eine anmutige Grotte, ein Heiligtum der Nymphen, die Najaden heißen. In ihr stehen Steingebilde, geformt wie Milchgefäße und doppelhenklige Krüge; dahin tragen die Bienen ihren Honig. Auch mächtige Webstühle gibt es aus Stein, auf denen die Nymphen Vorhänge weben von der schillernden Farbe des Meeres, ein Wunder zu schauen. Und fließendes Wasser ist dort. Zwei Eingänge führen zur Grotte: der im Norden ist für Sterbliche gangbar, der im Süden nur für Götter. Menschen betreten ihn nicht; es ist der Weg der Unsterblichen." (Od. 13.96—112). Die Landungsstelle hat einen Sandstrand (Od. 13. 114 und 119). V o m Hafen aus sieht man eine Höhe des Neritongebirges (Od. 13. 351). Die Bucht muß am südöstlichen Gestade von Ithaka liegen, denn als Odysseus von Athena erfahren hat, daß er in seiner Heimat ist, erfindet er schnell ein Märchen und erzählt, daß er aus Kreta stamme, mit Phönikern nach Pylos in Elis gefahren, von dort in den Phorkyshafen verschlagen und von den Phönikern zurückgelassen sei (Od. 13. 256—286). Mit dieser Erzählung will er auf Athena, die als Hirte vor ihm steht, einen glaubwürdigen Eindruck machen; insofern ist sie geographisch und topographisch wichtig und verlangt, daß wir den Rettungshafen an die Südostküste verlegen. Der Phorkyshafen wird endlich in der Nähe des Gehöftes zu suchen sein, in dem Eumaios die Schweinezucht betreibt; dorthin begibt sich Odysseus von der Bucht aus. Dorthin begibt sich auch Telemach nach seiner Rückkehr aus Pylos. Gleichwohl scheint die Bucht, in der er landet, nicht der Phorkyshafen gewesen zu sein; der Dichter hätte ihn sonst wohl als solchen bezeichnet; wir haben an eine der andern weiter westlich liegenden Buchten zu denken, die der Fahrtrichtung von Pylos her besonders gut entspricht.
KÖNIGSHAUS, GEHÖFTE, BRUNNEN IN DER DICHTUNG
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Das Königshaus von Ithaka haben wir nicht weit vom Stadthafen zu suchen, dessen Lage wir oben besprachen. Als die Freier von dem Hinterhalt zurückkehren, den sie Telemach vergeblich gelegt haben, erblickt Amphinomos ihr Schiff von der Stelle aus, wo sich die Zurückgebliebenen niedergelassen haben, entsetzt über die Nachricht von der glücklichen Heimkehr des Königssohnes (Od. 16, 351—353. 358—360). Sie erheben sich, gehen an das Gestade und helfen das Schiff ans Land ziehen. Das Haus muß ferner unweit der bürgerlichen Wohnungen liegen, denn nach dem Tode der Freier läßt Odysseus die Sänger zum Tanz aufspielen, damit jeder, der es vernimmt, mag er vorbeigehen oder benachbart wohnen, meint, es sei Hochzeit (Od. 23. 133—136). Was wir über das Innere des Fürstensitzes erfahren, kommt hier nicht in Frage; darüber wird an anderer Stelle zu reden sein. Von den Gehöften und Vorwerken, die dem Odysseus gehören, ist das des Eumaios als Landmarke von besonderer Wichtigkeit. Es liegt nicht allzuweit von der Stadt und von den soeben besprochenen Buchten, „an rings geschütztem Ort".
( O d . 1 4 . 6.)
S o ist ttepictketttco évi X ^ P V
u n
d
anderwärts (Od. 1. 426) zu übersetzen und nicht: „auf weit umschauendem Hügel" (J. H. Voß) oder „auf einem Platz mit weiter Aussicht". Viehhürden werden nie so angelegt, daß sie den Winden ausgesetzt sind. Das Homerische uepioketttos ist von ctkcttco abzuleiten. In der Bedeutung „ringsum geschützt" wird es auch in den Irrfahrten (Od. 10, 2 1 1 . 253) gebraucht (Döderlein, Gloß. Horn.; Ztschr. f. Alt. 1891, S. 156. Das von oketttopcci abzuleitende -rrgpioKe-rrros „hoch oder freiliegend, von allen Seiten gesehen" findet sich bei Aratos 213). Bei dem Gehöft des Eumaios befinden sich eine Quelle, Arethusa genannt, und der Koraxfelsen (Od. 13. 408). Daß es noch andere Vorwerke des Odysseus gibt, entnehmen wir verschiedenen Stellen der Dichtung (Od. 16. 318; 17. 212—213). Auch auf dem Festland sind Gehöfte mit den
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Rindern und Schafherden des Odysseus. Philoitios hat sie unter sich. Fährleute bringen ihn und seine Tiere nach der Insel Ithaka hinüber (Od. 20. 185—188). Bedeutsam ist endlich die Erwähnung eines Laufbrunnens (Od. 17. 206—211). Eumaios und Odysseus erreichen ihn, als sie von den Bergen herab zum Königshaus gehen. „Sie waren schon in der Nähe der Stadt und zum schön strömenden Brunnen gekommen, aus dem die Bürger ihr Wasser holten; es war eine künstliche Leitung. Ithakos, Neritos und Polyktor hatten sie gebaut; ringsum lag ein kreisrunder Hain von wasserliebenden Pappeln. Das Wasser floß hoch vom Berge herab und blieb kalt. Über dem Brunnen war ein Altar der Nymphen erbaut, an dem alle Wanderer zu opfern pflegten." Zu demselben Brunnen schickt Eurykleia am frühen Morgen die Mägde zwanzig an der Zahl (Od. 20. 158); sie sollen Wasser holen für das bevorstehende Bogenschußfest, das im Königshaus die Entscheidung herbeiführen wird. Die Beiwörter des Wassers sind schönströmend, KaAAippoos und dunkel, peAavuSpos (Über neAavuSpos vgl. Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 127). Wie verhalten sich nun diese Schilderungen des Sängers zu den Ergebnissen der Grabungen und Forschungen Dörpfelds ? Die aufgefundene achäische Stadt mit ihren Häusermauern, dem großen Bau und den vielen Gräbern ist der feste Punkt, von dem wir ausgehen. Sie entspricht der Dichtung in jeder Beziehung, ist eben gelegen, hat Höhen und Tiefen und zieht sich am Fuße des heutigen Skaros hin, der dem Nei'on entspricht. Als Hermeshügel darf der Amali-Berg gelten, der sich südlich von der Stadt erhebt und von seinem nördlichen Abhang einen vorzüglichen Blick über Stadt und Hafen gewährt; jedes einlaufende Schiff ist gut zu sehen. Das Hauptgebirge der Insel mit der Elati- und Lainaki-Gruppe entspricht dem Neriton und seinen Höhen. Der Hafen der Nidri-Ebene hat eine beträchtliche horizontale Tiefe, wie sie
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ihm vom Dichter beigelegt wird. Er hat auch, vom großen Bau aus, die Richtung von Süden nach Norden, so wie wir sie beim Stadthafen des Epos feststellen konnten. Zwischen dem i km tiefen Vorhafen Klimeno und dem 2 km weiten Haupthafen Vlicho ist die oben erwähnte enge Stelle, Steno genannt; sie ist entstanden durch Anschwemmungen zweier Bäche. Der Rheithron-Hafen darf im früheren Mündungsgebiet des Dimosari angenommen werden, am Fuß des Skaros-Nei'on, so wie der Dichter es schildert. Die jetzige Mündung liegt weiter südlich. Eine über und unter dem Wasser liegende Halbinsel erstreckt sich 300—400 m ins Meer; die Bucht, die sie nach Norden hin bildet, entspricht vollkommen dem, was über den Rheithron-Hafen gesagt wird (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 124). Und wo ist der Phorkys-Hafen im heutigen Leukas? Da, wo ihn der Dichter sieht, an der südöstlichen Küste. In der Syvotabucht ist er unschwer zu erkennen. Der Hafen, von dem Odysseus zum Sauhirten Eumaios emporsteigt, heißt noch heute nach dem altgriechischen Worte cjußcüTris „Hafen des Schweinehirten". Von der einsamen, durch zwei Berge eingeschlossenen Bucht sieht man einen Ausläufer des Hauptgebirges. Die Ufer sind von Felsen und Sandplätzen, von Ölbäumen und Tropfsteingrotten umgeben. Auch eine Quelle ist dort. Eine Höhle freilich, wie das Epos sie schildert, mit zwei Eingängen und immer laufendem Wasser, ist nicht gefunden. Sie mag vom Meere bedeckt sein, das seit dem II. Jahrtausend um 2—3 m gestiegen ist (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 113). Als Landungshafen Telemachs kann die Skydibucht gelten. Für die Lage beider Häfen ist Bedingung, daß von ihnen aus das Gehöft des Eumaios leicht zu erreichen ist. Gibt es eine Möglichkeit, dies Gehöft im heutigen Leukas an eine Stelle zu verlegen, die den vom Dichter festgelegten Entfernungen entspricht, und paßt diese Lage zu der des
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Königshauses, das Eumaios von seinem Hof in wenigen Stunden erreicht? Das Königshaus der Dichtung liegt einwandfrei beim Hafen. Ist das nicht auch in der aufgedeckten achäischen Stadt der Fall? Und das Gehöft des Eumaios hat oberhalb des Hafens in einem rings geschützten T a l der südlichen Berge gelegen. Das Tal heißt heute Olothos und liegt unterhalb der Dörfer Maranthochori und Evgiros. Bei Evgiros fließt eine reiche Quelle; darüber befindet sich eine Felswand. Wir sehen also hier alles vereint, was die Dichtung voraussetzt: das windgeschützte Tal, die Quelle Arethusa und den Koraxfelsen KÖpocKos TrsTpri, der auch peydAr] irETpa heißt (Od. 14. 6; 13. 408; 14. 399). ireTpa yAaepvpi'i (Od. 14. 533), unter dem Eumaios bei den Ebern schläft, dürfte nach Dörpfelds Ansicht die unterhalb der Quelle gelegene Höhle Choirospilia (Schweinehöhle) sein. In ihr sind im Anschluß an die Grabungen der Nidri-Ebene viel vorgeschichtliche Funde gemacht. In vorachäischer Zeit hat sie als Wohnung gedient, später ist sie als Stall benutzt (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. xi5). Daß wir das Gehöft des Eumaios in dieser Gegend zu suchen haben, wird auch durch die Nähe der beiden genannten Buchten wahrscheinlich gemacht. Von der Skydibucht wird das Olothos-Tal noch schneller erreicht als von der Syvotabucht. Wenn wir schließlich nach dem Stadtbrunnen Umschau halten, der im Heimkehrlied eine Rolle spielt, so hat sich durch die Grabungen Dörpfelds gerade hier eine wunderbare Übereinstimmung der Wirklichkeit mit der Dichtung ergeben. Der Sänger spricht von einer großen künstlichen Brunnenanlage (Od. 17.204—211) und nennt drei Achäer als Erbauer. A m Brunnen holen die Ithakesier, Bürger und Königsleute, das Trinkwasser. Es fließt hoch vom Berge herab und bleibt doch kalt. Diese Tatsache hat Dörpfeld, noch bevor er grub, durch eine unterirdische Rohrleitung
GLEICHUNG LEUKAS = ITHAKA GESICHERT
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und einen Laufbrunnen erklärt. Und wie dann wirklich solche Wasserleitungen aus Tonröhren des zweiten Jahrtausends in den Palästen von Kreta und Mykene gefunden sind, so hat auch Dörpfeld im südwestlichen Teil der NidriEbene beim Dorfe Paläokatuna, gerade da, wo nach Homer der Stadtbrunnen erwartet werden mußte, Reste einer alten Tonrohrleitung zu Tage gefördert. Durch sie ist in ältester Zeit das kalte Wasser der am Elati-Hang gelegenen Quelle von Paläochori in die Ebene geleitet worden. Das aufgedeckte Stück der Tonrohrleitung hatte die Richtung auf den großen Bau bei Steno mit den Rundgräbern. Die Tonröhren waren konisch; somit war die Leitung durch die Ebene selbst nicht möglich, und es ist anzunehmen, daß der von der Leitung gespeiste Laufbrunnen westlich von der Stadt am Fuß des Berges von Paläokatuna gelegen hat, am westlichen Rande der Nidri-Ebene, wo denn auch am Ende der Rohrleitung ein Brunnenhaus späterer Zeit und Spuren einer achäischen Anlage gefunden sind (Dörpfeld, Alt-Ithaka S. 124—129). Die Ergebnisse der Grabungen führen unzweideutig zur Gleichung Leukas=Alt-Ithaka und zu der Annahme, daß der Dichter, der Insel, Stadt und Land so genau und wirklichkeitsgetreu schildert, in achäischer Zeit gelebt und gedichtet hat. Daß die Schilderungen im Heimkehrlied hingegen zu den Grabungen in Thiaki nicht stimmen, daß, abgesehen von der allgemeinen Lage Thiakis, die den genauen Angaben des Dichters widerspricht, auch die besonderen mit der Dichtung in vollem Widerspruch stehen, braucht hier im einzelnen nicht nachgewiesen zu werden; es ist von Hercher, Völcker, Jebb, Kuruklis, v. Marees, Goeßler (Leukas—Ithaka 1904) und von mir selbst geschehen (Jahresbericht des Domgymnasiums in Halberstadt 1 9 1 1 ) . Nur die Hauptsachen seien noch einmal erwähnt. Der allgemeine Widerspruch erstreckt sich, wie oben ge-
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE
zeigt wurde, auf die Lage der Insel im Verhältnis zu den andern Inseln und zum Festland, der besondere auf die Lage der Stadt, der Häfen und Gehöfte. Die Stadt muß an der östlichen Küste liegen, nicht an der westlichen. Die Bucht bei PoIis entspricht nicht den Angaben des Epos über den tief ins Land reichenden Stadthafen. Der inderVathybuchtauf Thiaki gesuchte Phorkyshafen ist nicht einsam und nicht klein genug. Die Nymphengrotte, die im Epos am Ende der Bucht liegen soll (Od. 13. 103 fr.), wird in einer Grotte erkannt, die eine halbe Stunde vom Meer entfernt liegt; bei Grabungen daselbst sind nur unwichtige Funde aus römischer Zeit gemacht. Das im Süden Thiakis auf der Hochebene Marathia gesuchte Gehöft des Eumaios liegt nicht an rings geschützter Stelle (Od. 14.6); die dort gezeigte Arethusa ist ein ärmliches Wasserloch. Die Entfernungen zwischen den Hürden des Eumaios und der Stadt sind zu groß. Der Hin- und Rückweg zwischen Marathia und Polis, von Eumaios in einem Tage bequem zurückgelegt, beträgt an fünfzehn Stunden. Ein besonders einleuchtender Beweis aber dafür, daß Polis nicht die vom Dichter geschilderte Stadt gewesen sein kann, liegt in den Angaben der Dichtung über die Insel Asteris; ihrer muß hier noch gedacht werden. Sie dient den Freiern als Hinterhalt (Od. 4. 844fr.; 4. 671); sie lauern dort dem von Pylos nach Ithaka zurückkehrenden Telemach auf; „zwischen Ithaka und dem zerklüfteten Samos liegt mitten im Meer Asteris, eine kleine, felsige Insel. Sie hat einen Doppelhafen zum Bergen der Schiffe. Da lauerten ihm die Achäer auf". Die Verteidiger von Thiaki sehen das Homerische Asteris in der Felsenklippe Daskalio, die an der Nordostküste von Kephallenia liegt; diese paßt aber weder ihrer Gestalt noch ihrer Lage nach zu den Angaben des Epos. Danach erwarten wir Asteris mit seinem Zwillingshafen südlich von der Insel Ithaka, denn Telemach kommt von Pylos, fährt auf Athenas Rat nachts in der Nähe von Asteris vorüber, so daß er von
INSEL ASTERIS—ARKUDI
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den Freiern nicht bemerkt wird, und landet am frühen Morgen an der südlichsten Spitze von Ithaka. Richten wir uns aber nach den Ergebnissen der Grabungen in Leukas, dann muß Asteris das heutige Arkudi sein; es liegt zwischen Leukas—Alt-Ithaka und Samos—Thiaki (ev iropöncö ' Iöccktis t e X&hoio t e TTcaTTaAoEcrcrris), an der Uberfahrtsstelle zwischen Ithaka und Samos (Od. 4. 671) und entspricht mit seinen Zwillingshäfen und windigen Höhen (Od. 16. 365) den Homerischen Angaben. Der Plural Ainsves kann auf keinen Fall von einem einzigen, irgendwie zweiteiligen Hafen gebraucht sein; öcnquSunoi heißt „auf beiden Seiten befindlich"; das ist eine ganz eigenartige, charakteristische Bezeichnung für Arkudi; ein schmaler Isthmus zwischen ihr und einem Nebeninselchen trennt beide Häfen, von denen der eine bei Nordwind, der andre bei Südwind benutzt wird. Die Stelle ist von schlagender Bedeutung. Wie hätte ein kleinasiatischer Dichter auf den Gedanken kommen können, solchen Zwillingshafen zu erfinden, den er gar nicht braucht? Nur ein Ortskenner kann die Worte geschrieben haben (Alt-Ithaka, Taf. 7). Genug und übergenug der Beweise für die Gleichung Leukas=Alt-Ithaka. Die Dichtung selbst hat zu ihr hingeführt; sie hat den Archäologen zu Grabungen in der NidriEbene veranlaßt, und ihre Ergebnisse haben den Wirklichkeitssinn des achäischen Dichters bestätigt. Dieser hat AltIthaka gekannt und es im Heimkehrlied richtig geschildert. Die Dorische Wanderung hat bewirkt, daß die Ithakesier nach dem heutigen Thiaki übersiedelten. Hier haben die kleinasiatischen Nachdichter des Katalogs, der Irrfahrten und des 24. Buches der Odyssee Ithaka gesucht, aber an den sonstigen, überlieferten Schilderungen nicht gerüttelt. Neues bringen sie nicht; sie nennen nur den Namen der Inselbewohner, und zwar so, wie es zu ihrer Zeit üblich war.
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE c. P Y L O S Taf. 2. 7
Eine Pylos-Frage hat es schon im klassischen Altertum gegeben. Mehrere Orte des Namens im Peloponnes stritten um den Rang, Stadt und Burg Nestors gewesen zu sein, vor allem das messenische Pylos, das noch heute so heißt. Das zweite lag am Zusammenfluß des Peneios und Ladon in Elis; geringe Trümmer zeugen von ihm. Der Name ist verschollen. Die besten Kenner Homers hingegen (oi 'OuripiKcoTEpoi) ließen weder das messenische noch das elische Pylos als Stadt Nestors gelten, sondern suchten es zwischen den Städten Samikon und Lepreon in Triphylien; so hieß der schmälste Teil des Küstenlandes von Elis (Strabon V I I I 339 und 344). Wir wollen diese Überlieferungen später bewerten und zunächst feststellen, was Ilias und Odyssee über die Lage von Pylos berichten. In beiden Epen dient der Name zur Bezeichnung des Landes und der Stadt bzw. Burg. Die Untertanen heißen Pylier; ihr Land durchfließt breit der Alpheios (II. 5. 545); ihre Nachbarn sind nördlich des Alpheios die Epeier, ein Volksstamm in der Landschaft Elis. Mit ihne:n leben die Pylier in Streit wegen weggetriebener Rinder. Auch hat ihr König Augeias den Neleus schwer geschädigt, hat ihm vier zu Wettkämpfen entsandte Pferde samt Wagen weggenommen. Dafür rächen sich die Pylier mit dem jugendlichen Nestor an der Spitze und erbeuten nach einem Kampf, in dem sich Nestor auszeichnet, eine Menge von Pferden, Rindern und Kleinvieh, die sie nachts zur Stadt Pylos treiben (II. 1 1 . 670—705). Drei Tage später berennen die Epeier in hellen Scharen das pylische Thryoessa am Alpheios; es ist am äußersten Rande von Pylos auf steiler Höhe gelegen (II. 1 1 . 7 1 1 — 7 1 2 VEcrrr| TTuAou f|pcc6ÖEVTOs). Gegen sie sammelt sich wieder ein pylisches Heer am Minyeios bei Arene, zieht morgens zum Alpheios und bringt dort dem Stromgott, dem Poseidon und der Athena Opfer dar. Die Nacht verbringen sie in Waffen
PYLOS U N D UMGEBUNG IN DER ILIAS
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am Fluß, greifen am frühen Morgen die Thryoessa belagernden Epeier an, besiegen sie und verfolgen sie bis nach Buprasion, zum Olenischen Felsen und Aleisischen Hügel (II. n . 714—762). Auch in diesem Kampf zeichnet sich der jugendliche Nestor aus. „Alle bewiesen ihre Verehrung unter den Göttern dem Zeus, unter den Menschen dem Nestor", so schließt die lange Erzählung des Greises an Patroklos (II. 11. 670—761). Wir dürfen hier erwähnen, daß nach dem Urteil der meisten Kritiker dieser Bericht Nestors mit ähnlichen andern zu der reichen Poesie der Pylier gehört, die in achäischer Zeit zum Lobe der Nehden besonders am Fürstensitz in Pylos erklang und später in das Lied vom Zorn des Achill eingefügt wurde. So liegt auch II. 7. 132 fr. ein kleiner Auszug aus einem pylischen Lied vor; es behandelt den Kampf der Pylier mit den Arkadern. In ihm hat Nestor den Arkader Ereuthalion zu Fall gebracht, einen Riesen, der die Waffen des Areithoos trug, des Keulenschwingers Areithoos, den Lykoorgos mit List getötet. Uns interessiert, daß diese Kämpfe in der Nähe des Keladon stattfinden, beim festen Pheia und an den Fluten des Jardanos. In einer dritten Erzählung wird Buprasion, das oben erwähnte, genannt; dort hat Nestor von Pylos aus an Leichenspielen zu Ehren des toten Amarynkeus teilgenommen zusammen mit Edlen aus Elis, Ätolien und Pylos (II. 23.629—645). So lernen wir aus Nestors Erzählungen eine Reihe von Volksstämmen, Orten und Flüssen kennen, die wir in der Nähe von Pylos suchen dürfen, und die uns noch beschäftigen werden. Sie führen zugleich in die nächste Umgebung des Alpheios, der in Arkadien entspringt, es in nordwestlicher und westlicher Richtung durchfließt und sich dann durch die Pisatis und Triphylien breit ins Meer ergießt. Er hat heute denselben Namen wie in achäischer Zeit; an seinem rechten Ufer lag bei Pisa, dem Sitz des Oinomaos, eine uralte Kult5
R ü t e r , Epen
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Stätte, die in dorischer Zeit den N a m e n Olympia trug. D a ß hier, der antiken Uberlieferung entsprechend, schon in vordorischer Zeit unter achäischer Leitung zu Ehren des Pelops Kampfspiele stattfanden, besonders Wagenrennen mit Zweigespannen, ist durch die Ergebnisse der neuen Grabungen Dörpfelds bewiesen (Dörpfeld,'Alt-Olympia 1935, S. 48. 51. 75). Zu den dortigen Spielen schickte Neleus seine Pferde; sie sollten i h m den Dreifuß als Siegespreis erringen. Augeias aus Elis aber n a h m sie i h m fort (II. 11. 698—702). Weitere topographische Bestimmungen über die Lage von Pylos gibt der Katalog, dessen wir schon bei der Betrachtung von Ithaka gedachten. Er stammt in der uns vorliegenden Fassung aus kleinasiatischer Zeit, widerspricht aber, wie wir noch sehen werden, nicht überall der vordorischen Geographie. Was sagt er über das Nele'ische Pylos? Nach ihm sind außer Pylos zwei G r u p p e n von Städten im Besitz Nestors, solche, die nach Elis zu liegen, nämlich Arene, Thryon (S. 64 Thryoessa) u n d Aipy; die beiden ersten sind uns aus Nestors Erzählung bekannt. Zu der andern Gruppe gehören Kyparisseis, Amphigeneia, Pteleos, Helos u n d Dorion (II. 2. 59 1 —594)- Kyparisseis liegt im nördlichen Messenien u n d hat seinen N a m e n bis auf den heutigen T a g behalten. Nach dem modernen Kyparissia heißt der Meerbusen zwischen Katakolo im Norden beim alten Pheia u n d zwischen Kyparissia im Süden der Kyparissische Busen. Es ist der Forschung noch nicht durchweg gelungen, alle in den Erzählungen und im Katalog genannten Plätze zu bestimmen; gleichwohl läßt sich aus dem, was wir gehört haben, erstens folgern, d a ß nach der Dichtung der Fürstensitz Pylos in der Nähe des Alpheios u n d zwar südlich von i h m lag, zweitens, d a ß das Land Pylos sich vom Alpheios im Norden bis Kyparisseis im Süden erstreckte. Für die Ilias kommt demnach weder Pylos im nördlichen Elis in Frage noch das im südlichen Messenien, bekannt durch die K ä m p f e
ELISCHES UND MESSENISCHES PYLOS SCHEIDEN AUS
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der Athener und Spartaner bei der nahen Insel Sphakteria, heute Sphagia (Thuk. I V . 3 ff", und V . 35). Beide liegen zu fern vom Alpheios, an dessen Unterlauf sich alle die Pylier betreffenden Kämpfe abspielen. V o n denen, die für das messenische Pylos eintreten, wird auf II. 9. 1 4 9 — 1 5 6 und 2 9 1 — 2 9 8 hingewiesen. Dort bietet Agamemnon dem Achilleus sieben Städte seines Landes zum Geschenk an, um ihn zu versöhnen; es heißt, daß sie alle nahe am Meere liegen und am äußersten Rande von Pylos (II. 9, 1 5 3 . 295 iräCTai 5' Eyyü? äAös, veocrai iTuAou rmaQösvTOs). Anders kann veaTCCi nicht aufgefaßt werden; 6 veoctos, veiccTOS ist „ d e r letzte, äußerste, unterste," so II. 1 1 . 7 1 0 und 7 1 1 : ©puöecrcra ttöAis, VEonr) TK/Aou t)Hcc6oevtos, worüber wir oben sprachen; desgl. an vielen andern Stellen (IL 2. 824; 5. 2 9 3 ; 6. 2 9 5 ; 8. 4 7 8 ; 15. 3 4 1 ) . Z w a r hat schon Aristarch „veoctoci" für eine Verbalform gehalten im Sinn von KEorrai „sie liegen nahe am Meere von Pylos". Aber „aAs TTuAou" wäre eine gar zu auffallende Verbindung, und wo sollten wir dies Meer suchen, etwa im „Messenischen Busen" der klassischen Zeit? Strabon verlegt dorthin einige der sieben Städte ( V I I I 3 5 9 ) ; ob mit Recht, wissen wir nicht. N u r Pherai im südöstlichen Messenien, nahe am Meere und an den Ausläufern des Taygetos, scheint gesichert. Es ist aber nicht das Pherai des Diokles, von dem es heißt, daß er von Alpheios abstammt (IL 5. 5 4 5 — 5 4 7 ) - M a n hat veoto« auch durch „benachbart" wiedergeben wollen. Doch hat es diese Bedeutung nirgends sonst in der griechischen Sprache. Die sieben Städte sollen nach der Meinung des Dichters tatsächlich am äußersten Rande der sandigen Landschaft Pylos liegen; das Land Nestors soll sich demnach bis an das Meer des südlichen Messenien erstrecken und Agamemnon soll Herr sein über dieses Land. Daß dies für die achäische Zeit nicht möglich ist, liegt auf der Hand; die Herrschaft Agamemnons mag sich westlich noch über das südliche Messenien ausgedehnt haben, ob-
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schon es verwunderlich ist, aber nie hat der Völkerfürst pylisches Land besessen. Somit ist die ganze Stelle verdächtig. Sie scheint dem Wunsch eines unkundigen Rhapsoden entsprungen zu sein, die von Agamemnon angebotene Sühne zu überbieten, um die Gabe noch größer erscheinen zu lassen. Was soll Achilleus mit Städten im Peloponnes, da sein Verbleiben in Phthia ausdrücklich angenommen wird (II. 9. 147)? Als der Zusatz entstand, gab es gewiß schon ein Pylos beim heutigen Sphagia, das nach der dorischen Vernichtung der achäischen Sitze durch ausgewanderte triphylische Pylier gegründet sein wird. Möglich, daß die Kunde davon den kleinasiatischen Rhapsoden zu seiner falschen Ansicht über die Lage der pylischen Landschaft in achäischer Zeit veranlaßt hat. II. 9. 153 und 259 sind jedenfalls nicht imstande, die sonstigen Angaben der Ilias über Landschaft und Burg von Pylos in Triphylien zu entwerten. Während uns die Ilias über die Beziehungen der Pylier zu den Nachbarstämmen im Norden, Osten und Süden unterrichtet, führt die Odyssee nach Pylos selbst und stellt uns die Burg und Stadt Nestors samt den Bewohnern klar vor Augen. Pylos ist das Ziel der Fahrt, die Telemach auf den Rat Athenas unternimmt, um Forschungen nach seinem Vater anzustellen. Von Athena in der Gestalt Mentors begleitet, verläßt er abends den Hafen von Ithaka und gelangt morgens Sie landen an der Stelle des an das Gestade von Pylos. Strandes, wo die Pylier ein Fest des Poseidon feiern. Dorthin gehen Athena und Telemach; die Gefährten bleiben im Schiff (Od. 3. 4fr.). Die Fremden werden freundlich aufgenommen. Nestor erzählt auf Befragen, was er über Odysseus weiß. A m Abend begibt sich Telemach mit den Pyliern in die Burg, während Athena-Mentor erklärt, zum Schiff und zu den Gefährten zurückkehren zu wollen. Zugleich gibt sie sich als Göttin zu erkennen (Od. 3. 29—403). Die Burg Nestors liegt also nicht weit vom Meere.
