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German Pages 79 Year 2019
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit
Herausgegeben von Werner Georg Kümmel (†) in Zusammenarbeit mit Christian Habicht, Otto Kaiser (†), Otto Plöger (†) und Josef Schreiner (†)
Band I · Lieferung 2 Gütersloher Verlagshaus
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Band I
Historische und legendarische Erzählungen Nikolaus Walter Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker
1980 Gütersloher Verlagshaus
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Nikolaus Waltet Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker
Inhalt Allgemeine Einführung . . . . . . . . . . 9 I Eupolemos Einleitung . 93 Übersetzung 99 Theophilos Einleitung . 109 Übersetzung III Phiion »der Altere« II2 Kleodemos Malchas Einleitung . II5 Übersetzung I I9 Artapanos Einleitung . I2I Übersetzung 127 Pseudo-Eupolemos (Samaritanischer Anonymus) Einleitung . . . . . . I37 Übersetzung . . . . . I4I Pseudo-Hekataios I und II Einleitung . . . . . . . . . . . I44 Übersetzung: Pseudo-Hekataios I I 54 Pseudo-Hekataios II I 58 Namenregister . . . . . . . . . .
Allgemeine Einführung Von der Literatur des frühen hellenistischen Judentums in den beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderten sind einige Schriften deshalb allgemein bekannt, weil sie in das griechische Alte Testament (die sogenannte Septuaginta) aufgenommen wurden und von da aus in die Vulgata und in die Apokryphen zum Alten Testament kamen, so besonders die »Weisheit Salomos«, die hellenistische Bearbeitung der Sprüche des Jesus ben Sira und die hellenistischen Makkabäerbücher (2-4 Makk). Kennten wir von der hellenistisch-jüdischen Literatur jener Epoche nur diese Schriften, so wären wir sehr einseitig informiert: Keiner ihrer Autoren stünde mit seinem eigenen Namen vor uns, vor allem aber hätten wir kein Bild von der Mannigfaltigkeit, in der sich das hellenistische Judentum zwischen etwa 200 und So v. Chr. um die Aneignung griechischer Literaturformen und hellenistischer Geistigkeit bemüht hat. Die beiden großen jüdischen Schriftsteller in griechischer Sprache im 1.]h.n.Chr., Philon und Josephus, stünden scheinbar ohne Vorgänger in einsamer Entfaltung vor uns. Nun hat aber der hellenistisch-römische Autor Alexandros Polyhistor um die Mitte des r.Jh. v. Chr. in seinem Sammelwerk »Über die Juden« (Näheres darüber in der Einleitung zu Eupolemos) so viele Zitate aus jüdisch-hellenistischen (übrigens auch aus antijüdischen und sachlich-neutralen) Originalschriften mitgeteilt, daß sich- fast nur aufgrund dieser einen Quelle, die zum Glück dann von Clemens von Alexandrien und besonders ausgiebig von Eusebios ausgeschöpft wurde eine ganze Palette literarischer Tätigkeit hellenistischer Juden vor uns auftut. Abgesehen von Alexandros' Werk und geringfügigen anderweitigen Notizen ist uns aus jener Zeit nur der sogenannte Aristeasbrief und - in größeren, wieder durch Clemens und vor allem durch Eusebios aufbewahrten Fragmenten - das Buch des Aristobulos erhalten; einige pseudepigraphische Texte schließen sich an. Gewiß ist auch das sich so ergebende Bild nicht vollständig, vor allem fehlt die Fortsetzung bis zur Zeit Philons und Josephus' hin. Doch gibt uns die erhalten gebliebene Auswahl wichtige Einblicke in jene Literatur, für die die Übersetzung der hebräischen Bibel in das Griechische Ausgangspunkt und Grundlage war. Nebeneinander stehen vor uns mehrere Bibelausleger mit teils philologischhistorischem, teils mehr hermeneutisch-philosophischem Interesse (Demetrios und Aristeas einerseits, Aristobulos andererseits), Dichter von Städteepen über Jerusalem oder Sichern (die Epiker Philon und Theodotos) bzw. eines großangelegten Exodusdramas unter dem Einfluß der griechischen Tragödie (Ezekielos) und Autoren, die geschichtliche Darstellungen verfassen, teils eher nüchtern (Eupolemos, Theophilos, Philon »der Ältere«), teils in ausgesprochen romanhafter (Artapanos) oder um die Verarbeitung fremder Mythologie bemühter Weise (Kleodemos, Pseudo-Eupolemos). In mehreren literarischen Gattungen finden sich darüber hinaus Versuche, auch unter der Maske griechischer Autoren die Anliegen des Judentums vorzutragen (Pseudo-Aristeas, Pseudo-Hekataios, Pseudo-Phokylides usw.). Der Anlage des vorliegenden Gesamtwerkes entsprechend werden die exegeti-
sehen Schriften in Band 3, die Texte poetischer Art in Band 4 dargeboten; der Aristeasbrief ist in Band 2 eingereiht. Im vorliegenden Heft sind diejenigen Fragmente zusammengestellt, die sich einigermaßen unter das Stichwort »historische Literatur« einordnen lassen. Sie sind vor allem auf die ältere Geschichte des Volkes Israel ausgerichtet: auf die Zeit der Erzväter, besonders Abrahams (Kleodemos, PseudoEupolemos und Pseudo-Hekataios II), auf den Aufenthalt Israels in Ägypten von Joseph bis zu Mose bzw. zum Auszug (Artapanos; vgl. auch Sapu und I6-I9) und auf die »klassische« Königszeit unter David und Salomo (Eupolemos, Theophilos). Nur die dem hellenistischen Autor Hekataios von Abdera untergeschobene Kriegserzählung (Pseudo-Hekataios I) hat mit dem Judentum in der Epoche Alexanders des Großen zu tun. Eine Gesamtkonzeption von der Geschichte des Gottesvolkes - wie sie etwa in Siq4-50 sichtbar wird- oder gar die Spekulation über das Wesen von Geschichte ist nirgends als eigentliches Thema der uns vorliegenden Fragmente zu erkennen. Wohl aber wird man bestimmte Bezüge auf aktuelle Fragen und Situationen der Autoren erschließen können. Wenn Eupolemos mit dem in I Makk8,I7f. genannten Gesandten der Makkabäer nach Rom identisch ist, so ist es sicher kein Zufall, daß sich seine Darstellung mit sichtlichem Stolz auf den glanzvollen salomonischen Tempelbau konzentriert - war doch eben (I 64 v. Chr.) nach der tiefen Krise des jüdischen Gottesdienstes unter Antiochus IV. Epiphanes der legitime Tempelkult wiederaufgenommen worden. Zugleich betont Eupolemos auch die guten internationalen Beziehungen Salomos. Artapanos dagegen - offenbar ein alexandrinischer Jude - stellt die Schicksale Israels in Ägypten und vor allem die Person des Mose in den Mittelpunkt und will zeigen, wie viel alle ägyptische Kultur der Genialität seines Helden verdankt und wie harmlos und verächtlich sich dem Gottesglauben Moses' gegenüber die ägyptische Religion ausnimmt. Um die Verbindung griechischer mythologischer Lokaltraditionen Nordafrikas mit biblischer Überlieferung bemüht sich der offenbar der jüdischen Diaspora in Libyen oder Karthago angehörende Kleodemos Malchas, während der anonyme Samaritaner, dessen Fragment unter den Namen des Eupolemos geriet (»Pseudo-Eupolemos«), Gestalten der babylonisch-hellenistischen Mythologie mit den biblischen Erzvätern gk~ch setzen will - woraus sich auf den Kulturkreis, zu dem er Beziehungen hat, schließen läßt. So geben die hier zusammengestellten Texte davon Zeugnis, wie sich das hellenistische Judentum (unter Einschluß eines samaritanischen Autors) des 2. vorchristlichen Jahrhunderts in Palästina und in verschiedenen Diasporagebieten mit der eigenen und der fremden geschichtlichen Überlieferung auseinandergesetzt hat.
Eupolemos
Einleitung r. Aus dem Buch des Eupolemos, das wahrscheinlich den Titel »Über die Könige in Judäa« trug 1 , sind uns fünf Fragmente erhalten, davon vier durch zum Teil sehr umfangreiche Auszüge des hellenistisch-römischen Schriftstellers Alexandros Polyhistor (Mitte des 1. Jh. v. Chr. ), der das Buch in seinem Werk »Über die Juden« (FGrH273 F 19) benutzte. Dieses Werk bestand- soweit wir noch erkennen können - fast ausschließlich aus Exzerpten aus jüdischen und nichtjüdischen Schriften über das Land und die Geschichte der Juden, die vielleicht dem römischen Publikum einen ersten Eindruck von dem fremden Land und Volk in Palästina vermitteln sollten, das Pompeius eben (64/63 v. Chr.) dem Imperium Romanum einverleibt hatte. Die lediglich kompilatorische Art der Schriftstellerei des Alexandros Polyhistor ist für uns sehr wertvoll, da fast ausschließlich auf diesem Wege Fragmente der jüdisch-hellenistischen Literatur des 2.-1. Jh. v. Chr. erhalten geblieben sind, von deren Existenz wir sonst kaum eine Ahnung hätten. Leider hat der Polyhistor seine Exzerpte fast durchweg in den Stil des indirekten Referats umgeschrieben, so daß die individuelle Schreibweise der Originalautoren (Eupolemos, Artapanos, Demetrios, Aristeas der Exeget, Kleodemos Malchas u. a.) ein wenig verwischt worden ist; nur die Verse der Dichter (Ezechiel der Tragiker, Phiion der Epiker, Theodotos) hat er in ihrer poetischen Form erhalten. Das Buch des Alexandros Polyhistor ist nicht in direkter Überlieferung auf uns gekommen, sondern wiederum nur durch die Zitate der Kirchenväter Clemens von Alexandrien und Eusebios von Cäsarea. Clemens hat in seinen Stromata Alexandros Polyhistors Buch »Über die Juden« nur gelegentlich und ohne Wertlegen auf exakte Wörtlichkeit zitiert. Entscheidend sind daher für uns die Wiedergaben des Eusebios, der des Polyhistors Werk über viele Seiten seiner Praeparatio Evangelica (IX 17-39) hin offenbar sehr getreulich ausgeschrieben hat'. Auf seinem Text r. So nach Clemens, Strom I r 53,4, der dort wie Eusebios (F r) aus Alexandros Polyhistor schöpft und bei diesem den Titel (wohl an früherer Stelle) gefunden haben muß, da das Zitat selbst nicht von judäischen Königen, sondern von Mose handelt. Der gleiche Titel ergibt sich aus der einleitenden Bemerkung zu F 5 (Strom I 141,4), die Clemens aus anderer Quelle entnahm.Der am Beginn des F 2 von Eusebios (Praep Ev IX 3o,r) angegebene Titel »Über das Prophetenturn des Elias« beruht auf einem ungeklärten Irrtum. 2. Eupolemos F 4 (bei Eusebios, Praep Ev IX 39,2-5) ist keineswegs, wie man seit Freudenthai (S. 2o8f.) gelegentlich lesen kann (Jacoby setzte es in FGrH 723 deshalb an die letzte Stelle), anonym überliefert. Eusebios hat an der betreffenden Stelle das von Alexandros Polyhistor gebotene Zitat gekürzt und dabei auch dessen übliche Einleitung (»Eupolemos sagt ... «) weggelassen; in seiner Kapitelüberschrift aber hat er den Autornamen Eupolemos gewissenhaft mitgeteilt. Zur Authentizität dieser Überschriften siehe K. Mras, in: Eusebius Werke, 8. Band, I, Berlin 1954 (GCS 43,r), S. VIII.