Daß
PYLOS IM HEIMKEHRLIED. TELEMACH IN PYLOS
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der Dichter sie sich auf einer Anhöhe denkt, beweisen die Worte TTüAou anrü -irroAieOpov „das hohe Pylos" (Od. 3. 485; 15. 193). Die Entfernung vom Gestade bis zur Burg ist nicht allzu groß; denn am andern Morgen werden auf Nestors Wunsch die Gefährten Telemachs zu einem Opfer herbeigeholt, das der Athena gebracht werden soll. Das Opfer nimmt geraume Zeit in Anspruch: ein Rind wird vom Felde herbeigeführt, der Goldschmied kommt mit Hammer, Amboß und Zange, schmiedet das Gold, das ihm Nestor gibt, und legt es um die Hörner des Opfertieres, damit sich die Göttin am Anblick des Schmuckes erfreue. Auch die Frauen sind beim Opfern zugegen und flehen mit lauter Stimme zur Gottheit. Nach der feierlichen Handlung nimmt Telemach ein Bad; es folgen Vorbereitungen zum Mahle, und erst nach dem Mahle beginnt die Wagenfahrt des Nestorsohnes Peisistratos und Telemachs nach Sparta zu Menelaos (Od. 3. 404—472). Der erste Tag führt sie nach Pherai in das Haus des Diokles, eines Enkels des Alpheios, der zweite nach Sparta in den Palast des Menelaos (Od. 3. 473—497). Die Rückfahrt erfolgt auf demselben Wege. Nach einem längeren Gespräch mit Menelaos am frühen Morgen und einem Frühmahl (Dörpfeld, Odyssee 1925,1 S. 32—37 und S. 73 —79) wird der Weg nach Pherai bis zum Abend zurückgelegt; am nächsten Tage der von Pherai bis Pylos, der letztere in kürzerer Zeit; denn nach dem Eintreffen vor der Burg von Pylos läßt Telemach sich von Peisistratos sogleich zu seinem Schiff und den Gefährten fahren und segelt noch denselben Tag mit Athena-Theoklymenos (Dörpfeld, Odyssee 1925,1 S.79 —98) bis Pheia und zur Küste von Elis. Damit ist schon ein gut Teil des Weges nach Ithaka erledigt (Od. 4. 306—619; r 5- 75—9 1 » I5-92—I59; 15-182—188; 1 5 . 1 9 8 — 2 2 1 ; 15, 222—281. 282—299). Am frühen Morgen des nächsten Tages erfolgt die Landung in Ithaka (Od. 15. 495—557)Welche Anhaltspunkte bieten diese Angaben der Odyssee
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für eine Festlegung des Landes und der Stadt Nestors? Sie schließen das Pylos in Elis mit Bestimmtheit aus, denn es liegt nicht am Meer, sondern im Binnenland. Sie schließen aber auch das Pylos in Messenien aus. Die Fahrt nach Sparta über Pherai liegt in der Dichtung fest. Nun gibt es zwar im südöstlichen Messenien ein altes Pherai, das wir oben bei der Betrachtung von II. 9. 153 und 295 kennengelernt haben; es lag aber nicht in der Nähe des Alpheios, wo es nach der Dichtung liegen soll; auch hat es von diesem messenischen Pylos aus noch nie, weder in alter noch in neuer Zeit, einen fahrbaren Weg über den Taygetos nach Sparta gegeben; man kann nur zu Fuß oder zu Pferd hinüber. Daraus schließen zu wollen, der Dichter habe den Peloponnes nicht gekannt, weil er die beiden Jünglinge über den Taygetos nach Sparta fahren lasse, ist verfehlt (C. Fries, „Der gegenwärtige Stand der Homerfrage" in „Geistige Arbeit" 1935, 2. Jhg. Nr. 13); die Voraussetzung ist falsch; das messenische Pylos ist nicht das Pylos Nestors. Bleibt also nur Triphylien, wo nach Strabons Bericht (VIII339 und 344) die besten klassischen Homerkenner den Ort gesucht haben. Strabon erzählt, daß noch in römischer Zeit die zwischen Samikon und dem Nedafluß sich hinziehende Ebene TTuAiocköv tteSiov hieß. Seine Angaben über die Lage des triphylischen Pylos sind freilich unklar. Wir dürfen annehmen, daß es zu seiner Zeit eine bewohnte Stadt des Namens in jener Gegend nicht mehr gab. Angenommen hat er sie, nach seinen Worten zu urteilen, zwischen Samikon und Lepreon, dreißig oder wenig mehr Stadien oberhalb des Meeres. Für das triphylische Pylos ist von neueren Gelehrten Otfried Müller eingetreten (Orchomenos und die Minyer 1844, S. 357); ihm schließt sich A. Bischoff an (Bemerkungen über homerische Topographie, Programm von Schweinfurt 1875). Victor Berard, der auch für ein triphylisches Pylos eintritt, sieht die Burg in den Ruinen von Sa-
DÖRPFELD ENTDECKT PYLOS IN TRIPHYLIEN
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mikon (Les Phéniciens et l'Odyssée 1902/03). Wilhelm Dörpfeld ist durch die Dichtung gleichfalls nach Triphylien geführt worden und hat daselbst immer wieder nach achäischen Burgen vordorischer Zeit geforscht. Er ist dabei 1892 auch nach dem Dorf Kalydona gekommen, 6 km landeinwärts vom Meer zwischen Samikon und Lepreon so gelegen, daß die Entfernung nach Samikon 12 km, nach Lepreon nur 4 km beträgt. In der Nähe des Dorfes befindet sich eine Burgruine, Paläokastron genannt; ihre Lage paßt ungefähr zu den Angaben Strabons (H. Pringsheim, Athen. Mitt. X X X I V 1909. S. 179), aber nicht zu denen der Odyssee. Unbeeinflußt durch die Überlieferung hat Dörpfeld weiter geforscht, und im Jahre 1907 ist ihm die Entdeckung der Burg Nestors gelungen. Er war, wie er in den Athen. Mitteilungen erzählt ( X X X V I I I 1913, S. 108), mit den beiden Stipendiaten des Archäologischen Instituts zu Athen, Kurt Müller und Fritz Weege, von Olympia aufgebrochen, um zwischen Samikon und Lepreon nach Resten mykenischer Zeit zu suchen, und fand schon am ersten Morgen der Reise südlich von Samikon im Gebiet des kleinen Dorfes Kakovatos Reste von drei großen Kuppelgräbern mykenischer Zeit. Bauern der Umgegend waren grade mit ihrer völligen Zerstörung beschäftigt; sie holten sich dort Steine für ihre Bauten. Desgleichen fand Dörpfeld auf dem unmittelbar oberhalb der Gräber gelegenen Hügel die Reste einer Burg. Er und seine Begleiter waren überzeugt, damit den wirklichen Sitz Nestors, das seit drei Jahrtausenden zerstörte und verschwundene Alt-Pylos, gefunden zu haben. Die Berichte über die Entdeckung und über angestellte Grabungen sind in den Athen. Mitteilungen enthalten ( X X X I I 1907, X X X I I I 1908 und am ausführlichsten X X X V I I I 1913). Dem letzten Aufsatz ist eine wertvolle Karte Triphyliens von Konrad Gräfinghoff beigefügt, den Kaiser Wilhelm II. zu ihrer Anfertigung nach Pylos entsandt hatte, desgleichen eine Skizze der Burg und
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ihrer Umgebung von P. Sursos. Über die Funde aus den Gräbern hat Kurt Müller gesondert berichtet (Athen. Mitt. X X X I V 1909, S. 206). Seit der Entdeckung sind fast drei Jahrzehnte verflossen. Die Wissenschaft hat der Beweisführung Dörpfelds zugestimmt. So sagt Eduard Meyer über die Ruinen bei Kakovatos (Gesch. d. Alt. II. 1,1928, S. 254) „Es ist das Pylos Homers, der Sitz des Neleus und Nestor. Die Lage stimmt genau zu den Angaben der Ilias und Odyssee über Pylos, so daß trotz Wilamowitz, der die Existenz eines Ortes Pylos überhaupt bestreitet (Ilias und Homer 1916, 208), an der Identität nicht gezweifelt werden kann. In derselben Gegend haben es die 'OiitipiKcoTEpoi (Strabon V I I I . 339. 344. 345. 350 ff.) gesucht, die seine Identität mit dem messenischen Pylos (Koryphasion) und vollends mit dem elischen am Peneios mit Recht bestreiten." Wie richtig E. Meyer urteilt, beweist ein Blick auf die von Gräfinghoff aufgenommene Karte Triphyliens (s. die Skizze Tafel 7). Vergleichen wir mit ihr die vorhin erwähnten Schilderungen der Epen, so ergibt sich eine Übereinstimmung der Dichtung mit der Wirklichkeit bis in die kleinsten Dinge hinein. Sie erstreckt sich zunächst auf die Lage im allgemeinen. Von der Spitze des Hügels, auf dem die Burgruine steht, wandert der Blick westwärts in ein fruchtbares ebenes Land, das sich in einer Tiefe von etwa 1—2 km am Meeresgestade hinzieht. Das ist das Gelände, in dem Nestor mit den Seinen das Fest Poseidons feiert, als Athena und Telemach eintreffen, tteSiov TTuAiockov noch in römischer Zeit genannt, wie Strabon berichtet. Die Ebene ist auch heute fruchtbar und gut bebaut. Es war mir vergönnt, sie 1910 fast in ihrer ganzen Ausdehnung kennen zu lernen, als wir — eine Gesellschaft von Archäologen und Philologen unter Dörpfelds Führung — vom Bahnhof Alpheios zur Station Kakovatos fuhren, um von dort in
NESTORS KÄMPFE TOPOGRAPHISCH BESTIMMBAR
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kurzer Zeit quer durch das Land zur Burg Nestors emporzusteigen. Gleich nach dem Verlassen der Station Alpheios am rechten Ufer des Flusses durchfährt man das Gelände, in dem die Dichtung bei Thryoessa, identisch mit Thryon (II. n . 710 afrreia koAoovt), II. 2. 592 'AA9E1010 uöpos) die Kämpfe zwischen Pyliern und Epeiern sich abspielen läßt. Strabon sucht diesen Ort auf dem letzten Hügel am südlichen Alpheiosufer (Strabon V I I I 349); die Bahn führt dicht an ihm vorbei. In der Nacht vor dem Kampf biwakieren die Pylier am Fluß, sie bleiben in Waffen, weil die Epeier ihnen gegenüber vor Thryoessa liegen. Am frühen Morgen greifen sie den Feind an. Man kann sich vorstellen, wie der Kampf verlaufen ist. Die Pylier werden den Alpheios überschritten, den Feind von vorn und in der Flanke angegriffen und zum Rückzug über den Fluß gezwungen haben. Dann haben sie ihn den Alpheios aufwärts und das Tal des Enipeus hinauf bis Buprasion, der Olenischen Felsenburg und dem Aleisischen Hügel verfolgt. (II 11. 756—757). Diese drei Orte sind von J. Partsch festgelegt (Olympia I, 1897,4); sie liegen im oberen Tal des antiken Enipeus (heute Lestenitsa); das Dorf Olena daselbst erinnert an die alte Zeit. Wenn Dörpfeld Thryoessa— Thryon auf dem rechten Alpheios-Ufer südlich vom Dorf Kukura sucht, wo es eine ahreia KoAcovr) und 'AAcpeioTo iropos gibt, und wo Spuren einer vorhistorischen Ansiedlung von ihm entdeckt sind, so hat auch diese Ansetzung viel für sich. Sie gibt ein noch klareres Kampfbild (Athen. Mitt. X X X V I I I 1913, S. 113). Jedenfalls setzt die ganze Erzählung vom Kampf zwischen Pyliern und Epeiern eine genaue Kenntnis des Geländes voraus. Sie kann nur von einem Dichter stammen, der im Mutterlande gelebt und das triphylische Pylos genau gekannt hat; er muß also im 12. Jahrhundert gesungen haben, denn nach der Dorischen Wanderung war die Burg zerstört. Auch weiterhin lassen sich topographisch richtige Angaben
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des Dichters feststellen. Südlich vom Alpheios nimmt die Bahn ihren Weg zwischen dem Bergland Triphyliens und der großen Lagune von Agulinitsa, die in alter Zeit nicht in der Ausdehnung bestand wie heute. J. Partsch nimmt an, daß sie, ebenso wie die nördlichen Lagunen von Muriä und die südliche von Kaiapha, durch das Sinken des Landes entstanden ist (Olympia 1,1897,13). Dörpfeld hingegen sieht den Grund in einem Steigen des Meeres, das sich auch an anderen Stellen Griechenlands feststellen läßt (Athen. Mitt. 1913, S. h o f.). A m südlichen Ende der Lagune von Agulinitsa durchfährt die Bahn den Küstenpaß Kleidi, da wo das Gebirge von Kaiapha nahe an das Meer herantritt. Zur Linken sieht man auf einem hohen Berge die Ruinen des alten Samikon; manche Forscher verglichen es schon in alter Zeit mit dem „lieblichen" Arene der Ilias (2. 591) oder suchten dies in der Nähe;so lautet der Bericht beiPausanias (V6. 2.) undStrabon (VIII346); sie erzählen auch, daß dort in der Nähe des Meeres ein berühmtes Heiligtum des Poseidon gelegen habe, über das zuerst Arene, dann Samikon oder Samia (auch Makistos) die Aufsicht führte. Dörpfelds Forschungen in jener Gegend haben es wahrscheinlich gemacht, daß Arene westlich von Samikon auf niedrigen, felsigen Hügeln zu suchen ist, wo mykenische Reste gefunden sind, und daß das Poseidon-Heiligtum zwischen beiden Orten lag (Dörpfeld Athen. Mitt. 1913, S. 112.). Dies ist also das Arene, bei dem die Pylier auf ihrem Zuge gegen die Epeier sich sammeln und eine Nacht verbringen (II. 11. 723). Schon am folgenden Mittag gelangen sie zum Alpheios (IvSioi II. 11. 726). Es stimmt auf das genaueste, mögen wir Thryoessa nördlich oder südlich vom Alpheios ansetzen. Die Entfernung beträgt etwa 18 km; sie hatten einen Marsch von 4—5 Stunden, j e nachdem wir sie über die Berge oder durch die Ebene ziehen lassen, in der Richtung der heutigen Dörfer Ali-Tselebi, Anemochori, Volantsa. Auch
EPISCHE SCHILDERUNG BIS INS KLEINSTE GETREU
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die Ansetzung des Flüßchens Minyeios bei Arene macht keine Schwierigkeiten (II. n . 722). Er heißt in klassischer Zeit Anigros, entspringt bei den sogenannten achäischen Felsen, Ausläufern des Ka'iapha-Gebirges, und führt schwefelhaltiges Wasser. Schon im Altertum suchten Kranke dort Heilung (Pausanias V 6. 3.). Seine Mündung wurde im Winter immer schon durch Wind und Wellen und Sand geschlossen; so ist der Bach zu einem großen See geworden, der nur im Sommer, wenn die Stürme aufhören, nach dem Meer abfließt (Dörpfeld, Athen. Mitt. 1913, S. ii3f.). V o m Küstenpaß ab durchläuft die Bahn die pylische Ebene. Wir kommen nach Zacharo. Hier mündet die Straße von Phigalia über Lepreon und die Burgruine „Paläokastron" von Kalydona, von dem wir oben hörten. Dies Kastron hat Strabon vielleicht für den Sitz Nestors gehalten, fälschlich, wie wir sahen, weil es zu weit vom Meere entfernt liegt. In Kakovatos sind wir am Ziel; es geht ein Stündchen landeinwärts bis zu einem aus dem Hauptgebirge hervorspringenden Höhenzuge und zu den von Dörpfeld gefundenen und gewerteten Ruinen der Burg Nestors und der Kuppelgräber. Nur hier und nirgends sonst konnte das Pylos Nestors liegen, wenn die Angaben der Ilias und Odyssee auf Wahrheit beruhen sollten. Und sie beruhen tatsächlich auf Wahrheit, die einzige Stelle II. 9. 153 ausgenommen, deren spätes Entstehen wir nachgewiesen haben. Ferner läßt sich topographisch nicht sicher bestimmen, was Nestor über den Kampf der Pylier mit den Arkadern erzählt. Er soll sich am Keladon und Jardanos bei Pheia abgespielt haben (II. 7. 133—135). Dies Pheia kann unmöglich dasselbe sein, wie das Od. 15. 297 erwähnte Pheai, zu dem Telemach auf der Rückreise nach Ithaka gelangt. Das Pheai der Odyssee gehört vielmehr nach der jetzigen Halbinsel von Katakolo und hat vielleicht an der Stelle der mittelalterlichen Festung Pondikokastro oder nach Dörpfeld weiter nördlich
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE
auf der Höhe beim Dorf Skaphidia gelegen (Athen. Mitt. 1913, S. 139). Das Pheia der Ilias hingegen müssen wir in der Nähe Arkadiens suchen. Dahin verlegt es Pausanias, wenn er sagt: TTuAious elvoci Kai 'ApxäSas Trapa te eiav ttoAiv Kai ttotccijiöv uaxonevous
'lapSavov
(V
18. 6.).
Dörpfeld möchte deshalb den Jardanos mit dem antiken Akidon gleichsetzen, der bei Lepreon vorbeifließt. Sicheres läßt sich darüber nicht sagen, bevor nicht durch Grabungen die wirkliche Lage von Pheia festgestellt ist. Bestehen bleibt gleichwohl, daß ein Kampf der Pylier und Arkader, die Nachbarn waren, nichts Unwahrscheinliches hat und in den Rahmen der pylischen Gesänge paßt, die sich mit Nestor und seinen Taten beschäftigt haben. Wie verhält es sich aber mit dem Pylos der Odyssee? Wir durften schon oben feststellen, daß durch die Erzählung vom Fest der Pylier und durch den Verlauf der Begebenheiten während Telemachs Anwesenheit die Lage der Burg auf einer Höhe in der Nähe des Meeres gesichert ist. Weitere Anhaltspunkte dafür, welche Burg dem Dichter vor Augen schwebt, ergeben sich aus den von ihm angenommenen Entfernungen zwischen Pylos einerseits und Ithaka, Pherai, Sparta andererseits. Für die Segelfahrt von Thiaki bis Pylos in Triphylien sind etwa 130 km anzusetzen, die bei gutem Winde in 13 Stunden zurückgelegt werden können, für die Fahrt von Leukas 30 km mehr. Und wirklich haben Athena-Mentor und Telemach etwa 16 Stunden gebraucht, denn sie fahren gegen Abend fort und kommen in Pylos an, als Nestor und seine Leute schon mit dem Opfer beschäftigt sind. Auch die Rückfahrt erfordert etwas mehr als eine Nacht; noch vor Sonnenuntergang sind sie an der elischen Küste; die Landung in Ithaka erfolgt am frühen Morgen. Daß die Fahrt von Pylos nach Pherai kürzer gedacht ist als die von Pherai nach Sparta, ergibt sich klar aus dem Inhalt der Odyssee; sie erfolgt erst nach einem feierlichen Opfer für
DICHTUNG UND WIRKLICHKEIT STIMMEN ÜBEREIN
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Athena, zu dem morgens mannigfache Vorbereitungen zu treffen waren; und nach dem Opfer findet noch das Mahl statt. Auch auf der Rückfahrt treffen die beiden Jünglinge so früh am Strande von Pylos ein, daß Telemach noch bis Sonnenuntergang nach Pheai segeln kann. Dagegen beansprucht die Fahrt nach Sparta einen vollen Tag. So ist es auf der Hinfahrt; für die Rückfahrt ist die Zeit etwas knapper bemessen, da vor der Abreise die Erzählung des Menelaos geraume Zeit in Anspruch nimmt. Wo lag Pherai? Da Diokles, der Herr des Ortes, als Enkel des Stromgottes gilt, muß es in der Nähe des Alpheios gesucht werden, aber nicht zu nahe bei Pylos, weil anzunehmen ist, daß bei der Einkehr ein beträchtlicher Teil des Weges zurückgelegt war. V . Bérard, der Alt-Pylos irrtümlich in Samikon entdeckt zu haben glaubt, setzt Pherai dem heutigen Aliphera gleich (Les Phéniciens et L'Odyssée 1902/03). Wahrscheinlicher ist, daß es im oberen Alpheios-Gebiet gelegen hat. Der Weg zu ihm kann nördlich, den Arkadikos aufwärts, über Platiana und Aliphera in die Ebene von Megalopolis geführt haben oder südlich durch das Tal des Kyparisseïs in die obere messenische Ebene (Dörpfeld, Athen. Mitt. 1913, S. 120 f.). Jedenfalls ließ sich vom triphylischen Pylos aus Sparta in zwei Tagen erreichen, von Südmessenien aus dagegen nicht. Dort war, wie wir oben schon sagten, eine Wagenfahrt des Taygetos wegen überhaupt unmöglich. Man werfe nicht ein, daß topographische und zeitliche Angaben einer Dichtung der Wirklichkeit nicht zu entsprechen brauchen, und daß Berechnungen, wie wir sie eben angestellt haben, kleinlich wirken. Es handelt sich bei den Kerngedichten um Gesänge, die vor Wissenden vorgetragen wurden; sie sind sicher auch in Pylos erklungen, hier vielleicht zuerst. Kein Sänger hätte wagen dürfen, reine Phantasiegebilde zu schaffen, örtliche Verhältnisse anders zu gestalten, als sie waren. Wenn andre sagen, die geographischen Angaben von
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Dichtungen, die in Kleinasien entstanden sind, bieten keinen Anhalt für ihre Wirklichkeit, so halten wir dem entgegen: Da die geographischen Angaben der Ilias und Odyssee über Pylos und seine nähere wie weitere Umgebung nach Triphylien führen und zwar nach den von Dörpfeld aufgefundenen Ruinen von Kakovatos, so sind diese Darstellungen ein gewichtiges Zeugnis dafür, daß die Sänger dies Pylos gekannt und seine Lage dementsprechend beschrieben haben; sie waren Zeitgenossen der Ereignisse, die sich dort im 12. Jahrhundert abspielten, und schilderten die pylische Landschaft so, wie sie war; T||aa06sis „sandig" heißt sie in der Ilias wie in der Odyssee (II. 2. 77; 9. 153; 11. 711; Od. 1.93; 2, 214. 326. 359; 4. 633; 11, 257. 459; 24. 152). Nicht die Ebene als solche ist sandig, aber an ihrem Rande zieht sich auch heute noch parallel mit der Uferlinie ein breiter Sandstreifen hin mit beträchtlichen Erhöhungen; wir erkennen sie auf der Karte Triphyliens von GräfinghoiF; zuweilen zeigt sich eine zweite und dritte Hügelreihe, die nach Dörpfeld alte Küstenlinien darstellen. Diese Sanddünen meinen die Sänger mit ihrem Beiwort fipaöögis (Dörpfeld Athen. Mitt. 1913, S. 128 und 132). Das ganze Gebiet weist auf tertiäre Formation hin. D a ß uns die Angaben der Dichtung nach Triphylien und nach Kakovatos führen mußten, glauben wir nachgewiesen zu haben. Wie verhalten sich zu diesem Ergebnis die Reste der von Dörpfeld aufgedeckten Königsburg und der Kuppelgräber? Es ist nicht beabsichtigt, zu wiederholen, was der Entdecker der Ruinen über alle gemachten Funde in den oben genannten Jahrgängen der Athenischen Mitteilungen veröffentlicht hat. Wir Teilnehmer an der Führung des Jahres 1910 sahen die schon 1907 ausgeräumten Kuppelgräber, das größte mit einem Durchmesser von ungefähr 12 m. Die Beraubung und der Einsturz der Kuppeln muß nach der Ansicht Dörpfelds schon in vorrömischer Zeit erfolgt sein; doch sind aus dem Schutt des Bodens im Dromos und in der Tholos
KÖNIGSBURG UND GRÄBER VON PYLOS
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noch zahlreiche Fundstücke mykenischen Charakters zutage gekommen: Knochenstücke, Vasenscherben, Bernsteinperlen, kleine Gegenstände aus Gold, Bronze und Elfenbein. Von der Burg ist wenig erhalten, eigentlich nur ein einziger Raum mit einer Säulenbasis am Eingang. Der Putz besteht wie in Troia aus Lehm, nicht wie in Tiryns und Mykene aus bemaltem Kalkbewurf. Auch die Säulen sind einfach. In einem kleinen Raum sind sechs Pithoi mit verkohlten Feigen zu Tage gekommen. Auf der Burg sind auch monochrome Vasen gefunden, aber wenig mykenische Scherben, die hingegen zahlreich in den Gräbern lagen. Alles in allem also ein schlichter Bau, ganz anders wie die Fürstensitze in Tiryns, Mykene und Kreta. Kann der Fußboden aus Kies oder Erde, der Wandbewurf aus Lehm, können die roh gerundeten Steine als Basen der Säulen einem Palast Nestors angehört haben? Darauf ist zu erwidern: Die pylischen Fürsten besaßen keine große Macht und keinen Palast, auch nach der Dichtung nicht. Im Hause Nestors gibt es für Telemach nichts, was anzustaunen wäre, wie im Palast des Menelaos (Od. 4. 43—46). Alles ist so einfach, wie wir es aus Ithaka kennen. Würden sich bei Kakovatos Überreste gefunden haben, die auf eine prächtige Bauweise hätten schließen lassen, etwa Friese aus blauem Glas und Alabaster, so wäre die Dichtung, die uns darüber nichts mitteilt, der Wirklichkeit nicht gerecht geworden. So aber ist diese einfache Bauart, wie Dörpfeld mit Recht betont, eine Bestätigung für die Gleichsetzung der Burg von Kakovatos mit dem wirklichen Pylos Nestors. Das Mykenische in den Gräbern darf uns nicht wundern; nur für diese bezogen die Achäer bessere, reich dekorierte mykenische Ware. Auch die Kuppelgräber waren nach dem Muster der mykenischen gebaut, und der Becher Nestors, von dem der Sänger der Ilias erzählt, war sicher gleichen Ursprungs (II. 11. 632—637). In allem andern liegt eine einfache, achäische Kultur vor. So ist es auch in der Dichtung. Wenn dem
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Herrn der Burg in beiden Epen eine besondere Rolle zugewiesen wird, so ist die Vermutung berechtigt, daß vor ihm und den Seinen die Lieder erklungen sind, die ihn in so lebhaften und warmen Farben schildern. d. S P A R T A Taf. 2
Wir müssen unterscheiden zwischen dem modernen, dem dorischen und dem achäischen Sparta. Das moderne Sparta liegt auf den südlichen Hügeln des dorischen Stadtgebietes, hat einige tausend Einwohner und ist 1834, vor hundert Jahren also, unter König Otto gegründet. Auch die dorische Stadt mit ihrer ruhmvollen Geschichte ist auf einen geringen Raum beschränkt gewesen. Sie lag in dem Winkel, den der TiasaFluß mit dem Eurotas bildet, in dessen rechtes Ufer er mündet. Über ihre Topographie haben Ausgrabungen der British School of Athens seit 1906 manches zu Tage gefördert, desgleichen über die Stätte des später an seine Stelle tretenden byzantinischen und mittelalterlichen Lakedämonia (Annual of the British School vol. X I I ff. 1905ff.). Zu den wichtigsten Funden aus der dorischen Zeit gehören einige Reste des Tempels der Athena Chalkioikos oderPoliuchos aufder Akropolis, einem Hügel, an den sich das Theater lehnte, sowie 1 km östlich davon am Eurotasufer Fundamente des Tempels der Artemis Orthia, des religiösen Mittelpunktes aller spartanischen Gaue. Bei den Altären der Göttin, die man gefunden hat, unterzogen sich die spartanischen Jünglinge der Geißelung. Aus der vordorischen Zeit ist nichts gefunden. Daß man bis zur Zeit des Pausanias in Sparta das Haus des Menelaos zeigte (Paus. I I I 14. 6), und daß Helena dort einen Tempel hatte (Paus. I I I 15. 3), besagt nichts, weil solche Heroensitze später errichtet sein können. Wir dürfen vielmehr aus dem Mangel an Funden schließen, daß die Burgstadt des Menelaos nicht an der Stelle des dorischen Sparta gelegen hat. Wo ist
SITZ DES MENELAOS BEI THERAPNE ODER AMYKLAI ?