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muß daher auch die Übersetzung beruhen; Clemens kann nur ergänzend zu Rate gezogen werdenJ. Das fünfte Eupolemos-Fragment zitiert Clemens (Stromata I 141,4-5) aus einer anonymen Quelle, die auch Josephus (Aplzr8) schon kannte4. Ein weiteres, in PraepEv IX 17 und wohl auch schon von Alexandros Polyhistor unter Eupolemos' Namen zitiertes Fragment hat mit unserem Eupolemos ganz sicher nichts zu tun, da in ihm ein auf die Verbindung von griechischer, babylonischer und biblischer Überlieferung bedachter, wegen seiner Betonung des Kults auf dem Garizim sicher samaritanischer Autor spricht5. Unter der Voraussetzung, daß die Fragmente 1-5 des Eupolemos auf die gleiche Schrift zurückgehen und der obengenannte Titel der ursprüngliche ist, kann man sich die Anlage des Buches etwa folgendermaßen vorstellen: Die Geschichte der Könige von J udäa wurde mit einer V argeschichte eingeleitet, in der - wohl nur kurz - von Mose (F [ = Fragment] 1), Josua (F 2§ 3o,r), vielleicht von einigen Richtern, jedenfalls von Samuel (F 2§ 30,2) erzählt wurde. Daß sie für Eupolemos als Vorläufer der Könige in Betracht kamen, zeigt sich daran, daß er offenbar jedesmal eine »Regierungszeit« angegeben hat; das Amt dieser Vorläufer bezeichnet er als n(!OCf'Y)TCV8tV (F 2 § 30, If.). Mit Saul beginnt die eigentliche Königsgeschichte, von der wir aus Alexandros Polvhistors Exzerpt nichts Näheres erfahren (ebd. 30,2b). Dieses wird vielmehr erst bei David ausführlicher (ebd. 30,3-8). Nach einigen geschichtlichen Einzelheiten hören wir von der Vorbereitung des Tempelbaus, dessen Ausführung durch Salomo dann in aller Breite berichtet wird (ebd. 30,8-34, II); dabei wird Salomos Briefwechsel mit dem ägyptischen Pharao Vaphres (einer geschichtlich nicht beglaubigten Gestalt) und mit Suron ( = Hiram), dem König von Tyrus, Sidon und Phönizien, »wörtlich« mitgeteilt. Der Beschreibung des Tempels folgt der Bericht über den Aufbau Jerusalems (ebd. 34,12f.) und über die Entlohnung der ägyptischen und phönizischen Gastarbeiter (F 2 § 34, I7 f. und F 3). Von der weiteren Königsgeschichte ist uns 2.
3. Für Eupolemos bietet Clemens nur zu F I eine Parallele (Strom I r 53,4) sowie zu einer längeren Partie aus F 2 (31,4~34,3) ein kurzes Referat (Strom I I30,3). 4· Die Quelle dieses Fragments ist nicht~ wie meist angenommen wird (vgl. z.B. Schürer III, S. 469) ~ebenfalls Alexandros Polyhistors Buch »Über die Juden«, sondern eine im Jahre 4ov. Chr. (vgl. die Zusätze im Text von F 5) verfaßte chronographische Arbeit eines Unbekannten; vgl. Walter, Nikolaus: Zur Überlieferung einiger Reste früher jüdisch-hellenistischer Literatur bei Josephus, Clemens und Euseb, in: Studia Patristica VII, Berlin I966 (TU 92), S. 314~po, bes. S. 318f. Neuerdings möchte Ben Zion Wacholder (Biblical Chronology in the Hellenistic World Chronicles, HThR 6I, I968, 45I~48I, bes. S. 47off.) diese Arbeit mit guten Gründen dem Ptolemaios von Mendes (FGrH 6II) zuweisen. Bei diesem ägyptischen Priester findet sich jedenfalls die für die jüdisch-christliche Apologetik grundlegende Synchronisation Pharao Amosis ~ Mose ~König Inachos von Argos zuerst (FGrH6I r F Ia~c). Daß Clemens seine drei Bücher über ägyptische Geschichte kennt, sagt er in Strom I IOI,5, also am Beginn des chronographischen Abschnitts, in dem auch das Zitat aus der unbekannten Quelle, eben Eupolemos F 5 (mit Dernetrios F 6), steht. 5· Das hat Freudenthal, S. 85~96, überzeugend gezeigt, und die meisten neueren Autoren sind ihm darin gefolgt (doch vgl. unten Anm. I 2). Das Fragment wird unten unter »Pseudo-Eupolemos« ausführlich besprochen.
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die Darstellung nicht erhalten bis auf einen Abschnitt über den Konflikt zwischen »Jonachim« (vgl. die Anm. zur Stelle) und Jeremia sowie über das Ende Judäas durch den Sieg der Babyionier (F 4). Die chronographischen Mitteilungen im letzten Fragment (F 5) zeigen, daß Eupolemos auch an einer kontinuierlichen Chronographie interessiert war 6 • Sie reicht von Adam bis auf das 5. Jahr der Regierung des Demetrios, womit offenbar die eigene Gegenwart des Eupolemos bezeichnet sein soll. Dabei muß offen bleiben, ob er diese Berechnungen als Rahmen um das ganze Werk gespannt hat oder ob er nur als Abschluß bzw. Anhang ein chronographisches Summarium gab. 3. In seiner Darstellung baut Eupolemos naturgemäß auf den biblischen Berichten auf, wobei er in vielen Einzelheiten, besonders hinsichtlich des Tempelbaus, die Chronik gegenüber den Königsbüchern bevorzugt, obwohl er auch sie gekannt und benutzt hat. Es ist seit Freudenthai unbestritten, daß Eupolemos sowohl den hebräischen Text wie die Septuaginta benutzt hat. Denn daß er hebräische Ausdrücke bei der Beschreibung des Tempels, die in der Septuaginta unübersetzt stehengeblieben waren, griechisch wiedergegeben hat, zeigt, daß er Hebräisch konnte; auch weisen manche Einzelheiten gegen die Septuaginta auf den hebräischen Text hin. Andererseits liegen Anklänge an den griechischen Wortlaut der LXX, und zwar gerade an den der jungen Chronikbücher, vor, und die Chronologie von F 5 scheint (wenn das auch angesichts einer unsicheren Textemendation ungewiß bleiben muß7) für die Zeit zwischen Adam und Mose im wesentlichen dem System der LXX zu folgen. So ist Eupolemos - wie Demetrios und Artapanos ein früher Zeuge für die Benutzung der Septuaginta, wobei es sich in unserem Falle sogar um einen palästinischen Autor handelt. - Im übrigen scheint Eupolemos auch griechische Autoren wie Herodotos (inF I undF z § 30,4) und Ktesias (inF4§4) zu kennen. 4· Eupolemos verfaßte sein Werk - wie man aus dem Endpunkt seiner chronologischen Berechnung in F 5 wohl entnehmen darf- im Jahre I 58 v. Chr., wenn der Demetrios, dessen 5. Regierungsjahr dort genannt wird, Demetrios I. Soter (I6Z-I5ov.Chr.) ist. Dafür spricht die Synchronisation mit dem Iz.Jahre eines Ptolemaios, die der Zwischenautor vorgenommen hat und die sich nur auf Ptolemaios VIII. Euergetes (Physkon) beziehen läßt, dessen Regierungsjahre später nach seiner ersten Thronbesteigung im Jahre I70 v.Chr. datiert wurden 8 • Für die gleiche Zeit spricht aber auch, daß Eupolemos höchstwahrscheinlich mit jenem in 6. Dazu vgl. jetzt den oben in Anm. 4 genannten Aufsatz von Wacholder, bes. S. 46If. 7· In F 5 gibt die Handschrift L der Stromata des Clemens für die Epoche vom Exodus bis in die Gegenwart des Eupolemos 2580 Jahre an, was seit H. F. Clinton (1824) allgemein für einen Fehler (statt I 580) gehalten wird. Wacholder (HThR 61, 1968, S. 462) hat die handschriftliche Lesart verteidigt; damit ergäbe sich eine stärkere Annäherung an die Chronologie des hebräischen Textes für die Zeit von Adam bis zum Exodus (während sie mit der veränderten Zahl näher bei LXX steht), dafür aber eine nicht erklärbare Verlängerung der folgenden Epoche. 8. Das hat vor allem Alfred von Gutschmid (KI. Sehr. II, Leipzig 1890, S. 191f.) gezeigt; Näheres siehe Walter, Untersuchungen, S. 38f.