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sie zu suchen? Doch wohl in der Nähe. Gewisse Spuren führen nach dem alten Therapne; es lag dem südöstlichen Teile Spartas gegenüber auf einem die Eurotas-Ebene beherrschenden Berge. Hier wurde dem Menelaos und der Helena wie Göttern geopfert (Isoer. Encom. Hei. 63). Menelaos hatte hier ein Heiligtum, Menela'ion genannt, in dem er mit Helena verehrt wurde; beide sollten daselbst bestattet sein (Paus. I I I 19. 9). Es war ein Wallfahrtsort der spartanischen Frauen, die Helena um Schönheit für sich und ihre Kinder, und der spartanischen Männer, die Menelaos um Tapferkeit und Kriegsglück baten (Her. V I 61). Hier hat Roß 1833 gegraben und im Schutt des Menelaion eine Menge kleiner Blei- und Tonfiguren gefunden; sie stellen Frauen und bewaffnete Männer dar, Weihgeschenke für Helena und Menelaos (Roß, Arch. Aufsätze 2, 1855, S. 241; Curtius, Peloponnes 1851—52, 2. 239; Bursian, Geogr. von Griechenland, 1868—72, 2. 128; Preller, Griech. Mythologie 1875, 2. 109). Hier haben auch die Engländer gegraben und eine beim Menela'ion gelegene mykenische Ansiedlung festgestellt, zu der das Heiligtum offenbar gehörte. Nachmykenisches fand sich nicht! Die Ergebnisse sind geschildert von Wace, Thompson, Droop (Ann. of the Brit. School X V 1908—09, S. 108—157) und von Dawkins (Ann. of the Brit. School X V I 1909—10, S. 4—10 mit einem Plan und der Ansicht eines mykenischen Hauses). Auch M. P. Nilsson legt den Kult an dieser Stelle in vordorische Zeit zurück (The minoanmycenaean religion 1927, S. 459). Homer nennt Therapne nicht. Möglich, daß es in achäischer Zeit Sparta hieß und den Namen an die nahe Siedlung der Dorier abgab; möglich auch, daß der Sitz des Menelaos noch etwas südlicher lag, da, wo bei Amyklai ein ApollonHeiligtum sich befand, zu dem die Spartaner auf einer Feststraße wallfahrteten. Der Ort wird im Katalog erwähnt (II. 2. 584). Etwa 5 km südöstlich vom Apollon-Heiligtum, eben6
Rüter,
Epen
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I. DIE EPEN IM LICHT DER ARCHÄOLOGIE
falls am rechten Eurotasufer, ist 1869 das Kuppelgrab von Vaphio gefunden. Die Kuppel war eingestürzt. Der Dromos ist 29.80 m lang und hinten 3. 45 m breit. Die Tholos hat einen Durchmesser von 10 m. Im Innern befand sich ein aus dem Felsen gearbeitetes, mit kleinen Platten ausgemauertes Grab. Man fand geschnittene Steine, Bronzewaffen, ein Halsband aus blauen Glasperlen und zwei einhenklige Goldbecher mit der Darstellung weidender Rinder und einer Stierjagd in getriebener Arbeit. Solange nicht Ausgrabungen in der Ebene Licht in das Dunkel bringen, ist über die Lage der Stadt des Menelaos und seines Königssitzes nichts Sicheres zu sagen. Daß die Sänger der Urlieder sie in die Eurotas-Ebene verlegen, ist nach der Schilderung der Fahrt Telemachs zu Menelaos ohne weiteres klar (Od. 3. 473—497; 4. 1). Wir haben bei der Behandlung von Pylos darüber gesprochen. Ebenso geht aus den Gesängen hervor, daß der Palast besonders prächtig war und sich von den einfachen achäischen Fürstensitzen in Pylos und Ithaka unterschied. Hierfür sind die Angaben der Odyssee beweisend. Wir hören, daß Telemach und Peisistratos sich staunend umsehen, als sie in den Männersaal geführt werden; denn durch das Haus des ruhmreichen Menelaos ergießt sich ein Glanz wie von der Sonne und dem Mond (Od. 4.43—46); und Telemach sagt erregt zum Freunde: „Sieh doch nur das Blitzen des Erzes im hallenden Haus und das des Goldes, des Bernsteins, Silbers und Elfenbeins. So glanzvoll ist es wohl im Palast des Olympischen Zeus. Unendlicher Reichtum ist hier. Staunen ergreift mich beim Anblick." (Od. 4. 71—75). Wir dürfen diese Schilderung nicht als poetische Erfindung ansehen. Haben doch die Ausgrabungen inTiryns und Mykene bewiesen, daß es neben den einfachen Sitzen achäischer Fürsten, wie wir sie in Ithaka und Pylos kennen gelernt haben, auch reicher ausgestattete gab, reicher nach der Zahl
PALAST IN SPARTA DEM VON TIRYNS ÄHNLICH
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der Räume und nach der inneren Ausschmückung. Tiryns und Mykene spielen naturgemäß in den Epen keine Rolle, da sie nicht zu den Schauplätzen der Handlung gehören. Sie werden aber immerhin erwähnt: Tiryns, „die mauerumgürtete" im Katalog (TEixioeaaa II. 2. 559), Mykene „die wohlgebaute und goldreiche" euk-hhevos und -rroAüxpvcros ebenda und auch sonst in der Ilias wie in der Odyssee (II. 2. 569; 4, 52- 37 6 ; 7, i79=- 180; 9. 44; 11. 46; 15, 638. 643 Od. 3. 304; 21. 108). Die Ausgrabungen an beiden Plätzen hier zu behandeln, ist nicht unsere Aufgabe; soweit sie für das Homerische Haus in Frage kommen, wird im vorletzten Abschnitt (V) ihrer gedacht werden. Hier sollen sie nur insoweit Erwähnung finden, als sie die Wahrheit der epischen Schilderungen vom Palast des Menelaos zu bestätigen vermögen. Sind doch Tiryns und Mykene unbestritten Sitze achäischer Fürsten gewesen, die vor der Dorischen Wanderung daselbst in großer Machtfülle und gewaltigem Reichtum lebten. Wenn sich also die Angaben in den Epen mit den Ergebnissen der Ausgrabungen in Tiryns und Mykene decken, dürfen wir daraus folgern, daß sie einer Zeit entstammen, in der diese Burgen nebst Sparta im Peloponnes die mächtigsten waren. Tatsächlich ergeben sich wichtige Übereinstimmungen und zwar zunächst im Grundriß des spartanischen Königshauses der Dichtung und der beiden Paläste in Tiryns und Mykene (vgl. Schliemann, Mykenai 1878 und Schliemann, Tiryns mit Beiträgen von W. Dörpfeld 1886). Wir sehen in Tiryns (Taf. 8) als Kern der ausgedehnten Burg einen rechteckigen Hof, die Aule (15,75, 20,25 m groß), mit Säulenhallen ringsum, und rechts vom Eingangstor in der Achse des Hofes einen aus Quadern erbauten und mit Stuck verkleideten Rundaltar. Dem Altar gegenüber tritt man über zwei niedrige Stufen in eine von zwei Säulen getragene, schmale Vorhalle des Hauptgebäudes; aus ihr führen drei Türen in einen Vorsaal und aus diesem eine 2 m breite mittlere Tür in das Megaron. In 6*
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Mykene ist eine gleiche Anlage des Königshauses freigelegt, nur daß die südlichen Teile durch einen Erdrutsch zerstört sind. Eine Treppe führt hinauf in den Hof, an den sich rechts Vorhalle, Vorsaal und Männersaal schließen. Doch führen nicht drei Türen aus der Vorhalle in den Vorsaal, sondern eine einzige. Die Anordnung von drei Türen scheint eine direkte Beeinflussung von Kreta zu sein, in dessen Palästen sich mehrere Türen dicht nebeneinander finden; andere achäische Häuser scheinen diese Sitte nicht übernommen zu haben. Die oben genannten Räume befinden sich auch im Palast des Menelaos; doch bilden hier Vorhalle und Vorsaal einen einzigen Raum. In den Hof führt ein Vorbau, ganz wie in Tiryns. In seiner Nähe halten die Jünglinge, die aus Pherai kommen, mit ihrem Wagen und werden dem Menelaos gemeldet (Od. 4. 20). Dann erst fahren sie in den Hof und werden darauf in den Männersaal geführt. V o r diesem befindet sich ein Raum, aiöouaa oder Trpo5o|Jios genannt (Od. 4, 297. 302; 15. 5), ganz so wie II. 24. 644 und 673 der Vorraum in der Lagerhütte Achills sowohl aiöouaa „ H a l l e " wie irpöSoiJios „ V o r r a u m " heißt. Wie es in Tiryns ein Megaron der Frauen gibt und desgleichen ein Ehegemach (Dörpfeld, Odyssee 1925,1 S. 292; Anlage Tafel 5 u. 6), so erfahren wir dasselbe vom Palast des Menelaos. Helena verläßt das Gemach, in dem sie mit ihren Dienerinnen geweilt hat (Od. 4. 121), und erscheint im Männersaal. Nachts ruht sie mit Menelaos 6V liuxv 6ö(iou, im abgelegensten Teile des Hauses (Od. 4. 304), während die Gäste im Vorhaus des Palastes schlafen. Zur Ähnlichkeit im Grundriß kommen andere bemerkenswerte Übereinstimmungen. Der Sänger setzt im Männersaal des spartanischen Königshauses eine prächtige Ausstattung voraus. Wir haben die Stelle oben in deutscher Fassung zitiert; sie heißt im Text: CI>$ T E yccp TIEAIOU aiyAr) UEAEV QS CTEATIVTIS SCO^a Ka0' ÜVPEPEQJES MEVEAOCOU KuSaAi|Jioio (Od. 4 . 4 5 — 4 6 ) . Die
GLEICHE AUSSTATTUNG (ELEKTRON UND KYANOS)
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Worte finden sich zum zweiten Mal, als das Staunen des Odysseus erklärt werden soll, der sich anschickt, in den Männersaal des Phäakenpalastes einzutreten (Od. 7. 84—85). Es sei daher gestattet, über den Sitz des Alkinoos, von dem später die Rede sein wird, schon hier einiges vorwegzunehmen. Der Sänger des Heimkehrliedes gibt an beiden Stellen eine nähere Erklärung seiner Worte. In Sparta bewundert Telemach im allgemeinen den Glanz des Erzes und des Goldes, des Bernsteins, Silbers und Elfenbeins, xocAkoü te arspoTrfiv KaS Sgoucctoc fixiievTa XPUCT°Ü t ' fjAsKTpou t e Kai d p y u p o u f ) 8 '
¿ÄEcpavTOS (Od. 4. 71—75); in Scheria fügt der Dichter hinzu, in welcher Weise Gold, Silber und Bronze verwendet sind. Platten aus Silber bedecken Türpfosten und Türsturz; Tür und Türring sind mit Goldblech überzogen; Erz schmückt die Wände; rings um den Saal läuft ein Fries von blauem Glas (Od. 7. 86—90). Im Palast des Menelaos ist „f|AEKTpov", in dem des Alkinoos „kuovos" für uns von Wichtigkeit. Das Wort „f|AEKTpov" erscheint dreimal bei Homer, ohne daß das Geschlecht erkennbar wäre (Od. 4. 73; 15. 460; 18. 296). Es kann an diesen Stellen nur „Bernstein" bedeuten, nicht „Hellgold" (Mischung von Gold und Silber, 4 Teile Gold, 1 Teil Silber); in solcher Bedeutung lernen wir „f|AEKTpos" später kennen (Plin. n. h. 33. 23. Paus. V 12. 6). Bernstein hat in mykenischer Zeit großen Wert gehabt; er ist als Schmuckstück verwendet worden, so zu goldenen Halsketten und Perlenschnüren, die mit Bernsteinkugeln durchsetzt waren (Od. 15. 460; 18. 296); desgleichen als Wandschmuck, indem Bernsteinstücke in Silber- und Goldblech eingelassen wurden. Ebendasselbe geschah mit dem Material, das der Dichter küocvos nennt. Es begegnet in der Ilias zweimal (II. 11. 24 und 35). Zehn Streifen von Kuavos laufen über den Brustpanzer Agamemnons, daneben zwölf von Gold und zwanzig von Zinn, im ganzen also zweiundvierzig. Zwei goldene Streifen würden demnach oben und unten den
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Anfang und Schluß bilden und dazwischen zehn aus Zinn, Gold, Zinn, Kyanos anzunehmen sein. In 11. 35 schmückt ein Buckel aus KÛOCVOÇ die Mitte des Schildes. Die Odyssee nennt KÛOCVOÇ nur 7. 87—90. Was bedeutet das Wort? Schon Lepsius hat es richtig erklärt (Die Metalle in den ägyptischen Inschriften, Abh. d. Berl. Akad. 1871, S. 53—79, 117—118, 129—143). Heibig, dessen Ausführungen wir folgen, schließt sich ihm an (Das Homerische Epos aus den Denkmälern erläutert, 1887, i o i i f . ) . Danach ist KÛOCVOÇ nicht „blauer Stahl", wie z. B. Evans will (l'âge du bronze, S. 14fr.), denn die griechische Sprache kennt diese Bedeutung sonst nirgends, „ K Û O C V O Ç " ist erstens „Lasurstein" (lapis lazuli), zweitens „die durch Pulverisieren gewonnene Ultramarinfarbe" und drittens eine Masse, deren man sich zur Nachahmung des echten Steines bzw. Ultramarins bediente. Der echte Lasurstein war selten; er wird von Theophrast als skythischer bezeichnet; man ersetzte ihn durch einen mit Kupfererzen, bisweilen auch mit Kobalt blaugefärbten Glasfluß, der dem Lasurstein ähnlich sah. Er heißt bei Plinius der kyprische und ägyptische KÛavoç (nat. histor. 37, 119); es sind die blauen Glasflüsse, deren sich die Ägypter und Phöniker zur Nachahmung des Lasursteins bedienten. Kypros war die Fundstätte des Kupfers; die Insel wurde lange Zeit von den Phönikern beherrscht. Diese lieferten den Pharaonen sowohl Kupferlasur als auch eine in ihren Fabriken hergestellte Verbindung derselben mit dem Glase; man verarbeitete die gewonnene blaue Masse in der verschiedensten Weise zu Figuren, Amuletten, Salbfläschchen, Skarabäen; auch wurden Teile der Wände mit solchem Glasfluß überzogen. Ist es denkbar, daß der Kyanosfries im Palast des Alkinoos reiner Lasurstein sein soll? Dazu ist dieser zu selten gewesen; auch an eine bloße Bemalung ist nicht zu denken; bleibt also nur die Möglichkeit, daß der Dichter den künstlichen blauen
ORIENTALISCHE PRACHT GEWISSER PALÄSTE
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ilasfluß gemeint hat. Und diesen finden wir nun auch im 'alast von Tiryns. In der Vorhalle des Megarons, und zwar n der Westwand, hat Dörpfeld einen Sockelfries aus Ala»aster entdeckt, der mit blauem Glasfluß (küccvos) geschmückt st. Ein schön skulptiertes Stück dieses Frieses befindet sich m Archäologischen Nationalmuseum zu Athen. Die Dekoration besteht aus ganzen und halben Rosetten und aus Spiralbändern, die durch zwei Reihen kleiner Rechtecke eingeschlossen sind. Aus blauem Glasfluß bestehen sämtliche Rechtecke und die runden Stücke, die in die Spiralbänder und in die Mittelpunkte der Rosetten eingesetzt sind. Wir haben hier die Ornamente der vordorischen Epoche auf Friesen, die zur Bekleidung der Wände benutzt wurden. Solches Überkrustungsverfahren findet sich auch sonst in mykenischer Zeit. Dahin gehört die Bronzebekleidung im großen Kuppelgrab bei Mykene und in dem ähnlichen, bei Orchomenos gelegenen Bau. Wie Bronze, so ist natürlich auch Gold- und Silberblech zur Überkrustung verwandt worden. Der Sänger des Heimkehrliedes hat solche Paläste gekannt und die einfachen Fürstensitze in Ithaka und Pylos mit den reich ausgestatteten mykenisch-phönikischen in Sparta, Tiryns, Mykene vergleichen können; auch dem reichen König der Phäaken gebührt ein solcher Palast; daher die oben besprochene Schilderung. Daß der Dichter von der königlichen Pracht der mykenischen Zeit überhaupt nichts gewußt haben soll, wie Erich Bethe meint (Tausend Jahre alt-griechischen Lebens München 1933, S. 19), widerspricht dem klaren Bericht der Dichtung. Diese Pracht war aus dem Orient zu gleicher Zeit nach Kreta und nach dem griechischen Festland gekommen. Nicht die Kreter brachten sie zu den Sitzen der achäischen Fürsten, sondern die Phöniker, die den Völkern des Mittelmeeres eigene und fremde Erzeugnisse übermittelten (Heibig, Das Homerische Epos 1887, S. 21 ff.; Dörpfeld, Odyssee 1925,1,
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S. 310ÌF.). Darüber wird in anderen Abschnitten unserer Beweisführung zu reden sein. Bezüglich der Angaben des Dichters über den Palast des Menelaos dürfen wir wiederholen, daß sie den Ergebnissen der Ausgrabungen mykenischer Burgen in Griechenland nicht nur nicht widersprechen, sondern mit ihnen identisch sind. e. S C H E R I A Taf. 2. 3. 5
Scheria ist der fünfte und letzte der in der Odyssee am meisten genannten Orte; in der Ilias kommt er naturgemäß nicht vor. Der Dichter verlegt ihn auf eine Insel (Od. 6. 204: uoÀUKÀucrrcp évi uóvtco im brandenden Meer) ; dieselben Worte werden von Pharos gebraucht (Od. 4. 354). Die Bezeichnungen 283. 528—535; 13, 125—164. 341—343). Apollon und Poseidon sind in ihrer Tätigkeit unentbehrliche Gottheiten der Dichtungen und beeinflussen sie neben Zeus, Hera und Athena in hervorragendem Maße, Apollon als Freund der Troer und Feind der Griechen, Poseidon als Feind des Odysseus. Wie kommt das? Beide Gottheiten sind den Achäern ursprünglich fremd gewesen, sind nicht aus dem Norden mitgebracht, sondern ihnen erst allmählich vertraut geworden, zuerst wohl Poseidon, dann Apollon. Poseidon ist ein Gott des alten Mittelmeeres und der vor den Achäern in Griechenland vorhandenen Kultur, die besonders Schiffahrt und Viehzucht
230 VI A. SCHLÜSSE AUS GÖTTERWELT UND GÖTTERKULT
pflegte (C. Schuchhardt, Alteuropa, eine Vorgeschichte unseres Erdteils, 2. A . 1926, 235, 247fr.; W. Dörpfeld, Alt-Olympia 1935, S. 318. 411 f.). Er war vor dem Zeuskultus der oberste Gebieter in den Höhen, auf der Erde und in den Tiefen des Meeres. Pferde und Rinder sind ihm heilig. Aus seiner Verbindung mit Unholdinnen gehen die Kyklopen, Laistrygonen und andere Ungetüme hervor. Die Achäer haben ihm als dem Meeresgott gehuldigt. Seine Tätigkeit ist mehr zerstörend als segensreich; oft tritt er den Absichten des Zeus entgegen und verbündet sich mit Hera, wenn es sich darum handelt, die Troer zu schädigen. Den heimkehrenden Odysseus verfolgt er selbst dann noch, als die Götter dessen Rückkehr verfügt haben. Erst Athena's Hilfe zwingt ihn, vom Dulder abzulassen. Und woher stammt Apollon? Diese Frage und ihre Beantwortung ist für unsere Untersuchung von Bedeutung. Apollon ist ein Hellene und ein Gott der Ionier, sagen die einen. (E. Meyer, Gesch. d. Altert. 1928, II 2, S. 284; W. Aly, der kretische Apollokult 1908; E.Bethe, Apollon, der Hellene, im'AvriScopov, Festschrift für J. Wackernagel, Göttingen 1923 S. 14fr.); er ist ein Barbarengott, sagen die andern (so v. Wilamowitz, Hermes 1903, 575). In Kleinasien, führt dieser aus, haben ihn die Griechen kennen gelernt und in das Mutterland eingeführt. Wilamowitz holt seine Beweise aus der Ilias; hier ist Apollon tatsächlich, wie wir sahen, Gott und Helfer der Troer, und die sind Barbaren; Wilamowitz weist ferner darauf hin, daß die ganze kleinasiatische Küste von Apollon-Heiligtümern, meist Orakelstätten, besetzt gewesen sei, und daß auch Delphi erst spät von Apollon erobert wurde, desgleichen Athen. Dies alles scheint stichhaltig und unwiderlegbar. Wenn Bethe dazu bemerkt, daß die Troer bei Homer nicht schlechthin Barbaren seien, sondern so gezeichnet würden wie die Achäer, so hat auch er recht; es ist von uns öfter betont und mit Gründen belegt worden. Wenn er hinzufügt, daß auch die Achäer
POSEIDON PELASGERGOTT, APOLLON ACHÄERFEIND
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zu Apollon beten, so stimmt auch dies; freilich mehr für den Kern der Odyssee als für den der Ilias. Denn IL 2. 3 7 1 ; 4. 288; 7. 132; 16. 97 gehören anerkanntermaßen zur Zudichtung. Aber widerlegt ist v. Wilamowitz nicht durch Bethe. Geklärt und so gut wie entschieden ist die Frage durch Fritz Hommel (Ethnologie und Geographie des Alten Orients 1926, S. 711—746). Danach ist der Ursprung der Apollon-Verehrung in Süd-Arabien zu suchen. „Die Göttermutter Ilatan, verkürzt Latan, ( „ a n " hat die Bedeutung des Artikels) und ihr Sohn Habulan sind schon in sehr alter Zeit durch den südarabischen Weihrauchhandel in das griechische Pantheon als Leto und Apollon aufgenommen worden (S. 7 1 1 ) . " E r hätte vielleicht besser gesagt „durch arabische Einwanderung". Hommel beweist die Existenz der beiden arabischen Gottheiten, abgesehen von der Erwähnung der arabischen Alilat (Alitta) bei Herodot (I. 1 3 1 ; I I I . 8), durch eine minäische Inschrift, gefunden in Delos, aus dem 3. oder 2. Jahrhundert nach Chr. (S. 713), durch nabatäische Inschriften, entstanden um die Wende unserer Zeitrechnung (S. 193), und durch frühislamische Überlieferung. Für den arabischen Hubal (Habul, Habel) sind seine Attribute von Bedeutung; er ist der Gott der Herden und der Orakel, ganz wie Apollon „öttöccov pt|Acüv Begleiter der Schafe" (S. 733). Der mit ihm identische Gott „ W a d d " — so heißt Hubal bei dem südarabischen MaanVolk — trägt Bogen und Köcher (S. 717). Die Maanäer oder Meinäer waren aber gerade die südarabischen Weihrauchhändler; Hubal ist der Lichtgott, Sinnbild des Neumonds; auch Apollon ist vor allem der Lichtgott, dann erst der Sonnengott (S. 733). AuKriyevris ist der Lichtgeborene; „der in Lykien Geborene" würde lauten Auiar)yevr|S- Hommel läßt den Kult des Apollon zunächst nach der lykischen Küste gelangen (S. 334), von da nach dem Ionischen Kleinasien und nach den Inseln, endlich von Delos nach Griechenland und besonders nach Delphi. — Für die Beweisfüh-
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rung im einzelnefi muß auf die eingehende Untersuchung Hommels verwiesen werden, in der auch eine Vergleichung Hubais mit dem Habel der Genesis Kap. 4 (S. 715f.) von größtem Interesse ist. Daß die Gleichsetzung der arabischen Gottheiten mit den griechischen — auch Dionysos und Hermes kommen in Frage — für die griechische Religionsund Kulturgeschichte von großer Tragweite sein wird, liegt auf der Hand. Sie ist aber auch für die Datierung der Homerischen Epen von Bedeutung. Hommel hält die minäische Kultur für sehr alt und für älter als die der Sabäer; er setzt 1000 v. Chr. als späteste Zeit an für die Übernahme des Kultes Apollons seitens der Bewohner Lykiens und des ionischen Kleinasiens. Für uns, die wir den Einfluß der Araber und der Phöniker auf dem Gebiet der Schrift und Kunst unter den Achäern schon in der Mitte des 2. Jahrtausends festgestellt haben, ergibt sich daraus auch die Sicherheit, daß der Kult Apollons bei den Achäern schon vor dem Troischen Krieg eine gewisse Rolle spielt und nicht erst über Lykien und Kleinasien zu ihnen gekommen ist. Sind j a doch Maanäer oder Meinäer (Meivocioi, Mivaioi der Klassiker) schon früh in Triphylien und in das spätere Böotien eingewandert zu festen Niederlassungen; Orchomenos, Theben und Tanagra sind ihre Städte. Theben erliegt den achäischen Epigonen (W. Dörpfeld, Alt-Olympia 1935, S. 205. 344f. 349. 412. 428. 439). Auch in Chalkis und Eretria sitzen nach Strabon (II 447) Araber. Und Phöniker haben überall an der Küste des Festlandes und auf den Inseln ihre Ansiedlungen. Von ihnen allen haben die Achäer Apollon sehr früh kennen gelernt und zu verehren begonnen. Aber der Name Delphi kommt in den Epen noch nicht vor. Achill nennt einmal den Tempel des Gottes samt seinen Schätzen im felsigen Pytho (II. 9. 404 bis 405), und im Heimkehrlied wird des Orakels Apollons in Pytho gedacht, das Agamemnon vor dem Beginn des Krieges
APOLLON AUS DEM ORIENT EINGEFÜHRT
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aufgesucht haben soll (Od. 8. 79—81). Die Achäer kennen also Apollon und beten zu ihm, aber nur vereinzelt, etwa so wie die Troer zu Athena oder Achill zum pelasgischen Zeus (II. 2 . 3 7 1 ; 4.288; 7. 132; 16.97; 22,7—20. 202—204. 2 I 3 220—221. 301—302. 359; 23. 188—191; 24, 18—21. 32—34. 56—57). Aber im Kampf sind Hera und Athena ihre Schutzgottheiten. Apollon vertritt troische Interessen und die benachbarter Orte wie Chryse, Skilla, Tenedos; es ist ganz auffällig und wiederholt sich immer wieder bis zum Tode Hektors. Der Kult Apollons in Kleinasien, durch arabische Phöniker dorthin verpflanzt, ist sehr früh anzusetzen. Er hat dort festen Fuß gefaßt, wie seine Kultstätten beweisen; dessen ist sich der achäische Sänger bewußt gewesen. Unter den Mitkämpfern war die Erinnerung an den Troischen Apollon und seine Gegnerschaft gegen die Achäer lebendig. Wäre das Lied vom Zorn Achills erst in Ionien entstanden, so hätte der Umstand, daß Apollon inzwischen im Mutterland zu sehr großer Verehrung gelangt war, verhindert, ihn zu einem Gott der feindlichen Troer zu machen. Nach Zeus, der von Achäern wie Troern als höchster Gott verehrt wird und seine Huld beiden Parteien zuwendet, ist Athena, des Zeus Tochter, die am meisten panachäische Gottheit des ganzen Olympos. Sie ist in der Ilias immer auf der Seite der Achäer zu finden, wie Apollon fast stets auf der der Troer. Noch mehr als Athena tritt, wie schon oben gesagt, Hera für die Achäer ein. Das Wesen dieser beiden weiblichen Gottheiten und ihre Beziehungen zu Zeus zu deuten, ist nicht unsere Aufgabe. Nur so viel sei gesagt, daß auch Athena nicht von den Achäern mitgebracht ist. Athena und Hephaistos sind ein vorgriechisches, tyrsenisches Götterpaar, Beschützer der Töpfer, mit Heiligtümern, insbesondere dem unter dem Namen Theseion erhaltenen Tempel im athenischen Töpferviertel des Kerameikos (Dörpfeld, Alt-Olympia 1935,
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317f.). Besondere Verehrung genoß Athena auch im späteren Böotien; sie heißt vom böotischen Ort „Alalkomenai" 'AAaAKonevt|is, doch erscheint dies Beiwort nur zweimal und zwar in den Ergänzungen (IL 4. 8; 5. 908). In Böotien haben wir wohl auch den Triton-See zu suchen, nach dem sie TpiToyeveioc genannt wird (IL 4. 515; 8, 39. 22. 183; Od. 3. 378); freilich zieht man für ihn auch Thessalien und Libyen heran. In der Ilias zeigt sich die kriegerische Seite der Göttin, in der Odyssee die besonnene und erfinderische. Als Gattin des Zeus ist Hera die ehrwürdigste, stattlichste und hochgeehrteste unter allen Göttinnen. Sie gilt vornehmlich als Beschützerin der Ehe und ist deshalb die unerbittliche Feindin der Troer, die eine Ehebrecherin schützen. Eine wichtige Stätte des Hera-Dienstes ist Argos. Die argivische ist von allen die heiligste (IL 4, 8. 57). Vielleicht wurde sie dort schon von der vorgriechischen Bevölkerung verehrt und verschmolz, als die Achäer kamen, mit Dione, der Gattin des Zeus von Dodona, zu e i n e m Wesen. Von den Söhnen und Töchtern des Zeus sind außer Athena und Apollon noch Artemis, Ares und Hermes zu nennen, während Dionysos in beiden Epen nur j e zweimal und zwar an Stellen erscheint, die in die neuionische Zeit gehören (IL 6. 132; 14. 325; Od. 11. 325; 24. 74). Artemis, die Tochter Letos, ist wie ihr Bruder Apollon eine Gottheit orientalischen Ursprungs. Beide Göttinnen spielen in den Epen eine untergeordnete Rolle. Hermes dagegen ist in beiden Dichtungen tätig, meist als rechte Hand des Zeus und seinBote,derjedenAuftrag gewandt und listig vollzieht. Ares, ein Sohn der Hera, gleicht seiner Mutter und ist der Gott des Streites und Haders. Vor allem ist er der Kriegsgott. Die Ilias läßt ihn oft eingreifen; er ist auf troischer und auf griechischer Seite zu finden. Sein wildes Toben und sein toller Mut sind seine Schwäche. Athena mit ihrer kühlen Berechnung und besonnenen Tapferkeit hat
ZEUS-HERA UND IHRE KINDER
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große Gewalt über ihn und geht oft unbarmherzig mit ihm um. Wir dürfen erwarten, die genannten Gottheiten, vor allem Zeus, Hera, Apollon, Athena und Poseidon in den Kerngedichten tätig zu sehen. Und sie sind in der schlichten Weise tätig, wie wir es im ersten Gesang der Ilias feststellen, und wie sie uns für den Fortgang der Handlung noch beschäftigen wird; nicht aber in der der Götterversammlungen und der Schilderungen, die sich an sie anschließen. Zudichtung ist vor allem Heras übertriebene Rachsucht gegen alles, was troisch heißt, und ihre überspannte Eifersucht auf ihre Machtstellung gegenüber Zeus. Hierfür bringt der Schluß des ersten Gesanges einen glänzenden Beweis in einer Götterszene, die mit ihrem fast possenhaften Verlauf unmöglich von einem achäischen Sänger herrühren kann. Sie wird vorbereitet in einem Gespräch zwischen Thetis und Zeus, insofern dieser mit dem Versprechen der Ehrenrettung Achills zögert und angeblich seine Gattin Hera und ihren Tadel fürchtet (IL i. 495—533). Es folgt die bekannte Szene des Streites und Zankes zwischen Zeus und Hera mit einer gewollten Komik und das drollige Reden und Handeln des Herasohnes Hephaistos, der mit seinen praktischen Vorschlägen die gestörte Gemütlichkeit beim Mahle wieder herzustellen versucht und schallendes Gelächter unter den Göttern hervorruft (II. 1. 533—611). Wie könnte der Dichter des Zornliedes solche Bilder im Kopfe getragen haben! Es sind scherzhafte Darstellungen eines Nachdichters, der die Götter zu Abbildern der Menschen macht mit ihren großen und kleinen Schwächen und die Zuhörer ergötzen will. Sie gehören nicht in das Ursprungslied; fast keine der Götterszenen der Ilias gehört dahin. Wir sehen die Olympier zum zweiten Male versammelt, als Paris dem Menelaos im Zweikampf unterlegen ist, und dem abgeschlossenen Vertrag entsprechend Helenas Rückgabe und die Heimkehr der Griechen erfolgen muß (II. 4, 1—72).