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IMakk8,17f. (vgl.zMakk4,u) genannten Eupolemos identisch ist, den Judas Makkabaios im Jahre I6o v. Chr. oder nicht lange zuvor gemeinsam mit einem Jason nach Rom sandte, wo er einen römisch-jüdischen Freundschaftsbund erwirken sollte9. Dazu stimmt, daß Eupolemos nach F 5 offenbar im seleuzidischen Herrschaftsbereich, also in Palästina, schrieb. 5. Ist diese Identifikation richtig, dann war Eupolemos ein Mann, der am politischen Geschehen seiner Zeit aktiv beteiligt war und dabei den Makkabäern nahestand. Seine Beherrschung und literarische Benutzung der griechischen Weltsprache spricht keineswegs dagegen (man darf die spätere palästinisch-jüdische Feindschaft gegen jede Form der »Hellenisierung« nicht schon in die Zeit der Makkabäer selbst zurückdatieren 10) , vielmehr war sie gerade eine Voraussetzung für seine diplomatische Mission. Es ist auch sehr erwägenswert, in ihm den V erfasser jener Quelle zu sehen, aus der das I. Makkabäerbuch seine Nachrichten über Judas Makkabaios schöpftii. Die uns vorliegenden Fragmente zeigen jedenfalls einen Schriftsteller, der die Geschichte seines Volkes in echter innerer Bindung beschreibt, die sich auch in gelegentlichen Übersteigerungen des Historischen (man denke an die großzügige Ausweitung des Machtbereichs Davids und Salomos, F z§ 30,3 f., oder an die Beflissenheit, mit der nicht nur Suron/Hiram, sondern auch der Agypter V aphres beim Tempelbau Hilfe geleistet haben sollen, endlich an die Rühmung Moses in F I) kundgibt, aber andererseits dem eigenen Volke gegenüber durchaus nicht blind kritiklos bleibt (vgl. F 4; von seiner Darstellung der j üdischen Geschichte zwischen Salomo und dem Ende Judäas ist uns leider nichts erhalten). Unverkennbar ist der Stolz, mit der er die Prachtentfaltung beim Tempelbau unter Salomo beschreibt; hier ist daran zu denken, daß in der Gegenwart des Eupolemos der nach der Entheiligung durch Antiochus IV. (r67 v.Chr.) eben erst (r64 v. Chr.) wieder geweihte Tempel nun erst recht zum geistigen und nationalen Mittelpunkt aller gesetzestreuen Juden geworden war 12 • 9· Zur Frage der Historizität dieser Gesandtschaft vgl. Schürer I, S. 220f.; weiteres bei Walter, Untersuchungen, S. 157f. 10. Dafür, daß auch in Palästina Gesetzestreue nicht von vornherein identisch ist mit antihellenistischer Einstellung, spricht etwa, daß es Pseudo-Aristeas noch um 100 v. Chr. als selbstverständlich voraussetzen kann, daß der J erusalemer Hohepriester und seine Schriftgelehrten in der Lage sind, die Thora ins Griechische zu übersetzen und sich mit Ptolemaios II. griechisch zu unterhalten. Auch der Enkel des J esus ben Sira sowie der Übersetzer des Estherbuchs sind Palästiner; vgl. Freudenthal, S. 127-129, und jetzt vor allem das große Werk von M. Bengel (passim) und J. N. Sevenster, Do You Know Greek? How Much Greek could the First Jewish Christians have Known? Leiden 1968 (Suppl Nov Test 19). I I. Diese Vermutung wurde von Klaus-Dietrich Schunck (Die Quellen des I. und II. Makkabäerbuches, Halle I954, S. 70-74) ausgesprochen und plausibel begründet. Doch würde ich dann nicht an einen letzten Teil des Buches »Über die Könige in Judäa« denken (so Schunck), sondern an eine gesonderte Schrift. I 2. Eine ganz andere Charakterisierung der Schriftstellerei des Eupolemos würde sich natürlich ergeben, wenn man das oben bei Anm. 5 erwähnte samaritanische Fragment (siehe unten unter »Pseudo-Eupolemos«) hinzunähme. So verfahren noch Schlatter, Geschichte, S. I88-I93, und neuerdings wieder William Tarn, Die Kultur der hellenistischen Welt, 3· unter Mitarbeit von G. T. Griffith durchgesehene Auf!., deutsch von G. Bayer, Darmstadt 1966, S. 277.