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Zeus hat sein der Thetis gegebenes Versprechen, Achill durch Niederlagen der Achäer rächen zu wollen, scheinbar völlig vergessen, denn er ist geneigt, den Frieden herbeizuführen, um Troia zu retten; aber Hera zwingt ihn, davon abzusehen. Sie will in ihrem Haß gegen die Troer dem Gemahl sogar ihre drei liebsten Städte opfern, falls er ihrem Wunsch der Zerstörung Troias nachgibt. So befiehlt er denn der Athena, einen Vertragsbruch durch die Troer zu veranlassen und sie dadurch ins Unrecht zu setzen. Diese grausame und ungerechte Handlungsweise der beiden obersten Gottheiten kann unmöglich ins Zornlied gehören, in dem es sich j a überhaupt nicht um das Schicksal Troias handelt, sondern allein um die Ehrenrettung Achills. Sie gehört in ein Sonderepos, das, in kleinasiatischer Zeit dem Zornlied angeschlossen, über den Vertrag zwischen Troern und Achäern, die Mauerschau, den Zweikampf, den Vertragsbruch, die Musterung und die Taten des Diomedes hinweg den Untergang von Ilios als eine Folge des Vertragsbruches hinstellen will, den doch Zeus selbst bewirkt hat. Wir dürfen II. 3; 4, 1—421 und 5 als Zudichtung ansehen; ein Recht dazu gibt uns, abgesehen von anderen Gründen, die hier nicht zu besprechen sind, die Art der weiteren Verhandlungen zwischen Zeus und Hera. Die dritte Götterversammlung findet nach einem Siege der Achäer am Morgen des zweiten Kampftages statt und wird von Zeus berufen, weil er ein Verbot der Beteiligung der Götter am Kampf erlassen will (II. 8. 1—52). Gründe gibt er nicht an, sagt nicht etwa, daß er es zur Einlösung seines der Thetis gegebenen Versprechens für nötig hält. Durch wunderliche Drohungen — er will sämtliche Götter samt der Erde an einem Strick emporziehen und an einem Zacken des Olympos aufhängen — sucht er sie einzuschüchtern. Die aufsässige Antwort Athenas, daß sie den Achäern wenigstens mit ihrem Rate beistehen werde, beurteilt er freundlich und begibt sich
VOM ACHÄISCHEN GLAUBEN ABWEICHENDE ZUDICHTUNG 237
zum Ida. Als dann aber beide Göttinnen nach einem vergeblichen Versuch, Poseidon zur Hilfe zu bewegen (II. 8. 188—212), mit dem Wagen zum Schlachtfeld fahren, um Hektor zu vernichten, werden sie auf Befehl des Zeus durch Iris fortgescheucht (II. 8. 350—437). Zeus kehrt vom Ida zum Olymp zurück und stellt in Aussicht, daß er am nächsten Tage noch größere Scharen der Achäer vernichten wird (IL 8.438—484). Auch diese Darstellung der einander widerstrebenden Götter kann nicht dem Zornlied angehört haben. Das Verbot ist nur verständlich, wenn es auf die Beteiligung der Göttinnen Athena und Hera am 1. Kampftag der Gesamt-Ilias bezogen wird. Dieser erste Kampftag mit seinem achäischen Sieg ist aber als Zudichtung anzusehen. Ein Sieg der Achäer nach dem Versprechen des Zeus, Achill rächen zu wollen, ist widersinnig und kann nur später eingefügt sein. Zugleich damit ist die prahlerische Drohung des Zeus nachträglich eingeschoben. Die drei genannten Götterszenen, pomphaft wie sie sind, haben nicht zum Zornlied gehört. Das Versprechen des erhabenen und majestätischen Zeus an Thetis galt dem Dichter der Menis so viel wie die Tat; wir erkennen seine Vorstellung vom obersten Kriegsherrn noch aus der jetzigen Gestalt der Dichtung; der Zeus der Götterversammlungen dagegen ist ein Zerrbild samt seiner Gattin und der andern Götterschar. Das beständige Hadern und Drohen bringt nicht von der Stelle; der Aufwand an Mitteln müßte doch im Verhältnis stehen zur Bedeutung dessen, was erreicht wird. Aber es wird so gut wie nichts bewirkt. Die Götter, welche etwas erreichen, sind von andrer Art; es sind die der Kernlieder, die wir oben behandelt haben. Da ist Apollon, der den seinem Priester angetanen Schimpf rächt (II. 1. 43—52); da ist Hera, die dem Achill den Gedanken eingibt, eine Versammlung zu berufen und dem Elend des Heeres zu steuern (IL 1. 55—56). Athena dämpft den aufbrausenden
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Zorn Achills; sie ist nur ihm selbst sichtbar, und ihre besonnene Rede ist ihr einziges Mittel (II. i. 207—214). Zeus nickt der bittenden Thetis Gewährung und macht den Olymp erbeben (II. 1. 524—530). Im Kampf sind Ares und Athena mit anfeuernden Worten zur Stelle (II. 4.439). Apollon weiß die anfangs schwankenden Troer zu stützen (II. 4.509—513). Zeus sendet, nachdem die Schicksalswage für die Troer entschieden hat, seinen Blitz unter die achäischen Scharen (II. 8. 66—77). Der erste Kampftag des Kernliedes geht zu Ende. Achill ist gerächt. Die Troer behaupten das Schlachtfeld (II. 8.485—565). Wir erleben noch mehr Götterszenen aus neuionischer Zeit; sie heben sich deutlich ab von den eindrucksvollen Darstellungen göttlicher Wirksamkeit des Urgedichtes. Beide können nicht von demselben Dichter und nicht aus derselben Zeit stammen. Unter diesem Gesichtspunkt verdient die Überlistung des Zeus durch Hera betrachtet zu werden, die uns in den nächsten Kampftag führt. Die Göttin will den Achäern beistehen; da sie selbst sich nicht traut, versucht sie es mit List (IL 14. 153—360). Sie will Zeus, der vom Ida zusieht, durch Liebreiz betören und einschläfern; Poseidon, den sie schon auf seiten der Achäer tätig sieht, soll dadurch freie Bahn erhalten für ausgiebige Hilfe. Aphrodite muß ihr dazu den Gürtel leihen, der Zuneigung, Zärtlichkeit und sehnsüchtiges Verlangen hervorruft; eine Lüge verschafft ihn ihr. Auch der Schlaf muß ihr bei der Betörung des Gemahls behilflich sein. Sie spielt vor Zeus die Schamhafte, obwohl sie sich absichtlich für ihn geschmückt hat. Ihr Plan gelingt, aber nicht für lange Zeit. Zeus erwacht, sieht, wie schlimm es den Troern geht, und bedroht die listige Hera. Doch diese schwört einen gewaltigen Eid, daß sie Poseidon nicht gegen die Troer gesandt hat; das ist, äußerlich betrachtet, richtig, aber tatsächlich hat sie durch ihre Handlungsweise die Hilfe Poseidons verlängern und verstärken wollen (II. 15. 1—77). Zeus verzeiht ihr, verlangt
VERSCHIEDENE BETEILIGUNG DER GÖTTER AM KAMPF
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aber, daß sie Apollon zu Hektor sende, dem der Gott Heilung bringen und im Kampf gegen die Achäer beistehen soll. Ferner soll Iris den Poseidon vom Schlachtfeld entfernen. Hera gehorcht; verstimmt sitzt sie unter den Göttern, rät aber einstweilen zur Geduld und Unterordnung (IL 15. 78—148). Gewiß ein vergnügliches, mit feiner Manier vorgetragenes Lied, aber vom Zornlied in seiner Geistesart grundverschieden. Es hat nicht zu ihm gehört; infolgedessen auch alles das nicht, was im fünfzehnten Gesang nach dem Erwachen des Zeus über eine Wiederherstellung der troischen Kampflage erzählt wird. Im Zornliede war sie nicht nötig, weil die Troer in diesem Kampfe von Anfang an Sieger waren und es blieben, bis Patroklos erschien. Da erst gingen sie zurück und drangen dann, nachdem Patroklos gefallen, wieder bis zum Schiifslager vor. Am letzten Kampftag erleben wir abermals eine Göttergeschichte oder vielmehr eine Götterschlacht. Schon im fünften Gesang bei der Verherrlichung des Diomedes sind auf troischer Seite Apollon, Ares und Aphrodite tätig gewesen, auf achäischer Hera und Athena. Aphrodite und Ares sind sogar von Diomedes verwundet worden. Der zwanzigste und einundzwanzigste Gesang führt noch mehr Götter auf den Plan. Zeus selbst hat ihnen gestattet zu helfen, wenn sie wollen; er fürchtet, daß Achill, wenn er keinen Widerstand findet, wider das Geschick Troia erobern könne. Auf die Seite der Troer treten Apollon, Ares, Aphrodite, Artemis, Leto und der Flußgott Skamandros, auf die der Achäer Hera, Athena, Poseidon, Hephaistos und Hermes. Athena und Ares erheben den Kampfruf, Zeus donnert gewaltig von oben; unten erschüttert Poseidon mit seinem Dreizack die Erde. Sogar Hades erschrickt und fürchtet, Poseidon würde die Decke spalten und Menschen wie Göttern sein schreckliches Reich offenbaren (II. 20. 55—74). Nach diesem prächtigen Eingang erfolgt eine armselige
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Fortsetzung. Die Götter treten zwar einander gegenüber, aber der Zusammenstoß erfolgt erst nach dem Zweikampf des Achill mit Aineias und seinem Toben am Xanthos. Inzwischen beschränken sie sich darauf, Aineias vor Achill und Achill vor dem Skamandros zu retten. Und im eigentlichen Götterkampf wird nichts erreicht (II. 21. 383—513). Apollon, Hermes und Poseidon kämpfen überhaupt nicht; Hera und Athena sind Siegerinnen über Ares, Aphrodite und Artemis. Wunden werden nicht geschlagen, nur Prügel ausgeteilt, und der Donnerer freut sich. Alle diese Szenen atmen spätionischen Geist und sind in später Zeit entstanden. Alles, was sie uns sagen, und was im Anschluß an sie erzählt wird, kann nicht zum Zornlied gehört haben. Ganz anders wirken vom zweiten Kampftag an die sonstigen Schilderungen göttlicher Tätigkeit. Wir wollen einige betrachten, um festzustellen, wie sehr sie sich von dem eben Gehörten unterscheiden. Die Götter erscheinen, wo und wie sie wollen, unsichtbar oder so, daß von der äußeren Erscheinung nichts gesagt wird, oder in Nebel gehüllt oder sichtbar oder in fremder Gestalt, aber nicht immer erkennbar oder doch erst mit göttlicher Hilfe (Pfister, „Epiphanie" in Pauly-Wissowa, R . E., Suppl. Bd. I V , 271 ff.). Zeus wirkt meist vom Ida aus; ein einziges Mal heißt es, daß er auf dem Kampfplatz Hektor mit gewaltiger Hand nach vorn stößt (II. 15. 694). Aias schlägt er mit lähmender Furcht (II. 11. 541), die Troer entflammt er zur Kühnheit. „ E r wollte Hektor Ruhm verleihen, daß er Feuerbrände in die Schiffe werfe und so die schreckliche Bitte der Thetis erfülle. Eins von ihnen in Flammen zu sehen, daraufwartete Zeus" (II. 15. 596—600). „Aias empfand im tapferen Herzen schaudernd das göttliche Walten; er sah, daß Zeus sein Kampfziel gänzlich durchkreuzte und den Troern Sieg verlieh. Da wich er zurück" (II. 16. 119—124). Einige Stellen atmen tiefe und in der Form feierliche Frömmigkeit und Ehrfurcht; so das
TÄTIGKEIT DER GÖTTER IM ZORNLIED
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Gebet Achills zu Zeus, bevor er den Freund in den Kampf schickt (II. 16. 233—248), wie denn überhaupt der tapferste Held der Dichtung den Göttern gegenüber am ehrerbietigsten ist und sich von ihnen abhängig weiß, besonders von Zeus. „Wer den Göttern gehorcht, den erhören sie wieder" (II. 1. 218). „Zeus erfüllt nicht alle Hoffnungen der Menschen" (II. 18. 328). „Vater Zeus, wahrlich, Du stürzest die Menschen in schwere Verblendung" (II. 19. 270—275). Wie Apollon dem Hektor beisteht, so ist Athena stets um Achill besorgt. Als er sich zur Abwehr der Troer erhebt, deckt sie ihm die kräftigen Schultern mit dem Turmschild; sein Haupt umhüllt sie mit einer goldenen Wolke, aus der sie helles Licht aufflammen läßt (II. 18. 203—206). Den von Hektor geschleuderten Speer lenkt sie mit einem leisen Hauche von ihm fort (II. 20. 438—440) und bewirkt schließlich auch den Fall Hektors (II. 22. 214—219; 222—233), gerade wie Apollon den des Patroklos veranlaßt hatte (II. 16. 788—792; 805—806). An den angeführten Stellen sind die Götter unentbehrliche Bestandteile der Handlung. Ihr Eingreifen entspricht dem naiven Volksglauben, daß jede gute oder böse Tat der Menschen durch die Götter bewirkt wird. Tapferkeit und Erfolge beruhen auf ihrer Hilfe; Furcht und Niederlagen werden durch sie veranlaßt; selbst für das Böse, das geschieht, schiebt man den Göttern die Schuld zu, denn man weiß hinterher nicht, wie man zur bösen T a t hat kommen können (II. 6. io8f.; 6. 357; 19. 86—90). Ganz im Gegensatz hierzu sind in den oben geschilderten Versammlungen und Kämpfen die Götter zum freien Eigentum der Poesie geworden, die mit ihnen ihr heiteres Spiel treibt; es fehlt sogar nicht an Äußerungen des Zweifels und frivolen Spottes (II. 12. 237—243). Wir sind berechtigt, daraus die Folgerung zu ziehen, daß sie einer späten Zeit angehören, während die wirklichen religiösen Vorstellungen der Achäer sich im Zornlied wider16
Rüter,
Epen
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spiegeln; alle Beispiele, die wir dafür anführten, gehören den Partien des Epos an, die wir zum Kerngedicht rechnen (vgl. Rüter, Homers Ilias, Versuch einer Wiederherstellung des Urgedichtes vom Zorn des Achilleus 1929, S. 170 ff.). In ihnen liegt ältestes religiöses Gut vor; die Welt der Helden ist aber allem übernatürlichem Eingreifen zum Trotz eine Welt der Menschen, eine Welt des eigensüchtigen, hochmütigen Agamemnon, des selbstbewußten, leidenschaftlichen Achilleus, des weisen, gütigen Nestor, des mutigen, vaterlandsliebenden Hektor, der treuen, liebevollen Andromache, des bemitleidenswerten Elternpaares Priamos und Hekabe. Das Heimkehrlied ist von Zusätzen und Erweiterungen verschont geblieben, wie sie in der Ilias auf die Götterwelt und ihre Erscheinungsform eingewirkt und ihr den Stempel der neuionischen Zeit aufgedrückt haben. Nur der größte Teil der Irrfahrten sowie das 24. Buch der Odyssee gehören der Nachdichtung an; in diesen erweiterten Irrfahrten ist von göttlicher Einwirkung wenig berichtet. Athena wird nur Od. 9. 317 erwähnt im Kyklopenabenteuer, von dem oben die Rede war (s. S. i8of.). Dem Sänger dieses Liedes war das Auftreten der Athena vor Troia durch das Zornlied und durch andere epische Gedichte bekannt. In späterer Zeit lag es nahe, den Helden bei seinen Abenteuern auf sich selbst zu stellen und seiner eigenen Kühnheit und List vertrauen zu lassen. Im Heimkehrlied ist die Götterversammlung im Eingang ein notwendiger Bestandteil; es werden Beschlüsse gefaßt über die Entsendung Athenas zu Telemach und über die des Hermes zu Kalypso; sie bilden die Voraussetzung für die Handlung des Heimkehrliedes; ohne sie ist die Fahrt des Telemach und die Fahrt des Odysseus zu den Phäaken undenkbar. In beiden Handlungen ist und bleibt Athena die Leiterin. Sie gibt dem bis dahin unerfahrenen Jüngling den Gedanken zur Rache ein und zum Widerstand gegen die Freier, besorgt ihm ein Schiff und Gefährten, begleitet ihn und tröstet Penelope
ACHÄISCHE FRÖMMIGKEIT IM HEIMKEHRLIED
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über das Schicksal des Sohnes. Sie bewirkt die Verwandlung des Odysseus in Bettlergestalt. Nähme man diese Götterhilfe fort, so bräche die ganze Dichtung zusammen. Sie ruft Telemach von Sparta zurück, vermittelt das Wiedererkennen von Vater und Sohn und leitet von da ab das Rachewerk. Wir sollen sie uns nach der Meinung des Dichters immer anwesend denken, ob sie nun Penelope in Schlaf versenkt, dem Odysseus Trost spendet und Lehren erteilt oder die Freier zu Gewalttaten anregt. Im Heimkehrlied liegt die edelste Form achäischer Religiosität vor; sie ist nicht angekränkelt von der späteren neuionischen Kultur mit ihrem Zweifel und Spott, wie wir sie in den Erweiterungen des Zornliedes kennengelernt haben. Dem frommen Sänger ist das Leid der Lohn der Sünde (Od. i, 33. 34); die Gottheit entscheidet über die Zukunft (Od. 1. 267); sie spendet alle Gaben (Od. 4. 236—237), ist allwissend (Od. 4. 379), hilft dem Mutigen (Od. 7. 51—52) und haßt den Frevler (Od. 14. 83—84). So war der Glaube der Achäer. Die achäischen Dichter erhielten durch ihn ihre Gesetze; ihre Gesänge galten der Verherrlichung der Fürsten und ihrer Ahnen. Die Menschen, vor denen sie sprachen, hatten dieselbe innere Stellung zur Gottheit wie sie. Sie wußten, was die Edlen von ihnen erwarteten; denn sie waren höfische Dichter und sprachen für die Herren, nicht für die Masse. Ganz anders stand es mit den Dichtern der neuionischen Kultur in Kleinasien. Der Glaube an die Götterwelt, der in den Kernliedern zum Ausdruck kam, war geschwunden. Als neuionische Dichter daran gingen, die alten Lieder in umfassender Weise zu ergänzen, auch wieder im Interesse bestimmter Herrengeschlechter der neuen Heimat, mußten sie versuchen, den Zuhörern die achäischen Götter in andrer Weise schmackhaft zu machen; sie mußten fesseln, und sie fesselten durch die Mittel, die wir oben gezeichnet haben, hefteten den Göttern Schwächen an: Mangel an 16*
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sicherer Erkenntnis (II. 16. 646 fr.), an Allwissenheit (II. 4. iff.), an Allmacht (II. 4. 31 ff.; 16. 432 fr.); selbst vor Menschen packt sie Furcht an (II. 6. 132fr.; O d . 12. 86ff.). Sie sind unverträglich, voll Groll und Zanksucht (II. 4. 1 ff.; 5. 3820".; 8.438fr.), v o n H a ß undRachsucht erfüllt (II. 4. 1 ff), voll Neid und kleinlichem Ehrgeiz (II. 24. 6 0 2 f f ) . Dieser Wandel ist in der Ilias mit Händen zu greifen, dort die einfache körperlich-konkrete naive, hier die komplizierte, geistige, reflektierende und stark kritisierende Auffassung. Das Heimkehrlied ist zwar zerrissen und sein ursprünglicher kunstvoller A u f b a u verdunkelt (Dörpfeld, Odyssee I, 1925, S. 15fr.), hat aber in den religiösen Anschauungen keine Änderung erfahren, sondern nur Zudichtungen von Schiffermärchen, um die Hörer mehr zu fesseln und die aus achäischer Zeit überlieferte Kunde von den Abenteuern des Odysseus noch zu überbieten. Können wir aus der olympischen Götterwelt und ihrer verschiedenen Darstellung in den Gesamtepen folgern, welche Partien den Kernliedern nicht angehört haben, so ist im übrigen beim Suchen nach verschiedenen Stufen der religiösen Entwicklung Vorsicht geboten. Gestattet dürfte sein, Gottheiten wie Deimos und Phobos, Söhne des Ares (II. 4. 440; 11. 37; 13. 299; 15. 119), Eris, Schwester des Ares (II. 4. 440; 5 . 5 1 8 . 740; 11. 3. 73; 14. 389; 18. 535), Kydoimos, einen Schlachtendämon auf dem Schilde Achills (II. 18. 535), und Ker, das Bild der Todesgöttin ebendaselbst (II. 18. 535), den Zudichtungen aus neuionischer Zeit zuzuweisen; es sind Personifikationen menschlicher Eigenschaften und Zustände „der Furcht, der Neigung zur Flucht, der Zwietracht, des Schlachtgetümmels und Todesschreckens". Wir können sie mutatis mutandis mit den Horazischen Gottheiten Virtus, Fides, Justitia, Veritas vergleichen und ihre Erfindung kleinasiatischen Dichtern zuweisen. Mit dem achäischen Volksglauben haben sie nichts zu tun, erscheinen auch nicht in den Gesängen, die
GOTTHEITEN ZWEITEN RANGES
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zu den Kernliedern zu rechnen sind oder lassen sich wie Eris mit leiser Änderung beseitigen. Schwieriger ist es, sich mit dem Begriff des Schicksals, der Moira, zurechtzufinden, der in allen Teilen der Epen vorliegt. Wir dürfen annehmen, daß Moira ursprünglich eine Todesgöttin ist. Sprachlich liegt zugrunde die Wurzel uop wie in pöpos und EinocpTca, also „Teil, Los, Todeslos". Parallel laufen ccTctoc mit der Grundbedeutung „Maß, Anteil, gebührender Teil, Los, Schickung" und Kfjp vielleicht ursprünglich das Bild der Seele Verstorbener und später in der Bedeutung „ T o d " gebraucht. Moira wird an Stellen, die wir zweifellos zum Kernlied zählen müssen, mit persönlichen Göttern zusammen genannt (II. 16. 849; 20. 87) und gilt dort also als eine Dämonin; meist aber bringt sie den Tod und wird selbst in der Bedeutung „ T o d " gebraucht (E. Heden, Homerische Götterstudien, Upsala 1912). Sie wird dann im Zornlied zu einer Schicksalsgöttin, eine Bedeutung, die im Heimkehrlied noch mehr hervortritt. Moira ist also eine im achäischen Glauben wurzelnde Göttin des Todes, die in der Entwicklung religiöser Vorstellungen nicht nur den Tod zuteilt, sondern alles, was dem Menschen begegnet, und so zur Schicksalsgöttin und zum Schicksal wird. Das Geschick, das beschieden ist, wird als ein Ausfluß der göttlichen Macht angesehen. So erklärt sich Aiös alcra (IL 9. 608; 17. 3 2 1 ; Od. 9. 52) und liolpa öecov (Od. 3. 269; 22. 4x3), „das von den Göttern verfügte, unentrinnbare Schicksal". Auch sonst wird an Stellen, die wir den Kerngedichten zuteilen, das Schicksal ganz offenbar von den Göttern gesandt (II. 16. 2 5 0 f f ; 18, i i 5 f . 120; 18. 328ff.; Od. 4,475.480; 5. 206; 221; 300; 312. Od. 14. 357fr.; 16. 280) oder ist doch von ihnen abhängig (II. 6. 357; 15. 441; 22. 61; Od. 1, 48fr. 70ff. 266f.; 5. 30fr.; 5,41. n 8 f f 137fr.; 7, 270; 9, 53. 61; 20. 194f.) oder auch von ihnen voraus gewußt (II. 7. 52 f.; 22. 270 u. 279;
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V I A. SCHLÜSSE AUS GÖTTERWELT UND GÖTTERKULT
301 ff.; Od. 20.75; 5.345). An diesen Stellen also ist das Schicksal mit dem göttlichen Willen identisch; die beiderseitigen Machtgebiete sind nicht zu trennen. Daneben aber gibt es Fälle, wo die Gottheit nur die Vollzieherin dessen zu sein scheint, was vom Schicksal befohlen wird. So hat nach II. 2. 155 fr. das Schicksal bestimmt, daß die Achäer erst nach der Zerstörung von Ilios heimkehren sollen; fast aber wären sie gegen den Schicksalswillen, iriTEpnopoc, ohne Troia vernichtet zu haben, nach Hause zurückgekehrt, wenn nicht die Göttinnen Hera und Athena dem Schicksal zum Siege verholfen hätten (IL 2. i55ff.). Ähnlich wird durch Apollon verhindert, daß die Achäer ürrep Aiös alaav die Troer in die Stadt hineinjagen (II. 17. 319fr.). Zeus will den Göttern die Teilnahme am Kampf erlauben, damit nicht Achill, der den Kampf gegen die Troer wieder aufnimmt, die Mauern der Stadt ürrep nöpov vernichtet (II. 20. 30). Apollon begibt sich aus demselben Grunde in die Stadt, damit die Danaer sie nicht uiTEp |iopov einnehmen (II. 21. 517). Poseidon rät dem Aineias, einen Kampf mit Achill in Zukunft zu vermeiden, pf) Kai Cnrep noipav Sonov "AiSos Eiaacpiiaiai (II. 20. 336). Wenn wir uns die Umgebung dieser Stellen näher ansehen, so gehören die betreffenden Schilderungen durchweg zu den Erweiterungen. In den Zudichtungen haben also mehr und mehr die Götter als Vollzieher des Schicksalswillens eingegriffen. Heden weist allerdings in seinen „Götterstudien" mit Recht daraufhin, daß der Dienst, den die Götter dem Schicksal erweisen, eigentlich nur ein scheinbarer ist und durch die epische Technik bewirkt wird. Das Schicksal ist oft nichts anderes als der dem Dichter von ihm selbst oder noch häufiger von der Überlieferung gegebene Ausgang der Erzählung. Damit diese nicht verkehrt ausgeht, muß er die Götter eingreifen lassen. Das Schicksal stellt sich ihm also bei seinem Schaffen als das Primäre, das Ziel, die Götter als das Sekundäre, das Mittel dar.