Mit der Erwähnung seiner Nähe zur makkabäischen Bewegung und seiner Begeisterung für den Tempel ist etwa alles gesagt, was sich über die theologische Einstellung des Eupolemos unmittelbar erheben läßt. Möglicherweise hat Alexandros Polyhistor im Zuge seiner Umsetzung in die Form des indirekten Referats auch manche theologisch aufschlußreichere Bemerkung, die dem historischen Interesse des Polyhistors gleichgültig war, übergangen. Nur die wörtlich wiedergegebenen »Urkunden« (F2§31-34) enthalten theologische Aussagen im engeren Sinne, vor allem in der Form von Gottesprädikationen. So ist Eupolemos der älteste jüdisch-hellenistische Historiker im gerraueren Sinne des Wortes'l (der Exeget Demetrios dürfte ein paar Jahrzehnte älter sein), ein erster Vorläufer des J osephus, Palästinenser wie dieser und gleichermaßen aber in einer anderen geschichtlichen Situation - bestrebt, für griechischsprechendes Publikum einen lesbaren Abriß der Geschichte seines Volkes zu geben. Unter einen Sammelbegriff wie »Missionsliteratur« sollte man sein Buch aber nicht stellen, da in ihm missionarisch-propagandistische oder auch apologetische Absichten'4 kaum hervortreten - weit weniger als etwa in den »Altertümern« des Josephus (um von seiner Schrift Contra Apionem ganz zu schweigen). 6. LiteraturtJerzeichnis
a)
DER TEXT DER FRAGMENTE
Freudenthal, Jakob: Alexander Polyhistor und die von ihm erhaltenen Reste jüdischer und samaritanischer Geschichtswerke I-II ( = Hellenistische Studien I-II), Breslau 1874/75 (Jahresberichte des jüdisch-theologischen Seminars »Fraenkel'scher Stiftung« 1874 und 1875), S. 225-230. Stearns, Wallace Nelson: Fragments from Graeco-Jewish Writers, Chicago 1908, S. 29-41 (hat etwa die Hälfte des Textes der Fragmente ausgelassen). 13. Vgl. die Würdigungen durch Giblet und Hengel. 14. Daß das propagandistische bzw. apologetische Motiv für Eupolemos und die anderen jüdisch-hellenistischen Autoren - unzutreffenderweise - immer wieder in den Vordergrund gerückt worden ist, geht schon auf Hieronymus, De viris illustribus 38, ja z. T. schon auf die Absicht zurück, in der Clemens von Alexandrien und Eusebios diese Texte zitierten. Auch die moderne protestantische Forschung von Schürer bis zu Dalbert und anderen war weithin von diesem Gesichtspunkt bestimmt. Doch vgl. dagegen V. Tcherikover, Jewish Apologetic Literature Reconsidered, Eos 48,3, 1956 ( = Symbolae R. Taubenschlag dedicatae III), S. 169-193; N. Walter, Frühe Begegnungen zwischen jüdischem Glauben und hellenistischer Bildung in· Alexandrien, in: Neue Beiträge zur Geschichte der Alten Welt, hg. v. E. Ch. Welskopf, I, Berlin 1964, S. 367-378 (bes. S. 375-377), und neuerdings M. Hengel in seinem schönen Überblick über die jüdisch-hellenistische Literatur: Anonymität, Pseudepigraphie und »Literarische Fälschung« in der jüdisch-hellenistischen Literatur, in: Pseudepigrapha I, Vandceuvres-Geneve 1972 (Entretiens sur l'Antiquite Classique r8), S. 229-329 (bes. S. 303-308). Daß in einzelnen Schriften apologetische - aber kaum eigentlich »missionarische« - Absichten stärker hervortreten, soll natürlich nicht geleugnet werden. Aber zunächst wird man auch die jüdisch-hellenistische Literatur als für den eigenen literarischen Bedarf des Judentums geschrieben ansehen müssen. Stärker- m.E. zu stark- sieht neuerdings wieder W. Speyer apologetische Tendenzen als das eigentlich treibende Motiv dieser Literatur an: Die literarische Fälschung im heidnischen und christlichen Altertum, München 1971 (HA W I 2), S. I 55-r6o.