MOIRA, GOTTHEIT UND SCHICKSAL
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Im Heimkehrlied begegnet solch Eingreifen der Gottheit, als Athena dem Schicksalswillen zum Siege verhilft und Odysseus vor dem Tode des Ertrinkens bewahrt (Od. 5. 436). Da diese Stelle zum Ursprungslied gehört haben muß, so spüren wir also in der Odyssee eine gewisse Neigung, die Macht des Schicksals zu betonen; ihm hat selbst die Gottheit Geltung zu verschaffen. Ähnlich ist die doppelte Verwendung der Schicksalswage im Zornlied aufzufassen. Die Niederlage der Achäer ist beschlossene Sache. Gleichwohl nimmt Zeus die goldenen Schalen der Schicksalswage zur Hand und legt in jede ein Todeslos, für die reisigen Troer das eine, das andere für die erzumschienten Achäer. Dann ergreift er die Wage in der Mitte und hält sie empor. Da sinkt die Schale mit dem Los des Unheils für die Achäer (II. 8. 6gff.). Dasselbe geschieht vor dem Tode Hektars (II. 22. 2ogff.). Der Sieg Achills über ihn ist Schicksalswille. Die Todeswage ist nur ein Mittel, um die Entscheidung voraussehen zu lassen. Die Keren sind in beiden Fällen nur noch Lose. Ursprünglich sind es Seelen Abgeschiedener gewesen, die auf jeden Lebenden lauern. Diese Bedeutung ist bei Homer verblaßt. Der Dichter hat mit der Verwendung der Schicksalswage versucht, Schicksal und Gottheit zu identifizieren. Zu einer völligen Unterordnung der Gottheit unter das Schicksal sind auch die Erweiterungen der Kernlieder nicht gelangt. Moipct wird nicht zu einer über den Göttern stehenden Schicksalsmacht. Eine gewisse Entwicklung zur Macht erkennen wir an einer einzigen Stelle im Heimkehrlied und häufiger in den Erweiterungen des Zornliedes, dürfen aber darauf keine genaue Unterscheidung der einzelnen Teile gründen, wie das bei der Darstellung der Götterwelt möglich war. Wir haben die epischen Götter und ihre Beziehungen zur Menschenwelt betrachtet und je nach der Art ihres Auftretens in den einzelnen Teilen eine frühere oder spätere Ab-
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VI A. SCHLÜSSE AUS GÖTTERWELT UND GÖTTERKULT
fassung annehmen dürfen. Lassen sich aus dem Götterkult, den wir bei Homer kennenlernen, Folgerungen ähnlicher Art ziehen? Da sei an die Spitze gestellt, daß der festgeordnete Götterstaat, den wir als das Werk kleinasiatischer Zudichtung erkannt haben, im Kult bei Homer so gut wie gar keine Rolle spielt, selbst nicht in den Erweiterungen. Die Verehrung der Götter steht im großen und ganzen auf der alten indogermanischen Stufe, die wir auch bei unseren Vorfahren kennen. Wir finden Tempel nur in Troia (II. 5. 446; 6. 297), in Chryse (II. 1. 39) und in der Stadt der Phäaken (Od. 6, 10. 266; 13. 187), also bei Nichtachäern. In Verbindung mit dem Tempel der Athena zu Troia erscheint das Sitzbild der Göttin (II. 6. 303), das vielumstrittene. Manche wollen es bildlich auffassen, weil, wie sie sagen, Kultbilder aus so früher Zeit nicht erhalten seien. Aber die Stelle läßt mit ihren klaren Angaben eine andere als realistische Auffassung nicht zu (II. 6. 3 1 1 ) . Warum soll nicht orientalischer Einfluß für die Troas und für das Land der Phäaken anzunehmen sein mit Tempeln und Götterbildern, von denen die Dichter der Kernlieder gewußt haben? Tatsächlich sindjain der V I . Schicht von Troia mykenische Funde gemacht. In Troia gibt es auch Altäre für Zeus und Apollon; auf dem Ida für Zeus, auf Kypros für Aphrodite, in Scheria für Poseidon (II. 4. 48—49; 24.69—70; 1.440—448; 8.48; Od. 8. 363; 13. 187). Wo die Achäer betend und opfernd erscheinen, geschieht es in freier Natur: im Lager vor Troia, unter Bäumen, an Quellen, in den Höfen der Herrenhäuser (II. 8. 249; 1 1 . 808; 23. 148; 2, 305. 310; Od. 17. 205—211; 22, 334. 379; 3. 273). Dort stehen die achäischen Altäre, von denen wir hören. Es ist bezeichnend, daß uns der Dichter des Zornliedes zu einem Altar der Heimat des Helden führt, nach Phthia, wo zwischen dem Othrys und Oeta der Spercheios in den malischen Meerbusen fließt (II. 23. 142—153). Der auch sonst genannte Flußgott (II. 16. 174—178) hat dort einen Hain und einen Altar.
GÖTTERKULT, PRIESTER, SEHER, OPFERSCHAUER
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Peleus hat ihm gelobt, daß Achill nach glücklicher Wiederkehr ihm sein Haupthaar und eine heilige Hekatombe opfern werde. Achill nimmt nach dem Tode des Patroklos das Gelübde des Vaters zurück, da der Flußgott den Wunsch nicht erfüllt hat; denn nie wird er heimkehren; darum schert er sein blondes Haar und legt es dem Freund in die Hände. Auch der Dichter des Heimkehrliedes spricht außer vom Altar des Zeus im Hofe des Königssitzes von einem Altar in der Nähe Ithakas. In einem Kreise (runden Hain) von Pappeln liegt der Stadtbrunnen. Das Wasser kommt hoch vom Berge herab; über dem Brunnen ist ein Altar der Nymphen erbaut; alle Wanderer pflegen daran zu opfern (Od. 17. 205—211). Zu den Nymphen des Brunnens betet Eumaios um die Wiederkehr des Odysseus, der ihn in Bettlergestalt zum eigenen Hause begleitet. Von Priestern ist bei den Achäern wenig die Rede. Dieser Stand tritt in vordorischer Zeit noch zurück. Für das Volk und Heer versieht der König Priesterdienst, für die Familie der Hausherr; der einzelne opfert vorkommendenfalls für sich selbst. Kalchas im Zornlied (II. 1, 60—72. 86. 92ff.; 2, 300. 322ff.; 13. 70) und Leiodes im Heimkehrlied (Od. 21. 144fr.; 168; 22. 310. 321) sind Seher. Seher werden häufig genannt; sie deuten die Zukunft aus Naturereignissen, Schicksalszeichen, Vogelflug und Träumen und werden von Priestern streng unterschieden (II. 1, 62. 71. 92. 106. 384; 13, 69. 663; Od. 1. 202; 9.508; 10,493.538; 11,99.291; 15,172.225.252; 17. 384). Das Orakel von Dodona hat große Bedeutung (II. 2. 750; 16. 233. Od. 14. 327; 19. 296), Delphi noch nicht. Auch die Opferschauer spielen eine Rolle, denn das Opfer steht im Mittelpunkt jeder religiösen Übung. Uralt sind die Gebräuche, die den Opfern, den Trank- und Schlachtopfern, vorangehen. An das Opfer schließt sich das Mahl. Darstellungen großer und kleiner Opfer finden sich in beiden Epen (II. 1. 447; Od. 3. 421; 3. 425; II. 10. 292; II. 6. 266; 16. 228;
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VI B. SCHLÜSSE AUS DEN HOMERISCHEN MYTHE NKREISEN
9. 220; Od. 14. 421); selbst bei den gewöhnlichen Mahlzeiten erhalten die Götter ihren Anteil; nur nicht bei den Eidopfern, von denen auch die Opfernden nichts genießen (II. 3. 310; 19. 267; 3. 295 (P. Stengel, Griechische Kultusaltertümer 1898, 121 ff.). Sicherlich haben sich auch in neu-ionischer Zeit die Opfergebräuche ähnlich abgespielt wie einige Jahrhunderte vorher unter den Achäern. Wir dürfen aber annehmen, daß jetzt die Kulthandlungen geordneter waren und mit regelmäßigen Opfern und wiederkehrenden Festen verbunden. Der Umstand, daß dies in den Epen erst im Werden begriffen ist (regelmäßige Opfer vielleicht Od. 20. 276; 21. 258; Od. 3. 5; II. 20.404; 21.131; 9. 534; Od. 19, 365. 366; 7.136fr.), beweist die frühe Entstehung der Ursprungslieder, deren Darstellung für die Zudichtung maßgebend war. Immerhin läßt sich aus der Altertümlichkeit der Kulthandlungen nur im allgemeinen auf eine Abfassung in achäischer Zeit schließen. Eine reine Scheidung des Alten und Neuen kann man nicht daraus gewinnen. In der Darstellung der Götterwelt schafft die neuionische Zeit mit ihrem froheren Gemüt und ihrer reicheren Phantasie Neues, aber im Kult beharrt sie beim Alten; in ihm stehen sich beide Zeiten nahe, die des Mutterlandes und die der kleinasiatischen Küste.
VI. B. WELCHE BEDEUTUNG HABEN FÜR DIE FRAGE NACH ZEIT UND HEIMAT DER EPEN DIE GROSSEN MYTHENKREISE BEI HOMER? Wir haben die Gedanken der achäischen und neuionischen Dichter über das Wesen und die Macht der Götter, über ihr Verhältnis zueinander und zu den Menschen kennengelernt und wenden uns nunmehr zur heroischen Mythologie, zur Heldensage. Sie erzählt von der Abstammung und den Taten der Landesherren sowie von Wanderungen und Städtegrün-
MYTHENKREISE AN MITTELPUNKTEN MYKEN. KULTUR
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düngen. Meist liegt ihr Geschichte zugrunde, doch ist sie vielfach umgebildet und mit Erdachtem vermischt. Besonders stark ist die Einwirkung der Gottheit, sowie der Ideen des Rechts und der Sitte. Wir finden in den Homerischen Epen viele solcher heroischen Sagenkreise und dürfen fragen, in welche Zeit und an welche Schauplätze sie uns führen, und ob sie Schlüsse auf die Abfassung einzelner Teile der Epen zulassen. Da fällt sofort ins Auge, daß sich die Geschichten hauptsächlich in den Mittelpunkten der mykenischen Kultur abspielen, und merkwürdig, je mächtiger in mykenischer Zeit der Ort, desto bedeutender meist die Sage. Über diese Fragen hat M. P. Nilsson gehandelt ('Av-riScopov 1923, S. 137fr., Festschrift I. Wackernagel, und „Die griech. Religion" 1927, 3. Aufl., S. 279). Er gibt einen Überblick über die Gesamtmythenkreise, auch die nachhomerischen, und stuft sie ab nach der Argolis (Mykene, Tiryns, Heraion, Larissa),Boiotien (Theben, Orchomenos), Attika (Athen, Eleusis), Lakonien (Vaphio, Amyklai, Menelaion in Sparta), Iolkos und Pylos. M. P. Nilsson gelangt bei seiner Untersuchung zu zwei Ergebnissen, die wir anführen, weil sie auch für unsere Betrachtung von Wert sind. Die großen Mythenkreise müssen nach Nilsson in den Hauptzügen entwickelt worden sein, noch ehe die große Umwälzung durch die Dorier eintrat, die die mykenische Kultur zertrümmerte und Mykene, Tiryns und andere in der mykenischen Zeit blühenden Städte zu völliger Bedeutungslosigkeit herabdrückte. Die Behauptung, daß das nachhomerische Epos für die Form der Sagen maßgebend gewesen sei, muß stark eingeschränkt werden. Einzelne Geschichten mögen im Laufe der Zeit verändert, weggefallen, hinzugekommen sein; aber im ganzen hat das nachhomerische Epos einen mehr sammelnden und systematisierenden Charakter. Haben diese Folgerungen Gültigkeit für alle Sagenkreise, so gelten sie erst recht für die, welche uns im Homer begegnen. Sehen wir sie
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VI B. SCHLÜSSE AUS DEN HOMERISCHEN MYTHENKREISEN
näher an! Bei Homer findet sich nichts vom Io-Mythos, von den Töchtern des Proitos, den Danaiden, den Töchtern des Minyas und von Athamas, womit freilich nicht gesagt ist, daß diese Sagen in mykenischer Zeit unbekannt waren. Ilias und Odyssee kennen nur die Pelopiden und Persiden, Herakles und Bellerophontes samt Proitos, Helena und die Dioskuren, Neleus und sein Geschlecht, Kadmos und Ödipus, die Sieben gegen Theben und die Epigonen. Auch Theseus wird genannt, desgleichen die Städte Orchomenos, Athen und Iolkos, doch finden die sich an sie anschließenden Heroensagen keine nähere Ausführung. Für uns sind die Pelopiden besonders wichtig. Die maßgebende Stelle (II. 2. 101—108) nennt Pelops als Stammesheros, Atreus und Thyestes als seine Söhne und Nachfolger, und endlich Agamemnon als Sohn des Atreus und Nachfolger des Thyestes in der Herrschaft über ganz Argos (in diesem Falle also über den Peloponnes) und über viele Inseln. Die Verse II. 2. 101—108 t ö nev "b^aicrros KCtpe bis "Apyei ttocvtI ccvccctcteiv haben sicher dem Ursprungsliede angehört, nur daß sie hinter eiAeto Se oKfyiTTpov II. 2.46 eingefügt werden müssen. Als Sitz Agamemnons gilt Mykenai; ob auch Pelops dort König war, sagt uns der Dichter nicht. Sonst ist im Zornlied und in den Erweiterungen nicht von ihm die Rede. In der nachhomerischen Sage aber ist er Enkel des Zeus und Sohn des Tantalos, des reichen Königs am Berge Sipylos in Kleinasien, sowie Bruder der Niobe. Während diese als Gattin des Königs Amphion in Theben dem bekannten Schicksal erliegt und zu Stein erstarrt noch als Fels auf den Höhen des Sipylos ihren Schmerz fühlt, gewinnt Pelops als Jüngling in Pisa die Hand der Hippodameia, der Tochter des dortigen Königs Oinomaos, der bis dahin alle Bewerber zu einer Wettfahrt gezwungen und, wenn er sie eingeholt, mit dem Speere durchbohrt hat. Mit dem Tode des Oinomaos, der bei der Wettfahrt umkommt oder sich das
PELOPS IM ZORNLIED ACHÄER, KEIN LYDER
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Leben nimmt, kommt auch Pisa in den Besitz des Pelops und damit das nahe dabei gelegene Olympia, wo ihm zu Ehren später Spiele eingesetzt werden. „Jetzt empfängt er als Heros prächtige Totenopfer, ruhend an des Alpheios Strom unter vielbesuchtem Hügel dort am gästewimmelnden Altar." So schildert es Pindar im ersten olympischen Siegesgesang (Str. 4). Wir sehen bei Pindar, wie die nachhomerische Sage von Pelops sich weiter entwickelt hat. Sorgfältige Untersuchungen von Ed. Thraemer (Pergamos, Untersuchungen über die Frühgeschichte Kleinasiens und Griechenlands 1888) haben festgestellt, daß Pelops ursprünglich in Kleinasien nichts zu tun hat; er ist nach Thraemer Führer der aus Nordgriechenland gekommenen Achäer gewesen, die sich im Peloponnes festsetzten, und so der Eponymos des Landes geworden (Bloch in Roschers Myth. Lex. III unter „Pelops", Sp. 1866ff.). Über eine unter Pelops' Führung aus Phthiotis nach Lakonien erfolgte Wanderung spricht Strabon ( V I I I 365). W. Dörpfeld kommt auf Grund seiner Ausgrabungen und in Ubereinstimmung mit der Überlieferung zu ähnlichen Ergebnissen. Er weist nach, daß Pelops eine historische Persönlichkeit und zwar ein achäischer König von Pisa gewesen ist, aus dessen Leichenspielen sich die Olympischen Spiele entwickelt haben (Alt-Olympia 1935, S. 5gf.). Das Vorhandensein des „Pelopion" in der Altis von Olympia weist auf eine uralte Tradition der Beziehungen des Heros zur Kultstätte am Alpheios. Auch das Heiligtum der Göttermutter ebenda geht weit in das 2. Jahrtausend zurück, während der Heratempel gleich nach der Dorischen Wanderung erbaut sein muß. Das homerische Beiwort des Pelops TrXr^nTTros „Rossetummler" deutet auf seine Tüchtigkeit im Fahren mit dem Zweigespann. Er wird gleichsam der Erstling unter den Olympioniken, und nach seinem Tode werden bei dem ihm zu Ehren errichteten Hügel Wettkämpfe veranstaltet, die sich immer wiederholen und
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VI B. SCHLÜSSE AUS DEN HOMERISCHEN MYTHENKREISEN
allmählich zur Dauereinrichtung der Olympischen Spiele führen. Dörpfeld, dessen Untersuchungen über das HeraHeiligtum und die Idäische Grotte grundlegend sind, hat im Jahre 1929 noch unter den Grundmauern des Pelopion einen Steinkreis gefunden, der nach seiner Ansicht bei der Gründung der Leichenspiele für Pelops als Leergrab angelegt wurde (Dörpfeld, Alt-Olympia 1935, 47. 49. 59. 60. 72. 1 i8ff., Taf. 5, Abb. 21—24). Zwar sagt Homer nichts über die Beziehungen des Königs Pelops zum elischen Pisa, und auch von Olympia ist nicht die Rede; daß aber solche Beziehungen vor der Dorischen Wanderung bestanden haben, und daß die Spiele nicht etwa erst von den Doriern eingerichtet sind, ist nicht zu bezweifeln. Mit der klaren und eindeutigen Überlieferung über vordorische Spiele bei antiken Schriftstellern stimmen die in Olympia durch Dörpfeld gemachten Funde vollkommen überein (Alt-Olympia, 29fr., 45fr., 7gff., 276fr.). Die Spiele zu Ehren des Pelops waren vorhanden, als die Dorier sich im Peloponnes festsetzten. Diese hätten kein Interesse daran gehabt, hinterher das Grab eines Achäerfürsten zu feiern, der Eponymos des Landes geworden war. Ihnen mußte mehr daran liegen, ihn und seine Nachkommen zu verkleinern. Und so erleben wir denn auch in der Entwicklung der Atridensage eine Häufung von Greueln, die sich nur aus dem Bestreben der dorischen Herakliden erklärt, ihre Vorgänger herabzusetzen (Robert, Bild und Lied 1881, S. i88ff.). Die achäischen Sängerhaben dergleichen noch nicht gekannt. Zugleich ist Pelops im Lauf einer langen Mythenentwicklung in nachdorischer Zeit mit zwei Gestalten zusammengewachsen, mit denen er ursprünglich nichts zu tun hatte, mit Tantalos und mit Niobe. Wie erklärt sich das? Die Frage steht zwar mit unserer Untersuchung in keinem unmittelbaren Zusammenhang, ist aber wert, beleuchtet zu werden. Legt sie doch wenigstens
VERKNÜPFUNG DES PELOPS MIT TANTALOS UND NIOBE
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indirekt Zeugnis dafür ab, daß Pelops für die achäischen Sänger ein achäischer Heros und Göttersohn war; es ist nicht ausgeschlossen, daß dies letzte II. 2. 104 angedeutet sein soll, und daß der Achäer Pelops als Sohn des Hermes galt. Wie also kommt Pelops zuTantalos und Niobe? E. Thraemer (Pergamos, Untersuchungen über die Frühgeschichte Kleinasiens und Griechenlands 1888, S. 94ff.) hält auf Grund seiner Forschungen Niobe für eine natursymbolischen Vorstellungen angehörende Gestalt der minyschen Urbevölkerung Böotiens, die zuerst in Alalkomenai und später in Theben verehrt wurde. Mit ihrem Kreis läßt er den Pelops auf einer nur durch Rückschlüsse erkennbaren Wanderung von Thessalien nach Süden in Berührung treten. Die Beziehungen zwischen beiden bleiben bestehen, als die Achäer aus dem Mutterlande nach Kleinasien wandern, erfahren hier aber eine Umgestaltung. Vater des Pelops wird jetzt Tantalos, ein Sohn des Zeus, den Thraemer für eine der jüngsten Schöpfungen der griechischen Mythologie hält. Daß Pelops ein Lyder sei, haben auch andere Gelehrte abgelehnt (G. Krahmer, Pelops, Allg. Enc. S. III, T. 15. 1841; Bloch in Roschers Myth. Lex. I I I s. „Pelops" 1866ff.). Natürlich nehmen die nach Kleinasien wandernden Achäer ihren Stammesheros mit. An der Kolonisation in der Aiolis sind auch peloponnesische Achäer beteiligt gewesen. So ist Pelops nach Lydien gekommen und in Magnesia und Kyme heimisch geworden als Sohn des Tantalos, des Urbildes eines Fürsten, den seine Macht zum Größenwahn verleitet. Erwähnt sei hier noch die Ansicht Dörpfelds, daß für die Verpflanzung der Niobe nach Kleinasien eine falsche Deutung von II. 24. 614—617 maßgebend gewesen sein könne. Nach diesen Versen soll Niobes versteinertes Bild sich im Gebirge Sipylos befinden, da, wo die Nymphen am Acheloos zu tanzen pflegen. Der Acheloos kann aber, wie Dörpfeld meint, nur der große Grenzstrom zwischen Akarnanien und Ätolien sein; dort müsse auch der Sipylos gesucht werden;
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V I B. SCHLÜSSE AUS DEN HOMERISCHEN MYTHENKREISEN
die Ionier Kleinasiens, bei denen die Epen jahrhundertelang gesungen wurden, hätten bei dem Sipylos natürlich an das bekannte Gebirge nordöstlich von Smyrna gedacht und hätten dort nicht nur Niobe, sondern auch den Thron ihres Bruders Pelops und das Grab und den See des Vaters Tantalos gefunden (Alt-Olympia, 1935, S. 59 ff.)- Eine annehmbare Deutung, falls II. 24. 614—617 der Urdichtung angehört haben; aber fast die gesamte Kritik lehnt sie als späten Zusatz ab. Die Verbindung des geschichtlich gesicherten Achäers Pelops mit Niobe und Tantalos wird immer etwas Geheimnisvolles behalten; gesichert scheint, daß sie sich erst in Kleinasien vollzogen hat. Der neue Mythos hat dann auf das Mutterland zurückgewirkt; doch suchte man Mykene auszuschalten und brachte Pelops gleich in die Pisatis oder vorher in die Stadt Argos, die nie Sitz der Pelopiden gewesen ist. Daran knüpfen dann die verschiedenen Fassungen bei den griechischen Lyrikern und Tragikern. Die Kernlieder wissen von alledem nichts. Denn II. 24. 615 mit seiner Erwähnung des Sipylos, in dem Niobe in Stein verwandelt sein soll, gilt, wie gesagt, als späte Zudichtung; auch Od. 11. 582 mit der Erwähnung des Tantalos muß ausgeschaltet werden. So darf das Fehlen der verschiedenen Ansetzungen in den Kerngedichten als ein Beweis für ihr hohes Alter gelten; sie kennen an gesicherter Stelle Pelops als achäischen König samt Söhnen und Enkeln. Wir kommen zum Perseus-Mythos. Perseus gilt als Sohn des Zeus und der Danae, der Tochter des Königs Akrisios (II. 14. 320). Sein Sohn heißt Sthenelos, der Vater des Eurystheus (II. 19, 116. 123. 124). Diesem ist durch Hera's Tücke Herakles zu Diensten verpflichtet (II. 19. 133). Wo die Persiden wohnten, wird im Homer nicht gesagt. Vermutungsweise gestattet eine einzige Stelle die Annahme, daß Mykene ihr Herrensitz gewesen ist (II. 15, 639. 640). Es ist dort vom Mykenäer Kopreus die Rede, der als Bote des Königs Eury-
PERSIDEN
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stheus dem Herakles Befehle überbringt. Seinen Sohn Periphetes, der „des entarteten Vaters besserer Sohn" genannt wird, tötet Hektor und gewinnt dadurch großen Ruhm, denn Periphetes ist ein tüchtiger Krieger, behende im Lauf und im Rat erprobt (II. 16. 641—652). Daß hier Nachdichtung vorliegt, ergibt sich noch aus anderen Erwägungen. Wie II. 14, so ist auch IL 15 fast ganz Ergänzung. Der Eingang bringt eine Fortsetzung der Überlistung des Zeus, die bekanntlich mit dem Zorngedicht nichts zu tun hat. Als der Kronide erwacht, stellt er die günstige Lage für die Troer wieder her. Dies alles ist dem Zornlied fremd; in ihm war eine Wiederherstellung der Lage nicht nötig. Auch die anderen Erwähnungen der Persiden gehören in die Zeit nach der Dorischen Wanderung (II. 14.320; 19, 116. 123. 126. 133). Wir dürfen aber annehmen, daß hier keine neue Sagenbildung vorliegt, sondern Überlieferung aus Urväterzeit. Die Persiden haben in Mykene die Schachtgräber angelegt, in denen Schliemann die kostbaren Beigaben fand (Dörpfeld, Odyssee 265). Es sind Königsgräber gewesen, die mehrfach zu Beisetzungen benutzt wurden. E. Meyer (G. d. A. II. 1, 1928, S. 217) rechnet mit einer Reihe von neun achäischen Herrschern einer Dynastie, die dort schon im 16. Jahrhundert gesessen habe. Dörpfeld setzt die Schachtgräber in das 14. Jahrhundert. Dann würden die Kuppelgräber, die jünger sind als die Schachtgräber, der Dynastie der Pelopiden angehören, wie sie das Kernlied der Ilias als Herrscher eines einheitlichen Reiches kennt. Mit dem Persiden-Mythos ist der des Herakles verknüpft. Herakles, „der durch seine Stärke Berühmte oder der durch seinen Schutz Berühmte" (Zwicker, „Herakles" in Pauly-Wissowa R. E. V I I I , 523 fr.) ist das Ideal menschlicher Vollkommenheit im Sinn des Dorischen Zeitalters. Wir finden ihn im Homer erwähnt (II. 2, 653. 666; 5. 638; 11. 690; 14, 266. 324; 15, 25. 640; 18. 117; 19. 98; 20. 145; Od. 8. 224; 11, 267. 601; 21. 26); doch scheint er den Dichtern der Kern17
Rüter, Epen
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lieder unbekannt gewesen zu sein. Die Stellen der Ilias gehören nach dem Urteil der meisten Kritiker zu den jüngeren Schichten. Im Heimkehrlied hören wir von Odysseus, daß er sich mit früheren Helden wie Herakles und Eurytos im Bogenschießen nicht messen wolle (Od. 8. 224), und weiter lesen wir, daß er seinen Bogen von Iphitos, Eurytos' Sohn, erhalten habe, den später Herakles erschlug (Od. 21. 26). Wir dürfen beide Stellen als spätere Zusätze ansehen. Es berührt eigentümlich, daß Odysseus auf seine Kämpfe vor Troia anspielt, während er bis dahin über seine Beteiligung am Troischen Kriege absichtlich nichts hat verlauten lassen. Auch liegt ein Widerspruch vor zu Od. 21. 24—30; denn Herakles, den er zu den Männern der Vorzeit rechnet, soll in dem Bericht über den Bogen den Iphitos, von dem Odysseus ihn erhalten hat, erschlagen haben. Od. 8. 219 —228 und 2i. 24—30 sind Nachdichtung. Wir pflichten Finsler bei, der in Herakles einen ausgesprochenen Heros der Dorier sieht (Finsler, Homer I, 1914, S. 44f.). DieHerakliden, die vor der Dorischen Wanderung im nördlichen Thessalien wohnten, sahen in ihm ihren Ahnherrn. Als sie an der Spitze der Dorier den Peloponnes erobert hatten, machten sie ihn, um den Besitz des Landes zu rechtfertigen, zu einem Persiden in Argolis, der des rechtmäßigen Anspruchs auf das Land beraubt worden wäre (Lübker, Reallexikon 1891, u. d. W. Herakles) . Alkmene, seine Mutter, ist danach die Tochter des Elektryon und Enkelin des Perseus; ihr sterblicher Gemahl Amphitryon, der Sohn des Alkaios, ist gleichfalls ein Enkel des Perseus, dessen dritten Enkel von seinem Sohn Sthenelos wir schon kennen lernten: es war Eurystheus, der in Mykene wohnte. So kommt es, daß die eine Sage den Herakles in Tiryns geboren sein läßt (P. Friedländer, Herakles, Philol. Untersuchungen X I X , 1907, 45; A. Frickenhaus, Tiryns I, 1912,19), während eine andere Fassung Theben als seine Geburtsstätte nennt (Ed. Meyer, Gesch. d. A. Bd. II. 1, 1928, S. 250, 2).
H E R A K L E S . PROITOS U N D B E L L E R O P H O N T E S
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Kein Mythos ist nach der Dorischen Wanderung so konstruiert, kein Heros mit so viel Ländern und Völkern in Verbindung gebracht worden. So sind die Beziehungen des Herakles zu Laomedon und Priamos, zu Neleus und Nestor, die in Ergänzungen der Urgedichte erwähnt werden (IL 2, 653. 670; 1 1 . 690; 20. 145), Mythenbildungen, die im Mutterlande bzw. in den dorischen Kolonien entstanden und sich den Kernliedern angliederten. Auf den Streit der Dorier und der Achäer in Argos geht der ganze Zank der argivischen Hera und des Herakles zurück. Der Herakles-Mythos ist also nicht festgelegt wie der der Persiden und Pelopiden; wir erfahren nichts Sicheres über den Wohnsitz. So gewiß aber Herakles als dorischer Heros ins Mutterland gehört, so sicher ist die Ausgestaltung seines Mythos erst nach der Dorischen Wanderung erfolgt. In den Kernliedern findet er noch keine Erwähnung. Erst aus den Verhältnissen der dorischen Zeit heraus sind bis in das 6. Jahrhundert Erzählungen und Mythen lokalen Ursprungs an den überlieferten Kern angeschlossen worden, so z. B. der Heraklidenstammbaum, den Ed. Meyer mit Recht ein armseliges Machwerk der genealogischen Dichtung nennt (HerodotVI 52f. E.Meyer, Gesch. d. Alt. Bd. II. 1, 1928, S. 251. 2; 291. 2). Der Proitos-Mythos und der des Bellerophontes gehören nach Ephyre. Homer nennt beide Heroen nur an der Stelle, welche die Begegnung des Glaukos und Diomedes schildert (II. 6. 150—211). Wir haben im Abschnitt I V Ephyres, des Wohnsitzes der Sisyphiden, gedacht und daraufhingewiesen, daß es nicht Korinth war, sondern erst später diesem Platz gleichgesetzt wurde. Die Glaukos-Episode kann nicht zum Zornlied gehört haben, denn in mykenischer Zeit gibt es noch keinen Diomedes in Argos, wohl aber gehört das Lied von Bellerophontes in das Mutterland; achäische Ionier haben es aus dem Norden des Peloponnes nach Kleinasien mitgenommen. In ihm haben Proitos und Bellerophontes den17*
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selben Wohnsitz; Bellerophontes ist durch Proitos der Herrschaft beraubt worden: „Zeus hatte Bellerophontes in seine Gew a l t g e g e b e n " (11.6.159). Die nachhomerische Dichtung macht Proitos zum Herrscher von Argos, aus der ihn sein Bruder, Akrisios, der Vater der Danae, vertreibt. Er flieht zu Iobates, d e m König von Lykien, gewinnt dessen Tochter Anteia, zieht mit lykischer Hilfe gegen Akrisios u n d zwingt ihn, statt Argos Tiryns herauszugeben. D a h i n kommt Bellerophontes. Wir erkennen leicht, d a ß die Homerische Darstellung die ursprünglichere ist; ihre ältesten Bestandteile f ü h r e n in das Mutterland, n u r d a ß sie nicht von Anfang an mit d e m Zornlied verbunden waren. Die Lokalisierung des Bellerophontesu n d Proitos-Mythos in Ephyre beweist, d a ß es neben dem Zornliede ähnliche Lieder gegeben hat, die später zu seiner Ergänzung gedient haben. Es handelt sich nicht u m völlige Neuerfindung, sondern u m Veränderungen u n d Zusätze. Der Mythos der Tyndariden gehört nach Lakonien. Ein bestimmter O r t wird bei H o m e r nicht genannt, doch dürfen wir an Sparta denken, bzw. an Amyklai bei Sparta (Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. Bd. I I . 1, 1928, S. 253). Helena heißt in den Urliedern u n d in den Zudichtungen ausschließlich Tochter des Zeus „Aiös £KyEyccuicc" u n d ,,'Apy£ir|". Von ihrer Mutter ist nirgends etwas gesagt. Doch werden ihre Brüder, die Dioskuren Kastor u n d Polydeukes (II. 3. 236fr.), in der Odyssee als Söhne des Tyndareos u n d der Leda bezeichnet (Od. 11. 298). U n d d a an einer Stelle der Odyssee die Gemahlin Agamemnons, Klytaimnestra, Tochter des Tyndareos heißt (II. 1. 113; O d . 3, 264. 266; 11, 422. 439; 24. 199), so scheinen Helena u n d Klytaimnestra wenigstens in der Odyssee als Schwestern gedacht zu sein, zumal wenn wir O d . 11. 436 beachten; hier beklagt Odysseus das Schicksal der Atriden, a n denen Zeus durch ihre F r a u e n seinen H a ß ausgelassen h a b e . So unklar d e m n a c h die Bemerkungen im Epos über die
TYNDARIDEN
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Tyndariden bzw. über Helena sind, was ihre Herkunft betrifft, so klar ist sonst die Persönlichkeit der Fürstin geschildert. Die Sänger der Kernlieder haben sie mit besonderer Sorgfalt gezeichnet und ihr Vergehen dadurch gemildert, daß sie ihre Reue hervorheben und ihr in Troia wie in Sparta bei Priamos, Hektor und Menelaos eine hervorragende Stellung anweisen. Es ist schwer zu glauben, daß sie identisch sein soll mit einer mykenischen Gottheit des friedlichen Naturlebens, wie sie auf einem Goldring von Mykene unterdemBaum sitzt und von Frauen mit Blumen verehrt wird. Ed. Meyer (Gesch. d. Alt. II. i, 1928, S. 197) setzt diese Gottheit mit der in Therapne bei Sparta verehrten Helena gleich, von deren Heiligtum wir bei griechischen Schriftstellern lesen (Theokrit Id. 18; Herodot V I . 61). Ist nicht vielmehr anzunehmen, daß, ähnlich wie Agamemnon und Menelaos zu Sparta als Götter verehrt worden sind, auch 'EAevn Aiös HKysyccuia später göttliche Ehren erfahren hat, und daß im Anschluß daran ein Mythos entstanden ist, der sie von Theseus geraubt sein läßt, und zwar in doppelter Fassung ? Theseus soll sie das eine Mal als Fürst von Aphidna in Attika aus Rhamnus geraubt haben, wo sie als Tochter der Göttin Nemesis von Rhamnus weilte, und das andere Mal aus ihrer Stadt Sparta nach seiner Burg Troizen in Argolis. Beide Male wird sie von ihren Brüdern, den Dioskuren, befreit. WieFinsler (Homer 1,1914, S.42) vermutet, können wir vielleicht die Namen der Dienerinnen Aithre und Klymene in der Mauerschau als entlehnt ansehen aus einem Mythos, der die Schicksale der Helena vor ihrem Raub durch Paris behandelte. Denn Aithre hieß die Mutter des Theseus und Klymene die Schwester des Peirithoos, des Freundes von Theseus. Wir hätten, falls die Finslersche Hypothese richtig ist, wieder einen Beweis, wie die ionische Zudichtung mutterländische Lieder für ihre Zwecke benutzt, in diesem Falle also für die Mauerschau. Mit Sparta bzw. mit Therapne und Amyklai",
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dicht bei Sparta gelegenen achäischen Plätzen, bleibt der Tyndariden-Mythos auf alle Fälle eng verknüpft und gehört somit seiner Entstehung nach in das Mutterland. Als Sitz der Nelidensage gilt unbestritten Pylos, und zwar das Pylos, welches Dörpfeld etwas südlich von Samikon bei Kakovatos aufgefunden hat (Athen. Mitt. 1907, 1908, 1913). Wir haben in Abschnitt I (S. 64fr.) darüber gesprochen. Neleus ist Begründer und Herrscher des Landes und der Burg Pylos: TTuAos Nr|Ar|ios (II. 1 1 . 6 8 2 ; Od. 4.639). Der Name gilt für das Reich und die Stadt. Neleus ist ein Sohn des Poseidon; er hat, von seinem Bruder Pelias, dem Herrscher von Iolkos, vertrieben, in Triphylien eine neue Heimat gefunden. Seine Gattin ist Ghloris, Tochter des in Orchomenos herrschenden Amphion. Von seinen Söhnen sind nach der einen Fassung im Kampf mit Herakles elf gefallen; die andere Fassung weiß nur von drei Söhnen, Nestor, Chromios und Periklymenos sowie von einer Tochter Pero, der Gattin des Bias, eines Bruders des Sohnes Melampos. Der Bericht über die Abstammung des Neleus von Poseidon und Tyro, über seine Gattin Chloris und seine vier Kinder liegt vor in der Hadesfahrt des Odysseus (Od. 1 1 , 235—259. 281—292); die Erzählung von den Kämpfen des Neleus mit Herakles und den Eleern und vom Verlust aller Söhne bis auf Nestor wird bei der Begegnung mit Patroklos gegeben (II. 1 1 . 668—763). Beide Stellen stammen aus der reichen Poesie über pylische Ereignisse, die später in das Zornlied und Heimkehrlied eingereiht wurden. In ähnlicher Weise sind auch die Beziehungen des Neleus zum Seher Melampos dem Kernlied hinzugefügt (Od. 15. 226—238). Das Königtum des Neleus in Pylos ist gleichwohl in den Urgedichten sicher bezeugt (Od. 3, 4. 409). Und desgleichen die langdauernde Herrschaft Nestors. Gerade ihn haben die achäischen Dichter im 1., 9. und 1 1 . Gesang der Ilias und im 3. der Odyssee klar und sachlich gezeichnet. Spätere Er-
NELIDEN, KADMIDEN
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gänzungen, wie sie außer an den erwähnten Stellen auch noch II. 7. 132—160 und 23. 629—645 vorliegen, haben der historischen Glaubwürdigkeit seiner Person keinen Abbruch getan. Die pylischen Erinnerungen leben besonders in Milet fort; auch in den Ergänzungen ist die Topographie der Ionischen Inseln und der Küste des Ionischen Meeres einschließlich von Pylos mit großer Treue geschildert (Finsler, Homer Bd. I, 1914, S. 430). Was den Reichtum an Mythen betrifft, so kann mit dem Peloponnes im übrigen Griechenland nur Böotien wetteifern, und von seinen beiden Hauptorten kommt für Homer allein Theben in Betracht. Orchomenos wird zwar erwähnt, aber ohne jede Beziehung zu wichtigeren Sagen. Im Katalog (II. 2. 511 f.) erscheint Astyoche, die Tochter Aktors, des Orchomeniers, der ein Sohn des Azeus ist, als Mutter der von Ares erzeugten Helden Askalaphos und Ialmenos; und in der Hadesfahrt des Odysseus (Od. 11, 281. 284) wird der oben erwähnten Gattin des Neleus, Chloris, gedacht, die eine Tochter des Herrschers Amphion in Orchomenos ist. Beide Stellen gehören zur Nachdichtung. Das im Zornlied erwähnte Orchomenos (II. 9. 381) wird neben dem ägyptischen Theben als Beispiel einer sehr reichen Stadt bezeichnet ohne Erwähnung irgendwelcher Persönlichkeit. Wir haben an dieser Stelle den Eindruck eines wertvollen Urteils über einen mykenischen Sitz, der in dorischer Zeit jede Bedeutung verlor. Anders steht es mit Theben. Zwar erscheint Kadmos, der als sein Begründer gilt, nur einmal im Homer als Vater der Ino Leukothea (Od. 5.333), die aufAthenas Geheiß dem Odysseus beisteht (Dörpfeld-Rüter, Odyssee II. 1925, S. 342); aber die Stadt wird häufig genannt (II. 4, 378. 406; 5. 804; 6.223; 10.286; 14,114.323; 19.99; 23.679), desgleichen seine Bewohner, die KocSneioi und KaSneiooves (IL 4, 385. 388.391; 5,804.807; 13.680). Dagegen melden die Epen nichts von Labdakos und Laios. Auch Ödipus wird in der
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Ilias nur einmal erwähnt (II. 23. 679): Mekisteus, des Talaos Sohn, ist nach Theben gekommen, um an den Leichenspielen für den gefallenen Fürsten teilzunehmen, 5 s 6 o u t t ö t o s O i S i t t ö Scco es Tacpov; er hat alle Kadmeionen im Spiele besiegt. Und in der Odyssee heißt es (Od. 11.271), Epikaste habe unwissend ihren Sohn Ödipus geheiratet, nachdem dieser seinen Vater erschlagen; nach Aufdeckung der Frevel und dem Selbstmord der Epikaste habe Ödipus weiter über Theben geherrscht, verfolgt von den Erinyen seiner Mutter und von den Göttern. Wir dürfen beiden Stellen kein besonderes Gewicht beilegen; die Leichenspiele in II. 23 sind in dem Ausmaß, wie sie vorliegen, kein Bestandteil des Zornliedes, und die Hadesfahrt in Od. 11 gehört, wie schon vielfach erörtert, in die dorische Zeit. Mehrfach hingegen wird in der Ilias ein Heereszug gegen Theben besprochen, immer in Verbindung mit Tydeus (II. 4. 370—410; 5. 800—813; 10. 285—289). Dieser ätolische Held (II. 4. 399), Vater des Diomedes und Günstling der Athena (II. 5. 126), ist an dem Kampf der Sieben beteiligt, die unter Führung des Polyneikes mit ihren Mannen Theben berennen, die Eroberung aber nicht erreichen; sie gelingt erst den Söhnen der Sieben, den sogenannten Epigonen. Auch dieser Zug wird in der Ilias erwähnt (II. 4. 404—410). Alle diese Geschichten stehen in einem an das Zornlied angeschlossenen Stück, das vom 3. bis ins 8. Buch reicht und besonders II. 3; 4. 1—421 und 5 umfaßt. Es ist, ebenso wie Buch 10, erst in Kleinasien dem Kern hinzugefügt, muß aber inhaltlich im Mutterland entstanden sein. Wenn irgendwo, dann haben wir in den thebanischen Sagen ein Beispiel für die oben erwähnte Annahme Nilssons, daß sich die mykenischen Mythenkreise im großen und ganzen im Mutterlande gebildet haben und daselbst besungen sind. Auch Ed. Meyer (Gesch. d. Alt., Bd. II. 1, 1928, S. 258) erkennt an, daß in der thebanischen Sage ein historischer Kern deutlich hervortritt,
EPIGONEN, ARGONAUTEN, THESEUS
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„ein Kriegszug des Königs von Argos gegen Theben, also ein Versuch, seine Herrschaft auch über Mittelgriechenland auszudehnen, vielleicht unter Beihilfe der Bergstämme des Westens, da unter den Angreifern derÄtolerTydeus erscheint". Er glaubt, daß das Unternehmen mißlang, und daß die Sage von den Epigonen sekundär ist; die spätere Eroberung des Kadmeischen Thebens in der Völkerwanderung durch die Böoter soll fälschlich in die Urzeit hinaufgesetzt sein. Ähnlich glaubt v. Wilamowitz, daß die Gestalten der Epigonen erst in der Ilias ausgebildet und zu Eroberern Thebens gemacht seien. Wie dem auch sei, der thebanische Krieg muß in vordorischer Zeit stattgefunden haben. Das Kernlied hat ihn nicht erwähnt; erst in dorischer Zeit ist aus mutterländischen Epen alles Zusätzliche über Ödipus, Polyneikes, Eteokles, die Sieben und die Epigonen mit der Ilias verknüpft worden. Durch die Dorier ist dann Diomedes selbst, wie wir in Abschnitt I I I und I V sahen, ein Fürst von Argos geworden. Die Argonautensage und die Sagen von Theseus, die in nachhomerischer Dichtung eine große Rolle spielen, werden in den Homerischen Epen nur gestreift. Kirke erzählt dem Odysseus, daß an den gefährlichen Plankten nur die wohlbekannte Argo nicht zerschellt sei; denn Iason, der Führer des Schiffes, sei ein Liebling der Hera gewesen (Od. 12. 70). Und an einer anderen Stelle lesen wir, daß Pelias, der Bruder des pylischen Neleus, in Iolkos wohnt (Od. 11. 256—259); in nachhomerischer Dichtung soll er Neleus aus der thessalischen Heimat vertrieben und Iason, den Sohn seines Bruders Aison, zur Fahrt zum Aietes gezwungen haben. Beide Stellen haben nicht im Heimkehrlied gestanden; sie gehören zu den Erweiterungen der Irrfahrten. Gleichwohl fällt die Fahrt Iasons mit den Argonauten, die wir mit Dörpfeld für eingewanderte Orientalen halten, aus den in Abschnitt I V erörterten Gründen in die vordorische Zeit (Dörpfeld-Rüter, Odyssee 1925, I, 220. 237. 247. 262—-269 und Dörpfeld, A l t - O l y m p i a
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1935, S. 438); nur lag in den Kernliedern kein Grund vor, sich mit ihr zu befassen. Ähnlich steht es mit der Sage von Theseus. In der Unterwelt sieht Odysseus unter den Heldenfrauen auch Ariadne, Minos' schöne Tochter, die einst Theseus aus Kreta zu Athens heiligen Hügeln führen wollte; doch Artemis hatte sie vorher auf dem rings umströmten Dia getötet (Od. 11. 321—325). Theseus wird noch zweimal erwähnt: in den Irrfahrten, zusammen mit Peirithoos (Od. 11.631), und als Sohn des Aigeus in einer Erzählung Nestors (II. 1. 265); diese Stelle der Ilias ist von den meisten Kritikern verdächtigt. Keinesfalls ist Theseus bei diesen Erwähnungen König und Staatsmann, sondern ein Heros, der an der Ostküste Griechenlands verehrt wird und mit dem Lapithen Peirithoos ein Freundespaar bildet (Finsler, Homer I, 1914, S. 16). Wir finden also auch den Mythos von Theseus nicht in den Kernliedern verankert, brauchen aber deshalb nicht zu zweifeln, daß er schon in vordorischer Zeit vorhanden und mit Athen verknüpft war. D a ß im übrigen das Lob Athens im Schiffskatalog und an andern Stellen wohl erst nach der Rückkehr der Epen aus Asien nach dem Mutterland, und zwar in Athen selbst eingesetzt wurde, haben wir oben (S. 141) erwähnt. Abschließend läßt sich demnach über die Mythenkreise im Homer sagen: Die Hauptsitze der mykenischen Kultur, Mykene, Tiryns, Sparta, Pylos, sind auch die Stätten der wichtigsten Persönlichkeiten gewesen, der Persiden und Pelopiden,derTyndariden und Neliden. Diese Geschichten waren vorhanden, als die Sitze noch in Blüte standen. Es gab in der Zeit vor der Dorischen Wanderung auch außerhalb dieser Hauptsitze Sagenkreise, so bei den damals noch im Norden wohnenden Doriern, ferner in Orchomenos, Theben, Iolkos und Athen. Diese fanden, wie wir oben (S. 257fr.) feststellen konnten, in dorischer Zeit hier und da Aufnahme in den Ergänzungen der Kernlieder. Zugleich wurden die mykenischen
ENTSTEHUNG DER MYTHENKREISE IM MUTTERLAND
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Mythen vielfach geändert und mit anderen verknüpft, so der Persidenmythus mit dem des Herakles, der der Pelopiden mit dem der Tantaliden. Eine genaue Scheidung nach dem Alter läßt sich nicht durchführen, doch sind die Änderungen und Zusätze in den Kernliedern kenntlich; sie liegen vor an Stellen, die noch aus anderen Gründen als Erweiterungen der Urgedichte gelten dürfen. ZUSAMMENFASSUNG Wir glauben aus den TEpen erwiesen zu haben, daß sie einerseits Kerngedichte enthalten, das Zornlied und das Heimkehrlied, die von achäischen Sängern des 12. Jahrhunderts im Mutterlande gestaltet sein müssen, und andrerseits Erweiterungen, die erst nach der Dorischen Wanderung und dem Zusammenbruch der achäischen Herrschaft entstanden sein können und in der Hauptsache von ionischen Aöden oder Rhapsoden Kleinasiens stammen. Archäologie und Sprachforschung, Geschichte, Geographie und Kulturgeschichte haben in enger Fühlung miteinander und in gegenseitiger befruchtender Anregung dazu beigetragen, daß wir aus den Gesamtdichtungen die Frage nach den Schöpfern und der Entstehungszeit der Kerngedichte beantworten konnten. Nach allem, was sich aus den Epen hat entnehmen lassen, steht außer Zweifel, daß die Kernlieder mit ihrer genauen Kenntnis aller bedeutenden achäischen Schauplätze, mit ihrer Sprache, ihren geschichtlichen und geographischen Ausblicken und den Schilderungen kulturellen und religiösen Lebens in das 12. J a h r h u n d e r t und in das achäische Mutterland gehören. Vor unserem geistigen Auge steht der achäische Fürstensitz, an dem ein Sänger im Kreise vieler Hörer an verschiedenen aufeinanderfolgenden Tagen zum erstenmal das Lied vom Zorn des Achilleus singt. Der Streit Agamemnons und Achills mit seinen unheilvollen Folgen für die Achäer ist allen
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ZUSAMMENFASSUNG
bekannt, aber so hat ihn noch niemand dargestellt. I n einfacher, schlichter Form — nie ist in griechischer Sprache trotz aller heroischen Stilisierung schlichter und natürlicher gesungen worden — zieht eine bedeutsame Episode achäischen Heldentums in zehn Gesängen an den lauschenden Edlen und ihren Mannen vorüber. Von Tag zu Tag steigert sich das Interesse an der Entwicklung, welche die Dichtung nimmt. Sie erreicht eine wirkungsvolle, dramatische Höhe, als Achilleus nach dem unglücklichen ersten Kampfe den Sühneversuch Agamemnons zurückweist. Der unheilvolle Ausgang des zweiten Kampfes, an dem Achill seinen Freund Patroklos teilnehmen läßt, und der Schmerz um den Gefallenen erschüttert die Hörer. Das endliche Eintreten des Helden für die achäische Sache erhebt sie, und seine Läuterung bei der Begegnung mit Priamos wirkt versöhnend. Wahrlich, es hat der achäischen Kultur nicht am Ethos gefehlt. U n d wie ein Sänger von großer schöpferischer Begabung mit seinem „Achilleus" erfreut hat, so ergötzt ein anderer mit seinem „Odysseus". In sachlicher Hinsicht sind die Epen vielfach verschieden. Aber Sprache und dichterische Technik sind dieselben. U n d ähnlich wie im Zornlied zeigt sich eine Steigerung der Kraft und Leidenschaft des Helden auch im Heimkehrlied. Es ist wieder ein echt achäischer Charakter, wieder ein Typus seines Volkes. Aber während das Zornlied in einfacher Linienführung verläuft, strömen im Heimkehrlied die Telemach- und Odysseushandlung mit dem Treiben der Freier auf Ithaka in einer gewaltigen zehntägigen Handlung zusammen. Es ist ein schöner Gedanke von Dörpfeld, daß die Urgedichte an den Höfen der Fürsten schon in achäischer Zeit zur Erziehung der adligen Jugend gedient haben; stellen sie doch heldische Taten und heldische Charaktere dar, beide in poetischer Verklärung. Die Lust an der naiSeia seitens der griechischen Dichter, an der Erziehung zur Besonnenheit, zur
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Vermeidung aller Überhebung und zur Entfaltung des trefflichen Menschen, des „öcvrip xaAös Köcyaöös", hat bei den Achäern begonnen und ist von den Ioniern Kleinasiens und des Mutterlandes, vorzüglich von den Athenern fortgeführt worden. Sie drückt der ganzen griechischen Literatur ihren Stempel auf und macht sie zu einem ewig frischen Born der Ergötzung und Belehrung. An hervorragender Stelle aber stehen mit ihrer schönen Mischung von Dichtung und Wahrheit die beiden Lieder achäischer Sänger vom Zorn des Achilleus und von der Heimkehr des Odysseus.
NAMEN- UND SACHREGISTER A c h ä e r , bei Homer Gesamtname aller Griechen des Festlandes und der Inseln 124. — Verschwinden des Gesamtnamens, seit die Dorier ins Land kommen 125. 139. — d a s vom 14.—12. J a h r h . v. Chr. inhethitischen Urkunden erscheinende Reich Ahhijava nach E. Forrer mit dem Königtum von Mykene identisch 127ff. — Ahhijava-Leute kämpfen im 13. J a h r h . v . C h r . mit Hethitern gegen Ramses I I . i3of. —Akaiwasha (Achäer) in ägyptischen Urkunden 1225 als Söldner der Libyer im K a m p f gegen Mernephtah von Ägypten 1 3 1 f. A c h i l l e u s , seine Beutezüge beweisend für ein achäisches Lager an der Besikabucht, nicht an den Dardanellen 32 f. Ä o l e r , griechischer Stamm achäischer Herkunft in Thessalien und Böotien; wandern vor den Doriern nach Mysien und Lesbos aus; im Homer nicht erwähnt 139. A e t o s , Berg auf dem Isthmus von Thiaki, Stätte englischer Grabungen mit Funden mykenischer und korinthischer Vasen; nach Dörpfelds Ansicht eine phönikische Niederlassung 43. 46f. A i a i a , Wohnsitz der Kirke, Lage 181 f. A i e t e s , Sohn des Helios, Bruder der Kirke, Wohnsitz 181 f. A i g i l i p s , Insel in der Nähe vom Ithaka der Ilias, Sitz der Kephallenen 35A i n e i a s , Sohn des Anchises, Führer der den Troern stammverwandten Dardaner, gebietet, wie die Ilias weiß, nach Priamos im wiederaufgebauten Troia 17. A i o l i a , Insel des Aiolos 1 8 1 . A i t h i o p e n , bei Homer östliche und westliche Aithiopen 175. A k r i s i o s , Vater der Danae, Bruder des Proitos 256. A l a k s a n d u s , König von Vilusa, schließt um 1300 mit dem Hethiterkönig Mutallis einen Vertrag 134. — von einigen Gelehrten mit dem Homerischen Alexandros von Ilios verglichen 134. A l a l k o m e n a i , Ort: 1. in Böotien; 2. auf Thiaki, von Plutarch erwähnt, vielleicht die von den Engländern auf dem Isthmus gefundene Niederlassung 46. A l l e n , W., über den Schiffskatalog 166. A l p h e i o s , Fluß in Elis, durchfließt das Land der Pylier; an seinem rechten Ufer Olympia 64. A l t - I t h a k a s. Leukas. A l y , W., über den kretischen Apollon-Kult 230. A m a l i - B e r g über der Nidri-Ebene auf Leukas, entspricht dem Hermeshügel der Dichtung 58.
NAMEN- UND SACHREGISTER
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A m y k l a i , Homerischer Ort südlich vom dorischen Sparta, mit einem Apollon-Heiligtum 8 i f . A n k a r a , türkische Hauptstadt, mehrere Tagereisen westlich vom alten Chatti der Hethiter i. A p o l l o n , ursprünglich orientalischer, durch die Achäer und Dorier griechisch gewordener Gott 228ff. — Wanderung seines Kultes von Arabien nach Kleinasien, den Inseln (Delos) und Griechenland (Delphi) 231fr. A r a b i e n , Urheimat der Phöniker (Kadmeer, Minyer, Danaer), Ursprungsland späterer griechischer Gottheiten 231fr. A r g i v e r , bei Homer Name der Untertanen Agamemnons 124. A r g o n a u t e n - F a h r t von Iolkos um Südafrika herum 182. A r g o s , über die verschiedenen Bedeutungen des Namens i67f. A r i s t a r c h o s , alexandrinischer Gelehrter, Homerkritiker 6. A r i s t o p h a n e s , alexandrinischer Gelehrter, Homerkritiker 6. A r i s t o t e l e s , über den Bau der Mauer in der Ilias und ihre Vernichtung 23. — über Ion und seine Leute 146. A r k u d i , Insel mit Doppelhafen, zwischen Leukas und Thiaki, nach Dörpfeld die Insel Asteris der Odyssee 62 f. A r t a k i a , Quelle im Land der Laistrygonen und bei Kyzikos 183. A s t e r i s , in der Odyssee Insel südlich von Ithaka mit einem Zwillingshafen, von Dörpfeld dem heutigen Arkudi gleichgesetzt 62 f. A s y , syrisches Küstenland, Nachbarland von Keftiu 2 i 8 f . A t h e n a , vorgriechische tyrsenische Göttin, zusammen mit Hephaistos Gottheit der Töpfer 233 f. A t h e n e r , über ihre Beteiligung am Troischen Krieg im Katalog und an anderen Stellen der Epen 140 f. — ihre Abneigung in klassischer Zeit gegen die Benennung "leoves 147. A t t a r s i j a s , König von Ahhijava, 13. Jahrh. v. Chr., beginnt eine Politik der Invasion in Kleinasien 1 3 1 .
B a t i e i a , bei Homer Hügel in der Skamandrischen Ebene 24. B e c h t e l , Fr., trat anfangs mit G. Robert für eine rein äolische UrIlias ein, hat später diese Ansicht aufgegeben 101. B e l l e r o p h o n t e s , Sohn des Glaukos aus dem Geschlecht des Sisyphos in Ephyre, Großvater des Glaukos der Ilias 25gf. B e l l e r o p h o n t e s - M y t h o s , ursprünglich achäisch, später mit Lykien verknüpft und in Ionien dem Zornlied hinzugefugt 1 1 5 ^ — in der Nordostecke des Peloponnes lokalisiert 165.