97
FGrH 723 (vol. III C 2, Leiden 1958, S. 671-677). Denis, Albert-Marie: Fragmenta Pseudepigraphorum quae supersunt graeca una cum historicorum et auctorum Judaeorum hellenistarum fragmentis, Leiden 1970 (PsVTGr IIIb), S. 179-186.
Der Text beruht auf folgenden Quellenausgaben: Clemens Alexandrinus, 2. Band: Stromata Buch I-VI, hg. v. 0. Stählin, 3. AufL v. L. Früchte!, Berlin I 96o (GCS 52 [15 ]). Eusebius Werke, 8. Band: Die Praeparatio Evangelica, hg. v. K. Mras, I-II, Berlin 1954/56 (GCS 43,1-2) b) ÜBERSETZUNG Rießler, S. 328-333, 1287f.
c)
UNTERSUCHUNGEN
Freudenthal, S. 82-91, IOj-qo, 208-215. Schiirer III, S. 474-477 (dort ältere Literatur). Schlaffer, Geschichte, S. 187-193, 419-422. Dalbert, Peter: Die Theologie der hellenistisch-jüdischen Missions-Literatur unter Ausschluß von Philo und Josephus, Harnburg-Volksdorf 1954 (Theologische Forschung 4), S. 3 5-42. Giblet, Je an: Eupoleme et l'historiographie du Judaisme hellenistique, in: Melanges G. Ryckmans, Louvain 1963 (EThL 39), S. 539-5 54· Walter, Nikolaus: Untersuchungen zu den Fragmenten der jüdisch-hellenistischen Historiker, Theol. HabiL-Schrift (maschinenschriftl.), Halle 1968, S. 37-56, I5 6-175. Hengel, Martin: Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh. v. Chr., Tübingen 1969 (WUNT 10), S. 169-175· Denis, Introduction, S. 252-2 55. Wacholder, Ben Zion: Eupolemus. A Study of Judaeo-Greek Literature, Cincinnati, New York, Los Angeles, Jerusalem 1974 (Monographs of the Hebrew Union College 3). - Für die Zusendung des Buches, auf das ich nach Abschluß des Manuskripts nur noch an dieser Stelle hinweisen kann, bin ich dem Autor sehr dankbar.
Nachtrag (1979): Küchler, M ax: Frühjüdische W eisheitstraditionen, Freiburg ISchweiz und Göttingen 1979 (OBO 26), S. ud., 130.
Übersetzung F
I
ALEXANDROS POLYHISTOR, ÜBER DIE JUDEN, BEI EUSEBIOS, PRAEP EV IX 26,1
Ia Eupolemos aber sagt, Moses sei der erste Weise gewesen und habe als erster den Juden die Buchstabenb beigebracht - von den Juden hätten sie dann die Phönizier übernommen, die Griechen aber von den Phöniziernc -; auch Gesetze habe Moses als erster den Juden aufgeschriebend.
Fz ALEXANDROS POLYHISTOR, ÜBER DIE JUDEN, BEI EUSEBIOS, PRAEP EV IX 30,1-34,18
30,1 Eupolemos aber sagt in einer (Schrift) aüber das Prophetenturn des Eliasa, Moses habe 40 Jahreb als Prophet gewirkt, danach Jesus, der Sohn des Naue, 30 Jahrec; er habe I IO Jahre gelebt und das heilige Zelt in Silo aufge-
schlagen. 2 Spätera sei Samuel Prophet gewesen. Danach sei nach dem Willen Gottes Saulos von Samuel zum Könige erwählt worden; der sei nach einer Regierung von 2I Jahrenb gestorben. 3 Danach habe adessen Sohna David geherrscht, der die am Fluß Euphrates wohnenden Syrerb und die (Landschaft) Kommagenec und die in der Zu Fr I a) Das gleiche Fragment (bis »... von den Phöniziern«) bietet fast wörtlich gleichlautend auch Clemens, Strom I I 53,4 ( = F I a), wobei er einleitend als Titel für Eupolemos' Buch angibt: »Über die Könige in Judäa«. Vgl. Einleitung Anm. r. b) Mit yedp,flaTa ist hier nicht »die Schrift« ( = Bibel) gemeint, wie Dalbert (S. 41) erwägt; Clemens (F I a) schreibt eleganter und eindeutiger yQaf1f1artl