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NAMEN- UND SACHREGISTER
B e l o c h , K . J . , gegen die von den Alten bezeugten phönikischen Niederlassungen in Griechenland 143. B e i z n e r , E., stellt auch in der Odyssee ein Königtum von Gottes Gnaden fest 194. — über das Würdeprinzip bei den Mahlzeiten der Homerischen Helden 205. — über die Beisetzung von achäischen Königen ohne Verbrennung in Schachtgräbern und Kuppelbauten 225. B e r a r d , V . , sucht das triphylische Pylos in den Ruinen von Samikon 70 f. — setzt das Pherai der Odyssee dem heutigen Aliphera gleich 77. — verlegt die Stadt der Phäaken an die Westküste von Korfu gsf. B e r g k , Th., über das älteste Versmaß der Griechen 1 1 3 . B e r t h o l o n , L . , über den kräftigen Menschenschlag der östlichen Berberei 180. B e s i k a b u c h t , nach A. Brückner, O. Mey und W. Dörpfeld Landungsstätte und Lagerplatz der Achäer 29 ff. B e s t a t t u n g s b r ä u c h e : 1. in den Epen leichte Brennung des Verweslichen; mehr oder minder starke Verbrennung auch der Gebeine 221 ff. — keine Änderung der Gebräuche von der achäischen bis in die ionisch-kleinasiatische Zeit hinein 224. — 2. in den Königsgräbern von Leukas-Ithaka leichte Brennung und Beisetzung in Hockerstellung 224. — 3. in den Schachtgräbern von Mykene Aschenfunde bei den Skeletten und Spuren der Wirkung des Feuers an den Wänden 225. — 4. in klassischer Zeit 226. B e t h e , E., bezweifelt, daß Homer von der Pracht der Homerischen Zeit etwas gewußt hat 87. —• über die Quelle Artakia 183. —hältApollon für einen griechischen Gott 230. B i s c h o f f , A., tritt für das triphylische Pylos ein 70. B i e g e n , C. W., Leiter der seit 1932 angestellten amerikanischen Grabungen in Hissarlik; macht neue Entdeckungen in Schicht V I I a, die sich ohne Bruch an Schicht V I anschließt 17 f. B o g h a z k ö i , türkisches Dorf an der Stätte der Hethiterstadt Chatti, Fundort hethitischer Urkunden 1. 127. B r a u t w e r b u n g , neben dem Brautkauf erscheint in den Epen auch Mitgift 220f. B r e a s t e d , I. H., über das Verhältnis des phönikischen Sidon zu Ägypten 155B r o n z e , Einführung und Benutzung in mykenischer Zeit 213fr. B r ü c k n e r , A., seine Grabungen in Troia 15. •— sucht den Landungsplatz der Achäer in der heutigen Besikabucht 29. B r u n n e n 1. beim Homerischen Ithaka 58; 2. in der Nidri-Ebene auf Leukas 60 f.
NAMEN- UND SACHREGISTER
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B u r s i a n , K . , über das Menelaion in Therapne 81. B u r y , O., über den Schiffskatalog 166. B u t t m a n n , Ph., hält die Homerische Sprache für eine altgriechische, von der die Dialekte (äolischer, ionischer, dorischer) mehr oder weniger beibehalten haben ioof.
C a u e r , P., über die Entwicklung der epischen Technik und Sprache 113. — über Bestattungsbräuche im Epos 225. C h a r a d i a t i k a , Dorf südlich über der Nidri-Ebene auf Leukas 47. G h a r y b d i s , im Homer Meeresstrudel bei Sizilien 183^ C h a t t i , bis 1200 v. Chr. Hauptstadt der Hethiter, Fundort hethitischer Urkunden 1. 127. C h i t o n , Leibrock der Achäer, kein semitisches, sondern indogermanisches Wort 207 f. G h o i r o s p i l i a , Höhle bei Evgiros über dem Olothostal auf Leukas 60. C h o i s e u l - G o u f f i e r , Graf, sucht 1784 das alte Troia in den Ruinen bei Bunarbaschi, im südlichen Tal des Skamandros 13. C u r t i u s , E., über das Menelaion in Therapne 81. — über Namen und Herkunft der kleinasiatischen Ionier 143.
D a n a e r , Name der Krieger Agamemnons 124. 144. — in ägyptischen Urkunden als Danauna Söldner der Libyer im Kampf gegen Ramses III. 131. D a r d a n e r , in den Epen identisch mit den Troern; phrygischer Stamm indogermanischer Herkunft, nach Sprache, Tracht, Bewaffnung, Götterverehrung dem Stamm der Achäer verwandt 135 f. D a s k a l i o , Felsenklippe im Meer bei der Nordostküste von Kephallenia, gilt einigen als Insel Asteris der Odyssee 62. D e b r u n n e r , A., über Sprachmischungen 105. — über Forrers Deutung des in hethitischen Urkunden erscheinenden Reiches Ahhijava 127. D e l p h i , wird in den Epen noch nicht genannt 232 (s. Pytho). D e m e t r i o s aus Skepsis in der Troas, 2.Jahrh.v. Chr., sucht Troia im Dorf der Iiier, 5 km südöstlich von Ilios 13. —• über das Grabmal des Aisyetes auf dem Wege von Ilium Novum nach Alexandria Troas 32. D e m o d o k o s , Homerischer Sänger 2. D i e s t , W. v., schließt sich der Besika-Theorie von O. Mey an 29. D i m o s a r i , wasserreichster Wildbach in der Nidri-Ebene aufLeukas48. — in seinem früheren Mündungsgebiet sucht W. Dörpfeld den Rheithronhafen der Odyssee 59. 18
R ü t e r , Epen
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NAMEN- UND SACHREGISTER
D i o m e d e s , Sohn des ätolischen Fürsten Tydeus, wird in dorischer Zeit zum König in der Stadt Argos 2 6 5 . D o d o n a , pelasgisches Heiligtum und Orakel in Epirus, von den Achäern Nordgriechenlands verehrt 1 2 5 f. 1 6 9 . D ö d e r l e i n , Chr. W. L., weist nach, daß TrepioKeirros in der Odyssee „geschützt" heißt (von irspioxeTTOo), nicht „freiliegend" (von irEpiCTKETTTOticu) 5 7 . D ö r p f e l d , W., Ausgrabungen an Homerischen Fürstensitzen: Troia 11 ff. — Leukas-Ithaka 38f. 4 7 f r . — Pylos 7 0 f r . — Scheria 9 5 f r . — stellt die Odyssee in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder her 9 . — hält Schicht V I in Troia für die Homerische Burg des Priamos, Schicht V I I a für die des Aineias und seiner Nachkommen 15fr. •— sucht mit O. Mey Schiffslager und Kampfschauplatz an der Besikabucht 2 9 ff. — sucht Ithaka des Heimkehrliedes in der NidriEbene auf Leukas und nennt Leukas Alt-Ithaka 3 8 f. — Ergebnisse der Grabungen in der Nidri-Ebene und ihre Übereinstimmung mit den Homerischen Schilderungen der Insel und Stadt Ithaka 4 8 ff. 5 8 fr. —• Entdeckung des Homerischen Pylos und dreier Kuppelgräber bei Kakovatos 7 0 ff. — über das triphylische Arene und Samikon 7 4 f. — über die „sandige" pylische Landschaft 7 8 . — über die um 1 5 8 0 v. Chr. aus Ägypten vertriebenen arabischen Hyksos als Überbringer von allerlei Künsten an die Urbevölkerung Griechenlands und an die Achäer i2of. — ü b e r die Schrift der Hanebut-Iavanen (Uinen) 121 f. — über Iavanen (Alt-Ionier) in Kleinasien und Griechenland und über ihre Beziehungen zu den späteren Neu-Ioniern 1 4 3 ff. — über Faktoreien und feste Siedlungen der Phöniker im Mittelmeer 1 5 3 f. — das Weltbild bei Homer 1 7 3 fr. — Thrinakia 1 8 4 fr. — Ogygia 1 8 6 ff. — ü b e r die Keftiu-Leute im Westjordanland 2 1 7 f r . — o r i e n talische Götterkulte in Griechenland 2 2 9 ff. — über Pelops und seine Verpflanzung nach Kleinasien 2 5 4 fr. D o r i e r , erscheinen bei Homer nur an einer Stelle jüngeren Datums 142. D r a h e i m , H., hält vermutungsweise Leukas für das Ithaka Homers 3 8 . D r e r u p , E., gegen die These Seyks, daß der Kara-Jour die Stätte des Homerischen Troia sei 16. — lehnt die Annahme A . Ficks von einer rein äolischen Urform der Homerischen Epen als unerweisbar und unwahrscheinlich ab 1 0 1 ff. — hält die Homerische Sprache für eine subjektive Kunstschöpfung des kleinasiatischen Sängers mit Archaismen aus altionischer Sprache 1 0 3 . D u l i c h i o n , Insel in der Nähe vom Ithaka der Odyssee 3 4 . — in der Ilias Insel des Meges, zu den Echinaden gehörig 3 5 .
NAMEN- UND SACHREGISTER
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E h r l i c h , H., über die Sprache Homers 98. E i s e n , Benutzung in mykenischer Zeit 2i3f. E i s l e r , R., über die Zeit der Übermittlung phönikischer Schriftzeichen an die Griechen 11g. E l a t i - B e r g e , im Westen der Nidri-Ebene aufLeukas, mit derLainakigruppe dem Homerischen Neriton entsprechend 48. 58. E p e i e r , Homerischer Volksstamm in Elis, nördlich des Alpheios, Feinde der Pylier 64fr. E p h o r o s , Geschichtsschreiber im 4.Jahrh. v. Chr., Quelle des Marmor Parium 5. E p h y r e , die verschiedenen Orte dieses Namens 168. — das Ephyre des Bellerophontes 259 f. E r a t o s t h e n e s 275—195 v. Chr., sein Kanon der frühesten Ereignisse (Troischer Krieg, Dorische Wanderung, Ionische Kolonisation usw.) 133E u m a i o s , sein Gehöft in geschützter Lage von Dörpfeld in das Tal Olothos auf Leukas verlegt, bei den Dörfern Maranthochori und Evgiros 59 f. E u r i p i d e s , Drama „ I o n " 146. E u s t a t h i o s , Bischof von Thessalonich, 12. Jahrh. n.Chr., Erklärer der Homerischen Epen 7. E v a n s , A., über den Homerischen Kyanos 86. — über kretische Hieroglyphen und Linearschrift 117.
F i c k , A., nimmt eine rein äolische Urform der Homerischen Epen an ioif. F i n s l e r , G., über den Verlauf der modernen Kritik an den Homerischen Epen 7. — sucht die Phäaken in Kreta 93. — über den Wohnsitz der Kirke 181. — über die Lage von Thrinakia 184 fr. — findet in der Ilias nur halbverwehte Spuren eines absoluten Königtums 191. — hält den Staat der Odyssee für eine Aristokratie 194. — über die Mahlzeiten der Homerischen Helden 205. — verlegt Temese nach Unteritalien 215. — sieht in Herakles einen Heros der Dorier 258. — über die Dienerinnen der Helena in der Mauerschau 261 f. •— über die treue Schilderung der Topographie Ithakas und der Küsten 263. F o r c h h a m m e r , P. W., über den Skamandros 29. F o r r e r , E., nimmt auf Grund hethitischer Urkunden für das 14.—12. Jahrh. v. Chr. den Bestand eines Achäerreiches in Griechenland an 127fr. 18*
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NAMEN- UND SACHREGISTER
F r i c k e n h a u s , Aug., über Herakles in Tiryns 258. F r i e d l ä n d e r , P., über Herakles 258. F r i e d r i c h , J., bezweifelt die Richtigkeit der Forrerschen Thesen betr. das Reich Ahhijava 128. — über Alaksandus, König von Vilusa 134. F r i e s , G., über den gegenwärtigen Stand der Homerfrage 70. F u r t w ä n g l e r , A., undLöschcke, G., über die Kriegervase von Mykene 211.
G a r d i n e r , A., über Deutung arabischer Inschriften 120. G a r i t z a , Ort auf Korfu, an der Stelle des alten Kerkyra, Fundort eines altdorischen Tempels mit Giebelfiguren, auf Veranlassung des Kaisers Wilhelm II. durch W. Dörpfeld ausgegraben 90f. G e l l , W., gräbt als erster auf dem Berge Aetos nach der Stadt Ithaka und findet Ruinen aus klassischer Zeit 36. G e p h y r ä e r , arabisch-phönikisches Volk, mit Kadmos nach Böotien, um 1100 v. Chr. nach Athen 144. G l a d s t o n e , O . E., über die Entstehung der Homerischen Epen im Mutterlande und über den Einfluß Ägyptens auf die griechische Kultur 148. G o e ß l e r , P., Mitarbeiter W. Dörpfelds, tritt als einer der Ersten für Leukas-Ithaka als Heimat des Odysseus ein 39. 53. 61. 224. G ö t t e r der Epen: pelasgischen Ursprungs (Poseidon, Hephaistos, Athena), aus dem Orient eingeführte (Apollon, Artemis, Dionysos), griechische (Zeus, Dione-Hera) 227fr. G ö t t e r s z e n e n in der Ilias 2350*. — in der Odyssee 242. G ö t z e , A., über die Zeit der Hethiter 130. — tritt ein für eine Besetzung der kleinasiatischen Westküste durch Äoler und Ionier schon im 12. Jahrh. v. Chr. 132. G o t t h e i t e n zweiten Ranges in den Epen (Deimos, Phobos, Eris, K y doimos, Ker) 244^ G r ä b e r , in der Nidri-Ebene auf Leukas-Ithaka 50fr. — Kuppelgräber bei Pylos, der Burg Nestors in Triphylien 78 f. — Schacht-, und Kuppelgräber in Mykene 225f. 257. G r u p p e , O . , über die Lage von Ogygia i86f.
H a b u l a n (Hubal, Habul), arabischer Gott der Herden und der Orakel, Lichtgott, gleichzusetzen mit dem griechischen Apollon 231 f. H a h n , v.J., sucht 1864 bei Bunarbaschi nach dem Homerischen Troia 14. H a n d w e r k e r , an den Höfen der achäischen Fürsten 2i5f.
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H ä r t e l , W., über den sprachlichen und metrischen Gebrauch des Digamma 99. 108. H e d e n , Erik, über die Bedeutung der Moira bei Homer 245fr. H e i b i g , W., über den Homerischen „ K y a n o s " 86. — über Phöniker als Träger der mykenischen Kultur 143. H e l d e n s a g e n in den Epen und ihre Entwicklung vor der Dorischen Wanderung 2 5 0 f r . H e l e n a , gehört nach Lakonien, heißt im Homer ausschließlich Tochter des Zeus, ist Gemahlin des Menelaos und Paris, Schwester des Kastor, Polydeukes und der Klytaimnestra 2 6 0 fr. H e l l a s erg. yri, bei Homer ein Gau in Nordgriechenland, Phthia benachbart; an einigen Stellen der Odyssee Bezeichnung des nördlichen Griechenlands 124 fr. 169. H e l l e n e n , bei Homer keine Gesamtbezeichnung der Griechen, sondern Name der Bewohner des Phthia benachbarten thessalischen Gaues Hellas I24f. •— Bedeutung des Wortes 125. — nach der Dorischen Wanderung verdrängt der Name Hellenen den der Achäer 125. H e l l e s p o n t o s , Bedeutung des Namens und Lage 21 ff. H e r a , vielleicht schon von der vorgriechischen Bevölkerung in Argos verehrt und mit Dione, der Gattin des Zeus von Dodona, verschmolzen 234. H e r a k l e s , dorischer Heros, im Homer erwähnt; Ausgestaltung des Mythos nach der Dorischen Wanderung 257 fr. — Verknüpfung mit den Persiden 256. H e r a - T e m p e l in Olympia, mit Wandpfeilern wie im Homerischen Königshaus von Ithaka 198. H e r c h e r , R., erkennt, daß die Lage Thiakis zu den Homerischen Angaben nicht paßt, und hält diese für dichterische Erfindung 36. 61. H e r m a n n , A., über die Bedeutung Homers für die griechische Geographie 183. H e r m a n n , G., hält als erster zweiEpen von mäßigem Umfang, Achilleus' Zorn und Odysseus' Heimkehr, für den Kern der Gesamtepen 7 f. H e r o d o t , über den Gebrauch von Siegeln bei Ägyptern und Griechen 116. — über die von Phönikern nach Griechenland gebrachte Schrift 117 f. — über die Inschriften im Ismenion von Theben 118. — über den Einfluß orientalischer Volksstämme auf die Achäer I45f. — über die Abneigung der Athener in klassischer Zeit gegen die Benennung "Icovss 147. —• über die uralte Praxis der ägyptischen Medizin 151. — über den See Ismaris bei Maroneia im Land der Kikonen i78f. — über die Lotophagen in Libyen 179. — über die arabische Gottheit Alilat 231.
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NAMEN- UND SACHREGISTER
H e s i o d , über die Tätigkeit des Homeros 5. H e t h i t e r , 1800—1200 v. Chr. mächtiges, wohl indogermanisches Er• oberervolk in Vorderasien 130 fr. — um 1200 v. Chr. aus Chatti nach Osten verdrängt 132. H e u r t l e y , W. A . , über englische Grabungen und Funde in PolisStavros-Pilikata und auf dem Isthmus von Thiaki 43. H i n t e r t ü r (¿paoSupr)) des Megaron von Ithaka 198f. H ö r m a n n , K . , über Hügelgräber der Bronzezeit in Deutschland und über die Frage der Leichendörrung 226. H o f f m a n n , O . , hält die Homerische Sprache für ein künstliches Gemisch von Dialekten 101. 115. H o m e r i d e n , die in der Weise des Homeros dichtenden Sänger, vielleicht seine Nachkommen 5. H o m e r i s c h e Fürstensitze, 1. einfache in Ithaka 57. 197fr. und Pylos 78 fr. — 2. prächtige, den Funden in Tiryns und Mykene entsprechende Paläste in Sparta und Scheria 82 ff. 200 ff. — 3. andre Homerische Plätze aus vordorischer Zeit i68f. — Darstellung des Homerischen Hauses im Heimkehrlied beweisend für die achäische Herkunft 197 fr. H o m e r i s c h e s Königtum, das absolute, von Zeus verliehene Königtum Agamemnons 191 ff. — Ausnahmen: Thersitesszene und Katalog 193. 196. — das Königtum des Priamos 193 f. —• das von Zeus verliehene und einheitlich gezeichnete Königtum des Odysseus, Nestor und Menelaos i94f. —• das eigenartige Königtum des Alkinoos 1 6 5 f . H o m e r i s c h e s Leben, Mahlzeiten und Beschäftigung 2 0 5 f r . — Kleidung und Bewaffnung 2 0 7 fr. H o m e r i s c h e Sprache, stammt mit dem Nebeneinander verschiedenartiger Formen und der altertümlichen Ausdrucksweise aus dem Mutterlande 104 fr. H o m e r i s c h e s Bild Griechenlands und Weltbild 1 6 3 f r . H o m e r o s , Aöde und Rhapsode zugleich, gibt, vermutlich bald nach der Ionischen Wanderung, den überlieferten Kerngedichten ihre veränderte und erweiterte Gestalt 5 f. H o m m e l , Fr., über das Land Iavan in Arabien I43f. — über die Phöniker 153 fr. — über den Ursprung der Apollon-Verehrung in Südarabien 2 3 0 f r . H r o z n y , B., sucht das Reich Ahhijava der hethitischen Urkunden in Rhodos 128. H y k s o s , arabische Stämme, um 1700 v . C h r . Begründer des HyksosReiches in Unterägypten, um 1580 v. Chr. vertrieben i 2 o f f . 1 4 3 f r . H y p e r e i a , Wohnsitz der Phäaken, bevor sie nach Scheria kamen 88.
NAMEN UND SACHREGISTER
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J a c o b y , F., über das Marmor Parium 5. — über die Ausdehnung des Hellespontos 22. I a s o n , Führer der Argonauten, nur in den Irrfahrten erwähnt 265f. I a v a n e n (MaFovs;, Uinen, Hanebut), Bewohner der Südostküste des .Mittelmeeres, nach Dörpfeld von Einfluß auf die Iaones, Ioner, Ionier Mittelgriechenlands und Kleinasiens 121 f. I43ff. I d a , Gebirge in Mysien, Lage und Bedeutung in der Dichtung 33. J e b b , R . C., läßt die Ursprungslieder der Ilias und Odyssee im Mutterlande entstanden sein V . 8 f. — rechnet Leukas zu den vier Inseln der Odyssee (Ithaka, Dulichion, Same, Zakynthos) 37f. I l i o s s. Troia. I n a m a , V., verlegt die Entstehung der Homerischen Epen wegen ihrer Sprache in das Mutterland 114. I o n , Stammheros der Iaones, Iones; verschiedene Uberlieferung über Herkunft und Schicksale 146 fr. I o n e r , 'laFoves, Ionier, griechischer Stamm in Attika, Euböa, auf Inseln des ägäischen Meeres und in einem Teil des Peloponnes, vermutlich mit orientalischem Einschlag 142 ff. — wanderten, von den Doriern verdrängt, an die lydische und karische Küste Kleinasiens 139. — erscheinen im Homer an einer Stelle jüngeren Datums 140 fr. •— über orientalische 'lötFoves, Iavanen, Alt-Ionier und ihre Beziehungen zu den Neu-Ioniern Kleinasiens 120. 143 fr. I o n i o n Pelagos, Mittelmeer am Nildelta 144. I r r f a h r t e n , geographisch bestimmbare (Kikonen, Malea, Lotophagen, Kyklopen, Thrinakia, Ogygia, Phäaken) 178fr. 189. —• in das Reich der Phantasie gehörende (Aiolia, Laistrygonen, Kirke, Kimmerier, Hades, Seirenen, Skylla, Charybdis) 181 ff. 189. I s m a r o s , bei Homer Stadt der Kikonen in Thrakien 178. I t a l i a , ursprünglich Bezeichnung der südlichsten Spitze Italiens; Bedeutung des Namens 185 f. I t h a k a , Nachrichten über die Insel in der Odyssee 34. — in der Ilias 34. -— das Ithaka der Odyssee nach Dörpfeld in Leukas zu suchen, nicht im heutigen Thiaki 38 fr. — über die Lage der Stadt, der Berge und Häfen in der Odyssee — über den Königsitz 54 fr. — Grabungen in Thiaki bei Stavros-Polis und auf dem Aetos durch Gell, Schliemann, Dörpfeld und Goekoop 37, 42. —• durch Engländer und Griechen unter W. A. Heurtley und Lord Renneil of Rodd 43 fr. — in Thiaki keine Übereinstimmung mit den Homerischen Schilderungen der Insel und Stadt Ithaka 61 f.
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NAMEN- UND SACHREGISTER
K a d m e e r , Phöniker arabischer Abstammung, kommen unter Kadmos aus Syrien, Palästina und Unterägypten nach Böotien 144. K a d m o s , fuhrt nach Herodot Phöniker nach Griechenland 144f. — in der Odyssee Vater der Leukothea 263. K a i s e r W i l h e l m II. ermöglicht nach Schliemanns Tode die Ausgrabungen W. Dörpfelds in Hissarlik 15. — entsendet K . Gräfinghoff zur Anfertigung einer Karte Triphyliens nach Pylos 71. — läßt durch W. Dörpfeld beim heutigen Garitza auf Korfu einen altdorischen Tempel ausgraben gof. — deutet in den „Erinnerungen an Korfu" die Giebelfigur der Gorgo dieses Tempels als phönikischen Import der Sonnendarstellung 91. K a k o v a t o s , Dorf bei den Ruinen der Homerischen Burg Pylos 71. 78. K a l y p s o , im Epos von Hermes besucht 186. — Bedeutung des Namens 188. — L a g e ihres Wohnsitzes Ogygia 187. —Übertragung der Entfernung von Aiaia bis Scheria auf die von Ogygia nach Scheria 189. K a m p f p l a t z vor Troia, Lage und Beschaffenheit nach der Ilias 21 ff. K a n o p o s in Unterägypten, Fundort eines königlichen Dekretes, das „®oivik(t|" mitKeft wiedergibt und die Uinen (Javanen, Hanebut) erwähnt 121. 2i7ff. K a r c h e m i s c h am Euphrat, nach der Zerstörung von Chatti Hauptstadt der Hethiter 132. K a r o , G., bestreitet Verbrennung in den Schachtgräbern von Mykene 225. K a s t o r und Polydeukes, Söhne des Tyndareos und der Leda, Brüder der Helena und der Klytaimnestra 260f. K e f t i u - L e u t e , keine Kreter, sondern nach ägyptischen Urkunden des II. Jahrtausends v. Chr. Bewohner des Westjordanlandes 2i7ff. — Verfertiger und Träger mykenischer Kunst 218. K e p h a l l e n e n , Untertanen des Odysseus auf dem Festland 34 f. — Auswanderung nach den Inseln 40. K e p h a l l e n i a , Insel bei Ithaka, wird im Altertum dem Homerischen Dulichion oder Same (Samos) gleichgesetzt oder umfaßt beide Homerische Inseln 35. K e r k y r a , Korinthische Siedlung auf Korfu 90. — Fundstätte von Resten eines Heiligtums der phönikischen Sonnengöttin Gorgo, späteren Heiligtums der Artemis gof. — Grabungen Dörpfelds bei Paläokastritza 85 (s. auch Scheria). K e r n l i e d e r , ihre Entwicklung zur Ilias und Odyssee iff. K i m m e r i e r , in den Irrfahrten Volk beim Hades-Eingang 183. K i r k e , Wohnsitz 181 f. K l i m e n o , Vorhafen der Vlicho-Bucht auf Leukas 59.
NAMEN- UND SACHREGISTER
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K l o t z , Alfr., über die Ausdehnung des Hellespontos 2 i f . K l y t a i m n e s t r a , Tochter des Tyndareos, Schwester des Kastor, Polydeukes und der Helena 260. K ö n i g s g r ä b e r , bei Steno in der Nidri-Ebene auf Leukas 4gf. K ö n i g s h a u s bei Steno in der Nidri-Ebene auf Leukas 49. — Lage des Königshauses von Ithaka in der Odyssee 57. K o l o n i , runder Hügel in der Nidri-Ebene auf Leukas 48. K o r f u s. Kerkyra. K r a h m e r , Gerh., lehnt ab, daß Pelops ein Lyder sei 255. K r a t e s , Gelehrter in Pergamon, Homerkritiker 7. K r e t a , orientalische Pracht in Kreta 87. 93. — Hieroglyphen- und Linearschrift der Kreter 117fr. — in den Epen auch von Achäern bewohnt 167. — der jüngere Palast von Knossos achäisches Königshaus 97. 167. — mykenisch-kretische Kleidung 207. 209. — nicht Kreter, sondern Phöniker Träger und Bringer der mykenischen Kunst 215fr. — Kreter und Keftiu-Leute nicht identisch 217fr. K r e t s c h m e r , P., sucht das Reich Ahhijava der hethitischen Urkunden in Kilikien 128. — über Alaksandus, König von Vilusa 134. K r i s c h e n , Fr., Schöpfer der Bilder zu Dörpfeld-Rüter, Homers Odyssee 5 1 - 93K r i t i k an den Homerischen Epen, ihre Geschichte 6ff. K r o k y l e i a , Insel in der Nähe des Ithaka der Ilias, Sitz der Kephallenen 34K u p p e l g r ä b e r in Mykene 225. 257. K u r u k l i s , Th., sucht das Ithaka Homers in Kephallenia, Same (Samos) im heutigen Ithaka, Dulichion in Leukas 37. 61. K y a n e e n , Klippen an der nördlichen Einfahrt in den thrakischen Bosporus 183. K y a n o s - F r i e s 1. im Palast von Tiryns 86. 2. nach der Dichtung im Palast des Alkinoos 85. K y k l o p e n , wohnen nach der Darstellung in den Irrfahrten an der Küste Nordafrikas, vielleicht identisch mit Tunis oder der östlichen Berberei 180 f. K y n a i t h o s , Homeride und Rhapsode aus Chios, Verfasser des Hymnus auf den Delischen Apollon, gilt einigen als letzter ionischer Redaktor der Homerischen Epen 101. K y p a r i s s e i s , heute Kyparissia, südlichster zum Reich Nestors gehöriger Homerischer Ort 66. K y p a r i s s i s , Nik., Leiter der griechischen Grabungen im südlichen Teil von Thiaki in der Nähe von Vathy 43.
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NAMEN- UND S A C H R E G I S T E R
L a i n a k i - H ö h e n , i m Südwesten der Nidri-Ebene auf Leukas, zusammen mit der Elati-Gruppe dem Homerischen Neriton entsprechend 48. 58. L a i s t r y g o n e n , in den Irrfahrten Volk Westafrikas 181 f. L a n g , A., sieht in den Homerischen Epen die Schilderung eines achäischen Kulturzeitalters V . 9. L a r f e l d , Wilh., über die kyprisch-griechische Silbenschrift 1 1 7 . — über die Verwandtschaft der ältesten griechischen Lautzeichen mit den altphönikischen und palästinensischen Schriftdenkmälern 1 1 8 . — läßt die Griechen das Alphabet aus dem Mutterland mit nach Kleinasien hinübernehmen 1 1 9 . L e a f , W., läßt das Zornlied im Mutterland entstanden sein V . 9. — über die Verwandtschaft der Achäer und Phrygier (Dardaner) 135. — über den Schiffskatalog 166. L e a k e , M., sucht das Homerische Ithaka bei Stavros (Polis) 36. L e c h e v a l i e r , Sekretär des Grafen Choiseul-Gouffier, verbreitet dessen Ansicht, daß Troia bei Bunarbaschi zu suchen sei 13. L e i b e s ü b u n g e n und Spiele in den Homerischen Epen 205fr. L e l e g e r , Orientalen, Gründer von Ephesus, Smyrna, Milet 144f. L e p s i u s , Rieh., über den Homerischen Kyanos 86. L e u k a s , von antiken Gelehrten für die Homerische Zeit falschlich als Halbinsel angesehen 35. — von Dörpfeld als das Homerische Ithaka der Odyssee erwiesen und Alt-Ithaka genannt 38 fr. — Dörpfelds Grabungen in der Nidri-Ebene von Leukas und die Übereinstimmung ihrer Ergebnisse mit den Homerischen Schilderungen der Insel und Stadt Ithaka 47 fr. L i b y e n , Homerisches Land westlich von Ägypten, Südgrenze der Homerischen Welt, identisch mit Nordafrika 175. —- Züge der historischen Libyer gegen Ägypten im Bunde mit Achäern, Sarden, Sikelern, Lykiern 1 3 1 . L o r i n s e r , H. L . , über englische Grabungen und Funde in Thiaki 43. L o t o p h a g e n , Homerischer Volksstamm in Libyen, identisch mit den Bewohnern der Kleinen Syrte am Golf von Gabes 15g. L o t o s f r u c h t , Speise der Homerischen Lotophagen, unter dem Namen J u j u b a noch heute in Tunis und Tripolis geschätzt 179.
M a a ß , E., über die Kyklopen 94. — über die Irrfahrten des Odysseus im Pontos 183. M a h l o w , G., deckt den altionischen bez. achäischen Charakter der Homerischen Sprache auf und verlegt die Entstehung der Epen in
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das Mutterland V I I . 103fr. i i 4 f . —• weist die von Sprachforschern übernommenen Lehren alter Grammatiker, so die vom a purum im Attischen und von den sogenannten Äolismen bei Homer als unhaltbar nach 104 fr. — über die Ursache dialektischer Verschiedenheiten und den Reichtum an Scheideformen bei Homer 106 f. — Beispiele altionischen bzw. achäischen Dialektes in den Epen 107 f. — Fehlen von Besonderheiten des kleinasiatischen Äolismus bei Homer 111 f. —• Gründe, warum die Homerische Sprache manches mit den Äolern gemeinsam hat 112. — über die Bedeutung des Wortes "EÀÀr)ves 125. — über die Bedeutung des Wortes Italia 185^ M a r a t h i a , Hochebene im Süden von Thiaki, wo man das Gehöft des Eumaios sucht 62. M a r m o r P a r i u m , Chronik der politischen und kulturellen Geschichte Griechenlands, 264—263 v. Chr. in Paros auf Marmor geschrieben 5. M a y e r , M . , Homerische Waffen 211. M e g a r o n , Männersaal des achäischen Königshauses i97f. M e i l l e t , A . , über die Gründe von sprachlichen Ubereinstimmungen in verschiedenen Dialekten 112. M e i ß n e r , Br., über das Weltbild bei Babyloniern und Assyriern 174. M e r n e p h t a h , ägyptischer König, kämpft 1225 gegen Libyer und ihre achäischen Söldner 131. M e s a - S t e i n , Sieges- und Rechenschaftsbericht des moabitischen Königs Mesa, 9. Jahrh. v. Ch., beweisend für die Verwandtschaft der ältesten griechischen Lautzeichen mit altphönikischen Schriftdenkmälern 118. M e y , O . unternimmt in Begleitung der Archäologen Dörpfeld und Schede eine Expedition zur Untersuchung der Besikabucht und des Geländes zwischen Bucht und Troia 29. — sucht auf Grund seiner Forschung das achäische Schiffslager an der Besikabucht 29 ff. M e y e r , Ed., über die Ruinen bei Kakovatos und die Übereinstimmung ihrer Lage mit den Angaben der Ilias und Odyssee über Pylos 72. —• zur Geschichte Sidons 156. — hält den Apollonkult für ursprünglich griechisch 230. — über die Dynastie der achäischen Persiden in Mykene 257. — über Herakles und den Heraklidenstammbaum 259. — über die göttliche Verehrung der Helena in Therapne bei Sparta 260. — über den historischen K e r n in der thebanischen Sage 264. M i n y e r in Orchomenos und Triphylien, stammen aus dem Lande der Minäer in Arabien 144. 231. M o i r a , Schicksalsgöttin, ihre Bedeutung bèi Homer 245fr. v. M o l t k e , H . Graf, über die Ruinen bei Bunarbaschi 13f.
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M ü l l e r , K . O., über Homer und seine Epen 8. — über das triphylische Pylos 70. — über die Quelle Artakia 183. M ü l l e r , Kurt, beteiligt bei der Auffindung des Homerischen Pylos durch Dörpfeld 71. — Bericht über die Funde bei Kakovatos 72. — über Forrer's Deutung des in hethitischen Urkunden erscheinenden Reiches Ahhijava 128. M u r s i i i s I. und II., Könige der Hethiter im 18. und 14. Jahrh. v. Chr. 130. M y k e n e , Homerischer Fürstensitz 82 ff. — Schacht- und Kuppelgräber 225f. 257. M y k e n i s c h e Dolchklinge mit Turmschild 2 1 1 . M y k e n i s c h e Kunst an den Sitzen der Homerischen Fürsten 2 i 5 f f . — Phönikisch-arabischer Ursprung der mykenischen Kunst 217fr. M y r m i d o n e n , Name der Krieger Achills 125.
N a u s i t h o o s , König der Phäaken, siedelt mit ihnen von Hypereia nach Scheria über 88. N e l o n , in der Odyssee Berg über der Stadt Ithaka 54. N e l e u s , in den Epen Sohn Poseidons, Vater Nestors, Begründer der Herrschaft in der Pisatis und der Burg Pylos 262. N e r i t o n , Hauptgebirge des Homerischen Ithaka 54. N e r i t o s (Neritis) bis zum 7. Jahrhundert v. Chr. Name des späteren Leukas; nach Dörpfeld identisch mit dem Ithaka der Odyssee 34. 45 ff. N e s t o r , Sohn des Neleus, Gemahl der Chloris aus Orchomenos, Vater des Antilochos (Ilias) und Peisistratos (Odyssee), König von Pylos 64. 68f. 71 f. 262. — Das Fortleben pylischer Erinnerungen in Milet 263. Nestor-Becher im Zornlied, mykenischer Import 216. N i d r i , Dorf auf Leukas; die Nidri-Ebene nach Dörpfeld Stätte der Homerischen Stadt Ithaka, wie die Odyssee sie schildert 38 fr. N i l s s o n , M. P., über Forrer's Deutung des in den hethitischen Urkunden erscheinenden Reiches Ahhijava 127. — über die griechischen Mythenkreise, die Homerischen und nachhomerischen 151 ff. N i t z s c h , G. W., vertritt die Einheit der Homerischen Epen und gibt ihnen ein ethisches Grundmotiv 8.
O b e r h u m m e r , Eugen, über Neritis, das spätere Leukas 41. — über die Kyaneen am Bosporus 183.
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Ö d i p u s , in den Epen erwähnt als Sohn und Gemahl der Epikaste, als Vater des Eteokles und Polyneikes 263 f. O g y g i a , bei Homer Insel der Kalypso 186. —• Bedeutung des Namens und Lage 187 fr. — nach Dörpfeld Südostspitze Italiens, heute S. Maria di Leuka 89. 187. O k e a n o s , im Homer Weltstrom i73f. 182. O l o t h o s - T a l , im Süden der Insel Leukas, nach Dörpfeld Wohnstätte des Eumaios 60. O l y m p i a am Alpheios, Kult- und Kampfstätte schon in vordorischer Zeit 65 f. v. O p p e n h e i m , M., Freiherr, über die Gründe des Fehlens schriftlicher Aufzeichnungen im Teil Halaf 120. — über die Länder von Mitanni in Obermesopotamien 218. O r c h o m e n o s , Stadt der Minyer in Böotien, gilt im Zornlied als reicher Fürstensitz 149. 170. O r t y g i a , Insel im äußersten Westen mit einem Kult der Artemis, vielleicht die noch heute so genannte Insel von Syrakus 176. O t t , Fr., und Bulle, H., graben nach der Stadt der Phäaken in westlichen Korfu auf der Halbinsel bei Porto Timone 95. O t t o , W., bezweifelt die Richtigkeit der Forrer'schen Thesen betr. das Reich Ahhijava 127.
P a l ä o c h o r i , Dorf am Elati-Abhang oberhalb der Nidri-Ebene mit Quelle 48. P a l ä o k a s t r o n , Burgruine beim Dorf Kalydona zwischen Samikon und Lepreon in Triphylien 71. P a l ä o k a t u n a , Dorf über der Nidri-Ebene auf Leukas 48. P a n t e l l e r i a , Insel östlich von Tunis, vielleicht das Homerische Syrie 176 f. P a p y r o s , geht schon unter Amenophis I V , 1370—1352 v. Chr., im Tauschhandel von Byblos nach Ägypten 120. P a r t s c h , J., über die Auffassung der Antike und des Mittelalters, daß die griechische Küste von Korfu bis zum Korinthischen Golf von Westen nach Osten verlaufe 35. — erkennt Leukas als Insel an 37. — über Homerische Plätze in Elis und Triphylien 73. — über die Lagune von Agulinitsa 74. P a ' u n t , sagenhaftes Goldland in Arabien 145. P a u s a n i a s , über die Homerischen Inseln Dulichion und Same in ihrer Beziehung zum historischen Kephallenia 36. — über Heroa des Menelaos und der Helena im dorischen Sparta und im nahen Therapne
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80. — über den Gebrauch der Siegel bei Ägyptern und Griechen 1 1 6 . — über Ion, den Stammheros der Ionier 146. P e i s i s t r a t o s , Tyrann von Athen 560—525 v. Chr., veranlaßt eine endgültige Redaktion der Homerischen Epen 6. P e l o p s , im Zornlied Achäer, nicht Lyder 252f. — in nachhomerischer Sage 252 fr. — Leichenspiele zu seinen Ehren in Olympia 253 f. — seine Beziehungen zu Tantalos und Niobe 254ff. P e r g a m o s , oberster Teil der Burg Ilios mit Tempel und Königsbauten 19P e r s i d e n , Nachkommen des Perseus, achäische Fürsten in Mykene 256 f. P h ä a k e n , Bewohner der Stadt und Insel Scheria 88ff. (s. Scheria) — im Homer aus Hypereia nach Scheria verpflanzt 88. 94. — orientalische Abstammung 94. — mykenische Pracht im Palast ihres Königs Alkinoos 92ff. — ihre Betätigung als Fährleute und Frachtschiffer 94P h e a i , Homerischer Platz auf der jetzigen Halbinsel von Katakolo im Peloponnes 75. P h e m i o s , Homerischer Sänger 3. P h e i a , Homerischer Platz in der Nähe Arkadiens 75f. P h e r a i , Name zweier Homerischer Orte im Peloponnes 1. im südöstlichen Messenien an den Ausläufern des Taygetos 2. am Alpheios, Sitz des Diokles, bei dem Telemachos und Peisistratos einkehren 6g. 70. 77P h e r e k y d e s , Historiker, 5. J a h r h . v. Chr., über Dulichion und Same 36. P h i g a l i a , Tempel in Arkadien mit Wandpfeilern und Hintertür, wie im Homerischen Könighaus von Ithaka 198. P f i s t e r , über die Epiphanie der Götter 240. P h ö n i k e r , 1. in weiterem Sinne, so bei den klassischen Schriftstellern, Bewohner der südöstlichen Küste des Mittelmeeres bis zum Nildelta 143fr. — 2. in engerem Sinne Bewohner der syrischen und palästinensischen Küste von Arados bis J o p p e 153 fr. — über phönikische Faktoreien und Siedlungen im östlichen Mittelmeer 46. 154. — Phönikische Industrieerzeugnisse in den Kerngedichten 158fr. 2i6r. •— phönikische Seefahrer und Händler in den Homerischen Epen 149*"P h o r k y s h a f e n der Odyssee auf Ithaka, der Syvotabucht auf Leukas ähnlich 55 f. P h t h i a , bei Homer Sitz des Peleus und Achilleus, südlich vom späteren Thessalien, am Spercheios 169.
NAMEN- UND S A C H R E G I S T E R
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P i e r i e n , bei Homer Landschaft nordwärts vom Olympos 186. P i l i k a t a , Ort oberhalb der Bucht von Polis auf Thiaki 43. P i n d a r , über die Tätigkeit der Rhapsoden 5. — über Totenopfer zu Ehren des Pelops 253. P l a n k t e n , Felsen bei Sizilien 184. P l i n i u s der Ältere, über Neritis, das spätere Leukas 4 1 . — sucht Ogygia in einer Insel anderSüdwestspitzedesTarentinischenMeerbusensi87. P l u t a r c h , läßt die Phäaken in Salamis wohnen 94. P ö h l m a n n , R . , über soziale Fragen bei Homer 193. P o l i s , Ort und Bucht auf Thiaki 42. P o r p h y r i o s , Erklärer der Homerischen Epen, 3. Jahrhundert n. Chr. 7. P o s e i d o n , Gott des alten Mittelmeers, pelasgischen Ursprungs 22gf. P o u l s e n , Fr., über den Schild des Achilleus 2 1 3 . •— über den NestorBecher 216. P r e l l e r , L . , über das Menela'ion in Therapne 8 1 . — über Ion und seine Bedeutung 146. — über Ortygia 176. P r i n g s h e i m , H., über die Burgruine Paläokastron bei Kalydona in Triphylien 7 1 . P r o i t o s , König in Argos, Gemahl der Anteia, Tochter des Iobates, Königs von Lykien i i 5 f . 259. P y l o s , Name dreier antiker Orte im Peloponnes 1. des noch heute bestehenden messenischen, 2. des elischen am Zusammenfluß des Peneios und Ladon, 3. des triphylischen im Küstenland von Elis 64. — Pylos in Messenien und Elis können nicht die Homerische Burg Nestors sein 60 ff. — über die Entdeckung des Homerischen Pylos und dreier Kuppelgräber in Triphylien bei Kakovatos durch Dorpfeld 71 f. — Sitz der Nelidensage 262. P y t h o , erscheint im Homer mit einem Tempel Apollons und einem Orakel, während der Name Delphi nicht genannt wird 232 f.
R a m s a y , W., schlägt für die Iavones, Ionier des I I . Jahrtausends, die Bezeichnung Alt-Ionier vor 145. R a m s e s I I , ägyptischer König, kämpft im 13. J a h r h . v. Chr. gegen. Hethiter und ihre achäischen Verbündeten i3of. R a m s e s I I I , König im reichen ägyptischen Theben zur Zeit des T r o ischen Krieges 1 3 1 . 149. R e c h m e r e , sein G r a b in Ägypten (Theben) 218. R e i c h e l , W., Homerische Waffen 2 1 1 f. R e n n e l l o f Rodd, Lord, über englische Grabungen und Funde auf Thiaki,, in dem er das Homerische Ithaka sieht 43.
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NAMEN- UND SACHREGISTER
R h e i t h r o n , Flußhafen bei der Homerischen Stadt Ithaka 55. R h o d o s , bei Homer von Achäern bewohnt 167. R i d g e w a y , W., hält achäische Dichter des Mutterlandes für die Schöpfer der Homerischen Epen V. 9. R o b e r t , G., glaubt, daß die Teile der Ilias, die mykenische Bewaffnung zeigen, in äolischen Dialekt umgesetzt werden können 101. — über Turmschild und Rundschild 212. R o ß , L., Grabungen in Heroon des Menelaos zu Therapne 81. — läßt die Phäaken in Korfu wohnen als Fährleute und Frachtschiffer zwischen Hellas und Italien 94. — will der Überlieferung des Altertums Vertrauen entgegengebracht wissen 132. R ü g e , W., über die Kyaneen 183.
S a m e , Insel in der Nähe vom Ithaka der Odyssee, identisch mit der Insel Samos der Ilias 34. S c h a c h e r m e y r , F r . , gesteht der Forrer'schenGleichsetzung des Reiches Ahhijava mit dem Königtum von Mykene ein hohes Maß von Wahrscheinlichkeit zu 128. S c h a c h t g r ä b e r in Mykene 225. 257. S c h e r i a , Insel und Stadt der Phäaken; Schilderung der Lage und des Fürstensitzes im Epos 85 fr. 88 ff. 93 ff. 187 f. — Bedeutung des Wortes 94f. — Grabungen an der Westküste der Insel Korfu, wohin das Epos führt, 1. durch Fr. Ott und H. Bulle bei Porto Timone 2. durch W. Dörpfeld bei Paläokastritza 95 ff. — Grabungen an der Ostküste auf dem Boden des alten Kerkyra, wohin die Tradition die Phäaken setzt 90 f. S c h e w a n , A., hält Scheria für eine aus Kreta stammende Siedlung auf Kerkyra 94. S c h i c k s a l s w a g e in der Ilias, ihre Bedeutung 247. S c h i f f a h r t bei Homer in den Händen der Phöniker, Taphier und Phäaken, nicht der Achäer 2o6f. S c h i f f s k a t a l o g der Ilias, jünger als die Kernlieder 3gf. 126. 163fr. S c h i f f s l a g e r der Achäer vor Troia, nach der Dichtung nicht im Nordwesten von Ilios an den Dardanellen, sondern im Südwesten an der Besika-Bucht 21 ff. 2 7 ff. S c h l i e m a n n , H., Ausgrabungen in Hissarlik-Troia 14fr. — durch W. Dörpfeld unterstützt 15 ff. — gräbt in Thiaki bei Polis und auf dem Isthmus und hält die Ruinen auf dem Aetos für die Stadt des Odysseus 37. — über den Homerischen Rundschild a n . — über Verbrennung in den Schachtgräbern von Mykene 225.
NAMEN- UND SACHREGISTER
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S c h l i e m a n n , Sophie, Gattin Heinrich Schliemanns, ermöglicht nach dem Tode ihres Gatten die Ausgrabungen W. Dörpfelds in Hissarlik 15. S c h m i d , W., über den zunftmäßigen Betrieb der Ionischen Epik 4. S c h r i f t , Kenntnis und Gebrauch in der Ilias u s f . — laut Herodot durch Phöniker nach Griechenland gebracht 1 1 7 . — Verwandtschaft der ältesten griechischen Lautzeichen mit altphönikischen und palästinensischen Schriftdenkmälern 1 1 8 . — Zeit der Übermittlung der phönikischen Schrift an die Griechen 1 1 9 . — Gründe für das Fehlen schriftlicher Aufzeichnungen aus ältester Zeit 120. S c h r ö d e r , O., über die Bedeutung Sidons 157. S c h u c h h a r d t , C., über die von W. Dörpfeld für Homerisch gehaltene V I . Schicht in Hissarlik 15f. •— über die Kultur von Alt-Europa 230. S e i r e n e n , Phantasiewesen des Meeres in den Irrfahrten 1 8 1 . 183. S e s k l o , achäische Stadt in Thessalien 52. 170. S e t h e , K . , über die Erfindung der phönikischen Schrift in der Hyksoszeit 120. S e y k , V . , hält den Kara-Jour östlich von Hissarlik für die Stätte des Homerischen Troia 16. S i d o n , in mykenischer Zeit bedeutendste phönikische Stadt 156. — ihr Verhältnis zu Hethitern, Ägyptern und Assyriern 157. —- in den Homerischen Kerngedichten Ursprungsort prächtiger Gewebe und kostbarer silberner und vergoldeter Gefäße 157 fr. S i e g l i n , W., versteht unter Hellespontos in altgriechischer Zeit das nördliche Ägäische Meer samt der Propontis 2 1 . S i k a n i a , das heutige Sizilien, im Homer Wohnort der Sikeler 175f. S i m o e i s , rechter Nebenfluß des Skamandros 19. 22. S i t t l , K . , glaubt, daß in der Homerischen Sprache nicht die Mundarten verschiedener Stämme, sondern die Sprachweisen verschiedener Zeiten desselben Stammes gemischt sind 104. S k a m a n d r o s , in der Göttersprache Xanthos, Fluß bei Ilios ig. —• spielt in den Kämpfen zwischen Troern und Achäern eine große Rolle 23 fr. — alte Flußbetten des Skamandros 30. S k a r o s , eichenbestandener Berg im Norden der Nidri-Ebene aufLeukas 48. — entspricht dem Homerischen Neion 58. S k y d i - B u c h t aufLeukas, nach Dörpfeld Landungshafen Telemachs 59. S k y l l a , in den Irrfahrten Meerungeheuer bei Sizilien 1 8 1 . 183. S m y r n a , ursprünglich äolisch; 688 v. Chr. durch Ionier aus Kolophon besiedelt 103. S o m m e r , F., lehnt Forrers Deutung des in hethitischen Urkunden erscheinenden Reiches Ahhijava ab 128. — über Alaksandus, König von Vilusa 134. 19
R ü t e r , Epen
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S p a r t a , verschiedene Lage der achäischen und der dorischen Stadt 80f. — Funde aus dorischer Zeit 81. — Fürstensitz des Menelaos vielleicht beim nahen Therapne oder Amyklai 81 f. S t a m a t a k i s , P., über Verbrennungsspuren in den Schachtgräbern von Mykene 225. S t a v r o s , Ort oberhalb der Bucht von Polis an der Westküste Thiakis 36f. — Stätte erfolgreicher englischer Grabungen mit Funden aus achäischer, klassischer und römischer Zeit 43. — nach Dörpfeld Sitz der aus Alt-Ithaka (Leukas) vor den Doriern dorthin geflüchteten Ithakesier, die der Insel (bis dahin Same) mit der Zeit ihren Namen gaben 45 f. S t e n g e l , P., über griechische Kultusaltertümer 250. S t e n o , engste Stelle der Vlicho-Bucht auf Leukas 47. S t e p h a n o s v. Byzanz, verlegt Tenedos in den Hellespontos 22. S t r a b o n , Geograph, 1. Jahrh. v. Chr., sucht mit Demetrios von Skepsis Troia im Dorf der Iiier 13. —• erwähnt die Angaben des Demetrios über das Grabmal des Aisyetes 32. — läßt, der Auffassung des Altertums entsprechend, die Richtung der Küste von Korfu bis zum Korinthischen Golf von Westen nach Osten verlaufen 35. — über die Homerischen Inseln Dulichion und Same (Samos) in ihrer Beziehung zum historischen Kephallenia 36. —• über das Pylos Nestors 64. — über Ortygia 176. — über eine unter Pelops erfolgte Wanderung nach Lakonien 253. S t r e h l und Soltau, über Städte an der syrischen Küste im III. Jahrtausend v. Chr. 153 f. S t u h l m a n n , Fr., über die Mazigh-Völker in Nordafrika 180. S y r i e , Heimat des Eumaios, Insel im äußersten Westen, vielleicht das heutige Malta oder Pantelleria 176. S y vota-Bucht auf Leukas, nach W. Dörpfeld der Phorkyshafen der Odyssee 59.
T a n t a l o s , König von Lydien; über seine Verschmelzung mit den Pelopiden 254 fr. T a p h i e r , Bewohner der Insel Taphos-Kalamos, westlich von Akarnanien, phönikische Metallhändler 215. T e m e s e , im Heimkehrlied kupferreicher Ort auf Kypros, wohl Strabons Tamasos 215. T e m p e l und Kultbilder in den Epen nur bei Nichtachäern 248. T h e b e n , 1. Hauptstadt Oberägyptens, blüht bis etwa 1100; in den Epen mächtige Stadt und Ursprungsort prächtiger Gebrauchsgegenstände
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148 fr. — Stadt vieler Kriegswagen und Pferde 1 5 1 . — ärztereiche Stadt 1 5 1 . — 2. Stadt der Kadmeer in Böotien, siebentorig, von den „ S i e b e n " vergeblich bestürmt, von den Epigonen, ihren Söhnen, erobert 263 f. T h e r a p n e , vordorischer Ort südöstlich vom dorischen Sparta mit einem Heiligtum des Menelaos und der Helena 80f. 261. — Englische Grabungen durch Wace, Thompson, Droop und Dawkins 8 1 . T h e s e u s , Sohn des Aigeus, des ersten achäischen Königs von Athen; Verknüpfung mit den Tyndariden und mit Athen 261. 265f. T h e s s a l i e n , im Homer nicht erwähnt, selbst nicht im Katalog 170. T h o m p s o n , M . S., über den Schiffskatalog 166. T h r a e m e r , Ed., weist nach, daß Pelops Führer der aus Nordgriechenland gekommenen Achäer war, die sich im Peloponnes festsetzten 253. — gibt eine Erklärung für die Beziehungen des Pelops zur Niobe 255. T h r i n a k i a , bei Homer Insel im Westen, bedeutet „ G a b e l l a n d " ; nicht Sizilien, sondern vermutlich Süditalien 89. 184fr. T h r y o e s s a , bei Homer pylischer Grenzort am Alpheios 65f. 73. T h u k y d i d e s , über die Zeit der Besitzergreifung Böotiens durch die Böoter 164. T h u t m o s i s I I . und Hatschepsut, Königspaar im ägyptischen Theben in dessen Glanzzeit, 15. J a h r h . v. Chr. 149. T h u t m o s i s I I I . , Sohn des Thutmosis I I . , in einem Triumphlied auf seine Siege wird Keftiu als Teil des syrischen Küstenlandes bezeichnet 218. T i r y n s , mykenischer Fürstensitz 82f. 200ff. T k a c , sucht das Urbild der Phäaken in Südarabien 94. T r i p h y l i e n , der schmälste Teil des Küstenlandes von Elis 64f. T r o i a , Ilios (auch Ilion), Hauptstadt der Troer. Nachrichten über die Lage der Burg in klassischer Zeit 13. — bei Demetrios von Skepsis und bei Strabon 13. — Durchforschung der Troas durch R . Wood 13. — Grabungen von Choiseul-Gouffier bei Bunarbaschi 13. — Grabungen Schliemanns und Dörpfelds auf dem Hügel Hissarlik 14 fr. — von neun Schichten in Hissarlik Schicht V I durch Dörpfeld als die Homerische festgestellt 15 fr. — über amerikanische Grabungen unter C . W. Biegen in Hissarlik und die Folgerungen für die Schichten V I und V I I a 17. — die Bauweise und Keramik der verschiedenen Schichten 17 f. —• Troia und Umgebung in den Kernliedern und Gesamtepen 18 ff. — dieselben Kulturverhältnisse bei Troern und Achäern 135. Troischer
K r i e g , nach der Überlieferung 1 1 9 4 — 1 1 8 4 v . C h r .
133.
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T y d e u s , Sohn des Oineus, Herrscher im ätolischen Kalydon, Vater des Diomedes, zieht gegen das Kadmeische Theben 264 f. T y r o s , überflügelt Sidon um 1000 v. Chr., wird in den Homerischen Epen nicht erwähnt 155 f.
U l i m a n n , B. L . , über die Erfindung der phönikischen Buchstabenschrift und ihre Einführung in Griechenland um die Mitte des I I . Jahrtausends v. Chr. 120.
V a p h i o , am rechten Eurotas-Ufer, unweit von Amyklai, Fundstätte eines Kuppelgrabes 81 f. V a r r o , über Weidegewöhnung bei afrikanischen Völkern 182. V a t h y , Hauptort von Thiaki 41 f. 62. V e l l a y , Ch., hält die V I . Schicht in Hissarlik für eine Feuernekropole der Achäer 16. V l i c h o - B u c h t auf Leukas beim Dorf Nidri 47. — nach Dörpfeld Stadthafen von Alt-Ithaka 58f. V ö l c k e r , K . H. W., erkennt, daß die Lage Thiakis zu den Homerischen Angaben nicht paßt 36. 6 1 . V ö l k e r t a f e l der Genesis 10 über J a v a n , den Sohn Japhets, und seine Nachkommen 144.
W a f f e n , 1. in achäischer Zeit ältere mit Kriegswagen: Turmschild, Sturmhaube, Speer; spätere: Rundschild, Panzer, Beinschienen; 2. in ionischer Zeit kein Turmschild und keine Kriegswagen 2 i o f f . W a i n w r i g h t , G . A., erweist als Irrtum, daß Keftiu-Leute auf ägyptischen Darstellungen Kreter sind, sucht sie in Kilikien 149. 2 1 7 f r . — über Gräber beim ägyptischen Theben 219. W a n d p f e i l e r , Wechsel von Wandpfeilern (nEaoSnai) und Säulen im Homerischen Königshaus von Ithaka I97f. — ähnliche Wandpfeiler im Heraion von Olympia und im Tempel von Phigalia 198. W a r d , W. H., über Dekorationen auf Zylindern des Orients 217. W e e g e , Fr., beteiligt bei der Auffindung des Homerischen Pylos und dreier Kuppelgräber durch W. Dörpfeld 7 1 . W e l c k e r , Fr. G . , über die Homerischen Dichter 8. W i l a m o w i t z - M o e l l e n d o r f , U . v., Homerische Untersuchungen 1 1 . — erklärt die Äolismen in den Epen durch ihre Entstehung auf ursprünglich äolischem, ionisiertem Boden 102. — über den Home-
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rischen Hexameter 113. —• über die Natur des Kyklopenlandes 180. — über Thrinakia 185. — über Ogygia 186. — hält Apollon für einen aus Kleinasien nach Griechenland eingeführten Gott 230. — über die Gestalten der Epigonen 265. W i n k l e r , Hugo, über das Verhältnis Sidons zu den Hethitern 155. W o l f , Fr. A., Homerforscher, Begründer der Liedertheorie V. 7. W o o d , R., durchforscht 1750 die Troas nach Troia 13.
Z a k y n t h o s , Insel in der Nähe von Ithaka, in der Ilias von Kephallenen bewohnt 34. Z e n o d o t o s , alexandrinischer Gelehrter, frühester Homerkritiker 6.
20
Rülcr,
Epen
SKYTHEN HIPPEMOLÖEN AI
THRAKER riCRIA
KIKONEN
PHRY6ER (LYKICR
SOLYMER
l^KAREI
[SIDON
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Das Homerische Weltbild
Tafel 2
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